Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17

bei uns veröffentlicht am29.06.2018

Tatbestand

1

I. Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Hinzuschätzungen nach erfolgter Außenprüfung.

2

Die Antragsteller wurden in den Streitjahren 2012 bis 2014 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren betrieb der Antragsteller einen gewerblichen Handel mit mediterranen Lebensmitteln auf diversen Wochenmärkten in Hamburg und ermittelte den Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ein Kassenbuch über seine täglichen Bareinnahmen führte er ebenso wenig wie Kassenberichte oder ähnliche Aufzeichnungen. Er führte lediglich sogenannte Umsatzsteuerhefte gemäß § 22 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), in denen er unter Abschnitt 1 unter dem jeweiligen Tagesdatum den jeweiligen Tagesumsatz in einer Summe notierte. In den Jahren 2012 bis 2014 ermittelte der Antragsteller u. a. jeweils folgenden Umsatz, Wareneinsatz, Gewinn und Rohgewinnaufschlagssatz (RGAS):

        
        

    2012

  2013

  2014

Umsatz (erkl.)

... € 

  ... €

   ... €

Wareneinsatz

... € 

  ... €

   ... €

Gewinn

... € 

  ... €

   ... €

RGAS   

    162%

  132%

 164% 

3

Diese Umsätze und Gewinne legte der Antragsteller auch seinen Erklärungen zur Gewerbesteuer und Umsatzsteuer sowie - zusammen mit seiner Ehefrau, der Antragstellerin - zur Einkommensteuer zugrunde.

4

Nach einer Außenprüfung erhöhte der Antragsgegner die erklärten Umsätze um einen Sicherheitszuschlag i. H. v. ca. 5 % zzgl. 7% Umsatzsteuer. Für das Jahr 2013 erhöhte er zudem die erklärten Umsätze um weitere ca. ...,- € zzgl. 7% Umsatzsteuer, um den RGAS an den RGAS in Höhe von ca. 175% der Jahre 2012 und 2014 nach erfolgter Hinzuschätzung des Sicherheitszuschlages in Höhe von ca. 5% anzugleichen. Durch die Hinzuschätzungen - und in den Jahren 2013 und 2014 unter Berücksichtigung hier nicht weiter streitiger anderer Punkte - legte der Antragsgegner u. a. folgende geschätzte Umsätze und Gewinne aus Gewerbebetrieb der Besteuerung zu Grunde:

        
        

   2012

  2013

 2014 

Umsatz (erkl.)

    ... €

   ... €

  ... €

Hinzuschätzung

    ... €

   ... €

  ... €

USt auf Hinzuschätzung

    ... €

   ... €

  ... €

Gesamt

    ... €

   ... €

  ... €

Wareneinsatz

    ... €

   ... €

  ... €

Gewinn nach BP

    ... €

   ... €

  ... €

RGAS   

   175%

  175%

 177% 

5

Am 4. Oktober 2016 erließ der Antragsgegner entsprechend geänderte Bescheide für die Streitjahre über Einkommen-, Umsatzsteuer sowie über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 2013 sowie 2014. Die Bescheide für 2013 sind aus hier nicht interessierenden Gründen am 12. Januar 2018 nochmals geändert worden.

6

Am 9. Oktober 2016 legten die Antragsteller gegen diese Bescheide Einspruch ein. Gleichzeitig beantragten sie Aussetzung der Vollziehung (AdV), welche der Antragsgegner mit zwei Bescheiden vom 21. November 2016 zunächst gewährte.

7

Mit Einspruchsentscheidungen vom 25. August 2017 wies der Antragsgegner die Einsprüche der Antragsteller bezüglich der Einkommensteuer 2012 bis 2014, sowie des Gewerbesteuermessbetrags 2013 und 2014 und der Umsatzsteuer 2012 bis 2014 als unbegründet zurück.

8

Nachdem der Antragsgegner die nach Erlass der Einspruchsentscheidungen erneut bei ihm beantragte AdV abgelehnt und auch die hiergegen gerichteten Einsprüche zurückgewiesen hat, haben die Antragsteller am 19. Oktober 2017 einen Antrag auf AdV bei Gericht gestellt, welchen sie unter Hinweis auf die Begründung im Hauptsacheverfahren (Az. 2 K 279/17) wie folgt begründen:

9

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden ernstliche Zweifel. Der Antragsgegner sei nicht zur Schätzung befugt gewesen, da die Unterlagen zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht unvollständig vorgelegt worden seien. Der Antragsteller führe ein ordnungsgemäßes Umsatzsteuerheft, welches tagesgenau überprüft werden könne. Ein Umsatzsteuerheft sei nicht unsichtbar manipulierbar. Da es täglich im Original vorlegbar sein müsse, sei es zwingend täglich zu führen. Alle Tageseinnahmen seien nach Ablauf des Handelstages unverzüglich einzutragen. Weiterhin sei es durch die Originalausgabe durch die Finanzbehörde nicht austauschbar oder ersetzbar.

10

Die Erlösaufzeichnungen in einem Umsatzsteuerheft hätten daher sogar noch einen höheren Überprüfungsgrad als einzelne, wenn auch durchnummerierte Kassenberichte. Ein ordnungsgemäß geführtes Umsatzsteuerheft habe Urkundencharakter, da ein exakt zu führendes Originaldokument der Finanzbehörde vorliege.

11

Da der Antragsteller keine Additionen (durch z. B. im Laufe des Handelstages erfolgte Bareinkäufe oder Entnahmen) oder Subtraktionen (z. B. Einlagen) vom täglichen Erlösgeldbestand vornehmen müsse und nur der immer gleiche Anfangsbestand für das Wechselgeld zu berücksichtigen sei, ergebe sich keine höhere Beweiskraft durch Aufzeichnungen in einem zusätzlichen Kassenbericht.

12

Die nach Abschluss der Auszählung und Feststellung der jeweiligen Tageseinnahmen erfolgte Überführung des kompletten Barbestands (abgesehen vom zurückbehaltenen Wechselgeld) in das Privatvergnügen mache sein, des Antragstellers, angewandtes Ermittlungsverfahren fehlerfrei.

13

Die vom Antragsgegner zitierte BFH-Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17) mache das durch den Antragsteller angewandte Verfahren nicht falsch. Die Beweiskraft der Aufzeichnungen in einem ordnungsgemäß geführten Umsatzsteuerheft müsse ausreichend sein.

14

Der Antragsteller habe sich genau an die Vorgaben der von der OFD-Niedersachsen herausgegebenen Anleitung zum Führen des Umsatzsteuerheftes gehalten und sich dies jährlich von der Finanzbehörde bestätigen lassen. Zudem hätten die Finanzbehörden über Jahre hinweg bei ihm und anderen Marktbeschickern die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten über ein Umsatzsteuerheft nicht beanstandet. Darauf habe er vertrauen dürfen. Zu keiner Zeit seien von ihm weiterführende Aufzeichnungspflichten verlangt worden.

15

Zudem seien die Grundsätze der Nachvollziehbarkeit, Nachprüfbarkeit, Vollständigkeit und Unveränderbarkeit erfüllt.

16

Die ermittelten/ausgezählten Tageserlöse seien vom Antragsteller persönlich sofort nach Arbeitstagsende ausgezählt und tageseinzeln eingetragen worden. Da das Umsatzsteuerheft der Unternehmer zu führen habe, trage er die Verantwortung für die Richtigkeit der eingetragenen Angaben. Das Fordern eines zusätzlichen Beweises auf einem weiteren, losen, separaten Zettel sei überzogen. Der Antragsteller habe durch die tagesgenaue Eintragung der Tageserlöse in das offizielle Dokument der Finanzbehörde "Umsatzsteuerheft" eine Urkunde geschaffen, die alle Tagesumsätze nachvollziehbar mache. Die Verpflichtung zum persönlichen Führen des Umsatzsteuerheftes sei der signierten Bestätigung des Auszählungsergebnisses auf dem Kassenbericht gleichzustellen.

17

Alle Geschäftsvorfälle des Antragstellers ließen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung nachvollziehen. Die Bar- wie auch die Bankzahlungen der Aufwendungen seien einzeln dargestellt. Die Tageseinnahmen seien tagesweise unabänderbar fortlaufend aufgezeichnet.

18

Da alle Geschäftsvorfälle hinsichtlich des Wareneinkaufes und Warenverkaufes spätestens mit Geschäftsabschluss aufgezeichnet worden sein müssten und damit unabänderbar festgeschrieben seien, sei auch die zeitgerechte Aufzeichnung sichergestellt.

19

Bezüglich der (zusätzlichen) Hinzuschätzung für das Jahr 2013 sei zu berücksichtigen, dass in diesem Jahr zwei Urlaube (... April 2013 bis ... April 2013 sowie ... September bis ... September 2013) unternommen worden seien. Die Wareneinkäufe erfolgten aber ohne Berücksichtigung von Urlaubstagen, damit die Auslagen voll blieben. Der zu viel eingekaufte Teil der frischen Waren hätte notgedrungen entsorgt werden müssen. Zudem sei im Streitjahr 2013 Ware, die direkt am Schaufenster gelegen habe, bedingt durch die langanhaltende Kälte, erfroren und habe vernichtet und immer wieder durch neue Ware ersetzt werden müssen.

20

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Vollziehung der Bescheide 2012, 2013 und 2014 über Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie die Vollziehung der Bescheide für 2013 und 2014 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 4. Oktober 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 25. August 2017 bzw. für das Jahr 2013 in Gestalt der geänderten Bescheide vom 12. Januar 2018 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

21

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

22

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden nicht. Eine Schätzungsbefugnis sei dem Grunde nach gegeben. Das ausschließliche Führen eines sogenannten Umsatzsteuerheftes unter Verwendung einer offenen Ladenkasse sei nicht ausreichend.

23

Der Antragsteller habe zwar ein Umsatzsteuerheft im Sinne des § 22 Abs. 5 UStG geführt, Buchführungspflichten, die sich aus anderen Gesetzen herleiten ließen, würden von der Regelung in § 22 Abs. 5 UStG im Übrigen jedoch nicht berührt. Für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit den Steuern vom Einkommen und Ertrag sei das Umsatzsteuerheft nicht ausreichend. Soweit in den Einzelgesetzen nichts anderes bestimmt sei, gälten für die Erfüllung der Beweiskraft der Buchführung gemäß § 158 der Abgabenordnung (AO) die §§ 145 bis 147 AO. Die Anforderungen an die Aufzeichnungen seien hier wesentlich umfassender und würden durch Eintragungen im Umsatzsteuerheft allein nicht vollumfänglich erfüllt.

24

Bei einer offenen Ladenkasse oder bei Bareinnahmen, die ähnlich einer offenen Ladenkasse erfasst würden, sei zumindest ein täglicher Kassenbericht erforderlich. Darüber hinaus müssten diese Aufzeichnungen auch jeweils zeitnah erfolgen. Der Antragsteller hätte in seinem Umsatzsteuerheft jedoch lediglich die jeweiligen Tageseinnahmen in einer Summe erfasst, ohne die Überprüfung dieser Summen zu ermöglichen. Erfasse der Steuerpflichtige - wie zulässigerweise der Antragsteller - seine Tageseinnahmen in einer Summe, müsse er das Zustandekommen der Summe (beispielsweise durch einen Kassenbericht) auch nachweisen können.

25

Die Tageseinnahmen seien in einem retrograden Kassenbericht zu ermitteln. Diesen Anforderungen genüge das Umsatzsteuerheft allein nicht, da sich dort der Rechenweg zur Ermittlung des Tagesergebnisses nicht nachvollziehen lasse.

26

Dazu trete der Umstand, dass der Rohgewinnaufschlagssatz in den Prüfungsjahren stärker geschwankt habe, ohne dass der Antragsteller dies näher hätte erläutern können. Er, der Antragsgegner, sei allerdings auch bereits ungeachtet dieses Umstandes zur Schätzung dem Grunde nach berechtigt gewesen.

27

Dem Gericht haben jeweils ein Band Gewerbesteuer-, Umsatzsteuer-, Einkommensteuer-, Rechtsbehelfs-, Betriebsprüfungs- sowie Bp-Arbeitsakten zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Anträge haben keinen Erfolg.

29

1. Das Gericht legt die Anträge zugunsten der Antragsteller dergestalt aus, dass es davon ausgeht, dass der Antragsteller zu 1) die AdV hinsichtlich der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 und 2014 sowie der Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2014 begehrt und die Antragsteller zu 1) und zu 2) die AdV der Bescheide über die Einkommensteuer 2012 bis 2014 erstreben.

30

2. Die so verstandenen Anträge sind unbegründet.

31

a) Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr., vergleiche BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2005 I B 208/ 04, BStBl II 2005, 351; vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch im Aussetzungsverfahren.

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b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen daran gemessen nicht. Nach Würdigung der präsenten Beweismittel und der Aktenlage dürften die Hinzuschätzungen rechtmäßig sein.

33

aa) Bei summarischer Prüfung geht der Antragsgegner zutreffend davon aus, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers derart mangelbehaftet sind, dass bereits wegen formeller Fehler geschätzt werden durfte.

34

(1) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AO u. a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204).

35

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Urteil vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982,430). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921; BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204).

36

(2) Hinsichtlich der laufenden Einnahmen aus dem Verkauf der Waren auf Hamburger Wochenmärkten bestehen derzeit keine ernstlichen Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des Antragsgegners. Bei dem in diesem Verfahren zugrunde zu legenden summarischen Prüfungsmaßstab hat der Antragsteller die vom Gesetz und der Rechtsprechung aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der EÜR zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt.

37

Der Antragsteller führt ausschließlich ein Umsatzsteuerheft, in dem er die Tageserlöse in einer Summe einträgt, ohne weitere Ursprungsaufzeichnungen oder Kassenberichte oder ähnliches zu führen. Dies erfüllt nicht die Anforderungen an die Aufzeichnungspflichten.

38

Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch EÜR ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält - mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG - keine Regelung über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

39

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten - bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten - Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe - statt des (Netto-)Entgelts allein - aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u. a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

40

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

41

Der BFH hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch EÜR auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen BFH-Beschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m. w. N.).

42

Nach Ansicht des BFH bestehen die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der EÜR bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist:
- eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;
- Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);
- Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204).

43

Demgegenüber genügt das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFH/NV 2017, 1204).

44

Daran gemessen hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung seine Bareinnahmen durch die Führung eines Umsatzsteuerheftes, in dem er die Tageseinnahmen in einer Summe eingetragen hat, nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet, da er die Voraussetzungen keiner der vorstehend aufgezählten drei Möglichkeiten zur ordnungsgemäßen Aufzeichnung von Bareinnahmen erfüllt hat.

45

Ihm ist zwar zuzugestehen, dass er als Händler auf Wochenmärkten, der vorwiegend Barumsätze von geringem Wert mit einer Vielzahl unbestimmter Personen erzielt, nicht zur Aufzeichnung eines jeden einzelnen Umsatzes verpflichtet war. Auch konnte er für Umsatzsteuerzwecke seine Barumsätze täglich lediglich in einer Summe erfassen und diese in das von ihm gemäß § 20 Abs. 5 UStG geführte Umsatzsteuerheft übertragen. Wie diese Tagesummen zustande gekommen sind, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen. Da er - nach eigenem Vortrag - keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben dargestellten Grundsätzen, die Tageseinnahmen durch tägliches tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

46

Unabhängig davon, ob die drei vom BFH aufgezeigten Möglichkeiten abschließend zu verstehen sind, geht das Gericht davon aus, dass Grundgedanke aller vom BFH aufgezeigten Möglichkeiten zur ordnungsgemäßen Erfassung von Bareinnahmen ist, dass aufgrund der Aufzeichnungen eine Überprüfung der täglichen Erlöse zumindest in einem gewissen Maße möglich sein muss. Diese Voraussetzung ist bei der Erfassung allein der Gesamtsumme der Tageseinnahmen im Umsatzsteuerheft nicht gegeben.

47

Der Einwand des Antragstellers, dass mit den Eintragungen der Tageserlöse im Umsatzsteuerheft eine Urkunde geschaffen werde, für deren Richtigkeit der Unternehmer einzustehen habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zur wahrheitsgemäßen Offenlegung aller für die Besteuerung erheblichen Tatsachen ist jeder Steuerpflichtige schon gem. § 90 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet. Für das Gericht ist daher entscheidend, ob die Aufzeichnungen eine verlässliche Nachprüfbarkeit der Angaben des Steuerpflichtigen zulassen. Dies ist - wie oben ausgeführt - im Falle der Eintragung lediglich eines Tagesergebnisses nicht der Fall.

48

Zumindest bei summarischer Prüfung ist soweit von formellen Mängeln bei der Ermittlung der Einkünfte auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat der Antragsgegner hingegen bisher nicht konkret dargelegt. Das Gewicht der formellen Mängel ist indes so erheblich, dass sie allein eine Schätzungsbefugnis begründen. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte ist nicht erkennbar oder nachvollziehbar, wie die jeweils in das Umsatzsteuerheft eingetragenen Tagessummen ermittelt worden sind.

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(3) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Schätzungsbescheide ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben oder des Vertrauensschutzes.

50

Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (z. B. BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77; vom 31. Oktober 1990 I R 3/86, BStBl II 1991, 610). Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich dabei regelmäßig nicht bereits aus einem "Verwaltungsunterlassen". Es reicht nicht aus, dass die Finanzbehörden im Rahmen des Erlasses von Steuerbescheiden oder von Außenprüfungen bestimmte Vorgänge in der Vergangenheit nicht beanstandet haben. Denn nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ergibt sich allein aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung eines Sachverhalts keine Bindung für die Zukunft. Die Finanzbehörden haben vielmehr in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung müssen sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1967 V 235/64, BStBl III 1967, 442, m. w. N.; vom 28. Februar 1990 I R 120/86, BStBl II 1990, 553; BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2007 III B 37/06, BFH/NV 2007, 1865; vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m. w. N.). Dies gilt sogar dann, wenn die Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt wurde (BFH-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, BStBl III 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörden über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatten (BFH-Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, BStBl II 1971, 749).

51

Vor diesem Hintergrund kann sich der Antragsteller allein aufgrund der Tatsache, dass der Antragsgegner im Rahmen der Steuerfestsetzung seine Steuererklärungen und implizit seine Buchführung nicht beanstandet und in den gesetzlich vorgegebenen Zeitabständen dessen Umsatzsteuerheft mit einem Vorlagevermerk versehen hat, nicht auf Grundsätze des Vertrauensschutzes berufen.

52

Es ist weder von dem Antragsteller vorgetragen noch aus den vorliegenden Akten ersichtlich, dass eine inhaltliche Prüfung bei Vorlage des Umsatzsteuerheftes durch den Antragsgegner stattgefunden hat. Vielmehr dürfte aus Sicht des Antragstellers ersichtlich gewesen sein, dass sich die Prüfung des Antragsgegners auf das Vorliegen eines Umsatzsteuerheftes und die Vornahme von Eintragungen in diesem erschöpft haben dürfte, denn eine inhaltliche Prüfung in dem Sinne, ob die Höhe der eingetragenen Tagesumsätze richtig ist, kann anhand allein des Umsatzsteuerheftes gar nicht erfolgen.

53

(bb) Die Schätzung ist bei summarischer Prüfung auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Gericht hat im Rahmen der summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der hinzugeschätzten Einnahmen. Es folgt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 FGO i. V. m. § 162 AO) der Hinzuschätzung des Antragsgegners und sieht sie als maßvoll und sachgerecht an.

54

(1) Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und des Finanzgerichts, wenn es - wie hier - seine eigene Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO ausübt. Es ist eine Schätzungsmethode zu wählen, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen (vgl. Seer in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 162 AO Rn. 52 m. w. N.). Die Wahl der Schätzungsmethode richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (vgl. z. B. FG Bremen, Urteil vom 17. Januar 2007 2 K 229/04, EFG 2008, 8). Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Es liegt in der Natur der Sache, dass das Ergebnis einer Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen kann. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung muss sich allerdings in dem durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen halten (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259).

55

(2) Der Senat folgt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis der Schätzung des Antragsgegners mit einem griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen in Höhe von 5% der erklärten Umsätze netto pro Jahr. Dies erscheint auch angemessen mit Blick auf die sich nach der Hinzuschätzung ergebenden RGAS und ist von dem Antragsteller letztlich auch nicht angegriffen worden.

56

(3) Die zusätzliche Hinzuschätzung für das Streitjahr 2013 zur Angleichung des RGAS für alle streitigen Jahre auf ca. 175% begegnet im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ebenso keinen Bedenken.

57

Dem Antragsteller ist zwar zuzugestehen, dass es keinen gesicherten Erfahrungssatz gibt, wonach eine RGAS über mehrere Jahre konstant bleiben müsse.

58

Das Vorbringen des Antragstellers bezüglich des in 2013 erhöhten Wareneinsatzes bzw. der Reduzierung des RGAS im Vergleich zu 2012 und 2014 um ca. 30% - nämlich einerseits dass im Jahre 2013 durch langanhaltende Kälte die Ware, die direkt am Schaufenster gelegen habe, erfroren, vernichtet und immer wieder durch neue Ware hätte ersetzt worden müssen und andererseits die Antragsteller zudem im Jahre 2013 zweimal in Urlaub gefahren seien - stellt im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung keine ausreichende Erklärung für den Rückgang des RGAS' in der vorliegenden Höhe dar.

59

Die Behauptung bzgl. der im Winter 2013 erlittenen Frostschäden an der Ware ist nicht näher erläutert oder anhand konkreter Zahlen belegt worden, so ist z. B. nicht weiter dargelegt worden, um welche Monate des Jahres 2013 es sich gehandelt haben soll, welche konkreten Mehreinkäufe sich daraus ergeben haben und warum die Ware nicht besser geschützt worden ist.

60

Auch die behauptete Vernichtung von Waren im Zusammenhang mit den im April und September 2013 angetretenen Urlaube stellt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung keine ausreichende Erklärung für den Einbruch des RGAS' um ca. 30% in diesem Jahr dar.

61

So fällt etwa auf, dass der Monat April 2013 mit einem Wareneinsatz von ...,- € der Monat mit dem niedrigsten Wareneinsatz des Jahres ist. Und auch der Wareneinsatz im Monat September 2013 liegt mit ...,- € unter dem Mittel der Monate Januar bis November in Höhe von ...,- €.

62

Auffällig ist auch, dass in den Folgemonaten (Juni - August 2013) der Wareneinkauf (Juni: ...,- €, Juli: ...,- € und August: ...,- €) nicht in linearem Verhältnis zu den in diesen Monaten erzielten Erlösen (Juni: ...,- €, Juli: ...,- € und August: ...,- €) steht. Aus den Schwankungen bzgl. des Verhältnisses von Wareneinsatz zu erzielten Erlösen zwischen 28,61% im Juni 2013 und 59,29% im April 2013 sowie vor allem aus dem mit ...,- € vergleichsweise hohen Erlös im Monat August bei verhältnismäßig geringem Wareneinsatz in Höhe von ...,- € lässt sich schließen, dass die Ware nicht immer erst zeitlich sehr kurz vor dem Verkauf der Ware angeschafft wurde bzw. bei einer Urlaubsunterbrechung die gesamte vorhandene Ware entsorgt werden musste.

63

Schließlich hat der Antragsteller auch keine Nachweise über die Entsorgung des Warenbestandes vor Beginn der jeweiligen Urlaube vorgelegt. Solche Nachweise sind auch nicht aus den vorliegenden Akten ersichtlich.

64

Danach geht das Gericht im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass ein erhöhter Wareneinsatz auch zu höheren Umsätzen und zu einem höheren Gewinn hätte führen müssen. Die Hinzuschätzung für das Jahr 2013 zur Angleichung des RGAS an das Jahr 2012 und 2014 wird daher als sachgerecht erachtet.

65

c) Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht deshalb auszusetzen, weil die Vollziehung für die Antragsteller eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Folge hätte. Die Antragsteller haben Gründe für das Vorliegen einer unbilligen Härte nicht dargelegt. Auch aus den Akten ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte.

66

3. Die Antragsteller haben gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17 zitiert 22 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen


(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 90 Mitwirkungspflichten der Beteiligten


(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen un

Abgabenordnung - AO 1977 | § 146 Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen


(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 beste

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 22 Aufzeichnungspflichten


(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch f

Abgabenordnung - AO 1977 | § 140 Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach anderen Gesetzen


Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 158 Beweiskraft der Buchführung


(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen. (2) Absatz 1 gilt nicht,1.soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 20 Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten


Das Finanzamt kann auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,1.dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen hat, oder2.der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bes

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 63 Aufzeichnungspflichten


(1) Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen fü

Abgabenordnung - AO 1977 | § 145 Allgemeine Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen


(1) Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer

Referenzen - Urteile

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 V 290/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 12. Juli 2017 - X B 16/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag z

Bundesfinanzhof Urteil, 14. Dez. 2011 - XI R 5/10

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des

Referenzen

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner --nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.

2

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).

3

Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.

4

Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.

5

Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen --insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen-- hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.

6

Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.

7

Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:

Jahr   

Umsatzerlöse 19 %

Gewinn

Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)

2008   

142.888 €

28.374 €

123 % 

2009   

124.302 €

19.842 €

181 % 

2010   

119.439 €

20.103 €

187 % 

8

Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.

9

Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.

10

Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.

11

Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.

12

Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.

13

Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 37.000 €

+ 23.000 €

+ 20.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 7.030 €

+ 4.370 €

+ 3.800 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 15.200 €

Mehrgewinn

+ 44.030 €

+ 27.370 €

+ 8.600 €

14

Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.

15

Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.

16

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.

17

In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.

18

Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben --ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten-- am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.

19

Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der --dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten-- Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.

20

Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.

21

Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.

22

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.

23

Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.

26

In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

27

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

28

Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag --der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt-- im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.

29

Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren  --entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung-- nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber --weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat-- noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).

30

2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

31

a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.

32

aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).

33

Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.

34

bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.

35

Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der --der Schriftform unterliegende-- Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Oktober 2004  1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).

36

Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen --und damit als bloßer Entwurf anzusehenden-- Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.

37

b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

38

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag --nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).

39

Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).

40

bb) Der Senat hat --ebenso wie das FA-- erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.

41

Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.

42

Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der --hier inhaltlich nicht einschlägigen-- Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.

43

Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.

44

Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel --etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers-- glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.

45

cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

46

(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz --ebenso wie im vorliegenden Fall-- acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).

47

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).

48

Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).

49

(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 --im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung-- mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

III.

50

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.

51

Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).

52

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn --worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

53

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).

54

2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen --noch sehr unvollständigen-- Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

55

a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

56

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).

57

b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).

58

aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist --nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht-- unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält --mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG-- keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

59

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten --bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten-- Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV--). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

60

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

61

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).

62

In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).

63

Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011  12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:

-    

eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;

-    

demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.

64

cc) Danach kann der Senat bei der --angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen-- summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.

65

Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).

66

(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller --wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht-- bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen --wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke-- geführt.

67

Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.

68

(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.

69

(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

70

Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.

71

Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.

72

(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.

73

Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist --in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden-- hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe --beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen-- im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.

74

Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller --in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise-- verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).

75

(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.

76

Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

77

Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".

78

Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.

79

Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.

80

(4) Aus den vom FA angeführten --und vom FG gleichlautend übernommenen-- Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.

81

Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige --gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens-- keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.

82

In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007  14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht --n.v.--) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.

83

In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.

84

Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012  1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.

85

(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" --die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss-- erfüllt ist.

86

(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die --zulässige-- Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der --hier ebenfalls zulässigen-- Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.

87

Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau --als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen-- ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).

88

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier --bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen-- noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.

89

dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.

90

(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres --noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage-- keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren --wie bereits dargelegt-- im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.

91

(2) Auch der Umstand, dass das FA die --von ihm selbst ermittelten-- Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.

92

Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer --weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren-- Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände --entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers-- nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.

93

Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.

94

c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.

95

Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

96

Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

97

d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.

98

aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller --mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung-- schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.

99

bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.

100

Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen --auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden-- nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen --insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern-- dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.

101

cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.

102

e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.

103

aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.

104

bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.

105

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.

106

Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.

107

3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs --hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung-- stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.

108

Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).

109

a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:

-  

Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).

-  

Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).

Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).

Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).

Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).

Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).

-  

Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).

110

b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.

111

aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.

112

Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.

113

bb) Diese Einschätzung liegt --jedenfalls im Ergebnis-- auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.

114

In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016  5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).

115

Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016  6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

116

Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016  2 V 202/16, EFG 2017, 265) --ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren-- in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.

117

cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).

118

Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb --DB-- 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).

119

c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen --wie hier-- zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.

120

Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.

121

aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.

122

Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall --und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen-- daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.

123

Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen -- sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

124

Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.

125

Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.

126

bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.

127

d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.

128

aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die --nicht miteinander vergleichbaren-- RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.

129

bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.

130

Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben --und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs-- höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.

131

Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf --soweit ersichtlich-- bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.

132

cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich  --vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind-- aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.

133

Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat --was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht--, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.

134

Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte --in ihrem Umfang zudem schwankende-- Lagerhaltung bestehen.

135

Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem --für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen-- Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine --auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende-- Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.

136

Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs --von Amts wegen-- ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.

137

e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" --so die Formulierung des Prüfers-- sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren --sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten-- die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.

138

aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.

139

bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.

140

Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die --angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren-- exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich --und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen--, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.

141

Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die --aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden-- Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.

142

Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.

143

cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und --hier unterstellt-- normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.

144

Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.

145

4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke --und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren-- einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.

146

a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.

147

b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.

148

Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.

149

Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.

150

c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997  15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.

151

d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 3.000 €

+ 3.000 €

+ 3.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 570 €

+ 570 €

+ 570 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 0 €

Mehrgewinn

+ 3.570 €

+ 3.570 €

+ 3.570 €

152

Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

IV.

153

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.

(2) Absatz 1 gilt nicht,

1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder
2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner --nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.

2

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).

3

Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.

4

Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.

5

Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen --insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen-- hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.

6

Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.

7

Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:

Jahr   

Umsatzerlöse 19 %

Gewinn

Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)

2008   

142.888 €

28.374 €

123 % 

2009   

124.302 €

19.842 €

181 % 

2010   

119.439 €

20.103 €

187 % 

8

Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.

9

Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.

10

Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.

11

Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.

12

Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.

13

Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 37.000 €

+ 23.000 €

+ 20.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 7.030 €

+ 4.370 €

+ 3.800 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 15.200 €

Mehrgewinn

+ 44.030 €

+ 27.370 €

+ 8.600 €

14

Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.

15

Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.

16

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.

17

In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.

18

Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben --ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten-- am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.

19

Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der --dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten-- Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.

20

Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.

21

Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.

22

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.

23

Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.

26

In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

27

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

28

Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag --der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt-- im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.

29

Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren  --entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung-- nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber --weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat-- noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).

30

2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

31

a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.

32

aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).

33

Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.

34

bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.

35

Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der --der Schriftform unterliegende-- Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Oktober 2004  1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).

36

Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen --und damit als bloßer Entwurf anzusehenden-- Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.

37

b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

38

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag --nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).

39

Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).

40

bb) Der Senat hat --ebenso wie das FA-- erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.

41

Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.

42

Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der --hier inhaltlich nicht einschlägigen-- Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.

43

Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.

44

Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel --etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers-- glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.

45

cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

46

(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz --ebenso wie im vorliegenden Fall-- acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).

47

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).

48

Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).

49

(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 --im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung-- mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

III.

50

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.

51

Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).

52

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn --worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

53

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).

54

2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen --noch sehr unvollständigen-- Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

55

a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

56

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).

57

b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).

58

aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist --nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht-- unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält --mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG-- keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

59

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten --bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten-- Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV--). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

60

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

61

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).

62

In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).

63

Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011  12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:

-    

eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;

-    

demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.

64

cc) Danach kann der Senat bei der --angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen-- summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.

65

Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).

66

(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller --wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht-- bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen --wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke-- geführt.

67

Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.

68

(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.

69

(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

70

Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.

71

Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.

72

(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.

73

Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist --in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden-- hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe --beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen-- im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.

74

Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller --in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise-- verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).

75

(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.

76

Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

77

Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".

78

Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.

79

Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.

80

(4) Aus den vom FA angeführten --und vom FG gleichlautend übernommenen-- Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.

81

Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige --gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens-- keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.

82

In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007  14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht --n.v.--) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.

83

In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.

84

Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012  1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.

85

(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" --die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss-- erfüllt ist.

86

(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die --zulässige-- Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der --hier ebenfalls zulässigen-- Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.

87

Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau --als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen-- ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).

88

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier --bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen-- noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.

89

dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.

90

(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres --noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage-- keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren --wie bereits dargelegt-- im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.

91

(2) Auch der Umstand, dass das FA die --von ihm selbst ermittelten-- Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.

92

Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer --weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren-- Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände --entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers-- nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.

93

Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.

94

c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.

95

Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

96

Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

97

d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.

98

aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller --mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung-- schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.

99

bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.

100

Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen --auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden-- nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen --insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern-- dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.

101

cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.

102

e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.

103

aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.

104

bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.

105

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.

106

Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.

107

3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs --hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung-- stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.

108

Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).

109

a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:

-  

Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).

-  

Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).

Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).

Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).

Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).

Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).

-  

Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).

110

b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.

111

aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.

112

Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.

113

bb) Diese Einschätzung liegt --jedenfalls im Ergebnis-- auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.

114

In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016  5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).

115

Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016  6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

116

Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016  2 V 202/16, EFG 2017, 265) --ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren-- in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.

117

cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).

118

Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb --DB-- 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).

119

c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen --wie hier-- zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.

120

Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.

121

aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.

122

Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall --und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen-- daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.

123

Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen -- sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

124

Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.

125

Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.

126

bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.

127

d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.

128

aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die --nicht miteinander vergleichbaren-- RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.

129

bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.

130

Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben --und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs-- höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.

131

Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf --soweit ersichtlich-- bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.

132

cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich  --vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind-- aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.

133

Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat --was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht--, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.

134

Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte --in ihrem Umfang zudem schwankende-- Lagerhaltung bestehen.

135

Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem --für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen-- Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine --auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende-- Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.

136

Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs --von Amts wegen-- ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.

137

e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" --so die Formulierung des Prüfers-- sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren --sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten-- die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.

138

aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.

139

bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.

140

Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die --angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren-- exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich --und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen--, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.

141

Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die --aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden-- Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.

142

Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.

143

cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und --hier unterstellt-- normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.

144

Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.

145

4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke --und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren-- einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.

146

a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.

147

b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.

148

Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.

149

Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.

150

c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997  15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.

151

d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 3.000 €

+ 3.000 €

+ 3.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 570 €

+ 570 €

+ 570 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 0 €

Mehrgewinn

+ 3.570 €

+ 3.570 €

+ 3.570 €

152

Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

IV.

153

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".

2

Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:

3

"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.

4

Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."

5

Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:

6

"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.

7

Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."

8

Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.

9

Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.

10

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.

11

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.

12

Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.

13

Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.

14

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.

17

1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

18

a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).

19

Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).

20

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).

21

b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).

22

c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).

23

d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).

24

e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).

25

2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.

26

a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.

27

aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).

28

bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".

29

Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009  15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.

30

§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).

31

b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).

32

aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.

33

bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).

34

Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.

35

3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.

36

a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).

37

b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).

38

c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner --nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.

2

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).

3

Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.

4

Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.

5

Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen --insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen-- hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.

6

Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.

7

Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:

Jahr   

Umsatzerlöse 19 %

Gewinn

Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)

2008   

142.888 €

28.374 €

123 % 

2009   

124.302 €

19.842 €

181 % 

2010   

119.439 €

20.103 €

187 % 

8

Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.

9

Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.

10

Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.

11

Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.

12

Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.

13

Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 37.000 €

+ 23.000 €

+ 20.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 7.030 €

+ 4.370 €

+ 3.800 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 15.200 €

Mehrgewinn

+ 44.030 €

+ 27.370 €

+ 8.600 €

14

Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.

15

Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.

16

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.

17

In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.

18

Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben --ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten-- am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.

19

Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der --dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten-- Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.

20

Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.

21

Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.

22

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.

23

Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.

26

In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

27

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

28

Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag --der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt-- im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.

29

Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren  --entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung-- nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber --weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat-- noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).

30

2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

31

a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.

32

aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).

33

Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.

34

bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.

35

Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der --der Schriftform unterliegende-- Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Oktober 2004  1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).

36

Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen --und damit als bloßer Entwurf anzusehenden-- Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.

37

b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

38

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag --nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).

39

Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).

40

bb) Der Senat hat --ebenso wie das FA-- erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.

41

Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.

42

Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der --hier inhaltlich nicht einschlägigen-- Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.

43

Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.

44

Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel --etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers-- glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.

45

cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

46

(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz --ebenso wie im vorliegenden Fall-- acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).

47

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).

48

Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).

49

(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 --im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung-- mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

III.

50

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.

51

Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).

52

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn --worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

53

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).

54

2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen --noch sehr unvollständigen-- Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

55

a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

56

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).

57

b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).

58

aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist --nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht-- unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält --mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG-- keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

59

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten --bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten-- Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV--). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

60

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

61

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).

62

In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).

63

Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011  12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:

-    

eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;

-    

demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.

64

cc) Danach kann der Senat bei der --angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen-- summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.

65

Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).

66

(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller --wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht-- bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen --wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke-- geführt.

67

Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.

68

(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.

69

(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

70

Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.

71

Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.

72

(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.

73

Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist --in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden-- hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe --beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen-- im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.

74

Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller --in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise-- verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).

75

(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.

76

Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

77

Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".

78

Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.

79

Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.

80

(4) Aus den vom FA angeführten --und vom FG gleichlautend übernommenen-- Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.

81

Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige --gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens-- keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.

82

In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007  14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht --n.v.--) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.

83

In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.

84

Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012  1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.

85

(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" --die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss-- erfüllt ist.

86

(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die --zulässige-- Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der --hier ebenfalls zulässigen-- Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.

87

Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau --als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen-- ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).

88

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier --bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen-- noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.

89

dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.

90

(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres --noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage-- keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren --wie bereits dargelegt-- im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.

91

(2) Auch der Umstand, dass das FA die --von ihm selbst ermittelten-- Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.

92

Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer --weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren-- Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände --entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers-- nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.

93

Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.

94

c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.

95

Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

96

Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

97

d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.

98

aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller --mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung-- schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.

99

bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.

100

Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen --auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden-- nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen --insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern-- dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.

101

cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.

102

e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.

103

aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.

104

bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.

105

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.

106

Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.

107

3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs --hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung-- stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.

108

Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).

109

a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:

-  

Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).

-  

Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).

Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).

Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).

Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).

Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).

-  

Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).

110

b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.

111

aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.

112

Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.

113

bb) Diese Einschätzung liegt --jedenfalls im Ergebnis-- auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.

114

In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016  5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).

115

Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016  6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

116

Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016  2 V 202/16, EFG 2017, 265) --ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren-- in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.

117

cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).

118

Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb --DB-- 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).

119

c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen --wie hier-- zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.

120

Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.

121

aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.

122

Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall --und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen-- daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.

123

Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen -- sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

124

Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.

125

Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.

126

bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.

127

d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.

128

aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die --nicht miteinander vergleichbaren-- RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.

129

bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.

130

Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben --und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs-- höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.

131

Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf --soweit ersichtlich-- bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.

132

cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich  --vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind-- aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.

133

Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat --was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht--, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.

134

Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte --in ihrem Umfang zudem schwankende-- Lagerhaltung bestehen.

135

Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem --für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen-- Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine --auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende-- Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.

136

Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs --von Amts wegen-- ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.

137

e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" --so die Formulierung des Prüfers-- sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren --sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten-- die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.

138

aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.

139

bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.

140

Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die --angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren-- exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich --und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen--, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.

141

Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die --aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden-- Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.

142

Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.

143

cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und --hier unterstellt-- normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.

144

Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.

145

4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke --und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren-- einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.

146

a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.

147

b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.

148

Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.

149

Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.

150

c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997  15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.

151

d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 3.000 €

+ 3.000 €

+ 3.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 570 €

+ 570 €

+ 570 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 0 €

Mehrgewinn

+ 3.570 €

+ 3.570 €

+ 3.570 €

152

Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

IV.

153

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

Das Finanzamt kann auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,

1.
dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen hat, oder
2.
der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder
3.
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, oder
4.
der eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Erstreckt sich die Befreiung nach Satz 1 Nr. 2 nur auf einzelne Betriebe des Unternehmers und liegt die Voraussetzung nach Satz 1 Nr. 1 nicht vor, so ist die Erlaubnis zur Berechnung der Steuer nach den vereinnahmten Entgelten auf diese Betriebe zu beschränken. Wechselt der Unternehmer die Art der Steuerberechnung, so dürfen Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

(1) Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen.

(2) Entgelte, Teilentgelte, Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes, nach § 14c des Gesetzes geschuldete Steuerbeträge sowie Vorsteuerbeträge sind am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes sind die Beträge der Entgeltsminderungen am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen.

(3) Der Unternehmer kann die Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, 3, 5 und 6, Nr. 2 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes in folgender Weise erfüllen:

1.
Das Entgelt oder Teilentgelt und der Steuerbetrag werden in einer Summe statt des Entgelts oder des Teilentgelts aufgezeichnet.
2.
Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes und der darauf entfallende Steuerbetrag werden in einer Summe statt der Bemessungsgrundlage aufgezeichnet.
3.
Bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes werden die Entgeltsminderung und die darauf entfallende Minderung des Steuerbetrags in einer Summe statt der Entgeltsminderung aufgezeichnet.
§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 des Gesetzes gilt entsprechend. Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer die Summe der Entgelte und Teilentgelte, der Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes sowie der Entgeltsminderungen im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes zu errechnen und aufzuzeichnen.

(4) Dem Unternehmer, dem wegen der Art und des Umfangs des Geschäfts eine Trennung der Entgelte und Teilentgelte nach Steuersätzen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 des Gesetzes) in den Aufzeichnungen nicht zuzumuten ist, kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass er die Entgelte und Teilentgelte nachträglich auf der Grundlage der Wareneingänge oder, falls diese hierfür nicht verwendet werden können, nach anderen Merkmalen trennt. Entsprechendes gilt für die Trennung nach Steuersätzen bei den Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 und Nr. 3 Satz 2 des Gesetzes). Das Finanzamt darf nur ein Verfahren zulassen, dessen steuerliches Ergebnis nicht wesentlich von dem Ergebnis einer nach Steuersätzen getrennten Aufzeichnung der Entgelte, Teilentgelte und sonstigen Bemessungsgrundlagen abweicht. Die Anwendung des Verfahrens kann auf einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb beschränkt werden.

(5) Der Unternehmer kann die Aufzeichnungspflicht nach § 22 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes in der Weise erfüllen, dass er die Entgelte oder Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge (Vorsteuern) jeweils in einer Summe, getrennt nach den in den Eingangsrechnungen angewandten Steuersätzen, aufzeichnet. Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer die Summe der Entgelte und Teilentgelte und die Summe der Vorsteuerbeträge zu errechnen und aufzuzeichnen.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Der Unternehmer ist verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Diese Verpflichtung gilt in den Fällen des § 13a Absatz 1 Nummer 2 und 5, des § 13b Absatz 5 und des § 14c Absatz 2 auch für Personen, die nicht Unternehmer sind, in den Fällen des § 18k auch für den im Auftrag handelnden Vertreter und in den Fällen des § 21a für die gestellende Person. Ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb nach § 24 Absatz 3 als gesondert geführter Betrieb zu behandeln, hat der Unternehmer Aufzeichnungspflichten für diesen Betrieb gesondert zu erfüllen. In den Fällen des § 18 Absatz 4c und 4d sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage des Bundeszentralamtes für Steuern auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen des § 18 Absatz 4e sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der für das Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen; in den Fällen der §§ 18i, 18j, 18k und 21a sind die erforderlichen Aufzeichnungen vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz oder Geschäftsvorgang bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren und auf Anfrage der im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet für das besondere Besteuerungsverfahren oder für die Sonderregelung zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

1.
die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Dies gilt entsprechend für die Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4, wenn Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b, sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a sowie des § 10 Abs. 5 ausgeführt werden. Aus den Aufzeichnungen muss außerdem hervorgehen, welche Umsätze der Unternehmer nach § 9 als steuerpflichtig behandelt. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) treten an die Stelle der vereinbarten Entgelte die vereinnahmten Entgelte. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 hat der Unternehmer, der die auf die Minderung des Entgelts entfallende Steuer an das Finanzamt entrichtet, den Betrag der Entgeltsminderung gesondert aufzuzeichnen;
2.
die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte und Teilentgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.Nummer 1 Satz 4 gilt entsprechend;
3.
die Bemessungsgrundlage für Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und für sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1. Nummer 1 Satz 2 gilt entsprechend;
4.
die wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 und wegen unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 geschuldeten Steuerbeträge;
5.
die Entgelte für steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen, die an den Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, und die vor Ausführung dieser Umsätze gezahlten Entgelte und Teilentgelte, soweit für diese Umsätze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 die Steuer entsteht, sowie die auf die Entgelte und Teilentgelte entfallenden Steuerbeträge;
6.
die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die für das Unternehmen des Unternehmers eingeführt worden sind, sowie die dafür entstandene Einfuhrumsatzsteuer;
7.
die Bemessungsgrundlagen für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
8.
in den Fällen des § 13b Absatz 1 bis 5 beim Leistungsempfänger die Angaben entsprechend den Nummern 1 und 2. Der Leistende hat die Angaben nach den Nummern 1 und 2 gesondert aufzuzeichnen;
9.
die Bemessungsgrundlage für Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge;
10.
in den Fällen des § 21a Namen und Anschriften der Versender und der Sendungsempfänger, die Bemessungsgrundlagen für die Einfuhr von Gegenständen (§ 11), die hierzu von den Versendern, Sendungsempfängern und Dritten erhaltenen Informationen, sowie die Sendungen, die im abgelaufenen Kalendermonat an die jeweiligen Sendungsempfänger ausgeliefert wurden, die je Sendung vereinnahmten Beträge an Einfuhrumsatzsteuer, die Sendungen, die noch nicht ausgeliefert werden konnten und sich noch in der Verfügungsgewalt der gestellenden Person befinden, sowie die Sendungen, die wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden.

(3) Die Aufzeichnungspflichten nach Absatz 2 Nr. 5 und 6 entfallen, wenn der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 und 3). Ist der Unternehmer nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt, so müssen aus den Aufzeichnungen die Vorsteuerbeträge eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein, die den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind. Außerdem hat der Unternehmer in diesen Fällen die Bemessungsgrundlagen für die Umsätze, die nach § 15 Abs. 2 und 3 den Vorsteuerabzug ausschließen, getrennt von den Bemessungsgrundlagen der übrigen Umsätze, ausgenommen die Einfuhren und die innergemeinschaftlichen Erwerbe, aufzuzeichnen. Die Verpflichtung zur Trennung der Bemessungsgrundlagen nach Absatz 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) In den Fällen des § 15a hat der Unternehmer die Berechnungsgrundlagen für den Ausgleich aufzuzeichnen, der von ihm in den in Betracht kommenden Kalenderjahren vorzunehmen ist.

(4a) Gegenstände, die der Unternehmer zu seiner Verfügung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, müssen aufgezeichnet werden, wenn

1.
an den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet Arbeiten ausgeführt werden,
2.
es sich um eine vorübergehende Verwendung handelt, mit den Gegenständen im übrigen Gemeinschaftsgebiet sonstige Leistungen ausgeführt werden und der Unternehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Zweigniederlassung hat oder
3.
es sich um eine vorübergehende Verwendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet handelt und in entsprechenden Fällen die Einfuhr der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet vollständig steuerfrei wäre.

(4b) Gegenstände, die der Unternehmer von einem im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur Ausführung einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c erhält, müssen aufgezeichnet werden.

(4c) Der Lagerhalter, der ein Umsatzsteuerlager im Sinne des § 4 Nr. 4a betreibt, hat Bestandsaufzeichnungen über die eingelagerten Gegenstände und Aufzeichnungen über Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b Satz 1 zu führen. Bei der Auslagerung eines Gegenstands aus dem Umsatzsteuerlager muss der Lagerhalter Name, Anschrift und die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters aufzeichnen.

(4d) Im Fall der Abtretung eines Anspruchs auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer (§ 13c) hat

1.
der leistende Unternehmer den Namen und die Anschrift des Abtretungsempfängers sowie die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung aufzuzeichnen;
2.
der Abtretungsempfänger den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers, die Höhe des abgetretenen Anspruchs auf die Gegenleistung sowie die Höhe der auf den abgetretenen Anspruch vereinnahmten Beträge aufzuzeichnen. Sofern der Abtretungsempfänger die Forderung oder einen Teil der Forderung an einen Dritten abtritt, hat er zusätzlich den Namen und die Anschrift des Dritten aufzuzeichnen.
Satz 1 gilt entsprechend bei der Verpfändung oder der Pfändung von Forderungen. An die Stelle des Abtretungsempfängers tritt im Fall der Verpfändung der Pfandgläubiger und im Fall der Pfändung der Vollstreckungsgläubiger.

(4e) Wer in den Fällen des § 13c Zahlungen nach § 48 der Abgabenordnung leistet, hat Aufzeichnungen über die entrichteten Beträge zu führen. Dabei sind auch Name, Anschrift und die Steuernummer des Schuldners der Umsatzsteuer aufzuzeichnen.

(4f) Der Unternehmer, der nach Maßgabe des § 6b einen Gegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, hat über diese Beförderung oder Versendung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Erwerbers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5;
2.
den Abgangsmitgliedstaat;
3.
den Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
den Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung im Abgangsmitgliedstaat;
5.
die von dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
6.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Lagers, in das der Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt;
7.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat;
8.
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines Dritten als Lagerhalter;
9.
die Bemessungsgrundlage nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, die handelsübliche Bezeichnung und Menge der im Rahmen der Beförderung oder Versendung in das Lager gelangten Gegenstände;
10.
den Tag der Lieferung im Sinne des § 6b Absatz 2;
11.
das Entgelt für die Lieferung nach Nummer 10 sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
12.
die von dem Erwerber für die Lieferung nach Nummer 10 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
13.
das Entgelt sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der Gegenstände im Fall des einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten Verbringens im Sinne des § 6b Absatz 3;
14.
die Bemessungsgrundlage der nach § 6b Absatz 4 Nummer 1 in den Abgangsmitgliedstaat zurückgelangten Gegenstände und den Tag des Beginns dieser Beförderung oder Versendung.

(4g) Der Unternehmer, an den der Gegenstand nach Maßgabe des § 6b geliefert werden soll, hat über diese Lieferung gesondert Aufzeichnungen zu führen. Diese Aufzeichnungen müssen folgende Angaben enthalten:

1.
die von dem Unternehmer im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer;
2.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände;
3.
den Tag des Endes der Beförderung oder Versendung der für den Unternehmer als Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 oder des § 6b Absatz 5 bestimmten Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat;
4.
das Entgelt für die Lieferung an den Unternehmer sowie die handelsübliche Bezeichnung und Menge der gelieferten Gegenstände;
5.
den Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des § 6b Absatz 2 Nummer 2;
6.
die handelsübliche Bezeichnung und Menge der auf Veranlassung des Unternehmers im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 aus dem Lager entnommenen Gegenstände;
7.
die handelsübliche Bezeichnung der im Sinne des § 6b Absatz 6 Satz 4 zerstörten oder fehlenden Gegenstände und den Tag der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls der zuvor in das Lager gelangten Gegenstände oder den Tag, an dem die Zerstörung oder das Fehlen der Gegenstände festgestellt wurde.
Wenn der Inhaber des Lagers, in das der Gegenstand im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 befördert oder versendet wird, nicht mit dem Erwerber im Sinne des § 6b Absatz 1 Nummer 1 oder des § 6b Absatz 5 identisch ist, ist der Unternehmer von den Aufzeichnungen nach Satz 1 Nummer 3, 6 und 7 entbunden.

(5) Ein Unternehmer, der ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung oder außerhalb einer solchen von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Straßen oder an anderen öffentlichen Orten Umsätze ausführt oder Gegenstände erwirbt, hat ein Steuerheft nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu führen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung

1.
nähere Bestimmungen darüber treffen, wie die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen sind und in welchen Fällen Erleichterungen bei der Erfüllung dieser Pflichten gewährt werden können, sowie
2.
Unternehmer im Sinne des Absatzes 5 von der Führung des Steuerhefts befreien, sofern sich die Grundlagen der Besteuerung aus anderen Unterlagen ergeben, und diese Befreiung an Auflagen knüpfen.

(1) Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen.

(2) Entgelte, Teilentgelte, Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes, nach § 14c des Gesetzes geschuldete Steuerbeträge sowie Vorsteuerbeträge sind am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes sind die Beträge der Entgeltsminderungen am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums zusammenzurechnen.

(3) Der Unternehmer kann die Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, 3, 5 und 6, Nr. 2 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes in folgender Weise erfüllen:

1.
Das Entgelt oder Teilentgelt und der Steuerbetrag werden in einer Summe statt des Entgelts oder des Teilentgelts aufgezeichnet.
2.
Die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes und der darauf entfallende Steuerbetrag werden in einer Summe statt der Bemessungsgrundlage aufgezeichnet.
3.
Bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes werden die Entgeltsminderung und die darauf entfallende Minderung des Steuerbetrags in einer Summe statt der Entgeltsminderung aufgezeichnet.
§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 des Gesetzes gilt entsprechend. Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer die Summe der Entgelte und Teilentgelte, der Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes sowie der Entgeltsminderungen im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 6 des Gesetzes zu errechnen und aufzuzeichnen.

(4) Dem Unternehmer, dem wegen der Art und des Umfangs des Geschäfts eine Trennung der Entgelte und Teilentgelte nach Steuersätzen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 des Gesetzes) in den Aufzeichnungen nicht zuzumuten ist, kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass er die Entgelte und Teilentgelte nachträglich auf der Grundlage der Wareneingänge oder, falls diese hierfür nicht verwendet werden können, nach anderen Merkmalen trennt. Entsprechendes gilt für die Trennung nach Steuersätzen bei den Bemessungsgrundlagen nach § 10 Abs. 4 und 5 des Gesetzes (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 und Nr. 3 Satz 2 des Gesetzes). Das Finanzamt darf nur ein Verfahren zulassen, dessen steuerliches Ergebnis nicht wesentlich von dem Ergebnis einer nach Steuersätzen getrennten Aufzeichnung der Entgelte, Teilentgelte und sonstigen Bemessungsgrundlagen abweicht. Die Anwendung des Verfahrens kann auf einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb beschränkt werden.

(5) Der Unternehmer kann die Aufzeichnungspflicht nach § 22 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes in der Weise erfüllen, dass er die Entgelte oder Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge (Vorsteuern) jeweils in einer Summe, getrennt nach den in den Eingangsrechnungen angewandten Steuersätzen, aufzeichnet. Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer die Summe der Entgelte und Teilentgelte und die Summe der Vorsteuerbeträge zu errechnen und aufzuzeichnen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner --nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.

2

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).

3

Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.

4

Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.

5

Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen --insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen-- hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.

6

Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.

7

Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:

Jahr   

Umsatzerlöse 19 %

Gewinn

Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)

2008   

142.888 €

28.374 €

123 % 

2009   

124.302 €

19.842 €

181 % 

2010   

119.439 €

20.103 €

187 % 

8

Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.

9

Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.

10

Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.

11

Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.

12

Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.

13

Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 37.000 €

+ 23.000 €

+ 20.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 7.030 €

+ 4.370 €

+ 3.800 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 15.200 €

Mehrgewinn

+ 44.030 €

+ 27.370 €

+ 8.600 €

14

Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.

15

Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.

16

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.

17

In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.

18

Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben --ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten-- am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.

19

Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der --dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten-- Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.

20

Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.

21

Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.

22

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.

23

Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.

26

In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

27

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

28

Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag --der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt-- im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.

29

Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren  --entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung-- nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber --weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat-- noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).

30

2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

31

a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.

32

aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).

33

Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.

34

bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.

35

Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der --der Schriftform unterliegende-- Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Oktober 2004  1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).

36

Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen --und damit als bloßer Entwurf anzusehenden-- Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.

37

b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

38

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag --nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).

39

Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).

40

bb) Der Senat hat --ebenso wie das FA-- erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.

41

Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.

42

Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der --hier inhaltlich nicht einschlägigen-- Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.

43

Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.

44

Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel --etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers-- glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.

45

cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

46

(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz --ebenso wie im vorliegenden Fall-- acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).

47

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).

48

Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).

49

(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 --im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung-- mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

III.

50

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.

51

Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).

52

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn --worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

53

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).

54

2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen --noch sehr unvollständigen-- Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

55

a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

56

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).

57

b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).

58

aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist --nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht-- unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält --mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG-- keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

59

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten --bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten-- Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV--). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

60

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

61

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).

62

In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).

63

Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011  12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:

-    

eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;

-    

demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.

64

cc) Danach kann der Senat bei der --angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen-- summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.

65

Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).

66

(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller --wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht-- bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen --wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke-- geführt.

67

Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.

68

(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.

69

(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

70

Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.

71

Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.

72

(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.

73

Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist --in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden-- hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe --beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen-- im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.

74

Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller --in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise-- verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).

75

(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.

76

Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

77

Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".

78

Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.

79

Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.

80

(4) Aus den vom FA angeführten --und vom FG gleichlautend übernommenen-- Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.

81

Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige --gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens-- keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.

82

In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007  14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht --n.v.--) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.

83

In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.

84

Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012  1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.

85

(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" --die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss-- erfüllt ist.

86

(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die --zulässige-- Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der --hier ebenfalls zulässigen-- Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.

87

Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau --als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen-- ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).

88

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier --bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen-- noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.

89

dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.

90

(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres --noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage-- keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren --wie bereits dargelegt-- im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.

91

(2) Auch der Umstand, dass das FA die --von ihm selbst ermittelten-- Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.

92

Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer --weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren-- Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände --entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers-- nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.

93

Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.

94

c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.

95

Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

96

Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

97

d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.

98

aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller --mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung-- schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.

99

bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.

100

Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen --auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden-- nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen --insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern-- dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.

101

cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.

102

e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.

103

aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.

104

bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.

105

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.

106

Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.

107

3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs --hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung-- stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.

108

Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).

109

a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:

-  

Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).

-  

Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).

Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).

Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).

Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).

Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).

-  

Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).

110

b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.

111

aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.

112

Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.

113

bb) Diese Einschätzung liegt --jedenfalls im Ergebnis-- auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.

114

In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016  5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).

115

Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016  6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

116

Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016  2 V 202/16, EFG 2017, 265) --ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren-- in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.

117

cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).

118

Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb --DB-- 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).

119

c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen --wie hier-- zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.

120

Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.

121

aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.

122

Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall --und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen-- daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.

123

Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen -- sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

124

Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.

125

Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.

126

bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.

127

d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.

128

aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die --nicht miteinander vergleichbaren-- RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.

129

bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.

130

Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben --und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs-- höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.

131

Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf --soweit ersichtlich-- bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.

132

cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich  --vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind-- aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.

133

Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat --was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht--, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.

134

Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte --in ihrem Umfang zudem schwankende-- Lagerhaltung bestehen.

135

Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem --für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen-- Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine --auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende-- Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.

136

Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs --von Amts wegen-- ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.

137

e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" --so die Formulierung des Prüfers-- sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren --sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten-- die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.

138

aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.

139

bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.

140

Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die --angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren-- exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich --und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen--, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.

141

Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die --aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden-- Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.

142

Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.

143

cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und --hier unterstellt-- normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.

144

Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.

145

4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke --und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren-- einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.

146

a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.

147

b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.

148

Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.

149

Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.

150

c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997  15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.

151

d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 3.000 €

+ 3.000 €

+ 3.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 570 €

+ 570 €

+ 570 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 0 €

Mehrgewinn

+ 3.570 €

+ 3.570 €

+ 3.570 €

152

Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

IV.

153

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.

Das Finanzamt kann auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,

1.
dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen hat, oder
2.
der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder
3.
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, oder
4.
der eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Erstreckt sich die Befreiung nach Satz 1 Nr. 2 nur auf einzelne Betriebe des Unternehmers und liegt die Voraussetzung nach Satz 1 Nr. 1 nicht vor, so ist die Erlaubnis zur Berechnung der Steuer nach den vereinnahmten Entgelten auf diese Betriebe zu beschränken. Wechselt der Unternehmer die Art der Steuerberechnung, so dürfen Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.