Finanzgericht München Urteil, 13. Sept. 2018 - 3 K 1868/17

bei uns veröffentlicht am13.09.2018
nachgehend
Bundesfinanzhof, V R 32/18, 27.03.2019

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009, jeweils vom 22. November 2011, für 2010 vom 3. September 2012 und für 2011 vom 12. August 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2017, jeweils in Gestalt der Änderungsbescheide für 2007 bis 2011 vom 21. Dezember 2017 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob Umsätze aus dem Betrieb einer Schwimmschule steuerfrei sind.

Die Klägerin ist eine zum 1. Januar 2007 gegründete GbR, an der die Herren X und Y zu gleichen Teilen beteiligt sind. Zweck der Gesellschaft ist der Betrieb einer Schwimmschule. Sie führt die Bezeichnung Z-Schwimmschule GbR.

Im Rahmen einer bei der Klägerin für die Zeiträume 2007 bis 2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass von der Klägerin im wesentlichen Kurse für Kinder (Goldfisch, Seepferdchen und Kaulquappe) angeboten wurden. Die Vergütung für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin direkt von den Kursteilnehmern.

Beim Schwimmkurs Kaulquappe werden Kindern ab vier Jahren die Grundlagen der Brust- und Rückenschwimmlage vermittelt. Bei den beiden weiterführenden Kursen Seepferdchen und Goldfisch werden die erlernten Grundlagen und Techniken des Schwimmens vertieft.

Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass diese Leistungen weder nach § 4 Nr. 21 noch nach § 4 Nr. 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei seien.

Die für 2007 bis 2009 von der Klägerin als steuerfrei erklärten Umsätze wurden deshalb mit Umsatzsteuerbescheiden vom 22. November 2011 unter Herausrechnung der in den von der Klägerin für die Kurse vereinnahmten Beträgen enthaltenen Umsatzsteuer mit einem Betrag von … € (2007), … € (2008) und … € (2009) der Besteuerung unterworfen. Abziehbare Vorsteuerbeträge wurden nicht in Ansatz gebracht (vgl. Prüfungsbericht vom 31. Oktober 2011).

Für die Streitjahre 2010 und 2011 ergingen am 3. September 2012 und 12. August 2013 entsprechende Änderungsbescheide, mit denen Nettoumsätze der Klägerin zu 19% in Höhe von … € (2010) und … € (2011) der Besteuerung unterworfen wurden.

Mit den dagegen eingelegten Einsprüchen berief sich die Klägerin auf die Steuerfreiheit für die Umsätze aus dem Betrieb der Schwimmschule nach EU-Recht und machte hilfsweise Vorsteuerbeträge in Höhe von … € (2007), … € (2008), … € (2009), … € (2010) und … € (2011), insgesamt … €, geltend.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2017 wies der Beklagte (das Finanzamt) die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen Folgendes geltend:

Die Umsätze aus dem Betrieb der Schwimmschule seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Bei dem streitgegenständlichen Schwimmunterricht handle es sich um Schulunterricht, der von einem Privatlehrer erbracht werde. Schulunterricht im Sinne der genannten Vorschrift sei nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht auf eine öffentliche oder ähnliche Schule beschränkt. Es genüge, dass der Unterricht Tätigkeiten einschließe, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler entwickelt werden, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter einer reinen Freizeitgestaltung hätten. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich dem ausdrücklich angeschlossen. Schulsport sei ein reguläres Unterrichtsfach an allen Schulen in Deutschland und Schwimmen gehöre als selbstverständlicher Bestandteil zwingend zu diesem Schulsport. Außerdem verweist sie auf einen Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 31. Mai 2010 (4 V 312/10 zu einem eine Schwimmschule betreibenden Einzelunternehmer) und ein Urteil des BFH vom 24. Januar 2008 (V R 3/05) zum Fall einer privaten Tanzschule (Einzelunternehmerin).

Hilfsweise werde die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge beantragt, für die mit der Klage entsprechende Nachweise vorgelegt wurden.

Nach Klageerhebung erließ das Finanzamt am 21. Dezember 2017 für die Streitjahre Änderungsbescheide, mit denen Vorsteuerbeträge in Höhe von … € für 2007, … € für 2008, … € für 2009, … € für 2010 und … € für 2011 (insgesamt … €) anerkannt wurden. Insoweit erklärte sich die Klägerin mit der Änderung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide einverstanden. Die steuerpflichtigen Umsätze zu 19% blieben unverändert.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009, jeweils vom 22. November 2011, für 2010 vom 3. September 2012 und für 2011 vom 12. August 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2017, jeweils in Gestalt der Änderungsbescheide für 2007 bis 2011 vom 21. Dezember 2017 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es bringt vor, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13) Schwimmunterricht als von Privatlehrern erteilter Schwimmunterricht zwar steuerfrei sein könne. Die Steuerfreiheit ergebe sich aber nicht aus nationalem Recht. Das Finanzamt sei insoweit an die Weisungen des Bayerischen Landesamtes für Steuern gebunden, wonach in Fällen eines Schwimmschulbetreibers dessen Umsätze nur unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit sein könnten und eine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Buchst. j MwStSystRL ausgeschlossen sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Leistungen der Klägerin sind zwar nicht nach nationalem Recht steuerfrei. Die Klägerin kann sich für eine Steuerfreiheit aber auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen.

1. Gegenstand des Klageverfahrens sind die am 21. Dezember 2017 für die Streitjahre ergangenen Änderungsbescheide (§ 68 Finanzgerichtsordnung - FGO).

2. Die Leistungen des Klägers sind zwar nicht nach nationalem Recht steuerfrei.

a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Klägerin ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

b) Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG liegen ebenfalls nicht vor, da es sich bei der Klägerin weder um eine Hochschule im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes noch um eine öffentliche allgemeinbildende oder berufsbildende Schule oder private Schule oder andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung handelt, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllt.

c) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da die Klägerin als GbR die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrundeliegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung der Klägern auf das Unionsrecht von Bedeutung (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, MwStR 2014, 689).

3. Die Klägerin kann sich jedoch für eine Steuerfreiheit ihrer Leistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen.

a) Ein Einzelner kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen. Er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann. Ein Mitgliedstaat kann einem Steuerpflichtigen, der beweisen kann, dass er steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, nicht entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl II 2006, 143, Rn. 41; EuGH-Urteil vom 15. Mai 2014 C-337/13, Almos Agrarkülkereskedelmi, ECLI:EU:C:2014:328, UR 2014, 900, Rn. 31 f.). Die Möglichkeit, sich allgemein auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen zu können, ist in der Rechtsprechung des BFH und des EuGH geklärt (vgl. BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BStBl II 2017, 1017; Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. November 2017 - 5 K 5108/15, EFG 2018, 691).

b) Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) ist der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht steuerfrei.

aa) Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts ist in der MwStSystRL nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH beschränkt er sich aber nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Die nicht einheitlichen Sprachfassungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL sind dabei dahingehend auszulegen, dass es sich bei Schul- und Hochschulunterricht um Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende handeln muss (EuGH-Urteile vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, ECLI:EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rn. 26 und vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, ECLI:EU:C:2010:47, DStR 2010, 218, Rn. 32).

Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen (BFH-Urteile vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, Rn. 17, vom 5. Juni 2014 V R 19/13, MwStR 2014, 689, Rn. 17, vom 10. August 2016 V R 38/15, MwStR 2016, 914, Rn. 13; Vorlagebeschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BStBl II 2017, 1017, Rn. 32).

bb) Danach handelt es sich bei den streitgegenständlichen Kinderschwimmkursen um Schulunterricht im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

Da den Kindern hierbei die grundlegenden Schwimmtechniken vermittelt werden und an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, MwStR 2014, 689, Rn. 18), haben diese Kurse nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin auch der bloßen Freizeitgestaltung dienende Leistungen angeboten hat sind weder ersichtlich noch vom Finanzamt vorgebracht.

cc) Auch den Begriff des Privatlehrers definiert die MwStSystRL nicht.

aaa) Aus ihm ergibt sich lediglich, dass eine befreite Unterrichtstätigkeit „privat“ ausgeübt werden muss (BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rn. 22).

Bezüglich des Merkmals des Privatlehrers verweist der EuGH in seinem Urteil Eulitz (EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, ECLI:EU:C:2010:47, DStR 2010, 218) darauf, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen bezeichnet sind, zwar eng auszulegen sind. Jedoch muss die Auslegung dieser Begriffe mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher darf eine enge Auslegung nicht dazu führen, dass die zur Umschreibung der in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen.

Schul- oder Hochschulunterricht wird dann im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von „Privatlehrern erteilt“, wenn die Lehrer dabei für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang besteht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, ECLI:EU:C:2007:344, Rn. 30 f.). Dem hat sich der BFH angeschlossen (BFH-Urteil vom 27. September 2007 V R 75/03, BStBl II 2008, 323, Rn. 40) und entschieden, dass das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit spricht (BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, Rn. 23).

bbb) Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Klägerin den Schwimmunterricht als Lehrer privat erteilt, weil sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelte und der konkrete Inhalt des von ihr erteilten Schwimmunterrichts in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Qualifikationen stand.

Des Weiteren ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, dass bei einem Kursausfall die Kursgebühr zurückerstattet wird. Außerdem erhalten Eltern eine Rückerstattung der Kursgebühr oder eine Gutschrift für einen späteren Kurs, wenn das angemeldete Kind in der ersten und zweiten Kursstunde des Kaulquappen-Kurses nicht zu einer Teilnahme am Schwimmkurs bereit sein sollte; die Eltern können ihr Kind dann vom Kurs abmelden. Im Übrigen wird bei einem rechtzeitigen Rücktritt eines angemeldeten Kursteilnehmers von der Teilnahme nur eine Bearbeitungsgebühr erhoben. Auch dies spricht für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit (BFH in BFH/NV 2014, 1175).

Dem Merkmal „Privatlehrer“ steht auch nicht entgegen, dass die Unterrichtseinheiten mehreren Kindern gleichzeitig erteilt worden sind (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, ECLI:EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rn. 31; BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, BFHE 245, 391, Rn. 23). Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Schwimmschülern oder mit Dritten (zum Beispiel mit deren Eltern) bestanden haben (Vorlagebeschluss de BFH vom 16. März 2017 V R 38/16, BStBl II 2017, 1017, Rn. 50).

dd) Der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steht nach Überzeugung des Senats schließlich nicht entgegen, dass es sich im Streitfall bei der Klägerin um keinen Einzelunternehmer, sondern um eine GbR handelt.

Soweit ersichtlich ist diese Frage bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden.

Den von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen des Finanzgerichts Köln vom 31. Mai 2010 (4 V 312/10) und des BFH vom 24. Januar 2008 (V R 3/05) liegen jeweils Sachverhalte zugrunde, bei denen der Schwimm- bzw. Tanzunterricht von einem Einzelunternehmer erteilt worden ist. Ebenso verhält es sich bei den Urteilen des Finanzgericht Baden-Württemberg vom 14. Juni 2018 - 1 K 3226/15 (juris) zur Umsatzsteuerbefreiung von Schwimmkursen für Kleinkinder und des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. November 2017 - 5 K 5108/15 (EFG 2018, 691) zur Erteilung von Tanzunterricht und vom 11. Januar 2018 - 5 K 5197/15 (EFG 2018, 1226) zu den Leistungen eines selbständigen Judotrainers.

In seinem Vorlagebeschluss zur Steuerfreiheit von Fahrschulunterricht hat der BFH den EuGH danach befragt, ob der Begriff des „Privatlehrers“ in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Einzelunternehmer handelt. Er hat dabei aber auch darauf hingewiesen, dass es der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrundeliegende Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der bei der Anwendung der in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Befreiungstatbestände zu beachten ist, verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, bei der Steuererhebung unterschiedlich behandelt werden (BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BStBl II 2017, 1017, 3. Vorlagefrage).

Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hat der erkennende Senat keine Zweifel daran, dass die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auch für den von einer GbR erteilten Unterricht Anwendung findet. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob einer der beiden Gesellschafter der Klägerin alleine eine Schwimmschule betreibt und damit als „Privatlehrer“ tätig wird oder ob sich die beiden Gesellschafter zur Zweckerreichung in einer Personengesellschaft in Form der GbR zusammenschließen, um eine Schwimmschule zu betreiben.

Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität wäre verletzt, wenn die Möglichkeit einer Berufung auf die Steuerbefreiung für die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL genannten Lehrtätigkeiten im Bereich des Schulunterrichts von der Rechtsform abhinge, in der der Steuerpflichtige seine Tätigkeit ausübt (EuGH-Urteil vom 7. September 1999 C-216/97, Gregg, UR 1999, 419; BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BStBl II 2008, 31, Rn. 37 zu Heilbehandlungen).

Weder aus dem Wortlaut der deutschen Fassung noch der anderen Sprachfassungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ergibt sich die Voraussetzung, dass der privat erteilte Unterricht nur dann steuerfrei ist, wenn er von einem Einzelunternehmer erteilt wird. Deswegen können Unterrichtsleistungen einer GbR steuerfrei sein, die von deren Angestellten oder Gesellschaftern erbracht werden. Es reicht aus, dass die Unterrichtstätigkeit, wie oben festgestellt, privat erbracht wird. Auf die Rechtsform, unter der die Unterrichtsleistungen erbracht werden, kommt es nicht an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BStBl II 2008, 31, unter II.1.a, m.w.N.). Für die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ist es ohne Bedeutung, dass eine GbR als Privatlehrer die Tätigkeit durch ihre Gesellschafter oder ggf. bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer ausführen lässt (vgl. Urteil des Finanzgerichts Münster vom 15. August 2017 - 15 K 2689/14 U, EFG 2017, 1699).

Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 29. März 2017 XI R 6/16, BFH/NV 2017, 1145, unter II.2.c; vom 28. Januar 2009 XI R 77/07, BFH NV 2009,1676) verlangt das Unionsrecht nur, dass der Privatlehrer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden und dass der Privatlehrer als Träger der Bildungseinrichtung in eigener Verantwortung handelt.

Daraus kann gefolgert werden, dass der Privatlehrer die Tätigkeiten nicht selbst ausführen muss. Demnach ist es vorliegend unschädlich, dass die Leistungen in Form des Schwimmunterrichts durch die beiden Gesellschafter der Klägerin erbracht werden. Die klagende GbR bleibt Trägerin der Schwimmschule und handelt dabei durch ihre beiden Gesellschafter in eigener Verantwortung.

c) Weitere Voraussetzungen, wie etwa eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über die Eignung des Unterrichts zur Berufsvorbereitung, sieht Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL nicht vor. Die Mitgliedstaaten können die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL nicht nach Art. 133 MwStSystRL von weiteren Bedingungen abhängig machen.

Auch die Beschränkungen des Art. 134 MwStSystRL sind nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL anwendbar und stehen einer Steuerbefreiung daher nicht entgegen (so auch Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. November 2017 - 5 K 5108/15, EFG 2018, 691).

d) Schließlich ist auch die Weisung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 15. November 2016 (S 7354.2.1-191/5 St 33), auf die sich das Finanzamt in der Klageerwiderung beruft, für das Gericht nicht maßgeblich.

4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 13. Sept. 2018 - 3 K 1868/17

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu
Finanzgericht München Urteil, 13. Sept. 2018 - 3 K 1868/17 zitiert 10 §§.

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Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbeh

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Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Streitjahren 2005 bis 2007 Umsätze im Rahmen einer von ihm betriebenen "Schwimmschule" aus. Er hatte im November 2005 das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Fächer Sport und Physik abgelegt. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging oder Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kläger ein Entgelt, das auch ein auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfassen konnte. Die Hallenbadbetreiber erhoben vom Kläger für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt von in der Regel 20 % der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erstatteten Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer. Der Kläger gab keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er seine Leistungen als steuerfrei ansah.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2007 steuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuerbescheide. Während des Einspruchsverfahrens erging der Umsatzsteuerbescheid 2006, der im Einspruchsverfahren an die Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2006 trat.

3

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2007, der an Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2007 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem der Kläger eine Bescheinigung der Bezirksregierung vorgelegt hatte, wonach die Schwimmkurse auf einen Beruf vorbereiteten, während eine Bescheinigung für das Baby- und Kleinkindschwimmen sowie das Aqua-Jogging und Aqua-Fitness wegen des engen Bezugs zur Freizeitgestaltung abgelehnt wurde, ergingen geänderte Bescheide für die Jahre 2001 bis 2004, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Geänderte Bescheide ergingen auch für die Streitjahre 2005 bis 2007, die nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wurden.

4

Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 985 veröffentlichten Urteil des FG zu den verbliebenen Streitjahren 2005 bis 2007 hatte die Klage im Hinblick auf die nach Erlass der Änderungsbescheide noch streitigen Kurse wie Babyschwimmen, Kleinkindschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness keinen Erfolg. Diese Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) oder den Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Dies ergebe sich auch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH).

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, die er auf Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt. Seine Leistungen seien nach § 4 Nr. 22 Buchst. a und b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Zumindest könne er sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h, i und j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, h, i und j der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Für eine insoweit erforderliche Anerkennung reiche die Kostenübernahme durch Krankenkassen aus. Er müsse als Einrichtung nur über eine vom Mitgliedstaat "anerkannte vergleichbare Zielsetzung" verfügen. Inhaltsgleiche Kurse für Schulen seien steuerfrei gewesen. Er sei zumindest zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt. Eine Vorlage an den EuGH sei erforderlich.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerjahresbescheide 2005 bis 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 0 € festgesetzt wird, hilfsweise, dass der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach dem Unionsrecht steuerfrei. Es sei auch nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das FA habe nur die Kursleistungen als steuerfrei anerkannt, die nach einer dem Kläger am 27. Oktober 2008 erteilten Bescheinigung ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet hätten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers nicht nach nationalem Recht steuerfrei sind. Der Kläger kann aber einen Anwendungsvorrang der Richtlinie geltend machen, wozu noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

10

1. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.

11

a) Nach § 4 Nr. 21 UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

12

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die im finanzgerichtlichen Verfahren noch streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

13

b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

14

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger als Einzelunternehmer die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung des Klägers auf das Unionsrecht von Bedeutung.

15

2. Der Kläger kann sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.

16

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht.

17

b) Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841). Dem hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13 (BFH/NV 2014, 1175, unter II.2.) angeschlossen.

18

c) Danach können einzelne Kurse, die der Kläger durchgeführt hat, als Schulunterricht eines Privatlehrers steuerfrei sein. Dies gilt insbesondere für das Kleinkindschwimmen, da an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird. Dies mag auf Kurse wie Babyschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness nicht zutreffen, zumal bei diesen auch der Charakter bloßer Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

19

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

20

a) Sind die Leistungen des Klägers nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei, kommt eine Berufung auf andere Befreiungstatbestände des Unionsrechts nicht in Betracht.

21

aa) Zwar haben die Mitgliedstaaten von der Steuer auch zu befreien

22

- die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL),
- die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL),
- die "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) sowie
- "bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL).

23

bb) Die Voraussetzungen dieser Tatbestände liegen im Streitfall aber nicht vor.

24

(1) Für Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h und i MwStSystRL folgt dies bereits daraus, dass es an der personenbezogenen Voraussetzung der "anerkannten Einrichtung" fehlt. Insoweit ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Zu den für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkten gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteil Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 35 Rdnr. 31, und BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, unter II.2.c aa). Auch im Hinblick auf eine Kostentragung durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit ist zu berücksichtigen, ob der Unternehmer seine Leistung unmittelbar aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern erbringt (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, unter II.2.b cc).

25

Danach reicht es für die Anerkennung als Einrichtung weder aus, dass der Kläger direkte vertragliche Beziehungen mit Gemeinden hinsichtlich der Nutzung von Schwimmbädern unterhielt, noch, dass Kosten auf der Grundlage von § 20 SGB V erstattet wurden. Denn die Gemeinden waren als Hallenbadbetreiber nicht als "Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit" tätig, während im Rahmen der Leistungserbringung nach § 20 SGB V keine vertraglichen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen bestanden (vgl. auch Welti, in Becker/ Kingreen, SGB V, 3. Aufl., § 20 Rz 13). Im Übrigen kommt dem Kläger mit seinen Leistungen neben dem Kleinkindschwimmen (zu diesem s. oben II.2.) nicht der Charakter einer Einrichtung mit anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie öffentlichen Schulen oder Hochschulen zu.

26

(2) Die Steuerfreiheit für bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, zuvor: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG) kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist.

27

b) Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger für Leistungen, die nicht steuerfrei sind, nicht den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann.

28

Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. In Bezug auf die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze beruht die Vorschrift auf Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 14 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13), wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125, unter II.2.a ee). Danach können die Mitgliedstaaten die Überlassung von Sportanlagen einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Unionsrechtliche Grundlage für die Verabreichung von Heilbädern ist die Thermalbehandlung i.S. von Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 17 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13). § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG ist entsprechend diesen Bestimmungen auszulegen, wobei neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen auch zu berücksichtigen ist, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II.2.c bb).

29

Im Hinblick auf die unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung, die sich auf die Überlassung von Sportanlagen und damit auf eine Nutzungsüberlassung bezieht, ist es danach nicht möglich, die Erteilung von Schwimmunterricht als einen unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsatz anzusehen. Sollte sich demgegenüber aus Abschn. 171 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 ergeben, dass die Erteilung von Schwimmunterricht als eigenständige Leistung der Steuersatzermäßigung unterliegt, könnte sich der Senat dem nicht anschließen. Ebenso können Kurse wie "Aqua-Jogging" und "Aqua-Fitness" nicht als Verabreichung von Heilbädern angesehen werden, da insoweit unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlagen eine Thermalbehandlung vorliegen müsste, an der es fehlt.

30

4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kam es nicht mehr an.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

Hochschulen im Sinne dieses Gesetzes sind die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Dieses Gesetz betrifft, soweit dies in § 70 bestimmt ist, auch die staatlich anerkannten Hochschulen.

(1) Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht nicht staatliche Hochschulen sind, können nach näherer Bestimmung des Landesrechts die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Hochschule erhalten, wenn gewährleistet ist, daß

1.
das Studium an dem in § 7 genannten Ziel ausgerichtet ist,
2.
eine Mehrzahl von nebeneinander bestehenden oder aufeinander folgenden Studiengängen an der Einrichtung allein oder im Verbund mit anderen Einrichtungen des Bildungswesens vorhanden oder im Rahmen einer Ausbauplanung vorgesehen ist; dies gilt nicht, wenn innerhalb einer Fachrichtung die Einrichtung einer Mehrzahl von Studiengängen durch die wissenschaftliche Entwicklung oder das entsprechende berufliche Tätigkeitsfeld nicht nahegelegt wird,
3.
die Studienbewerber die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine entsprechende staatliche Hochschule erfüllen,
4.
die hauptberuflich Lehrenden die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, die für entsprechende Tätigkeiten an staatlichen Hochschulen gefordert werden und
5.
die Angehörigen der Einrichtung an der Gestaltung des Studiums in sinngemäßer Anwendung der für staatliche Hochschulen geltenden Grundsätze mitwirken.

(2) Für kirchliche Einrichtungen können nach näherer Bestimmung des Landesrechts Ausnahmen von einzelnen der in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zugelassen werden, wenn gewährleistet ist, daß das Studium einem Studium an einer staatlichen Hochschule gleichwertig ist.

(3) Eine staatlich anerkannte Hochschule kann nach näherer Bestimmung des Landesrechts Hochschulprüfungen abnehmen und Hochschulgrade verleihen. Das an einer staatlich anerkannten Hochschule abgeschlossene Studium ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Sinne dieses Gesetzes.

(4) An Aufgaben der Koordinierung der Ordnung von Studium und Prüfungen (§ 9) können Angehörige staatlich anerkannter Hochschulen beteiligt werden. Eine staatlich anerkannte Hochschule ist auf Antrag in die zentrale Vergabe von Studienplätzen (§ 31) einzubeziehen.

(5) (weggefallen)

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Streitjahren 2005 bis 2007 Umsätze im Rahmen einer von ihm betriebenen "Schwimmschule" aus. Er hatte im November 2005 das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Fächer Sport und Physik abgelegt. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging oder Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kläger ein Entgelt, das auch ein auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfassen konnte. Die Hallenbadbetreiber erhoben vom Kläger für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt von in der Regel 20 % der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erstatteten Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer. Der Kläger gab keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er seine Leistungen als steuerfrei ansah.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2007 steuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuerbescheide. Während des Einspruchsverfahrens erging der Umsatzsteuerbescheid 2006, der im Einspruchsverfahren an die Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2006 trat.

3

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2007, der an Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2007 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem der Kläger eine Bescheinigung der Bezirksregierung vorgelegt hatte, wonach die Schwimmkurse auf einen Beruf vorbereiteten, während eine Bescheinigung für das Baby- und Kleinkindschwimmen sowie das Aqua-Jogging und Aqua-Fitness wegen des engen Bezugs zur Freizeitgestaltung abgelehnt wurde, ergingen geänderte Bescheide für die Jahre 2001 bis 2004, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Geänderte Bescheide ergingen auch für die Streitjahre 2005 bis 2007, die nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wurden.

4

Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 985 veröffentlichten Urteil des FG zu den verbliebenen Streitjahren 2005 bis 2007 hatte die Klage im Hinblick auf die nach Erlass der Änderungsbescheide noch streitigen Kurse wie Babyschwimmen, Kleinkindschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness keinen Erfolg. Diese Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) oder den Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Dies ergebe sich auch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH).

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, die er auf Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt. Seine Leistungen seien nach § 4 Nr. 22 Buchst. a und b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Zumindest könne er sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h, i und j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, h, i und j der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Für eine insoweit erforderliche Anerkennung reiche die Kostenübernahme durch Krankenkassen aus. Er müsse als Einrichtung nur über eine vom Mitgliedstaat "anerkannte vergleichbare Zielsetzung" verfügen. Inhaltsgleiche Kurse für Schulen seien steuerfrei gewesen. Er sei zumindest zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt. Eine Vorlage an den EuGH sei erforderlich.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerjahresbescheide 2005 bis 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 0 € festgesetzt wird, hilfsweise, dass der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach dem Unionsrecht steuerfrei. Es sei auch nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das FA habe nur die Kursleistungen als steuerfrei anerkannt, die nach einer dem Kläger am 27. Oktober 2008 erteilten Bescheinigung ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet hätten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers nicht nach nationalem Recht steuerfrei sind. Der Kläger kann aber einen Anwendungsvorrang der Richtlinie geltend machen, wozu noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

10

1. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.

11

a) Nach § 4 Nr. 21 UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

12

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die im finanzgerichtlichen Verfahren noch streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

13

b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

14

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger als Einzelunternehmer die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung des Klägers auf das Unionsrecht von Bedeutung.

15

2. Der Kläger kann sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.

16

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht.

17

b) Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841). Dem hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13 (BFH/NV 2014, 1175, unter II.2.) angeschlossen.

18

c) Danach können einzelne Kurse, die der Kläger durchgeführt hat, als Schulunterricht eines Privatlehrers steuerfrei sein. Dies gilt insbesondere für das Kleinkindschwimmen, da an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird. Dies mag auf Kurse wie Babyschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness nicht zutreffen, zumal bei diesen auch der Charakter bloßer Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

19

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

20

a) Sind die Leistungen des Klägers nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei, kommt eine Berufung auf andere Befreiungstatbestände des Unionsrechts nicht in Betracht.

21

aa) Zwar haben die Mitgliedstaaten von der Steuer auch zu befreien

22

- die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL),
- die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL),
- die "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) sowie
- "bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL).

23

bb) Die Voraussetzungen dieser Tatbestände liegen im Streitfall aber nicht vor.

24

(1) Für Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h und i MwStSystRL folgt dies bereits daraus, dass es an der personenbezogenen Voraussetzung der "anerkannten Einrichtung" fehlt. Insoweit ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Zu den für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkten gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteil Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 35 Rdnr. 31, und BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, unter II.2.c aa). Auch im Hinblick auf eine Kostentragung durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit ist zu berücksichtigen, ob der Unternehmer seine Leistung unmittelbar aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern erbringt (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, unter II.2.b cc).

25

Danach reicht es für die Anerkennung als Einrichtung weder aus, dass der Kläger direkte vertragliche Beziehungen mit Gemeinden hinsichtlich der Nutzung von Schwimmbädern unterhielt, noch, dass Kosten auf der Grundlage von § 20 SGB V erstattet wurden. Denn die Gemeinden waren als Hallenbadbetreiber nicht als "Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit" tätig, während im Rahmen der Leistungserbringung nach § 20 SGB V keine vertraglichen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen bestanden (vgl. auch Welti, in Becker/ Kingreen, SGB V, 3. Aufl., § 20 Rz 13). Im Übrigen kommt dem Kläger mit seinen Leistungen neben dem Kleinkindschwimmen (zu diesem s. oben II.2.) nicht der Charakter einer Einrichtung mit anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie öffentlichen Schulen oder Hochschulen zu.

26

(2) Die Steuerfreiheit für bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, zuvor: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG) kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist.

27

b) Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger für Leistungen, die nicht steuerfrei sind, nicht den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann.

28

Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. In Bezug auf die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze beruht die Vorschrift auf Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 14 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13), wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125, unter II.2.a ee). Danach können die Mitgliedstaaten die Überlassung von Sportanlagen einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Unionsrechtliche Grundlage für die Verabreichung von Heilbädern ist die Thermalbehandlung i.S. von Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 17 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13). § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG ist entsprechend diesen Bestimmungen auszulegen, wobei neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen auch zu berücksichtigen ist, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II.2.c bb).

29

Im Hinblick auf die unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung, die sich auf die Überlassung von Sportanlagen und damit auf eine Nutzungsüberlassung bezieht, ist es danach nicht möglich, die Erteilung von Schwimmunterricht als einen unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsatz anzusehen. Sollte sich demgegenüber aus Abschn. 171 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 ergeben, dass die Erteilung von Schwimmunterricht als eigenständige Leistung der Steuersatzermäßigung unterliegt, könnte sich der Senat dem nicht anschließen. Ebenso können Kurse wie "Aqua-Jogging" und "Aqua-Fitness" nicht als Verabreichung von Heilbädern angesehen werden, da insoweit unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlagen eine Thermalbehandlung vorliegen müsste, an der es fehlt.

30

4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte in den Streitjahren 2000 bis 2006 als Diplom-Sozialpädagogin und Diplom-Organisationsberaterin sog. Supervisionsleistungen für Träger der Wohlfahrtspflege, der Jugendhilfe, der Psychiatrie, für Suchtberatungsstellen sowie für Diakonie und Caritas. Dabei führte sie für ihre Auftraggeber sog. Supervisionen mit deren Mitarbeitern durch. Darüber hinaus erbrachte sie auch Lehrsupervisionsleistungen. Ihr war von der zuständigen Bezirksregierung am 25. Oktober 1999 zur Vorlage bei den Finanzbehörden bescheinigt worden, dass sie die Leistung "Supervision und Lehrsupervision" als berufliche Bildungsmaßnahme nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in den für die Streitjahre geltenden Fassungen ordnungsgemäß durchführe.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Supervisionsleistungen ebenso wie andere Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien und setzte mit Bescheiden vom 6. Dezember 2006 erstmals Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2321 veröffentlichten Urteil statt. Die Leistungen der Klägerin seien nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche und steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei. Die Supervisionsleistungen dienten dazu, die bei den Auftraggebern der Klägerin angestellten Mitarbeiter professionell im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung zu begleiten. Es gehe um die Professionalisierung und die Bewältigung spezifischer Probleme der psychosozialen und pädagogischen Arbeit dieser Mitarbeiter. Die Leistungen seien spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der Mitarbeiter ausgerichtet gewesen. Die Klägerin sei auch als berufsbildende Einrichtung anzusehen. Hierfür sei die Dauer der gegenüber dem einzelnen Teilnehmer erbrachten Leistung unerheblich. Auch das Fehlen von Lehrplänen und die Tätigkeit in den Räumen der Auftraggeber begründe keine Steuerpflicht. Die Klägerin habe auch über die für die Steuerfreiheit erforderliche Bescheinigung verfügt. Im Umfang anderer Leistungen, die die Klägerin steuerpflichtig erbracht habe, sei ihr zudem der Vorsteuerabzug zu gewähren.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, für die es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die Bescheinigung der Bezirksregierung entspreche nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, da es nicht ausreiche, dass lediglich bescheinigt werde, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt würden. Erforderlich sei vielmehr eine Bescheinigung, nach der der Unternehmer auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen, da sie keine anerkannte Einrichtung sei. Es handele sich auch nicht um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht durch Vermittlung von Fachwissen. Die Klägerin erbringe vielmehr Beratungsleistungen durch Unterstützung eigener Erkenntniserlangung des Teilnehmers, so dass es auch an der Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten fehle. Es gehe nur um die Erlangung von "Soft-Skills". Die bloße Berufsbezogenheit reiche nicht aus. Es handele sich nicht um eine Wissensvermittlung anhand von Lehrplänen wie bei einer Berufsausbildung. Es würde lediglich die pädagogische Arbeit durch Fallbesprechungen begleitet.

5

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Ihre Leistungen seien steuerfrei. Die Voraussetzung der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung ergebe sich eindeutig aus der ihr erteilten Bescheinigung, zumindest aber unter Berücksichtigung des von ihr gestellten Antrags. Dass ein Unterrichtsplan fehle, stehe der Steuerfreiheit nicht entgegen. Sie könne sich auf das Unionsrecht berufen. Da sie ihre Leistungen auf Veranlassung und unter Kostenübernahme des jeweiligen Arbeitgebers erbracht habe, liege eine berufliche Fortbildungsmaßnahme vor. Inhaltlich sei es um die Vermittlung von "Personenkompetenz" gegangen. Es bestehe eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG sind die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht nicht steuerfrei. Die Klägerin kann sich aber für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Insoweit sind noch weitere Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen.

9

1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

10

a) § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, ... wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten".

11

b) Wie der Senat mit Urteil vom 17. April 2008 V R 58/05 (BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.2.c) zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG a.F. entschieden hat, muss sich aus der Bescheinigung ergeben, dass die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird, auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, so dass es nicht ausreicht, dass sich aus der Bescheinigung --wie im Streitfall-- nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheinigung eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung aufgrund einer bloßen Bezugnahme auf den bei der Landesbehörde gestellten Antrag nicht in Betracht.

12

2. Die Leistungen der Klägerin können zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG, wohl aber gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen zu treffen.

13

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".

14

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG befreit nach seinem Wortlaut zudem "den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht". Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) entschieden hat, weichen die einzelnen Sprachfassungen dieser Bestimmung voneinander ab. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede sind als Schul- und Hochschulunterricht "Unterrichtseinheiten, die ... sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen" anzusehen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 23).

15

b) Im Streitfall kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, dass ihre Leistungen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind: Sie ist weder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts noch verfügt sie --mangels Bescheinigung (s. oben II.1.b)-- über die ansonsten erforderliche Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung, die mit z.B. Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder beruflicher Umschulung betraut ist.

16

c) Die Klägerin kann aber geltend machen, dass ihre Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, steuerfrei sind.

17

aa) Nach der EuGH-Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts "nicht auf Unterricht ..., der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern [schließt] ... andere Tätigkeiten ein ..., bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben" (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 26). Es handelt sich um die "Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 33).

18

Zudem ist es "unerheblich", dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG "nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 34), da "nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden [ist], der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben", und da das "Gleiche für die Unterrichtseinheiten [gilt], die sich auf diesen Unterricht beziehen" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 35), zumal sich "eine solche Unterscheidung anhand der Unterrichtsinhalte als schwierig erweisen" würde und eine besonders enge Auslegung des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht "die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen [würde], weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet sind" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 36).

19

bb) Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 wird im Schrifttum zutreffend geltend gemacht, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht nur Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, sondern auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, steuerfrei sein können (Tehler, EU-Umsatzsteuerberater 2010, 6 ff., 8; Philipowski, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 161 ff., 163, und Nieskens, UR 2013, 175 ff., 179).

20

Dem folgt auch der erkennende Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. Es kommt nicht darauf an, dass der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.3.b bb), da sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Entgegen der Auffassung des FA ist ein Lehrplan nicht unabdingbar für die Steuerfreiheit. Daher können auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein.

21

cc) Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 68/97 (BFH/NV 1999, 81, unter II.3.), das zu Vortragstätigkeiten einer Familienbildungsstätte ergangen ist.

22

d) Die Sache ist nicht spruchreif. Im Hinblick auf eine mögliche Berufung der Klägerin auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob sie als Privatlehrer tätig war und welcher Art die von der Klägerin im Einzelnen erbrachten Leistungen waren.

23

aa) Das FG wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es der Erteilung von Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, durch einen Privatlehrer nicht entgegensteht, wenn dieser mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt, dass die der Unterrichtserteilung zugrunde liegende Rechtsbeziehung auch zu einer anderen Person als Unterrichtsteilnehmer bestehen kann und dass das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit spricht (EuGH-Urteil Haderer in Slg. 2007, I-4841 Rdnrn. 31 ff.). Die bloße Unternehmereigenschaft reicht demgegenüber nicht aus (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 47).

24

Ohne Bedeutung ist für den Streitfall, dass der EuGH die Privatlehrereigenschaft versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnrn. 52 ff.), da es den Auftraggebern der Klägerin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging.

25

bb) In Bezug auf die Lehrsupervisionen kann sich die Steuerfreiheit bereits daraus ergeben, dass die Klägerin andere darin unterrichtet hat, Supervisionen auszuführen.

26

cc) Hinsichtlich der weiteren Supervisionsleistungen ist --ohne Bindung an die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs bei Werbungskosten-- zu berücksichtigen, dass diese vorrangig auf die spezifischen Bedürfnisse einer Berufstätigkeit ausgerichtet sein können, wenn sie dazu dienen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete Arbeitsplatzsituationen zu erarbeiten und in gemeinsamer Reflexion Fehler und Schwachstellen aufzuarbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2008 VI R 35/05, BFHE 223, 1, BStBl II 2009, 108). Für die erforderliche Berufsbezogenheit als Aus- und Fortbildungsmaßnahme kann es ausreichen, dass die Klägerin Sozialarbeiter für die von diesen ausgeübte Berufstätigkeit anhand von Fallbeispielen gruppenweise angeleitet hat. Insoweit kommt den mit dem jeweiligen Auftraggeber vereinbarten Lehrinhalten indizielle Bedeutung zu.

27

dd) Zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen hat das FG lediglich allgemein festgestellt, dass die von ihr erbrachten Supervisionsleistungen einer professionellen Begleitung im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung der beruflichen Tätigkeit der bei den diversen Einrichtungen angestellten Mitarbeiter dienten, und dass diese Leistungen spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der teilnehmenden pädagogisch und psychosozial tätigen Mitarbeiter ausgerichtet waren. Feststellungen zu den einzelnen, von der Klägerin gegenüber verschiedenen Auftraggebern erbrachten Leistungen fehlen aber. Diese sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Streitjahren 2005 bis 2007 Umsätze im Rahmen einer von ihm betriebenen "Schwimmschule" aus. Er hatte im November 2005 das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Fächer Sport und Physik abgelegt. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging oder Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kläger ein Entgelt, das auch ein auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfassen konnte. Die Hallenbadbetreiber erhoben vom Kläger für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt von in der Regel 20 % der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erstatteten Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer. Der Kläger gab keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er seine Leistungen als steuerfrei ansah.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2007 steuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuerbescheide. Während des Einspruchsverfahrens erging der Umsatzsteuerbescheid 2006, der im Einspruchsverfahren an die Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2006 trat.

3

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2007, der an Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2007 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem der Kläger eine Bescheinigung der Bezirksregierung vorgelegt hatte, wonach die Schwimmkurse auf einen Beruf vorbereiteten, während eine Bescheinigung für das Baby- und Kleinkindschwimmen sowie das Aqua-Jogging und Aqua-Fitness wegen des engen Bezugs zur Freizeitgestaltung abgelehnt wurde, ergingen geänderte Bescheide für die Jahre 2001 bis 2004, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Geänderte Bescheide ergingen auch für die Streitjahre 2005 bis 2007, die nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wurden.

4

Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 985 veröffentlichten Urteil des FG zu den verbliebenen Streitjahren 2005 bis 2007 hatte die Klage im Hinblick auf die nach Erlass der Änderungsbescheide noch streitigen Kurse wie Babyschwimmen, Kleinkindschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness keinen Erfolg. Diese Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) oder den Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Dies ergebe sich auch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH).

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, die er auf Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt. Seine Leistungen seien nach § 4 Nr. 22 Buchst. a und b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Zumindest könne er sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h, i und j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, h, i und j der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Für eine insoweit erforderliche Anerkennung reiche die Kostenübernahme durch Krankenkassen aus. Er müsse als Einrichtung nur über eine vom Mitgliedstaat "anerkannte vergleichbare Zielsetzung" verfügen. Inhaltsgleiche Kurse für Schulen seien steuerfrei gewesen. Er sei zumindest zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt. Eine Vorlage an den EuGH sei erforderlich.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerjahresbescheide 2005 bis 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 0 € festgesetzt wird, hilfsweise, dass der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach dem Unionsrecht steuerfrei. Es sei auch nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das FA habe nur die Kursleistungen als steuerfrei anerkannt, die nach einer dem Kläger am 27. Oktober 2008 erteilten Bescheinigung ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet hätten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers nicht nach nationalem Recht steuerfrei sind. Der Kläger kann aber einen Anwendungsvorrang der Richtlinie geltend machen, wozu noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

10

1. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.

11

a) Nach § 4 Nr. 21 UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

12

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die im finanzgerichtlichen Verfahren noch streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

13

b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

14

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger als Einzelunternehmer die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung des Klägers auf das Unionsrecht von Bedeutung.

15

2. Der Kläger kann sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.

16

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht.

17

b) Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841). Dem hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13 (BFH/NV 2014, 1175, unter II.2.) angeschlossen.

18

c) Danach können einzelne Kurse, die der Kläger durchgeführt hat, als Schulunterricht eines Privatlehrers steuerfrei sein. Dies gilt insbesondere für das Kleinkindschwimmen, da an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird. Dies mag auf Kurse wie Babyschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness nicht zutreffen, zumal bei diesen auch der Charakter bloßer Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

19

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

20

a) Sind die Leistungen des Klägers nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei, kommt eine Berufung auf andere Befreiungstatbestände des Unionsrechts nicht in Betracht.

21

aa) Zwar haben die Mitgliedstaaten von der Steuer auch zu befreien

22

- die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL),
- die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL),
- die "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) sowie
- "bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL).

23

bb) Die Voraussetzungen dieser Tatbestände liegen im Streitfall aber nicht vor.

24

(1) Für Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h und i MwStSystRL folgt dies bereits daraus, dass es an der personenbezogenen Voraussetzung der "anerkannten Einrichtung" fehlt. Insoweit ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Zu den für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkten gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteil Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 35 Rdnr. 31, und BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, unter II.2.c aa). Auch im Hinblick auf eine Kostentragung durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit ist zu berücksichtigen, ob der Unternehmer seine Leistung unmittelbar aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern erbringt (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, unter II.2.b cc).

25

Danach reicht es für die Anerkennung als Einrichtung weder aus, dass der Kläger direkte vertragliche Beziehungen mit Gemeinden hinsichtlich der Nutzung von Schwimmbädern unterhielt, noch, dass Kosten auf der Grundlage von § 20 SGB V erstattet wurden. Denn die Gemeinden waren als Hallenbadbetreiber nicht als "Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit" tätig, während im Rahmen der Leistungserbringung nach § 20 SGB V keine vertraglichen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen bestanden (vgl. auch Welti, in Becker/ Kingreen, SGB V, 3. Aufl., § 20 Rz 13). Im Übrigen kommt dem Kläger mit seinen Leistungen neben dem Kleinkindschwimmen (zu diesem s. oben II.2.) nicht der Charakter einer Einrichtung mit anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie öffentlichen Schulen oder Hochschulen zu.

26

(2) Die Steuerfreiheit für bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, zuvor: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG) kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist.

27

b) Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger für Leistungen, die nicht steuerfrei sind, nicht den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann.

28

Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. In Bezug auf die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze beruht die Vorschrift auf Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 14 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13), wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125, unter II.2.a ee). Danach können die Mitgliedstaaten die Überlassung von Sportanlagen einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Unionsrechtliche Grundlage für die Verabreichung von Heilbädern ist die Thermalbehandlung i.S. von Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 17 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13). § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG ist entsprechend diesen Bestimmungen auszulegen, wobei neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen auch zu berücksichtigen ist, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II.2.c bb).

29

Im Hinblick auf die unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung, die sich auf die Überlassung von Sportanlagen und damit auf eine Nutzungsüberlassung bezieht, ist es danach nicht möglich, die Erteilung von Schwimmunterricht als einen unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsatz anzusehen. Sollte sich demgegenüber aus Abschn. 171 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 ergeben, dass die Erteilung von Schwimmunterricht als eigenständige Leistung der Steuersatzermäßigung unterliegt, könnte sich der Senat dem nicht anschließen. Ebenso können Kurse wie "Aqua-Jogging" und "Aqua-Fitness" nicht als Verabreichung von Heilbädern angesehen werden, da insoweit unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlagen eine Thermalbehandlung vorliegen müsste, an der es fehlt.

30

4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kam es nicht mehr an.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2015  7 K 7002/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erbrachte in den Jahren 2003 bis 2010 (Streitjahre) Dozentenleistungen für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages aufgrund von Rahmenverträgen, die er mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, dieser vertreten durch den Direktor beim Deutschen Bundestag, schloss.

2

Der Kläger hatte dabei in einer Vielzahl alters- und zielgruppengerechter Veranstaltungen staatspolitische und historische Themen zu präsentieren. Die Veranstaltungen sollten die Ausbildung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ergänzen und vervollständigen und dabei Kenntnisse und Kompetenzen vermitteln, die im Rahmen der Lehrpläne für Geschichte und Sozialkunde von Bedeutung sind. In seinen Vorträgen und Führungen informierte der Kläger die Besucher vor allem über die Geschichte des deutschen Parlamentarismus, über Funktion, Struktur und Arbeitsweise des Deutschen Bundestages sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse. Zielgruppe dieser Veranstaltungen waren im Wesentlichen Schüler, die im Rahmen staatlich bezuschusster Bildungsfahrten den Bundestag besuchten, wobei die Teilnahme an den Informations- und Bildungsveranstaltungen Voraussetzung für die finanzielle Förderung war. Studenten an Hoch- und Fachhochschulen konnten im Hinblick auf ihre Studienpläne spezifische Fragen stellen. Die vermittelten Sachverhalte waren Inhalt späterer Prüfungen und wissenschaftlicher Arbeiten. Teilnehmer waren auch Bundeswehrangehörige, Lehrer oder Ausbilder aus dem Bereich der politischen Bildung. Ein Schwerpunkt war die Durchführung von ein- oder mehrtägigen Planspielen für Schüler der 12. und 13. Jahrgangsstufe, die den Gesetzgebungsprozess simulieren und den Teilnehmern neben inhaltlichen und prozeduralen Kenntnissen ein vertieftes Verständnis von Möglichkeiten und Grenzen politischer Gestaltung im parlamentarischen System vermitteln sollten. Es sollten zudem klassische Arbeitstechniken (Textarbeit, freies Reden, Diskussionen) geschult und ein dauerhaftes Interesse an politischen Prozessen geweckt werden. Der Kläger hatte sich dabei mit den begleitenden Fachlehrern abzustimmen, um eine Integration in die jeweiligen Lehrpläne zu gewährleisten.

3

Überdies war es Aufgabe des Klägers, Parlamentsseminare durchzuführen, in denen Schüler von 12. und 13. Klassen, Studenten, aber auch Auszubildende im öffentlichen Dienst konkrete politische Fragestellungen mit Fachpolitikern aller Fraktionen erörtern konnten. Diese Parlamentsseminare wurden von den entsendenden Bildungsträgern und Institutionen genutzt, um lehrplanrelevante Inhalte fundiert von verschiedenen Blickwinkeln beleuchten zu können. Der Kläger bereitete die Teilnehmer auf die Gespräche vor, indem er die sachlichen Grundlagen für eine Diskussion der vorbereiteten Fragestellungen legte. Während der Diskussion stand er den Teilnehmern für Sachfragen zur Verfügung. Anschließend konnte noch eine Auswertung zur Schließung etwaiger Lücken und zur Verfestigung des Erlernten erfolgen.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Tätigkeit des Klägers als umsatzsteuerpflichtig an. Unter Änderung zuvor ergangener Umsatzsteuerfestsetzungen und unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung setzte das FA mit den Bescheiden vom 9. Oktober 2012 die Umsatzsteuer 2003 auf 6.443,65 €, die Umsatzsteuer 2004 auf 7.755,01 €, die Umsatzsteuer 2005 auf 8.138,27 €, die Umsatzsteuer 2006 auf 9.615,28 €, die Umsatzsteuer 2007 auf 10.480,38 €, die Umsatzsteuer 2008 auf 12.112,21 €, die Umsatzsteuer 2009 auf 10.576,15 € und die Umsatzsteuer 2010 auf 8.419,10 € fest. Hiergegen legte der Kläger ohne Erfolg Einspruch ein.

5

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2236 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Der Kläger habe als Unternehmer steuerbare Leistungen erbracht, die nach nationalem Recht nicht steuerfrei seien. Er könne sich aber für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) und bis zum Streitjahr 2006 auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen, wie sich aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) ergebe.

6

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, mit der es geltend macht, dass das FG die Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (bis einschließlich 2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) zu Unrecht bejaht habe. Der Kläger verfüge nicht über die hierfür erforderliche Anerkennung.

7

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Leistungen des Klägers nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (bis einschließlich 2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei sind.

10

1. Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass der Kläger seine entgeltlichen Leistungen steuerbar als Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erbrachte und dass diese Leistungen nach nationalem Recht nicht steuerfrei sind, da insbesondere die Voraussetzungen der Befreiungstatbestände nach § 4 Nr. 21 UStG nicht vorliegen.

11

2. Wie das FG zutreffend erkannt hat, kann sich der Kläger für die Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (bis einschließlich 2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Die Mitgliedstaaten befreien danach insbesondere den "Schul- und Hochschulunterricht ... durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder [durch] andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung". Die hierfür erforderlichen leistungs- wie auch unternehmerbezogenen Voraussetzungen liegen vor.

12

a) Bei den Leistungen des Klägers handelte es sich um Schul- und Hochschulunterricht.

13

aa) Nach der EuGH-Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff Schul- und Hochschulunterricht nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteile Haderer vom 14. Juni 2007 C-445/05, EU:C:2007:344, Rz 26, und Eulitz vom 28. Januar 2010 C-473/08, EU:C:2010:47, Rz 29). Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (BFH-Urteile vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, unter II.2., und vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, unter II.2.b).

14

bb) Zutreffend hat das FG die Leistungen des Klägers als eine Form von Schulunterricht angesehen. Bei der Tätigkeit des Klägers stand die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Bereich Geschichte und Sozialkunde im Mittelpunkt. Die Entscheidung des FG, dass den Leistungen des Klägers Unterrichtscharakter zukommt und diese über ein "qualitatives Mindestniveau" verfügten, ist revisionsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Verneinung eines Freizeitcharakters, wofür sich das FG neben den freizeitfernen Inhalten der Veranstaltungen auch auf die Kostenübernahme durch öffentliche Träger und die Teilnahmepflicht als Voraussetzung der Kostenübernahme stützen könnte. Bestätigt wird dies durch die Zusammensetzung der Teilnehmergruppen (Schüler, Studenten und Auszubildende).

15

b) Der Kläger ist auch unternehmerbezogen eine Einrichtung mit anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die mit der Aufgabe des Schul- und Hochschulunterrichts betraut ist (anerkannte Einrichtung).

16

aa) Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, ist der Begriff "Einrichtung" grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht wie den Kläger zu erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (1)).

17

bb) Der Kläger verfügt auch über die erforderliche Anerkennung.

18

(1) Die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG) ist grundsätzlich auch auf den Unterrichtsbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, bis einschließlich 2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) zu übertragen (BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (2); vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Februar 2016 V R 46/14, BFHE 253, 421, Rz 47). Danach gehören zu den für die Anerkennung im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten das Bestehen spezifischer Vorschriften --seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit--, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch --im Sozialbereich-- Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (BFH-Urteil in BFHE 253, 421, Rz 30).

19

Auf dieser Grundlage hat der BFH die Anerkennung im Unterrichtsbereich bereits aufgrund einer Kostentragung (BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (2)) oder aus Gründen eines hohen Gemeinwohlinteresses bejaht (BFH-Urteil in BFHE 245, 433, unter II.2.c).

20

(2) Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger als anerkannt anzusehen ist. Die Anerkennung folgt aus dem hohen Gemeinwohlinteresse an der Tätigkeit des Besucherdienstes für ein oberstes Verfassungsorgan sowie aus der Kostentragung durch die Parlamentsverwaltung.

21

(a) Der Präsident des Bundestages übt gemäß Art. 40 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) insbesondere das Hausrecht aus. Er ist auch Leiter der Verwaltung des Bundestages (Klein in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 40, Anm. 106). Bei der Verwaltung des Bundestages handelt es sich um eine oberste Bundesbehörde (Klein in Maunz/Dürig, a.a.O., Rz 107) i.S. einer "Hilfseinrichtung besonderer Art" (Zeh, in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2005, S. 790).

22

Die Bundestagsverwaltung unterhält einen Besucherdienst. Dieser ermöglicht gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c der Hausordnung des Deutschen Bundestages "Besuchergruppen und Einzelbesucher, die vom Besucherdienst eingeladen oder zugelassen worden sind" einen bevorzugten Zutritt zu den Tribünenbereichen des Plenarsaals des Deutschen Bundestages bei den öffentlichen Verhandlungen des Bundestages (Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG). Die Verwaltung des Deutschen Bundestages bietet zudem Hausführungen und die Teilnahme an Vorträgen zu Aufgaben, der Arbeitsweise und der Zusammensetzung des Parlaments an. An der Information der Öffentlichkeit über die Geschichte des deutschen Parlamentarismus, über Funktion, Struktur und Arbeitsweise des Deutschen Bundestages sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse besteht ein hohes Gemeinwohlinteresse. Diesen Aufgaben kann der Besucherdienst des Deutschen Bundestages ohne die für ihn tätigen Dozenten nicht nachkommen.

23

(b) Da der Kläger seine Leistungen unmittelbar an den Besucherdienst des Deutschen Bundestages erbrachte und von der Parlamentsverwaltung unmittelbar vergütet wurde, spricht auch die öffentlich-rechtliche Kostentragung für eine Anerkennung. Diese Kostentragung beruht zwar nicht auf einer ausdrücklichen gesetzlich angeordneten Kostentragung (zu diesem Erfordernis vgl. BFH-Urteil in BFHE 253, 421, Rz 43 und 47). Das Fehlen einer derartigen Gesetzesregelung wird im Rahmen der gebotenen Abwägung aber durch die Tätigkeit des Klägers für ein oberstes Verfassungsorgan und die dieses Verfassungsorgan im Rahmen einer Annex-Kompetenz (vgl. allgemein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2012  2 PBvU 1/11, BVerfGE 132, 1) treffende Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit über die Parlamentsarbeit ausgeglichen.

24

(3) Dem steht nicht entgegen, dass nach Ansicht des FA die für eine Anerkennung erforderliche Vergleichbarkeit mit öffentlichen Einrichtungen nur dann bestehen soll, wenn der private Unternehmer in der Gesamtrichtung seiner unternehmerischen Zielsetzung darauf ausgerichtet ist, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die geeignet sind, einen Schul- oder Hochschulabschluss oder einen Berufsabschluss zu erwerben oder berufliche Kenntnisse durch Fortbildung oder Weiterbildung zu erhalten oder zu erweitern. Hiergegen spricht bereits die weite Auslegung des Begriffs des Schul- und Hochschulunterrichts (s. oben II.2.a aa). Dementsprechend umfasst dieser Begriff z.B. auch Kurse für "Sofortmaßnahmen am Unfallort" (BFH-Urteil vom 10. Januar 2008 V R 52/06, BFHE 221, 295, unter II.2.a).

25

3. Auf die Frage, ob die Leistungen des Klägers auch als solche eines Privatlehrers steuerfrei sein können (Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL), kommt es nicht an.

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Streitjahren 2005 bis 2007 Umsätze im Rahmen einer von ihm betriebenen "Schwimmschule" aus. Er hatte im November 2005 das erste Staatsexamen für das Lehramt für die Fächer Sport und Physik abgelegt. Mit mehreren Arbeitnehmern, überwiegend Physiotherapeuten, führte er Baby-, Kleinkinder-, sonstige Kinder- und Erwachsenenschwimmkurse sowie Wassergymnastik wie Aqua-Jogging oder Aqua-Fitness in Hallenbädern durch, die er vom jeweiligen kommunalen Betreiber stundenweise angemietet hatte. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme an den Kursen an den Kläger ein Entgelt, das auch ein auf die Kursteilnehmer entfallendes Eintrittsgeld für die Hallenbadbenutzung umfassen konnte. Die Hallenbadbetreiber erhoben vom Kläger für die Nutzungsüberlassung der Hallenbäder ein Entgelt von in der Regel 20 % der von ihm vereinnahmten Kursgebühren. Auf der Grundlage des § 20 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erstatteten Krankenkassen die für die Aqua-Fitness-Kurse erhobenen Entgelte ganz oder teilweise an die Kursteilnehmer. Der Kläger gab keine Umsatzsteuererklärungen ab, da er seine Leistungen als steuerfrei ansah.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2007 steuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ dementsprechende Umsatzsteuerbescheide. Während des Einspruchsverfahrens erging der Umsatzsteuerbescheid 2006, der im Einspruchsverfahren an die Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2006 trat.

3

Nach der Erhebung der Klage zum Finanzgericht (FG) erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2007, der an Stelle der Vorauszahlungsbescheide 2007 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens wurde. Nachdem der Kläger eine Bescheinigung der Bezirksregierung vorgelegt hatte, wonach die Schwimmkurse auf einen Beruf vorbereiteten, während eine Bescheinigung für das Baby- und Kleinkindschwimmen sowie das Aqua-Jogging und Aqua-Fitness wegen des engen Bezugs zur Freizeitgestaltung abgelehnt wurde, ergingen geänderte Bescheide für die Jahre 2001 bis 2004, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Geänderte Bescheide ergingen auch für die Streitjahre 2005 bis 2007, die nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wurden.

4

Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 985 veröffentlichten Urteil des FG zu den verbliebenen Streitjahren 2005 bis 2007 hatte die Klage im Hinblick auf die nach Erlass der Änderungsbescheide noch streitigen Kurse wie Babyschwimmen, Kleinkindschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness keinen Erfolg. Diese Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) oder den Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) steuerfrei. Dies ergebe sich auch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH).

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, die er auf Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt. Seine Leistungen seien nach § 4 Nr. 22 Buchst. a und b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Zumindest könne er sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h, i und j MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, h, i und j der Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Für eine insoweit erforderliche Anerkennung reiche die Kostenübernahme durch Krankenkassen aus. Er müsse als Einrichtung nur über eine vom Mitgliedstaat "anerkannte vergleichbare Zielsetzung" verfügen. Inhaltsgleiche Kurse für Schulen seien steuerfrei gewesen. Er sei zumindest zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt. Eine Vorlage an den EuGH sei erforderlich.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerjahresbescheide 2005 bis 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 0 € festgesetzt wird, hilfsweise, dass der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Leistungen seien weder nach nationalem Recht noch nach dem Unionsrecht steuerfrei. Es sei auch nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Das FA habe nur die Kursleistungen als steuerfrei anerkannt, die nach einer dem Kläger am 27. Oktober 2008 erteilten Bescheinigung ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet hätten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Leistungen des Klägers nicht nach nationalem Recht steuerfrei sind. Der Kläger kann aber einen Anwendungsvorrang der Richtlinie geltend machen, wozu noch weitere Feststellungen zu treffen sind.

10

1. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.

11

a) Nach § 4 Nr. 21 UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).

12

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die im finanzgerichtlichen Verfahren noch streitigen Kurse liegt auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vor.

13

b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).

14

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger als Einzelunternehmer die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung des Klägers auf das Unionsrecht von Bedeutung.

15

2. Der Kläger kann sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.

16

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht.

17

b) Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) kommt es auf Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841). Dem hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13 (BFH/NV 2014, 1175, unter II.2.) angeschlossen.

18

c) Danach können einzelne Kurse, die der Kläger durchgeführt hat, als Schulunterricht eines Privatlehrers steuerfrei sein. Dies gilt insbesondere für das Kleinkindschwimmen, da an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, zum einen ein hohes Gemeinwohlinteresse besteht und zum anderen die Erlangung dieser Fähigkeit auch in öffentlichen Schulen unterrichtet wird. Dies mag auf Kurse wie Babyschwimmen, Aqua-Jogging und Aqua-Fitness nicht zutreffen, zumal bei diesen auch der Charakter bloßer Freizeitgestaltung nicht zu vernachlässigen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

19

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

20

a) Sind die Leistungen des Klägers nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei, kommt eine Berufung auf andere Befreiungstatbestände des Unionsrechts nicht in Betracht.

21

aa) Zwar haben die Mitgliedstaaten von der Steuer auch zu befreien

22

- die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL),
- die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL),
- die "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) sowie
- "bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben" (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL).

23

bb) Die Voraussetzungen dieser Tatbestände liegen im Streitfall aber nicht vor.

24

(1) Für Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h und i MwStSystRL folgt dies bereits daraus, dass es an der personenbezogenen Voraussetzung der "anerkannten Einrichtung" fehlt. Insoweit ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Zu den für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkten gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (EuGH-Urteil Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11, Umsatzsteuer-Rundschau 2013, 35 Rdnr. 31, und BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, unter II.2.c aa). Auch im Hinblick auf eine Kostentragung durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit ist zu berücksichtigen, ob der Unternehmer seine Leistung unmittelbar aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Sozialversicherungsträgern erbringt (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, unter II.2.b cc).

25

Danach reicht es für die Anerkennung als Einrichtung weder aus, dass der Kläger direkte vertragliche Beziehungen mit Gemeinden hinsichtlich der Nutzung von Schwimmbädern unterhielt, noch, dass Kosten auf der Grundlage von § 20 SGB V erstattet wurden. Denn die Gemeinden waren als Hallenbadbetreiber nicht als "Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit" tätig, während im Rahmen der Leistungserbringung nach § 20 SGB V keine vertraglichen Beziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen bestanden (vgl. auch Welti, in Becker/ Kingreen, SGB V, 3. Aufl., § 20 Rz 13). Im Übrigen kommt dem Kläger mit seinen Leistungen neben dem Kleinkindschwimmen (zu diesem s. oben II.2.) nicht der Charakter einer Einrichtung mit anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie öffentlichen Schulen oder Hochschulen zu.

26

(2) Die Steuerfreiheit für bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben (Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, zuvor: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG) kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Einrichtung ohne Gewinnstreben ist.

27

b) Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass der Kläger für Leistungen, die nicht steuerfrei sind, nicht den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann.

28

Zwar ordnet § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes an. In Bezug auf die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze beruht die Vorschrift auf Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 14 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13), wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125, unter II.2.a ee). Danach können die Mitgliedstaaten die Überlassung von Sportanlagen einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen. Unionsrechtliche Grundlage für die Verabreichung von Heilbädern ist die Thermalbehandlung i.S. von Art. 98 Abs. 2 und 3 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 17 (zuvor Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Anhang H Nr. 13). § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG ist entsprechend diesen Bestimmungen auszulegen, wobei neben dem allgemeinen Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen auch zu berücksichtigen ist, dass Vorschriften des nationalen Rechts auch dann eng auszulegen sind, wenn sie ansonsten nicht der Richtlinie entsprechen (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 14/11, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630, unter II.2.c bb).

29

Im Hinblick auf die unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung, die sich auf die Überlassung von Sportanlagen und damit auf eine Nutzungsüberlassung bezieht, ist es danach nicht möglich, die Erteilung von Schwimmunterricht als einen unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsatz anzusehen. Sollte sich demgegenüber aus Abschn. 171 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 ergeben, dass die Erteilung von Schwimmunterricht als eigenständige Leistung der Steuersatzermäßigung unterliegt, könnte sich der Senat dem nicht anschließen. Ebenso können Kurse wie "Aqua-Jogging" und "Aqua-Fitness" nicht als Verabreichung von Heilbädern angesehen werden, da insoweit unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlagen eine Thermalbehandlung vorliegen müsste, an der es fehlt.

30

4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler kam es nicht mehr an.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 15. Juni 2015  4 K 19/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) betreibt seit dem Jahr 2003 als "Franchisenehmerin" ein Lernstudio. Sie vermittelt Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren Kenntnisse der englischen Sprache. Hierzu erteilte sie in den Jahren 2008 bis 2012 (Streitjahre) Gruppenunterricht in verschiedenen Kindertagesstätten sowie an einer Grundschule. Ziel des Englischunterrichts der Klägerin war es, den Kindern einen nahtlosen Übergang zum Sprachunterricht an weiterführenden Schulen zu ermöglichen. Die Englischkurse waren im Hinblick auf ihren Inhalt entsprechend dem Wissensstand und Reifegrad der Kinder in die Stufen "…", "…", "…" und "…" gegliedert. Die Lerninhalte wurden schrittweise eingeführt. Als Material für den Unterricht setzte die Klägerin Schulbücher von Schulbuchverlagen und Materialien des Franchisegebers ein.

2

Neben Gruppenunterricht in Kindertagesstätten und der Grundschule erteilte die Klägerin auch Nachhilfe in Englisch.

3

Die Teilnahme der Kinder an den Englischkursen der Klägerin in den Kindertagesstätten und der Grundschule war freiwillig und konnte jeweils monatlich beendet werden. Das Entgelt für die Kurse betrug monatlich … € und wurde von den Eltern der Kinder, in Einzelfällen auch anteilig über den Schulverein bzw. vollständig über den Bildungsfonds der Stadt A entrichtet. Ab September 2011 bzw. Dezember 2012 erfolgte die Abrechnung in Einzelfällen auch in Höhe von … € monatlich anteilig über sog. Bildungsgutscheine des Jobcenters A und der Stadt A bzw. des Jobcenters B und des Kreises B auf der Grundlage von mit der Klägerin abgeschlossener Kooperationsvereinbarungen.

4

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2012 (Streitjahre) behandelte die Klägerin die Umsätze aus dem Lernstudio als steuerpflichtig.

5

Mit Schreiben vom 12. Mai 2014 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt wird, da sie, die Klägerin, Schulunterricht als Privatlehrerin erteilt habe, der nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei sei.

6

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 23. September 2014 ab. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2015).

7

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1576 veröffentlichten Urteil statt und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, zwar lägen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes nicht vor. Die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb des Lernstudios seien jedoch in vollem Umfang gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei.

8

Mit seiner Beschwerde macht das FA geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FA hat den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt; die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

10

1. Soweit das FA geltend macht, das FG sei von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen, hat es dies nicht hinreichend dargelegt.

11

a) Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichung muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363, Rz 14, m.w.N.). Außerdem muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie der Divergenzentscheidung und es sich um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014 II B 129/13, BFH/NV 2014, 708, Rz 15, m.w.N.).

12

b) An solchen Darlegungen des FA fehlt es hier.

13

aa) Das FA hat zwar behauptet, das FG sei mit dem Rechtssatz, die Steuerbefreiung sei durch einen Franchisevertrag nicht ausgeschlossen, wenn die Unterrichtsinhalte von der Franchisenehmerin selbständig und eigenverantwortlich festgelegt werden, vom EuGH-Urteil Eulitz vom 28. Januar 2010 C-473/08 (EU:C:2010:47, BFH/NV 2010, 583, Rz 48) abgewichen, in dem der EuGH den Rechtssatz aufgestellt habe, dass das Merkmal der Selbständigkeit für sich genommen nicht ausreiche, um einen Lehrer als Privatlehrer einzustufen. Das FA hat allerdings weder dargelegt, dass vergleichbare Sachverhalte vorliegen, was schon deshalb erforderlich gewesen wäre, weil nicht ersichtlich ist, dass in der Rechtssache Eulitz ein Franchisevertrag vorlag, noch hat das FA dargelegt, inwieweit diese Rechtssätze voneinander abweichen sollen. Das FG hat im Übrigen gar nicht angenommen, dass das Merkmal der Selbständigkeit für sich genommen ausreiche, um einen Lehrer als Privatlehrer einzustufen.

14

bb) Ebenso wenig hat das FA dargelegt, inwieweit der (angebliche) abstrakte Rechtssatz des FG für die berufliche Qualifikation als Englisch-Privatlehrerin sei eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht erforderlich und die berufliche Qualifikation könne sich aus den vom FG im Rahmen seiner Würdigung herangezogenen Faktoren ergeben, von Rz 48 des EuGH-Urteils Eulitz (EU:C:2010:47, BFH/NV 2010, 583) abweichen soll. Das wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil nicht ersichtlich ist, dass in der Rechtssache Eulitz der EuGH eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde für die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) verlangt hätte. Das FG hat auch insoweit nicht angenommen, dass abweichend von der Rechtsprechung des EuGH das Merkmal der Selbständigkeit für sich genommen ausreiche, um einen Lehrer als Privatlehrer einzustufen.

15

cc) Soweit das FA im Rahmen der Rüge der Divergenz Ausführungen zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL macht und eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 10. Januar 2008 V R 52/06 (BFHE 221, 295, BFH/NV 2008, 725, unter II.2.b bb, Rz 43 ff.) und vom 24. Januar 2008 V R 3/05 (BFHE 221, 302, BStBl II 2012, 267, unter II.2.a bb, Rz 26) rügt, hat das FA keinen abstrakten Rechtssatz des FG zu dieser Bestimmung des Unionsrechts herausgearbeitet. Dies wäre deshalb erforderlich gewesen, weil das FG seine Annahme, die Umsätze der Klägerin seien steuerfrei, ausschließlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL gestützt hat.

16

dd) Mit dem Vortrag, das FG habe den Streitfall unzutreffend entschieden, legt das FA ebenfalls keine Divergenz hinreichend dar; denn für die Annahme einer Divergenz reichen weder eine (angeblich) unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung noch eine (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch (angebliche) schlichte Subsumtionsfehler aus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778, Rz 10, m.w.N.; vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 26, m.w.N.).

17

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

18

a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, ist eine grundlegende Auseinandersetzung damit, sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Mai 2014 III B 158/13, BFH/NV 2014, 1365, Rz 7; vom 7. Juli 2015 I B 114/14, BFH/NV 2015, 1425, Rz 7, m.w.N.). Der bloße Vortrag, der BFH habe eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden, reicht für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Juni 2015 VI B 133/14, BFH/NV 2015, 1247, Rz 2; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 180, m.w.N.).

19

b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor; denn die vom FA aufgeworfene Frage ist hinreichend geklärt.

20

aa) Das FA hält zwar folgende abstrakte Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam: Wie ist der Begriff "Privatlehrer" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL zu definieren und welche über die bloße Selbständigkeit einer natürlichen Person hinausgehenden Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Insbesondere: Kann er Franchisenehmer sein?

21

Jedoch ergibt sich aus der vom FG herangezogenen Rechtsprechung des EuGH (Urteile Haderer vom 14. Juni 2007 C-445/05, EU:C:2007:344, BFH/NV Beilage 2007, 394; Eulitz, EU:C:2010:47, BFH/NV 2010, 583) und des BFH (Urteile vom 27. September 2007 V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323; vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, BFH/NV 2014, 1175; vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687; s. auch BFH-Beschluss vom 13. Januar 2011 V B 65/10, BFH/NV 2011, 646), dass sich die Rechtsprechung schon mehrfach mit der Frage beschäftigt hat, unter welchen Voraussetzungen eine Person als "Privatlehrer" i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL anzusehen ist.

22

Nach der Rechtsprechung bezieht sich die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung --entgegen ihrer deutschen Sprachfassung (und anders als das FA meint)-- nicht auf den "von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht", sondern --entsprechend den anderen Sprachfassungen der Richtlinie-- auf "Unterrichtseinheiten, die von Unterrichtenden ... erteilt werden und sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen" (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, BFH/NV 2010, 583, Rz 21 bis 23, 32 und 33; BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 646, Rz 4; s. auch BFH-Urteil in BFHE 245, 391, BFH/NV 2014, 1175, Rz 17 und 24). "Privatlehrer" im Sinne der deutschen Sprachfassung bzw. "Unterrichtende" im Sinne der übrigen Sprachfassungen sind nach der Rechtsprechung Unterrichtende bzw. Lehrkräfte, die eine befreite Unterrichtstätigkeit "privat" ausüben (vgl. EuGH-Urteile Haderer, EU:C:2007:344, BFH/NV Beilage 2007, 394, Rz 29; Eulitz, EU:C:2010:47, BFH/NV 2010, 583, Rz 32 f., 43 und 48; BFH-Urteile in BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323, Rz 40; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 17 f.).

23

bb) Daneben misst das FA unter Berufung auf das EuGH-Urteil MDDP vom 28. November 2013 C-319/12 (EU:C:2013:778, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 177) folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei: Unter welchen Voraussetzungen kann ein Unternehmer als Einrichtung i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL angesehen werden, die mit der einer Bildungseinrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar ist?

24

Allerdings hat das FA insoweit bereits nicht hinreichend dargelegt, dass diese Rechtsfrage im Streitfall klärbar ist. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil das FG seine Annahme, die Umsätze der Klägerin seien steuerfrei, auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL gestützt hat (vgl. II.1.b cc).

25

3. Das FA hält mit seinem Beschwerdevorbringen außerdem die Rechtsauffassung des FG für falsch und stellt die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage. Dies begründet grundsätzlich keinen Revisionszulassungsgrund (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864, Rz 29; vom 27. April 2015 X B 47/15, BFH/NV 2015, 1356, Rz 13, m.w.N.).

26

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte in den Streitjahren 2000 bis 2006 als Diplom-Sozialpädagogin und Diplom-Organisationsberaterin sog. Supervisionsleistungen für Träger der Wohlfahrtspflege, der Jugendhilfe, der Psychiatrie, für Suchtberatungsstellen sowie für Diakonie und Caritas. Dabei führte sie für ihre Auftraggeber sog. Supervisionen mit deren Mitarbeitern durch. Darüber hinaus erbrachte sie auch Lehrsupervisionsleistungen. Ihr war von der zuständigen Bezirksregierung am 25. Oktober 1999 zur Vorlage bei den Finanzbehörden bescheinigt worden, dass sie die Leistung "Supervision und Lehrsupervision" als berufliche Bildungsmaßnahme nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in den für die Streitjahre geltenden Fassungen ordnungsgemäß durchführe.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Supervisionsleistungen ebenso wie andere Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien und setzte mit Bescheiden vom 6. Dezember 2006 erstmals Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2321 veröffentlichten Urteil statt. Die Leistungen der Klägerin seien nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche und steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei. Die Supervisionsleistungen dienten dazu, die bei den Auftraggebern der Klägerin angestellten Mitarbeiter professionell im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung zu begleiten. Es gehe um die Professionalisierung und die Bewältigung spezifischer Probleme der psychosozialen und pädagogischen Arbeit dieser Mitarbeiter. Die Leistungen seien spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der Mitarbeiter ausgerichtet gewesen. Die Klägerin sei auch als berufsbildende Einrichtung anzusehen. Hierfür sei die Dauer der gegenüber dem einzelnen Teilnehmer erbrachten Leistung unerheblich. Auch das Fehlen von Lehrplänen und die Tätigkeit in den Räumen der Auftraggeber begründe keine Steuerpflicht. Die Klägerin habe auch über die für die Steuerfreiheit erforderliche Bescheinigung verfügt. Im Umfang anderer Leistungen, die die Klägerin steuerpflichtig erbracht habe, sei ihr zudem der Vorsteuerabzug zu gewähren.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, für die es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die Bescheinigung der Bezirksregierung entspreche nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, da es nicht ausreiche, dass lediglich bescheinigt werde, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt würden. Erforderlich sei vielmehr eine Bescheinigung, nach der der Unternehmer auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen, da sie keine anerkannte Einrichtung sei. Es handele sich auch nicht um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht durch Vermittlung von Fachwissen. Die Klägerin erbringe vielmehr Beratungsleistungen durch Unterstützung eigener Erkenntniserlangung des Teilnehmers, so dass es auch an der Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten fehle. Es gehe nur um die Erlangung von "Soft-Skills". Die bloße Berufsbezogenheit reiche nicht aus. Es handele sich nicht um eine Wissensvermittlung anhand von Lehrplänen wie bei einer Berufsausbildung. Es würde lediglich die pädagogische Arbeit durch Fallbesprechungen begleitet.

5

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Ihre Leistungen seien steuerfrei. Die Voraussetzung der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung ergebe sich eindeutig aus der ihr erteilten Bescheinigung, zumindest aber unter Berücksichtigung des von ihr gestellten Antrags. Dass ein Unterrichtsplan fehle, stehe der Steuerfreiheit nicht entgegen. Sie könne sich auf das Unionsrecht berufen. Da sie ihre Leistungen auf Veranlassung und unter Kostenübernahme des jeweiligen Arbeitgebers erbracht habe, liege eine berufliche Fortbildungsmaßnahme vor. Inhaltlich sei es um die Vermittlung von "Personenkompetenz" gegangen. Es bestehe eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG sind die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht nicht steuerfrei. Die Klägerin kann sich aber für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Insoweit sind noch weitere Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen.

9

1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

10

a) § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, ... wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten".

11

b) Wie der Senat mit Urteil vom 17. April 2008 V R 58/05 (BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.2.c) zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG a.F. entschieden hat, muss sich aus der Bescheinigung ergeben, dass die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird, auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, so dass es nicht ausreicht, dass sich aus der Bescheinigung --wie im Streitfall-- nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheinigung eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung aufgrund einer bloßen Bezugnahme auf den bei der Landesbehörde gestellten Antrag nicht in Betracht.

12

2. Die Leistungen der Klägerin können zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG, wohl aber gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen zu treffen.

13

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".

14

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG befreit nach seinem Wortlaut zudem "den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht". Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) entschieden hat, weichen die einzelnen Sprachfassungen dieser Bestimmung voneinander ab. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede sind als Schul- und Hochschulunterricht "Unterrichtseinheiten, die ... sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen" anzusehen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 23).

15

b) Im Streitfall kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, dass ihre Leistungen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind: Sie ist weder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts noch verfügt sie --mangels Bescheinigung (s. oben II.1.b)-- über die ansonsten erforderliche Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung, die mit z.B. Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder beruflicher Umschulung betraut ist.

16

c) Die Klägerin kann aber geltend machen, dass ihre Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, steuerfrei sind.

17

aa) Nach der EuGH-Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts "nicht auf Unterricht ..., der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern [schließt] ... andere Tätigkeiten ein ..., bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben" (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 26). Es handelt sich um die "Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 33).

18

Zudem ist es "unerheblich", dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG "nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 34), da "nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden [ist], der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben", und da das "Gleiche für die Unterrichtseinheiten [gilt], die sich auf diesen Unterricht beziehen" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 35), zumal sich "eine solche Unterscheidung anhand der Unterrichtsinhalte als schwierig erweisen" würde und eine besonders enge Auslegung des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht "die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen [würde], weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet sind" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 36).

19

bb) Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 wird im Schrifttum zutreffend geltend gemacht, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht nur Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, sondern auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, steuerfrei sein können (Tehler, EU-Umsatzsteuerberater 2010, 6 ff., 8; Philipowski, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 161 ff., 163, und Nieskens, UR 2013, 175 ff., 179).

20

Dem folgt auch der erkennende Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. Es kommt nicht darauf an, dass der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.3.b bb), da sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Entgegen der Auffassung des FA ist ein Lehrplan nicht unabdingbar für die Steuerfreiheit. Daher können auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein.

21

cc) Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 68/97 (BFH/NV 1999, 81, unter II.3.), das zu Vortragstätigkeiten einer Familienbildungsstätte ergangen ist.

22

d) Die Sache ist nicht spruchreif. Im Hinblick auf eine mögliche Berufung der Klägerin auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob sie als Privatlehrer tätig war und welcher Art die von der Klägerin im Einzelnen erbrachten Leistungen waren.

23

aa) Das FG wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es der Erteilung von Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, durch einen Privatlehrer nicht entgegensteht, wenn dieser mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt, dass die der Unterrichtserteilung zugrunde liegende Rechtsbeziehung auch zu einer anderen Person als Unterrichtsteilnehmer bestehen kann und dass das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit spricht (EuGH-Urteil Haderer in Slg. 2007, I-4841 Rdnrn. 31 ff.). Die bloße Unternehmereigenschaft reicht demgegenüber nicht aus (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 47).

24

Ohne Bedeutung ist für den Streitfall, dass der EuGH die Privatlehrereigenschaft versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnrn. 52 ff.), da es den Auftraggebern der Klägerin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging.

25

bb) In Bezug auf die Lehrsupervisionen kann sich die Steuerfreiheit bereits daraus ergeben, dass die Klägerin andere darin unterrichtet hat, Supervisionen auszuführen.

26

cc) Hinsichtlich der weiteren Supervisionsleistungen ist --ohne Bindung an die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs bei Werbungskosten-- zu berücksichtigen, dass diese vorrangig auf die spezifischen Bedürfnisse einer Berufstätigkeit ausgerichtet sein können, wenn sie dazu dienen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete Arbeitsplatzsituationen zu erarbeiten und in gemeinsamer Reflexion Fehler und Schwachstellen aufzuarbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2008 VI R 35/05, BFHE 223, 1, BStBl II 2009, 108). Für die erforderliche Berufsbezogenheit als Aus- und Fortbildungsmaßnahme kann es ausreichen, dass die Klägerin Sozialarbeiter für die von diesen ausgeübte Berufstätigkeit anhand von Fallbeispielen gruppenweise angeleitet hat. Insoweit kommt den mit dem jeweiligen Auftraggeber vereinbarten Lehrinhalten indizielle Bedeutung zu.

27

dd) Zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen hat das FG lediglich allgemein festgestellt, dass die von ihr erbrachten Supervisionsleistungen einer professionellen Begleitung im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung der beruflichen Tätigkeit der bei den diversen Einrichtungen angestellten Mitarbeiter dienten, und dass diese Leistungen spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der teilnehmenden pädagogisch und psychosozial tätigen Mitarbeiter ausgerichtet waren. Feststellungen zu den einzelnen, von der Klägerin gegenüber verschiedenen Auftraggebern erbrachten Leistungen fehlen aber. Diese sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Tenor

1. Die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 und 2010 bis 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2015 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Einnahmen aus den Kursen für Kinder im Alter von 12 bis 36 Monaten in folgender Höhe als steuerfrei zu behandeln sind:

Jahr-Entgelt (brutto)

2006-23.603,35 EUR

2007-20.432,55 EUR

2008-7.282,11 EUR

2010-25.811,42 EUR

2011-19.168,22 EUR

2012-24.222,59 EUR

Der Beklagte hat die danach festzusetzende Umsatzsteuer zu berechnen und den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 20 % und der Beklagte zu 80 %.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Gläubiger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob die von der Klägerin durchgeführten Schwimmkurse für Kinder unter 3 Jahren umsatzsteuerfrei sind.
1. Die Klägerin betreibt seit dem 30. April 2004 als Einzelunternehmerin in angemieteten Schwimmhallen eine Schwimmschule für Kinder und Erwachsene. Sie bezeichnet ihren Schwimmunterricht als „[ ___ ]“-Methode und hat sich diese Marke beim Deutschen Marken- und Patentamt eintragen lassen.
Die Schwimmkurse für Kinder teilt die Klägerin nach dem Alter der Kinder ein. Dabei bildet sie Gruppen für:
–       
Säuglinge im Alter von 3 bis 12 Monaten,
–       
Kleinkinder im Alter von 12 bis 36 Monaten,
–       
Kleinkinder im Alter vom 3. bis zum 6. Lebensjahr und
–       
Kinder ab dem Alter von 5 1/2 Lebensjahren.
Darüber hinaus bietet sie für Kinder, die „das freie, sichere und angstfreie Schwimmen ohne Schwimmhilfen“ beherrschen, Kurse an, die sie „[ ___ ]“ nennt.
Die Größe der Gruppe beträgt im Durchschnitt sechs bis acht Kinder. Die einzelnen Schwimmstunden dauern für die Kinder bis 3 Jahren 30 Minuten, für Kinder ab 3 Jahren 40 Minuten. Eltern sind bei den Kursen mit im Wasser. Die Säuglinge im Alter von bis zu 12 Monaten werden von ihren Eltern gehalten und bewegt. Die Kinder im Alter von 12 bis 36 Monaten bewegen sich zunächst mit Hilfe der Eltern, die aber schrittweise zurückgenommen wird. Die Klägerin hat für jeden Schwimmkurs einen „Lehrplan“ erstellt, in dem der Unterrichtsaufbau dargestellt wird. Danach unterteilt die Klägerin die einzelnen Schwimmstunden in fünf „Phasen“. Auf die dortige Beschreibung der Kursinhalte wird Bezug genommen. Diese werden in der Anlage zu diesem Urteil auszugsweise wiedergeben.
Die Klägerin erläuterte zu den Kursen für Kleinkinder im Erörterungstermin: Die Einteilung der Kurse für Kinder unter und über 3 Jahren beruhe auf der Reife des Gehirns. In den Kursen für unter 3-jährige Kinder stünde die Körperbeherrschung im Vordergrund; das Kind lerne außerdem, sich über Wasser zu halten. Bei den über 3-jährigen Kindern gehe sie dann „richtig in die Technik rein“; den Kindern werde insbesondere der Arm- und Beinschlag für das Brustschwimmen beigebracht.
Die Qualifikation der Klägerin für das Abhalten von Schwimmkursen ist unstreitig.
2. Die Klägerin behandelte sämtliche Schwimmkurse von Anfang an als nach § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Leistungen. Sie erteilte keine Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis.
Die Entgelte für das „Säuglingsschwimmen“ (3 bis 12 Monate) und das „Kleinkinderschwimmen“ (12 bis 36 Monate) betragen (brutto):
10 
Jahr   
  3 bis 12 Monate
  12 bis 36 Monate
Summe 
2006   
15.993,45 EUR
23.603,35 EUR
39.596,80 EUR
2007   
10.477,20 EUR
20.432,55 EUR
30.909,75 EUR
2008   
9.217,33 EUR
7.282,11 EUR
16.499,44 EUR
2010   
20.200,59 EUR
25.811,42 EUR
46.012,01 EUR
2011   
24.098,00 EUR
19.168,22 EUR
43.266,22 EUR
2012   
23.236,95 EUR
24.222,59 EUR
  47.459,54 EUR
11 
3. Die Klägerin beantragte erstmals mit Schreiben vom 19. April 2010 beim Regierungspräsidium Karlsruhe eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG. Das Regierungspräsidium lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. April 2010 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) ab, weil eine solche Bescheinigung für private Schwimmschulen nicht erteilt werden könne.
12 
4. Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung (Bericht vom 18. September 2012) beurteilte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Leistungen in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2006 bis 2010 vom 24. Oktober 2012 und in den erstmaligen Umsatzsteuerbescheiden 2011 und 2012 vom 19. Mai 2014 als steuerpflichtig. Die Klägerin legte gegen diese Bescheide rechtzeitig Einspruch ein.
13 
5. Die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. Mai 2012 beim Regierungspräsidium [ ___ ] erneut eine Bescheinigung. Das Regierungspräsidium erteilte die Bescheinigung mit Verfügung vom 9. Juli 2013 rückwirkend ab dem 30. April 2004 nur für das Kleinkinderschwimmen (ab 3 Jahren) und das Kinder- bzw. Schülerschwimmen (ab 6 Jahren). Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag lehnte es eine Bescheinigung für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) und das Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) ab. Der Ablehnungsbescheid erging auf Bitte des neuen Rechtsanwalts (dem Prozessbevollmächtigten) ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Er wurde nicht angefochten.
14 
6. Die Klägerin legte dem FA die Bewilligung des Regierungspräsidiums vor. Das FA gewährte daraufhin in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2006 bis 2008 und 2010 bis 2012 die Steuerbefreiung für das Kleinkinderschwimmen (ab 3 Jahren).
15 
Jahr   
Bescheid vom
2006   
1. April 2014
2007   
1. April 2014
2008   
1. April 2014
2010   
19. Februar 2014
2011   
6. August 2014
2012   
6. August 2014
16 
Die Steuerbefreiung auch für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) und das Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) lehnte es mit Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2015 ab.
17 
7. Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Steuerbefreiung auch für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) und das Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate).
18 
Sie meint, bereits der Schwimmunterricht an Säuglingen ziele darauf ab, den Kindern Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, nämlich Schwimmen zu lernen. Das Schwimmen lernen sei eine Teildisziplin des Schulfaches Sport.
19 
Die Politik propagiere ab der Geburt eines Kindes dessen „Bildung“. Der Lernerfolg stelle sich beim Schwimmen bereits ein, wenn sich ein Kind über Wasser halten könne. Von den Kindern, die regelmäßig an ihren Schwimmkursen teilnehmen, würden 90 % im Alter von 3 Jahren schwimmen können. Ein gewisses spielerisches Element in ihren Kursen erhöhe den Lernerfolg.
20 
Die Klägerin hat im Verlauf des Klageverfahrens das Privatgutachten des Prof. Dr. med. [ ___ ] (ohne Datum) vorgelegt, [ ___ ] und zu dem Ergebnis kommt, dass die Schwimmkurse der Klägerin eine Bildungsleistung zum zielführenden Schwimmen lernen seien. Darin führt der Verfasser u.a. aus: Bildung sei ein Prozess, der mit der Geburt eines Kindes einsetze und sich ein gesamtes Leben lang vollziehe. Der Schwimmunterricht der Klägerin sei auch für Säuglinge ab dem dritten Lebensmonat als eine frühkindliche Bildung zu verstehen. Das Spiel sei der Bildungsweg des Kleinkindes, im Spiel werde das Kind auch von Erwachsenen gebildet. Auch motorische Entwicklung im frühen Lebensalter sei als Bildung zu bezeichnen.
21 
Die Klägerin hat dem Senat einen Memory-Stick mit Filmaufzeichnungen des Schwimmunterrichts übersandt.
22 
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 und 2010 bis 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Oktober 2015 zu ändern und auch die folgenden Beträge steuerfrei zu behandeln:
Jahr   
Entgelt (brutto)
2006   
39.596,80 EUR
2007   
30.909,75 EUR
2008   
16.499,44 EUR
2010   
46.012,01 EUR
2011   
43.266,22 EUR
2012   
47.459,54 EUR
23 
8. Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
24 
Es hält die Auslegung des Begriffs der „Ausbildung“ für entscheidend. Bei Kindern rege jede Förderungsmaßnahme die Bildung von Synapsen an, ohne dass von einer Ausbildung bzw. von „Unterricht“ gesprochen werden könne.
25 
Aus dem Privatgutachten des Prof. Dr. med. [ ___ ] gehe nicht hervor, dass die Kinder tatsächlich schon im Alter unter 3 Jahren das selbständige Schwimmen lernen.
26 
Weder aus dem überlassenen Film noch aus dem Lehrplan sei ersichtlich, dass Kinder unter 3 Jahren nach der Methode der Klägerin frei schwimmen lernen. Aus den Aufnahmen gehe vielmehr hervor, dass die Freizeitgestaltung und der Spaßfaktor überwiegen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich ältere Kinder durch Paddeln im Wasser mit allen Vieren und Schwimmflossen, von den Eltern kontrolliert, kurz über Wasser halten können. Von (Brust-)Schwimmen, wie es auch in den Schulen oder Schwimmkursen für ältere Kinder gelehrt wird, sei nichts ersichtlich. Nach dem Lehrplan lehre die Klägerin dies erst in der Kursstufe für das 3. bis 6. Lebensjahr. Ob Kinder, die zuvor am Säuglingsschwimmen teilgenommen haben, schneller Schwimmen lernen als ältere Kinder ohne vorausgegangenen Säuglingsschwimmkurs, die in ihrer Auffassungsgabe und motorischen Fähigkeiten viel weiter sind, lasse sich weder aus dem Film noch aus dem Lehrplan beurteilen. Die Finanzverwaltung gehe davon aus, dass erst bei Kindern ab dem 3. Lebensjahr der tatsächliche Unterricht die Freizeitgestaltung überwiege (Hinweis auf Abschn. 4.21.2 Abs. 8 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses -UStAE-). Steuerfrei könnten nur Umsätze sein, die als vergleichbare Leistungen an Schulen erbracht werden. Selbst wenn einzelne Kinder unter 3 Jahren sich durch die Methode der Klägerin kurz über Wasser halten könnten, sei dies nicht die Mehrheit aller Kinder unter 3 Jahren. Es handele sich nicht um Unterricht, sondern um eine spielerische Frühförderungsmaßnahme, mit der keine Fähigkeiten wie bestimmte reproduzierbare Körperbewegungen vermittelt werden sollen. Laut Recherchen im Internet würden Experten davon ausgehen, dass die motorischen und geistigen Fähigkeiten zum (Brust-)Schwimmen lernen erst ab etwa 4 Jahren ausgeprägt seien.
27 
9. In der Rechtssache hat am 25. Mai 2016 ein Erörterungstermin stattgefunden.
28 
Die Beteiligten haben übereinstimmend berichtet, dass derzeit bundesweit eine einheitliche Praxis bestehe, nach der eine Bescheinigung für Unterricht an Kinder unter 3 Jahren nicht erteilt würde.
29 
10. Die von der Klägerin vorgelegten Filmaufnahmen der Schwimmkurse wurden in der mündlichen Verhandlung in Auszügen vorgespielt und von der Klägerin kommentiert.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist teilweise begründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA auch die Schwimmkurse für Kleinkinder (12 bis 36 Monate) als steuerpflichtig erachtet hat (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Dagegen sind die Säuglingsschwimmkurse (3 bis 12 Monate) steuerpflichtig.
31 
1.Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.
32 
a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).
33 
Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Klägerin ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die hier streitigen Kurse wurde auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung erteilt.
34 
b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind ferner steuerfrei die Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).
35 
Im Streitfall kommt auch diese Steuerbefreiung nicht in Betracht, da die Klägerin als Einzelunternehmerin die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung der Klägerin auf das Unionsrecht von Bedeutung.
36 
2.Die Klägerin kann sich für eine -teilweise- Steuerfreiheit ihrer Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.
37 
a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Die MwStSystRL trat zum 1. Januar 2007 in Kraft. Bis zum 31. Dezember 2006 beruhte die Steuerbefreiung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie).
38 
b) Die Klägerin kann sich unmittelbar auf diese Vorschriften berufen (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, Umsatzsteuerrundschau -UR- 2014, 735; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017; vom 29. März 2017 XI R 6/16, BFHE 257, 471, UR 2017, 509, Rz 37; Finanzgericht -FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2017  5 K 5108/15, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2018, 691, Rz 23, Revision BFH V R 66/17; FG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2010  4 V 312/10, EFG 2010, 1461, Rz 53). Der Berufung auf Unionsrecht steht nicht entgegen, dass das Regierungspräsidium [ ___ ] den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für Kinder unter 3 Jahren bestandskräftig abgelehnt hat.
39 
c) Die persönlichen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie sind erfüllt. Die Klägerin ist eine „Privatlehrerin“ im Sinne der Vorschrift.
40 
Die MwStSystRL und die 6. EG-Richtlinie definieren den Begriff des Privatlehrers nicht. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass eine befreite Unterrichtstätigkeit „privat“ ausgeübt werden muss (BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rz 22). Schul- oder Hochschulunterricht wird von „Privatlehrern erteilt“, wenn die Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden ein Zusammenhang besteht (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 30, 31; BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 49).
41 
Danach hat die Klägerin den Schwimmunterricht „als Privatlehrerin erteilt“, weil sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und der konkrete Inhalt des von ihr erteilten Unterrichts in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Qualifikationen steht.
42 
Die Klägerin ist ohne Zweifel fachlich hinreichend befähigt ist, Schwimmunterricht zu erteilen. Eine darüber hinausgehende, besondere pädagogische Qualifikation fordert das Unionsrecht nicht (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 15. Juni 2015  4 K 19/15, EFG 2015, 1576, Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2017  5 K 5108/15, EFG 2018, 691, Rz 24, Revision BFH V R 66/17).
43 
Dem Merkmal „Privatlehrer“ steht nicht entgegen, dass die Unterrichtseinheiten mehreren Kindern gleichzeitig erteilt werden (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 31; BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, UR 2014, 569, Rz 23; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 50).
44 
Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Kindern oder mit Dritten (hier: mit deren Eltern) bestehen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 32; BFH-Entscheidungen vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, UR 2014, 569, Rz 23; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 50).
45 
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL), wo für die Anerkennung u.a. das mit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse zu berücksichtigen ist (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-174/11, Zimmermann, UR 2013, 35, Rz 31), auf den „Unterrichtsbereich“ -und mithin auch auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL- zu übertragen wäre (so jedenfalls zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL: BFH-Entscheidungen vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, UR 2016, 879, Rz 18; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 39) oder ob im Hinblick auf die in der Überschrift des Kapitel 2 MwStSystRL zum Ausdruck kommenden Zielsetzung der „Steuerbefreiung für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ weitergehende unternehmerbezogene Anforderungen zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 48 ff., Vorlage an den EuGH).
46 
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedenfalls gegeben, denn an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, besteht jedenfalls ein hohes Gemeinwohlinteresse (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 18; bestätigt durch BFH-Urteil vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, UR 2016, 879, Rz 19; dem folgend FG Münster, Urteil vom 15. August 2017  15 K 2689/14 U, EFG 2017, 1699, Rz 15). Das Ertrinken ist in Deutschland -nach den Verkehrsunfällen- die zweithäufigste Todesursache bei (Klein-)Kindern (vgl. Statistisches Bundesamt, Gesundheit, Todesursachen in Deutschland, Fachserie 12, Reihe 4, 2015, S. 8).Schwimmen zu können bedeutet darüber hinaus den Zugang zu vielen Bewegungs- und Lebensbereichen, wie dem Urlaub an der See, allen Wassersportarten, dem Besuch im Schwimmbad oder dem Gang zum Baggersee (vgl. FG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2010  4 V 312/10, EFG 2010, 1461, Rz 56).
47 
d) Im Streitfall sind auch die leistungsbezogenen Voraussetzungen erfüllt, soweit der Unterricht Kindern ab 1 Jahr erteilt wird.
48 
aa) Die Begriffe „Schul- und Hochschulunterricht“ sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (EuGH-Urteile vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 17; vom 14. Juni 2007 C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587, Rz 15).
49 
„Schul- und Hochschulunterricht“ erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 26; BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 17; vgl. auch EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174, zur Erwachsenenbildung). Entscheidend sind die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht (BFH-Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 43). Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BFHE 221, 302, BStBl II 2012, 267, Rz 33).
50 
Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen ist zwar zu berücksichtigen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen in der MwStSystRL und der 6. EG-Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen sind, weil Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (z.B. EuGH-Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, UR 2007, 379, Rz 14). Eine besonders enge Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“ würde aber die Gefahr einer unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten hervorrufen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 24; vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174, Rz 36; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2017  1 V 3464/16, Mehrwertsteuerrecht 2017, 474, Rz 20).
51 
bb) Nach diesen Maßstäben erteilt die Klägerin mit ihren Kursen im Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) Unterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie.
52 
Die Steuerbefreiung verlangt -anders als das FA meint- nicht, dass die Mehrheit der teilnehmenden Kinder nach Beendigung eines Kurses in der Lage ist, sich selbständig und ohne Schwimmhilfen über Wasser zu halten oder gar eine bestimmte Schwimmtechnik (z.B. Brustschwimmen) beherrschen. Vielmehr ist nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, Rz 12; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Juni 2013  9 C 4/12, BVerwGE 147, 1, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 80, Rz 9, beide zu § 4 Nr. 21 UStG), ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer das Schwimmen lernen ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29. Oktober 2015  5 K 316/14, EFG 2016, 149, Rz 20, rechtskräftig, zum Tanzunterricht).
53 
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kurs Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) darauf ausgelegt ist, den Kindern Schwimmen zu lernen. Dies entnimmt der Senat zum einen dem „Lehrplan“, den die Klägerin zu diesem Kurs vorgelegt hat und zum anderen den Filmaufnahmen, die sie in der mündlichen Verhandlung über verschiedene Szenen ihrer Kurse beispielhaft vorgeführt hat. Auf den Filmaufnahmen ist erkennbar, dass die Kinder neben dem begleitenden Elternteil, wenn auch von Schwimmhilfen (z.B. Schwimmärmel und -gürtel) getragen und von Flossen unterstützt, frei im Wasser schwimmen und darüber hinaus in der Lage sind, sich darin fortzubewegen. Für den Senat ist zudem ohne weiteres nachvollziehbar, dass -wie es die Klägerin vorträgt und im Film zu sehen ist- der Einsatz der Schwimmhilfen und Flossen je nach dem Fortschritt der Kinder im Verlauf des Kurses reduziert werden.
54 
Zweifel daran, dass die Angaben des Lehrplans zum „Unterrichtsaufbau“ oder die Filmaufnahmen zum Teil oder insgesamt bloß vorgetäuscht wären, sind nicht erkennbar. Ob die am Ende des Films gezeigten, ohne Hilfen schwimmenden Kinder tatsächlich noch keine 3 Jahre alt sind oder -wie das FA mutmaßt- deutlich älter, hält der Senat für nicht entscheidend, da der Kurs jedenfalls darauf gerichtet ist, Schwimmen zu lernen. Der Kurs Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) ist als „Baustein“ eines mehrere Jahrgangsstufen übergreifenden Kurssystems angelegt, in dessen Verlauf die Kinder das Schwimmen erlernen und am Ende sicher beherrschen können sollen.
55 
Die Erlangung dieser Fähigkeiten wird auch an Schulen unterrichtet. Schwimmen war und ist in Baden-Württemberg Bestandteil der Bildungspläne aller Schularten (vgl. Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 14. August 2017, Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 16/2381).
56 
Darüber hinaus dienen die Kurse auch dazu, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken und ihre Beziehungsfähigkeit zu fördern. Schließlich ist zu bedenken, dass die Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur das natürliche Recht der Eltern, sondern auch die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes) und dass damit alle Maßnahmen, mit denen ihr körperliches oder seelisches Wachstum unterstützt wird, jedenfalls nicht von vornherein bloß der reinen Freizeitgestaltung zugerechnet werden können. Eltern, die ihren Kindern frühzeitig das Schwimmen beibringen, handeln zudem -wie ausgeführt- im Gemeinwohlinteresse.
57 
Nach alledem kann der Senat offenlassen, ob auch das allabendliche Spielen und Herumtoben mit Eltern und Geschwistern in der heimischen Badewanne in den ersten drei Lebensjahren verknüpft mit wöchentlichen Schwimmbadbesuchen Motorik, Selbstvertrauen, angstfreien Umgang mit dem Wasser, soziale Intelligenz usw. -anders als die Klägerin auf Seite 24 ihres Lehrplans meint- nicht in gleicher Weise unterstützen und fördern würde.
58 
Das Gericht ist bei seiner Beurteilung nicht an die in Abschn. 4.21.2 Abs. 8 Satz 3 UStAE geäußerte -norminterpretierende- Verwaltungsauffassung gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252, Rz 30). Davon abgesehen bezieht sich der Anwendungserlass auf Ballett- und Tanzunterricht.
59 
cc) Dagegen beurteilt der Senat das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) als steuerpflichtig. Er hat nicht feststellen können, dass das Säuglingsschwimmen über eine Freizeitgestaltung hinausgeht bzw. in einem strukturierten Prozess den Säuglingen Schwimmkenntnisse und Schwimmfähigkeiten vermittelt.
60 
Nach den gezeigten Filmaufnahmen unterscheidet sich das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) vom Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) und allen weiteren Kursen vor allem dadurch, dass sich die Kinder nicht neben den Eltern „allein“ (getragen von Schwimmhilfen) im Wasser befinden, sondern -altersbedingt- von den Eltern gehalten werden. Zudem richten sich die Ansprachen der Klägerin -wiederum altersbedingt- nicht an die Kinder persönlich, sondern an die Eltern.
61 
Soweit die von den Eltern mit ihren Kindern durchgeführten Übungen -wie die Klägerin ausführt- dazu dienen sollen, die Säuglinge an das Element Wasser zu gewöhnen, die Muskulatur zu kräftigen, Körperspannung aufzubauen, die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken oder -noch allgemeiner- die Bildung von Synapsen anzuregen, kann nach der Einschätzung des Senats noch nicht von einem „Schwimmunterricht“ gesprochen werden, mögen auch diejenigen Kinder, die das Säuglingsschwimmen besucht haben, regelmäßig einen „Vorsprung“ gegenüber Kindern mitbringen, die erst später mit den Schwimmkursen beginnen. Auch im „Unterrichtsaufbau“ für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) kommt nicht hinreichend zum Ausdruck, dass das Schwimmen lernen im Vordergrund steht.
62 
Die Umsätze im Bereich Säuglingsschwimmen unterliegen dem Regelsteuersatz (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 27 ff.).
63 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag (Schriftsatz vom 18. Februar 2018) bei der Steuerbefreiung der Umsätze aus dem Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) in den Jahren 2006 bis 2008 und 2010 als Kleinunternehmerin zu behandeln ist und somit nur die Entgelte aus dem Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) in den Jahren 2011 und 2012 steuerpflichtig sind.
64 
Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer folgt aus § 100 Abs. 2 FGO. Dabei wird das FA die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG und die anteilige Kürzung des Vorsteuerabzugs (aufgrund der nach diesem Urteil zusätzlich steuerfreien Leistungen) gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zu beachten haben.
65 
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.
66 
Die Klägerin beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerin durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
67 
Anlage
68 
Unterrichtsaufbau des Säuglingsschwimmens (3. bis 12. Lebensmonat)
69 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungsliedes. Durch sich steigernden Bewegungen während dem Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Säuglings aktiviert und er kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase wird der Säugling behutsam von dem direkten Körperkontakt zu Mutter/Vater gelöst und in Sichtkontakt mit den weiteren Säuglingen gebracht, um einen bewusst herbeigeführten Sichtkontakt zu erreichen.
(Dauer: ca. 3 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Der Säugling wird nun mit Hilfe gezielter Schwenkgriffe, Zugbewegungen und Schubgriffe gegen den Wasserwiderstand in alle Richtungen bewegt. Hierdurch wird das Haut-, Bewegungs- und Lageempfinden des Säuglings sensibilisiert. Ebenso wird das Orientierungsvermögen gezielt herausgefordert. In dieser Phase reguliert sich beachtlich der Muskeltonus und die Freisetzung des Schwimmreflexes.
(ca. 5 Minuten)
Phase III
Der Säugling wird durch gezielte Grifftechniken zur Eigenbewegung durch Berührungsimpulse und gezielte Wasserströmungen angeregt. Mit und ohne Material- und Geräteeinsatz wird der Säugling durch verschiedene Gleichgewichtsgriffe (Flug-, Fall-, Greif-, Stütz-, Dreh-, Schwenk-, Zieh- und Stellgriffe) herausgefordert, um sich motorisch anzupassen. Hierbei kräftigt sich die Halte- und Bewegungsmuskulatur. In dieser Phase werden u.a. immer wiederkehrende Gruppenspielsituationen geübt, in denen der Säugling die wichtigen Bewegungsmuster für das Schwimmen erlernt.
(ca. 20 Minuten)
Phase IV
In der Phase werden dem Säugling die Möglichkeiten geboten, seinen eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte der Säugling nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit er sich seinen eigenen Interessen ungestört widmen kann, um Sicherheit in seinen persönlichen Bewegungen im Wasser zu erlangen.
(ca. 5 Minuten)
Phase V
In der letzten Phase wird der Säugling sowie das Herz-Kreislaufsystem durch sanfte Wiege- und Schaukelbewegungen beruhigt. Die Reize werden reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 5 Minuten)
70 
Unterrichtsaufbau des Kleinkinderschwimmens (12. bis 36. Lebensmonat)
71 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungslieds. Durch das Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Kleinkinds aktiviert und es kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase wird das Kleinkind behutsam von dem direkten Körperkontakt zu Mutter/Vater gelöst und im Sichtkontakt mit den weiteren Kleinkindern gebracht, um einen bewusst herbeigeführten Sichtkontakt zu erreichen.
(Dauer: ca. 4 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Das Kleinkind bekommt zusammen mit den Eltern die aktuelle Spiel- und Aufgabensituation erklärt. Entsprechend dem besuchten Unterrichtsteil, erlernt das Kleinkind die Aufgabensituation mit tatkräftiger Unterstützung der Eltern oder allein zu bewältigen. In dieser Spielphase der Unterrichtsteile 2-3-4 bewältigen die Kleinkinder z.B. allein das kontinuierliche Schwimmen, schwimmen allein und ohne Unterstützung von Punkt A zu Punkt B, Klettern auf und von Wassermatten, krabbeln durch einen Wassertunnel, Springen ins Wasser, Gruppenwettspiele u.v.m. In der Spielphase des Unterrichtsteils 1 bewältigen die Kleinkinder die Spielsituationen mit ständig abnehmender Unterstützung der Eltern, um das selbständige Schwimmen mit Unterstützung von Schwimmärmeln zu lernen. In der Spielphase des Unterrichtsteils 4 bewältigen die Kleinkinder die Spielsituation mit stark reduzierten Schwimmhilfen und der elterlichen Unterstützung bzw. komplett ohne Schwimmhilfen allein und ohne Unterstützung der Eltern. Erlernen zielgerichteter Bewegungsmuster der Arme und Beine zum Schwimmen lernen, sowie der Stabilisierung des Rumpfes.
(ca. 20 Minuten)
Phase III
In dieser Phase wird dem Kleinkind die Möglichkeiten geboten, seinem eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte das Kleinkind nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit es sich seinen eigenen Interessen im Wasser ungestört widmen kann.
(ca. 4 Minuten)
Phase IV
In der letzten Phase werden die Reize reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 2 Minuten)
72 
Unterrichtsaufbau des Kleinkinderschwimmens (3. bis 6. Lebensjahr)
73 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungslieds. Durch das Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Kleinkinds aktiviert und es kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase nimmt das Kind direkten Kontakt zur Gruppe auf.
(Dauer: ca. 2 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Das Kind bekommt zusammen mit den Eltern die aktuelle Spiel- und Aufgabensituation erklärt. Entsprechend dem besuchten Unterrichtsteil, erlernt das Kind die Aufgabensituation mit Unterstützung der Eltern oder allein zu bewältigen. In dieser Spielphase der Unterrichtseinheit bewältigen die Kinder z.B. allein das kontinuierliche Schwimmen, Klettern auf und von Wassermatten, krabbeln durch einen Wassertunnel, Springen ins Wasser, Arm- und Beinkoordination des Brustschwimmens u.v.m. Gruppen-Wettspiele.
(ca. 25 Minuten)
Phase III
In dieser Phase wird dem Kind die Möglichkeiten geboten, seinem eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte das Kind nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit es sich seinen eigenen Interessen ungestört widmen kann und nochmals in direkten Kontakt zu anderen Kindern gehen kann.
(ca. 8 Minuten)
Phase IV
In der letzten Phase werden die Reize reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 5 Minuten)

Gründe

 
30 
Die Klage ist teilweise begründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA auch die Schwimmkurse für Kleinkinder (12 bis 36 Monate) als steuerpflichtig erachtet hat (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Dagegen sind die Säuglingsschwimmkurse (3 bis 12 Monate) steuerpflichtig.
31 
1.Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach nationalem Recht steuerfrei.
32 
a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (Doppelbuchst. aa) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (Doppelbuchst. bb).
33 
Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Klägerin ist weder als Ersatzschule staatlich genehmigt noch nach Landesrecht erlaubt. Für die hier streitigen Kurse wurde auch keine Bescheinigung über die Vorbereitung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung erteilt.
34 
b) Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind ferner steuerfrei die Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Steuerfrei sind auch andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG).
35 
Im Streitfall kommt auch diese Steuerbefreiung nicht in Betracht, da die Klägerin als Einzelunternehmerin die nach dem eindeutigen Wortlaut von § 4 Nr. 22 Buchst. a und b UStG erforderlichen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nicht erfüllt. Ob dies gegen das Unionsrecht oder die diesem zugrunde liegenden Grundsätze verstößt, ist im Hinblick auf diesen Wortlaut unbeachtlich und nur im Zusammenhang mit der Berufung der Klägerin auf das Unionsrecht von Bedeutung.
36 
2.Die Klägerin kann sich für eine -teilweise- Steuerfreiheit ihrer Leistungen aber auf das Unionsrecht berufen.
37 
a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Die MwStSystRL trat zum 1. Januar 2007 in Kraft. Bis zum 31. Dezember 2006 beruhte die Steuerbefreiung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie).
38 
b) Die Klägerin kann sich unmittelbar auf diese Vorschriften berufen (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, Umsatzsteuerrundschau -UR- 2014, 735; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017; vom 29. März 2017 XI R 6/16, BFHE 257, 471, UR 2017, 509, Rz 37; Finanzgericht -FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2017  5 K 5108/15, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2018, 691, Rz 23, Revision BFH V R 66/17; FG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2010  4 V 312/10, EFG 2010, 1461, Rz 53). Der Berufung auf Unionsrecht steht nicht entgegen, dass das Regierungspräsidium [ ___ ] den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für Kinder unter 3 Jahren bestandskräftig abgelehnt hat.
39 
c) Die persönlichen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie sind erfüllt. Die Klägerin ist eine „Privatlehrerin“ im Sinne der Vorschrift.
40 
Die MwStSystRL und die 6. EG-Richtlinie definieren den Begriff des Privatlehrers nicht. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass eine befreite Unterrichtstätigkeit „privat“ ausgeübt werden muss (BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rz 22). Schul- oder Hochschulunterricht wird von „Privatlehrern erteilt“, wenn die Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden ein Zusammenhang besteht (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGH- vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 30, 31; BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 49).
41 
Danach hat die Klägerin den Schwimmunterricht „als Privatlehrerin erteilt“, weil sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und der konkrete Inhalt des von ihr erteilten Unterrichts in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Qualifikationen steht.
42 
Die Klägerin ist ohne Zweifel fachlich hinreichend befähigt ist, Schwimmunterricht zu erteilen. Eine darüber hinausgehende, besondere pädagogische Qualifikation fordert das Unionsrecht nicht (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 15. Juni 2015  4 K 19/15, EFG 2015, 1576, Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2017  5 K 5108/15, EFG 2018, 691, Rz 24, Revision BFH V R 66/17).
43 
Dem Merkmal „Privatlehrer“ steht nicht entgegen, dass die Unterrichtseinheiten mehreren Kindern gleichzeitig erteilt werden (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 31; BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, UR 2014, 569, Rz 23; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 50).
44 
Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Kindern oder mit Dritten (hier: mit deren Eltern) bestehen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 32; BFH-Entscheidungen vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, UR 2014, 569, Rz 23; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 50).
45 
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL), wo für die Anerkennung u.a. das mit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse zu berücksichtigen ist (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-174/11, Zimmermann, UR 2013, 35, Rz 31), auf den „Unterrichtsbereich“ -und mithin auch auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL- zu übertragen wäre (so jedenfalls zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL: BFH-Entscheidungen vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, UR 2016, 879, Rz 18; vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 39) oder ob im Hinblick auf die in der Überschrift des Kapitel 2 MwStSystRL zum Ausdruck kommenden Zielsetzung der „Steuerbefreiung für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ weitergehende unternehmerbezogene Anforderungen zu stellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 16. März 2017 V R 38/16, BFHE 258, 167, BStBl II 2017, 1017, Rz 48 ff., Vorlage an den EuGH).
46 
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedenfalls gegeben, denn an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, besteht jedenfalls ein hohes Gemeinwohlinteresse (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 18; bestätigt durch BFH-Urteil vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, UR 2016, 879, Rz 19; dem folgend FG Münster, Urteil vom 15. August 2017  15 K 2689/14 U, EFG 2017, 1699, Rz 15). Das Ertrinken ist in Deutschland -nach den Verkehrsunfällen- die zweithäufigste Todesursache bei (Klein-)Kindern (vgl. Statistisches Bundesamt, Gesundheit, Todesursachen in Deutschland, Fachserie 12, Reihe 4, 2015, S. 8).Schwimmen zu können bedeutet darüber hinaus den Zugang zu vielen Bewegungs- und Lebensbereichen, wie dem Urlaub an der See, allen Wassersportarten, dem Besuch im Schwimmbad oder dem Gang zum Baggersee (vgl. FG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2010  4 V 312/10, EFG 2010, 1461, Rz 56).
47 
d) Im Streitfall sind auch die leistungsbezogenen Voraussetzungen erfüllt, soweit der Unterricht Kindern ab 1 Jahr erteilt wird.
48 
aa) Die Begriffe „Schul- und Hochschulunterricht“ sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (EuGH-Urteile vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 17; vom 14. Juni 2007 C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587, Rz 15).
49 
„Schul- und Hochschulunterricht“ erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 26; BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 17; vgl. auch EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174, zur Erwachsenenbildung). Entscheidend sind die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht (BFH-Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 43). Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 3/05, BFHE 221, 302, BStBl II 2012, 267, Rz 33).
50 
Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen ist zwar zu berücksichtigen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen in der MwStSystRL und der 6. EG-Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen sind, weil Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (z.B. EuGH-Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, UR 2007, 379, Rz 14). Eine besonders enge Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“ würde aber die Gefahr einer unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten hervorrufen (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, Rz 24; vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, UR 2010, 174, Rz 36; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2017  1 V 3464/16, Mehrwertsteuerrecht 2017, 474, Rz 20).
51 
bb) Nach diesen Maßstäben erteilt die Klägerin mit ihren Kursen im Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) Unterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie.
52 
Die Steuerbefreiung verlangt -anders als das FA meint- nicht, dass die Mehrheit der teilnehmenden Kinder nach Beendigung eines Kurses in der Lage ist, sich selbständig und ohne Schwimmhilfen über Wasser zu halten oder gar eine bestimmte Schwimmtechnik (z.B. Brustschwimmen) beherrschen. Vielmehr ist nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, Rz 12; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Juni 2013  9 C 4/12, BVerwGE 147, 1, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 80, Rz 9, beide zu § 4 Nr. 21 UStG), ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer das Schwimmen lernen ermöglicht, fördert, ergänzt oder erleichtert (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29. Oktober 2015  5 K 316/14, EFG 2016, 149, Rz 20, rechtskräftig, zum Tanzunterricht).
53 
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kurs Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) darauf ausgelegt ist, den Kindern Schwimmen zu lernen. Dies entnimmt der Senat zum einen dem „Lehrplan“, den die Klägerin zu diesem Kurs vorgelegt hat und zum anderen den Filmaufnahmen, die sie in der mündlichen Verhandlung über verschiedene Szenen ihrer Kurse beispielhaft vorgeführt hat. Auf den Filmaufnahmen ist erkennbar, dass die Kinder neben dem begleitenden Elternteil, wenn auch von Schwimmhilfen (z.B. Schwimmärmel und -gürtel) getragen und von Flossen unterstützt, frei im Wasser schwimmen und darüber hinaus in der Lage sind, sich darin fortzubewegen. Für den Senat ist zudem ohne weiteres nachvollziehbar, dass -wie es die Klägerin vorträgt und im Film zu sehen ist- der Einsatz der Schwimmhilfen und Flossen je nach dem Fortschritt der Kinder im Verlauf des Kurses reduziert werden.
54 
Zweifel daran, dass die Angaben des Lehrplans zum „Unterrichtsaufbau“ oder die Filmaufnahmen zum Teil oder insgesamt bloß vorgetäuscht wären, sind nicht erkennbar. Ob die am Ende des Films gezeigten, ohne Hilfen schwimmenden Kinder tatsächlich noch keine 3 Jahre alt sind oder -wie das FA mutmaßt- deutlich älter, hält der Senat für nicht entscheidend, da der Kurs jedenfalls darauf gerichtet ist, Schwimmen zu lernen. Der Kurs Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) ist als „Baustein“ eines mehrere Jahrgangsstufen übergreifenden Kurssystems angelegt, in dessen Verlauf die Kinder das Schwimmen erlernen und am Ende sicher beherrschen können sollen.
55 
Die Erlangung dieser Fähigkeiten wird auch an Schulen unterrichtet. Schwimmen war und ist in Baden-Württemberg Bestandteil der Bildungspläne aller Schularten (vgl. Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 14. August 2017, Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 16/2381).
56 
Darüber hinaus dienen die Kurse auch dazu, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken und ihre Beziehungsfähigkeit zu fördern. Schließlich ist zu bedenken, dass die Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur das natürliche Recht der Eltern, sondern auch die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes) und dass damit alle Maßnahmen, mit denen ihr körperliches oder seelisches Wachstum unterstützt wird, jedenfalls nicht von vornherein bloß der reinen Freizeitgestaltung zugerechnet werden können. Eltern, die ihren Kindern frühzeitig das Schwimmen beibringen, handeln zudem -wie ausgeführt- im Gemeinwohlinteresse.
57 
Nach alledem kann der Senat offenlassen, ob auch das allabendliche Spielen und Herumtoben mit Eltern und Geschwistern in der heimischen Badewanne in den ersten drei Lebensjahren verknüpft mit wöchentlichen Schwimmbadbesuchen Motorik, Selbstvertrauen, angstfreien Umgang mit dem Wasser, soziale Intelligenz usw. -anders als die Klägerin auf Seite 24 ihres Lehrplans meint- nicht in gleicher Weise unterstützen und fördern würde.
58 
Das Gericht ist bei seiner Beurteilung nicht an die in Abschn. 4.21.2 Abs. 8 Satz 3 UStAE geäußerte -norminterpretierende- Verwaltungsauffassung gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252, Rz 30). Davon abgesehen bezieht sich der Anwendungserlass auf Ballett- und Tanzunterricht.
59 
cc) Dagegen beurteilt der Senat das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) als steuerpflichtig. Er hat nicht feststellen können, dass das Säuglingsschwimmen über eine Freizeitgestaltung hinausgeht bzw. in einem strukturierten Prozess den Säuglingen Schwimmkenntnisse und Schwimmfähigkeiten vermittelt.
60 
Nach den gezeigten Filmaufnahmen unterscheidet sich das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) vom Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) und allen weiteren Kursen vor allem dadurch, dass sich die Kinder nicht neben den Eltern „allein“ (getragen von Schwimmhilfen) im Wasser befinden, sondern -altersbedingt- von den Eltern gehalten werden. Zudem richten sich die Ansprachen der Klägerin -wiederum altersbedingt- nicht an die Kinder persönlich, sondern an die Eltern.
61 
Soweit die von den Eltern mit ihren Kindern durchgeführten Übungen -wie die Klägerin ausführt- dazu dienen sollen, die Säuglinge an das Element Wasser zu gewöhnen, die Muskulatur zu kräftigen, Körperspannung aufzubauen, die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken oder -noch allgemeiner- die Bildung von Synapsen anzuregen, kann nach der Einschätzung des Senats noch nicht von einem „Schwimmunterricht“ gesprochen werden, mögen auch diejenigen Kinder, die das Säuglingsschwimmen besucht haben, regelmäßig einen „Vorsprung“ gegenüber Kindern mitbringen, die erst später mit den Schwimmkursen beginnen. Auch im „Unterrichtsaufbau“ für das Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) kommt nicht hinreichend zum Ausdruck, dass das Schwimmen lernen im Vordergrund steht.
62 
Die Umsätze im Bereich Säuglingsschwimmen unterliegen dem Regelsteuersatz (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 V R 19/13, BFHE 245, 433, UR 2014, 735, Rz 27 ff.).
63 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag (Schriftsatz vom 18. Februar 2018) bei der Steuerbefreiung der Umsätze aus dem Kleinkinderschwimmen (12 bis 36 Monate) in den Jahren 2006 bis 2008 und 2010 als Kleinunternehmerin zu behandeln ist und somit nur die Entgelte aus dem Säuglingsschwimmen (3 bis 12 Monate) in den Jahren 2011 und 2012 steuerpflichtig sind.
64 
Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer folgt aus § 100 Abs. 2 FGO. Dabei wird das FA die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG und die anteilige Kürzung des Vorsteuerabzugs (aufgrund der nach diesem Urteil zusätzlich steuerfreien Leistungen) gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG zu beachten haben.
65 
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.
66 
Die Klägerin beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerin durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
67 
Anlage
68 
Unterrichtsaufbau des Säuglingsschwimmens (3. bis 12. Lebensmonat)
69 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungsliedes. Durch sich steigernden Bewegungen während dem Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Säuglings aktiviert und er kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase wird der Säugling behutsam von dem direkten Körperkontakt zu Mutter/Vater gelöst und in Sichtkontakt mit den weiteren Säuglingen gebracht, um einen bewusst herbeigeführten Sichtkontakt zu erreichen.
(Dauer: ca. 3 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Der Säugling wird nun mit Hilfe gezielter Schwenkgriffe, Zugbewegungen und Schubgriffe gegen den Wasserwiderstand in alle Richtungen bewegt. Hierdurch wird das Haut-, Bewegungs- und Lageempfinden des Säuglings sensibilisiert. Ebenso wird das Orientierungsvermögen gezielt herausgefordert. In dieser Phase reguliert sich beachtlich der Muskeltonus und die Freisetzung des Schwimmreflexes.
(ca. 5 Minuten)
Phase III
Der Säugling wird durch gezielte Grifftechniken zur Eigenbewegung durch Berührungsimpulse und gezielte Wasserströmungen angeregt. Mit und ohne Material- und Geräteeinsatz wird der Säugling durch verschiedene Gleichgewichtsgriffe (Flug-, Fall-, Greif-, Stütz-, Dreh-, Schwenk-, Zieh- und Stellgriffe) herausgefordert, um sich motorisch anzupassen. Hierbei kräftigt sich die Halte- und Bewegungsmuskulatur. In dieser Phase werden u.a. immer wiederkehrende Gruppenspielsituationen geübt, in denen der Säugling die wichtigen Bewegungsmuster für das Schwimmen erlernt.
(ca. 20 Minuten)
Phase IV
In der Phase werden dem Säugling die Möglichkeiten geboten, seinen eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte der Säugling nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit er sich seinen eigenen Interessen ungestört widmen kann, um Sicherheit in seinen persönlichen Bewegungen im Wasser zu erlangen.
(ca. 5 Minuten)
Phase V
In der letzten Phase wird der Säugling sowie das Herz-Kreislaufsystem durch sanfte Wiege- und Schaukelbewegungen beruhigt. Die Reize werden reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 5 Minuten)
70 
Unterrichtsaufbau des Kleinkinderschwimmens (12. bis 36. Lebensmonat)
71 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungslieds. Durch das Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Kleinkinds aktiviert und es kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase wird das Kleinkind behutsam von dem direkten Körperkontakt zu Mutter/Vater gelöst und im Sichtkontakt mit den weiteren Kleinkindern gebracht, um einen bewusst herbeigeführten Sichtkontakt zu erreichen.
(Dauer: ca. 4 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Das Kleinkind bekommt zusammen mit den Eltern die aktuelle Spiel- und Aufgabensituation erklärt. Entsprechend dem besuchten Unterrichtsteil, erlernt das Kleinkind die Aufgabensituation mit tatkräftiger Unterstützung der Eltern oder allein zu bewältigen. In dieser Spielphase der Unterrichtsteile 2-3-4 bewältigen die Kleinkinder z.B. allein das kontinuierliche Schwimmen, schwimmen allein und ohne Unterstützung von Punkt A zu Punkt B, Klettern auf und von Wassermatten, krabbeln durch einen Wassertunnel, Springen ins Wasser, Gruppenwettspiele u.v.m. In der Spielphase des Unterrichtsteils 1 bewältigen die Kleinkinder die Spielsituationen mit ständig abnehmender Unterstützung der Eltern, um das selbständige Schwimmen mit Unterstützung von Schwimmärmeln zu lernen. In der Spielphase des Unterrichtsteils 4 bewältigen die Kleinkinder die Spielsituation mit stark reduzierten Schwimmhilfen und der elterlichen Unterstützung bzw. komplett ohne Schwimmhilfen allein und ohne Unterstützung der Eltern. Erlernen zielgerichteter Bewegungsmuster der Arme und Beine zum Schwimmen lernen, sowie der Stabilisierung des Rumpfes.
(ca. 20 Minuten)
Phase III
In dieser Phase wird dem Kleinkind die Möglichkeiten geboten, seinem eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte das Kleinkind nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit es sich seinen eigenen Interessen im Wasser ungestört widmen kann.
(ca. 4 Minuten)
Phase IV
In der letzten Phase werden die Reize reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 2 Minuten)
72 
Unterrichtsaufbau des Kleinkinderschwimmens (3. bis 6. Lebensjahr)
73 
Phase I
Eltern-Kind-Begrüßung durch das Ritual des Begrüßungslieds. Durch das Laufen, Hüpfen, Senken und Schwingen wird das Herz-Kreislaufsystem des Kleinkinds aktiviert und es kann sich im Element Wasser akklimatisieren. Während dieser Phase nimmt das Kind direkten Kontakt zur Gruppe auf.
(Dauer: ca. 2 Minuten pro Unterrichtseinheit)
Phase II
Das Kind bekommt zusammen mit den Eltern die aktuelle Spiel- und Aufgabensituation erklärt. Entsprechend dem besuchten Unterrichtsteil, erlernt das Kind die Aufgabensituation mit Unterstützung der Eltern oder allein zu bewältigen. In dieser Spielphase der Unterrichtseinheit bewältigen die Kinder z.B. allein das kontinuierliche Schwimmen, Klettern auf und von Wassermatten, krabbeln durch einen Wassertunnel, Springen ins Wasser, Arm- und Beinkoordination des Brustschwimmens u.v.m. Gruppen-Wettspiele.
(ca. 25 Minuten)
Phase III
In dieser Phase wird dem Kind die Möglichkeiten geboten, seinem eigenen Explorationsdrang zu befriedigen. Hierbei sollte das Kind nicht von Seiten der Eltern abgelenkt werden, damit es sich seinen eigenen Interessen ungestört widmen kann und nochmals in direkten Kontakt zu anderen Kindern gehen kann.
(ca. 8 Minuten)
Phase IV
In der letzten Phase werden die Reize reduziert und die Unterrichtseinheit mit dem Ritual des Abschlusslieds beendet.
(ca. 5 Minuten)

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2016  2 K 2320/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob Leistungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

2

Der Kläger führte in den Streitjahren 2009 und 2010 neben Umsätzen aus der Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt die Unterrichtung von Gründungswilligen durch. Nach den vorgelegten Leistungsvereinbarungen wurde er hierbei von der ... GmbH (GmbH), einem sogenannten Lotsendienst, jeweils mit der Durchführung individueller Qualifizierungen für Existenzgründer beauftragt.

3

Die Verträge sahen eine mehrere Stunden umfassende qualifizierende juristische Beratung der in den Verträgen namentlich aufgeführten Gründungswilligen vor, bei denen es vorwiegend um zivilrechtliche und wirtschaftsrechtliche Themen gehen sollte. Die Leistungen waren ausdrücklich nur für die Zeit vor der von den Beratenen geplanten Unternehmensgründung zu erbringen. Seine Leistungen wurden dem Kläger von der GmbH mit jeweils 50 € pro Stunde vergütet.

4

Den Vereinbarungen zwischen der GmbH und dem Kläger lag eine vom Brandenburgischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie erlassene "Richtlinie ... zur Förderung der qualifizierenden Beratung von Gründungswilligen in der Vorgründungsphase, von Existenzgründerinnen und -gründern in der Startphase sowie bei der Begleitung von Unternehmensnachfolgen" vom 24. Januar 2007 (Amtsblatt für Brandenburg 2007 Nr. 9, 524) zugrunde. Danach gewährte das Land Brandenburg die Finanzierung der als Lotsendienste bezeichneten Maßnahmen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie eigenen Haushaltsmitteln. Die konkrete Wahrnehmung der Lotsendienste war gemäß 2.1.1 ff. der Richtlinie vom 24. Januar 2007 durch externe (private) Leistungserbringer vorgesehen.

5

Parallel zu den zuvor beschriebenen Qualifizierungsleistungen durch externe, regional gegliederte Lotsendienste sah die zuvor zitierte Richtlinie vom 24. Januar 2007 auch vor, dass an den Hochschulen des Landes Brandenburg Lotsendienste mit dem entsprechenden Tätigkeitsfeld der Vorgründungsberatung gründungswilliger Studenten und Absolventen eingerichtet wurden. Diese Hochschul-Lotsendienste sollten u.a. auch in vergleichbarer Art und Weise die vom Kläger durchgeführten Aufgaben wahrnehmen. Diese universitären Lotsendienste werden seit 2007 an den Brandenburger Hochschulen für die Teilnehmer kostenlos angeboten.

6

In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2009 und Voranmeldungen für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010 behandelte der Kläger die Umsätze aus der Tätigkeit im Rahmen des Lotsendienstes als steuerfrei. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, dass diese Umsätze steuerpflichtig seien, und erließ am 2. März 2011 einen entsprechenden Bescheid über Umsatzsteuer für 2009 sowie am 1. März 2011 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010.

7

Im anschließenden Einspruchsverfahren erließ das FA nach Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung des Klägers für diesen Besteuerungszeitraum am 9. August 2012 einen Änderungsbescheid und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 6. September 2012 als unbegründet zurück. Das FA erließ während des Klageverfahrens zuletzt am 22. April 2013 einen Änderungsbescheid über Umsatzsteuer für 2010.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur aus hier nicht streitigen Gründen statt und wies sie im Übrigen ab. Es vertrat die Auffassung, dass die streitigen Beratungsleistungen des Klägers nicht steuerfrei seien. Weder lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, noch komme eine Umsatzsteuerbefreiung durch unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i oder j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Betracht.

9

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1124 veröffentlicht.

10

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 4 Nr. 21 UStG. Überdies ergebe sich die Steuerbefreiung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, g und j MwStSystRL.

11

Er trägt im Wesentlichen vor, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG könne nicht an der fehlenden Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde scheitern. Der ablehnende Bescheid der Landesbehörde gegenüber der GmbH sei nichtig.

12

Er, der Kläger, könne sich auch unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Insbesondere handele es sich bei ihm um eine "Einrichtung" i.S. dieser Vorschrift. In vergleichbaren Fällen würde die Befreiung gewährt. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

13

Es lägen weiter die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vor. Nur weil er, der Kläger, als Subunternehmer die Aufgabe der Daseinsfürsorge übernehme, könnten die Leistungen nicht steuerpflichtig werden. Es handele sich bei ihm in Bezug auf die streitigen Schulungsmaßnahmen um eine Einrichtung mit sozialem Charakter.

14

Ebenso würden die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL vorliegen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ergebe sich nicht, dass die Entgeltlichkeit der Leistungen des als Dritter in die Leistungserbringung eingeschalteten Trägers einer Bildungseinrichtung für die Steuerbefreiung maßgeblich sein soll. Auch auf diese Vorschrift könne er sich unmittelbar berufen.

15

Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2012 und Änderung der Bescheide vom 2. März 2011 und 22. April 2013 die Umsatzsteuer für 2009 auf ... € und für 2010 auf ... € festzusetzen.

16

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

17

Es trägt vor, die Beratungsleistungen des Klägers seien entgegen der Ansicht des FG schon vom Grundsatz her nicht steuerfrei.

18

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Entscheidungsgründe

II.

19

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

20

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Leistungen des Klägers gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Weder kommt eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG (1.) noch eine solche nach Unionsrecht in Betracht (2.).

21

1. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist, wie das FG zutreffend angenommen hat, nicht gegeben; es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.

22

a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass u.a. auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereitet wird. Bei der Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 UStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung, der die Finanzbehörden als auch die FG bindet (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, Rz 16; vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 50; vom 20. April 2016 XI R 6/14, BFHE 253, 499, BStBl II 2016, 828, Rz 21).

23

b) Danach fehlt es im Streitfall an einer entsprechenden Bescheinigung. Die zuständige Landesbehörde hat mit Bescheid vom 20. März 2012 der GmbH die Erteilung einer Bescheinigung abgelehnt. Auf den Vortrag des Klägers, dass dieser Bescheid fehlerhaft oder sogar nichtig sei, kommt es nicht an. Es fehlt an einer Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG (hier die Erteilung der Bescheinigung durch die zuständige Landesbehörde). Der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Gegen den ablehnenden Bescheid der zuständigen Behörde hätte er im Klageverfahren vorgehen können (vgl. zur im Einzelfall erforderlichen Klageerhebung auch Craig, EFG 2016, 1126).

24

2. Zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass der Kläger sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen nicht auf das Unionsrecht berufen kann.

25

a) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--) kommt nicht in Betracht.

26

aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 21; vom 18. Februar 2016 V R 46/14, BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 27; jeweils m.w.N.).

27

bb) Danach befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer: "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".

28

Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom 7. September 1999 C-216/97, EU:C:1999:390, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26. Mai 2005 C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 35 und 40; MDDP vom 28. November 2013 C-319/12, EU:C:2013:778, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.

29

Nach den EuGH-Urteilen Kügler vom 10. September 2002 C-141/00 (EU:C:2002:473, UR 2002, 513, Rz 54 und 58) und Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11 (EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 26) legt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören

das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,

das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,

die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und

die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit.

30

cc) Allerdings sollen durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom 20. Juni 2002 C-287/00, EU:C:2002:388, HFR 2002, 852, Rz 45; Horizon College vom 14. Juni 2007 C-434/05, EU:C:2007:343, BFH/NV 2007, Beilage 4, 389, Rz 14; Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club vom 16. Oktober 2008 C-253/07, EU:C:2008:571, HFR 2009, 87, Rz 18; Mesto Žamberk vom 21. Februar 2013 C-18/12, EU:C:2013:95, UR 2013, 338, Rz 18; VDP Dental Laboratory u.a. vom 26. Februar 2015 C-144/13, C-154/13 und C-160/13, EU:C:2015:116, UR 2015, 474, Rz 45). Folglich kann nicht jede Person, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausübt, als eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung angesehen werden. So hat der EuGH die Berufsgruppe der Rechtsanwälte von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen, da Dienstleistungen i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nur eines der Ziele des Anwaltsberufs darstellen können (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a. vom 28. Juli 2016 C-543/14, EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).

31

dd) Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig und erbrachte die streitigen Dienstleistungen. Selbst wenn diese Dienstleistungen als solche unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen würden, stellen sie nur einen Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit dar, die für die Qualifizierung als Einrichtung mit sozialem Charakter nicht ausreicht (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a., EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).

32

b) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) scheidet gleichfalls aus.

33

aa) Wie bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL kann sich ein Steuerpflichtiger auch auf diese Vorschrift unmittelbar berufen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 32/03, BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900; vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 21. März 2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c aa, Rz 25).

34

bb) Nach dieser Vorschrift wird u.a. die "Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen ... durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" von der Steuer befreit. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Einrichtung anerkannt ist. Die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ist dabei grundsätzlich auch auf den Unterrichtsbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) zu übertragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (2), Rz 33; in BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 47; vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, BFH/NV 2016, 1864, Rz 18).

35

cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall an einer Einrichtung mit sozialem Charakter (s. oben zu II.2.a), so dass der Kläger auch nach dieser Vorschrift keine Steuerbefreiung erlangen kann.

36

c) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL kommt --wie das FG zutreffend entschieden hat-- ebenfalls nicht in Betracht.

37

aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Haderer vom 14. Juni 2007 C-445/05, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 38; BFH-Urteile vom 27. September 2007 V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323, unter II.5., Rz 37; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 15 ff.).

38

bb) Steuerfrei ist danach der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil Eulitz vom 28. Januar 2010 C-473/08, (EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 38) kommt es auf "Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht" beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 26). Dem hat sich der BFH angeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, Rz 20; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 17; jeweils m.w.N.).

39

Der Unterricht wird von einem Privatlehrer i.S. dieser Vorschrift erteilt, wenn der Unterricht "privat" erteilt wird (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rz 21 f., m.w.N.). Dies kann auch gegenüber einer Einzelperson erfolgen. Erforderlich ist aber, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 30). Daher sind Leistungen, die an einer anderen Bildungseinrichtung ausgeführt werden, in der Regel nicht "privat" (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 21 Rz 32; Philipowski, UR 2010, 166; Korn, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 688, 690; Tehler in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Rz 339, der aber eine Präzisierung durch den EuGH fordert). Ob dies voraussetzt, dass der Unternehmer eigene Vertragsbeziehungen zu dem Unterrichteten unterhalten muss, ist streitig (ablehnend EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 32; Oelmaier in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 34; Tehler in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 340; Philipowski, UR 2010, 161, 166; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101; a.A. Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 739; zweifelnd auch Stadie, UStG, 3. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 12). Schädlich ist aber eine Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. Korn, DStR 2010, 688, 690; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101).

40

cc) Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall daran, dass der Kläger selbst Träger der Bildungseinrichtung ist. Die GmbH, nicht aber der Kläger, war Träger der Bildungseinrichtung Lotsendienst, an der er die Unterrichtung Gründungswilliger vornahm und Ausbildungsleistungen für die Teilnehmer an diesen Maßnahmen erbrachte (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Er war somit nicht "Privatlehrer" i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

41

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.