Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15

bei uns veröffentlicht am08.12.2015

Tatbestand

1

I. 1. Die Antragstellerin, Frau A, ist mit ihrer Schwester, Frau S, (Mit-) Erbin der am ... verstorbenen Erblasserin B. Zu Lebzeiten reichte die Erblasserin jeweils im Folgejahr durch ihren steuerlichen Berater gefertigte Einkommensteuererklärungen beim Antragsgegner (dem Finanzamt -FA-) ein (letztmalig in 2009 für 2008). Darin erklärte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (jährlich ca. ... €), Einkünfte aus Kapitalvermögen (jährlich zwischen 0 € und ... €) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem großen Vermietungsobjekt in der X-Straße in ... Hamburg (jährlich ca. ... €). Für die Ermittlung der Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt reichte die Erblasserin jährlich eine umfangreiche Grundstücksabrechnung ein.

2

2. a) Am 11.08.2010 wandte sich der damalige steuerliche Berater der Erblasserin "im Namen und im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Frau B" schriftlich an das FA und meldete jährliche Einnahmen zwischen ... € und ... € aus von der C-AG (C) gezahlten Erbbauzinsen für insgesamt ... Flurstücke in der Y- Straße in ... Hamburg für die Jahre 1998 bis 2008 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung "gemäß § 153 AO" nach (EStA Bd. X Bl. 1). Dabei teilte der Berater bezüglich des Jahres 1998 mit, die Aufführung der Einnahmen sei vorsorglich, und bat um Überprüfung, inwiefern bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei (EStA Bd. X Bl. 1 f.).

3

b) Die Erbbauzinsen waren von der C auf ein Konto bei der Bank-1 gezahlt worden.

4

c) Die C teilte dem FA am 24.08.2010 mit, dass ihr als Erben der Erblasserin die Antragstellerin sowie Frau S benannt worden seien (EStA Bd. X Bl. 7).

5

d) Nach Rücksprache des FA beim FA für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg (Prüfstra) wurde davon abgesehen, die Anzeige vom 11.08.2010 zur strafrechtlichen Würdigung an das Finanzamt für Prüfungsdienste zu übersenden (vgl. Aktenvermerk vom 13.08.2010 EStA Bd. X vor Bl. 11).

6

e) Die Antragstellerin teilte am 24.05.2011 dem FA mit, dass sie die Generalbevollmächtigte ihrer Mutter, der Erblasserin, sei (EStA Bd. X Bl. 46).

7

3. Daraufhin erließ das FA am 17.05.2011 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000, am 19.05.2011 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 und 2002, am 27.05.2011 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004, am 14.06.2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005, am 16.06.2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006, am 21.06.2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2007 und am 28.06.2011 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 (Finanzgerichtsakte -FGA- Anlagenband Bl. 43 - 84).

8

a) Die Änderungsbescheide 1999 - 2006 enthielten im Anschriftenfeld den Namen und die Anschrift der Antragstellerin. Die Änderungsbescheide 2007 und 2008 wurden an den damaligen steuerlichen Berater der Erblasserin bzw. der Erbengemeinschaft adressiert. In den Bescheiden ist jeweils folgende maschinelle Erläuterung enthalten:
      "für FRAU ... verstorben ... B".

9

b) Diese Erläuterung wurde bei den Einkommensteuerbescheiden 1999 bis 2007 wie folgt handschriftlich ergänzt:
      "für Frau A (= Antragstellerin) und die Erben nach
FRAU ... verstorben ... B. Alle Beteiligten sind Gesamtschuldner (§ 44 AO)."

10

c) Für das Jahr 2009 erließ das FA aufgrund der am 02.02.2011 durch den steuerlichen Berater der Erblasserin eingereichten Einkommensteuererklärung am 08.09.2011 erklärungsgemäß einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid (Rechtsbehelfsakte -RbA- Bl. 90). Darin wurden die Erbbauzinsen wie erklärt berücksichtigt. Dieser Bescheid wurde an den steuerlichen Berater der Erblasserin adressiert und trägt die o. g. maschinelle Erläuterung.

11

d) Für das Jahr 2010 erließ das FA aufgrund der am 28.06.2011 durch den steuerlichen Berater der Erblasserin eingereichten Einkommensteuererklärung am 29.08.2011 erklärungsgemäß einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid (RbA Bl. 93). Darin wurden die Erbbauzinsen wie erklärt berücksichtigt. Dieser Bescheid wurde an den steuerlichen Berater der Erblasserin adressiert und trägt die o. g. maschinelle Erläuterung.

12

e) Ob und inwieweit die Erläuterung in den Einkommensteuerbescheiden 2008 bis 2010 handschriftlich ergänzt wurde, ist nicht bekannt. In den Steuerakten befinden sich keine Zweitschriften der Bescheide.

13

4. Mit Bescheid vom 01.08.2011 setzte das FA Hinterziehungszinsen in Höhe von insgesamt ... € fest (EStA Bd. X Bl. 49). Dabei führte das FA die Zinsen nach Art und Betrag im Einzelnen auf. Der Bescheid enthielt im Anschriftenfeld den Namen und die Anschrift der Antragstellerin und zusätzlich folgende Erläuterung:
      "für Frau A (= Antragstellerin)  und die Erben nach Frau ... (verstorben ...) B".

14

5. Am 15.06.2011 und 12.07.2011 legte der steuerliche Berater der Erblasserin Einspruch gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen ein, da die erwarteten Steuernachzahlungen bereits vor Erlass der Änderungsbescheide auf ein Verwahrkonto eingezahlt worden seien (EStA Bd. X Bl. 52). Am 15.08.2011 half das FA den Einsprüchen ab und erließ Nachzahlungszinsen in Höhe von insgesamt ... € (EStA Bd. X Bl. 64).

15

6. a) Knapp drei Jahre später, am 10.04.2014, wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin an das FA und beantragte Akteneinsicht in die Einkommensteuerakten der Erblasserin. Mit Bescheid vom 07.07.2014 lehnte das FA das Akteneinsichtsgesuch für die Jahre 1998 bis 2008 ab und gewährte Akteneinsicht für die Jahre 2009 und 2010 (RbA Bl. 37). Gegen die Ablehnung legte die Antragstellerin am 11.07.2014 Einspruch ein. Dieser Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24.08.2015 als unbegründet zurückgewiesen (RbA Bl. 55).

16

b) Am 20.08.2014 legte die Antragstellerin gegen die Änderungsbescheide für 1999 - 2008, gegen die erstmaligen Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 sowie gegen den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 01.08.2011 Einspruch ein und beantragte Aufhebung der Vollziehung (AdV) sowie die Erstattung der Überzahlungen nach § 37 Abs. 2 AO zzgl. Zinsen nach § 233a AO. Zur Begründung trug sie vor, in den Bescheiden seien die Inhaltsadressaten nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden. Zur hinreichend bestimmten Bezeichnung im Sinne des § 119 Abs. 1 AO sei die Angabe der Erbenstellung und die Angabe des Familiennamens aller Erben erforderlich. Ihre Schwester, die Miterbin, sei in keinem Bescheid namentlich erwähnt worden. Infolge der mangelnden Bestimmtheit seien sämtliche Bescheide nichtig. Die Zahlungen auf die nichtigen Bescheide fordere sie im Wege der Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO zurück. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass von der Erblasserin die Tatbestände einer Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung verwirklicht worden seien, hierfür trage das FA die Beweislast.

17

c) Mit Bescheid vom 06.10.2014 lehnte das FA den Antrag vom 20.08.2014 auf AdV der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2010 sowie des Bescheides über Hinterziehungszinsen ab (RbA Bl. 95). Zur Begründung führte es aus, mit ihren Einsprüchen und dem Antrag auf AdV setze sich die Antragstellerin in Widerspruch zu ihrem vorherigen Verhalten. Sollten die Bescheide tatsächlich einem Bestimmtheitsmangel unterlegen haben, so habe sich die Erbengemeinschaft mit diesem jahrelang abgefunden und diesen aufrechterhalten. Sie könne diesen Mangel dann nicht drei Jahre später zu Erstattungszwecken geltend machen, zumal er im Rahmen der Nachzahlungen tatsächlich zu keinerlei Unklarheiten bezüglich der Bestimmung des Inhaltsadressaten geführt habe.

18

7. a) Nachdem das FA am 22.12.2014 die Einkommensteuerbescheide für 2003 vom 27.05.2011 sowie für 2009 vom 08.09.2011 aufgehoben hatte (RbA Bl. 110), erließ es am 29.12.2014 geänderte Bescheide für 2003 und 2009 (RbA Bl. 112 ff.). Die Bescheide wurden einmal der Schwester der Antragstellerin bekanntgegeben und enthalten folgende Erläuterung:
"Für die Erben nach B: A (= Antragstellerin) und S. Die Erben sind Gesamtschuldner nach § 44 AO".

19

Zusätzlich wurden die Bescheide dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zugesandt und enthalten folgende Erläuterung:
"Für die Erben nach B: A (= Antragstellerin) und S. Der Bescheid ergeht an Sie als Zustellbevollmächtigter zugleich mit Wirkung für und gegen die Miterbin A (= Antragstellerin). Alle Beteiligte sind Gesamtschuldner nach § 44 AO".

20

Gegen die Bescheide vom 29.12.2014 legte die Antragstellerin am 14.01.2015 Einspruch ein. Zumindest für 2003 sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Gründe für die Verlängerung oder Hemmung der Regelverjährung seien nicht ersichtlich. Daher werde für 2003 auch AdV beantragt (RbA Bl.129). Am 30.03.2015 beantragte die Antragstellerin ergänzend bezüglich des Bescheides für 2009 vom 23.12.2014 AdV (RbA Bl. 133).

21

8. Nachdem das FA am 31.03.2015 die Einkommensteuerbescheide für 2004 bis 2008 und 2010 aufgehoben hatte (RbA Bl. 135), erließ es am 14.04.2015 (geänderte) Bescheide für 2004 bis 2008 und 2010. Die Bescheide wurden wie die Bescheide vom 22.12.2014 (oben I.7.a)) bekanntgegeben.

22

Dagegen legte die Antragstellerin am 15.04.2015 Einspruch ein und trug vor, für 2004 bis 2008 sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Gründe für die Verlängerung oder Hemmung der Regelverjährung seien nicht ersichtlich. Daher werde für 2004 bis 2008 AdV beantragt (RbA Bl. 139).

23

9. Mit Bescheid vom 01.06.2015 lehnte das FA (nochmals) den Antrag vom 12.08.2014 (gemeint wohl: 20.08.2014) auf AdV der Einkommensteuerbescheide 1999 - 2002 sowie des Bescheids über Hinterziehungszinsen ab (FGA Anlagenband Bl. 1). Ebenfalls mit Bescheid vom 01.06.2015 lehnte das FA die Anträge vom 14.01.2015 bzw. 30.03.2015 sowie vom 15.04.2015 auf AdV der Einkommensteuerbescheide 2003 - 2010 ab (FGA Anlagenband Bl. 5). Zur Begründung führte es aus, die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der Jahre 2003 - 2008 seien nicht durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen, sondern seien im Rahmen der 10-jährigen Frist im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geltend gemacht worden. Die Erblasserin habe zumindest bedingt vorsätzlich den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO verwirklicht. Sie habe ihre Steuererklärung jahrelang durch einen steuerlichen Berater erstellen und einreichen lassen. Dieser habe für sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung eines großen Vermietungsobjektes in einem Umfang von mehreren hunderttausend Euro erklärt und für die Immobilie eine jährliche Grundstücksabrechnung eingereicht. Bei den Erbbauzinsen handele es sich ebenfalls um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Aufgrund des Umfangs ihrer jährlichen Steuererklärung und der Höhe der erklärten Einkünfte sei davon auszugehen, dass die Erblasserin sich der steuerlichen Relevanz der Erbbauzinsen bewusst gewesen sei. Die Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 sei auf der Grundlage der eingereichten Einkommensteuererklärungen festgesetzt worden, insoweit sei die Antragstellerin gar nicht beschwert. Eine unbillige Härte sei nach Aktenlage weder ersichtlich noch vorgetragen worden.

24

10. Am 27.07.2015 hat die Antragstellerin beim Gericht AdV der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2010 sowie des Bescheides über Hinterziehungszinsen vom 01.08.2011 beantragt.

25

Zur Begründung trägt sie vor, die Bescheide seien aufzuheben. Hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2008 sei bei Erlass die reguläre Festsetzungsfrist von 4 Jahren verstrichen gewesen. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AO lägen nicht vor. Es fehle an dem - dem FA obliegenden - Nachweis einer Steuerhinterziehung. Über die subjektive Ebene der Erblasserin sei nichts bekannt. Insoweit stelle das FA in seinem Bescheid vom 01.06.2015 reine Spekulationen an. Es sei denkbar, dass die Erblasserin davon ausgegangen sei, dass alles zutreffend von ihren Beratern behandelt und erklärt worden sei. Zudem sei bei dem Umfang und der Höhe der Einkünfte und des Vermögens leicht vorstellbar, dass es sich bei der Nichterklärung der Erbbauzinsen lediglich um ein unbewusstes Versehen der Erblasserin gehandelt habe. Dafür spreche auch, dass die Erbbauzinsen auf ein deutsches Konto geflossen seien, so dass die Erblasserin mit einer Entdeckung hätte rechnen müssen. Das Verhalten des damaligen steuerlichen Beraters, der offenbar davon ausgegangen sei, dass lediglich für 1998 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, sowie die Tatsache, dass gegen die Änderungsbescheide in 2011 nur hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der Abschlagszahlung bei der Festsetzung der Nachzahlungszinsen Einspruch eingelegt worden sei, könne unter Umständen zwar als Indiz für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch die Erblasserin gedeutet werden. Allerdings enthielten die Schreiben der damaligen steuerlichen Berater keine inhaltlichen Angaben zu den Motiven ihres Handelns. So sei nicht ersichtlich, dass den Steuerberatern überhaupt bekannt bzw. bewusst gewesen sei, dass für die Verlängerung der Festsetzungsfrist der vollständige Tatbestand einer Steuerhinterziehung vorliegen müsse. Insoweit könne es sich daher auch um einen Fehler der damaligen Berater handeln.

26

Die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2002 seien darüber hinaus wegen fehlender Bestimmtheit nichtig gem. § 125 Abs. 1 AO i. V. m. § 119 Abs. 1 AO. Insoweit sei sie, die Antragstellerin, nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Nichtigkeit zu berufen. Es sei schon im Ansatz nicht erkennbar, wodurch auf Seiten des FA ein schutzwürdiges Vertrauen bezüglich des Ablaufs der Festsetzungsfrist entstanden sein solle. Hierbei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass das FA seinerzeit von einer Weiterleitung an die Prüfstra abgesehen und damit unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz bewusst davon abgesehen habe, den Vorsatz und damit ein notwendiges Tatbestandsmerkmal festzustellen.

27

Bei dem Hinterziehungszinsbescheid fehle es zum einen an der erforderlichen Steuerhinterziehung, zum anderen sei der Bescheid inhaltlich unzutreffend adressiert, da ihre, der Antragstellerin, Schwester als Miterbin namentlich nicht erwähnt werde.

28

Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung
des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 17.05.2011
des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 17.05.2011
des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 19.05.2011
des Einkommensteuerbescheides 2002 vom 19.05.2011
des Bescheids über Hinterziehungszinsen vom 01.08.2011
des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 29.12.2014
des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 14.04.2015
des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 14.04.2015
des Einkommensteuerbescheides 2006 vom 14.04.2015
des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 14.04.2015
des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 14.04.2015
des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 29.12.2014
des Einkommensteuerbescheides 2010 vom 14.04.2015
aufzuheben.

29

Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.

30

Zur Begründung nimmt es auf die Bescheide vom 01.06.2015 Bezug.

31

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. VII bis X sowie Bd. I der Rechtsbehelfsakte zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

32

II. 1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 20.08.2014, 14.01.2015, 30.03.2015 und 15.04.2015 beantragte AdV mit Bescheiden vom 01.06.2015 abgelehnt, sodass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

33

2. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.

34

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Beschluss vom 21.11.2013 II B 46/13, DStR 2013, 2686). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschlüsse vom 13.03.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; vom 19.05.2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156).

35

Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes gemäß § 69 Abs. 3 FGO ist als Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein summarisches Verfahren, in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur aufgrund des Sachverhalts entschieden wird, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, DStR 2013, 1025). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-), soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschlüsse vom 10.02.2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930; vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809).

36

b) Bei der danach gebotenen summarischen Prüfung anhand des Sachvortrags der Beteiligten und des Inhalts der vorliegenden Akten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

37

Die Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1999 bis 2008 war zulässig (aa). Die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 1999 bis 2008 und die erstmaligen Einkommensteuerbescheide für 2009 und 2010 durften am 17. bzw. 19.05.2011 (1999 - 2003) bzw. am 29.12.2014 bzw. 14.04.2015 (2004 - 2010) erlassen werden, Feststellungsverjährung war insoweit noch nicht eingetreten (bb). Hinterziehungszinsen wurden zulässigerweise mit Bescheid vom 01.08.2011 festgesetzt (cc). Die an die Antragstellerin gerichteten Änderungsbescheide für 1999 bis 2002 sowie der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen waren nicht mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe nichtig (dd).

38

aa) aaa) Die Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1999 bis 2008 war zulässig.

39

Die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen vor. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Dem FA wurde nachträglich, nämlich nach Erlass der ursprünglichen Bescheide, bekannt, dass die Erblasserin weitere, bis dahin nicht erklärte steuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte.

40

bbb) Die eingereichten Einkommensteuererklärungen für 2009 und 2010 wurden erklärungsgemäß veranlagt. Dabei wurden die Erbbauzinsen wie erklärt angesetzt (oben I. 3 c) und d)).

41

bb) Die Festsetzungsfrist war bei Erlass der Änderungsbescheide für 1999 bis 2003 am 17. bzw. 19.05.2011, bei Erlass der Änderungsbescheide für 2004 bis 2008 am 29.12.2014 bzw. 14.04.2015 und bei Erlass der erstmaligen Bescheide für 2009 und 2010 am 29.12.2014 bzw. 14.04.2015 noch nicht abgelaufen.

42

Gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO begann die Festsetzungsfrist jeweils mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem für den Veranlagungszeitraum (VAZ) die Steuererklärung eingereicht wurde, somit für die Jahre 1999 bis 2008 jeweils mit Ablauf des 31.12. des Folgejahres. Für die VAZ 2009 und 2010 begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2011.

43

aaa) (1) Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO für die VAZ 1999 bis 2008 zehn Jahre, weil hinsichtlich der sich durch die Änderungsbescheide ergebenden Nachforderungen die Voraussetzungen für eine durch die Erblasserin begangene Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen. Danach begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt.

44

Für die Beurteilung, ob die verlängerte Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO eingreift, hat das FG die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung, d. h. eines der Tatbestände des § 370 Abs. 1 AO, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen (BFH-Urteil vom 11.12.2012 IX R 33/11, juris).

45

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des materiellen Strafrechts - hier des § 370 AO - bei der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften wie § 169 Abs. 2 Satz 2 AO oder § 71 AO von den Finanzbehörden und den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht die Strafprozessordnung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.03.1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Indessen ist auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 05.03.1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Finanzbehörde (der Steuergläubiger) im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt. Es ist bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung indes kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364).

46

Welche Anforderungen gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO im Einzelfall an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt werden müssen, entzieht sich weitgehend abstrakter Festlegung. Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen bilden. Das bedeutet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (BFH-Urteil vom 15.01.2013 VIII R 22/10, BFH/NV 2013, 799).

47

Da in einem AdV-Verfahren die entscheidungserheblichen Tatsachen nur glaubhaft zu machen sind, tritt insoweit eine Sachverhaltsfeststellung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit an die Stelle des Vollbeweises (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 123).

48

(2) Daran, dass die Erblasserin im Streitfall die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht hat, indem sie in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre die von der C erhaltenen Erbbauzinsen steuerlich nicht erklärte, bestehen nach dem oben Ausgeführten keine ernstlichen Zweifel. Aufgrund der Nichtangabe der Erbbauzinsen ist eine Steuerverkürzung eingetreten, weil das FA ursprünglich entsprechend niedriger festgesetzt hat.

49

Aber auch die subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung liegen zur hinreichenden Überzeugung des beschließenden Senats vor. Der Senat hält es bei summarischer Prüfung für überwiegend wahrscheinlich, dass die Erblasserin zumindest bedingt vorsätzlich handelte, weil sie es für möglich hielt, dass die Erbbauzinsen steuerpflichtig waren, und sie unter billigender Inkaufnahme einer Steuerverkürzung dennoch nicht erklärte.

50

(3) Der Senat sieht keine hinreichenden Anzeichen dafür, dass die Erblasserin davon ausging, die Erbbauzinsen seien in der Steuererklärung enthalten, bzw. sie insoweit nicht vorsätzlich handelte.

51

Dass die Erblasserin zumindest mit der Unvollständigkeit der Steuererklärungen in Bezug auf die Erbbauzinsen rechnete und die objektive Steuerverkürzung in voller Höhe in Kauf nahm, ergibt sich zur Überzeugung des Senats mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits daraus, dass die Erblasserin Vermietungseinkünfte nur aus einem großen Vermietungsobjekt erklärte, mit dem die Erbbauzinsen weder im räumlichen noch im sachlichen Zusammenhang standen. Weshalb die Erblasserin gleichwohl von einer steuerlichen Erfassung ausgegangen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Hinzu kommt, dass die damaligen steuerlichen Berater der Erblasserin eine Nacherklärung einreichten und die Festsetzung von Hinterziehungszinsen akzeptierten.

52

Der Umstand, dass das FA seinerzeit von einer Abgabe des Falls an die Prüfstra absah (oben I. 2. d)), steht der Annahme einer Steuerhinterziehung nicht entgegen. Da bzgl. der nacherklärten Erbbauzinsen keine weiteren Ermittlungen mehr anzustellen waren, lag es nur nahe, dass der Fall ausschließlich vom FA (inkl. der Festsetzung von Hinterziehungszinsen) bearbeitet wurde und eine Abgabe an die Prüfstra als nicht erforderlich angesehen wurde.

53

bbb) Für die VAZ 2009 und 2010 beträgt die Festsetzungsfrist 4 Jahre gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO; sie endet mithin mit Ablauf des 31.12.2015.

54

cc) Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt einhalb Prozent für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 AO), der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Steuerverkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO). Im Zinsbescheid müssen die Zinsen nach Art und Betrag bezeichnet und der Schuldner angeben werden (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO analog; vgl. BFH-Beschluss vom 11.12.2013 I B 174/12, BFH/NV 2014, 665).

55

Vorliegend ist die für die Erhebung von Hinterziehungszinsen erforderliche Voraussetzung einer vollendeten Steuerhinterziehung (§ 370 AO) durch die Erblasserin gegeben (oben II.2.a)bb)aaa)). Die Hinterziehungszinsen wurden in dem Bescheid vom 01.08.2011 nach Art und Betrag bezeichnet und die Antragstellerin sowie die Miterben wurden als Rechtnachfolger der Erblasserin als Schuldner der Hinterziehungszinsen angegeben (oben I.4.).

56

dd) Die an die Antragstellerin gerichteten Änderungsbescheide für 1999 bis 2002 sowie der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen waren nicht mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe nichtig.

57

aaa) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es muss unzweifelhaft feststehen, gegenüber wem der Einzelfall geregelt werden soll. Inhaltsadressat eines Verwaltungsaktes ist derjenige, gegen den er sich richtet, für den er bestimmt ist und gegen den er wirken soll (Seer in Tipke/Kruse, a. a. O., § 122 AO Rn. 18). Bei Steuerbescheiden ist dies der Steuerschuldner (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO).

58

Danach ist ein Einkommensteuerbescheid, der sich an Erben richten soll, diesen gegenüber nur wirksam, wenn diese namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheides ergibt, welche Personen als Erben angesprochen werden sollen (vgl. Urteil des BFH vom 17.11.2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287). Dabei ist es ausreichend, wenn sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids ergeben, z. B. aus einer Anlage (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 179 AO Rn. 8), aus den Erläuterungen des Bescheids oder aus einem in Bezug genommenen Bericht über eine Außenprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287).

59

bbb) Die Änderungsbescheide für 1999 bis 2002 sowie der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 01.08.2011 sind danach inhaltlich hinreichend bestimmt. Sie wurden an die Antragstellerin "für Frau A (= Antragstellerin) und die Erben nach Frau ... (verstorben ...) B" adressiert. Den Bescheiden ist bei der gebotenen verständigen Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände objektiv eindeutig zu entnehmen, dass die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin Inhaltsadressatin ist und sie für die jeweils festgesetzte Steuer bzw. die Hinterziehungszinsen als Gesamtschuldnerin haftet.

60

Ob die Bescheide bezüglich der Schwester unwirksam sind, da diese in den Bescheiden nicht namentlich erwähnt wurde, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da zusammengefasste Bescheide gem. § 155 Abs. 3 AO jeweils zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Verwaltungsakte sind, die ein unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal haben können (BFH-Urteile vom 17.11.2005 III R 8/03, Betriebsberater 2006, 365; vom 30.11.1999 IX R 57/98, BFH/NV 2000, 678).

61

c) Umstände, die eine mit der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide verbundene unbillige Härte begründen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der
Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15 zitiert 24 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Abgabenordnung - AO 1977 | § 233a Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen


(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträ

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Abgabenordnung - AO 1977 | § 125 Nichtigkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des

Abgabenordnung - AO 1977 | § 44 Gesamtschuldner


(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldn

Abgabenordnung - AO 1977 | § 155 Steuerfestsetzung


(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 119 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 179 Feststellung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Abweichend von § 157 Abs. 2 werden die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in diesem Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. (2) Ein Feststellungsbescheid richtet sich gegen den

Abgabenordnung - AO 1977 | § 157 Form und Inhalt der Steuerbescheide


(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber

Abgabenordnung - AO 1977 | § 238 Höhe und Berechnung der Zinsen


(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der T

Abgabenordnung - AO 1977 | § 71 Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers


Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese n

Abgabenordnung - AO 1977 | § 235 Verzinsung von hinterzogenen Steuern


(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene

Abgabenordnung - AO 1977 | § 153 Berichtigung von Erklärungen


(1) Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist,1.dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekomm

Referenzen - Urteile

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 V 194/15 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 11. Dez. 2013 - I B 174/12

bei uns veröffentlicht am 11.12.2013

Tatbestand 1 I. Gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer KG, wurden im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 29. November 2006 I R 78-80/05 (BFH/NV

Bundesfinanzhof Beschluss, 21. Nov. 2013 - II B 46/13

bei uns veröffentlicht am 21.11.2013

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers (E). Aufgrund eine

Bundesfinanzhof Beschluss, 03. Apr. 2013 - V B 125/12

bei uns veröffentlicht am 03.04.2013

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. S

Bundesfinanzhof Urteil, 15. Jan. 2013 - VIII R 22/10

bei uns veröffentlicht am 15.01.2013

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehungen durch anonym gebliebene Bankkunden haftet.

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Dez. 2012 - IX R 33/11

bei uns veröffentlicht am 11.12.2012

Tatbestand 1 I. Streitig ist die Besteuerung eines Gewinns aus dem Verkauf von Anteilen an einer Aktiengesellschaft (AG).

Bundesfinanzhof Beschluss, 13. März 2012 - I B 111/11

bei uns veröffentlicht am 13.03.2012

Tatbestand 1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vollziehung von Bescheiden wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der sog. Zinsschranke

Bundesfinanzhof Beschluss, 19. Mai 2010 - I B 191/09

bei uns veröffentlicht am 19.05.2010

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und

Referenzen

(1) Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist,

1.
dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist oder
2.
dass eine durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichtende Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist,
so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Die Verpflichtung trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen und die nach den §§ 34 und 35 für den Gesamtrechtsnachfolger oder den Steuerpflichtigen handelnden Personen.

(2) Die Anzeigepflicht besteht ferner, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen.

(3) Wer Waren, für die eine Steuervergünstigung unter einer Bedingung gewährt worden ist, in einer Weise verwenden will, die der Bedingung nicht entspricht, hat dies vorher der Finanzbehörde anzuzeigen.

(4) Die Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht ferner, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuerbescheid, einem Feststellungsbescheid nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Absatz 1a umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.

(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.

(2) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit. Andere Tatsachen wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Die Vorschriften der §§ 268 bis 280 über die Beschränkung der Vollstreckung in den Fällen der Zusammenveranlagung bleiben unberührt.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne des Absatzes 3, ist dieser zu verzinsen. Dies gilt nicht für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen.

(2) Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er beginnt für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Monate nach diesem Zeitpunkt, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen; hierbei sind Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes nicht zu berücksichtigen. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.

(2a) Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2) oder auf einem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von Absatz 2 Satz 1 und 2 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstanden ist.

(3) Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Bei der Vermögensteuer ist als Unterschiedsbetrag für die Zinsberechnung die festgesetzte Steuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen oder die bisher festgesetzte Jahressteuer, maßgebend. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem Tag der Zahlung. Besteht der Erstattungsbetrag aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.

(4) Die Festsetzung der Zinsen soll mit der Steuerfestsetzung verbunden werden.

(5) Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, ist eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; Gleiches gilt, wenn die Anrechnung von Steuerbeträgen zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprechend.

(7) Bei Anwendung des Absatzes 2a gelten die Absätze 3 und 5 mit der Maßgabe, dass der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn. Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag festgesetzte Zinsen frühestens ab Beginn des für diesen Teil-Unterschiedsbetrag maßgebenden Zinslaufs; Zinsen für den Zeitraum bis zum Beginn des Zinslaufs dieses Teil-Unterschiedsbetrags bleiben endgültig bestehen. Dies gilt auch, wenn zuvor innerhalb derselben Zinsberechnung Zinsen auf einen Teil-Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen berechnet worden sind.

(8) Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) sind entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Absatz 3 Satz 4 ist hierbei entsprechend anzuwenden. Soweit Nachzahlungszinsen aufgrund einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung nach Absatz 5 Satz 3 zweiter Halbsatz entfallen, mindert sich der Zinsverzicht nach Satz 1 entsprechend. Die §§ 163 und 227 bleiben unberührt.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.

(2) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit. Andere Tatsachen wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Die Vorschriften der §§ 268 bis 280 über die Beschränkung der Vollstreckung in den Fällen der Zusammenveranlagung bleiben unberührt.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers (E). Aufgrund eines Vermächtnisses des E erhält sie auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 2.700 €.

2

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte für den Erwerb der Antragstellerin in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 Erbschaftsteuer in Höhe von 71.000 € fest, die die Antragstellerin am 2. November 2012 entrichtete.

3

Mit dem Einspruch machte die Antragstellerin im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 2012 II R 9/11 (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) und das damit beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 1 BvL 21/12 die Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 --ErbStG-- (BGBl I 2008, 3018) geltend. Das Einspruchsverfahren ruht bis zu einer Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvL 21/12.

4

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Die beim Finanzgericht (FG) beantragte Aufhebung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt. Das FG führte zur Begründung aus, das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht die öffentlichen Interessen am ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung. Die festgesetzte Erbschaftsteuer belaufe sich nur auf knapp 25 % des Erwerbs. Die Antragstellerin könne etwaige finanzielle Härten durch die Wahl der Jahresversteuerung gemäß § 23 ErbStG abmildern. Die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung käme dagegen einem einstweiligen Außerkraftsetzen des ErbStG gleich.

5

Mit der Beschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung des § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 7 sowie Abs. 3 Sätze 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Garantie auf effektiven Rechtsschutz könne einem Steuerpflichtigen bei einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass nach der Rechtsprechung des BFH dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Vorrang vor dem Interesse des Steuerpflichtigen an einer AdV eingeräumt werde (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Außerdem fehle eine gesetzliche Grundlage, die bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer der Besteuerung zugrunde gelegten Norm ein besonderes berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der AdV verlange. Die Ablehnung der AdV sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass nach der Rechtsprechung des BFH (II. Senat) regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden könne als vom BVerfG zu erwarten sei (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807). Dies bedeute eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache, weil die fortgesetzte Vollziehung aller Erbschaftsteuerbescheide kaum rückgängig zu machen sei und damit für den einzelnen Steuerpflichtigen dauerhaft nachteilige Wirkungen habe.

6

Die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung und die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung des FG kommt dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG zu.

9

1. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids bestehen --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.

10

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO hat das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, m.w.N.). Im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsaktes ist die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).

11

b) Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG. Beim BVerfG ist unter dem Az. 1 BvL 21/12 ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgehen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden (vgl. Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899).

12

2. Das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung ist gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

13

a) Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Aufhebung der Vollziehung, die mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründet wird, voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613; vom 9. März 2012 VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; vom 9. Mai 2012 I B 18/12, BFH/NV 2012, 1489; vom 18. Juni 2012 II B 17/12, BFH/NV 2012, 1652; Erfordernis eines berechtigten Interesses offen gelassen: BFH-Beschlüsse vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, und vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).

14

Das BVerfG hat dieser Rechtsprechung im Grundsatz zugestimmt (BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283; vom 3. April 1992  2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1992, 726; kritisch insoweit Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 827; Gosch in Beermann/Gosch, FGO, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 297 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 97; Specker, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, EFG 2012, 358). In neueren Entscheidungen hat das BVerfG die Frage, ob die Rechtsprechung des BFH (in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558) in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit offen gelassen (BVerfG-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, HFR 2012, 89, und vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, HFR 2013, 639).

15

b) Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; in BFH/NV 2012, 1489).

16

c) Allerdings hat der BFH in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, m.w.N.). Dazu zählt auch der Fall, dass der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, und vom 23. April 2012 III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328, jeweils m.w.N.).

17

Bis zur Entscheidung des BVerfG ist zwar ungewiss, ob dieses die Vorschrift als verfassungswidrig beurteilen und im Fall einer Verfassungswidrigkeit für nichtig oder (nur) für mit dem GG unvereinbar erklären wird und welche Rechtsfolge es hieraus ziehen wird. Jedoch hat der BFH vorläufigen Rechtsschutz auf der Basis seiner, der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsauffassung zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367, m.w.N.). Eine Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verfassungsverstößen, von denen das Gericht überzeugt ist, gegenüber dem bei sonstigen Rechtsverstößen zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz ist dem rechtsuchenden Steuerpflichtigen im Hinblick auf seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zuzumuten (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz muss der Steuerpflichtige auch in Kauf nehmen, dass bei einer Erfolglosigkeit des Einspruchs oder der Klage gegen den Steuerbescheid Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung (AO) anfallen, die für jeden Monat ein halbes Prozent betragen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO).

18

d) Ist --wie bei der Erbschaftsteuer-- die dem BVerfG zur Prüfung vorgelegte Vorschrift allerdings eine Tarifnorm, muss im Rahmen der Interessensabwägung auch berücksichtigt werden, dass in diesem Fall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen kann. Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht aber nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht allein dem BVerfG zu, das von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf (BVerfG-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.). Dennoch hat ein Steuerpflichtiger auch in einem solchen Fall Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Nur in Ausnahmefällen können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (vgl. BVerfG-Beschluss in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283).

19

e) Nachdem zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH (in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG anhängig ist, ist die Vollziehung eines auf § 19 Abs. 1 ErbStG beruhenden Erbschaftsteuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. Ein berechtigtes Interesse liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels des Erwerbs liquider Mittel (wie z.B. Bargeld, Bankguthaben, mit dem Ableben des Erblassers fällige Versicherungsforderungen) zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss. In diesen Fällen kann der Erwerber die Erbschaftsteuer nicht bzw. nicht ohne weitere, ggf. auch verlustbringende Dispositionen aus dem Erwerb begleichen. Es ist ihm hier deshalb nicht zuzumuten, die Erbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Wegen des vorrangigen Interesses des Steuerpflichtigen steht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass das ErbStG als formell zustande gekommenes Gesetz bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG Geltung beansprucht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

20

Gehören dagegen zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eingesetzt werden können, fehlt regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Durch die Begleichung der Erbschaftsteuer vermindern sich lediglich die dem Steuerpflichtigen mit dem Erwerb zugeflossenen Zahlungsmittel, so dass die vorläufige Zahlung der Erbschaftsteuer dem Steuerpflichtigen zuzumuten ist.

21

f) Im Streitfall ist das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

22

aa) Die Antragstellerin konnte die mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 festgesetzte Erbschaftsteuer von 71.000 € bei Fälligkeit nicht aus den ihr zu diesem Zeitpunkt zugeflossenen Rentenzahlungen von monatlich 2.700 € entrichten. Wegen des Ansatzes der Rente nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes mit dem Kapitalwert war ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) zu besteuern. Die dafür festgesetzte Erbschaftsteuer überstieg zum Zeitpunkt der Fälligkeit die Rentenzahlungen, die die Antragstellerin bis dahin für die Zeit nach dem Ableben des E (im September 2011) erhalten hatte. Die Rentenzahlungen dienten im Übrigen --nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin im Einspruchsverfahren-- der Bestreitung ihres Lebensunterhalts, so dass die Antragstellerin den Zahlungseingang von vornherein allenfalls nur in einem hier zu vernachlässigenden Umfang zur Begleichung der Erbschaftsteuer verwenden konnte. Die Erbschaftsteuer musste überwiegend aus eigenen Mitteln der Antragstellerin entrichtet werden. Im Hinblick darauf ist derzeit ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids auch insoweit gegeben, als sie in der Zeit ab Fälligkeit der Erbschaftsteuer bis zur Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiterhin Rentenzahlungen erhalten hat. Dies schließt einen späteren Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht aus.

23

bb) Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Antragstellerin das Wahlrecht nach § 23 ErbStG hätte ausüben können.

24

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Durch das Wahlrecht soll die unbillige Härte abgemildert werden, die sich aus der Besteuerung von Renten mit dem Kapitalwert ergibt, wenn dem Erwerber zur Begleichung der hohen Steuer die liquiden Mittel fehlen (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 23 ErbStG Rz 1). Das Wahlrecht ist jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass die Erbschaftsteuer in diesem Fall nach der wirklichen und nicht nach der auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Lebensdauer erhoben wird; lebt der Berechtigte länger als es der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht, so ist die Gesamtbelastung höher (vgl. Schuck, a.a.O., § 23 ErbStG Rz 16). Zudem muss auch bei Ausübung dieses Wahlrechts die Erbschaftsteuer jährlich im Voraus beglichen werden. Der Antragstellerin muss deshalb die Entscheidung überlassen bleiben, ob sie das gesetzliche Wahlrecht in Anspruch nimmt oder nicht. Allein das Bestehen des einfachgesetzlichen Wahlrechts nach § 23 ErbStG kann nicht dazu führen, das grundgesetzlich geschützte Recht der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG einzuschränken. Der Antragstellerin stehen beide Rechte gleichermaßen zu.

25

3. Soweit der Senat bisher vorläufigen Rechtsschutz versagt hat, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782; vom 11. September 1996 II B 32/96, BFH/NV 1997, 270; in BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, BFHE 232, 380, BStBl II 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395), wird daran im Hinblick auf die geäußerte Kritik (vgl. Seer, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; derselbe, DStR 2012, 325, 328 f.; Gosch, a.a.O., § 69 Rz 180.1; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113; Anwendung offen gelassen: BFH-Beschlüsse in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, und in BFH/NV 2012, 1489) nicht mehr festgehalten.

26

Es ist nicht gerechtfertigt, aufgrund einer Prognose über die Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz generell auszuschließen. Ist ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorhanden, muss es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch effektiv durchsetzbar sein und darf nicht deshalb leerlaufen, weil das BVerfG möglicherweise in einem Normenkontrollverfahren eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen anordnet. Aus diesem Grund ist auch im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung unabhängig davon zu gewähren, ob das BVerfG im Verfahren 1 BvR 21/12 für den Fall, dass es zu der Überzeugung gelangt, § 19 Abs. 1 ErbStG sei mit dem GG unvereinbar, die Norm für nichtig erklärt oder wiederum eine zeitlich beschränkte Weitergeltung anordnet. Sollte das BVerfG eine solche Weitergeltungsanordnung treffen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgeben, besteht auch die Möglichkeit, dass die Neuregelung des ErbStG den Steuerpflichtigen, deren Erwerbe zeitlich von der Weitergeltungsanordnung erfasst werden, ein Wahlrecht auf Anwendung des neuen Rechts einräumt.

27

4. Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 war ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

28

Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann die Aufhebung der Vollziehung auch gegen Sicherheit angeordnet werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, wenn seine Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre (BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229, Rz 21). Im Streitfall gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Antragstellerin nicht über eine gesicherte Vermögenslage verfügt und daher die Gefahr eines Steuerausfalls besteht.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. Sie lieferte ihre Produkte --Speisen und Getränke-- sowohl zum Verzehr innerhalb der Restaurants, als auch zum Verzehr außer Haus. Dabei lieferte sie auch sog. "Sparmenüs", bei denen es sich um Produktzusammenstellungen handelte, die neben Speisen wie Sandwiches und Pommes frites auch Getränke in verschiedenen Größen umfassten. Hierfür hatte der Kunde einen Pauschalpreis zu entrichten, der unter der Summe der Einzelveräußerungspreise der Menübestandteile lag. Für den Kunden war keine Aufschlüsselung der auf die einzelnen Bestandteile des Menüs entfallenen Preise erkennbar. Lediglich aus dem Kassenzettel war für den Kunden ersichtlich, dass ein Bestandteil des Pauschalpreises mit dem ermäßigten Steuersatz und einer mit dem Regelsteuersatz besteuert wurde.

2

Den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Preis des "Sparmenüs" ("Rabatt") berücksichtigte die Antragstellerin ausschließlich bei dem --dem Regelsteuersatz unterliegenden-- Getränk. Dies führte im Streitjahr 2002 dazu, dass bei einem sog. mittleren Menü der Preis für das Getränk, dessen Einzelverkaufspreis sich auf ca. 27 % der Summe aller Einzelverkaufspreise des "Sparmenüs" belief, im Rahmen des "Sparmenüs" dagegen nur noch ca. 12,6 % des Menüpreises ausmachte.

3

Grundlage hierfür war insbesondere ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 4. Oktober 2004 (auf eine Anfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), wonach "... bei der Lieferung von Menüs, die Getränke einschließen, im Rahmen von Außer-Haus-Verkäufen keine einheitlichen Leistungen vorliegen, sondern mehrere Lieferungen ausgeführt werden. Der jeweilige Unternehmer kann das Gesamtentgelt auf die einzelnen Lieferbestandteile aufteilen. Diese Aufteilung darf jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersätze nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) erfolgen. Damit wird den Unternehmern keine bestimmte Art der Aufteilung des Preisnachlasses vorgeschrieben. Aufgrund der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken erscheint eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein, wenn die Preisbildung nicht missbräuchlich wird, d.h. das Entgelt kann nach Rabattgewährung noch als angemessen beurteilt werden. Die einzelnen Produkte, aus denen sich das Sparmenü zusammensetzt, können damit zwar unterschiedlich kalkuliert werden, für jedes Produkt des Sparmenüs muss jedoch ein angemessener Gewinnaufschlag verbleiben. Wird das Entgelt für das einzelne Produkt des Sparmenüs aufgrund eines zu geringen Gewinnaufschlags zu niedrig angesetzt, würde sich allerdings die Frage des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO stellen".

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Kaufpreisaufteilung missbräuchlich sei. Die Entgelte seien nach Einzelproduktpreisen ins Verhältnis zu setzen. Daher sei der Menüpreis in dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Menükomponenten "linear" aufzuteilen und so die Bemessungsgrundlagen für die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz (Getränk) einerseits und mit dem ermäßigten Steuersatz (Speisen) andererseits zu ermitteln. Das FA erließ am 8. November 2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2002 bis 2006.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 lehnte das FA den Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ab.

6

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag hatte keinen Erfolg. Mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 172 veröffentlichten Beschluss entschied das FG, dass die Umsätze aus der Lieferung der sog. "Sparmenüs", die zu einem Pauschalpreis angeboten wurden, als "Außer-Haus-Menüs" hinsichtlich der Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich des Getränks dem Regelsteuersatz unterlägen. Es sei keine einheitliche Leistung, sondern eine Mehrheit von Leistungen gegeben, die jeweils eigenständig zu beurteilen seien. Der auf die Speisen und auf die Getränke entfallende Teil des Entgelts sei unter Anwendung der einfachst möglichen Berechnungsmethode zu ermitteln. Aus Gründen der Einfachheit und Transparenz bezüglich der Marktpreise sei es sachgerecht, grundsätzlich auf die jeweiligen Einzelveräußerungspreise der Menükomponenten abzustellen. Auf dieser Grundlage sei es unter geringem Ermittlungs- und Berechnungsaufwand auf einfache Weise möglich, das pauschale Entgelt für das Menü in dem Verhältnis, in welchem die Einzelveräußerungspreise der Komponenten zueinander stünden, sachgerecht aufzuteilen. Es bedürfe für diese Form der Ermittlung allein der Heranziehung der im jeweiligen Streitjahr angesetzten Verkaufspreise und des Menüpreises, so dass die Berechnung bei einem aus drei Komponenten bestehenden Menü und gleichbleibenden Verkaufspreisen leicht ermittelbar sei. Dabei entspreche es auch dem Erfordernis der Einfachheit, den Menüpreis im Verhältnis der bekannten Einzelverkaufspreise aufzuteilen und nicht etwa eine oder zwei Komponente(n) mit ihrem Einzelverkaufspreis anzusetzen und den Wert der anderen Komponenten aus der Differenz zwischen diesem Einzelverkaufspreis und dem Pauschalpreis zu ermitteln. Denn bei letzterer Vorgehensweise müsse zudem ein plausibler und sachgerechter Maßstab für die Frage gefunden werden, welche Komponente(n) als Ausgangsgröße(n) heranzuziehen wäre(n) und --wenn nur eine Komponente mit ihrem Einzelverkaufspreis herangezogen werde-- wie sich der Restbetrag auf die verbleibenden Menübestandteile verteile. Diese Problematik stelle sich bei einer Aufteilung im Verhältnis der Einzelverkaufspreise nicht.

7

Die Wahl einer Methode auf der Grundlage tatsächlicher Kosten sei dagegen mit einem nicht nur einmaligen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verbunden, sondern wäre bei unterjährig schwankenden Einkaufspreisen ggf. mehrfach anzupassen. Es müsste neben dem Ausgangswert des Einstandspreises zusätzlich die Streitfrage der jeweiligen Marge pro Menübestandteil geklärt werden, um zu einem konkreten Preis für die Einzelleistungen zu gelangen. Die Antragstellerin habe auch keine transparente, nachvollziehbare einheitliche Methode angewendet. Vielmehr schwankten die auf die Menübestandteile entfallenen Preise, Margen bzw. Aufschlagssätze je nach Art des Menüs und über die Streitjahre hinweg nach einem sich nicht erschließenden System. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Antragstellerin, dass lediglich beim Getränk hinreichend Spielraum für eine Rabattgewährung bestünde, und dass eine verhältnismäßige Rabattgewährung zu einem negativen Rohgewinnaufschlagsatz bei den Hamburgern führen könnte, griffen nicht durch. Denn der Rabatt werde ausschließlich auf das Gesamtpaket in seiner jeweiligen --unveränderbaren-- Zusammenstellung gewährt. Ob das Anbieten eines solchen Leistungspakets zum jeweiligen Pauschalpreis unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sinnvoll sei, hänge davon ab, in welchem Verhältnis die gesamten Kosten aller Menübestandteile zum pauschalen Verkaufspreis stünden. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass eine rein interne Zuordnung der Verkaufspreise vornehmlich auf die Speisen wirtschaftliche Vorteile für die Antragstellerin habe. Durch die interne "Verschiebung" der Bemessungsgrundlagen werde weder der Gesamtaufwand für die Menükomponenten noch die Summe des eingenommenen Geldes verändert. Es sei nicht erkennbar, weshalb es sich --bei insgesamt gleichbleibenden Kosten und Einnahmen-- als wirtschaftlich ungünstig erweisen sollte, wenn bei der internen Zuordnung der auf einzelne (untrennbare) Menükomponenten entfallene Rohgewinnaufschlag negativ würde.

8

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Kunden hätten die Kaufpreisaufteilung der Antragstellerin akzeptiert. Die Wahl des Aufteilungsmaßstabes unterliege der Privatautonomie. Es bestehe Preisbestimmungsautonomie. Aufgrund der hohen Aufschläge könne eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken gerechtfertigt sein. Es entspreche betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen der Preisbildung, die Preisermäßigung auf den Produktteil mit dem höchsten Kalkulationsaufschlag zu gewähren. Den Vorgaben des BMF sei zu folgen. Im Hinblick auf die hohen Margen bei den Getränken sei der Rabatt bei deren Lieferung vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Zumindest sei Vertrauensschutz zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch die Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 auszusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

12

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.; vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.).

13

2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des "Sparmenüs" zwei Lieferungen, die des Getränks und die der Speise ausgeführt hat. Offen bleiben kann im Streitfall, ob das FA im Hinblick auf die Lieferung der Speise zu Recht von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit einer in der Anlage zum UStG genannten Position des Zolltarifs ausgegangen ist. Denn wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Rabattaufteilung.

14

a) Im summarischen Verfahren geht der Senat --ohne darüber abschließend zu entscheiden-- zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass die Speisenlieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und die Antragstellerin Gegenstände geliefert hat, die teils dem ermäßigten Steuersatz und teils --als Getränk-- dem Regelsteuersatz unterliegen.

15

Wie das FG zutreffend entschieden hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt es durch die Zusammenfassung von Speise und Getränk im Rahmen eines zum Mitnehmen bestimmten "Sparmenüs" umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr bei der gebotenen summarischen Prüfung von zwei selbständigen Lieferungen auszugehen.

16

b) Ist somit im summarischen Verfahren von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen, ist der einheitliche Preis für das Menü in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen.

17

aa) Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (Slg. 1998, I-6229) entschieden hat, ist, wenn "Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung, ... der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen". Dabei ist die "einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode" zu verwenden. Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, unter II.1.d, und vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, unter II.4.b), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die "einfachstmöglich" ist.

18

bb) Der Senat hat dabei im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die danach erforderliche Entgeltaufteilung nach der "einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode" jegliches Ermessen des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung ausschließt oder ob für den Unternehmer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG die Befugnis zu einer sachgerechten Schätzung besteht. Denn sachgerecht in diesem Sinne ist die vom FA vorgenommene "lineare" Verteilung des Rabattbetrags für das "Sparmenü" nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise, nicht aber die von der Antragstellerin erstrebte Aufteilung nach den Kosten der beiden Lieferungen, die bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu einer komplexen Berechnung zur Aufteilung des Gesamtpreises zwingt, wie das FG zutreffend --insbesondere unter Hinweis auf unterjährige Kostenschwankungen-- entschieden hat.

19

cc) Ob eine hiervon abweichende Beurteilung dann in Betracht kommen könnte, wenn die lineare Aufteilung des Gesamtverkaufspreises nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise für eine der im Rahmen des "Sparmenüs" erfolgten Einzellieferungen zu einem Entgelt unter dem Nettoeinkaufspreis führt, ist im Streitfall, dem eine derartige Fallgestaltung weder im Hinblick auf Getränke noch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zubereiteten Speisen zugrunde liegt, nicht zu entscheiden.

20

dd) Dem von der Antragstellerin als maßgeblich angesehenen Gesichtspunkt der Preisbestimmungs- und Preisaufteilungsautonomie kommt keine Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat ihre Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihr gewählten Gesamtpreises ausgeübt. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen besteht nicht.

21

ee) Schließlich kann sich die Antragstellerin für die von ihr erstrebte Berücksichtigung des Rabatts bei der Getränkelieferung nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2004 berufen, in dem auf einen Beschluss der "Abteilungsleiter" verwiesen wird. Für die dort vertretene Auffassung, wonach aufgrund "der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken ... eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein [erscheint]", ist eine --mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbare-- Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die dort vertretene Rechtsauffassung ist für die Gerichte im finanzgerichtlichen Verfahren zudem ebenso unbeachtlich, wie eine amtlich veröffentlichte Verwaltungsanweisung, der nur norminterpretierender Charakter zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. November 2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, m.w.N.). Sie ist daher nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vollziehung von Bescheiden wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der sog. Zinsschranke auszusetzen oder aufzuheben ist.

2

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine AG, die im Jahre 2008 durch Formwechsel einer GmbH entstanden ist. Ihr Unternehmensgegenstand war in den Streitjahren 2008 bis 2010 der Erwerb, die Nutzung und die Verwaltung von Liegenschaften auf eigene Rechnung, nicht aber in gewerbsmäßiger Art und Weise, sowie die Vornahme aller Handlungen, die dem Unternehmen förderlich und zweckdienlich sind. Aktionäre der Antragstellerin waren mit jeweils 50 % der Anteile X und die Y-GmbH. An der Y-GmbH war Z zu 25 % unmittelbar und mittelbar beteiligt. Die Antragstellerin war kein verbundenes Unternehmen i.S. des § 271 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs. Sie wurde insbesondere nicht in den Konzernabschluss der Y-GmbH nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einbezogen.

3

Die Antragstellerin war in den Streitjahren Eigentümerin von fünf Immobilienobjekten, deren Erwerb sie zum überwiegenden Teil fremdfinanzierte. Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen durch Bankkredite. Es handelt sich um größtenteils langfristige und objektbezogene Finanzierungen, die erst nach der Fertigstellung der Objekte und ihrer planmäßigen Nutzung langfristig aus den Mietüberschüssen zurückgeführt werden sollen.

4

Aus dem für das größte Objekt (A-Straße in B) vorgelegten Kreditvertrag (nebst Nachträgen) ergibt sich, dass die Antragstellerin verpflichtet ist, sämtliche Mieteinnahmen auf ein Mieteingangskonto einzahlen zu lassen, das an die Bank verpfändet ist. Die Mittel auf dem Mieteingangskonto sind vorrangig für die Begleichung der Betriebskosten, der Zahlungen an die Bank (Zinsen und Tilgungen) und für etwaige weitere Bau- und Baunebenkosten zu verwenden. Erst ab dem 1. Januar 2012 stehen die Mittel auf den Konten der Antragstellerin zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt ist sie verpflichtet, das Darlehen in Höhe von 3 % aus ... Mio. € pro Jahr zu tilgen.

5

Um die hohe Fremdfinanzierung zu erreichen, stellte die Y-GmbH nachrangige Gesellschafterdarlehen in Höhe von 8,948 Mio. € zum 31. Dezember 2008 zur Verfügung, die sich auf 10,6 Mio. € zum 31. Dezember 2009 und auf 10,758 Mio. € zum 31. Dezember 2010 erhöhten. Die Y-GmbH trat mit ihren Rückzahlungs- und Zinsansprüchen im Rang hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurück. Ferner verbürgten sich der unmittelbare Gesellschafter X und der mittelbare Gesellschafter Z anteilig für die Verbindlichkeiten der Antragstellerin. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Banken aufgrund der Bürgschaften auf X und Z in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen Rückgriff nehmen können.

6

Ende 2010 wurden vier GmbH & Co. KG gegründet, an denen die Antragstellerin als alleinige Kommanditistin vermögensmäßig zu 100 % beteiligt ist. In jede Gesellschaft brachte die Antragstellerin zum 1. Januar 2011 ein Objekt unentgeltlich ein; die Zinsen und Tilgungen aus den Darlehensverträgen trägt weiterhin die Antragstellerin. Sie selbst behielt nur das größte Objekt A-Straße, in dem stille Reserven von rund ... Mio. € enthalten sind. Allein die auf dieses Objekt entfallenden Zinsaufwendungen betragen unstreitig mehr als 3 Mio. € p.a.

7

Zum 31. Dezember 2007 stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen vortragsfähigen Verlust in Höhe von 1.686.796 € fest.

8

Für 2008 wies die Antragstellerin bilanziell einen Jahresfehlbetrag von 3.289.305 € (Ergebnis vor Steuern: ./. 3.279.657,22 €) aus. Die Zinserträge betrugen 38.617 €, während sich die Zinsaufwendungen auf 5.436.312,48 € beliefen. Diese entfielen in Höhe von 5.048.609,44 € auf Zinsen für Bankdarlehen und in Höhe von 387.703,04 € auf Zinsen für Gesellschafterdarlehen. Das FA ließ von den Zinsaufwendungen nur einen Betrag von 1.400.381 € zum Abzug zu. Den Differenzbetrag stellte es als Zinsvortrag fest. Nach Abzug verrechenbarer Verluste setzte das FA für 2008 eine Steuerschuld in Höhe von 9.146 € fest.

9

2009 verbuchte die Antragstellerin einen Zinsaufwand von 5.966.572,75 €, der in Höhe von 5.523.432,75 € auf Zinsen für Bankdarlehen und in Höhe von 443.090 € auf Zinsen für Gesellschafterdarlehen entfiel. Die Zinserträge lagen bei 23.944,36 €. Die Antragstellerin erwirtschaftete einen Jahresüberschuss in Höhe von 178.475,63 € (Ergebnis vor Steuern: 725.756,84 €). Den Zinsaufwand ließ das FA anteilig in Höhe von 2.730.240 € zum Abzug zu. Nach Abzug des verbleibenden Verlustvortrags (595.330 €) setzte das FA Körperschaftsteuer in Höhe von 518.751 € fest (Zahllast nach Abzug der Zinsabschlagsteuer: 516.203 €).

10

Mit Vorauszahlungsbescheid vom 9. Februar 2011 setzte das FA zudem eine Körperschaftsteuervorauszahlung für 2010 in Höhe von 516.203 € fest.

11

Über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche ist bislang nicht entschieden worden. Nachdem das FA eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt hatte, lehnte auch das Finanzgericht (FG) München einen entsprechenden Antrag ab (Beschluss vom 1. Juni 2011  7 V 822/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1830).

12

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der AdV.

13

Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hat das FA Vorsteuerguthaben der Antragstellerin mit der streitgegenständlichen Körperschaftsteuer 2008 und 2009 verrechnet. Die geschuldete Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2010 ist in Höhe von 126.275 € mit Vorsteuervergütungsansprüchen der Antragstellerin verrechnet worden.

14

Mit dem im hier anhängigen AdV-Verfahren ergangenen Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer vom 31. Januar 2012 hat das FA eine Steuerschuld in Höhe von 586.681 € festgesetzt, auf die Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.366 € angerechnet wurde. Hierbei ging es von einem Verlust in Höhe von 135.335 € aus. Von den Zinsaufwendungen in Höhe von 6.386.694 € seien 24.467 € aufgrund der erwirtschafteten Zinserträge und darüber hinaus nur weitere 2.941.447 € als Betriebsausgaben abziehbar.

15

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, den Beschluss des FG München vom 1. Juni 2011  7 V 822/11 aufzuheben und die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 vom 24. Januar 2011 in Höhe von 9.555 € und für 2009 vom 28. Januar 2011 in Höhe von 544.594,39 € sowie des Vorauszahlungsbescheides über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2010 vom 9. Februar 2011 in Höhe von 544.594,16 € jeweils zuzüglich der jeweiligen Säumniszuschläge und ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, hilfsweise (soweit diese bereits durch Zahlung oder Aufrechnung vollzogen wurden) aufzuheben.

16

Nach Ersetzung des Vorauszahlungsbescheides für 2010 durch den Jahressteuerbescheid beantragt die Antragstellerin insoweit nunmehr, die Vollziehung des Bescheides für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 31. Januar 2012 auszusetzen bzw. aufzuheben.

17

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde des FA führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit das FG die AdV des Vorauszahlungsbescheides für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag abgelehnt hat. An dessen Stelle ist während des Beschwerdeverfahrens analog § 68 FGO der Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 31. Januar 2012 getreten (zur analogen Anwendbarkeit des § 68 FGO s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; vom 15. November 2007 V B 63/06, BFH/NV 2008, 825). Damit liegt dem Beschluss des FG ein nicht mehr existierender Bescheid mit der Folge zugrunde, dass seine ablehnende Entscheidung insoweit ebenfalls gegenstandslos geworden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229).

19

Eine Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Entscheidung ist insoweit zwar zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 26. März 1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463), aber nicht zweckmäßig. Die Sache ist spruchreif. Die Feststellungen des FG und die vorliegenden Akten reichen auch im Hinblick auf den nunmehr erlassenen Bescheid für 2010 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag aus, um über den Aussetzungsantrag abschließend entscheiden zu können (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 229).

III.

20

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt unter Aufhebung des Beschlusses des FG zur Stattgabe des Antrags der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2009. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 ist teilweise auszusetzen. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet und zurückzuweisen.

21

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

22

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156; vom 26. August 2010 I B 85/10, BFH/NV 2011, 220). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm. An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (Senatsbeschlüsse vom 26. August 2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, BStBl II 2011, 826; vom 30. März 2011 I B 136/10, BFHE 232, 395).

23

Unter den gleichen Voraussetzungen ist gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO die Vollziehung aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist (Senatsbeschluss vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). Insbesondere können bereits verwirkte Säumniszuschläge (§ 240 der Abgabenordnung) ab dem Zeitpunkt, ab dem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden haben, rückwirkend durch Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden (Senatsbeschluss vom 23. September 2008 I B 92/08, BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524).

24

2. Bei der im Verfahren auf AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ernstlich zweifelhaft, ob es rechtmäßig ist, dass das FA die von der Antragstellerin gezahlten Schuldzinsen unter Hinweis auf die sog. Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben der jeweiligen Streitjahre zum Abzug zuließ.

25

a) Die Schuldzinsen können nach dem Wortlaut der sog. Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben abgezogen werden.

26

aa) Zinsaufwendungen eines Betriebs sind hiernach nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens, abziehbar (vgl. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- 2002 i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes --UntStRefG-- 2008 vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912 --KStG 2002 n.F.-- i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 2002 i.d.F. des UntStRefG 2008 --EStG 2002 n.F.--/§ 4h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG 2009 i.d.F. des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums --Wachstumsbeschleunigungsgesetz-- vom 22. Dezember 2009, BGBl I 2009, 3950 --EStG 2009 n.F.--). Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (§ 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 n.F./§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG 2009 n.F.). Dass das FA diese Vorgaben in den Bescheiden zutreffend umgesetzt hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weiteren Vertiefung.

27

bb) Nach der sog. Stand-alone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002) ist die sog. Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn der Betrieb --wie im Streitfall-- nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. ist nach § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. seinerseits wiederum nur anzuwenden, wenn die Vergütungen für Fremdkapital an einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, eine diesem nahestehende Person oder einen Dritten, der auf einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen der Körperschaft i.S. des § 4h Abs. 3 EStG 2002 n.F./2009 n.F. betragen und die Körperschaft dies nachweist. Im Streitfall betragen die Zinsen auf Gesellschafterdarlehen allein zwar nicht mehr als 10 % der den Zinsertrag übersteigenden Zinsaufwendungen. Zwischen den Beteiligten ist jedoch unstreitig, dass die kreditgewährenden Banken aufgrund der Bürgschaften auf X und Z in Höhe von mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen Rückgriff nehmen können. Die Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. in dessen 3. Alternative sind damit erfüllt.

28

b) Der Senat hat im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einschränkung der sog. Stand-alone-Klausel durch § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. in dieser 3. Regelungsalternative.

29

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; vom 7. November 2006  1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068).

30

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; in BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247; in BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481; BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung zudem folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, BFH/NV 2011, 181). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 123, 1, BFH/NV 2009, 1068; vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400, BFH/NV 2010, 1985).

31

bb) Mit den Regelungen zur sog. Zinsschranke (§ 8a KStG 2002 n.F. i.V.m. § 4h EStG 2002 n.F./2009 n.F.) ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Hierdurch will er die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats sowie zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen beschränken (BTDrucks 16/4841, S. 35). Aufgrund der weiten Auslegung der unionsrechtlichen Marktfreiheiten durch den Europäischen Gerichtshof (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) werden speziell grenzüberschreitend verbundene Unternehmen in die Lage versetzt, mittels Gesellschafterfremdfinanzierungen inländische Gewinne in das abkommensbegünstigte Ausland zu verlagern und andererseits ohnehin entstehenden Aufwand wie Zinsen gezielt im Inland anfallen zu lassen (Seiler in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 4h Rz 1; s. auch BTDrucks 16/4841, S. 31). Der Zweck der Zinsschranke zur Vermeidung konzerninterner Gestaltungen zur Gewinnverlagerung kommt insbesondere durch die sog. Stand-alone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG 2002 n.F./2009 n.F. zum Ausdruck, nach der Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, insoweit folgerichtig nicht von der Zinsschranke erfasst werden (Rödder, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, Beihefter zu Nr. 40, 1, 9).

32

cc) Ob die Zinsschranke --wie unter Hinweis auf das sog. objektive Nettoprinzip im Schrifttum überwiegend und auch von der Antragstellerin vertreten wird (s. z.B. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, EFG 2012, 358; Baumgärtel in Ballwieser/Grewe [Hrsg.], Wirtschaftsprüfung im Wandel, 2008, 575, 591; Beiser in Brähler/ Lösel [Hrsg.], Deutsches und internationales Steuerrecht, Gegenwart und Zukunft, Festschrift für Christiana Djanani, 2008, 3, 27; G. Förster in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2007, § 4h EStG Rz 62; Hey, Betriebs-Berater --BB-- 2007, 1303, 1305 f.; dieselbe in Festschrift Djanani, a.a.O., 109, 122 ff.; Eilers in Spindler/ Tipke/Rödder [Hrsg.], Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Harald Schaumburg, 2009, 275, 285; Goebel/ Eilinghoff, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2010, 550, 554; Gosch, DStR 2007, 1553, 1559; Gosch KStG, 2. Aufl., Exkurs § 4h EStG Rz 35 f.; Herzig/Bohn, Der Betrieb --DB-- 2007, 1, 2; Hick in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4h EStG Rz 6; Kessler/ Dietrich, DB 2010, 240; Korn in Korn, § 4h EStG Rz 21; Lenz/ Dörfler, DB 2010, 18, 19; Seer, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2007/2008, 9, 12; Schmidt/Loschelder, EStG, 30. Aufl., § 4h Rz 3; Seiler in Kirchhof, a.a.O., § 4h Rz 3 f.; Shou, Die Zinsschranke im Unternehmensteuerreformgesetz 2008, 2010, 48)-- bereits grundsätzlich verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kann im Streitfall dahinstehen. Selbst wenn dies zu verneinen wäre und die in § 8a Abs. 2 KStG 2002 n.F. angeordnete (Rück-)Ausnahme damit lediglich eine (noch) verfassungskonforme Regelungslage (nach § 4h Abs. 1 EStG 2002 n.F./2009 n.F.) wiederherstellen würde, erscheint es bei summarischer Prüfung jedenfalls fraglich, ob ausgehend vom Gesetzeszweck die Rückausnahme des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. sachlich gerechtfertigt werden kann. Durch die weite Formulierung dieser Vorschrift könnten die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Typisierung überschritten worden sein.

33

aaa) Eine gesetzliche Typisierung darf keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 224, BFH/NV 2011, 181; vom 6. April 2011  1 BvR 1765/09, BFH/NV 2011, 1277). Zudem muss sich die Typisierung am allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen (BVerfG-Beschluss vom 4. April 2001  2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310; Huster in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum GG, Art. 3 Rz 130 f.). Die ungleichen Rechtsfolgen dürfen nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Personen treffen, und die Nachteile dürfen nicht zu schwer wiegen (BVerfG-Beschlüsse vom 30. Mai 1990  1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126; vom 8. Oktober 1991  1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; Heun in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art. 3 Rz 33).

34

bbb) Auf dieser Grundlage hat der Senat Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des typisierenden § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. Es ist fraglich, ob die Vorschrift zur Vermeidung von Finanzierungsgestaltungen zwischen einer Körperschaft und ihrem Anteilseigner (BTDrucks 16/4841, S. 74 f.) erforderlich ist; aufgrund ihres weit gefassten Wortlauts hat sie einen deutlich überschießenden Anwendungsbereich.

35

Der Sinn der Ausdehnung des Tatbestandes besteht nur in der Verhinderung von Umgehungen (Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, Freiburg 2011, § 8a KStG Rz 117), die darin bestehen können, dass nicht unmittelbar der Anteilseigner oder eine ihm nahestehende Person, sondern ein Dritter (z.B. eine Bank) der Körperschaft ein Darlehen gewährt und der zu mehr als einem Viertel beteiligte Anteilseigner (oder eine diesem nahestehende Person) seinerseits gegen den Dritten oder eine sonstige Person (z.B. gegenüber einer anderen Bank) eine verzinsliche Forderung hat, auf die der Dritte zugreifen kann (sog. Back-to-back-Finanzierung; s. BTDrucks 16/5377, S. 17 f.). Auf den Fall der sog. Back-to-back-Finanzierung, der im Streitfall nicht vorliegt, ist § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. indes nicht beschränkt; eine vom Bundesrat beantragte Einschränkung des Gesetzeswortlauts ist --unter pauschalem Hinweis auf eine anderenfalls eintretende Gestaltungsanfälligkeit-- nicht Gesetz geworden (BTDrucks 16/5377, S. 17 f. und S. 27; eine einschränkende Auslegung verlangen gleichwohl G. Förster in Breithecker/Förster/Förster/Klapdor, a.a.O., § 8a KStG Rz 47; Gosch, a.a.O., § 8a Rz 53; Streck/ Schwedhelm, KStG, 7. Aufl., § 8a Rz 43; kritisch auch Mössner/ Seeger/Wienbergen/Kolbe, Körperschaftsteuergesetz, § 8a Rz 147). § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. erfasst infolgedessen auch die Fälle, in denen eine Bank ein Darlehen gewährt, hierfür aber eine Bürgschaft oder eine anderweitige Sicherheit eines Gesellschafters oder einer nahestehenden Person verlangt, obwohl es sich hierbei grundsätzlich nicht um eine auf Gewinnverlagerung gerichtete Finanzierungsgestaltung zwischen der Körperschaft und ihrem Anteilseigner handelt. Die Bürgschaft oder Sicherheit ist in der Regel allein erforderlich, damit die Gesellschaft das Darlehen erhält.

36

Damit hat § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. aber nicht nur einen überschießenden Anwendungsbereich, sondern führt gerade im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu unverhältnismäßigen Belastungswirkungen, durch die sich insbesondere die Situation insolvenzbedrohter Unternehmen weiter verschlechtert. Jenseits missbräuchlicher Gestaltungen belastet § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. gerade finanz- und ertragsschwache Unternehmen in besonderem Maße, die auf Fremdkapital angewiesen sind, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, dieses aber nur erhalten, wenn sie durch ihre Gesellschafter Sicherheiten stellen können (Schaden/Käshammer, BB 2007, 2259, 2261).

37

3. Entgegen der Auffassung des FG kann die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung im Streitfall nicht mit dem Argument verweigert werden, es fehle an einem besonderen Aussetzungs- oder Aufhebungsinteresse der Antragstellerin.

38

a) Bei der AdV von Steuerbescheiden wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften folgt im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes nach der bisher ständigen Rechtsprechung des BFH, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend machen muss. Geboten ist eine Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen (BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663; vom 7. Juli 2004 XI B 231/02, BFH/NV 2005, 178; vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Bei der Abwägung kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104; vom 19. August 1994 X B 318, 319/93, BFH/NV 1995, 143; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 9. März 2012 VII B 171/11, DStR 2012, 605, BFHE 236, 206). Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (BFH-Beschlüsse vom 9. November 1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).

39

b) Ob an diesem Erfordernis uneingeschränkt festzuhalten ist (kritisch insoweit z.B. Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, EFG 2011, 827; Gosch in Beermann/ Gosch, FGO, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, DStR 2010, 297 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 97; Specker, DStZ 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch FG Berlin-Brandenburg, Beschluss in EFG 2012, 358) bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn im Streitfall liegt ein gegenüber einem öffentlichen budgetären Interesse überwiegendes besonderes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin vor. Denn während die Zinsschranke bei summarischer Prüfung für die Antragstellerin zu einem steuerlichen Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen führt, ist die öffentliche Haushaltsführung in einem nur vergleichsweise geringen Maß betroffen.

40

aa) Zwar mag anhand der dem Senat vorliegenden Akten nicht feststellbar sein, dass die Antragstellerin durch die Anwendung der Zinsschranke bereits existenzgefährdend betroffen wird und aufgrund der Anwendbarkeit der Zinsschranke die Insolvenz droht. So hat die Antragstellerin in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 selbst ausgeführt, trotz der Zinsschranke in den Jahren 2011 und 2012 positive Ergebnisse zu erwarten. Auch die bereits eingetretene bilanzielle Überschuldung stelle wegen der im Anlagevermögen enthaltenen stillen Reserven und der von einem Anteilseigner abgegebenen Rangrücktrittserklärung kein Problem dar.

41

Gleichwohl stellt die steuerliche Belastung für sie eine erhebliche finanzielle Belastung in Höhe von immerhin 1.114.578 € (ohne Solidaritätszuschlag) dar. Ohne die Zinsschranke wäre es aufgrund der zum 31. Dezember 2007 festgestellten hohen Verlustvorträge und des im Jahre 2008 erwirtschafteten Jahresfehlbetrages, der den Verlustvortrag noch weiter erhöht hätte, im Ergebnis zu Nullfestsetzungen in allen drei Streitjahren gekommen. Gemessen an den Ergebnissen der Jahre 2008 und 2010 führt die Zinsschranke darüber hinaus zu einer Substanzbesteuerung, weil die festgesetzte Körperschaftsteuer das Ergebnis vor Steuern jeweils deutlich übersteigt. Auch im Jahre 2009 hat das FA aufgrund der Anwendbarkeit der Zinsschranke Körperschaftsteuer in einer Höhe von 71,48 % des Ergebnisses vor Steuern festgesetzt.

42

Erschwerend kommt hinzu, dass die Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht über die ausreichende Liquidität verfügt, um die Steuern zahlen zu können, zumal sie --ausgehend von dem vorgelegten Darlehensvertrag-- nicht frei über ihre Mieteinnahmen und Vorsteuererstattungen verfügen kann. Da es der Antragstellerin als vermögensverwaltender Gesellschaft kaum zumutbar ist, ihr Aktivvermögen zum Zwecke der Steuerzahlung zu verwerten, muss sie zusätzliches Fremdkapital aufnehmen. Wenn die Antragstellerin auch vorgetragen hat, voraussichtlich weitere 1,8 Mio. € von den Banken erhalten und hiermit die Steuerschulden zahlen zu können, hätte dies aber wahrscheinlich zur Folge, dass sich die Wirkungen der Zinsschranke in den Folgejahren gegenüber dem derzeitigen Zustand nur aus dem Grund verschärfen würden, weil die Antragstellerin sich die Mittel für eine Steuerzahlung durch eine Darlehensaufnahme verschaffen musste. Zudem würde es für die Antragstellerin Probleme aufwerfen, die Zinsaufwendungen für das neu aufgenommene Darlehen zahlen zu können. Da der Darlehensbetrag nicht für ein Ertrag bringendes Projekt, sondern im Wesentlichen für die Steuerzahlung eingesetzt werden würde, müsste die Antragstellerin mit den Einnahmen auch die zusätzlichen Zinsen zahlen. Die Mieteinnahmen und die Vorsteuererstattungen sind indes anderweit gebunden und stehen damit für diese Zinszahlungen nicht zur Verfügung.

43

bb) Der Senat erkennt demgegenüber nicht, dass es bei Stattgabe des Antrags --wie es das FA und das FG meinen-- zu erheblichen haushaltsmäßigen Verwerfungen kommen würde. Durch die Zinsschranke in der für die Streitzeiträume geltenden Fassung wurden Mehreinnahmen in Höhe von 697,5 Mio. € p.a. erwartet (vgl. Bach/Buslei, Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 17/2009, 283 ff.), die im Vergleich zu dem Gesamtsteueraufkommen von geschätzten 229,2 Mrd. € im Jahre 2011 bzw. 247,4 Mrd. € im Jahre 2012 (vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de) vergleichsweise gering sind (0,30 % des gesamten Steueraufkommens 2011 bzw. 0,28 % des gesamten Steueraufkommens 2012). Die Stattgabe des Antrags führt darüber hinaus auch nicht zu einem (vorübergehenden) Ausfall des Gesamtbetrags, sondern nur zum Ausfall eines Bruchteils. Zum einen stützt der Senat seine Entscheidung auf verfassungsrechtliche Zweifel an der Rückausnahme des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. und stellt hierdurch nur einen Teil der Zinsschranke in Frage, der nur einen engen Kreis der von der Zinsschranke belasteten Steuerpflichtigen betreffen wird. Zum anderen führt die Entscheidung des Senats --anders als eine Entscheidung des BVerfG-- nicht zu einer automatischen Anwendungssperre des Gesetzes in allen von ihm betroffenen Fällen; die Entscheidung führt unmittelbar nur zu einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung im konkreten Streitfall (vgl. Seer, DStR 2012, 325, 328). Sie hat allenfalls insoweit mittelbar Breitenwirkung, als in einem vergleichbaren Fall im Rahmen einer Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalls das Aussetzungsinteresse das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung überwiegt.

44

cc) Gegen eine Gewährung der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung spricht im Rahmen der Abwägung schließlich nicht, dass nach Auffassung des II. Senats des BFH im AdV-Verfahren regelmäßig keine weiter gehende Entscheidung getroffen werden kann, als vom BVerfG zu erwarten ist (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, BFHE 232, 380, BStBl II 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395). Sei zu erwarten, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG ausspreche und dem Gesetzgeber nur eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgebe, könne keine AdV gewährt werden (BFH-Beschluss in BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807).

45

Auch ob dieser Spruchpraxis zu folgen ist, kann im Streitfall dahinstehen (grundsätzlich ablehnend Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rz 180.1; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; derselbe, DStR 2012, 325, 328 f.). Es ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG dem Gesetzgeber nur einen Regelungsauftrag für die Zukunft erteilen wird, überdies soll eine pro-futuro-Wirkung nur die Ausnahme darstellen; auch dürfen bei der Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit Art. 3 Abs. 1 GG Gerichte und Verwaltungsbehörden die Norm grundsätzlich nicht mehr anwenden (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618).

46

4. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 kann aus prozessrechtlichen Gründen nur in Höhe von 69.112 €, nicht aber in Höhe der gesamten Steuerfestsetzung, ausgesetzt werden.

47

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO ist die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung bei Steuerbescheiden auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

48

a) Hiernach sind nur 69.112 € der für 2010 festgesetzten Körperschaftsteuer von der Vollziehung auszusetzen, weil das FA Körperschaftsteuer in Höhe von 586.681 € festgesetzt hat und hierauf zum einen die Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.366 € anzurechnen und zum anderen die festgesetzten Vorauszahlungen in Höhe von 516.203 € abzuziehen sind.

49

b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die für 2010 festgesetzte Körperschaftsteuer nicht ausnahmsweise in vollem Umfang von der Vollziehung auszusetzen, weil dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

50

aa) Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen (Senatsbeschluss vom 2. November 1999 I B 49/99, BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57, m.w.N.). Diese Beschränkung ist mit dem GG vereinbar und nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren (BFH-Beschluss vom 24. Januar 2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559). Wesentliche Nachteile i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO sind dann gegeben, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sein würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. November 2001 V B 100/01, BFH/NV 2002, 519; vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Darüber hinaus gewährleistet § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO aufgrund des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes, dass wegen wesentlicher Nachteile zugunsten des Bürgers von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden kann, wenn ein unabweisbares Interesse dies gebietet (Senatsbeschluss in BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57; s. auch BVerfG-Beschluss vom 7. Dezember 1977  2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77, 2 BvF 4/77, 2 BvF 5/77, BVerfGE 46, 337), um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. August 2002 1 BvR 1790/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3691; vom 16. Mai 1995  1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1; vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69). Allein bei einem Überwiegen der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erscheint eine Aufhebung der Vollziehung zur Vermeidung wesentlicher Nachteile hingegen nicht nötig (Senatsbeschluss in BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 519). Dies gilt auch im Falle von (schwerwiegenden) Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Steuerrechtsvorschriften (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache können jedoch zur Bejahung wesentlicher Nachteile führen, wenn die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptsacheverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367) oder wenn bei Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm die Dringlichkeit, ihren Vollzug einstweilen auszusetzen, besonders deutlich wird (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 13. November 1957  1 BvR 78/56, BVerfGE 7, 175; BVerfG-Beschluss vom 17. November 1966  1 BvR 52/66, BVerfGE 20, 363, 364). In einem derartigen Fall sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache für das Vorliegen wesentlicher Nachteile in weitem Umfang vorgreiflich (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367).

51

bb) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen führt die Vollziehung im Streitfall nicht zu wesentlichen Nachteilen, die eine AdV in vollem Umfang gebieten würden.

52

Die wirtschaftliche und persönliche Existenz der Antragstellerin ist durch die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 nicht unmittelbar und ausschließlich gefährdet. Wie die Antragstellerin vorgetragen hat, erhält sie voraussichtlich einen weiteren Kredit in Höhe von 1,8 Mio. €, der auch zur Zahlung noch offener Steuerschulden verwandt werden könne. Allein der Umstand, dass Steuerpflichtige nicht über die von ihnen verlangten Mittel verfügen und Zahlungen im Wege der Kreditaufnahme finanzieren müssen, ist kein wesentlicher Nachteil i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 519).

53

Es besteht aber auch im Übrigen kein unabweisbares Interesse der Antragstellerin, das eine AdV in Höhe der gesamten Steuerfestsetzung verlangt. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Senat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F. hat; eine von dem Senat abweichende Beurteilung durch das BVerfG ist nicht zweifelsfrei auszuschließen.

54

Weitere Umstände, die die Dringlichkeit, den Vollzug des Steuerbescheides auszusetzen, besonders deutlich werden lassen, sind schließlich weder von der Antragstellerin substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht worden noch anhand der dem Senat vorliegenden Unterlagen erkennbar.

55

5. Die AdV ist im Streitfall ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu gewähren.

56

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO ist im Grundsatz dann geboten, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Es ist hierbei zunächst einmal Sache des FA, die für die Gefährdung der Forderung sprechenden konkreten Anhaltspunkte vorzutragen und glaubhaft zu machen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809; vom 10. Oktober 2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).

57

Im Streitfall ist nicht vorgetragen worden und für den Senat anhand der vorliegenden Akten auch nicht erkennbar, dass die spätere Durchsetzung der Steuerforderungen gefährdet oder erschwert werden könnte. Die Antragstellerin ist vielmehr Eigentümerin eines Grundstücks, in dem stille Reserven in Höhe von … Mio. € enthalten sind. Allein durch die Möglichkeit, dieses Grundstück verwerten zu können, erscheint die Steuerzahlung in ausreichendem Maße gesichert.

58

6. Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde auch die AdV der Bescheide über die Solidaritätszuschläge begehrt, ist die Beschwerde unbegründet. Das FG hat den Antrag insoweit im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Antrag insoweit unzulässig ist. An einer AdV dieser Bescheide besteht kein schutzwürdiges Interesse.

59

In ständiger Rechtsprechung verneint der BFH das schutzwürdige Interesse an einer AdV, wenn die Aussetzung eines Folgebescheides begehrt wird, obwohl ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist und deshalb mit Rücksicht auf die gemäß § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO vorzunehmende Folgeaussetzung nur die Aussetzung des Grundlagenbescheides beantragt werden kann (BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300; vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379). Die AdV des Grundlagenbescheides begründet eine Verpflichtung der für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Behörde, die Vollziehung dieses Bescheides auszusetzen (BFH-Beschluss vom 25. April 1977 IV S 3/77, BFHE 122, 18, BStBl II 1977, 612).

60

Hiervon ausgehend besteht im Streitfall kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen AdV der betreffenden Bescheide, weil sie Folgebescheide der Körperschaftsteuerbescheide sind (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2011 I R 2/10, BFHE 233, 251, BStBl II 2011, 761; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss in EFG 2012, 358). Indem die Antragstellerin vorträgt, die Zinsschranke sei verfassungswidrig, wendet sie sich gegen die Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer, die die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag darstellt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Satz 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995). Spezifische Einwendungen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 5. Dezember 1966 --DBA-Spanien-- (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) in Deutschland besteuert werden dürfen.

2

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie waren bis zum Streitjahr an der X beteiligt, einer spanischen Gesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S.C.), deren Struktur der einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Persönlich haftende Gesellschafterin der X war die Y, eine ebenfalls spanische Gesellschaft in der Rechtsform der Sociedad Anónima (S.A.), die mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die Antragsteller zählten zu den Gesellschaftern der Y und hielten ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der X.

3

Das Gesellschaftsvermögen der X bestand im Wesentlichen aus einem Hotelbetrieb in Spanien, der auf Grund eines von Y eingeräumten Erbbaurechts errichtet worden und ganz überwiegend verpachtet war. X selbst betrieb in der Hotelanlage eine Boutique; zudem überwachte sie mit der Bewirtschaftung, Unterhaltung und Instandsetzung des Hotelgebäudes beschäftigte Personen. Ob die Geschäftsleitung der Gesellschaften in der Hotelanlage oder im Inland ausgeübt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach dem Vortrag des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) hat Y in Spanien Steuererklärungen abgegeben, ausweislich derer sie keine Aktivitäten entfaltet hat.

4

Im Streitjahr veräußerten die Antragsteller ihre Anteile an X und Y. In der für X abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei erklärt. Dem folgte das FA im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nicht; es stellte in Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn fest. Über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden.

5

Die Antragsteller beantragten, nachdem das FA zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheids im Hinblick auf die Veräußerungsgewinne. Das FG lehnte diesen Antrag ab (Beschluss vom 2. November 2009  6 V 2234/09). Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragsteller.

6

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf in mehrfacher Hinsicht weiterer Sachaufklärung, dies vor allem dazu, ob es sich bei den veräußerten Beteiligungen an der X als auch der Anteile an der Y tatsächlich um Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der Antragsteller handelte oder aber, ob die Beteiligungen in deren Privatvermögen gehalten wurden, weil die X im Streitjahr einer lediglich vermögensverwaltenden Tätigkeit nachging. Davon kann im Ausgangspunkt die Antwort auf die Frage abhängen, ob Deutschland oder aber Spanien das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zusteht. Davon hängt es wiederum maßgeblich ab, ob die in Rede stehenden Einkünfte nach dem DBA-Spanien in Deutschland besteuert werden dürfen und ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist.

8

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.).

9

Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).

10

2. Die Beteiligten gehen im Streitfall übereinstimmend davon aus, dass die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Antragsteller sowohl durch die Veräußerung ihrer Beteiligungen an der X als auch durch die Veräußerung der Anteile an der Y Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) erzielt haben. Diese Annahme einer Gewerblichkeit wird zwar nicht abschließend durch Tatsachen und eine dahingehende Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG 2002 gestützt. Sie steht aber in Einklang damit, dass es sich nach Aktenlage bei der X um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 gehandelt hat. Dass Y eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts ist, hindert die gewerbliche Prägung der X nicht, da diese auch durch eine ausländische Kapitalgesellschaft vermittelt werden kann (BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 15/05, BFHE 217, 438, BStBl II 2007, 924).

11

3. Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Besteuerung befreit sind. Eine abschließende Entscheidung bedarf jedoch weiterer Sachaufklärung und muss dem FG vorbehalten bleiben.

12

a) Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien werden bei einer in Deutschland (nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien) ansässigen Person u.a. die Einkünfte aus Quellen innerhalb Spaniens ausgenommen, die nach dem DBA-Spanien in Spanien besteuert werden können. Das gilt nicht für Einkünfte, auf die Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien anzuwenden ist. Es gilt ferner nur mit Einschränkungen für Dividenden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Spanien).

13

b) Ob die in Rede stehenden Einkünfte i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien "in Spanien besteuert werden können", ist ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Der entgegenstehenden Ansicht des FG pflichtet der Senat nicht bei.

14

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Ferner können nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte darstellt, die ein Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat, sowie derartige Gewinne aus der Veräußerung einer solchen Betriebstätte in dem anderen Staat besteuert werden. Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien, der das alleinige Besteuerungsrecht demgegenüber demjenigen Vertragstaat zuweist, in dem der Veräußerer ansässig ist, betrifft nur die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen, das nicht in den Abs. 1 und 2 der Vorschrift genannt ist. Die in Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien getroffenen Regelungen gehen daher der Regelung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien vor.

15

bb) Der Anwendungsvorrang von Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien setzt allerdings (zunächst und unbeschadet der nachfolgend anzustellenden Erwägungen) voraus, dass es sich bei den betreffenden Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Vermögens nicht nur aus innerstaatlicher, sondern auch aus abkommensrechtlicher Sicht um die Veräußerung von Betriebsvermögen handelt. Daran mangelt es bereits im Ausgangspunkt, wenn aus Abkommenssicht (bewegliches) Privatvermögen veräußert wird. Unter den im Streitfall in Rede stehenden Gegebenheiten ist Letzteres jedenfalls dann zu bejahen, sollte die X tatsächlich lediglich vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen sein. Davon gehen die Beteiligten zwar nicht aus (s. unter II.2.), es ist indes nach Aktenlage nicht von vornherein auszuschließen. Dass es sich nach Lage der Dinge bei der X nach den Maßstäben des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 um eine --durch die Y-- gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt, schlösse eine bloße Vermögensverwaltung der X nicht aus; die innerstaatliche Gewerbeprägung schlägt auf die Abkommensrechtslage nicht durch. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076 Tz. 1.1.5.1, jetzt BMF-Schreiben vom 16. April 2010, BStBl I 2010, 354 Tz. 4.2.1) ist insoweit nicht beizupflichten. Im Einzelnen verweist der Senat dazu auf sein Urteil vom 28. April 2010 I R 81/09 (BFHE 229, 252). Es ist Sache des FG, die tatsächlichen Verhältnisse weiter aufzuklären. Ggf. sind jene Gewinnanteile, welche auf die Veräußerung unbeweglichen und in Spanien belegenen Vermögens herrühren, anteilig zu ermitteln. Ansonsten gebührt das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien von vornherein Deutschland.

16

cc) Sollte sich hiernach jedoch bestätigen, dass die X unbeschadet der besagten innerstaatlichen Gewerbeprägung tatsächlich gewerblich tätig war, ist weiter zu prüfen, ob Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien der Besteuerungszuweisung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien aus anderen Gründen vorgeht. Das FG hat das verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Veräußerung auf Anteile an der X bezogen habe und dass X eine Personengesellschaft gewesen sei, die --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- nach spanischem Steuerrecht wie eine juristische Person behandelt wurde. Die Veräußerung von Anteilen an einer solchen nach spanischem Recht "intransparenten" Personengesellschaft unterfalle stets Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Diese Ansicht wird zwar von der deutschen Finanzverwaltung vertreten (BMF-Schreiben vom 28. Mai 1998, BStBl I 1998, 557, zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 354 Tz. 4.2.1 i.V.m. Tz. 4.1.3.3.2) und findet auch im Schrifttum Gefolgschaft (z.B. Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23 Spanien Rz 15). Sie ist aber nicht unbestritten (a.A. z.B. FG Hamburg, Urteil vom 22. August 2006  7 K 139/03, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 101; Lüdemann/Hruschka, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2000, 25, 27) und bei summarischer Betrachtung nicht zweifelsfrei zutreffend.

17

Denn Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Spanien greift im Streitfall nur dann nicht ein, wenn X den Antragstellern weder unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Spanien noch eine in Spanien belegene Betriebstätte vermittelt hat. Letzteres hat das FG mit der Begründung angenommen, dass sowohl ein vorhandenes unbewegliches Vermögen als auch eine etwa in der Hotelanlage belegene Betriebstätte abkommensrechtlich nicht den Antragstellern, sondern der X zuzuordnen sei. Diese sei selbst "Person" i.S. des Art. 1 DBA-Spanien und als solche abkommensberechtigt, so dass die Veräußerung der Anteile an der X wie eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Diese Beurteilung begegnet ernstlichen Zweifeln, da die Einstufung der X als "Person" von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien abhängt und diese Vorschrift in dem hier maßgeblichen Punkt nicht eindeutig ist.

18

aaa) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien umfasst der Begriff "Person" natürliche Personen und Gesellschaften. Als "Gesellschaft" bezeichnet das DBA-Spanien eine juristische Person oder einen anderen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien). Diese Definitionen sind für die Auslegung des DBA-Spanien bindend. Streitig ist aber, ob bei der Frage nach dem Vorliegen einer "juristischen Person" oder eines "wie eine juristische Person besteuerten Rechtsträgers" für Zwecke der deutschen Besteuerung stets auf das deutsche Recht (so z.B. Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263 zum Abkommen mit den USA; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 18; Gaffron in Haase, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 MA Rz 25; Rosenthal, IStR 2007, 610, 611; ebenso wohl FG Hamburg, Urteil in EFG 2007, 101; Suchanek, IStR 2007, 654, 655 f.) oder ggf. auf das Recht des anderen Vertragstaates abzustellen ist (so. z.B. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 13 Rz 83; Wilke in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 3 OECD-MA Rz 14; Strunk/Kaminski in Strunk/ Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 OECD-MA Rz 15; vgl. auch Schaumburg, IStR, 2. Aufl., Rz 16.171, m.w.N.). Zur Auslegung des --insoweit mit Art. 3 DBA-Spanien vergleichbaren-- Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) folgt der dazu ergangene einschlägige Kommentar (OECD-MustKomm) der zuletzt genannten Ansicht (OECD-MustKomm Nr. 3 zu Art. 3). Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen. Der Senat hält jedoch angesichts des Umstands, dass Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien zur Auslegung von im Abkommen nicht definierten Ausdrücken, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, auf das Recht des Rechtsanwenderstaates verweist, die erstgenannte Deutung (auch) im Hinblick auf dieses Abkommen für nicht von vornherein fernliegend.

19

bbb) Dagegen spricht nicht, dass Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Spanien die von einer sociedad de personas --also einer spanischen Personengesellschaft-- an ihre Gesellschafter ausgeschütteten Gewinne den Dividenden zuordnet. Darin kommt zwar zum Ausdruck, dass das Abkommensrecht sich insoweit an der Behandlung jener Gesellschaften im spanischen Steuerrecht orientiert. Es ist aber offen, ob diese Regelung klarstellender Natur ist oder ob sie im Gegenteil von der Annahme ausgeht, dass ohne eine solche Sonderbestimmung die dort behandelten Ausschüttungen in Deutschland --dem System des deutschen Einkommensteuerrechts entsprechend-- als Entnahmen und folglich nicht als Dividenden zu behandeln wären. Letzterenfalls könnte die Vorschrift sogar als Beleg dafür herangezogen werden, dass für Zwecke der Besteuerung in Deutschland die Frage der "Besteuerung wie eine juristische Person" i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten, eine spanische Personengesellschaft also unabhängig von ihrer steuerrechtlichen Behandlung in Spanien nicht als "Gesellschaft" anzusehen ist. Daher muss diese Frage bei summarischer Prüfung als offen angesehen werden.

20

dd) Richtet sich im Streitfall die abkommensrechtliche Behandlung nach den Maßstäben des deutschen Steuerrechts, so ist im Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 DBA-Spanien maßgeblich, dass in Deutschland Personengesellschaften nicht nach den für juristische Personen geltenden Regeln besteuert werden.

21

Das deutsche Recht geht vielmehr davon aus, dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte stets deren Gesellschaftern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern sind. Das hat abkommensrechtlich zur Folge, dass sowohl ein von einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen als auch die Betriebstätten eines solchen Unternehmens unmittelbar den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet werden (vgl. Senatsurteile vom 18. Dezember 2002 I R 92/01, BFHE 201, 447; vom 17. Oktober 2007 I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953; in BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263, m.w.N.).

22

Daraus würde zunächst folgen, dass das von X betriebene Unternehmen für die Beurteilung des Streitfalls als deutsches Unternehmen i.S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien anzusehen wäre. Denn dann wären die in Rede stehenden Gewinne aus abkommensrechtlicher Sicht von einem Unternehmen erzielt worden, das von den im Inland ansässigen Antragstellern betrieben wurde, und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien richtet sich die territoriale Zuordnung eines Unternehmens nach der Ansässigkeit der das Unternehmen betreibenden Person. Das Besteuerungsrecht Spaniens hinge dann davon ab, ob und inwieweit die veräußerten Anteile an der X entweder in Spanien belegenes unbewegliches Vermögen (Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien) oder Betriebsvermögen einer in Spanien unterhaltenen Betriebstätte (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien) verkörperten. Das kann im summarischen Verfahren wiederum nicht abschließend beurteilt werden.

23

aaa) Zunächst ist aufklärungsbedürftig, inwieweit der bei der Veräußerung der Anteile erzielte Kaufpreis auf den Wert eines in Spanien belegenen unbeweglichen Vermögens entfällt. Das unbewegliche Vermögen der X bestand nach Aktenlage ursprünglich in einem von Y eingeräumten Erbbaurecht. Dieses Erbbaurecht war aber im Jahre 1988 bestellt und dabei auf 15 Jahre befristet worden; es könnte daher im Zeitpunkt der Veräußerung abgelaufen gewesen sein oder zumindest kurz vor dem Ablauf gestanden haben. Das wiederum lässt unklar erscheinen, ob die Anteile an der X im Zeitpunkt ihrer Veräußerung unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien repräsentiert haben. Dies aber wäre Voraussetzung dafür, dass die Veräußerung als "Veräußerung unbeweglichen Vermögens" i.S. jener Vorschrift angesehen werden könnte.

24

bbb) In Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien ist zwischen den Beteiligten streitig, ob im Zusammenhang mit dem Betrieb der X in Spanien eine Betriebstätte unterhalten worden ist, der ein veräußertes bewegliches Vermögen zugeordnet werden könnte. Insoweit hat das FA zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die von X errichtete Hotelanlage verpachtet war und dass ein verpachteter Betrieb regelmäßig nicht als Betriebstätte des Verpächters angesehen werden kann (Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, m.w.N.). Ferner ist dem FA dahin zu folgen, dass bei summarischer Beurteilung zwar die von X in der Hotelanlage betriebene Boutique aus abkommensrechtlicher Sicht eine Betriebstätte der Antragsteller darstellte, dieser Betriebstätte aber zweifelsfrei nicht das gesamte Vermögen der X zuzurechnen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich in der verpachteten Anlage eine weitere den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand und dass die veräußerten beweglichen Vermögenswerte dieser Betriebstätte als "Betriebsvermögen" i.S. des Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien zuzuordnen sind.

25

aaaa) Der Begriff "Betriebstätte" wird für Zwecke des DBA-Spanien in Art. 5 DBA-Spanien definiert. Danach umfasst er u.a. einen Ort der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien). Dieser liegt dort, wo eine das Unternehmen leitende Person Leitungsaufgaben wahrnimmt und in diesem Zusammenhang Entscheidungen von einigem Gewicht trifft (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 MA Rz 67). Im Streitfall ist in tatsächlicher Hinsicht unklar, ob sich in Spanien ein solcher Ort befunden hat.

26

Die Antragsteller haben dazu vorgetragen, dass in der Hotelanlage ein der X vorbehaltenes Büro vorhanden war und dass dieses Büro für Zwecke der Leitung der X genutzt wurde. Sie haben ferner behauptet, dass der Antragsteller und ein weiterer Gesellschafter der X anstehende Entscheidungen im Zusammenhang mit der Hotelanlage stets vor Ort getroffen haben. Das FA hat diese Angabe zwar in Zweifel gezogen. Die insoweit maßgeblichen Umstände können aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht näher aufgeklärt werden. Zudem hat das FG ausdrücklich unterstellt, dass sich in Spanien eine den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand; dem Gesamtzusammenhang seiner Entscheidung ist zu entnehmen, dass es damit nicht die von X betriebene Boutique, sondern einen Leitungsort gemeint hat. Daher geht der Senat im vorliegenden Verfahren davon aus, dass in Spanien ein solcher Leitungsort vorhanden war. Ob die genannten Angaben der Antragsteller zutreffen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb der X ggf. in Spanien wahrgenommen wurden und was daraus für die Zuordnung des Betriebsvermögens folgt, wird im Verfahren zur Hauptsache aufgeklärt und entschieden werden müssen.

27

bbbb) Im Streitfall ist daher zu Gunsten der Antragsteller davon auszugehen, dass der hier angenommene Betrieb der X insgesamt in Spanien geleitet worden ist und dass sich außerhalb Spaniens keine weitere Betriebstätte der X befunden hat. Unter dieser Voraussetzung liegt einerseits die Annahme nahe, dass das gesamte Betriebsvermögen der X abkommensrechtlich einer in Spanien belegenen Betriebstätte der Antragsteller zuzuordnen ist. Das würde wiederum dazu führen, dass der Gewinn aus der Veräußerung des beweglichen Betriebsvermögens gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien insgesamt in Spanien besteuert werden dürfte.

28

c) Eine sich daraus ergebende Befreiung des Gewinns von der deutschen Steuer (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien) würde nicht notwendig durch Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien ausgeschlossen oder beschränkt. Zum einen bezieht sich Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien lediglich auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und aus diesem Vermögen selbst und damit auf Einkünfte gemäß Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien, Veräußerungsgewinne gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien werden hingegen nicht in Bezug genommen (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1982 I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768; FG Münster, Urteil vom 16. Februar 2009  9 K 463/04 K,F, EFG 2009, 1222; Herlinghaus in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 23 Spanien Rz 25; Suchanek, IStR 2007, 654, 657; Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rz 7.73; Mensching/Tyarks, daselbst, Rz 10.14; anders Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt, Verfügung vom 15. März 2001, Betriebs-Berater 2001, 869; OFD Münster, Verfügung vom 29. November 1999, Deutsches Steuerrecht 2000, 522). Zum anderen nimmt die Vorschrift unbewegliches Vermögen, das zu einer in Spanien gelegenen Betriebstätte gehört, von der dort vorgesehenen Steueranrechnung aus; soweit es um in Spanien zu besteuernde Betriebstätteneinkünfte geht, bleibt es mithin auch im Bereich des unbeweglichen Vermögens bei der Steuerbefreiung nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien. Um solche Einkünfte würde es indessen im Streitfall zumindest dann gehen, wenn sich in Spanien die einzige Betriebstätte der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Betrieb der X befunden hätte.

29

4. Im Ergebnis geht der Senat mithin davon aus, dass die von den Antragstellern erzielten Veräußerungsgewinne möglicherweise nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Steuer freizustellen sind. Vorausgesetzt, die X war eigengewerblich und nicht lediglich vermögensverwaltend tätig, rechtfertigt das die beantragte AdV. Dem steht § 50d Abs. 9 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007), BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28 --EStG 2002 n.F.-- nicht entgegen.

30

a) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. wird eine in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehene Steuerbefreiung nicht gewährt, wenn der andere Vertragstaat das Abkommen so anwendet, dass die in diesem Staat erzielten Einkünfte von der dortigen Besteuerung auszunehmen sind. Diese Situation liegt im Streitfall vor. Denn da das spanische Steuerrecht Personengesellschaften nach Art der X wie Kapitalgesellschaften behandelt, unterliegen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer solchen Gesellschaft aus der Sicht Spaniens grundsätzlich Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Anderes gilt allenfalls dann, wenn die Anteile ihrerseits zu einer in Spanien belegenen Betriebstätte eines weiteren Unternehmens gehören; um einen solchen Sachverhalt geht es im Streitfall nicht. In der hier gegebenen Situation weist das DBA-Spanien deshalb nach dem Verständnis Spaniens das Besteuerungsrecht ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland zu. Dem entsprechend sind denn auch im Streitfall die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X in Spanien nicht besteuert worden. Das FA macht deshalb zu Recht geltend, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. genannte Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist.

31

b) Indessen ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. erst durch das Jahressteuergesetz 2007 geschaffen worden. Dieses Gesetz ist am 14. Dezember 2006 --und damit nach dem Ende des Streitjahres-- in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 1 JStG 2007). Nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. zwar für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob die hiernach vorgesehene Anwendung der Neuregelung auf den Streitfall mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

32

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Insbesondere ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war (BVerfG-Entscheidung vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261). Das gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsänderungen im Bereich der DBA (BVerfG-Beschlüsse vom 10. März 1971  2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628).

33

bb) § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. entfaltet, soweit er eine Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG 2002 n.F. für das Streitjahr anordnet, möglicherweise eine "echte" Rückwirkung in diesem Sinne. Diese könnte darin bestehen, dass die Regelung mit Wirkung für abgelaufene Veranlagungszeiträume eine Steuerbefreiung ausschließt, die sich vor ihrer Geltung u.a. aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien ergab.

34

aaa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber allerdings angenommen, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. getroffene Regelung klarstellender Natur sei (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/2712, S. 61). Er ist mithin davon ausgegangen, dass jene Regelung nur verdeutliche, was ohnehin aus den einzelnen DBA abzuleiten sei. Dies entspricht dem Verständnis des OECD-Musterkommentars, der die in den DBA verwendete Formulierung "nach diesem Abkommen besteuert werden können" nicht allein auf die Auslegung des jeweiligen Abkommens durch den Rechtsanwenderstaat bezieht, sondern darüber hinaus die Sicht des jeweils anderen Vertragstaates berücksichtigt (OECD-MustKomm Nr. 32.1 ff. zu Art. 23). Nach diesem Regelungsverständnis soll namentlich dann, wenn beide Vertragstaaten einen bestimmten Abkommensbegriff auf Grund unterschiedlicher systematischer Vorverständnisse unterschiedlich auslegen und deshalb im Ausgangspunkt sich keiner von beiden für steuerberechtigt hält ("negativer Qualifikationskonflikt"), der betreffende Vorgang nicht "nach dem Abkommen besteuert werden können" und mithin eine an diese Voraussetzung geknüpfte Steuerbefreiung ausscheiden (OECD-MustKomm Nr. 32.6 zu Art. 23). Folgt man dem, so stellt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. nur die unmittelbar in den entsprechenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verankerte Rechtslage klar (so z.B. Vogel, IStR 2007, 225, 228; Thiel in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 1023). Das gilt auch im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien.

35

bbb) Eine solche Sicht der Dinge begegnet indessen bei summarischer Betrachtung ernstlichen Zweifeln. Denn in der Zeit vor der Geltung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. sind Rechtsprechung und Schrifttum stets davon ausgegangen, dass eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung regelmäßig auch dann eingreift, wenn die in Deutschland freigestellten Einkünfte im anderen Vertragstaat nicht besteuert werden. Es sollte insoweit ein "Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung" gelten (Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319; vom 17. Dezember 2003 I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260; Schaumburg, a.a.O., Rz 16.534). Vor diesem Hintergrund stellt sich nunmehr die Frage, ob dieser Grundsatz u.a. die hier in Rede stehende Situation des (negativen) Qualifikationskonflikts erfasst oder ob er nur dann eingreift, wenn der andere Vertragstaat aus anderen als abkommensrechtlichen Gründen von einer Besteuerung absieht. Nimmt man ersteres an, so führt die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. getroffene Anwendungsregelung zu einer "echten" Rückwirkung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F.

36

Im Schrifttum ist die damit angesprochene Frage streitig. Das u.a. im OECD-Musterkommentar vertretene Verständnis des Ausdrucks "nach diesem Abkommen besteuert werden können" wird von zahlreichen Stimmen angezweifelt (z.B. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 235 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 50d Rz 41; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 1 MA Rz 28g; M. Lang, IStR 2007, 606, 608; vgl. auch ders., IStR 2010, 114). Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass die im Jahr 2000 veröffentlichte Passage des OECD-Musterkommentars (Nr. 32.6 zu Art. 23 OECD-MustAbk) jedenfalls nicht für die "dynamische" Auslegung von schon zuvor in Kraft getretenen DBA maßgeblich sei (z.B. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 23A MA Rz 46; ders., IStR 2007, 413, 414; Gosch in Schaumburg/Piltz [Hrsg.], Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 103, 117; ders. in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 41). Vor diesem Hintergrund ist die Annahme verbreitet, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. getroffene Regelung rechtsändernd wirke (so z.B. Suchanek/Herbst, Finanz-Rundschau 2006, 1112, 1118; Rosenthal, IStR 2007, 610, 612; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 40; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG Rz 33; zweifelnd auch Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 50d Rz 56) und eine rückwirkende Anwendung daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig sei (Gosch, IStR 2008, 413, 416).

37

ccc) Unabhängig davon ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ernstlich zu bezweifeln, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nicht nur durch Art. 20 Abs. 3 GG, sondern auch durch den prinzipiellen Vorrang des Völkervertragsrechts vor "einfachem" Recht zu verlangen sind, uneingeschränkt gerecht wird. Denn aufgrund des vorstehend unter II.4.b bb aaa beschriebenen Abkommensverständnisses spricht manches dafür, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. unilateral und konstitutiv die mit Spanien in Art. 23 Abs. 1 DBA-Spanien vereinbarte Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mittels "virtueller" Freistellung (als sog. treaty override) "überschreibt". Das mag prinzipiell in Einklang damit stehen, dass sowohl das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung infolge dessen Transformation in nationales Recht (vgl. im Hinblick auf das DBA-Spanien: Zustimmungsgesetz vom 16. Januar 1968, BGBl II 1968, 9) als auch das Einkommensteuergesetz in der Normenhierarchie gleichrangig auf derselben Stufe stehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Juli 1994 I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129). Es fragt sich indessen, ob nicht gleichwohl abkommensrechtlich und verfassungsrechtlich durchschlagende Gründe dafür ersichtlich sein müssen, die die Durchbrechung der völkerrechtlich verbindlich getroffenen Vereinbarungen (Art. 59 Abs. 2 GG) erzwingen und (ausnahmsweise) rechtfertigen können (vgl. jeweils m.w.N. z.B. Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Einl. Rz 193 ff.; Gosch, IStR 2008, 413).

38

ddd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. kann im summarischen Verfahren nicht abschließend vorgenommen werden. Gegen einen lediglich klarstellenden Charakter der Vorschrift könnte u.a. sprechen, dass die für die Steuerfreistellung maßgebliche Regelung im OECD-Musterabkommen im Jahr 2000 um eine ausdrückliche Bestimmung (Art. 23A Abs. 4 OECD-MustAbk) ergänzt worden ist, die inhaltlich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. entspricht; das könnte darauf hindeuten, dass es nach den allgemeinen Grundsätzen der Abkommensauslegung einer solchen positiven Bestimmung bedarf, wenn ein negativer Qualifikationskonflikt zu einem ansonsten nicht bestehenden Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates führen soll. Nicht zuletzt deshalb sind die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. so gewichtig, dass deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit ernstlich zweifelhaft erscheint. Damit erscheint gleichermaßen zweifelhaft, ob diese Vorschrift im Streitfall berücksichtigt werden kann. Sie kann daher die aus abkommensrechtlichen Gründen gebotene AdV nicht hindern; nach den Umständen des Einzelfalles kommt dem Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zu (vgl. zu diesem Abwägungsmaßstab zuletzt BFH, Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033 --zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt--, m.w.N.).

39

5. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Y. Denn nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass erstens die Antragsteller nicht nur an X, sondern auch an Y beteiligt waren und dass zweitens Y sich auf die Leitung der X beschränkt und keinen eigenen operativen Geschäftsbetrieb unterhalten hat. Bei einem solchen Sachverhalt gehören nach deutschem Steuerrecht die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (Y) zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Personengesellschaft (X). Das wiederum hat nach der Rechtsprechung des Senats zur Folge, dass die Beteiligung abkommensrechtlich einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebstätte des Gesellschafters zuzurechnen ist (Senatsurteil vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 13 OECD-MA Rz 80, jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz muss möglicherweise auch im Streitfall gelten. Daraus würde wiederum folgen, dass die Anteile der Antragsteller an der Y einer in Spanien belegenen Betriebstätte zuzuordnen sind und die Gewinne aus ihrer Veräußerung daher gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien in Deutschland nicht besteuert werden dürfen. Bis zur abschließenden Klärung dieser Frage ist auch insoweit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids als ernstlich zweifelhaft anzusehen und deshalb seine Vollziehung auszusetzen.

40

Auch insoweit muss der Sachverhalt --vorausgesetzt, X ist tatsächlich einer gewerblichen Betätigung nachgegangen-- weiter aufgeklärt werden. Andernfalls greift abermals die Besteuerungszuordnung des Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien.

41

6. Der Beschluss der Vorinstanz, die verschiedentlich abweichende Rechtsauffassungen vertreten hat, ist aufzuheben. Es bedarf für eine abschließende Entscheidung aus den ausgeführten Gründen umfangreicher weiterer Sachaufklärung, insbesondere zu der vorrangig zu prüfenden Frage danach, ob die X tatsächlich gewerblich oder aber nur vermögensverwaltend tätig war. Davon hängt die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schon im weichenstellenden Ausgangspunkt ab. Der Senat hält es angesichts dessen für sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung im Verfahren auf AdV s. z.B. Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 309; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz 998 ff., jeweils m.w.N.).

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, betreibt als Franchisenehmer einer Fast-Food-Kette mehrere Schnellrestaurants. Sie lieferte ihre Produkte --Speisen und Getränke-- sowohl zum Verzehr innerhalb der Restaurants, als auch zum Verzehr außer Haus. Dabei lieferte sie auch sog. "Sparmenüs", bei denen es sich um Produktzusammenstellungen handelte, die neben Speisen wie Sandwiches und Pommes frites auch Getränke in verschiedenen Größen umfassten. Hierfür hatte der Kunde einen Pauschalpreis zu entrichten, der unter der Summe der Einzelveräußerungspreise der Menübestandteile lag. Für den Kunden war keine Aufschlüsselung der auf die einzelnen Bestandteile des Menüs entfallenen Preise erkennbar. Lediglich aus dem Kassenzettel war für den Kunden ersichtlich, dass ein Bestandteil des Pauschalpreises mit dem ermäßigten Steuersatz und einer mit dem Regelsteuersatz besteuert wurde.

2

Den Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Einzelpreise und dem Preis des "Sparmenüs" ("Rabatt") berücksichtigte die Antragstellerin ausschließlich bei dem --dem Regelsteuersatz unterliegenden-- Getränk. Dies führte im Streitjahr 2002 dazu, dass bei einem sog. mittleren Menü der Preis für das Getränk, dessen Einzelverkaufspreis sich auf ca. 27 % der Summe aller Einzelverkaufspreise des "Sparmenüs" belief, im Rahmen des "Sparmenüs" dagegen nur noch ca. 12,6 % des Menüpreises ausmachte.

3

Grundlage hierfür war insbesondere ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 4. Oktober 2004 (auf eine Anfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), wonach "... bei der Lieferung von Menüs, die Getränke einschließen, im Rahmen von Außer-Haus-Verkäufen keine einheitlichen Leistungen vorliegen, sondern mehrere Lieferungen ausgeführt werden. Der jeweilige Unternehmer kann das Gesamtentgelt auf die einzelnen Lieferbestandteile aufteilen. Diese Aufteilung darf jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuersätze nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) erfolgen. Damit wird den Unternehmern keine bestimmte Art der Aufteilung des Preisnachlasses vorgeschrieben. Aufgrund der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken erscheint eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein, wenn die Preisbildung nicht missbräuchlich wird, d.h. das Entgelt kann nach Rabattgewährung noch als angemessen beurteilt werden. Die einzelnen Produkte, aus denen sich das Sparmenü zusammensetzt, können damit zwar unterschiedlich kalkuliert werden, für jedes Produkt des Sparmenüs muss jedoch ein angemessener Gewinnaufschlag verbleiben. Wird das Entgelt für das einzelne Produkt des Sparmenüs aufgrund eines zu geringen Gewinnaufschlags zu niedrig angesetzt, würde sich allerdings die Frage des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO stellen".

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Kaufpreisaufteilung missbräuchlich sei. Die Entgelte seien nach Einzelproduktpreisen ins Verhältnis zu setzen. Daher sei der Menüpreis in dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Menükomponenten "linear" aufzuteilen und so die Bemessungsgrundlagen für die Besteuerung mit dem Regelsteuersatz (Getränk) einerseits und mit dem ermäßigten Steuersatz (Speisen) andererseits zu ermitteln. Das FA erließ am 8. November 2010 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2002 bis 2006.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 13. Januar 2011 lehnte das FA den Antrag auf AdV der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ab.

6

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte AdV-Antrag hatte keinen Erfolg. Mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2013, 172 veröffentlichten Beschluss entschied das FG, dass die Umsätze aus der Lieferung der sog. "Sparmenüs", die zu einem Pauschalpreis angeboten wurden, als "Außer-Haus-Menüs" hinsichtlich der Speisen dem ermäßigten Steuersatz und hinsichtlich des Getränks dem Regelsteuersatz unterlägen. Es sei keine einheitliche Leistung, sondern eine Mehrheit von Leistungen gegeben, die jeweils eigenständig zu beurteilen seien. Der auf die Speisen und auf die Getränke entfallende Teil des Entgelts sei unter Anwendung der einfachst möglichen Berechnungsmethode zu ermitteln. Aus Gründen der Einfachheit und Transparenz bezüglich der Marktpreise sei es sachgerecht, grundsätzlich auf die jeweiligen Einzelveräußerungspreise der Menükomponenten abzustellen. Auf dieser Grundlage sei es unter geringem Ermittlungs- und Berechnungsaufwand auf einfache Weise möglich, das pauschale Entgelt für das Menü in dem Verhältnis, in welchem die Einzelveräußerungspreise der Komponenten zueinander stünden, sachgerecht aufzuteilen. Es bedürfe für diese Form der Ermittlung allein der Heranziehung der im jeweiligen Streitjahr angesetzten Verkaufspreise und des Menüpreises, so dass die Berechnung bei einem aus drei Komponenten bestehenden Menü und gleichbleibenden Verkaufspreisen leicht ermittelbar sei. Dabei entspreche es auch dem Erfordernis der Einfachheit, den Menüpreis im Verhältnis der bekannten Einzelverkaufspreise aufzuteilen und nicht etwa eine oder zwei Komponente(n) mit ihrem Einzelverkaufspreis anzusetzen und den Wert der anderen Komponenten aus der Differenz zwischen diesem Einzelverkaufspreis und dem Pauschalpreis zu ermitteln. Denn bei letzterer Vorgehensweise müsse zudem ein plausibler und sachgerechter Maßstab für die Frage gefunden werden, welche Komponente(n) als Ausgangsgröße(n) heranzuziehen wäre(n) und --wenn nur eine Komponente mit ihrem Einzelverkaufspreis herangezogen werde-- wie sich der Restbetrag auf die verbleibenden Menübestandteile verteile. Diese Problematik stelle sich bei einer Aufteilung im Verhältnis der Einzelverkaufspreise nicht.

7

Die Wahl einer Methode auf der Grundlage tatsächlicher Kosten sei dagegen mit einem nicht nur einmaligen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verbunden, sondern wäre bei unterjährig schwankenden Einkaufspreisen ggf. mehrfach anzupassen. Es müsste neben dem Ausgangswert des Einstandspreises zusätzlich die Streitfrage der jeweiligen Marge pro Menübestandteil geklärt werden, um zu einem konkreten Preis für die Einzelleistungen zu gelangen. Die Antragstellerin habe auch keine transparente, nachvollziehbare einheitliche Methode angewendet. Vielmehr schwankten die auf die Menübestandteile entfallenen Preise, Margen bzw. Aufschlagssätze je nach Art des Menüs und über die Streitjahre hinweg nach einem sich nicht erschließenden System. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Antragstellerin, dass lediglich beim Getränk hinreichend Spielraum für eine Rabattgewährung bestünde, und dass eine verhältnismäßige Rabattgewährung zu einem negativen Rohgewinnaufschlagsatz bei den Hamburgern führen könnte, griffen nicht durch. Denn der Rabatt werde ausschließlich auf das Gesamtpaket in seiner jeweiligen --unveränderbaren-- Zusammenstellung gewährt. Ob das Anbieten eines solchen Leistungspakets zum jeweiligen Pauschalpreis unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sinnvoll sei, hänge davon ab, in welchem Verhältnis die gesamten Kosten aller Menübestandteile zum pauschalen Verkaufspreis stünden. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass eine rein interne Zuordnung der Verkaufspreise vornehmlich auf die Speisen wirtschaftliche Vorteile für die Antragstellerin habe. Durch die interne "Verschiebung" der Bemessungsgrundlagen werde weder der Gesamtaufwand für die Menükomponenten noch die Summe des eingenommenen Geldes verändert. Es sei nicht erkennbar, weshalb es sich --bei insgesamt gleichbleibenden Kosten und Einnahmen-- als wirtschaftlich ungünstig erweisen sollte, wenn bei der internen Zuordnung der auf einzelne (untrennbare) Menükomponenten entfallene Rohgewinnaufschlag negativ würde.

8

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Kunden hätten die Kaufpreisaufteilung der Antragstellerin akzeptiert. Die Wahl des Aufteilungsmaßstabes unterliege der Privatautonomie. Es bestehe Preisbestimmungsautonomie. Aufgrund der hohen Aufschläge könne eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken gerechtfertigt sein. Es entspreche betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Grundsätzen der Preisbildung, die Preisermäßigung auf den Produktteil mit dem höchsten Kalkulationsaufschlag zu gewähren. Den Vorgaben des BMF sei zu folgen. Im Hinblick auf die hohen Margen bei den Getränken sei der Rabatt bei deren Lieferung vorrangig zu berücksichtigen gewesen. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch vor. Zumindest sei Vertrauensschutz zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch die Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2006 vom 8. November 2010 auszusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

12

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.; vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, unter II.1.).

13

2. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des "Sparmenüs" zwei Lieferungen, die des Getränks und die der Speise ausgeführt hat. Offen bleiben kann im Streitfall, ob das FA im Hinblick auf die Lieferung der Speise zu Recht von einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit einer in der Anlage zum UStG genannten Position des Zolltarifs ausgegangen ist. Denn wie das FG zutreffend entschieden hat, bestehen keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Rabattaufteilung.

14

a) Im summarischen Verfahren geht der Senat --ohne darüber abschließend zu entscheiden-- zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass die Speisenlieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und die Antragstellerin Gegenstände geliefert hat, die teils dem ermäßigten Steuersatz und teils --als Getränk-- dem Regelsteuersatz unterliegen.

15

Wie das FG zutreffend entschieden hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt es durch die Zusammenfassung von Speise und Getränk im Rahmen eines zum Mitnehmen bestimmten "Sparmenüs" umsatzsteuerrechtlich nicht zu einer einzigen Lieferung; es ist vielmehr bei der gebotenen summarischen Prüfung von zwei selbständigen Lieferungen auszugehen.

16

b) Ist somit im summarischen Verfahren von zwei unterschiedlich zu besteuernden Lieferungen auszugehen, ist der einheitliche Preis für das Menü in zwei Entgeltbestandteile aufzuteilen.

17

aa) Wie der EuGH in seinem Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973 Rdnr. 31) unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin (Slg. 1998, I-6229) entschieden hat, ist, wenn "Kunden trotz des einheitlichen Preises aus ihrer Sicht zwei gesonderte Dienstleistungen erwerben, nämlich eine Versicherungsdienstleistung und eine Kartenregistrierungsdienstleistung, ... der Teil des einheitlichen Preises, der sich auf die Versicherungsdienstleistung bezieht und jedenfalls von der Steuer befreit bliebe, herauszurechnen". Dabei ist die "einfachstmögliche Berechnung- oder Bewertungsmethode" zu verwenden. Nach dieser Rechtsprechung, der sich der BFH angeschlossen hat (BFH-Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, unter II.1.d, und vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, unter II.4.b), ist ein einheitliches Entgelt, das für zwei unterschiedlich zu besteuernde Leistungen entrichtet wird, zum einen aufzuteilen, wobei zum anderen die Aufteilungsmethode zu verwenden ist, die "einfachstmöglich" ist.

18

bb) Der Senat hat dabei im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die danach erforderliche Entgeltaufteilung nach der "einfachstmöglichen Berechnungs- oder Bewertungsmethode" jegliches Ermessen des Unternehmers hinsichtlich der Aufteilung ausschließt oder ob für den Unternehmer entsprechend dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 UStG die Befugnis zu einer sachgerechten Schätzung besteht. Denn sachgerecht in diesem Sinne ist die vom FA vorgenommene "lineare" Verteilung des Rabattbetrags für das "Sparmenü" nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise, nicht aber die von der Antragstellerin erstrebte Aufteilung nach den Kosten der beiden Lieferungen, die bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zu einer komplexen Berechnung zur Aufteilung des Gesamtpreises zwingt, wie das FG zutreffend --insbesondere unter Hinweis auf unterjährige Kostenschwankungen-- entschieden hat.

19

cc) Ob eine hiervon abweichende Beurteilung dann in Betracht kommen könnte, wenn die lineare Aufteilung des Gesamtverkaufspreises nach Maßgabe der Einzelverkaufspreise für eine der im Rahmen des "Sparmenüs" erfolgten Einzellieferungen zu einem Entgelt unter dem Nettoeinkaufspreis führt, ist im Streitfall, dem eine derartige Fallgestaltung weder im Hinblick auf Getränke noch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zubereiteten Speisen zugrunde liegt, nicht zu entscheiden.

20

dd) Dem von der Antragstellerin als maßgeblich angesehenen Gesichtspunkt der Preisbestimmungs- und Preisaufteilungsautonomie kommt keine Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat ihre Preisbestimmungsautonomie durch die Bildung des von ihr gewählten Gesamtpreises ausgeübt. Eine weiter gehende Preisaufteilungsautonomie im Sinne einer Entscheidungsfreiheit über die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Rechtsfolgen besteht nicht.

21

ee) Schließlich kann sich die Antragstellerin für die von ihr erstrebte Berücksichtigung des Rabatts bei der Getränkelieferung nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BMF-Schreiben vom 4. Oktober 2004 berufen, in dem auf einen Beschluss der "Abteilungsleiter" verwiesen wird. Für die dort vertretene Auffassung, wonach aufgrund "der besonders hohen Aufschlagssätze bei den Getränken ... eine Rabattgewährung überwiegend bei den Getränken durchaus gerechtfertigt zu sein [erscheint]", ist eine --mit der EuGH-Rechtsprechung vereinbare-- Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die dort vertretene Rechtsauffassung ist für die Gerichte im finanzgerichtlichen Verfahren zudem ebenso unbeachtlich, wie eine amtlich veröffentlichte Verwaltungsanweisung, der nur norminterpretierender Charakter zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. November 2011 V R 34/10, BFH/NV 2012, 803, m.w.N.). Sie ist daher nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Besteuerung eines Gewinns aus dem Verkauf von Anteilen an einer Aktiengesellschaft (AG).

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammen veranlagte Ehegatten, gaben in ihrer 1998 für das Streitjahr 1996 eingereichten Einkommensteuererklärung im Anhang zur Anlage KSO die zu versteuernden Einnahmen aus Aktien der AG mit 0 DM an. Die Einkommensteuer 1996 wurde auf 15.286 DM bestandskräftig festgesetzt.

3

Im Rahmen einer im August 2001 begonnenen Fahndungsprüfung beim Kläger (Bericht vom 15. Oktober 2003) wurde festgestellt, dass dieser einer der Gründungsaktionäre der AG war und deren Vorstand ab 1993 angehörte. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug bei Gründung 1 Mio. DM. Der Kläger war am Grundkapital zunächst mit 250.000 DM (25 %) beteiligt. Die AG war nicht an der Börse notiert und hatte keine Aktien ausgegeben. Statt der Aktien wurden in unregelmäßigen Abständen jeweils Namenszwischenscheine erstellt, die die Mitgliedschaftsrechte auswiesen. Im Sommer 1994 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 5 Mio. DM (eingeteilt in 100 000 auf den Inhaber lautende Stammaktien zu je 50 DM, verbrieft durch Zwischenscheine), nach der der Kläger nur noch mit 1,2 Mio. DM (24 000 Aktien, 24 %) beteiligt war. Nach der Kapitalerhöhung war die Familie B mit insgesamt 35,5 % beteiligt, wovon 24 % (24 000 Aktien, 1.200.000 DM) von MB und 11,5 % (11 500 Aktien, Nennwert 575.000 DM) von dessen Schwester KaB gehalten wurden. Letztere hatte das Aktienpaket von ihrem Vater Dr. MaB übertragen bekommen, der zum Jahresende 1995 aus dem Aufsichtsrat ausscheiden sollte. Die Beteiligungen waren in zwei Zwischenscheinen vom 30. September 1994 lautend auf MB bzw. Dr. MaB verbrieft, die jeweils vom Kläger als Vorstand und Dr. MaB als Aufsichtsratsvorsitzendem unterzeichnet waren. Der Zwischenschein für MB war diesem mit Schreiben des Klägers vom 16. Dezember 1994 übersandt worden und ging lt. handschriftlichem Vermerk am 27. Dezember 1994 bei ihm ein.

4

Mit Schreiben vom 22. Dezember 1995 wandte sich der Kläger an MB und bot an, das Aktienpaket der Familie B für 55 DM pro Aktie käuflich zu erwerben. Dem Schreiben waren zwei im Wesentlichen gleichlautende, vom Kläger entworfene und unterzeichnete Kaufvertragsangebote für die jeweils von MB und KaB gehaltenen Beteiligungen am Aktienkapital beigefügt. Das Angebot wurde am 11. Januar 1996 von MB und am 8. Januar 1996 von KaB angenommen. Nach den Bestimmungen des Vertrags war der Kaufpreis von 1.320.000 DM bzw. 632.500 DM mit Annahme des Angebots fällig. Der jeweilige Zwischenschein war im Gegenzug zu übergeben. Handschriftlich ergänzt wurde, dass der Bilanzgewinn 1995 einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses, spätestens am 30. September 1996, anteilig zu vergüten sei.

5

Am 17. Januar 1996 wandte sich der Kläger mit einem Schreiben an die C-Bank und teilte mit, dass er als Vorstand der AG gemeinsam mit deren Aufsichtsräten Herrn Bö und Dr. St-H das Aktienpaket der Familie B erworben habe. "Konkret" würden die Aktien jeweils von den Frauen erworben. Zur Abwicklung erhalte er von Frau R (der Lebensgefährtin von Herrn Bö) 646.250 DM und Frau Dr. St-H 660.000 DM. Der Rest des Kaufpreises von 646.250 DM werde von ihm für seine Frau übernommen, weshalb er um Erhöhung seines Kreditrahmens bitte. Zur Erläuterung der Aktienverschiebung fügte er eine Tabelle bei, in der als neue Aktionäre lediglich die Klägerin und Frau R mit einer Beteiligung von jeweils 11,75 % (11 750 Aktien) aufgeführt sind und die Beteiligung des Ehepaars St-H von 5 % auf 17 % erhöht wurde, ohne dass eine Aufteilung zwischen den Ehegatten erfolgte.

6

Am 23. Januar 1996 überwies der Kläger telegrafisch die vereinbarten Kaufpreise an MB und KaB, nachdem er zuvor von Frau R und Herrn Bö insgesamt 646.250 DM und von Herrn Dr. St-H ("Kauf 2 % Aktien J.") und dessen Eltern He und KaSt ("Kauf 10 % Aktien J.") insgesamt 660.000 DM überwiesen bekommen hatte.

7

Die vom Kläger beantragte Finanzierung wurde von der C-Bank abgelehnt, worauf sich der Kläger an die S-Bank wandte und von dieser einen Kredit erhielt. Mit Fax vom 24. Januar 1996 teilte er der Bank mit, dass er sich nun entschlossen habe, die mit dem Kredit erworbenen Aktien an seine Frau zu verkaufen. Sie werde denselben Preis bezahlen, den auch er bezahlt habe. Gleichzeitig bat er um Einrichtung eines Kontos auf den Namen seiner Frau und Übertragung der Aktien und des Kredits auf sie. Er werde den Zwischenschein für sie hinterlegen, sobald dieser auf sie ausgestellt sei. Am 26. Februar 1996 wurde von der Klägerin ein Antrag auf Kontoeröffnung an die S-Bank übersandt. Ein Darlehensvertrag über 650.000 DM wurde von ihr am 25. März 1996 geschlossen.

8

Am 16. Februar 1996 teilte der Kläger dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. F mit, dass die Aktien der Familie B von den Familien St, Herrn Bö sowie von ihm übernommen worden seien, wobei Herr Bö und er die Anteile jeweils durch ihre Frauen hätten erwerben lassen. Gleichzeitig übersandte er die Aktionärsliste vom 17. Januar 1996, die er auch an die C-Bank gesandt hatte sowie die neu auszustellenden Zwischenscheine mit der Bitte um Gegenzeichnung. MaBr wird weder in dem Schreiben noch in der Aktionärsliste erwähnt. Mit Datum vom 16. Februar 1996 wurde dem Kläger von KaB auch eine Kopie des auf ihren Vater lautenden Zwischenscheins übermittelt mit dem handschriftlichen Vermerk "in Ersatz des Originals retourniere ich die Kopie des Zwischenscheins K B". Der MB Ende 1994 vom Kläger übersandte Zwischenschein vom 30. September 1994 wurde von diesem mit dem Vermerk "Mit besten Grüßen M B" zurückgesandt und vom Kläger handschriftlich mit dem Vermerk "entwertet" versehen.

9

In der Folgezeit schloss der Kläger mit MaBr eine Vereinbarung, nach der Letzterer 5 % des Grundkapitals der AG (5 000 Aktien im Nennwert von 50 DM je Aktie) zu einem sofort fälligen Kaufpreis von 55 DM je Aktie zuzüglich anteiligem Bilanzgewinn 1995 (fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses 1995) vom Kläger als Verkäufer erwarb. Ferner wurde festgehalten, dass nach Einziehung der alten Zwischenscheine ein neuer Zwischenschein von der AG auf den Namen des Käufers ausgestellt werde. Am 26. Februar 1996 überwies MaBr 275.000 DM an den Kläger. Als Verwendungszweck war auf der Überweisung "Kaufpreis AG gem. sep. Vereinbarung" angegeben. Eine gleichlautende Vereinbarung wurde auch zwischen MaBr und Frau R geschlossen, so dass MaBr insgesamt eine Beteiligung von 10 % erwarb.

10

Mit Kaufvertrag vom 14. März 1996 verkaufte der Kläger 9 000 Aktien (Nennwert 450.000 DM) aus dem Bestand seiner Aktien für insgesamt 1.350.000 DM (Kaufpreis pro Aktie 150 DM) an Herrn Ha.

11

Mit Datum vom 28. April 1996 wurde für die Klägerin ein Zwischenschein über einen Anteil von 337.500 DM am Grundkapital der AG von 5.000.000 DM erteilt. Im April 1996 erfolgte eine Kapitalerhöhung der AG auf 10 Mio. DM, an der der Kläger mit 24 % (1,2 Mio. DM) und die Klägerin mit 6,75 % (337.500 DM) teilnahmen. Für den Kläger wurde am 25. September 1996 ein neuer Zwischenschein über eine Beteiligung von 1.950.000 DM ausgestellt, nachdem er zuvor von der AG mit Schreiben vom 4. September 1996 aufgefordert worden war, den obsoleten alten Zwischenschein zurückzugeben bzw. zu erklären, dass dieser nicht mehr auffindbar sei und die Anteile weder abgetreten noch verpfändet seien.

12

Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden gleichlautende auf November 1995 datierte Treuhandvereinbarungen des Klägers mit der Klägerin, mit Frau R, mit MaBr und mit Frau St-H gefunden sowie Bestätigungen der Klägerin und des MaBr vom 31. Juli 2001, dass die Treuhandverträge, so wie sie schriftlich abgefasst seien, die mündlichen Vereinbarungen vom November 1995 richtig und vollständig wiedergäben und in der Folgezeit ab dem Tag der mündlichen Vereinbarung von den Beteiligten auch tatsächlich wie vereinbart vollzogen worden seien. Von MaBr wurde bestätigt, dass die Vereinbarung 11 750 Aktien zu einem Kaufpreis von 55 DM je Aktie umfasst habe. Auch die Klägerin bestätigte, dass von ihr als Treugeberin der Erwerb von 11 750 Aktien der AG mit dem Kläger als Treuhänder vereinbart worden sei. Ferner wurden eine weitere für die Klägerin entworfene, jedoch von ihr nicht unterzeichnete Bestätigung gleichen Datums gefunden, in der bestätigt werden sollte, dass die Treuhandvereinbarung 6 750 Aktien umfasste, sowie eine ebenfalls nicht unterschriebene Bestätigung für Frau St-H, mit der bestätigt werden sollte, dass die Treuhandvereinbarung mit ihr 11 750 Aktien umfasst habe.

13

Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass das behauptete Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und der Klägerin steuerlich nicht anzuerkennen sei und der Kläger daher im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Erwerbs der B-Anteile die Voraussetzungen der wesentlichen Beteiligung nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt habe. Den bei dem Verkauf von 9 000 Aktien an Herrn Ha erzielten Gewinn errechnete er mit 890.100 DM, wobei er von durchschnittlichen Anschaffungskosten von 51,10 DM pro Aktie ausging. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich der Ansicht des Prüfers an und setzte die Einkommensteuer 1996 mit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändertem Einkommensteuerbescheid vom 13. Januar 2004 auf 120.953,25 € (entspricht 236.564 DM) fest. Hierbei setzte es bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers einen Veräußerungsgewinn von 890.100 DM an.

14

Der Einspruch hatte keinen Erfolg, vielmehr wurde die Einkommensteuer auf 122.258,07 € (239.116 DM) erhöht (Veräußerungsgewinn des Klägers 900.000 DM).

15

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der vom Kläger beim Verkauf eines Teils seiner Anteile an der AG erzielte --der Höhe nach unstreitige-- Veräußerungsgewinn von 900.000 DM sei zu versteuern, weil er am Kapital wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG (in der für das Streitjahr gültigen Fassung) beteiligt gewesen sei. Der Anteil des Klägers habe zunächst 25 % und nach der Kapitalerhöhung in 1994  24 % betragen. Durch den Erwerb der in zwei Zwischenscheinen verbrieften Anteile der Familie B habe jedoch seine Beteiligung im Streitjahr zeitweilig über 25 % gelegen.

16

Gegenüber den Geschwistern B sei der Kläger als Erwerber im eigenen Namen und für eigene Rechnung aufgetreten.

17

Auch die Beteiligung von MB von 24 % sei zivilrechtlich zunächst auf den Kläger übergegangen.

18

Die vom Kläger erworbenen Anteile könnten auch nicht abweichend von der zivilrechtlichen Inhaberschaft nach § 39 Abs. 1 AO der Klägerin und MaBr zugerechnet werden.

19

Eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung sei nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Streitfall noch möglich gewesen. Dass der Erwerb der Beteiligungen an der AG durch den Kläger eine neue Tatsache darstelle, sei unstreitig. Die Änderung sei auch trotz Ablaufs der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO noch zulässig gewesen. Denn die Festsetzungsfrist habe im Streitfall gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre betragen.

20

Die Kläger hätten den Erwerb der Anteile an der AG von der Familie B verschwiegen. Der treuhänderische Erwerb der Aktien für MaBr und die Klägerin sei von den Klägern durch nachträglich erstellte schriftliche Treuhandverträge und unzutreffende Bestätigungen fingiert worden, um die tatsächliche Höhe der Beteiligung des Klägers von zeitweilig über 25 % vor dem Verkauf von Anteilen an Herrn Ha gegenüber den Finanzbehörden zu verschleiern und so die Steuerfreiheit dieses Verkaufs zu erreichen. Durch ihre unrichtigen und unvollständigen Angaben in der Einkommensteuererklärung bezüglich der Beteiligung des Klägers an der AG hätten sie den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) erfüllt.

21

Den Klägern sei bewusst gewesen, dass bei einer Beteiligung des Klägers über 25 % der Gewinn aus dem Verkauf von Anteilen nach § 17 EStG zu versteuern gewesen sei. Um dies unter allen Umständen zu vermeiden, sei die Existenz von Treuhandverhältnissen behauptet worden, obwohl ein Treuhandverhältnis mit MaBr nicht und mit der Klägerin jedenfalls nicht eindeutig vereinbart gewesen sei und durch nachträgliche, mindestens teilweise falsche Bestätigungen zu untermauern versucht worden. Der Senat sei deshalb davon überzeugt, dass die Kläger es zumindest für möglich hielten, dass dadurch, dass sie in ihrer Steuererklärung keine Einkünfte aus der Beteiligung an der AG erklärten, Steuern hinterzogen zu haben und dies billigend in Kauf nahmen.

22

Dass ein Strafverfahren gegen die Kläger insoweit nicht eröffnet worden sei, sei für die Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht erforderlich. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerhinterziehung sei nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu prüfen. Für die Feststellung der Steuerhinterziehung sei kein höherer Grund von Gewissheit notwendig als für andere Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trifft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. März 1998 V R 54/97, BFHE 185, 351, BStBl II 1998, 466).

23

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Materielles Recht werde insbesondere verletzt, weil

-    

durch eine lediglich unzureichende Erfüllung steuerlicher Nachweiserfordernisse der Treuhandschaft gemäß § 159 AO keine Steuerhinterziehung und folglich auch keine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO begründet werde,

-    

durch eine lediglich unzureichende Erfüllung steuerlicher Nachweiserfordernisse der Treuhandschaft gemäß § 159 AO durch den ("aktiven") Ehegatten, der das Treuhandverhältnis für sich behauptet, keine Steuerhinterziehung des anderen ("passiven") Ehegatten und folglich auch keine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO für den anderen ("passiven") Ehegatten begründet werden,

-    

die Festsetzungsfrist nicht gegenüber dem Gesamtschuldner verlängert werde, der jedenfalls keine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung begangen habe,

-   

durch eine lediglich unzureichende Erfüllung steuerlicher Nachweiserfordernisse der Treuhandschaft gemäß § 159 AO die Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ausgeschlossen sei, da die Behauptung des Klägers, er habe Anteile an einer Kapitalgesellschaft lediglich treuhänderisch für andere erworben, nicht ohne weiteres als Schutzbehauptung von der Hand zu weisen sei,

-   

die Beteiligungsquote des Klägers an der AG, auch unter Berücksichtigung der Anteilsübertragung von MB, unterhalb der für den Veranlagungszeitraum geltenden Wesentlichkeitsgrenze von 25 % des § 17 EStG geblieben sei.

24

Darüber hinaus beruhe das angefochtene Urteil auf Verfahrensmängeln, weil

-   

das FG, ohne den Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in der mündlichen Verhandlung erörtert zu haben, seine Entscheidung auf die zehnjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO stütze, obwohl der Beklagte den Vorwurf der Steuerhinterziehung nicht mehr aufrechterhalten habe; der Vorwurf der Steuerhinterziehung habe im gesamten finanzgerichtlichen Verfahren keine Rolle mehr gespielt.

25

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 13. Januar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2007 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 15.286 DM festgesetzt wird.

26

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Da nach den Feststellungen des FG ein Treuhandverhältnis mit der Klägerin mindestens bis Ende März 1996 nicht bestanden habe, seien die fraglichen Anteile an der AG bis dahin dem Kläger zuzurechnen mit der Folge, dass seine Beteiligung zeitweise mehr als 25 % betragen habe. Da das Urteil in Bezug auf das behauptete Treuhandverhältnis mit Herrn MaBr (ebenfalls) eindeutig sei, käme es aber auf ein mit der Klägerin bestehendes Treuhandverhältnis gar nicht mehr an. Den Tatbestand der Steuerhinterziehung habe die Klägerin selbst erfüllt.

Entscheidungsgründe

28

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die finanzgerichtlichen Feststellungen tragen die Annahme einer Festsetzungsfrist von zehn Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) wegen Steuerhinterziehung nicht (§ 370 AO).

29

1. Die reguläre Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ist abgelaufen; ihr Ablauf war nicht nach § 171 Abs. 5 AO gehemmt.

30

2. Die Festsetzungsfrist von zehn Jahren gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO greift ein, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist. Das FG hat die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung, d.h. eines der Tatbestände des § 370 Abs. 1 AO, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen (BFH-Urteil vom 20. Juni 2007 II R 66/06, BFH/NV 2007, 2057). Die Feststellungslast für die Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung trifft das FA (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 169 AO Rz 69; Mack, Die Steuerberatung 2012, 440, 443).

31

a) Das FG trifft zu den Voraussetzungen der Steuerhinterziehung der Kläger keine eigenständigen Tatsachenfeststellungen. Vielmehr nimmt es allein auf der Grundlage seiner Feststellungen zu § 159 AO an, die Kläger hätten den Anteilserwerb "verschwiegen", die Treuhandverträge seien "nachträglich" erstellt und "fingiert" worden, um die Beteiligung des Klägers "zu verschleiern". Durch die unrichtigen und unvollständigen Angaben in der Einkommensteuererklärung sei "der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO)" erfüllt worden. Um eine Besteuerung "unter allen Umständen zu vermeiden, sei die Existenz von Treuhandverhältnissen behauptet worden, obwohl ein Treuhandverhältnis mit MaBr nicht und mit der Klägerin jedenfalls nicht eindeutig vereinbart gewesen sei, und durch nachträgliche, mindestens teilweise falsche Bestätigungen zu untermauern versucht" worden. "Der Senat sei deshalb davon überzeugt, dass die Kläger es zumindest für möglich hielten, Steuern hinterzogen zu haben und dies billigend in Kauf nahmen."

32

Mit dieser Argumentation folgert das FG allein aus seinen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EStG zugleich die Steuerhinterziehung und verletzt § 169 Abs. 2 Satz 2 AO.

33

b) Hinsichtlich des objektiven Tatbestands von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hätte das FG die volle Überzeugung gewinnen müssen, dass keine --einer Anteilszurechnung beim Kläger entgegenstehenden-- Treuhandvereinbarungen vorlagen. Eine Beweislastentscheidung auf der Grundlage von § 159 Abs. 1 AO zu Lasten der Kläger genügt insoweit nicht (FG München vom 26. November 1997  1 K 805/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 524; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 159 AO Rz 6). Dafür, dass das FG aber eine solche getroffen hat, spricht, dass es im Rahmen der Prüfung von § 17 EStG auf § 159 AO verweist und feststellt, dass es an eindeutigen und klar nachweisbaren Treuhandvereinbarungen fehle. Zwar gehe es davon aus, eine Treuhandvereinbarung zwischen dem Kläger und MaBr habe nicht bestanden und es fehle auch hinsichtlich des Treuhandvertrags zwischen den Klägern an einer klaren im Vorhinein vereinbarten Erwerbstreuhand, insbesondere sei die Höhe der treuhänderisch zu erwerbenden Beteiligung unklar. Jedoch stellt es im Rahmen der Prüfung der Steuerhinterziehung dann fest, dass ein Treuhandverhältnis mit der Klägerin jedenfalls nicht eindeutig vereinbart gewesen sei. Insoweit hat sich das FG schon keine volle Überzeugung davon gebildet, ob die Treuhand zwischen den Klägern tatsächlich bestanden hat oder nicht, bevor der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer werden konnte.

34

c) Zudem fehlt es an einer hinreichenden Überzeugungsbildung des FG zum Vorsatz der Kläger. Auch wenn das FG annimmt, dass zwischen den Klägern ein Treuhandverhältnis jedenfalls nicht eindeutig vereinbart gewesen sei, bedeutet dies noch nicht, dass nicht die Kläger von einer unwirksamen Treuhand ausgegangen wären. Hierzu trifft das FG keine Feststellungen. Dies wäre aber gerade im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass unstreitig die von der Familie B erworbenen Anteile letztendlich nicht beim Kläger verbleiben sollten.

35

Insoweit ist schon der Vorsatz des Klägers nicht hinreichend festgestellt. Umso mehr gilt dies für die Klägerin; denn das FG prüft nicht, inwieweit sie bei der Unterzeichnung der Treuhandvereinbarung und der nachträglichen Klarstellung davon ausging, die Anteile tatsächlich nicht zu erwerben.

36

3. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die fehlenden Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen Steuerhinterziehung nachzuholen haben. Sollte sich dabei ergeben, dass die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist, wären weitere Feststellungen im Hinblick darauf zu treffen, dass nach der Rechtsprechung eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG auch dann nicht zustande kommt, wenn im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze von 25 % überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis nur mit 25 % beteiligt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 IX R 57/10, BFHE 235, 376, BStBl II 2012, 318).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehungen durch anonym gebliebene Bankkunden haftet.

2

Der Kläger war Leiter der Wertpapieradministration bei einem großen deutschen Kreditinstitut X und als solcher unmittelbar dem Vorstand unterstellt. X war an zwei gleichnamigen Auslandsgesellschaften in Luxemburg und der Schweiz beteiligt. Der Kläger veranlasste und genehmigte 1992 --nach Abstimmung mit der Revision sowie der Rechtsabteilung des Kreditinstituts-- zwei Anweisungen, die darauf gerichtet waren, den anonymen Transfer von Wertpapieren zu den Auslandstöchtern der X zu ermöglichen. Ergänzt wurde diese Regelung im Oktober 1992 für sog. auslandsverwahrte Werte in der Weise, dass effektiv eingelieferte Werte "auch ohne Legitimationsprüfung entsprechend der Kundenangabe (z.B. Kennwort oder Kundennummer)" angenommen werden konnten. Auf die bis dahin einzuholende Aneignungsermächtigung gemäß § 13 des Depotgesetzes sollte verzichtet werden können.

3

Im Jahr 1996 begann die Finanzverwaltung bei der X mit Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch deren Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder zugunsten von Kunden der X und ihrer beiden Auslandstöchter in Luxemburg und der Schweiz. Das zuständige Finanzamt stellte fest, dass eine Vielzahl von Kunden der X und der beiden Tochtergesellschaften die Möglichkeit genutzt hatten, Kapital und Wertpapiere anonym über die Grenze zu den Tochtergesellschaften zu transferieren. Anstelle der personenbezogenen Kundendaten waren lediglich Referenznummern, Kundennummern, Depot-Kontennummern oder mit der Auslandsbank vereinbarte Kennworte auf den Transferbelegen vermerkt worden.

4

Trotz der Anonymisierung gelang es der Finanzverwaltung unter Mithilfe der X, etwa 75 % der Vorgänge einzelnen Kunden zuzuordnen. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass nahezu kein nachträglich enttarnter Kunde die Erträge aus den ins Ausland transferierten Wertpapieren in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte. In etwa 6 % der Fälle hatte dies allerdings keine steuerverkürzende Wirkung. Die Identität der übrigen Kunden, die Bargeld und Wertpapiere anonym transferiert hatten, konnte nicht ermittelt werden. Insgesamt handelte es sich dabei um 1 149 Kunden, von denen 638 Kunden Wertpapiere transferiert hatten. Die ermittelte Nominalwertsumme der von diesen 638 Kunden transferierten Wertpapiere belief sich auf 304.732.400 DM.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 638 Fällen für hinterzogene Einkommensteuer in Höhe von 2.250.824,46 € und Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer in Höhe von weiteren 1.204.178 € gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO) in Haftung. Er und seine Mitarbeiter hätten ein System entwickelt und praktiziert, das es den Kunden der X erlaubt habe, Kapital anonym ins Ausland zu transferieren und so der Zinsabschlagsteuer zu entgehen. Der Kläger habe dieses Verfahren angeordnet. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die Kunden den anonymen Transfer dazu nutzen wollten, um die Steuern auf die im Ausland erzielten Kapitalerträge zu hinterziehen.

6

Die Haftungssumme errechnete das FA auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse in der Vergleichsgruppe der enttarnten Kunden. Die identifizierten Kunden hätten im Durchschnitt Kapitalerträge von 8 % p.a. erzielt. Der durchschnittliche Einkommensteuersatz dieser Kunden habe bei 35 % gelegen. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 25 % ergebe sich daraus in der Gruppe der nicht identifizierten Kunden eine Summe an hinterzogener Einkommensteuer von nicht unter 2.250.824,46 €. Die Hinterziehungszinsen seien auf 1.204.178 € festzusetzen. Neben dem Kläger seien auch die X, sechs damalige Vorstandsmitglieder sowie vier weitere leitende Angestellte in Haftung genommen worden.

7

Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, den das FA zurückwies. Auf Antrag des Klägers hat der Senat im Streitfall die Vollziehung des Haftungsbescheids für die Dauer des Klageverfahrens ausgesetzt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juli 2009 VIII B 64/09, BFHE 226, 30, BStBl II 2010, 8). Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und den Haftungsbescheid aufgehoben.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 71 AO, § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

9

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass der Kläger für die mögliche und auch wahrscheinliche, aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbare Steuerhinterziehung durch anonym gebliebene Bankkunden nicht gemäß § 71 AO haftet. An die tatsächliche (negative) Feststellung des FG, wonach es von der Steuerhinterziehung jedes einzelnen anonym gebliebenen Kunden in keinem einzigen Fall überzeugt sei, ist der BFH gebunden.

12

1. Gemäß § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Wer Teilnehmer einer Straftat ist, ergibt sich mangels eigener Begriffsbestimmungen für das Steuerrecht aus den §§ 25 bis 31 des Strafgesetzbuchs --StGB-- (Täterschaft und Teilnahme). Teilnehmer sind der Anstifter (§ 26 StGB) oder der Gehilfe (§ 27 StGB). Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

13

a) Unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Anforderungen setzt die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung voraus, dass der Steuerschuldner die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) verwirklicht hat. Der Steuerschuldner muss eine der in § 370 Abs. 1 AO beschriebenen Tathandlungen mit Vorsatz begangen und dadurch Steuern verkürzt haben. Der Gehilfe muss dazu vorsätzlich Hilfe geleistet haben. Das setzt eine von Vorsatz getragene Beihilfehandlung voraus. Der Vorsatz des Gehilfen muss sich darüber hinaus auch auf die Haupttat, also die Steuerhinterziehung durch den Steuerschuldner erstrecken (sog. doppelter Gehilfenvorsatz). Steuerrechtlich setzt die Haftung weiter voraus, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis noch existiert (Akzessorietät der Haftung).

14

b) Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des materiellen Strafrechts --hier des § 370 AO-- bei der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften wie § 169 Abs. 2 Satz 2 AO oder § 71 AO von den Finanzbehörden und den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht die Strafprozessordnung (vgl. nur Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Danach hat das FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob für den Erlass eines Haftungsbescheids nach § 71 AO diejenigen Tatsachen vorliegen, die den Tatbestand des Strafgesetzes ausfüllen. Allerdings darf es sich für die Feststellung einer Steuerhinterziehung nicht auf die Anwendung eines reduzierten Beweismaßes oder eine Schätzung beschränken; verbleibende Zweifel gehen nach den Regeln der Feststellungslast zu Lasten des Finanzamts (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1991 X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128; Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 71 AO Rz 19).

15

c) Welche Anforderungen gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO im Einzelfall an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt werden müssen, entzieht sich weitgehend abstrakter Festlegung. Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen bilden. Das bedeutet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit überzeugen muss (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1987 VII R 155/85, BFH/NV 1987, 560; vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364; BFH-Beschluss vom 9. März 2011 X B 153/10, BFH/NV 2011, 965).

16

d) Nach § 118 Abs. 2 FGO ist der BFH an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Die Feststellung oder Nichtfeststellung von Tatsachen durch das FG ist danach der revisionsrechtlichen Nachprüfung weitgehend entzogen. Sie ist grundsätzlich nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind. Im Übrigen binden die tatsächlichen Feststellungen das Revisionsgericht schon dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (vgl. nur Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30, m.w.N.). Ein revisionsrechtlich beachtlicher Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen an die Überzeugungsbildung oder das erforderliche Maß von Überzeugung kann deshalb nur angenommen werden, wenn das FG die in § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO angeordneten gesetzlichen Maßstäbe für die Überzeugungsbildung in grundlegender Weise verkannt hat.

17

2. Nach diesen Maßstäben begegnet das angefochtene Urteil keinen rechtlichen Bedenken.

18

a) Das FG hat im Wesentlichen ausgeführt, die Tatsache des anonymen Kapitaltransfers in einer bestimmten Anzahl von Fällen und in einer bestimmten Höhe lasse keinen sicheren Schluss darauf zu, dass die 638 nicht enttarnten Wertpapierkunden Steuern hinterzogen haben. Die fehlende Überzeugung des Gerichts gehe zu Lasten des FA. Das Gericht dürfe die fehlende Überzeugung nicht durch Wahrscheinlichkeitsurteile ersetzen. Dies würde zu einer weitreichenden Feststellungserleichterung zugunsten der Finanzverwaltung führen, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zulässig sei.

19

b) Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

20

aa) Sie beruhen im rechtlichen Ausgangspunkt auf der ständigen Rechtsprechung, dass die Haftung nach § 71 AO die Verwirklichung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 AO voraussetzt und die entsprechenden Tatsachen durch das FG hinsichtlich einer sicher bestimmbaren Zahl von Fällen festzustellen sind. Das setzt tatsächliche Feststellungen dazu voraus, dass der jeweilige Inhaber des in das Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er z.B. unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat. Außerdem musste das FG feststellen, dass der jeweilige Steueranspruch noch existierte und nicht z.B. durch Zahlung oder Verjährung erloschen war.

21

Kann das FG verbleibende tatsächliche Zweifel, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen wurden, nicht ausräumen, muss es wegen der insoweit bestehenden Feststellungslast des FA zu dessen Lasten den Haftungstatbestand i.S. des § 71 AO verneinen (s. dazu oben unter II.1.b).

22

bb) Die Auffassung des FA, zur Begründung der Haftung gemäß § 71 AO reiche auch ohne entsprechende einzelfallbezogene tatsächliche Feststellungen schon eine hinreichend sichere Annahme einer Steuerhinterziehung i.S. einer gruppenbezogenen Betrachtung aus (hier der nicht enttarnten Kunden), findet im Gesetz keine Stütze.

23

(1) Schon die strafrechtlichen Begriffe (Steuerhinterziehung, Teilnahme) gebieten für die Anwendung des § 71 AO eine grundsätzlich auf den Einzelfall abstellende Betrachtung. Der BFH ist stets davon ausgegangen, dass die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Strafrechts auch materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen sind (vgl. nur Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570). Auch die steuerrechtliche Akzessorietät der Haftung kann nur bezogen auf das einzelne Steuerrechtsverhältnis geprüft werden.

24

(2) Die gegenteilige Auffassung des FA ist mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) abgeleiteten Anforderungen an die Bestimmtheit von Eingriffsrecht und die grundsätzliche Bindung des Richters an das Gesetz unvereinbar. Sie liefe auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene Gefährdungshaftung hinaus.

25

Auch der Umstand, dass der Kläger gerade durch das ihm zur Last gelegte Verhalten die Enttarnung der Bankkunden aktiv erschwert und zum Teil vereitelt hat, vermag keine Ausweitung der Haftung über den gesetzlichen Tatbestand hinaus zu rechtfertigen.

26

(3) Das FG hat seine Überzeugung gemäß § 96 FGO zu Recht nach demselben Beweismaß wie bei anderen steuer- oder haftungsbegründenden Tatsachen gebildet, nicht aber nach einem reduzierten Beweismaß anhand eines bestimmten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, wie ihn das FA mit einem Sicherheitsabschlag von 25 % zugrunde legen will. Durch einen solchen Sicherheitsabschlag erhöht sich nämlich nur die Wahrscheinlichkeit, dass die geschätzte Haftungssumme den tatsächlichen Steuerschaden nicht übersteigt, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsachen, aus denen sich in der Vielzahl der Einzelfälle die Steuerhinterziehung dem Grunde nach ergibt.

27

cc) Die auf der Grundlage der dargestellten Grundsätze vorgenommene Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das FG ist jedenfalls möglich; an die (negative) tatsächliche Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestands durch das Gericht ist der BFH deshalb gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

28

(1) Zum einen gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass, wer Kapital anonym ins Ausland verbringt, auch in der Steuererklärung unrichtige Angaben hinsichtlich der daraus erzielten Erträge macht (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2007 II R 66/06, BFH/NV 2007, 2057).

29

(2) Zum anderen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Häufigkeit der Steuerhinterziehung in der Gruppe der enttarnten Kunden bei der Prüfung einer möglichen Steuerhinterziehung durch nicht enttarnte Kunden der Bank mangels Möglichkeit weiterer entsprechender tatsächlicher Feststellungen unberücksichtigt gelassen. Andernfalls hätte die Überzeugungsbildung auf einer reinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung beruht, die mit dem unter II.1.b dargestellten Gebot der richterlichen Überzeugungsbildung für Sachverhalte, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt, unvereinbar gewesen wäre.

30

(3) Die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nach § 71 AO verlangt --wie dargelegt-- tatsächliche Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach ergibt. Dies erfordert im Regelfall Feststellungen zur Zurechenbarkeit anonymisierter Kapitaltransfers ins Ausland zu bestimmbaren Steuerpflichtigen und Feststellungen, die die Überzeugung begründen, dass diese Steuerpflichtigen in ihren Steuererklärungen dazu keine oder unrichtige Angaben gemacht haben.

31

Solche tatsächlichen Feststellungen waren indessen --auch nach Ansicht des FA-- im Streitfall nicht möglich, so dass dahinstehen kann, ob das Merkmal der "Steuerhinterziehung" in § 71 AO auch ohne (namentliche) Kenntnis des Täters in Betracht kommt. Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen waren jedenfalls deshalb nicht durch Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden zu ersetzen, weil selbst nach den Angaben des FA in der Gruppe der enttarnten Kunden nicht sämtliche Kunden in ihren Einkommensteuererklärungen unrichtige Angaben gemacht haben. Vielmehr habe "nahezu kein" enttarnter Kunde die im Ausland erzielten Erträge deklariert, was jedoch Ausnahmen einschließt. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des FA in etwa 6 % der Fälle aus anderen Gründen eine Steuerverkürzung nicht eingetreten ist.

32

(4) Der Streitfall gibt schließlich keine Veranlassung, abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Wahrscheinlichkeitsaussagen überhaupt zur richterlichen Überzeugungsbildung herangezogen werden dürfen, weil das FG seine Entscheidungsbildung auf solche Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht gestützt hat.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

(2) Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden.

Tatbestand

1

I. Gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer KG, wurden im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 29. November 2006 I R 78-80/05 (BFH/NV 2007, 1091) mit Bescheid vom 19. Juli 2007 "die Aussetzungszinsen (Zinsbetrag Abschnitt C) ... auf … € festgesetzt". In Abschnitt C werden in drei Zeilen u.a. die jeweils ausgesetzten Steuerbeträge (Körperschaftsteuer 1990 sowie für die Körperschaftsteuer 1988 aufgeteilt auf zwei Zeilen), die jeweils nach § 238 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) abgerundeten und zu verzinsenden Beträge sowie in der Schlussspalte die jeweiligen --aus den Zinsmonaten errechneten-- Zinsbeträge ausgewiesen. Die Summe dieser letzten Spalte ergibt gemäß der vierten Zeile die "Zinsschuld/Gesamtbetrag" in Höhe von … € sowie gemäß der fünften Zeile die (den) "Zinsschuld/Gesamtbetrag nach Rundung des jeweiligen Zinsbetrags" in Höhe von … €. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der innerhalb der Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 AO ergangene Bescheid inhaltlich hinreichend bestimmt oder --wie von der Klägerin geltend gemacht-- nichtig ist. Während des Einspruchsverfahrens wurden die o.g. Beträge zwar geändert; in der Sache blieb der Rechtsbehelf jedoch ohne Erfolg. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen (FG Nürnberg, Urteil vom 23. Oktober 2012  1 K 128/10). Gegen Letzteres richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

Entscheidungsgründe

2

II. Der Senat kann offen lassen, ob der Vortrag der Klägerin den Anforderungen an die schlüssige Rüge der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde ist jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, weil das FG im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat.

3

Das FG ist --ebenso-- wie die Klägerin davon ausgegangen, dass auch die Zinsfestsetzung nach § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO dem Bestimmtheitsgebot genügen müsse. Dem sei im Streitfall entsprochen worden, da der Bescheid vom 19. Juli 2007 die zum jeweiligen Veranlagungszeitraum gehörigen Zinsbeträge hinreichend präzise und nachvollziehbar dargestellt habe. Unschädlich sei hierbei, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) nicht für jeden Veranlagungszeitraum einen separaten Zinsbescheid erlassen, sondern für mehrere Jahre eine Zinsfestsetzung vorgenommen habe, da der Bescheid dieselbe Zinsart (Aussetzungszinsen nach § 237 AO) betreffe und erkennen lasse, für welchen Lebenssachverhalt in welcher Höhe die jeweiligen Zinsen festgesetzt worden seien.

4

a) Letztere Wendung ist zwar insoweit nicht eindeutig, als der Formulierung nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, ob das FG von der Festsetzung nur eines Zinsbetrags (Variante 1) oder von einem sog. zusammengefassten Bescheid (Variante 2) ausgegangen ist, mit dem mehrere materielle Zinsfestsetzungen auf dem nämlichen Schriftstück (Bescheid im formellen Sinne) zusammengefasst worden sind (vgl. dazu Schuster in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 157 AO Rz 5). Dies kann jedoch dahinstehen, da der Vortrag der Klägerin, es sei i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO von grundsätzlicher Bedeutung, ob "die Aussetzungszinsen für jeden Körperschaftsteuerveranlagungszeitraum durch gesonderten Bescheid festzusetzen sind", die Revision nicht zu eröffnen vermag.

5

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist aus der entsprechenden Geltung des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO abzuleiten, dass der Zinsbescheid die Zinsen nach Art und Betrag bezeichnen und den Schuldner angeben muss (BFH-Urteile vom 22. Mai 1984 VIII R 60/79, BFHE 141, 211, BStBl II 1984, 697; vom 7. Mai 1993 VI R 93/92, BFH/NV 1994, 2; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 239 Rz 16).

6

aa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass diesen Anforderungen an die Bestimmtheit des Bescheids durch den Erlass eines zusammengefassten Zinsbescheids (Variante 2) entsprochen werden kann.

7

bb) Fraglich kann allenfalls sein, ob auch ein einheitlicher Zinsbescheid i.S. der Variante 1 unter der Voraussetzung ergehen kann, dass die für verschiedene Veranlagungszeiträume in einem Betrag festgesetzten Aussetzungszinsen die nämliche Steuerart (hier: Körperschaftsteuer) betreffen.

8

Hierfür könnte sprechen, dass im Schrifttum eine nicht aufgegliederte Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle dann als unschädlich angesehen wird, wenn im Einzelfall der Bestimmtheitsgrundsatz nicht tangiert wird (Schuster in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 157 AO Rz 5). Andere leiten hingegen aus dem Bestimmtheitsgebot ab, dass die Zinsansprüche durchgängig --also auch bei nämlicher Steuerart-- für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum-- materiell gesondert festgesetzt werden müssen und die Zinsfestsetzungen nur formell miteinander verbunden werden können (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 239 AO Rz 6).

9

Der Streitfrage käme jedoch in einem Revisionsverfahren keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da der Senat zur eigenständigen Auslegung des Zinsbescheids vom 19. Juli 2007 befugt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 25, m.w.N.) und danach vorliegend von Zinsfestsetzungen i.S. der Variante 2 auszugehen ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Verfügungsteil des Bescheids die festgesetzten Aussetzungszinsen mit dem Klammerzusatz "Zinsbetrag Abschnitt C" gekennzeichnet werden und in Abschnitt C die insgesamt angefallene Zinsschuld nicht auf der Basis eines --alle Veranlagungszeiträume erfassenden-- Zinsbetrags, sondern als "Gesamtbetrag nach Rundung des jeweiligen Zinsbetrags" ausgewiesen wird. Nimmt man hinzu, dass auch die jeweiligen Zinsbeträge auf der Basis der jeweils nach § 238 Abs. 2 AO gerundeten zu verzinsenden Beträge ermittelt wurden, so wird deutlich, dass der Bescheid nur auf die formell zusammengefasste Festsetzung der einzelnen materiellen Zinsansprüche gerichtet war.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Steuerbescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Ihnen ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

(2) Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden.

(1) Abweichend von § 157 Abs. 2 werden die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in diesem Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist.

(2) Ein Feststellungsbescheid richtet sich gegen den Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist. Die gesonderte Feststellung wird gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Ist eine dieser Personen an dem Gegenstand der Feststellung nur über eine andere Person beteiligt, so kann insoweit eine besondere gesonderte Feststellung vorgenommen werden.

(3) Soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, ist sie in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.