Finanzgericht Hamburg Urteil, 07. Jan. 2016 - 3 K 264/15

bei uns veröffentlicht am07.01.2016

Tatbestand

A.

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2009 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, ist.

I.

2

Die Klägerin wurde am ... 2009 unter der Firma A (haftungsbeschränkt) mit Sitz in B gegründet. Sie betrieb ab September 2009 in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt ... Spielhallen mit Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit. Durch Gesellschafterbeschluss vom ... 2010 wurde der Sitz nach X verlegt.

II.

3

1. Das ursprünglich örtlich zuständige Finanzamt C erließ am 14.10.2010 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt wurden.

4

2. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.11.2010 Einspruch ein, reichte am 06.11.2009, 27.11.2009, 10.12.2009 und 11.01.2010 die Umsatzsteuervoranmeldungen für September bis Dezember 2009 sowie am 24.11.2010 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2009 ein und erklärte hierin steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 % in Höhe von ... € - hiervon entfiel ein Betrag von ... € auf Erlöse aus dem Betrieb der Geldspielautomaten - und zum Steuersatz von 7 % in Höhe von ... € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge von ... €.

5

3. Das Finanzamt C erließ am 07.01.2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009, in dem es die Umsatzsteuer erklärungsgemäß auf ... € festsetzte.

III.

6

1. In dem unter dem Az. 3 K 207/13 geführten Parallelverfahren betreffend Umsatzsteuer 2010 hat der EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Senats vom 21.09.2012 am 24.10.2013 ein Urteil erlassen (C-440/12, UR 2013, 866). Der erkennende Senat hat die Klage der Klägerin anschließend durch Urteil vom 15.07.2014 (juris) abgewiesen. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

7

2. Durch Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, FGA Bl. ..., BFH/NV 2016, 84) hat der BFH die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird ebenfalls Bezug genommen. Die Klägerin hat hiergegen Anhörungsrüge erhoben (V S 29/15), über die der BFH noch nicht entschieden hat.

IV.

8

Die Klägerin hat am 02.10.2013 Untätigkeitsklage erhoben (ursprüngliches Az.: 3 K 214/13). Das Verfahren hat aufgrund des Beschlusses vom 05.02.2014 (FGA Bl. ...) bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Parallelverfahren 3 K 207/13 geruht und ist anschließend unter dem jetzigen Az. fortgesetzt worden. Mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2014 hat der Beklagte den Einspruch gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid für 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

9

Die Klägerin trägt vor, dass die Heranziehung der Kasseneinnahme nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoße. Der Begriff des "Entgelts" werde nicht nur in § 10 UStG verwendet, sondern z. B. auch in § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG, wo sogar ausdrücklich auf § 10 UStG verwiesen werde, wodurch ein unterschiedliches Begriffsverständnis ausgeschlossen sei. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG könne sich der Begriff des Entgelts aber nur auf die Gegenleistung für die jeweils einzelne vom Dienstleistungserbringer gegenüber dem einzelnen Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung beziehen, denn eine Rechnung könne regelmäßig nur gegenüber dem einzelnen Leistungsempfänger ausgestellt werden. Ein anderes Verständnis im Rahmen des § 10 UStG überschreite folglich die dem Gericht durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen für die Auslegung von Gesetzen und die Rechtsfortbildung.

10

Der Ansatz der Kasseneinnahme nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Grundlage für die Umsatzbesteuerung sei grundsätzlich ungeeignet. Sie wäre nur zulässig, wenn sie, die Klägerin, in diesem Zeitraum nur eine einzige Dienstleistung erbracht hätte. Tatsächlich nehme jedoch jeder Spielgast mit seinem Spiel eine eigenständige Dienstleistung in Anspruch und leiste hierfür ein eigenes Entgelt. Die Annahme des EuGH, der Geräteaufsteller erbringe in dem jeweiligen Zeitraum nur eine einzige Dienstleistung, lasse sich auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragen.

11

Die Besteuerung sei des Weiteren auch deshalb verfassungswidrig, weil die Heranziehung des sog. "Saldos 2" als Bemessungsgrundlage gegen den Vorrang des Gesetzes verstoße und sie, die Klägerin, unzulässigerweise in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung beschränke. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG gebe den Unternehmern das Recht, den einzelnen Leistungsempfängern, und zwar sowohl den zum Vorsteuerabzug berechtigten als auch den anderen, Rechnungen auszustellen. Damit verleihe die Vorschrift den Unternehmern weitergehende Rechte, als dies nach Unionsrecht der Fall sei. Dieses Recht auf Erteilung von Rechnungen an die einzelnen Spielgäste werde den Betreibern von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit genommen, wenn man entsprechend der Verwaltungspraxis auf die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage abstelle, da diese nicht proportional zu den Einsätzen der einzelnen Spielgäste sei. Ob eine andere (praktizierbare) Bemessungsgrundlage anzuwenden sei oder die Umsätze wegen der Anwendungsprobleme nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) von der Mehrwertsteuer zu befreien seien, müsse ggf. im Rahmen einer erneuten Vorlage an den EuGH geklärt werden.

12

Weiterhin habe sich der EuGH in seinem Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12 - Metropol Spielstätten) und auch der BFH im Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14) nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL der Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage entgegenstehe, und ihr, der Klägerin, entsprechendes Vorbringen unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ignoriert. Aus dem EuGH-Urteil vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien) folge nicht nur, dass es den Mitgliedstaaten untersagt sei, eine Bemessungsgrundlage wie die Kasseneinnahme heranzuziehen, ohne hierfür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, sondern auch, dass eine entsprechende Vorschrift nicht mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL in Einklang zu bringen wäre.

13

Schließlich verletze die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze den unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz. Weil die Umsätze öffentlicher Spielbanken von der Steuer zu befreien seien, müssten ihre, der Klägerin, Umsätze aus Gründen der steuerlichen Neutralität ebenfalls befreit werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH sei die Kasseneinnahme nämlich nur dann als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wenn die Umsätze durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt würden. Bei den nicht in dieser Weise begrenzten Umsätzen der öffentlichen Spielbanken müsse die Umsatzsteuer folglich nach dem gesamten Spieleinsatz bemessen werden. Wegen der hohen Auszahlungsquoten von 90 bis 97 % der Einsätze hätte diese Besteuerung jedoch eine erdrosselnde Wirkung. Die Umsätze der Spielbanken seien demzufolge für die Anwendung der Mehrwertsteuer ungeeignet und nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Steuer zu befreien. Dasselbe müsse wegen des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes auch für ihre, der Klägerin, Umsätze gelten, die gleichartig seien.

14

Da die rechtlichen Interessen der öffentlichen Spielbanken durch die hiesige Entscheidung berührt seien, seien sie - nämlich die Spielbank D KG, die Spielbankgesellschaft E mbH & Co. KG und die Spielbank F GmbH - nach § 60 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) in jedenfalls analoger Anwendung beizuladen. Wenn der BFH in dem Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, juris) entschieden habe, dass über die steuerlichen Verhältnisse nicht beteiligter Personen nicht zu entscheiden sei, müsse dem durch die Beiladung dieser Personen abgeholfen werden. Dies sei aus unionsrechtlichen Gründen geboten, weil die MwStSystRL die Mitgliedstaaten verpflichte, die zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zur Feststellung, ob der Neutralitätsgrundsatz bei ihrer, der Klägerin, Besteuerung eingehalten werde, sei es notwendig zu ermitteln, wie die mit ihr im Wettbewerb stehenden Spielbanken besteuert würden.

15

Auf die Schriftsätze der Klägerin wird im Übrigen Bezug genommen.

16

Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 07.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ... € herabgesetzt wird.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungs- und unionsrechtlichen Fragen aufgrund zahlreicher Entscheidungen des EuGH, des BVerfG, des BFH und diverser FG hinlänglich geklärt seien. Die von der Klägerin vorgetragenen Zweifel an der erforderlichen Bestimmtheit bzgl. der Bemessungsgrundlage hätten sich in der umfangreichen Diskussion im Anschluss an das "Glawe"-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93) nicht ergeben. Die dort aufgestellten Grundsätze, die der EuGH im Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12 - Metropol Spielstätten) bestätigt habe, habe er, der Beklagte, bei der Besteuerung befolgt.

19

Das von der Klägerin angeführte Recht auf Rechnungsausstellung sei für den Automatenaufsteller in der Praxis völlig irrelevant.

V.

20

1. Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12.11.2015 (FGA Bl. ...) der Einzelrichterin übertragen.

21

2. Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. ...) und der mündlichen Verhandlung vom 07.01.2016 (FGA Bl. ...) wird Bezug genommen.

22

3. Dem Gericht haben ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Akten Allgemeines, ein Band Unterlagen aus der elektronischen Akte, ein Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten, ein Band Gewerbesteuerakten, ein Band Körperschaftsteuerakten und zwei Bände Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen. Ferner hat das Gericht die Gerichtsakten zum Verfahren 3 K 207/13 beigezogen.

Entscheidungsgründe

B.

23

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

24

Ob die ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobene Klage die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO erfüllt, bedarf keiner Klärung mehr. Durch das Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2014 ist das Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 FGO abgeschlossen worden und die Klage jedenfalls in die Zulässigkeit hineingewachsen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 44 Rz. 13 m. w. N.).

II.

25

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb der Geldspielgeräte zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen und dabei die Kasseneinnahme des jeweiligen Monats als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt.

26

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine umsatzsteuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

27

2. Der Umsatz ist auch steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG greift nicht ein, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

28

3. Die Besteuerung ist unionsrechtsgemäß und verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Auf die Begründung des Senatsurteils vom 15.07.2014 (3 K 207/13, juris, Rz. 123 ff., insbesondere Rz. 131) und des BFH-Beschlusses vom 30.09.2015 (V B 105/14, juris, Rz. 3 f.) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

29

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt.

30

a) Mit dem Argument, ihr stehe nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG ein Recht auf Rechnungserteilung mit Umsatzsteuerausweis zu, das durch den Ansatz der Kasseneinnahmen während eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer in verfassungswidriger Weise vereitelt würde, kann die Klägerin nicht durchdringen.

31

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG ist der Unternehmer berechtigt, eine Rechnung auszustellen, wenn er eine andere als die in Nr. 1 der Vorschrift genannte Leistung ausführt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist er unter weiteren Voraussetzungen zur Ausstellung einer Rechnung innerhalb von sechs Monaten nach Leistungsausführung verpflichtet.

32

Wie der BFH mit Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, juris, Rz. 5 f., 17 f. und 22) festgestellt hat, betrifft die Frage der Rechnungserteilung grundsätzlich das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger und hat keinen Einfluss auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände. Das gilt nicht nur in Bezug auf die Verpflichtung zur Rechnungserteilung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG, sondern erst recht auch für die diesbezügliche Berechtigung des Unternehmers nach Satz 1 der Vorschrift, da die Verpflichtung die entsprechende Berechtigung notwendigerweise umfasst (vgl. Korn in Bunjes, UStG, 14. Aufl., § 14 Rz. 18). Im Übrigen ist die Berechtigung zur Ausstellung einer Rechnung eine Selbstverständlichkeit und daher keine Ausprägung des Grundrechts auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Grundgesetz und lässt sich aus dieser Vorschrift allenfalls das Verbot eines Umsatzsteuerausweises für nicht steuerpflichtige Umsätze ableiten (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rz. 200).

33

b) Aus diesem Grund ist es im Streitfall auch unerheblich, wie der Begriff des "Entgelts" i. S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 UStG auszulegen ist. Maßgeblich ist hier allein, dass "Entgelt" i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf der Grundlage der unionsrechtlichen Vorgaben gemäß Art. 73 MwStSystRL die Kasseneinnahme der Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums ist (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12 Metropol Spielstätten, juris, Rz. 39, 44). Zur weiteren Begründung wird auf das Senatsurteil vom 15.07.2014 (3 K 207/13, juris, Rz. 192 ff.) Bezug genommen.

34

c) Der von der Klägerin angeregten Aufklärung der Besteuerungspraxis bei den öffentlichen Spielbanken bedarf es nicht, weil es für die Beurteilung des Streitfalls hierauf nicht ankommt (vgl. BFH-Beschluss vom 30.09.2015 V B 105/14, juris, Rz. 8 f., 33).

III.

35

1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 FGO durch die Einzelrichterin.

36

2. Die Betreiber der öffentlichen Spielbanken in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein waren nicht zum Verfahren beizuladen.

37

a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Finanzgericht andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetze durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Die rechtlichen Interessen des beizuladenden Dritten müssen sich aus den Steuergesetzen ergeben (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 60 FGO Rz. 14). Maßgeblich ist insofern, inwieweit die zu erwartende Entscheidung den Beigeladenen binden kann. Das ist nur hinsichtlich des Ausspruchs im Tenor der Fall, eine Betroffenheit des Dritten durch die Begründung der Entscheidung genügt nicht. Nicht ausreichend sind daher Auswirkungen der zu erwartenden Entscheidung, die lediglich präjudizieller Art sind in dem Sinne, dass das FG über eine Rechtsfrage entscheidet, deren Beantwortung auch für das Rechtsverhältnis zwischen dem Beiladungsprätendenten und der Finanzbehörde von Interesse ist (BFH-Beschluss vom 22.12.2005 VII B 115/05, BFHE 211, 417, BStBl II 2006, 331).

38

b) Eine Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO kommt beispielsweise in Betracht für den Leistungsempfänger im Rechtsstreit des Leistenden über die Umsatzsteuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht der Leistung des Unternehmers, weil der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers voraussetzt, dass die Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird (BFH-Beschlüsse vom 19.09.2013 V B 78/12, BFH/NV 2014, 72; vom 09.04.2008 V B 143/07, BFH/NV 2008, 1339; vom 01.02.2001 V B 199/00, BFHE 194, 23, BStBl II 2001, 418). Wird der Klage des Leistenden gegen den Umsatzsteuerbescheid wegen der Umsatzsteuerfreiheit der Leistung stattgegeben, steht durch diesen Tenor gleichzeitig fest, dass ein Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers aus materiell-rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt.

39

c) Die rechtlichen Interessen der öffentlichen Spielbanken sind durch den vorliegenden Rechtsstreit hingegen nicht berührt. Die Frage, ob die Leistungen der Klägerin umsatzsteuerfrei sind oder nicht, hat allenfalls eine präjudizielle, aber keine unmittelbar rechtliche Auswirkung auf die Besteuerung der öffentlichen Spielbanken. Wenn der BFH im Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, juris, Rz. 8 f.) ausführt, dass es im Verfahren über die Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin nicht möglich sei, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen, nämlich den Spielbanken, zu entscheiden, so kann dies nicht, wie die Klägerin meint, durch eine Beiladung der Spielbanken überwunden werden. Eine Beiladung setzt die Berührung der rechtlichen Interessen des Beizuladenden voraus und kann sie nicht herstellen.

40

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

41

4. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Auf den BFH-Beschluss vom 30.09.2015 (V B 105/14, juris) wird zur Begründung Bezug genommen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 07. Jan. 2016 - 3 K 264/15

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 07. Jan. 2016 - 3 K 264/15

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di
Finanzgericht Hamburg Urteil, 07. Jan. 2016 - 3 K 264/15 zitiert 13 §§.

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Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14 Ausstellung von Rechnungen


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bei uns veröffentlicht am 14.07.2016

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Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

2

I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

4

2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

5

a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

6

b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

7

c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

8

3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

9

b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

10

      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

11

Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

12
c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

13

      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

14

4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

15

II. Besteuerungsverfahren

16

1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

17

2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

18

3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

19

4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

20

5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

21

Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

22

Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

23

In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

24

Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

26

6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

27

III. Vorabentscheidungsverfahren

28

1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

29

1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

34

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

35

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

37

9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

40

1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

41

2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

42

3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

44

IV. Streitstand

45

1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

46

Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

47

a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

48

Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

49

Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

53

Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

54

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

55

c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

56

Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

57

aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

58

bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

59

cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

60

Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

63

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

64

Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

65

d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

66

Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

67

aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

68

bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

69

cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

70

e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

71

aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

72

bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

73

aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

74

bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

75

cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

78

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

79

Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

2

I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

4

2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

5

a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

6

b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

7

c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

8

3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

9

b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

10

      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

11

Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

12
c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

13

      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

14

4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

15

II. Besteuerungsverfahren

16

1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

17

2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

18

3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

19

4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

20

5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

21

Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

22

Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

23

In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

24

Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

26

6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

27

III. Vorabentscheidungsverfahren

28

1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

29

1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

34

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

35

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

37

9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

40

1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

41

2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

42

3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

44

IV. Streitstand

45

1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

46

Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

47

a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

48

Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

49

Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

53

Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

54

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

55

c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

56

Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

57

aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

58

bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

59

cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

60

Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

63

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

64

Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

65

d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

66

Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

67

aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

68

bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

69

cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

70

e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

71

aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

72

bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

73

aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

74

bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

75

cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

78

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

79

Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

2

I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

4

2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

5

a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

6

b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

7

c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

8

3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

9

b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

10

      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

11

Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

12
c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

13

      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

14

4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

15

II. Besteuerungsverfahren

16

1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

17

2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

18

3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

19

4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

20

5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

21

Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

22

Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

23

In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

24

Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

26

6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

27

III. Vorabentscheidungsverfahren

28

1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

29

1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

34

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

35

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

37

9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

40

1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

41

2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

42

3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

44

IV. Streitstand

45

1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

46

Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

47

a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

48

Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

49

Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

53

Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

54

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

55

c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

56

Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

57

aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

58

bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

59

cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

60

Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

63

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

64

Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

65

d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

66

Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

67

aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

68

bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

69

cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

70

e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

71

aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

72

bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

73

aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

74

bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

75

cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

78

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

79

Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

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ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

2

I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

4

2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

5

a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

6

b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

7

c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

8

3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

9

b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

10

      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

11

Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

12
c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

13

      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

14

4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

15

II. Besteuerungsverfahren

16

1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

17

2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

18

3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

19

4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

20

5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

21

Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

22

Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

23

In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

24

Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

26

6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

27

III. Vorabentscheidungsverfahren

28

1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

29

1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

34

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

35

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

37

9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

40

1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

41

2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

42

3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

44

IV. Streitstand

45

1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

46

Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

47

a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

48

Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

49

Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

53

Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

54

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

55

c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

56

Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

57

aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

58

bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

59

cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

60

Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

63

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

64

Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

65

d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

66

Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

67

aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

68

bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

69

cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

70

e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

71

aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

72

bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

73

aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

74

bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

75

cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

78

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

79

Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Ermessensentscheidung des Finanzgerichts (FG) über die Ablehnung der Beiladung ist nicht zu beanstanden.

2

1. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, liegt ein Fall der notwendigen Beiladung i.S. des § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht deshalb vor, weil der Beschwerdeführer ein wirtschaftliches Interesse hat, nicht als Haftender für die vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstandenen Umsatzsteuerschulden in Anspruch genommen zu werden. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, beizuladen. Da das rechtliche Schicksal des Steuerbescheides und des Haftungsbescheides jedoch nicht notwendig verbunden sind, liegen diese Voraussetzungen nicht vor (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. September 2012 II B 61/12, BFH/NV 2012, 1995; vom 23. Januar 2004 VII B 184/03, BFH/NV 2004, 795).

3

2. Die Ermessensentscheidung des FG ist aber auch nicht insoweit zu beanstanden, als es eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO abgelehnt hat. Vielmehr hat es sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.

4

a) Zunächst hat das FG zu Recht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung, wonach das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen kann, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, grundsätzlich gegeben sind. Zweck der Beiladung ist es, im Interesse der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit widersprechende Entscheidungen über denselben Gegenstand zu verhindern. Wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Beschlüsse vom 1. Februar 2001 V B 199/00, BFHE 194, 23, BStBl II 2001, 418; vom 9. April 2008 V B 143/07, BFH/NV 2008, 1339), berührt eine Entscheidung im Rechtsstreit des leistenden Unternehmers über die Steuerpflicht seiner Umsätze die rechtlichen Interessen des den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfängers, sodass eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO grundsätzlich in Betracht kommt (BFH-Beschluss in BFHE 194, 23, BStBl II 2001, 418, Rz 8). Das Beiladungsinteresse des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (BGH-Urteil vom 2. November 2001 V ZR 224/00, BFH/NV 2002, Beilage 3, 115) ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rechnungserstellung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis in nicht einfach gelagerten Fällen nur bei einer bestandskräftigen Feststellung der Steuerbarkeit durch das Finanzamt oder das FG besteht. Dies ist vorliegend der Fall, weil es im Streitfall in der Hauptsache um Steuerbarkeit der Übertragung eines Mandantenstammes gegen die Rückgabe eines Gesellschaftsanteils geht, insbesondere um die Frage, ob es sich hierbei ggf. um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes handelt.

5

b) Die Ablehnung der Beiladung erscheint gleichwohl ermessensfehlerfrei, weil nach der Rechtsprechung des BFH das Interesse des Steuerpflichtigen an der Wahrung des Steuergeheimnisses im Regelfall höher zu bewerten ist als das Interesse des Beizuladenden an der Verbesserung seiner Rechtsposition, zumal, wenn der Beizuladende ein den Belangen des Klägers entgegengesetztes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat und der Steuerpflichtige der Beiladung --wie im Streitfall-- widerspricht (BFH-Beschlüsse vom 23. April 2007 I B 27/07, BFH/NV 2007, 1675; vom 17. August 1978 VII B 30/78, BFHE 126, 7, BStBl II 1979, 25).

6

c) Da die Beiladung der Prozessökonomie dient, kann auch der Konflikt des Beiladungsinteresses des Beschwerdeführers mit dem Steuergeheimnis nur ausnahmsweise dadurch gelöst werden, dass das Steuergeheimnis durch Ausheftung weniger Aktenteile oder durch Schwärzung einzelner Textstellen gewahrt bleibt. Dass diese Voraussetzungen gegeben sind, hat die Klägerin nicht dargetan.

7

3. Über die Kosten des Verfahrens hat das FG im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu entscheiden (BFH-Beschlüsse vom 4. August 1988 VIII B 82/87, BFH/NV 1989, 249, und vom 13. Juli 2009 II B 10/09, BFH/NV 2009, 1663).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

30

Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

31

b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

32

Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

33

c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

34

6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 15. Juli 2014  3 K 207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2

1. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

3

a) Die Klägerin macht geltend, dass es von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" entgegensteht.

4

Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil Metropol vom 24. Oktober 2013 C-440/12 (EU:C:2013:687, Rz 39) allgemein entschieden hat, dass eine "Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, ... nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht [verstößt], weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht". Zwar hat sich der EuGH dabei auf Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSyStRL) im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL bezogen. Es sind jedoch keine Gründe erkennbar, aus denen sich unter zusätzlicher Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MwStSystRL Abweichendes ergeben sollte.

5

b) Die Klägerin sieht es darüber hinaus als klärungsbedürftig an, ob "die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ergebende Pflicht des Unternehmers zur Rechnungserteilung der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahme" entgegensteht.

6

Dem kommt für den Streitfall keine Bedeutung zu, da das Finanzgericht (FG) nur über die Steuerpflicht der durch die Klägerin erbrachten Leistungen zu entscheiden hatte, während die Frage der Rechnungserteilung das zivilrechtliche Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger betrifft. Die Pflichten über die Erteilung von Rechnungen beeinflussen nicht die Bestimmung des Anwendungsbereichs der materiell-rechtlichen Befreiungstatbestände.

7

c) Aus diesem Grund ist es für den Streitfall auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung,

-       

ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG einer Verwaltungspraxis entgegen[steht], wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird" und

-       

ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn nationale Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

8

d) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit, deren Einnahmen nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, der Kasseninhalt des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

9

Wie die Klägerin selbst ausführt, hat der EuGH diese Frage in Bezug auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung, dass Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt sind, beantwortet (EuGH-Urteil Metropol, EU:C:2013:687, Rz 42). Nicht im Streitfall klärungsfähig ist demgegenüber die bei der Klägerin nicht verwirklichte Fallgestaltung, dass derart zwingende gesetzliche Vorschriften fehlen. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin diese Fallgestaltung von Spielbanken verwirklicht wird, ergibt sich hieraus für den Streitfall keine Klärungsfähigkeit. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität, der es nicht ermöglicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

10

e) Als grundsätzlich bedeutsam sieht die Klägerin auch an, ob "die Richtlinie 98/34/EG dahin auszulegen [ist], dass die Steuervorschrift eines Mitgliedstaats, durch die eine Mehrwertsteuer auf Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit faktisch (wieder) eingeführt wird, eine notifizierungspflichtige 'technische De-facto-Vorschrift' darstellt".

11

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist durch das --zur Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37)-- ergangene EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (EU:C:2015:386, Rz 97) entfallen. Danach "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

12

f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin auch die Frage, ob "Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen [ist], dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen, wenn auch bei der Mehrwertsteuererhebung nicht alle wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt werden".

13

Auch dies ist nicht klärungsbedürftig. Wäre nämlich --was die Rechtsauffassung der Klägerin nahelegt-- die auf Glücksspiele erhobene Mehrwertsteuer keine Mehrwertsteuer, könnte eine Doppelerhebung auch nicht gegen Art. 401 MwStSystRL verstoßen, da bereits der Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht eröffnet wäre.

14

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

15

a) Die Klägerin sieht es insoweit als bedeutsam an, ob "§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG dahin auszulegen [sind], dass sie einer Verwaltungspraxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ('Saldo 2') des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird".

16

Hierzu sind der Beschwerdebegründung keine hinreichenden Angaben dazu zu entnehmen, wieso diese Frage in Bezug auf den Saldo 2 bedeutsam sein sollte. Ein nur allgemeines Interesse, "Leitsätze für die Auslegung des materiellen Rechts aufzustellen", genügt nicht.

17

b) Nicht klärungsbedürftig ist auch die Frage, ob "Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG dahin auszulegen [ist], dass ein Mitgliedstaat die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit von der Mehrwertsteuer zu befreien hat, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat nationale Vorschriften, die den Unternehmer berechtigen, für jeden einzelnen Umsatz eine Rechnung an den jeweiligen Leistungsempfänger auszustellen, einer Verwaltungspraxis, wonach die Kasseneinnahme als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, entgegensteht".

18

Insoweit gilt, dass über den Anwendungsbereich von Befreiungsvorschriften nicht nach Maßgabe der Pflichten zur Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

19

c) Wenn die Klägerin eine "Rechtfortbildungsrevision" zur Klärung der Frage anstrebt, ob "Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG der Anwendung der Bemessungsgrundlage Kasseneinnahmen bei Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen[steht], ist zu berücksichtigen, dass über den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht im Besteuerungsverfahren des Leistenden zu entscheiden ist.

20

3. Es liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor.

21

a) Auf die Frage, ob das FG von der EuGH-Rechtsprechung und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) insoweit abgewichen ist, als es davon ausging, dass "die steuerliche Bemessungsgrundlage auch für die Umsätze der Spielbanken ... die pauschale Kasseneinnahme" sei, kommt es im Streitfall für die Besteuerung der Klägerin nicht in entscheidungserheblicher Weise an (s. oben 1.d).

22

b) Soweit die Klägerin eine Divergenz in Bezug auf die Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend macht, ist auch diese nicht entscheidungserheblich (s. oben 1.b).

23

c) An einer entscheidungserheblichen Divergenz fehlt es auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, dass das FG "eine fehlende Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" angenommen hat, während der BFH die Umsatzsteuer als unselbständigen Teil des zivilrechtlichen Preises ansehe. Denn auf der Grundlage des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) zur Umsatzbesteuerung von Glücksspielen ist die Umsatzsteuer in diesem Bereich auf der Grundlage einer Gesamtheit von Umsätzen zu erheben, was einer zivilrechtlichen Preisbetrachtung entgegensteht.

24

d) Eine im Streitfall beachtliche Divergenz liegt auch insoweit nicht vor, als das FG sein Urteil darauf gestützt hat, dass die "Regelungen der MwStSystRL ... keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler" fordere, während das Bundesverfassungsgericht der richterlichen Rechtsfortbildung Grenzen setze. Denn die zusammengefasste Betrachtung zur Entgeltbestimmung nach § 10 UStG beruht auf den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 73 MwStSystRL. Dabei ist das nationale Recht ohne Verstoß gegen die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einschließlich des EuGH-Urteils Metropol (EU:C:2013:687) auslegbar, so dass ein Fall der Rechtsfortbildung nicht vorliegt.

25

e) Schließlich liegt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz darin, dass das FG bei seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass "§ 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen" will, während der BFH entschieden habe, dass in Bezug auf die Entgeltbestimmung Unionsrecht und nationales Recht zum selben Ergebnis führen, wobei der BFH davon ausgehe, dass "zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich regelmäßig aus dem Rechtsverhältnis, d.h. den vertraglichen Beziehungen zwischen Leistenden und Leistungsempfänger ergibt". Auch insoweit trägt die Klägerin nicht zu den Besonderheiten hinreichend Rechnung, die nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Besteuerung von Glücksspielumsätzen bestehen (s. oben 3.c) und die auch bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sind.

26

4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung des FG auch nicht greifbar gesetzwidrig (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die Klägerin geht insoweit davon aus, ein Fehler von erheblichem Gewicht ergebe sich daraus, dass das FG bei seiner Beurteilung dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687) gefolgt ist, das "auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht". In der Bezugnahme des EuGH auf frühere Entscheidungen sei ein "Etikettenschwindel" zu sehen. Es liege ein greifbar gesetzwidriger "ultra-vires-Rechtsakt" vor. Dies ergebe sich daraus, dass der EuGH "fälschlicherweise von insgesamt nur einer Dienstleistung" ausgehe.

27

Derartige Rechtsverstöße sind dem EuGH-Urteil Metropol (EU:C:2013:687), dem sich der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 19. November 2014 V R 55/13, BFHE 248, 411, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 V B 1/13, BFH/NV 2014, 915), indes nicht zu entnehmen. Insoweit liegt zudem weder eine "Willkürentscheidung" noch ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, vor.

28

5. Das Urteil des FG ist auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

29

a) Das FG hat nicht dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, indem es von einem zwischen Betreiber und Spielgast konkludent vereinbarten Verzicht auf die Erteilung von Rechnungen ausgegangen ist, wozu sich die Klägerin nicht habe äußern können.

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Denn nach der Rechtsprechung des BFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde trotz Verfahrensrüge nach § 96 Abs. 2 FGO zurückzuweisen sein, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen als den vom FG angeführten Gründen als richtig erweist (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 I B 44/06, BFH/NV 2007, 1191). So ist es im Streitfall, in dem über die Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen unabhängig von Fragen einer zivilrechtlichen Rechnungsstellung zu entscheiden ist (s. oben 1.b).

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b) Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit dem Begriff "bei allen Umsätzen" in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL.

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Soweit die Klägerin insoweit eine Gehörsrüge erhebt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowohl das Recht der Beteiligten, sich hinreichend zur Sache äußern zu können, als auch die Pflicht des Gerichts umfasst, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2011 V B 73/10, BFH/NV 2011, 1544). Ein Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es darf insbesondere Vorbringen unerörtert lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (BFH-Beschluss vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359). Im Kern macht die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch nur einen materiell-rechtlichen Fehler des FG geltend, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt.

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c) Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Klägerin auch darin, dass das FG unterstellt habe, dass die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auch bei den in Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten gilt. Zur Besteuerung dieser Umsätze in Spielbanken habe das FG aber keinerlei Erhebungen angestellt und zudem den Prozessvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Auf die steuerliche Beurteilung bei Spielbanken kommt es indes nicht an (s. oben 1.d).

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6. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.