Finanzgericht München Urteil, 20. Juli 2017 - 13 K 2316/15

bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 3. Juli 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 11. August 2015 wird die Einkommensteuer auf 1.207 € herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 88/100 und der Beklagte zu 12/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe

I.

Streitig ist, ob die geltend gemachten Aufwendungen für ein Pflegeheim um eine Haushaltsersparnis zu kürzen sind.

Der zwischenzeitlich verstorbene bisherige Kläger (künftig: bisheriger Kläger) wurde vom beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Das Verfahren wird von den Rechtsnachfolgern, den Klägern, geführt. Der bisherige Kläger litt laut den medizinischen Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit vom 19.3.2007 (Erstgutachten zur Pflegestufe I) bzw. 24.11.2007 (Gutachten zur Pflegestufe II ab September 2007) bereits seit knapp drei Jahren an Parkinson, seit dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2006 zudem an Demenz. Der bisherige Kläger wurde ab dem 20.2.2007 zunächst zur Kurzzeitpflege in das Pflegeheim in P. verbracht. Aufgrund des Vertrages vom 27.3.2007 mit dem Pflegeheim wurde der bisherige Kläger vollstationär zur Pflege aufgenommen. Bei Vertragsabschluss wurde der bisherige Kläger durch den Kläger zu 1) als Bevollmächtigten vertreten (Altersvorsorgevollmacht mit Vorsorgeverfügungen des bisherigen Klägers vom 11.1.2007); Vertragsbeginn war der 20.3.2007.

Der bisherige Kläger wohnte bis zu seinem Aufenthalt im Pflegeheim im Anwesen in P., A-straße, das er mit notarieller Urkunde im November 2003 seinem Sohn, dem Kläger zu 1), veräußert hatte und mit Vertrag gleichen Datums zu Wohnzwecken mietete.

Der bisherige Kläger machte in seinen Einkommensteuererklärungen folgende Aufwendungen für das Pflegeheim in den Streitjahren als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Einkommensteuergesetz jeweils in der für die Streitjahre geltenden Fassungen (EStG) geltend (in €):

Streitjahr

Aufwendungen

Abzgl. Erstattungen

Nach § 33 EStG geltend gemachter Betrag

2007

32.526

10.131

22.395

2008

33.968

15.348

18.620

2009

34.621

15.348

19.273

2010

35.116

15.348

19.768

2011

35.415

15.348

20.067

Weiterhin machte der bisherige Kläger folgende weitere Aufwendungen nach § 33 EStG geltend: Kfz-Kosten wegen einer Gehbehinderung i.H.v. pauschal 900 € in den Streitjahren 2007 bis 2011 und Krankheitskosten-Anteil i.H.v. 270 € in 2010 und i.H.v. 290 € in 2011.

Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen (vor Abzug der zumutbaren Belastung) wie folgt:

2007:

Kosten für Pflegeheim 22.395 €

abzgl. Haushaltsersparnis 7.680 €

14.715 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

abzgl. Betrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG 924 €

Aufwendungen gesamt 14.691 € Weiterhin wurde ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG i. H. v. 847 € (für 11 Monate) steuermindernd berücksichtigt.“

Im Rahmen der Einspruchsentscheidung kürzte das Finanzamt die Aufwendungen für das Pflegeheim nur noch um eine Haushaltsersparnis von 5.760 € mit der Begründung, dass die vollstationäre Pflege erst ab April 2007 vorgelegen habe und ermittelte die außergewöhnlichen Belastungen wie folgt:

„Kosten für Pflegeheim 22.395 €

abzgl. Haushaltsersparnis 5.760 € (9/12 von 7.680 €)

16.635 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

Aufwendungen gesamt 17.535 €

Ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG wurde nicht mehr berücksichtigt.“

2008:

Kosten für Pflegeheim 18.620 €

abzgl. Haushaltsersparnis 7.680 €

10.940 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

abzgl. Betrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG 924 €

Aufwendungen gesamt 10.916 € Weiterhin wurde ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG i. H. v. 924 € steuermindernd berücksichtigt.

Im Rahmen der Einspruchsentscheidung wurde die Berechnung wie folgt korrigiert:

Kosten für Pflegeheim 18.620 €

abzgl. Haushaltsersparnis 7.680 €

10.940 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

Aufwendungen gesamt 11.840 €

Ein Betrag für die Heimunterbringung nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG wurde nicht mehr berücksichtigt.

2009:

Kosten für Pflegeheim 19.273 €

abzgl. Haushaltsersparnis 7.680 €

11.593 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

abzgl. Betrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG 924 €

Aufwendungen gesamt 11.569 €

Im Rahmen der Einspruchsentscheidung wurden die außergewöhnlichen Belastungen wie folgt berücksichtigt:

Kosten für Pflegeheim 19.273 €

abzgl. Haushaltsersparnis 7.680 €

11.593 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 900 €

Aufwendungen gesamt 12.493 €

2010 und 2011:

Das Finanzamt berücksichtigte die außergewöhnlichen Belastungen wie folgt:

2010 2011

Kosten für Pflegeheim 19.768 € 20.067 €

abzgl. Haushaltsersparnis 8.004 € 8.004 €

11.764 € 12.063 €

zzgl. weitere außergewöhnliche Belastungen 1.170 € 1.190 €

Aufwendungen gesamt 12.934 € 13.253 € Mit ihren Klagen wenden sich die Kläger gegen die Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis. Es sei dem bisherigen Kläger nicht zumutbar gewesen, seine bisher genutzte Wohnung aufzugeben. Der bisherige Kläger sei Anfang 2007 an Parkinson und Demenz erkrankt. Es werde ärztlicherseits empfohlen, zur Linderung der Folgen dieser Erkrankung das bisherige persönliche Umfeld, insbesondere die individuelle Wohnsituation aufrecht zu erhalten. Die gewohnte Umgebung solle dem Erkrankten ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geben und damit die negativen Folgen einer Unterbringung in einem neuen sozialen Umfeld mindern helfen. Aus diesem Grunde sei die Wohnung von dem bisherigen Kläger nicht aufgegeben worden. Er habe sich im Streitjahr in der Wohnung in der Regel zweimal nachmittags, gewöhnlich am Montag und Freitag, dort aufgehalten. Dort sei er von der angestellten Haushaltshilfe versorgt worden. Auch sei er dort seinen Hobbys, z. B. dem Klavierspielen, nachgekommen und habe Fotoaufnahmen sortiert und ein Fotoalbum erstellt. Dem bisherigen Kläger habe nicht zugemutet werden können, bereits im ersten Jahr der krankheitsbedingten Unterbringung in einem Pflegeheim seine Wohnung aufzugeben. Auch aus therapeutischen Gründen habe der bisherige Kläger seine Wohnung und damit sein bisheriges soziales Umfeld und seine vertraute Umgebung nicht aufgeben können. Hierzu legten die Kläger u. a. einen Auszug aus der S3-Leitlinie “Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Stand August 2015, vor.“

Die Kläger beantragen,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2007 bis 2011 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen, die geltend gemachten Aufwendungen für das Pflegeheim ohne Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis anzuerkennen und die Einkommensteuer für 2007 bis 2011 entsprechend herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf seine Einspruchsentscheidungen und bringt ergänzend vor, dass bei dem Krankheitsbild Parkinson und Demenz eine endgültige Rückkehr in die eigene Wohnung unter selbstbestimmter Haushaltsführung unmöglich und nicht realistisch sei. Bei fortdauernder Pflegebedürftigkeit erscheine es daher zumutbar, den Privathaushalt aufzulösen. Eine konkrete ärztliche Empfehlung oder ein ärztliches Attest dafür, dass die Beibehaltung der Wohnung aus medizinischen Gründen geboten sei, lägen nicht vor. Infolge der Veräußerung des Anwesens im Jahr 2003 und der im Anschluss getroffenen Vereinbarung eines Mietverhältnisses sei bereits eine Loslösung bewirkt worden.

II.

Die Klage ist hinsichtlich des Streitjahres 2007 begründet, im Übrigen unbegründet.

Das Finanzamt hat die Aufwendungen des bisherigen Klägers für die Unterbringung in dem Pflegeheim im Streitjahr 2007 zu Unrecht und in den Streitjahren 2008 bis 2011 zu Recht um die Haushaltsersparnis gekürzt.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 18.4.2002 III R 15/00, BStBl II 2003, 70; vom 10.5.2007 III R 39/05, BStBl II 2007, 764 und vom 25.7.2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

1.1. Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456; vom 22.10.2009 VI R 7/09, BStBl II 2010, 280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn sie von den – zu den Kosten der üblichen Lebensführung rechnenden – Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.

1.2. Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).

Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; vom 22.8.1980 VI R 138/77, BStBl II 1981, 23).

Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim sind auch dann nicht um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten belastet bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794). Der BFH stellte in seiner Entscheidung vom 10.8.1990 klar, dass dies gilt, wenn eine Rückkehr des Pflegebedürftigen in die Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231 Rz. 13). Ist aufgrund eines bereits seit längerem vorliegenden Krankheitsbildes ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige in seine Wohnung zurückkehren kann, sondern endgültig dauerhaft krankheitsbedingt in einem Pflegeheim untergebracht werden muss, ist es dem Steuerpflichtigen zumutbar, dass er seinen Haushalt auflöst (vgl. hierzu Urteil des FG Köln vom 28.4.2009 8 K 1337/08, EFG 2010, 479, nachfolgend bestätigt durch BFH-Urteil vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010).

Die Haushaltsersparnis kann entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen i.H.v. 7.680 € für die Streitjahre 2007 bis 2009 bzw. i.H.v. 8.004 € für die Streitjahre 2010 und 2011 geschätzt werden (vgl. BFH-Urteile vom 15.4.2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794 m.w.N.).

2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das Finanzamt in den Streitjahren 2008 bis 2011 die Haushaltsersparnis zu Recht gekürzt, weil es dem bisherigen Kläger ab 2008 zumutbar war, seinen Haushalt aufzulösen. Im Streitjahr 2007 hätte das Finanzamt eine Kürzung um die Haushaltsersparnis nicht vornehmen dürfen.

2.1. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die geltend gemachten Aufwendungen für das Pflegeheim dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG sind. Nach den vorgelegten medizinischen Gutachten wurde der bisherige Kläger ausschließlich wegen seiner Erkrankung an Parkinson und an Demenz und nicht aus Altersgründen in das Pflegeheim verbracht. Die vollstationäre Pflege wurde wegen der Häufigkeit der notwendigen Hilfeleistung bei Vorliegen der Pflegestufe I bzw. II befürwortet.

2.2. Im Streitfall ist nach Auffassung des Senats für das Streitjahr 2007 keine, für die Streitjahre 2008 bis 2011 eine Haushaltsersparnis zu berücksichtigen, auch wenn der bisherige Kläger seinen Haushalt nicht aufgelöst hat. Denn eine dauerhafte Rückkehr in seinen Haushalt war aufgrund der Erkrankungen spätestens ab Anerkennung der Pflegestufe II ausgeschlossen.

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 28.4.2009 (8 K 1337/08, EFG 2010, 479, bestätigt durch Urteil des BFH vom 13.10.2010 VI R 38/09, BStBl II 2011, 1010) an, wonach die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Unterbringungskosten in einem Pflegeheim um die Haushaltsersparnis zu kürzen sind, wenn der Steuerpflichtige mit einer Rückkehr in diesen Haushalt endgültig nicht mehr rechnen kann und ihm die Auflösung des Privathaushalts deshalb zumutbar war. Dies widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des BFH, da dieser bei Beibehaltung der Wohnung davon ausgeht, dass eine Rückkehr des Pflegebedürftigen in die Wohnung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10.8.1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231 Rz. 13).

Im Streitfall ergibt sich aber aus dem Gutachten vom 24.11.2007, dass sich für den bisherigen Kläger ein dauerhafter Pflegebedarf aufgrund seiner Parkinson- und Demenzerkrankung ergab. Auch wurde ihm seit September 2007 die Pflegestufe II (= Schwerpflegebedürftigkeit) – anders noch im Gutachten vom 19.3.2007: dort seit Dezember 2006 Pflegestufe I (= Erhebliche Pflegebedürftigkeit) – zuerkannt. Nach den Feststellungen in den Gutachten benötigte der bisherige Kläger in allen Bereichen der hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkauf, Kochen, Spülen, Reinigung der Wohnung, Beheizen der Wohnung, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung) mehrfach wöchentlich Hilfebedarf. Im Gutachten vom 19.3.2007 wurde der tägliche Gesamtaufwand des täglichen Hilfebedarfs mit 133 Minuten, im Gutachten vom 24.11.2007 bereits mit 204 Minuten festgestellt. Aufgrund der Erkrankungen des bisherigen Klägers wurde die vollstationäre Pflege befürwortet.

Die Erkrankung des Klägers trat nicht erstmalig im Streitjahr 2007 auf, sondern begann nach dem Gutachten vom 19.3.2007 bereits knapp drei Jahren vor der Gutachtenerstellung, somit ab ca. Mitte 2004. Mit dem Erstgutachten vom 19.3.2007 wurde aufgrund der Erkrankung die vollstationäre Pflege des bisherigen Klägers empfohlen und ab dem 20.3.2007 (Vertragsbeginn mit dem Pflegeheim) auch dauerhaft durchgeführt. Aufgrund des weiteren Gutachtens vom 24.11.2007, in dem seit dem Erstgutachten eine langsam zunehmende Zustandsverschlechterung bescheinigt wurde, war für den bisherigen Kläger absehbar, dass ein eigenständiges Leben und eine selbstbestimmte Haushaltsführung nicht mehr möglich waren, da die Alltagskompetenz laut Gutachten erheblich eingeschränkt war (vgl. „Bewertung der Alltagskompetenz“). Dass der bisherige Kläger hierzu nicht mehr in der Lage war, zeigt sich auch darin, dass der bisherige Kläger dem Kläger zu 1) bereits am 11.1.2007 eine Generalvollmacht erteilt hat und der Kläger zu 1) auch den Vertrag für den bisherigen Kläger mit dem Pflegeheim geschlossen hat. Das Gutachten vom 24.11.2007 bescheinigt daher einen dauerhaften Pflegebedarf. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Erkrankungen des bisherigen Klägers – Parkinson und Demenz – derzeit nicht heilbar sind.

Auch die von den Klägern vorgelegten Leitlinien lassen keine andere Einschätzung zu, denn in diesen Leitlinien werden lediglich allgemeine Erkenntnisse z. B. zu verschiedenen Therapieformen beschrieben. So ist z. B. die Musiktherapie lediglich als „Kann“-Empfehlung in der S3-Leitlinie „Demenzen“ formuliert (vgl. Abschnitt B. 3.4.4.1 „Musiktherapie“ Empfehlungsgrad 0 i. V. m. Abschnitt A. 3.3 „Graduierung der Empfehlungen“ Empfehlungsgrad 0 = „Kann“-Empfehlung). Konkrete auf den bisherigen Kläger zugeschnittene Therapieempfehlungen haben die Kläger jedoch nicht vorgelegt.

Auch steht dem nicht entgegen, dass der bisherige Kläger von der Haushaltshilfe zweimal in der Woche in der Wohnung betreut wurde und der bisherige Kläger dort seinen Hobbys (z. B. Klavierspielen) nachgegangen ist bzw. sich mit Fotos beschäftigt hat. Denn aufgrund seiner Erkrankungen und der dauerhaften vollstationären Aufnahme im Pflegeheim konnte der bisherige Kläger keinen Haushalt in der bisherigen Wohnung mehr führen, so dass die Aufwendungen für das Pflegeheim in Höhe der Haushaltsersparnis nicht zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG sind. Dass der Kläger keinen Haushalt mehr führte, bestätigen auch die Bescheinigungen der Minijob-Zentrale für 2007, für 2008 und für 2009, die dem bisherigen Kläger an die Adresse des Pflegeheims übersandt wurden.

Der Senat ist im Ergebnis der Auffassung, dass demnach spätestens mit Vorliegen der Pflegestufe II seit September 2007 eine Rückkehr in den Privathaushalt nicht mehr absehbar war, was sich in den Folgejahren (bis Streitjahr 2011) auch bestätigt hat. Unter Berücksichtigung von üblichen Kündigungsfristen (§ 573c Bürgerliches GesetzbuchBGB) wäre es dem bisherigen Kläger zumutbar gewesen, seinen bisherigen Haushalt bis Ende 2007 aufzugeben. Demgemäß sind die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Pflegeheimkosten ab dem Streitjahr 2008 um die Haushaltsersparnis zu kürzen.

2.3. Für 2007 ergibt sich folgende Steuerfestsetzung….

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO), der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e
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(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1)1Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.2Der Höchstbetrag nach Satz 1 erhöht sich um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 anzusetzen sind.3Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.4Voraussetzung ist, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt; ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Absatz 2 Nummer 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberücksichtigt.5Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich die Summe der nach Satz 1 und Satz 2 ermittelten Beträge um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 Euro im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die von der unterhaltenen Person als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse; zu den Bezügen gehören auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Absatz 4, § 17 Absatz 3 und § 18 Absatz 3, die nach § 19 Absatz 2 steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 übersteigen.6Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind, höchstens jedoch der Betrag, der sich nach den Sätzen 1 bis 5 ergibt; ob der Steuerpflichtige zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist, ist nach inländischen Maßstäben zu beurteilen.7Werden die Aufwendungen für eine unterhaltene Person von mehreren Steuerpflichtigen getragen, so wird bei jedem der Teil des sich hiernach ergebenden Betrags abgezogen, der seinem Anteil am Gesamtbetrag der Leistungen entspricht.8Nicht auf Euro lautende Beträge sind entsprechend dem für Ende September des Jahres vor dem Veranlagungszeitraum von der Europäischen Zentralbank bekannt gegebenen Referenzkurs umzurechnen.9Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der unterhaltenen Person in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden, wenn die unterhaltene Person der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt.10Die unterhaltene Person ist für diese Zwecke verpflichtet, dem Unterhaltsleistenden ihre erteilte Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) mitzuteilen.11Kommt die unterhaltene Person dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Unterhaltsleistende berechtigt, bei der für ihn zuständigen Finanzbehörde die Identifikationsnummer der unterhaltenen Person zu erfragen.

(2)1Zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder Kindergeld besteht, kann der Steuerpflichtige einen Freibetrag in Höhe von 1 200 Euro je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen.2Für ein nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind mindert sich der vorstehende Betrag nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 6.3Erfüllen mehrere Steuerpflichtige für dasselbe Kind die Voraussetzungen nach Satz 1, so kann der Freibetrag insgesamt nur einmal abgezogen werden.4Jedem Elternteil steht grundsätzlich die Hälfte des Abzugsbetrags nach den Sätzen 1 und 2 zu.5Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.

(3)1Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je ein Zwölftel; der sich daraus ergebende Betrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag aufzurunden.2Eigene Einkünfte und Bezüge der nach Absatz 1 unterhaltenen Person, die auf diese Kalendermonate entfallen, vermindern den nach Satz 1 ermäßigten Höchstbetrag nicht.3Als Ausbildungshilfe bezogene Zuschüsse der nach Absatz 1 unterhaltenen Person mindern nur den zeitanteiligen Höchstbetrag der Kalendermonate, für die sie bestimmt sind.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann wegen der in diesen Vorschriften bezeichneten Aufwendungen der Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung nach § 33 nicht in Anspruch nehmen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, in welchem Umfang Aufwendungen für die Unterbringung in einem Wohnstift bei Ehegatten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Der 1931 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1941 an Osteomyelitis erkrankt. Insbesondere seit den 1970er Jahren wurde er deswegen von Fachärzten, auch stationär, fortlaufend behandelt. In den 1980er und 1990er Jahren waren starke arthrotische Veränderungen an mehreren Gelenken entstanden. Seit Herbst 2001 ist der Kläger als Folge dieser Krankheit in die Pflegestufe 1 eingeordnet. Der Grad der Behinderung wurde ab 30. Januar 2003 auf 90 (Merkzeichen "aG") festgestellt. Im Streitjahr war der Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war hingegen nicht pflegebedürftig. Sie erhielt Pflegegeld für die Pflege des Klägers.

3

Im Jahr 1991 schlossen die Kläger einen Vorvertrag mit dem X, einem Wohnstift in Y. Im März 1999 übersiedelten die Kläger wegen der bestehenden Erkrankung des Klägers und der sicheren Annahme, dass dieser ein Pflegefall werde, von ihrer Wohnung in Z nach dort. Das damalige Stadium seiner Erkrankung hätte den Kläger noch nicht zum sofortigen Übertritt in das Alten- und Pflegeheim gezwungen. Er befürchtete jedoch eine alsbaldige drastische Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Diese hätte der Aufnahme in die Einrichtung entgegenstehen können, da die Geschäftsleitung vor Abschluss des Heimvertrages ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der zukünftigen Bewohner verlangt, aus dem hervorgeht, dass sich diese noch in einem guten geistigen und körperlichen Zustand befinden.

4

Im Wohnstift nutzte der Kläger das Appartement A, die Klägerin bis zum 29. Dezember 2004 das Appartement B und ab dem 14. Dezember 2004 das Appartement C. Die Wohnverträge enthalten Entgeltbestandteile für Wohnen (beispielsweise wöchentliche Reinigung der Fußböden), für Verpflegung (beispielsweise ein warmes Mittagsmenü, alternativ eine Abendmahlzeit oder ein großes Frühstück) sowie für Betreuung (beispielsweise Krankenpflege, Notfallbereitschaft).

5

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten die Kläger (neben dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Ausgaben in Höhe von 582 €) weitere Aufwendungen in Höhe von insgesamt 51.405,40 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) anerkannte hiervon sämtliche den Kläger betreffende Aufwendungen (Wohn-, Verpflegungs- und Betreuungskosten) und damit insgesamt einen Betrag in Höhe von 18.132 € als außergewöhnliche Belastungen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge wurden lediglich teilweise als außergewöhnliche Belastungen des Klägers angesetzt. Das FA rechnete dem Kläger ein Drittel der Wohn- sowie Wohnnebenkosten der Klägerin zu und berücksichtigte weiteren Aufwand in Höhe von 8.137,10 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA ging dabei davon aus, dass der Kläger die Wohnung der Klägerin in diesem Umfang mitbenutzt. Insgesamt hat das FA den Kläger betreffende Kosten in Höhe von insgesamt 26.269,10 € dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hiervon hat das FA sodann eine geschätzte Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € in Abzug gebracht und damit letztlich einen Betrag in Höhe von 19.172 € (18.590 € + unstreitige Aufwendungen in Höhe von 582 €) nach § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt. Der auf die Unterbringung der Klägerin entfallende Anteil an den Wohn- und Wohnnebenkosten sowie ihre Aufwendungen für Betreuung und Verpflegung blieben unberücksichtigt. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2007  6 K 363/05 aufzuheben und den Steuerbescheid vom 11. Oktober 2005 in der Form des letzten Änderungsbescheids vom 17. September 2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2005 dahingehend zu ändern, dass weitere 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1 EStG anerkannt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

1. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die streitigen Aufwendungen der Klägerin für die Unterbringung in dem Wohnstift sowie ihre Kosten für Verpflegung und Betreuung in Höhe von insgesamt 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen (2.). Ebenfalls zutreffend hat es die Unterbringungs- und Verpflegungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt (3.).

11

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764, und vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

aa) Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn sie von den --zu den Kosten der üblichen Lebensführung rechnenden-- Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.

13

bb) Ausnahmsweise sind nach der bisherigen Rechtsprechung auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt --abzüglich einer Haushaltsersparnis-- als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Unterbringung in einem Altenheim ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, weil der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist, nicht dagegen, wenn der Steuerpflichtige erst während des Aufenthalts erkrankt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Abweichend hiervon lässt die Finanzverwaltung --wie im Streitfall-- derartige Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug in das Altenheim eintritt, jedoch nur, wenn mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch festgestellt ist (vgl. Nichtanwendungserlass vom 20. Januar 2003, BStBl I 2003, 89).

14

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die streitigen Aufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Der Klägerin sind durch die geltend gemachten Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung keine steuerlich zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen entstanden.

15

a) Insbesondere sind ihr die Kosten ihrer Unterbringung nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des FG weder pflegebedürftig noch hält sie sich krankheitsbedingt im Wohnstift auf. An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

16

Die von den Klägern insoweit erhobenen Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen (umfassend hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 58 ff.). Sie haben bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch die Nichtvernehmung der Zeugin V verletzt habe. Die Kläger verkennen insbesondere, dass diese Rüge zu den verzichtbaren Verfahrensrügen gehört (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Deshalb erfordert eine ordnungsgemäße Rüge dieser Verfahrensmängel auch den Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103). Entsprechende Darlegungen fehlen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Kläger das Übergehen ihres schriftsätzlich gestellten Beweisantrags gerügt haben. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 3. Dezember 2007 ergibt sich jedenfalls nichts Einschlägiges. Im Übrigen hatte der Beweisantrag der Kläger vom 3. Dezember 2007 lediglich zum Ziel, festzustellen, dass die Klägerin bereits vor dem Einzug in das Wohnstift an Osteoporose erkrankt war, nicht aber, dass der Aufenthalt der Klägerin dort ausschließlich dieser Krankheit geschuldet sei.

17

Daher kann der Senat offenlassen, ob die Kosten einer Heimunterbringung --abweichend von der bisherigen Rechtsprechung-- auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und pflegebedürftig geworden ist. Für eine Berücksichtigung unter Anrechnung einer Haushaltsersparnis könnte sprechen, dass auch bei nachträglich eintretender Pflegebedürftigkeit der weitere Heimaufenthalt aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen sein könnte. Dahinstehen kann ferner, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind.

18

b) Schließlich sind die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin auch nicht deshalb tatsächlich zwangsläufig erwachsen, weil sich der Kläger aus Krankheitsgründen in dem Pflegeheim aufhält. Für diesen vermag sich der Aufenthalt im Pflegeheim mittlerweile als krankheitsbedingtes unabwendbares Ereignis darstellen. Der Umstand, dass die Klägerin dem Kläger in das Wohnstift gefolgt ist, beruht jedoch nicht auf einem solchen unabwendbaren Ereignis, sondern auf einem freien Willensentschluss. Eine tatsächliche Zwangslage i.S. des § 33 Abs. 1 EStG kann aber nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 126/86, BFHE 160, 516, BStBl II 1990, 738, sowie Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 189).

19

c) Die streitigen Wohn- und Wohnnebenkosten sowie die Kosten für Verpflegung und Betreuung im Wohnstift sind der Klägerin auch nicht aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden.

20

aa) Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist nur zu bejahen, wenn die Aufwendungen aufgrund unmittelbar aus dem Gesetz folgender Verpflichtungen geleistet werden (BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Eine gesetzliche Pflicht der Klägerin, den Kläger in das Wohnstift zu begleiten und nach dort zu übersiedeln, ist nicht ersichtlich.

21

Insbesondere begründet § 1353 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine solche Verpflichtung. Nach dieser Vorschrift sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Eine Pflicht zum räumlichen Zusammenleben folgt daraus jedoch nicht. Zwar gilt als Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Anders ist es aber, wenn die Lebensverhältnisse entgegenstehen oder im gegenseitigen Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart ist (Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1353 Rz 6; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1353 Rz 8). Deshalb heben beispielsweise Haft oder ein längerer Aufenthalt in einer Klinik die eheliche Lebensgemeinschaft nicht auf (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 1353 Rz 34). Dies gilt selbst dann, wenn ein Ehegatte aller Voraussicht nach dauerhaft in einem Heim lebt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 XII ZR 247/00, BGHZ 149, 140 <144>).

22

bb) Ein die Zwangsläufigkeit begründendes sittliches Gebot ist ebenfalls nicht erkennbar. Ein solches ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Umzug verpflichtet sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein genügen deshalb nicht. Es reicht vor allem nicht aus, dass ein gemeinsames Übersiedeln in das Wohnstift menschlich verständlich ist. Die sittlichen Motive müssen vielmehr so stark sein, dass eine andere Entscheidung kaum möglich erscheint, d.h. der Steuerpflichtige muss bei einem Zuwiderhandeln nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor seinen Mitbürgern als "unsittlich" oder "unanständig" gelten. Es ist daher darauf abzustellen, ob die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung "Nachteile im Sinne von Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene" zur Folge haben kann, ob das Unterlassen also als moralisch anstößig empfunden wird.

23

Dementsprechend setzt nach der Rechtsprechung die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen voraus, dass die Sittenordnung das Handeln "erfordert" (BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 271/68, BFHE 102, 389, BStBl II 1971, 628). Infolgedessen ist eine Zwangsläufigkeit nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt; auch ist nicht jede aus sittlichen Gründen verständliche Unterstützung Dritter zwangsläufig. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715, mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt (beispielsweise BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432; vom 30. Oktober 2003 III R 23/02, BFHE 204, 113, BStBl II 2004, 267; vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299, und vom 23. Oktober 2002 III R 57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187).

24

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist es verständlich, dass sich die Klägerin entschieden hat, mit ihrem Ehemann in das Wohnstift zu übersiedeln. Sittlich verpflichtet hierzu war sie indessen nicht. Nach Auffassung des erkennenden Senats erwartet die Gesellschaft nicht unausweichlich, dass ein "gesunder" Ehegatte den bisher gemeinsam geführten Hausstand aufgibt und seinen kranken bzw. pflegebedürftigen Ehepartner in ein Alters- oder Pflegeheim begleitet.

25

d) Eine gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Benachteiligung der Eheleute liegt darin --entgegen der Auffassung der Kläger-- nicht. Das FG hat zutreffend dargelegt, dass die Versagung des Abzugs der geltend gemachten Wohn- und Lebenshaltungskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht auf der Ehe der Klägerin, sondern vielmehr auf dem Umstand gründet, dass das FA die Aufwendungen zu Recht nicht unter den Tatbestand des § 33 Abs. 1 EStG zu subsumieren vermochte.

26

3. Ebenfalls zutreffend hat das FG die als außergewöhnliche Belastungen dem Grunde nach anerkannten Unterbringungs-, Verpflegungs- und Betreuungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt.

27

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteile in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70, und vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).

28

Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nach Auffassung des Senats nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (so auch BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

29

Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim sind nur dann nicht um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten belastet bleibt. Hieran ändert nichts, dass die frühere Wohnung eines Pflegebedürftigen von dessen Ehegatten weiter bewohnt wird. Auch in einem solchen Fall entstehen durch die dann zu große Wohnung bedingte Fixkosten, die den Abzug einer Haushaltsersparnis von den als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten einer Pflegeheimunterbringung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 231).

30

Im Streitfall haben die Kläger jedoch ihren ursprünglich gemeinsamen Haushalt aufgegeben, so dass eine Kürzung um die Haushaltsersparnis geboten ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass durch den im Pflegeheim neu begründeten gemeinsamen Haushalt auch dem Kläger neben den ihn betreffenden Pflegeheimkosten zusätzliche Kosten der Lebensführung entstanden sind, die einer Vorteilsanrechnung entgegenstehen können. Gleichwohl ist vorliegend der Ansatz einer Haushaltsersparnis gerechtfertigt, da das FA den auf den Kläger entfallenden Anteil an den Fixkosten dieses Hausstandes als außergewöhnliche Belastungen in Abzug gebracht hat. Der von den Klägern begehrte Verzicht auf die Kürzung um die Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung bewirken. Dem steht nicht entgegen, dass das FA die Unterbringungs- und Verpflegungskosten der Klägerin nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat. Eine Haushaltsersparnis ist schon dann gerechtfertigt, wenn nur der Kläger entsprechende Lebenshaltungskosten erspart.

31

Die Haushaltsersparnis des Klägers schätzt der Senat entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen auf 7.680 € (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; FG München, Urteil vom 5. November 2008  15 K 2814/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 309; FG Köln, Urteil vom 28. April 2009  8 K 1337/08, EFG 2010, 479; R 188 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2003). Soweit die Kläger hiergegen einwenden, dass ihnen durch den Umzug Mehr- und nicht Wenigerkosten entstanden sind, verkennen sie, dass die Haushaltsersparnis (des Klägers) durch einen Vergleich der Pflegeheimkosten mit den Kosten eines entsprechenden privaten Haushalts und nicht durch einen Vergleich mit den Kosten eines Altenheims zu ermitteln ist (BFH-Urteil in BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

32

4. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht mehr streitig, dass den Klägern im Streitfall die Pauschbeträge nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. bis Veranlagungszeitraum 2008 nicht zu gewähren sind. Das FA hat die Pflegekosten des Klägers sowie seine Kosten für Unterbringung und Verpflegung zum Abzug nach § 33 EStG zugelassen. In einem solchen Fall ist die Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2002 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294). Der Klägerin hat das FA anstelle des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG ausgehend von Aufwendungen in Höhe von 3.000 € zugesprochen. Die daraus resultierende Steuerermäßigung in Höhe von 600 € wirkt sich für die Klägerin günstiger als der Abzug des Pauschbetrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 33a Abs. 3 EStG aus. Sie ist deshalb durch die angefochtene Steuerfestsetzung insoweit nicht beschwert.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnstift als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

Die am 12. Juni 1929 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2004 und 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin ist am 26. Februar 2005 verstorben. Er wurde von seinen Kindern zu je einem Drittel beerbt. Im Dezember 1997 hatte die Klägerin eine Gehirnblutung erlitten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ihr wurden deshalb mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 24. November 1998 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H zuerkannt. Zudem wurde sie aufgrund ihrer Erkrankung als pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe III anerkannt.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten zunächst weiterhin gemeinsam in der Ehewohnung. Am 26. März 2003 schlossen sie mit der X Seniorenstift GmbH (X GmbH) einen sog. Wohnstiftsvertrag über die Vermietung eines aus drei Zimmern bestehenden Apartments mit 74,54 qm Wohnfläche. Der Vertrag beinhaltet u.a. auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen bis zu 14 Tage im Jahr). Der Umzug in das Seniorenwohnstift erfolgte im November 2003. Das monatliche Entgelt betrug zunächst 3.532,65 € und setzte sich aus den Bestandteilen Wohnen (2.527 €), Verpflegung (400 €) sowie Betreuung (605,65 €) zusammen.

4

Zusätzlich schloss die Klägerin mit der X GmbH einen Pflegevertrag, in dem sich die X GmbH zur Erbringung von Pflegesachleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch --Soziale Pflegeversicherung-- und zur häuslichen Krankenpflege nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch --Gesetzliche Krankenversicherung-- verpflichtete. Die Entgelte wurden der Klägerin nach Abzug der anzurechnenden Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung gesondert in Rechnung gestellt.

5

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2004 und 2005 die Aufwendungen, die mit dem Aufenthalt im Seniorenwohnstift und ihrer Pflegebedürftigkeit in Zusammenhang standen, als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen beliefen sich für das Streitjahr 2004 insgesamt auf 41.272 € und für 2005 insgesamt auf 49.235,22 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte --vor Abzug der zumutbaren Belastung-- Aufwendungen in Höhe von 4.101 € für das Streitjahr 2004 und in Höhe von 18.828 € für das Streitjahr 2005 als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG an. Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 änderte das FA die angefochtenen Bescheide u.a. dahingehend, dass es für die Unterbringung der Klägerin in der Senioreneinrichtung einen Tagessatz in Höhe von 50 € berücksichtigte und von den so errechneten Aufwendungen eine Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € abzog. Vor Abzug der zumutbaren Belastung ergaben sich danach Beträge in Höhe von 13.747 € (2004) bzw. 17.634 € (2005).

6

Mit der Klage begehrte die Klägerin den vollen Abzug der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Seniorenwohnstift abzüglich einer Haushaltsersparnis. Sie vertrat die Auffassung, von den Entgelten seien lediglich die Zuschläge für die zweite Person in Abzug zu bringen, soweit sie noch mit ihrem später verstorbenen Ehemann zusammen im Stift gewohnt habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1347 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

7

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 33 EStG.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Februar 2012  10 K 2504/10 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 21. November 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 34.821 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 19. Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2010 dahingehend zu ändern, dass Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 38.708 € berücksichtigt werden.

9

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung im Wohnstift sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG. Sie sind nach den für Krankheitskosten geltenden Grundsätzen zu berücksichtigen, soweit sie im Rahmen des Üblichen liegen.

11

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

2. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die Pflege eines Steuerpflichtigen infolge einer Krankheit. Entsprechend sind auch krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (z.B. Senatsurteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794; vom 9. Dezember 2010 VI R 14/09, BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011; vom 5. Oktober 2011 VI R 88/10, BFH/NV 2012, 35), und zwar unabhängig davon, ob neben dem Pauschalentgelt gesondert Pflegekosten in Rechnung gestellt werden (Senatsurteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, BStBl II 2011, 1010; in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Senatsurteil in BFHE 232, 343, BStBl II 2011, 1011). Aufwendungen eines nicht pflegebedürftigen Steuerpflichtigen, der mit seinem pflegebedürftigen Ehegatten in ein Wohnstift übersiedelt, erwachsen hingegen nicht zwangsläufig (Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

13

Zu den Krankheitskosten gehören die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung der Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie insbesondere Kosten für die eigentliche Heilbehandlung und eine krankheitsbedingte Unterbringung (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212). Solche Aufwendungen werden von der Rechtsprechung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Erforderlich ist lediglich, dass die Aufwendungen mit der Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen (z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 240/94, BFHE 181, 468, BStBl II 1997, 346). Erfasst wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung. Dem Grunde und der Höhe nach zwangsläufig sind vielmehr die medizinisch indizierten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen, die in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt sind, es sei denn, der erforderliche Aufwand steht zum tatsächlichen in einem offensichtlichen Missverhältnis (Senatsurteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38). In einem solchen Fall fehlt es an der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlichen Angemessenheit (Senatsurteil in BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783). Ob die Aufwendungen diesen Rahmen übersteigen, hat das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

14

3. Die im Streitfall angefallenen Aufwendungen sind dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen, soweit sie die Klägerin betreffen. Anlass und Grund für den Umzug der Klägerin in das Wohnstift war ihre durch Krankheit eingetretene Pflegebedürftigkeit; es lag somit eine krankheitsbedingte Unterbringung im Wohnstift vor. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offen bleiben, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim i.S. des § 1 des Heimgesetzes (HeimG) untergebracht ist. Denn nach den Bestimmungen des Wohnstiftvertrags wird nicht lediglich Wohnraum überlassen; vielmehr wird auch Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt bzw. vorgehalten, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 HeimG erfüllt sind. Aus diesem Grund sind neben den konkret angefallenen und in Rechnung gestellten Pflegekosten dem Grunde nach auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt für die Wohnung im Wohnstift als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794).

15

Abziehbar sind im Streitfall diejenigen Beträge, die bei Unterbringung nur einer Person im Apartment angefallen wären. Denn dies sind die aufgrund der Krankheit der Klägerin entstandenen Aufwendungen, in denen nicht nur ein Wohnkostenanteil, sondern wesentlich auch der Kostenbeitrag für eine krankheitsbedingte Grundversorgung enthalten ist.

16

Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Eine zusätzliche Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist ausgeschlossen, da dies zu einer doppelten Berücksichtigung der in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Kosten für Dienstleistungen führen würde (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294).

17

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob die Pflegeversicherung (Pflegestufe III) einen Anteil an den geltend gemachten Heimunterbringungskosten übernommen hat. Denn außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abziehbar, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701). Sollte das FG in seiner ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Streitfalls weiter zu dem Ergebnis kommen, dass die von der Klägerin krankheitshalber getragenen Unterbringungskosten (beispielsweise aufgrund der Größe des Apartments) in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem medizinisch indizierten Aufwand stehen, hat es die Aufwendungen der Klägerin entsprechend zu kürzen. Abziehbar sind die üblichen Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung. Wegen des Ansatzes einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten kommt im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. VI R 33/13 anhängige Verfahren eine vorläufige Steuerfestsetzung in Betracht (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, in welchem Umfang Aufwendungen für die Unterbringung in einem Wohnstift bei Ehegatten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Der 1931 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1941 an Osteomyelitis erkrankt. Insbesondere seit den 1970er Jahren wurde er deswegen von Fachärzten, auch stationär, fortlaufend behandelt. In den 1980er und 1990er Jahren waren starke arthrotische Veränderungen an mehreren Gelenken entstanden. Seit Herbst 2001 ist der Kläger als Folge dieser Krankheit in die Pflegestufe 1 eingeordnet. Der Grad der Behinderung wurde ab 30. Januar 2003 auf 90 (Merkzeichen "aG") festgestellt. Im Streitjahr war der Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war hingegen nicht pflegebedürftig. Sie erhielt Pflegegeld für die Pflege des Klägers.

3

Im Jahr 1991 schlossen die Kläger einen Vorvertrag mit dem X, einem Wohnstift in Y. Im März 1999 übersiedelten die Kläger wegen der bestehenden Erkrankung des Klägers und der sicheren Annahme, dass dieser ein Pflegefall werde, von ihrer Wohnung in Z nach dort. Das damalige Stadium seiner Erkrankung hätte den Kläger noch nicht zum sofortigen Übertritt in das Alten- und Pflegeheim gezwungen. Er befürchtete jedoch eine alsbaldige drastische Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Diese hätte der Aufnahme in die Einrichtung entgegenstehen können, da die Geschäftsleitung vor Abschluss des Heimvertrages ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der zukünftigen Bewohner verlangt, aus dem hervorgeht, dass sich diese noch in einem guten geistigen und körperlichen Zustand befinden.

4

Im Wohnstift nutzte der Kläger das Appartement A, die Klägerin bis zum 29. Dezember 2004 das Appartement B und ab dem 14. Dezember 2004 das Appartement C. Die Wohnverträge enthalten Entgeltbestandteile für Wohnen (beispielsweise wöchentliche Reinigung der Fußböden), für Verpflegung (beispielsweise ein warmes Mittagsmenü, alternativ eine Abendmahlzeit oder ein großes Frühstück) sowie für Betreuung (beispielsweise Krankenpflege, Notfallbereitschaft).

5

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten die Kläger (neben dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Ausgaben in Höhe von 582 €) weitere Aufwendungen in Höhe von insgesamt 51.405,40 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) anerkannte hiervon sämtliche den Kläger betreffende Aufwendungen (Wohn-, Verpflegungs- und Betreuungskosten) und damit insgesamt einen Betrag in Höhe von 18.132 € als außergewöhnliche Belastungen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge wurden lediglich teilweise als außergewöhnliche Belastungen des Klägers angesetzt. Das FA rechnete dem Kläger ein Drittel der Wohn- sowie Wohnnebenkosten der Klägerin zu und berücksichtigte weiteren Aufwand in Höhe von 8.137,10 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA ging dabei davon aus, dass der Kläger die Wohnung der Klägerin in diesem Umfang mitbenutzt. Insgesamt hat das FA den Kläger betreffende Kosten in Höhe von insgesamt 26.269,10 € dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hiervon hat das FA sodann eine geschätzte Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € in Abzug gebracht und damit letztlich einen Betrag in Höhe von 19.172 € (18.590 € + unstreitige Aufwendungen in Höhe von 582 €) nach § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt. Der auf die Unterbringung der Klägerin entfallende Anteil an den Wohn- und Wohnnebenkosten sowie ihre Aufwendungen für Betreuung und Verpflegung blieben unberücksichtigt. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2007  6 K 363/05 aufzuheben und den Steuerbescheid vom 11. Oktober 2005 in der Form des letzten Änderungsbescheids vom 17. September 2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2005 dahingehend zu ändern, dass weitere 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1 EStG anerkannt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

1. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die streitigen Aufwendungen der Klägerin für die Unterbringung in dem Wohnstift sowie ihre Kosten für Verpflegung und Betreuung in Höhe von insgesamt 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen (2.). Ebenfalls zutreffend hat es die Unterbringungs- und Verpflegungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt (3.).

11

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764, und vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

aa) Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn sie von den --zu den Kosten der üblichen Lebensführung rechnenden-- Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.

13

bb) Ausnahmsweise sind nach der bisherigen Rechtsprechung auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt --abzüglich einer Haushaltsersparnis-- als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Unterbringung in einem Altenheim ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, weil der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist, nicht dagegen, wenn der Steuerpflichtige erst während des Aufenthalts erkrankt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Abweichend hiervon lässt die Finanzverwaltung --wie im Streitfall-- derartige Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug in das Altenheim eintritt, jedoch nur, wenn mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch festgestellt ist (vgl. Nichtanwendungserlass vom 20. Januar 2003, BStBl I 2003, 89).

14

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die streitigen Aufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Der Klägerin sind durch die geltend gemachten Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung keine steuerlich zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen entstanden.

15

a) Insbesondere sind ihr die Kosten ihrer Unterbringung nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des FG weder pflegebedürftig noch hält sie sich krankheitsbedingt im Wohnstift auf. An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

16

Die von den Klägern insoweit erhobenen Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen (umfassend hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 58 ff.). Sie haben bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch die Nichtvernehmung der Zeugin V verletzt habe. Die Kläger verkennen insbesondere, dass diese Rüge zu den verzichtbaren Verfahrensrügen gehört (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Deshalb erfordert eine ordnungsgemäße Rüge dieser Verfahrensmängel auch den Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103). Entsprechende Darlegungen fehlen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Kläger das Übergehen ihres schriftsätzlich gestellten Beweisantrags gerügt haben. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 3. Dezember 2007 ergibt sich jedenfalls nichts Einschlägiges. Im Übrigen hatte der Beweisantrag der Kläger vom 3. Dezember 2007 lediglich zum Ziel, festzustellen, dass die Klägerin bereits vor dem Einzug in das Wohnstift an Osteoporose erkrankt war, nicht aber, dass der Aufenthalt der Klägerin dort ausschließlich dieser Krankheit geschuldet sei.

17

Daher kann der Senat offenlassen, ob die Kosten einer Heimunterbringung --abweichend von der bisherigen Rechtsprechung-- auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und pflegebedürftig geworden ist. Für eine Berücksichtigung unter Anrechnung einer Haushaltsersparnis könnte sprechen, dass auch bei nachträglich eintretender Pflegebedürftigkeit der weitere Heimaufenthalt aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen sein könnte. Dahinstehen kann ferner, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind.

18

b) Schließlich sind die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin auch nicht deshalb tatsächlich zwangsläufig erwachsen, weil sich der Kläger aus Krankheitsgründen in dem Pflegeheim aufhält. Für diesen vermag sich der Aufenthalt im Pflegeheim mittlerweile als krankheitsbedingtes unabwendbares Ereignis darstellen. Der Umstand, dass die Klägerin dem Kläger in das Wohnstift gefolgt ist, beruht jedoch nicht auf einem solchen unabwendbaren Ereignis, sondern auf einem freien Willensentschluss. Eine tatsächliche Zwangslage i.S. des § 33 Abs. 1 EStG kann aber nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 126/86, BFHE 160, 516, BStBl II 1990, 738, sowie Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 189).

19

c) Die streitigen Wohn- und Wohnnebenkosten sowie die Kosten für Verpflegung und Betreuung im Wohnstift sind der Klägerin auch nicht aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden.

20

aa) Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist nur zu bejahen, wenn die Aufwendungen aufgrund unmittelbar aus dem Gesetz folgender Verpflichtungen geleistet werden (BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Eine gesetzliche Pflicht der Klägerin, den Kläger in das Wohnstift zu begleiten und nach dort zu übersiedeln, ist nicht ersichtlich.

21

Insbesondere begründet § 1353 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine solche Verpflichtung. Nach dieser Vorschrift sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Eine Pflicht zum räumlichen Zusammenleben folgt daraus jedoch nicht. Zwar gilt als Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Anders ist es aber, wenn die Lebensverhältnisse entgegenstehen oder im gegenseitigen Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart ist (Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1353 Rz 6; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1353 Rz 8). Deshalb heben beispielsweise Haft oder ein längerer Aufenthalt in einer Klinik die eheliche Lebensgemeinschaft nicht auf (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 1353 Rz 34). Dies gilt selbst dann, wenn ein Ehegatte aller Voraussicht nach dauerhaft in einem Heim lebt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 XII ZR 247/00, BGHZ 149, 140 <144>).

22

bb) Ein die Zwangsläufigkeit begründendes sittliches Gebot ist ebenfalls nicht erkennbar. Ein solches ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Umzug verpflichtet sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein genügen deshalb nicht. Es reicht vor allem nicht aus, dass ein gemeinsames Übersiedeln in das Wohnstift menschlich verständlich ist. Die sittlichen Motive müssen vielmehr so stark sein, dass eine andere Entscheidung kaum möglich erscheint, d.h. der Steuerpflichtige muss bei einem Zuwiderhandeln nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor seinen Mitbürgern als "unsittlich" oder "unanständig" gelten. Es ist daher darauf abzustellen, ob die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung "Nachteile im Sinne von Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene" zur Folge haben kann, ob das Unterlassen also als moralisch anstößig empfunden wird.

23

Dementsprechend setzt nach der Rechtsprechung die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen voraus, dass die Sittenordnung das Handeln "erfordert" (BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 271/68, BFHE 102, 389, BStBl II 1971, 628). Infolgedessen ist eine Zwangsläufigkeit nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt; auch ist nicht jede aus sittlichen Gründen verständliche Unterstützung Dritter zwangsläufig. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715, mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt (beispielsweise BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432; vom 30. Oktober 2003 III R 23/02, BFHE 204, 113, BStBl II 2004, 267; vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299, und vom 23. Oktober 2002 III R 57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187).

24

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist es verständlich, dass sich die Klägerin entschieden hat, mit ihrem Ehemann in das Wohnstift zu übersiedeln. Sittlich verpflichtet hierzu war sie indessen nicht. Nach Auffassung des erkennenden Senats erwartet die Gesellschaft nicht unausweichlich, dass ein "gesunder" Ehegatte den bisher gemeinsam geführten Hausstand aufgibt und seinen kranken bzw. pflegebedürftigen Ehepartner in ein Alters- oder Pflegeheim begleitet.

25

d) Eine gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Benachteiligung der Eheleute liegt darin --entgegen der Auffassung der Kläger-- nicht. Das FG hat zutreffend dargelegt, dass die Versagung des Abzugs der geltend gemachten Wohn- und Lebenshaltungskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht auf der Ehe der Klägerin, sondern vielmehr auf dem Umstand gründet, dass das FA die Aufwendungen zu Recht nicht unter den Tatbestand des § 33 Abs. 1 EStG zu subsumieren vermochte.

26

3. Ebenfalls zutreffend hat das FG die als außergewöhnliche Belastungen dem Grunde nach anerkannten Unterbringungs-, Verpflegungs- und Betreuungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt.

27

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteile in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70, und vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).

28

Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nach Auffassung des Senats nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (so auch BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

29

Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim sind nur dann nicht um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten belastet bleibt. Hieran ändert nichts, dass die frühere Wohnung eines Pflegebedürftigen von dessen Ehegatten weiter bewohnt wird. Auch in einem solchen Fall entstehen durch die dann zu große Wohnung bedingte Fixkosten, die den Abzug einer Haushaltsersparnis von den als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten einer Pflegeheimunterbringung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 231).

30

Im Streitfall haben die Kläger jedoch ihren ursprünglich gemeinsamen Haushalt aufgegeben, so dass eine Kürzung um die Haushaltsersparnis geboten ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass durch den im Pflegeheim neu begründeten gemeinsamen Haushalt auch dem Kläger neben den ihn betreffenden Pflegeheimkosten zusätzliche Kosten der Lebensführung entstanden sind, die einer Vorteilsanrechnung entgegenstehen können. Gleichwohl ist vorliegend der Ansatz einer Haushaltsersparnis gerechtfertigt, da das FA den auf den Kläger entfallenden Anteil an den Fixkosten dieses Hausstandes als außergewöhnliche Belastungen in Abzug gebracht hat. Der von den Klägern begehrte Verzicht auf die Kürzung um die Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung bewirken. Dem steht nicht entgegen, dass das FA die Unterbringungs- und Verpflegungskosten der Klägerin nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat. Eine Haushaltsersparnis ist schon dann gerechtfertigt, wenn nur der Kläger entsprechende Lebenshaltungskosten erspart.

31

Die Haushaltsersparnis des Klägers schätzt der Senat entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen auf 7.680 € (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; FG München, Urteil vom 5. November 2008  15 K 2814/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 309; FG Köln, Urteil vom 28. April 2009  8 K 1337/08, EFG 2010, 479; R 188 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2003). Soweit die Kläger hiergegen einwenden, dass ihnen durch den Umzug Mehr- und nicht Wenigerkosten entstanden sind, verkennen sie, dass die Haushaltsersparnis (des Klägers) durch einen Vergleich der Pflegeheimkosten mit den Kosten eines entsprechenden privaten Haushalts und nicht durch einen Vergleich mit den Kosten eines Altenheims zu ermitteln ist (BFH-Urteil in BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

32

4. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht mehr streitig, dass den Klägern im Streitfall die Pauschbeträge nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. bis Veranlagungszeitraum 2008 nicht zu gewähren sind. Das FA hat die Pflegekosten des Klägers sowie seine Kosten für Unterbringung und Verpflegung zum Abzug nach § 33 EStG zugelassen. In einem solchen Fall ist die Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2002 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294). Der Klägerin hat das FA anstelle des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG ausgehend von Aufwendungen in Höhe von 3.000 € zugesprochen. Die daraus resultierende Steuerermäßigung in Höhe von 600 € wirkt sich für die Klägerin günstiger als der Abzug des Pauschbetrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 33a Abs. 3 EStG aus. Sie ist deshalb durch die angefochtene Steuerfestsetzung insoweit nicht beschwert.

Tatbestand

1

I. Die 1930 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielt neben Renteneinkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung. Sie ist seit 1999 in psychiatrischer Behandlung. Im Anschluss an eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik von April bis Juli 2004 zog sie auf ärztliche Empfehlung in ein Appartement in einem Seniorenheim. In der Fachärztlichen Bescheinigung vom 23. Mai 2005 heißt es u.a.:

2

"Aufgrund der Ausprägung der bei ihr bestehenden Erkrankung aus unserem Fachgebiet war aus ärztlicher Sicht im Anschluss an die stationäre Behandlung in der hiesigen Klinik von April bis Juli 2004 eine Unterbringung in einem Seniorenheim im Bereich des Betreuten Wohnens dringend erforderlich. Die Pat. war krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, ihr Leben in ihrem bisherigen häuslichen Milieu selbständig zu führen."

3

Ihre bis dahin genutzte Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus behielt sie bei.

4

Mit Beschluss vom 18. August 2005 ordnete das Amtsgericht (AG) ... die Betreuung der Klägerin an. In dem Beschluss heißt es u.a.:

5

"Nach dem ärztlichen Attest der Sachverständigen ... leidet Frau ... an einer bipolaren affektiven Psychose, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen. Danach bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass Frau ... aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, eigene Angelegenheiten wahrzunehmen ...".

6

Mit Beschluss vom 3. März 2006 wurde die Betreuung bis 2013 verlängert und einer der Prozessbevollmächtigten zum Betreuer bestimmt.

7

Der Heimbetreiber rechnete gegenüber der Klägerin monatlich die Kosten für Miete (1.288,46 €) und Verpflegung (269,45 €) ab. Pflegekosten wurden nicht in Rechnung gestellt.

8

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2005 und 2006) machte die Klägerin die Mietaufwendungen in Höhe von insgesamt 15.462 € (1.288,46 € x 12) als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ab, weil es an einer Einstufung der Klägerin in eine der Pflegestufen oder einem Eintrag des Merkzeichens "H" im Behindertenausweis fehle. Das FA berücksichtigte allerdings den Haushaltsfreibetrag nach § 33a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. der Streitjahre.

9

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin den Abzug der Mietkosten beantragte, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 479 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die geltend gemachten Kosten einschließlich der Aufwendungen für Verpflegung (insgesamt 18.695 €) seien dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass die Klägerin ausschließlich wegen ihrer Erkrankung, nicht aber wegen ihres Alters in das Seniorenheim gezogen sei. Die Kosten seien aber um die Haushaltsersparnis zu kürzen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 33 EStG.

11

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

14

Das FG hat zu Recht die strittigen Mietaufwendungen der Klägerin für die Unterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt.

15

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Krankheitskosten sind regelmäßig eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG.

16

a) Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim. Liegt dagegen ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Alters- oder Pflegeheim vor, stellen sich die Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten dar (BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; vom 23. Mai 2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567; vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; s. auch R 33.3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 33 Rz 35, Stichwort Altersheim).

17

b) Nach diesen Grundsätzen stellen die Aufwendungen der Klägerin Krankheitskosten dar. Denn das FG hat vor allem unter Bezugnahme auf den erwähnten Beschluss des AG ... vom 18. August 2005 und die Fachärztliche Bescheinigung vom 23. Mai 2005 nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass die Klägerin in den Streitjahren krankheitsbedingt und nicht wegen ihres Alters im Seniorenheim untergebracht war. Das FG hat zu Recht kein amtsärztliches Attest verlangt (BFH-Urteil in BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567).

18

c) Dem steht nicht entgegen, dass der Klägerin keine Pflegekosten in Rechnung gestellt worden sind. Zwar ist der Abzug von Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung vornehmlich bei krankheitsbedingter Pflegebedürftigkeit von Bedeutung (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102; in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Das bedeutet jedoch nicht, wie das FA offensichtlich meint, dass die Pflegebedürftigkeit notwendige Voraussetzung für den Abzug ist. Vielmehr kann, wie der Streitfall zeigt, der Aufenthalt in einem Altersheim auch dann krankheitsbedingt sein, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist. Soweit der III. Senat des BFH im Urteil in BFH/NV 2009, 1102 die Auffassung vertreten hat, dass ein ausschließlich krankheitsbedingter Aufenthalt noch nicht gegeben sei, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden seien und kein Merkzeichen "H" oder "Bl" im Schwerbehindertenausweis nach § 69 Abs. 5 des Sozialgesetzbuchs IX i.V.m. § 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung festgestellt sei, folgt dem der erkennende Senat nicht. Einer Vorlage an den Großen Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO bedarf es nicht, weil der erkennende Senat seit 2009 für außergewöhnliche Belastungen sachlich allein zuständig ist.

19

2. Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grund nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794). Im Streitfall hat das FG die Haushaltsersparnis entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag zu Recht auf 7.680 € geschätzt und dabei die Kosten für Verpflegung, deren Berücksichtigung die Klägerin nicht ausdrücklich beantragt hatte, gegengerechnet.

(1)1Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.2Der Höchstbetrag nach Satz 1 erhöht sich um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 anzusetzen sind.3Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.4Voraussetzung ist, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt; ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Absatz 2 Nummer 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberücksichtigt.5Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich die Summe der nach Satz 1 und Satz 2 ermittelten Beträge um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 Euro im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die von der unterhaltenen Person als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse; zu den Bezügen gehören auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Absatz 4, § 17 Absatz 3 und § 18 Absatz 3, die nach § 19 Absatz 2 steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 übersteigen.6Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind, höchstens jedoch der Betrag, der sich nach den Sätzen 1 bis 5 ergibt; ob der Steuerpflichtige zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist, ist nach inländischen Maßstäben zu beurteilen.7Werden die Aufwendungen für eine unterhaltene Person von mehreren Steuerpflichtigen getragen, so wird bei jedem der Teil des sich hiernach ergebenden Betrags abgezogen, der seinem Anteil am Gesamtbetrag der Leistungen entspricht.8Nicht auf Euro lautende Beträge sind entsprechend dem für Ende September des Jahres vor dem Veranlagungszeitraum von der Europäischen Zentralbank bekannt gegebenen Referenzkurs umzurechnen.9Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der unterhaltenen Person in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden, wenn die unterhaltene Person der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt.10Die unterhaltene Person ist für diese Zwecke verpflichtet, dem Unterhaltsleistenden ihre erteilte Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) mitzuteilen.11Kommt die unterhaltene Person dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Unterhaltsleistende berechtigt, bei der für ihn zuständigen Finanzbehörde die Identifikationsnummer der unterhaltenen Person zu erfragen.

(2)1Zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes, für das Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder Kindergeld besteht, kann der Steuerpflichtige einen Freibetrag in Höhe von 1 200 Euro je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen.2Für ein nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind mindert sich der vorstehende Betrag nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 6.3Erfüllen mehrere Steuerpflichtige für dasselbe Kind die Voraussetzungen nach Satz 1, so kann der Freibetrag insgesamt nur einmal abgezogen werden.4Jedem Elternteil steht grundsätzlich die Hälfte des Abzugsbetrags nach den Sätzen 1 und 2 zu.5Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.

(3)1Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die dort bezeichneten Beträge um je ein Zwölftel; der sich daraus ergebende Betrag ist auf den nächsten vollen Euro-Betrag aufzurunden.2Eigene Einkünfte und Bezüge der nach Absatz 1 unterhaltenen Person, die auf diese Kalendermonate entfallen, vermindern den nach Satz 1 ermäßigten Höchstbetrag nicht.3Als Ausbildungshilfe bezogene Zuschüsse der nach Absatz 1 unterhaltenen Person mindern nur den zeitanteiligen Höchstbetrag der Kalendermonate, für die sie bestimmt sind.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann wegen der in diesen Vorschriften bezeichneten Aufwendungen der Steuerpflichtige eine Steuerermäßigung nach § 33 nicht in Anspruch nehmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, in welchem Umfang Aufwendungen für die Unterbringung in einem Wohnstift bei Ehegatten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Der 1931 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1941 an Osteomyelitis erkrankt. Insbesondere seit den 1970er Jahren wurde er deswegen von Fachärzten, auch stationär, fortlaufend behandelt. In den 1980er und 1990er Jahren waren starke arthrotische Veränderungen an mehreren Gelenken entstanden. Seit Herbst 2001 ist der Kläger als Folge dieser Krankheit in die Pflegestufe 1 eingeordnet. Der Grad der Behinderung wurde ab 30. Januar 2003 auf 90 (Merkzeichen "aG") festgestellt. Im Streitjahr war der Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war hingegen nicht pflegebedürftig. Sie erhielt Pflegegeld für die Pflege des Klägers.

3

Im Jahr 1991 schlossen die Kläger einen Vorvertrag mit dem X, einem Wohnstift in Y. Im März 1999 übersiedelten die Kläger wegen der bestehenden Erkrankung des Klägers und der sicheren Annahme, dass dieser ein Pflegefall werde, von ihrer Wohnung in Z nach dort. Das damalige Stadium seiner Erkrankung hätte den Kläger noch nicht zum sofortigen Übertritt in das Alten- und Pflegeheim gezwungen. Er befürchtete jedoch eine alsbaldige drastische Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Diese hätte der Aufnahme in die Einrichtung entgegenstehen können, da die Geschäftsleitung vor Abschluss des Heimvertrages ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der zukünftigen Bewohner verlangt, aus dem hervorgeht, dass sich diese noch in einem guten geistigen und körperlichen Zustand befinden.

4

Im Wohnstift nutzte der Kläger das Appartement A, die Klägerin bis zum 29. Dezember 2004 das Appartement B und ab dem 14. Dezember 2004 das Appartement C. Die Wohnverträge enthalten Entgeltbestandteile für Wohnen (beispielsweise wöchentliche Reinigung der Fußböden), für Verpflegung (beispielsweise ein warmes Mittagsmenü, alternativ eine Abendmahlzeit oder ein großes Frühstück) sowie für Betreuung (beispielsweise Krankenpflege, Notfallbereitschaft).

5

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten die Kläger (neben dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Ausgaben in Höhe von 582 €) weitere Aufwendungen in Höhe von insgesamt 51.405,40 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) anerkannte hiervon sämtliche den Kläger betreffende Aufwendungen (Wohn-, Verpflegungs- und Betreuungskosten) und damit insgesamt einen Betrag in Höhe von 18.132 € als außergewöhnliche Belastungen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beträge wurden lediglich teilweise als außergewöhnliche Belastungen des Klägers angesetzt. Das FA rechnete dem Kläger ein Drittel der Wohn- sowie Wohnnebenkosten der Klägerin zu und berücksichtigte weiteren Aufwand in Höhe von 8.137,10 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA ging dabei davon aus, dass der Kläger die Wohnung der Klägerin in diesem Umfang mitbenutzt. Insgesamt hat das FA den Kläger betreffende Kosten in Höhe von insgesamt 26.269,10 € dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hiervon hat das FA sodann eine geschätzte Haushaltsersparnis in Höhe von 7.680 € in Abzug gebracht und damit letztlich einen Betrag in Höhe von 19.172 € (18.590 € + unstreitige Aufwendungen in Höhe von 582 €) nach § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt. Der auf die Unterbringung der Klägerin entfallende Anteil an den Wohn- und Wohnnebenkosten sowie ihre Aufwendungen für Betreuung und Verpflegung blieben unberücksichtigt. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2007  6 K 363/05 aufzuheben und den Steuerbescheid vom 11. Oktober 2005 in der Form des letzten Änderungsbescheids vom 17. September 2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2005 dahingehend zu ändern, dass weitere 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1 EStG anerkannt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

1. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die streitigen Aufwendungen der Klägerin für die Unterbringung in dem Wohnstift sowie ihre Kosten für Verpflegung und Betreuung in Höhe von insgesamt 23.815,74 € als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen (2.). Ebenfalls zutreffend hat es die Unterbringungs- und Verpflegungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt (3.).

11

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764, und vom 25. Juli 2007 III R 64/06, BFH/NV 2008, 200).

12

aa) Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim. Dagegen sind Aufwendungen für die Pflege eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen ebenso wie Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280). Ist der Steuerpflichtige in einem Altenheim untergebracht, sind die tatsächlich angefallenen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn sie von den --zu den Kosten der üblichen Lebensführung rechnenden-- Kosten für die Unterbringung abgrenzbar sind.

13

bb) Ausnahmsweise sind nach der bisherigen Rechtsprechung auch die Unterbringungskosten bzw. das Pauschalentgelt --abzüglich einer Haushaltsersparnis-- als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Unterbringung in einem Altenheim ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, weil der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist, nicht dagegen, wenn der Steuerpflichtige erst während des Aufenthalts erkrankt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Abweichend hiervon lässt die Finanzverwaltung --wie im Streitfall-- derartige Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug in das Altenheim eintritt, jedoch nur, wenn mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch festgestellt ist (vgl. Nichtanwendungserlass vom 20. Januar 2003, BStBl I 2003, 89).

14

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die streitigen Aufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Der Klägerin sind durch die geltend gemachten Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung keine steuerlich zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen entstanden.

15

a) Insbesondere sind ihr die Kosten ihrer Unterbringung nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des FG weder pflegebedürftig noch hält sie sich krankheitsbedingt im Wohnstift auf. An diese Feststellungen ist der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

16

Die von den Klägern insoweit erhobenen Verfahrensrügen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen (umfassend hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 58 ff.). Sie haben bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das FG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch die Nichtvernehmung der Zeugin V verletzt habe. Die Kläger verkennen insbesondere, dass diese Rüge zu den verzichtbaren Verfahrensrügen gehört (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Deshalb erfordert eine ordnungsgemäße Rüge dieser Verfahrensmängel auch den Vortrag, dass die Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz gerügt wurde, sofern sich die Rüge nicht schon aus dem angegriffenen Urteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2008 VIII B 20-22/08, BFH/NV 2009, 183; vom 16. Juli 2008 X B 202/07, BFH/NV 2008, 1681; vom 9. September 2005 I B 40/05, BFH/NV 2006, 101; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103). Entsprechende Darlegungen fehlen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Kläger das Übergehen ihres schriftsätzlich gestellten Beweisantrags gerügt haben. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 3. Dezember 2007 ergibt sich jedenfalls nichts Einschlägiges. Im Übrigen hatte der Beweisantrag der Kläger vom 3. Dezember 2007 lediglich zum Ziel, festzustellen, dass die Klägerin bereits vor dem Einzug in das Wohnstift an Osteoporose erkrankt war, nicht aber, dass der Aufenthalt der Klägerin dort ausschließlich dieser Krankheit geschuldet sei.

17

Daher kann der Senat offenlassen, ob die Kosten einer Heimunterbringung --abweichend von der bisherigen Rechtsprechung-- auch dann zu berücksichtigen sind, wenn ein Steuerpflichtiger erst nach dem Umzug in das Altenheim krank und pflegebedürftig geworden ist. Für eine Berücksichtigung unter Anrechnung einer Haushaltsersparnis könnte sprechen, dass auch bei nachträglich eintretender Pflegebedürftigkeit der weitere Heimaufenthalt aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen sein könnte. Dahinstehen kann ferner, ob und ggf. ab welcher Pflegestufe die Kosten für die Unterbringung eines pflegebedürftigen Steuerpflichtigen in einem Altenheim aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind.

18

b) Schließlich sind die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin auch nicht deshalb tatsächlich zwangsläufig erwachsen, weil sich der Kläger aus Krankheitsgründen in dem Pflegeheim aufhält. Für diesen vermag sich der Aufenthalt im Pflegeheim mittlerweile als krankheitsbedingtes unabwendbares Ereignis darstellen. Der Umstand, dass die Klägerin dem Kläger in das Wohnstift gefolgt ist, beruht jedoch nicht auf einem solchen unabwendbaren Ereignis, sondern auf einem freien Willensentschluss. Eine tatsächliche Zwangslage i.S. des § 33 Abs. 1 EStG kann aber nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 126/86, BFHE 160, 516, BStBl II 1990, 738, sowie Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 189).

19

c) Die streitigen Wohn- und Wohnnebenkosten sowie die Kosten für Verpflegung und Betreuung im Wohnstift sind der Klägerin auch nicht aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden.

20

aa) Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist nur zu bejahen, wenn die Aufwendungen aufgrund unmittelbar aus dem Gesetz folgender Verpflichtungen geleistet werden (BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745). Eine gesetzliche Pflicht der Klägerin, den Kläger in das Wohnstift zu begleiten und nach dort zu übersiedeln, ist nicht ersichtlich.

21

Insbesondere begründet § 1353 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine solche Verpflichtung. Nach dieser Vorschrift sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Eine Pflicht zum räumlichen Zusammenleben folgt daraus jedoch nicht. Zwar gilt als Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Anders ist es aber, wenn die Lebensverhältnisse entgegenstehen oder im gegenseitigen Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart ist (Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1353 Rz 6; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1353 Rz 8). Deshalb heben beispielsweise Haft oder ein längerer Aufenthalt in einer Klinik die eheliche Lebensgemeinschaft nicht auf (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 1353 Rz 34). Dies gilt selbst dann, wenn ein Ehegatte aller Voraussicht nach dauerhaft in einem Heim lebt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 XII ZR 247/00, BGHZ 149, 140 <144>).

22

bb) Ein die Zwangsläufigkeit begründendes sittliches Gebot ist ebenfalls nicht erkennbar. Ein solches ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Umzug verpflichtet sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein genügen deshalb nicht. Es reicht vor allem nicht aus, dass ein gemeinsames Übersiedeln in das Wohnstift menschlich verständlich ist. Die sittlichen Motive müssen vielmehr so stark sein, dass eine andere Entscheidung kaum möglich erscheint, d.h. der Steuerpflichtige muss bei einem Zuwiderhandeln nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor seinen Mitbürgern als "unsittlich" oder "unanständig" gelten. Es ist daher darauf abzustellen, ob die Unterlassung der zu beurteilenden Handlung "Nachteile im Sinne von Sanktionen im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene" zur Folge haben kann, ob das Unterlassen also als moralisch anstößig empfunden wird.

23

Dementsprechend setzt nach der Rechtsprechung die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen voraus, dass die Sittenordnung das Handeln "erfordert" (BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 271/68, BFHE 102, 389, BStBl II 1971, 628). Infolgedessen ist eine Zwangsläufigkeit nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt; auch ist nicht jede aus sittlichen Gründen verständliche Unterstützung Dritter zwangsläufig. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715, mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt (beispielsweise BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432; vom 30. Oktober 2003 III R 23/02, BFHE 204, 113, BStBl II 2004, 267; vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BFHE 201, 188, BStBl II 2003, 299, und vom 23. Oktober 2002 III R 57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187).

24

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist es verständlich, dass sich die Klägerin entschieden hat, mit ihrem Ehemann in das Wohnstift zu übersiedeln. Sittlich verpflichtet hierzu war sie indessen nicht. Nach Auffassung des erkennenden Senats erwartet die Gesellschaft nicht unausweichlich, dass ein "gesunder" Ehegatte den bisher gemeinsam geführten Hausstand aufgibt und seinen kranken bzw. pflegebedürftigen Ehepartner in ein Alters- oder Pflegeheim begleitet.

25

d) Eine gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Benachteiligung der Eheleute liegt darin --entgegen der Auffassung der Kläger-- nicht. Das FG hat zutreffend dargelegt, dass die Versagung des Abzugs der geltend gemachten Wohn- und Lebenshaltungskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht auf der Ehe der Klägerin, sondern vielmehr auf dem Umstand gründet, dass das FA die Aufwendungen zu Recht nicht unter den Tatbestand des § 33 Abs. 1 EStG zu subsumieren vermochte.

26

3. Ebenfalls zutreffend hat das FG die als außergewöhnliche Belastungen dem Grunde nach anerkannten Unterbringungs-, Verpflegungs- und Betreuungskosten des Klägers um die Haushaltsersparnis gekürzt.

27

Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen. Nur in dieser Höhe entstehen dem Steuerpflichtigen hierdurch gegenüber seiner bisherigen Lebensführung zusätzliche Kosten. Entsprechend sind Unterbringungskosten um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen (BFH-Urteile in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70, und vom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231).

28

Von der Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis ist nach Auffassung des Senats nur dann abzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen nur vorübergehend, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung, ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringungskosten entstehen. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben (so auch BFH-Urteil vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

29

Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung in einem Pflegeheim sind nur dann nicht um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, solange der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige in einem solchen Fall trotz der Unterbringung in einem Pflegeheim mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungskosten belastet bleibt. Hieran ändert nichts, dass die frühere Wohnung eines Pflegebedürftigen von dessen Ehegatten weiter bewohnt wird. Auch in einem solchen Fall entstehen durch die dann zu große Wohnung bedingte Fixkosten, die den Abzug einer Haushaltsersparnis von den als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten einer Pflegeheimunterbringung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 231).

30

Im Streitfall haben die Kläger jedoch ihren ursprünglich gemeinsamen Haushalt aufgegeben, so dass eine Kürzung um die Haushaltsersparnis geboten ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass durch den im Pflegeheim neu begründeten gemeinsamen Haushalt auch dem Kläger neben den ihn betreffenden Pflegeheimkosten zusätzliche Kosten der Lebensführung entstanden sind, die einer Vorteilsanrechnung entgegenstehen können. Gleichwohl ist vorliegend der Ansatz einer Haushaltsersparnis gerechtfertigt, da das FA den auf den Kläger entfallenden Anteil an den Fixkosten dieses Hausstandes als außergewöhnliche Belastungen in Abzug gebracht hat. Der von den Klägern begehrte Verzicht auf die Kürzung um die Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung bewirken. Dem steht nicht entgegen, dass das FA die Unterbringungs- und Verpflegungskosten der Klägerin nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat. Eine Haushaltsersparnis ist schon dann gerechtfertigt, wenn nur der Kläger entsprechende Lebenshaltungskosten erspart.

31

Die Haushaltsersparnis des Klägers schätzt der Senat entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen auf 7.680 € (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 136, BStBl II 2007, 764; FG München, Urteil vom 5. November 2008  15 K 2814/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 309; FG Köln, Urteil vom 28. April 2009  8 K 1337/08, EFG 2010, 479; R 188 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2003). Soweit die Kläger hiergegen einwenden, dass ihnen durch den Umzug Mehr- und nicht Wenigerkosten entstanden sind, verkennen sie, dass die Haushaltsersparnis (des Klägers) durch einen Vergleich der Pflegeheimkosten mit den Kosten eines entsprechenden privaten Haushalts und nicht durch einen Vergleich mit den Kosten eines Altenheims zu ermitteln ist (BFH-Urteil in BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23).

32

4. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht mehr streitig, dass den Klägern im Streitfall die Pauschbeträge nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. bis Veranlagungszeitraum 2008 nicht zu gewähren sind. Das FA hat die Pflegekosten des Klägers sowie seine Kosten für Unterbringung und Verpflegung zum Abzug nach § 33 EStG zugelassen. In einem solchen Fall ist die Gewährung des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2002 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294). Der Klägerin hat das FA anstelle des Pauschbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG ausgehend von Aufwendungen in Höhe von 3.000 € zugesprochen. Die daraus resultierende Steuerermäßigung in Höhe von 600 € wirkt sich für die Klägerin günstiger als der Abzug des Pauschbetrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 33a Abs. 3 EStG aus. Sie ist deshalb durch die angefochtene Steuerfestsetzung insoweit nicht beschwert.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Die 1930 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielt neben Renteneinkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung. Sie ist seit 1999 in psychiatrischer Behandlung. Im Anschluss an eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik von April bis Juli 2004 zog sie auf ärztliche Empfehlung in ein Appartement in einem Seniorenheim. In der Fachärztlichen Bescheinigung vom 23. Mai 2005 heißt es u.a.:

2

"Aufgrund der Ausprägung der bei ihr bestehenden Erkrankung aus unserem Fachgebiet war aus ärztlicher Sicht im Anschluss an die stationäre Behandlung in der hiesigen Klinik von April bis Juli 2004 eine Unterbringung in einem Seniorenheim im Bereich des Betreuten Wohnens dringend erforderlich. Die Pat. war krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, ihr Leben in ihrem bisherigen häuslichen Milieu selbständig zu führen."

3

Ihre bis dahin genutzte Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus behielt sie bei.

4

Mit Beschluss vom 18. August 2005 ordnete das Amtsgericht (AG) ... die Betreuung der Klägerin an. In dem Beschluss heißt es u.a.:

5

"Nach dem ärztlichen Attest der Sachverständigen ... leidet Frau ... an einer bipolaren affektiven Psychose, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen. Danach bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass Frau ... aus gesundheitlichen Gründen gehindert ist, eigene Angelegenheiten wahrzunehmen ...".

6

Mit Beschluss vom 3. März 2006 wurde die Betreuung bis 2013 verlängert und einer der Prozessbevollmächtigten zum Betreuer bestimmt.

7

Der Heimbetreiber rechnete gegenüber der Klägerin monatlich die Kosten für Miete (1.288,46 €) und Verpflegung (269,45 €) ab. Pflegekosten wurden nicht in Rechnung gestellt.

8

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2005 und 2006) machte die Klägerin die Mietaufwendungen in Höhe von insgesamt 15.462 € (1.288,46 € x 12) als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ab, weil es an einer Einstufung der Klägerin in eine der Pflegestufen oder einem Eintrag des Merkzeichens "H" im Behindertenausweis fehle. Das FA berücksichtigte allerdings den Haushaltsfreibetrag nach § 33a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. der Streitjahre.

9

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin den Abzug der Mietkosten beantragte, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 479 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die geltend gemachten Kosten einschließlich der Aufwendungen für Verpflegung (insgesamt 18.695 €) seien dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass die Klägerin ausschließlich wegen ihrer Erkrankung, nicht aber wegen ihres Alters in das Seniorenheim gezogen sei. Die Kosten seien aber um die Haushaltsersparnis zu kürzen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 33 EStG.

11

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

14

Das FG hat zu Recht die strittigen Mietaufwendungen der Klägerin für die Unterbringung dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt.

15

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Krankheitskosten sind regelmäßig eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG.

16

a) Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim. Liegt dagegen ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Alters- oder Pflegeheim vor, stellen sich die Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten dar (BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; vom 23. Mai 2002 III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567; vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70; s. auch R 33.3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008). Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (Schmidt/Loschelder, EStG, 29. Aufl., § 33 Rz 35, Stichwort Altersheim).

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b) Nach diesen Grundsätzen stellen die Aufwendungen der Klägerin Krankheitskosten dar. Denn das FG hat vor allem unter Bezugnahme auf den erwähnten Beschluss des AG ... vom 18. August 2005 und die Fachärztliche Bescheinigung vom 23. Mai 2005 nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass die Klägerin in den Streitjahren krankheitsbedingt und nicht wegen ihres Alters im Seniorenheim untergebracht war. Das FG hat zu Recht kein amtsärztliches Attest verlangt (BFH-Urteil in BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567).

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c) Dem steht nicht entgegen, dass der Klägerin keine Pflegekosten in Rechnung gestellt worden sind. Zwar ist der Abzug von Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung vornehmlich bei krankheitsbedingter Pflegebedürftigkeit von Bedeutung (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102; in BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70). Das bedeutet jedoch nicht, wie das FA offensichtlich meint, dass die Pflegebedürftigkeit notwendige Voraussetzung für den Abzug ist. Vielmehr kann, wie der Streitfall zeigt, der Aufenthalt in einem Altersheim auch dann krankheitsbedingt sein, wenn eine ständige Pflegebedürftigkeit (noch) nicht gegeben ist. Soweit der III. Senat des BFH im Urteil in BFH/NV 2009, 1102 die Auffassung vertreten hat, dass ein ausschließlich krankheitsbedingter Aufenthalt noch nicht gegeben sei, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden seien und kein Merkzeichen "H" oder "Bl" im Schwerbehindertenausweis nach § 69 Abs. 5 des Sozialgesetzbuchs IX i.V.m. § 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung festgestellt sei, folgt dem der erkennende Senat nicht. Einer Vorlage an den Großen Senat gemäß § 11 Abs. 3 FGO bedarf es nicht, weil der erkennende Senat seit 2009 für außergewöhnliche Belastungen sachlich allein zuständig ist.

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2. Werden Kosten einer Heimunterbringung dem Grund nach als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) berücksichtigt, sind sie nur insoweit gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) sowie die sog. Haushaltsersparnis übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794). Im Streitfall hat das FG die Haushaltsersparnis entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag zu Recht auf 7.680 € geschätzt und dabei die Kosten für Verpflegung, deren Berücksichtigung die Klägerin nicht ausdrücklich beantragt hatte, gegengerechnet.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate.

(2) Bei Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist, kann eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart werden.

(3) Bei Wohnraum nach § 549 Abs. 2 Nr. 2 ist die Kündigung spätestens am 15. eines Monats zum Ablauf dieses Monats zulässig.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1 oder 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.