Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17

bei uns veröffentlicht am07.05.2018

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2013 vom 16. Oktober 2014, des Einkommensteuerbescheids 2014 vom 11. Februar 2016 und des Einkommensteuerbescheids 2015 vom 27. Oktober 2016, jeweils in der Gestalt der jeweiligen hierzu ergangenen Teil-Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2017, werden die Einkommensteuern 2013, 2014 und 2015 mit der Maßgabe geändert, dass weitere außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG in 2013 i.H.v. … €, in 2014 i.H.v. … € und in 2015 i.H.v. … € berücksichtigt werden und die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG für 2013 mit … €, für 2014 mit … € und für 2015 mit … € angesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Einkommensteuern wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 23/100 und der Beklagte zu 77/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastungen sowie über den Ansatz eines Behinderten-Pauschbetrags gemäß § 33b Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter der am … 2006 geborenen Tochter C. Mit dem Vater der Tochter war sie nicht verheiratet. Sie machte in ihren Steuererklärungen für die Streitjahre 2013-2015 neben Krankheitskosten Aufwendungen für folgende rechtliche Streitigkeiten als außergewöhnliche Belastungen geltend:

Behandlungsfehler Zahnarzt Bei der Klägerin führten zwei Implantate zu Entzündungen und zum Abbau des Kieferknochens. Dies wurde nicht frühzeitig erkannt und führte zu einem chirurgischen Noteingriff, bei dem die Implantate sowie Teile des Kiefers entfernt werden mussten. In der Folgezeit musste in mehreren Operationen künstlich ein Kieferaufbau erfolgen und neue Implantate gesetzt werden. Die Klägerin strengte wegen Behandlungsfehler einen Prozess gegen den verantwortlichen Zahnarzt an und machte u.a. neben Behandlungskosten in Höhe von … € auch Schmerzensgeld in Höhe von … € geltend. Die Klage wurde mittlerweile in zweiter Instanz abgewiesen.

Umgangsrecht

Der Vater von C, der zunächst keinen persönlichen Umgang mit seiner Tochter hatte, versuchte, einen solchen zunächst außergerichtlich, später gerichtlich durchzusetzen. Nachdem der Vater den Umgangsantrag bei Gericht nicht zurücknahm, wurde ein Sachverständiger eingeschaltet, der feststellte, dass aus psychologischer Sicht der persönliche Umgang mit dem Vater nicht dem Kindeswohl entspreche. Daraufhin einigten sich die Klägerin und der Vater, dass ein Umgang des Vaters mit C nicht im Sinne des Kindeswohls sei. Der Umgang wurde auf Briefe und Geschenke, welche nicht persönlich überbracht werden durften, beschränkt. Die Verfahrenskosten wurden vom Gericht zwischen den Verfahrensbeteiligten geteilt (Beschluss Amtsgericht …). Eine Beschwerde der Klägerin hiergegen hatte keinen Erfolg.

Kindesunterhalt Zur Feststellung der Höhe des Unterhaltsanspruchs von C gegenüber ihrem Vater, begehrte die Klägerin Auskunft über dessen Einnahmen. Dies führte zu einem gerichtlichen Verfahren, an dessen Ende der Vater sich bereit erklärte, den jeweiligen Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle bis über das 18. Lebensjahr hinaus zu zahlen. Der laufende Unterhalt erhöhte sich dadurch von 336 € auf 491 €.

Hinsichtlich dieser Sachverhalte wurden in den Streitjahren folgende unstreitigen Aufwendungen geltend gemacht:

2013

2014

2015

Der Beklagte (Finanzamt) berücksichtigte die für 2013 geltend gemachten Aufwendungen im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung nicht (Einkommensteuerbescheid 2013 vom 16. Oktober 2014). Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Streitjahr 2014 berücksichtigte das Finanzamt lediglich die im Zusammenhang mit dem Behandlungsfehler geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von … € (Einkommensteuerbescheid 2014 vom 10. Dezember 2015). Im Laufe des Einspruchsverfahrens hiergegen ergingen Änderungsbescheide (27. Januar 2016 und 11. Februar 2016), die jedoch zu keiner weiteren Anerkennung der streitigen Aufwendungen führten.

Auch im Streitjahr 2015 setzte das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen für die Rechtsstreitigkeiten nicht an. Jedoch wurde antragsgemäß ein Behinderten-Pauschbetrag in Höhe von 310 € angesetzt (Einkommensteuerbescheid 2015 vom 27. Oktober 2016). Gegen den Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein.

In den Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass ihr seit Geburt eine Niere fehle und ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt wurde (Bescheid des Versorgungsamts vom …). Sie beantragte daher die Berücksichtigung eines Behinderten-Pauschbetrags in allen Streitjahren.

Mit Schreiben vom 9.11.2016 wies das Finanzamt die Klägerin darauf hin, dass im Streitjahr 2014 Prozesskosten in Höhe von … € berücksichtigt worden seien und beabsichtigt sei, im Rahmen einer Einspruchsentscheidung diese nicht mehr anzuerkennen. Das Finanzamt wies gleichzeitig darauf hin, dass eine solche „Verböserung“ durch Einspruchsrücknahme verhindert werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 16. November 2016 wurde auch hinsichtlich der im Streitjahr 2015 erfolgten Anerkennung eines Behinderten-Pauschbetrags auf eine beabsichtigte „Verböserung“ hingewiesen.

Über die Einsprüche wurde jeweils mit gesonderter Teil-Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2017 entschieden. Der Einspruch für 2013 wurde, soweit über ihn entschieden wurde, als unbegründet zurückgewiesen. Im Streitjahr 2014 führte die Einspruchsentscheidung zur einer Erhöhung der Einkommensteuer auf 5.266 €. Auch die Einkommensteuer für 2015 wurde mit der Einspruchsentscheidung erhöht (von 314 € auf 379 €). Die Einsprüche blieben jeweils hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif offen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin und macht geltend, es sei zwar zutreffend, dass das Versorgungsamt festgestellt habe, dass die Körperbehinderung zu keiner dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe und auch nicht auf einer typischen Berufskrankheit beruhe. Es sei auch zutreffend, dass sie wegen der Behinderung keine Renten- und sonstige laufende Bezüge erhalte. Jedoch sei davon auszugehen, dass sie im Vergleich zu einem normalen Menschen mit zwei Nieren wesentlich beeinträchtigt sei. Es müssten die dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen im alltäglichen Leben Beachtung finden. Auch sei die Gefahr von Schäden durch Infektionen, Viren oder Giftstoffen zu berücksichtigen. Es sei daher ein Behinderten-Pauschbetrag von jeweils 310 € in den Streitjahren anzuerkennen.

Der Zivilprozess wegen des Behandlungsfehlers betreffe einen existenziellen Bereich. Bei den aufgetretenen Schäden im Kiefer-Mund-Bereich handele es sich nicht lediglich um unwesentliche körperliche Schäden bzw. Beeinträchtigungen. Es dürfe nicht nur die finanzielle Situation des Verlustes der Existenzgrundlage Berücksichtigung finden. Sie sei gezwungen gewesen, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Unter Berücksichtigung ihrer Einkommensverhältnisse sei durch den Prozess auch ihre Existenzgrundlage gefährdet. Es sei die verfassungsrechtliche Frage zu klären, ob die Abzugsbegrenzung von Zivilprozesskosten wegen des staatlichen Gewaltmonopols verfassungswidrig sei.

Im Zusammenhang mit dem vom Kindsvater begehrten Umgangsrecht habe sie versucht, eine außergerichtliche Klärung herbeizuführen. Sie sei als Mutter verpflichtet gewesen, das Kind gegenüber dem Kindsvater unter Berücksichtigung des Kindeswohles vor geistigen oder körperlichen Angriffen zu schützen. Sie sei aufgrund der Antragstellung des Kindsvaters beim Amtsgericht gezwungen gewesen, die Angelegenheit gerichtlich klären zu lassen. Es stelle sich die Frage, wie sie sich alternativ hätte verhalten sollen, ohne das Kindswohl zu gefährden. Sie habe sich auch gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts zu wehren versucht. Es könne nicht entscheidend sein, ob Prozesskosten aufgewendet werden, um ein Umgangsrecht zu erhalten, oder die Kosten anfallen, um einem Elternteil den Umgang mit dem Kind zu untersagen, wenn dadurch gewährleistet sei, dass das Kindeswohl geschützt werde. Die Klägerin verweist insoweit auf die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13. März 2018 (13 K 3024/17).

Das Verfahren wegen Kindesunterhalt sei erforderlich gewesen, um die Höhe des Kinderunterhalts gerichtlich klären zu lassen. Der Kindsvater habe versucht, durch Verweigerung von Auskünften seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht im vollen Umfang nachkommen zu müssen. Die gerichtliche Durchsetzung eines erhöhten Kindesunterhalts sei aufgrund der vorliegenden familiären und privaten Situation von existenzieller Bedeutung gewesen. Der Differenzbetrag betrage im Jahr 2.208 €. Ein geringerer Kindesunterhalt würde bedeuten, dass sie aus ihren eigenen Einkünften mehr Geld für die Tochter aufwenden müsste, und somit auch ihre eigene Existenzgrundlage gefährdet sei.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 16. Oktober 2014 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2017 dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerveranlagung der Behindertenpauschbetrag in Höhe von … € sowie Zivilprozesskosten in Höhe von … € als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden, den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 11. Februar 2016 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2017 dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerveranlagung der Behindertenpauschbetrag in Höhe von … € sowie Zivilprozesskosten in Höhe von … € als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden und den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 27. Oktober 2016 in Gestalt der der TeilEinspruchsentscheidung vom 11. Januar 2017 dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerveranlagung der Behindertenpauschbetrag in Höhe von … € sowie Zivilprozesskosten in Höhe von … € als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidungen.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 2. März 2018 auf den Einzelrichter übertragen.

II.

Die Klage ist zum Teil begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als bei der Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) noch nicht die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 19.01.2017 VI R 75/14, BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) berücksichtigt wurde, wonach eine stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung vorzunehmen ist. Ferner wurden die der Klägerin im Zusammenhang mit dem Umgangsrechtsstreit angefallenen Aufwendungen (2013: … €; 2014: … €; 2015: … €) zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (so BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800).

2. Hinsichtlich der Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung hat der BFH seine zwischenzeitliche Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015), wonach Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung unausweichlich sind, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, wieder aufgebeben und ist zu seiner früheren Rechtsprechung zurückgekehrt (BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800).

Es reicht also nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen, dass sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen kann. Vielmehr ist auf die wesentliche Ursache, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat, abzustellen. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800).

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener - jedenfalls nach der bis zur Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG geltenden Rechtsprechung (so u.a. BFH-Urteil vom 18.02.2016 VI R 56/13, BFH/NV 2016, 1150) - unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist, und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S.d. § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (so BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800).

3. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. 2013, 1809) wurde § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG eingefügt. Danach sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Mit dieser Regelung reagierte der Gesetzgeber auf das Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015). Mit der Einfügung der Regelung wollte der Gesetzgeber den bis zur Entscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 geltenden Rechtszustand wiederherstellen (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 33 EStG, Rn. 47a). § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F.d. AmtshilfeRLUmsG ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anwendbar (BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988).

§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG regelt ein grundsätzliches Abzugsverbot für alle Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits, selbst wenn diese Aufwendungen als zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1, 2 EStG anzusehen wären. Dabei zählen zu den Prozesskosten alle mit einem Rechtsstreit zusammenhängenden Kosten, wie Fahrtkosten zum Gericht oder Anwalt (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 33 EStG, Rn. 47b)

4. Der Begriff des Rechtsstreits i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedes gerichtliche Verfahren, u.a. auch vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988). Erfasst sind damit grundsätzlich auch Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamG) vor dem Familiengericht.

Als Existenzgrundlage i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG versteht der BFH (so Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988) allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Seelischen und sozialen Bedürfnissen sollen nicht darunterfallen. Die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage soll nicht erfasst werden (so BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988).

Auch vor Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG fielen immaterielle Schäden - etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld - nicht in den existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten. Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen auch dann nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG, wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind. Sie mögen zwar von erheblicher wirtschaftlicher, nicht aber von existenzieller Bedeutung sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 17.12.2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418, BFH/NV 2016, 817).

5. Die Voraussetzungen für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen im Streitfall lediglich hinsichtlich der Aufwendungen für den Umgangsrechtsstreit vor. Die minderjährige Tochter und damit die Klägerin liefen insoweit Gefahr, i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

5.1. Vorliegend ist zwar zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen allein nach dem mit Wirkung ab 2013 neu eingefügten und als Sonderregelung (lex specialis) für Prozesskosten zu qualifizierenden § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG richtet. Somit können die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) nicht ohne Weiteres fortgeführt werden. Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung dieser Vorschrift zum Ausdruck gebracht, dass - auch wenn Prozesskosten dem Steuerpflichtigen zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen - ein Abzug nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in Betracht kommt. Es ist nun erforderlich, dass der Steuerpflichtige ohne die Führung des Rechtsstreits Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und (kumulativ) seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

5.2. Im Streitfall können die im Zusammenhang mit dem Umgangsrechtsstreit entstandenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des BFH (Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988), dass der Begriff „Existenzgrundlage“ in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen erfasst. Vielmehr kann dieser Begriff ebenso wie die Formulierung „lebensnotwendige Bedürfnisse“ in den Fällen, in denen der Kernbereich des menschlichen Lebens betroffen ist, auch die Gefahr des Verlustes psychischer oder ideeller Bedürfnisse erfassen (so offensichtlich auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2018, 13 K 3024/17 E, juris).

5.2.1. Die Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ sind gesetzlich nicht definiert. Sie können grundsätzlich auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden. Zwar wurde in der Rechtsprechung des BFH vor Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG der Begriff der Existenzgrundlage grundsätzlich in einem materiellen Sinn verstanden (vgl. hierzu zur Entwicklung BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988), sodass es naheliegt, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung dieser Begrifflichkeiten auch die diesen Begriffen von der Rechtsprechung zugedachte Bedeutung übernehmen wollte.

Für ein weitergehendes Verständnis der Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ spricht jedoch, dass nach der Rechtsprechung des BFH in der Vergangenheit Prozesskosten auch dann als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein konnten, wenn der Rechtsstreit den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Hierzu konnte z.B. ein Familienrechtsstreit über das Umgangsrecht des Vaters zählen (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). Da der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG die bis zur Entscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 geltenden Rechtszustand wiederherstellen wollte (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 33 EStG, Rn. 47a), kann hieraus geschlossen werden, dass Prozesskosten, die Verfahren betreffen, die zwar nicht die materielle Existenzgrundlage, aber den Kernbereich menschlichen Lebens betreffen, nicht von vornherein vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausscheiden sollen, und damit den Begriffen „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ im Zusammenhang mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG eine umfassendere, nicht auf die materiellen Verhältnisse begrenzte Bedeutung beizumessen ist.

Im Gegensatz zum Abzugsverbot von Scheidungskosten ab 2013 als außergewöhnliche Belastungen (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988) kann die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht zur Begründung herangezogen werden, dass auch Prozesskosten, die einen Rechtsstreit betreffen, der den Kernbereich menschlichen Lebens berührt, nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein sollen. Nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2012 geltenden Rechtslage konnten Rechtsstreitigkeiten, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens betreffen, neben den Scheidungsverfahren und den Verfahren, die die Existenzgrundlage betreffen, als eine eigenständige weitere Fallgruppe die Ausnahme vom Grundsatz des Abzugsverbots von Prozesskosten rechtfertigen (BFH-Urteil vom 04.12.2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). Dass auch diese Ausnahme ab 2013 wegfallen sollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.

5.2.2. Nach Auffassung des Gerichts ist es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, die Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ in einem immateriellen Sinn zu deuten und damit auch weiterhin die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen und den Kernbereich des menschlichen Lebens betreffen, als außergewöhnliche Belastungen zu ermöglichen.

Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden („horizontale“ Steuergerechtigkeit), während (in „vertikaler“ Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (BVerfG, Beschluss vom 16.03.2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BGBl I 2005, 1622).

Für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit kommt es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern jedenfalls auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands - auch jenseits der Grenze des zu verschonenden Existenzminimums - steht nicht ohne weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 16.03.2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, BGBl I 2005, 1622).

Demzufolge ist es verfassungsrechtlich geboten, - unabhängig davon, dass Prozesskosten grundsätzlich nicht zum einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören (BFH-Urteil vom 18.05.2017 VI R 9/16, BFHE 258, 142, BStBl II 2017, 988) - diese nicht nur in Fällen, in denen die materielle Existenzgrundlage betroffen ist, zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, sondern auch dann, wenn sie - unabhängig von der Betroffenheit der materiellen Existenzgrundlage - durch den grundgesetzlich geschützten Kernbereich des menschlichen Lebens veranlasst sind und zwangsläufig erwachsen. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass der verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit im Einzelfall Rechnung getragen werden kann.

5.2.3. Ausgehend von diesem nicht nur rein materiellen Verständnis des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, sind nach den Umständen des Streitfalls die Aufwendungen für den Umgangsrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

5.2.3.1. Der Umgangsrechtsstreit ist im Streitfall dadurch gekennzeichnet, dass der Vater von C, der mit der Klägerin zu keinem Zeitpunkt verheiratet war, Umgang mit seiner Anfang 2013 sechsjährigen Tochter haben wollte, nachdem er mehrere Jahre keinen solchen pflegte. Die Klägerin stand dem aus Gründen des Kindeswohls ablehnend gegenüber.

Nach Aktenlage lagen konkrete Anhaltspunkte vor, dass ein Umgangsrecht des Vaters dem Kindeswohl im Streitzeitraum 2013 bis 2015 nachhaltig schaden könnte. So standen nach dem anwaltlichen Schriftsatz vom .. 2013 (…) u.a. Drogenkonsum, extremistische Gesinnung sowie psychisch und physisch aggressives Verhalten des Vaters im Raum. Auch aus der im Rahmen des Gerichtsverfahrens erteilten Stellungnahme des Diplom-Psychologen … vom … 2014 (…) ergibt sich, dass persönliche Umgangskontakte zwischen C und ihrem Vater nicht als mit dem Kindeswohl vereinbar angesehen wurden. Die Befürchtungen der Klägerin wurden dadurch bestätigt. Letztendlich erhielt der Vater kein Umgangsrecht.

Unter diesen Umständen sind die der Klägerin im Zusammenhang mit dem Umgangsbegehren des Kindsvaters entstandenen Prozesskosten zwangsläufig erwachsen. Da der Kindsvater ein Umgangsrecht beanspruchte und sogar gerichtlich geltend machte, war die Klägerin als sorgeberechtigter Elternteil nach den Umständen des Streitfalls zum Schutz des Kindes gezwungen, dem entgegenzutreten. Im Streitfall konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, dem Umgangsbegehren des Kindsvaters ohne Weiteres zu entsprechen. Nicht maßgeblich für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit ist im Streitfall, ob der Klägerin zu Recht mit Beschluss des Amtsgerichts … die hälftigen Gerichtskosten auferlegt und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten versagt wurden. Da die Klägerin Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erhob, die jedoch erfolglos blieb, hat sie zumindest die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft, ihre Prozesskosten zu reduzieren.

5.2.3.2. Nach Auffassung des Gerichts lief die Klägerin im Streitfall auch Gefahr, i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ihre (immaterielle) Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können.

Dabei ist vorliegend nicht allein darauf abzustellen, ob die Existenzgrundlage und lebensnotwendigen Bedürfnisse der Klägerin gefährdet sind. Da die elterliche Sorge (§ 1626 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) nicht nur die Vermögenssorge, sondern auch die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) umfasst (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB), war die Klägerin zum Schutz des Kindeswohls und damit zur Führung des Umgangsrechtsstreits verpflichtet. Sie war damit auch zur Sicherung der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse ihrer Tochter angehalten, sodass ihr auch aus einer Gefahrenlage für das Wohl ihrer Tochter außergewöhnliche Belastungen erwachsen konnten.

Bei der Bestimmung der Existenzgrundlage und lebensnotwendigen Bedürfnisse eines Kindes ist die besondere verfassungsrechtliche Stellung des Kindeswohls zu berücksichtigen. Danach ist nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es bedarf des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln (BVerfG, Beschluss vom 31.03.2010 1 BvR 2910/09, NJW 2010, 2336). Die Erziehung und Betreuung eines minderjährigen Kindes durch Mutter und Vater innerhalb einer harmonischen Gemeinschaft gewährleistet dabei am ehesten, dass dieses Ziel erreicht wird. Bei einer Entscheidung, die eine Kollision zwischen dem Interesse der Eltern und dem Kindeswohl voraussetzt, verlangt die Verfassung zwar eine Auslegung der Regelung, die sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Rechnung trägt. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Rechte ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Bereich des Art. 6 Abs. 2 GG das Wohl des Kindes immer den Richtpunkt bildet, sodass dieses bei Interessenkonflikten zwischen dem Kind und seinen Eltern letztlich bestimmend sein muss (so zu § 1632 Abs. 4 BGB BVerfG, Beschluss vom 31.03.2010 1 BvR 2910/09, NJW 2010, 2336).

Aus dieser besonderen verfassungsrechtlichen Stellung des Kindeswohls und der damit verbundenen Verpflichtung der Eltern, eine Gefährdung zu verhindern, wird deutlich, dass ein gewaltfreies und unbelastetes Umfeld Teil der psychischen oder ideellen Existenzgrundlage eines Kindes ist. Aufwendungen, die dies sicherstellen sollen, sind nicht mehr dem Bereich der freien oder beliebigen Einkommensverwendung zuzuordnen. Vorliegend bestand - vor allem aufgrund des Alters von C - die Gefahr einer erheblichen und nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls mit erheblichen nachteiligen Folgewirkungen. Daher sind die zum Schutze von C aufgewandten Prozesskosten vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung des Existenzminimums als zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen. Da die streitgegenständlichen Kosten des Rechtsstreits auch nicht von den kindbezogenen Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG erfasst werden, sind sie dem Regelungsbereich des § 33 EStG zuzuordnen.

5.2.3.3. Soweit nach der Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14.12.2016 VI R 49/15, BFH/NV 2017, 895; vom 10.03.2016 VI R 38/13, BFH/NV 2016, 1009; vom 28.04.2016 VI R 15/15, BFH/NV 2016, 1545) Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Streitigkeiten mit seiner (geschiedenen) Ehefrau über das Aufenthaltsbestimmungs- und das Besuchsrecht für das gemeinsame Kind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen sind, steht dies einer Berücksichtigung der Aufwendungen im Streitfall nicht entgegen. Denn im Gegensatz zum vorliegenden Fall ging es in diesen Verfahren regelmäßig um Umgangsrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren, also um Eltern, die bereits während des Bestehens der Ehe ein gemeinsames Familienleben mit ihren Kindern hatte. Ferner ist diesen Fällen nicht zu entnehmen, dass die Umgangsrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Gefährdungslagen für das Kindeswohl standen.

5.2.3.4. Die geltend gemachten Aufwendungen für den Umgangsrechtsstreit sind antragsgemäß zu berücksichtigen (2013: …€; 2014: … €; 2015: … €). Das Finanzamt hat hinsichtlich der Höhe keine Einwendungen vorgebracht. Anhaltspunkte, dass die Aufwendungen in dieser Höhe unzutreffend sein könnten, ergeben sich weder aus den vorliegenden Unterlagen noch dem Vorbringen der Beteiligten.

5.3. Soweit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit wegen zahnärztlicher Behandlungsfehler Aufwendungen entstanden sind, sind die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht erfüllt.

Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG, auch wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind. Daher sind Prozesskosten für ein Schmerzensgeldbegehren nicht abzugsfähig. Ansprüche wegen immaterieller Schäden mögen zwar von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein, sie sind aber regelmäßig nicht von existenzieller Bedeutung (so auch BFH-Urteil vom 17.12.2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418).

Auch soweit mit der Klage Schadensersatz für die entstandenen Behandlungskosten begehrt wurde, ist § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht erfüllt. Auch wenn die gerichtliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs, nachdem eine außergerichtliche Einigung gescheitert war, zu seiner Durchsetzung die einzig verbleibende Möglichkeit gewesen sein sollte, reicht dies für eine steuerliche Berücksichtigung nach § 33 EStG nicht aus. Zum einen lag es in der freien Entscheidung der Klägerin, ob sie sich zur Durchsetzung vermeintlicher Schadensersatzansprüche wegen eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers einem Prozess(kosten) risiko aussetzt. Dadurch dass sie sich trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess einließ, lag die Ursache für die Prozesskosten in ihrer Entscheidung, das Prozessrisiko in der Hoffnung auf ein für sie günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen. Es entspricht nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zum Nachteil realisiert hat (BFH-Urteil vom 27.08.2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Die Aufwendungen waren somit bereits nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG.

Zum anderen war der Schadensersatzprozess auch nicht zur Sicherung der Existenzgrundlage der Klägerin i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG notwendig. Bei den eingeklagten Behandlungskosten i.H.v. 7.082,41 € handelte es sich um einmalige Aufwendungen, die offensichtlich bezahlt werden konnten. Auch wenn die Höhe der Kosten die Klägerin angesichts ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse spürbar belastete, sind weder Umstände dargelegt noch erkennbar, die es zur Sicherung der Existenzgrundlage erforderlich gemacht hätten, diesen (unsicheren) Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Allein der Umstand, dass die Erstattung der Behandlungskosten die finanzielle Situation der Klägerin verbessert hätte, reicht nicht aus.

Da im Zusammenhang mit dem Zivilprozess allein vermögensrechtliche Ansprüche (Schadensersatz, Schmerzensgeld) eingeklagt wurden, ist auch nicht der Kernbereich des menschlichen Lebens und damit die immaterielle Existenzgrundlage betroffen. Der Zivilprozess war nicht geeignet die körperliche Unversehrtheit wiederherzustellen, da er allein dem Ausgleich finanzieller Interessen diente.

5.4. Auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Kindesunterhaltsverfahren sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Vater von C vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bereits Unterhalt leistete und das Verfahren lediglich auf Erhöhung der Unterhaltsleistungen gerichtet war. Auch wenn eine Erhöhung des Kindesunterhalts von monatlich 336 € auf 491 € bei angespannten finanziellen Mitteln eine spürbare Entlastung darstellt, kann nach den Umständen des Streitfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigt hätten werden können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin es als ihre Pflicht ansah, im Interesse ihrer Tochter den Anspruch auf höheren Unterhalt durchzusetzen. Durch die Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nahm es der Gesetzgeber bewusst in Kauf, dass auch in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige sich aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zur Prozessführung gezwungen sieht, kein Abzug erfolgt, wenn nicht auch ein Verlust der Existenzgrundlage droht. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht erkennbar, dass die immaterielle Existenzgrundlage gefährdet war.

6. Die angefochtenen Bescheide sind auch insoweit rechtswidrig, als bei der Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 (EStG) noch nicht die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 19.01.2017 VI R 75/14, BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) berücksichtigt wurde, wonach eine stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung vorzunehmen ist. Demzufolge ist in den Streitjahren folgende zumutbare Belastung anzusetzen:

Gesamtbetrag der Einkünfte

Zumutbare Belastung nach den Grundsätzen BFH-Urteil vom 19.01.2017 VI R 75/14

2013

… €

… €

2014

… €

… €

2015

… €

… €

7. Ein Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 1 EStG ist in den Streitjahren nicht zu gewähren.

Gemäß § 33b Abs. 2 EStG erhalten Pauschbeträge behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 50 festgestellt ist (Nr.1) sowie behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung auf weniger als 50, aber mindestens auf 25 festgestellt ist, wenn dem behinderten Menschen wegen seiner Behinderung nach gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, und zwar auch dann, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist (Nr. 2a), oder die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht (Nr. 2b).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Vorliegend wurde ein GdB von 30 festgestellt. Das Versorgungsamt stellte ausdrücklich fest, dass die Körperbehinderung zu keiner dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat und auch nicht auf einer typischen Berufskrankheit beruht. Ferner bezog die Klägerin wegen der festgestellten Behinderung keine Renten- und sonstige laufende Bezüge. Allein der Umstand, dass die Klägerin im Vergleich zu einem normalen Menschen mit zwei Nieren einer erhöhten Gefahr von Schäden durch Infektionen, Viren oder Giftstoffen ausgesetzt ist, reicht für die Berücksichtigung eines Behinderten-Pauschbetrags nicht aus. Maßgeblich ist eine Beeinträchtigung in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen, für die ein Behinderten-Pauschbetrag geltend gemacht wurde. Zukünftige Beeinträchtigungen durch die Behinderung können nicht vorab geltend gemacht werden.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

9. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17 zitiert 15 §§.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pf

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33b Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen, Hinterbliebene und Pflegepersonen


(1) 1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Abs

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1632 Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege


(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält. (2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung f

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Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 07. Mai 2018 - 7 K 257/17 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Mai 2017 - VI R 9/16

bei uns veröffentlicht am 18.05.2017

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 19. Jan. 2017 - VI R 75/14

bei uns veröffentlicht am 19.01.2017

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24. November 2014  10 K 798/14 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 14. Dez. 2016 - VI R 49/15

bei uns veröffentlicht am 14.12.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Februar 2015  12 K 3232/09 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 28. Apr. 2016 - VI R 15/15

bei uns veröffentlicht am 28.04.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 18. Dezember 2014  6 K 1090/12 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 10. März 2016 - VI R 38/13

bei uns veröffentlicht am 10.03.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18. Februar 2013 3 K 409/12 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Feb. 2016 - VI R 56/13

bei uns veröffentlicht am 18.02.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Juni 2013 7 K 2700/12 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 17. Dez. 2015 - VI R 7/14

bei uns veröffentlicht am 17.12.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. September 2013 7 K 1549/13 E aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Juni 2015 - VI R 17/14

bei uns veröffentlicht am 18.06.2015

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Mai 2011 - VI R 42/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Referenzen

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24. November 2014  10 K 798/14 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2006 des Beklagten vom 1. Februar 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 wird dahingehend geändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.409 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu 60 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist verheiratet und wurde für das Streitjahr (2006) mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er erzielte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer.

2

Im Streitjahr leistete der Kläger Beiträge in Höhe von 19.463 € an eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Regelpflichtbeitrag sowie freiwilligen Beiträgen in Höhe von je 12.285 € abzüglich des Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 5.106 €. In der Einkommensteuererklärung der Eheleute machte der Kläger die Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten zu den zukünftigen Rentenzahlungen geltend. Außerdem erklärten die Eheleute 4.148 € Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Krankheitskosten im Einkommensteuerbescheid 2006 nach Abzug der zumutbaren Belastung noch mit 2.069 €. Auf den zunächst aus anderen Gründen erhobenen Einspruch des Klägers erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid, in dem das FA die Beiträge an das Versorgungswerk im Rahmen der Sonderausgabenhöchstbetragsberechnung berücksichtigte. Im Laufe des fortdauernden Verfahrens erweiterte der Kläger sein Einspruchsbegehren dahin, dass zusätzliche außergewöhnliche Belastungen von 1.104 € zu berücksichtigen seien, da die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung um die von ihm geleisteten Beiträge an das Versorgungswerk zu kürzen sei. Der Einspruch war in einem anderen Punkt erfolgreich. Im Hinblick auf die zusätzlich begehrten Krankheitskosten wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

4

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 648 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er ist der Ansicht, die Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verstoße im Zusammenwirken mit § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 3 Satz 5 EStG gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da die von angestellten Arbeitnehmern geleisteten Altersvorsorgebeiträge nur als Sonderausgaben abgezogen, während bei Beamten die "fiktiven" Beiträge zur Altersvorsorge von vornherein nicht berücksichtigt würden. Hieraus ergäbe sich bei Beamten ein niedrigerer Gesamtbetrag der Einkünfte und eine entsprechend geringere zumutbare Belastung, was letztlich zu höheren abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen führe.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich ein Betrag in Höhe von 1.102 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision des Klägers ist begründet und führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie zur Stattgabe der Klage, als bei der Einkommensteuerfestsetzung 2006 die zumutbare Belastung mit 1.409 € anzusetzen ist und damit zusätzliche Krankheitskosten in Höhe von 664 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Die zumutbare Belastung wird dabei in drei Stufen (bis 15.340 €, bis 51.130 € und über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte und abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen. Gesamtbetrag der Einkünfte ist nach der Definition in § 2 Abs. 3 EStG die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG.

11

a) Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Dementsprechend geht der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft (zuletzt Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151, m.w.N.).

12

b) Die Aufwendungen sind weiter nur insoweit zu berücksichtigen, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigen.

13

aa) Die Rechtsprechung geht davon aus, dass durch den Ansatz der --nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Kinderzahl-- gestaffelten zumutbaren Belastung dem Steuerpflichtigen entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit zugemutet werden soll, einen Teil der Belastung selbst zu tragen (BFH-Urteile vom 14. Dezember 1965 VI 235/65 U, BFHE 85, 83, BStBl III 1966, 242; vom 15. November 1991 III R 30/88, BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179; vom 26. März 2009 VI R 59/08, BFHE 224, 453, BStBl II 2009, 808; in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151; BFH-Beschlüsse vom 17. September 1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315; vom 8. Dezember 1999 III B 72/99, BFH/NV 2000, 704). Die zumutbare Belastung beträgt in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob mehr oder weniger als drei Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei Steuerpflichtigen, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden, und bei Steuerpflichtigen, die Kinder zu versorgen haben, bestimmt das Gesetz geringere Prozentsätze. Der Vorschrift liegt damit ersichtlich die Wertung zugrunde, dass Steuerpflichtige mit einem höheren Gesamtbetrag der Einkünfte wirtschaftlich leistungsfähiger sind und es ihnen deshalb zugemutet werden kann, auch einen höheren Anteil der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG hieraus selbst zu tragen.

14

bb) Die Finanzverwaltung legt diese Bestimmung dahingehend aus, dass --sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet-- sich die zumutbare Belastung insgesamt nach dem höheren Prozentsatz richtet. Dieser Berechnung ist die Rechtsprechung des BFH, ohne sich damit ausdrücklich auseinanderzusetzen, bisher stillschweigend gefolgt. Der BFH äußerte sich nur allgemein zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung durch "den Ansatz einer --nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Kinderzahl-- gestaffelten zumutbaren Belastung", ohne allerdings zu den Einzelheiten der Berechnung Stellung zu nehmen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BFHE 212, 195, BStBl II 2008, 16; in BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179; s.a. Senatsurteil in BFHE 224, 453, BStBl II 2009, 808).

15

c) An dieser Ermittlung der zumutbaren Belastung hält der erkennende Senat nicht mehr fest. § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG ist vielmehr so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den jeweiligen im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird (ebenso Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 136).

16

aa) Der Wortlaut des § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG steht mit dieser Auslegung im Einklang. So heißt es im Gesetz:

17

"Die zumutbare Belastung beträgt

   

bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte

bis 15.340 EUR

über 15.340 EUR bis 51.130 EUR

über 51.130 EUR

1.  

bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer

                          
    

a) nach § 32a Abs. 1,

5

6

7

   

b) nach § 32a Abs. 5 oder 6 (Splitting-Verfahren)

4

5

6

   

zu berechnen ist;

        

        

        

2.  

bei Steuerpflichtigen mit

        

        

        

   

a) einem Kind oder zwei Kindern,

2

3

4

   

b) drei oder mehr Kindern

1

1

2

            

vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte."

18

§ 33 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt für die Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes des Gesamtbetrags der Einkünfte also gerade nicht auf den "gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte" ab. Der Gesetzeswortlaut legt es vielmehr nahe, dass sich der gesetzlich festgelegte Prozentsatz nur auf den Gesamtbetrag der Einkünfte in der Spalte der Tabelle bezieht, in der sich auch die jeweilige Prozentzahl befindet. Bei wörtlichem Verständnis des Gesetzes ist daher z.B. gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG "bis 15.340 EUR" Gesamtbetrag der Einkünfte eine zumutbare Belastung von 5 % "des Gesamtbetrags der Einkünfte" und für den darüber hinausgehenden Betrag "über 15.340 EUR bis 51.130 EUR" eine zumutbare Belastung von 6 % "des Gesamtbetrags der Einkünfte" anzusetzen. Der gesetzlich vorgesehenen Staffelung des Gesamtbetrags der Einkünfte und der Zuweisung bestimmter Prozentsätze "des Gesamtbetrags der Einkünfte" --nicht des "gesamten" Gesamtbetrags der Einkünfte-- zu den jeweiligen Beträgen sind daher zu entnehmen, dass die Prozentsätze auf den Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden sind, in dessen Spalte sie aufgeführt sind. So gilt der Prozentsatz von 6 gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur für den Gesamtbetrag der Einkünfte "über 15.340 EUR bis 51.130 EUR". Eine gesetzliche Grundlage, diesen Prozentsatz auch auf den Gesamtbetrag der Einkünfte "bis 15.340 EUR" anzuwenden, enthält der Gesetzeswortlaut gerade nicht. Denn für einen Gesamtbetrag der Einkünfte "bis 15.340 EUR" enthält § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG vielmehr einen abweichenden Prozentsatz von 5.

19

bb) Die vorgenannte Auslegung wird auch dem Zweck der Vorschrift gerecht. Der Ansatz einer zumutbaren Belastung ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden, soweit es sich nicht um Aufwendungen für Leistungen handelt, die Sozialhilfeempfängern allgemein ohne weitere Gegenleistung gewährt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151), und sofern dem Steuerpflichtigen nach Abzug ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem Existenzminimum liegt (BFH-Urteile in BFHE 212, 195, BStBl II 2008, 16; in BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179). Es begegnet auch keinen Bedenken, dass mit steigendem Gesamtbetrag der Einkünfte den Steuerpflichtigen zugemutet wird, einen höheren Prozentsatz ihrer Einkünfte für zwangsläufige und außergewöhnliche Privataufwendungen einzusetzen. Dies muss jedoch schrittweise in folgerichtig gestalteten Übergängen geschehen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. September 1992  2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Die bisherige Auslegung der Vorschrift führt indes in manchen Fällen zu Grenzsteuersätzen, die mit dem Ziel einer Einkommensbesteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren sind (vgl. die Beispiele bei Kosfeld, Finanz-Rundschau 2013, 359). Denjenigen Steuerpflichtigen, deren Gesamtbetrag der Einkünfte die jeweiligen gesetzlichen Grenzen nur geringfügig überschreitet, werden nicht nur die zusätzlich erwirtschafteten Einkünfte in voller Höhe besteuert, ihnen bleibt überdies nach Steuern ein geringeres Einkommen als Steuerpflichtigen mit Einkünften knapp unterhalb des jeweiligen Grenzbetrags. Diese Folge wird vermieden, wenn bei der Berechnung der zumutbaren Belastung entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift nur auf die den jeweiligen Grenzbetrag übersteigenden Einkünfte der höhere Prozentsatz angewandt wird.

20

cc) Ein diesem Auslegungsergebnis entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar. Seit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 --Steueränderungsvereinfachungsgesetz-- (BGBl I 1980, 1537) bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nicht mehr nach dem um bestimmte Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 1a, 4 bis 7 EStG a.F.) und Spenden (§ 10b EStG a.F.) verminderten, sondern nach dem ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte. Die Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf den fortan ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte ging einher mit einer Reduzierung der Prozentsätze sowie einer Verringerung und Neugliederung der Einkommensgruppen. Die Änderung diente neben der Vereinfachung auch der Vermeidung unbilliger Ergebnisse, da es nun unerheblich war, ob Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (sog. Realsplitting) oder als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG steuerlich berücksichtigt wurden (zur Entstehungsgeschichte s. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 33 EStG Rz 2 und 215; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz A 29 ff.). Es gibt --soweit ersichtlich-- keine Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren, dass § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG in dem hier streitigen Punkt i.S. der bisherigen Verwaltungsauffassung zu verstehen sei (vgl. insbesondere BTDrucks 7/1470, S. 282; BTDrucks 7/2180, S. 20; BTDrucks 8/3688, S. 19). Auch ist --anders als beispielsweise bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. § 19 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes)-- kein Härteausgleich bei geringfügigem Übersteigen einer Wertgrenze vorgesehen, der den gesetzgeberischen Willen erkennen lässt, dass grundsätzlich ein einheitlicher Prozentsatz auf den gesamten Wert des steuerpflichtigen Erwerbs anzuwenden ist.

21

dd) Der erkennende Senat weicht mit diesem Urteil nicht von einer anderen Entscheidung des BFH ab, was die übrigen mit Ertragsteuern befassten Senate auf Anfrage bestätigt haben. Der vor dem erkennenden Senat für die außergewöhnlichen Belastungen zuständige III. Senat des BFH hat zudem mitgeteilt, dass er der hier vertretenen Auffassung folge.

22

2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die streitbefangenen Zahlungen Krankheitskosten darstellen und daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind. Die Krankheitskosten sind allerdings nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, als sie den Betrag der nach § 33 Abs. 3 EStG ermittelten zumutbaren Belastung überschreiten. Denn § 33 Abs. 3 EStG differenziert bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig. Die Kürzung der Krankheitskosten um die anzurechnende zumutbare Belastung dem Grunde nach stellt der Kläger auch nicht in Frage (zur Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes der zumutbaren Belastung vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

23

FA und FG haben den Betrag der nach Abzug der zumutbaren Belastung noch berücksichtigungsfähigen Krankheitskosten --entsprechend dem bisherigen Verständnis-- unter Berücksichtigung des sich bei Überschreiten der letzten Staffel ergebenden Prozentsatzes ermittelt. Nach den Ausführungen unter II.1.c ist die zumutbare Belastung bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 51.835 € im Streitfall jedoch wie folgt zu berechnen:

        

bis 15.340 €

2 %     

306,80 € 

        
        

bis 51.130 €

3 %     

1.073,70 € 

        
        

bis 51.835 €

4 %     

   28,20 € 

        
        

zumutbare Belastung

        

1.408,70 €.

        
24

Bei Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € und einer bisher berücksichtigten zumutbaren Belastung in Höhe von 2.073 € ergeben sich somit zusätzlich zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 664 €.

25

3. Eine Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte um die von dem Kläger geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen kommt nach den gesetzlichen Regelungen nicht in Betracht.

26

Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind zwar den Sonderausgaben zugewiesen, ihrer Rechtsnatur nach sind sie aber in erster Linie vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348; vom 18. April 2012 X R 62/09, BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721). Diese Zuweisung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 14. Juni 2016  2 BvR 323/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2016, 829, Rz 55 ff.). Geht man vom Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als vorweggenommene Werbungskosten aus, entspräche deren mindernde Berücksichtigung bei der Bemessung der zumutbaren Belastung dem Gesetzeszweck des § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG. Denn das Gesetz geht, indem es als Ausgangspunkt für die Bemessung der zumutbaren Belastung den Gesamtbetrag der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 EStG wählt, davon aus, dass es einem Steuerpflichtigen nur zugemutet werden kann, aus seinen Einkünften, also dem Gewinn oder dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG), einen eigenen Anteil an außergewöhnlichen Belastungen zu tragen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG steht indes einer einfachrechtlichen Auslegung dahingehend, dass die Altersvorsorgeaufwendungen den Gesamtbetrag der Einkünfte als gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der zumutbaren Belastung mindern, entgegen. Denn aus diesem, insbesondere der ausdrücklichen Bezugnahme auf §§ 8 bis 9a EStG, folgt, dass in den Gesamtbetrag der Einkünfte nur Aufwendungen eingehen, die das Einkommensteuerrecht als Werbungskosten i.S. der §§ 9 f. EStG (oder als Betriebsausgaben) und nicht als Sonderausgaben qualifiziert, ohne dass es auf deren materielle Einordnung ankäme.

27

4. Entgegen der Ansicht des Klägers ist darüber hinaus eine von den geltenden Vorschriften des § 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG abweichende Ermittlung der Bezugsgröße für den Ansatz einer zumutbaren Belastung verfassungsrechtlich nicht geboten. Der erkennende Senat erachtet die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage für die außergewöhnlichen Belastungen an den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht für verfassungswidrig.

28

a) Der Gesamtbetrag der Einkünfte dient seit dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769) als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung (zur systematischen Einordnung s. Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF Heft 17, S. 162, Rz 426). Seit dem Steueränderungsvereinfachungsgesetz bestimmt sich die Bemessungsgrundlage --wie unter II.1.c cc ausgeführt-- nicht mehr nach dem um bestimmte Sonderausgaben und Spenden verminderten, sondern aus Vereinfachungsgründen nach dem ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte (BTDrucks 8/3688, S. 19). Bedenken hiergegen wurden weder von Seiten der Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2003 III B 26/02, BFH/NV 2003, 616; FG Hamburg, Urteil vom 10. November 1998 III 196/97) noch von Seiten der Literatur (Stuhrmann, Deutsches Steuerrecht 1980, 487 (490); Kieschke/Höllig/Völzke, Der Betrieb 1980, 1287 (1290); Uelner, Deutsche Steuer-Zeitung 1980, 341 (345); Buob, Die Steuerberatung 1981, 49) geäußert.

29

Vorsorgeaufwendungen --insbesondere Altersvorsorgeaufwendungen-- hatten demgegenüber noch nie Einfluss auf die zumutbare Belastung (anders der Vorschlag im Gutachten der Steuerreformkommission 1971, a.a.O., S. 178 f., Rz 497 ff.).

30

b) Das BVerfG hat ebenfalls die Einschätzung des BFH geteilt, dass gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung, wie ihn § 33 Abs. 3 EStG vorsieht, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liegt (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1987  1 BvR 672/87, HFR 1989, 152 ). Mit Beschlüssen vom 14. März 1997  2 BvR 861/92 (Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 543) und vom 30. Mai 2005  2 BvR 923/03, nicht veröffentlicht) hat das BVerfG erneut Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG wandten, nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 704). Der III. Senat des BFH vertrat ebenfalls die Auffassung, die Anknüpfung des Gesetzes an den Gesamtbetrag der Einkünfte begegne bei dem dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraum keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss in BFH/NV 2003, 616).

31

c) Auch wenn die Literatur die Nichtberücksichtigung der Sonderausgaben, insbesondere der Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG, bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung teilweise durchaus kritisch sieht (insbesondere Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 33 Rz 49; Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 260; Arndt, a.a.O., § 33 Rz D2), führen die hiergegen geäußerten Bedenken nach Ansicht des erkennenden Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesamtbetrags der Einkünfte als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der zumutbaren Belastung (s.a. Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134 und 136; HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 216; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33 Rz 201; Endert in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 33 Rz 43; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 33 Rz 28; C.P. Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, Baden-Baden 2008, S. 191 f. und 212). Die Einbeziehung u.a. der Vorsorgeaufwendungen in die Ermittlung der zumutbaren Belastung mag zwar insgesamt sach- und systemgerechter sein. Der Senat sieht die Entscheidung des Gesetzgebers, an den ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte anzuknüpfen, jedoch als von dem diesem eingeräumten erheblichen Gestaltungsspielraum gedeckt an. Insoweit darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass der Gesetzgeber auch auf die Berücksichtigung die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen steigernder Faktoren (wie insbesondere steuerfreie oder dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte) verzichtet.

32

§ 33 EStG fungiert damit als gleichheitsgerechte und folgerichtige Ergänzung der allgemeinen Freibeträge und Sonderausgaben, soweit diese typisierungsbedingt die verfassungsrechtlichen und einkommensteuerlichen Systemvorgaben zur Steuerfreistellung des Existenzminimums noch nicht vollständig umsetzen (vgl. Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, Stuttgart 2014, S. 107).

33

d) Die von dem Kläger insoweit gerügte Ungleichbehandlung von rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten liegt tatsächlich nicht vor, da der Anknüpfungspunkt --wie vom FG zutreffend ausgeführt-- mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte für alle Steuerpflichtigen derselbe ist.

34

aa) Eine Ungleichbehandlung folgt insbesondere nicht aus dem BVerfG-Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618). Auch insoweit führt die Vorinstanz richtig aus, dass die Entscheidung vor dem Hintergrund der komplexen Analyse der bis dato gegebenen unterschiedlichen Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten einerseits und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits zu sehen ist. Die Ausführungen des BVerfG zu den lediglich "fiktiven" Beiträgen der Beamten zu ihrer späteren Altersversorgung bedeutet jedoch auch i.S. einer Folgerichtigkeit nicht, dass nunmehr die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers aus Gleichbehandlungsgründen von seinem Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen wären. So liegt in dem "niedrigeren" Gesamtbetrag der Einkünfte eines Beamten keine unvereinbare Privilegierung.

35

bb) Im Urteil in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348 hat sich der X. Senat des BFH u.a. ausdrücklich mit der auch vom Kläger in diesem Verfahren vorgebrachten Argumentation auseinandergesetzt, die Behandlung als Sonderausgaben bewirke, dass die Altersvorsorgebeiträge bei der Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung bei den außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 EStG unberücksichtigt blieben. Der X. Senat des BFH hat dies jedoch im Gesamtzusammenhang als sachlich gerechtfertigt angesehen. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

36

Das BVerfG hat die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluss in HFR 2016, 829 nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat im Nichtannahmebeschluss in HFR 2016, 829 ausgeführt, die Zuweisung zu den Sonderausgaben durch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bewirke keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Beamten. Zwar würden dem rentenversicherten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber abgeführten Beiträge zunächst als Lohnbestandteil zugerechnet, während die Umschichtung von (wirtschaftlichen) Beiträgen der aktiven Beamten zu Versorgungsbezügen der Pensionäre innerhalb des öffentlichen Haushalts des Dienstherrn stattfinde, indem der Dienstherr entsprechend geringere Bezüge auszahle. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei es jedoch unerheblich, ob die Leistungen zum Aufbau einer Versorgungs- oder Rentenanwartschaft den Einkünften von vornherein nicht zugerechnet würden oder ob sie als Einkünfte behandelt und als Sonderausgaben vom Einkommen abgezogen werden könnten. Das finanzielle Ergebnis sei in beiden Fällen gleich.

37

Möglicherweise entstehende mittelbare Nachteile für Arbeitnehmer bei der Abzugsfähigkeit außergewöhnlicher Belastungen durch Berechnung der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG auf der Basis des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) und nicht des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) habe der BFH zu Recht nicht isoliert, sondern im Kontext mit anderen mittelbaren, teils vorteilhaften, teils nachteiligen Folgen der Qualifikation der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben betrachtet.

38

Die damit im Einklang mit der Verfassung stehende Entscheidung des Gesetzgebers, die Altersvorsorgeaufwendungen den Sonderausgaben zuzuweisen, bedingt damit zugleich deren Nichtberücksichtigung bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung (s.a. BFH-Urteil in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, Rz 106; BVerfG-Beschluss vom 30. September 2015  2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72, Rz 41).

39

e) Da es für die verfassungsrechtliche Würdigung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung ankommt, die die relevanten Normen (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Normen des Einkommensteuerrechts) bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken, und Be- und Entlastungswirkungen, die sich jenseits der einkommensteuerlichen Belastung erst aus dem Zusammenspiel mit den Normen des Besoldungs-, Versorgungs- und Sozialversicherungsrechts ergeben, außerhalb der verfassungsrechtlich maßgeblichen Vergleichsperspektive liegen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, C.II.), geht schließlich auch die Rüge des Klägers, die beamtenrechtlichen Beihilferegelungen führten dazu, dass bei Beamten Krankheitskosten für Leistungen, die über dem sozialversicherungsrechtlichen Niveau lägen, steuerfrei berücksichtigt würden, von vornherein ins Leere - zumal das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG bereits ausdrücklich bestätigt hat (Beschluss vom 19. Februar 1991  1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395).

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

41

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Juni 2013 7 K 2700/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2011) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist der Vater des am … Juli 2010 geborenen Kindes T. Mit der Kindesmutter L war er nicht verheiratet.

2

Der Kläger verpflichtete sich am 3. September 2010 vor dem Jugendamt der Stadt X in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt für T. Außerdem verpflichtete er sich am 6. September 2010 in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis zur Zahlung von Unterhalt an die Kindesmutter L in Höhe von 440 € monatlich. Der Kläger kam diesen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nach.

3

T und L beantragten noch im Jahr 2010 beim Amtsgericht (AG) X, Familiengericht, die Abänderung des Kindesunterhalts und des Unterhalts der Kindesmutter. Der Kläger schloss mit T und L vor dem AG schließlich einen Vergleich. Hiernach verpflichtete sich der Kläger in Abänderung der Jugendamtsurkunde u.a., für T ab Mai 2011 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 128 % des Mindestbedarfs abzüglich des hälftigen Kindergeldanteils zu zahlen. Der Unterhalt der L wurde für die Zeit von Mai bis September 2011 auf 550 € monatlich und ab Oktober 2011 auf monatlich 1.100 € festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.

4

Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers in dem familiengerichtlichen Verfahren stellte dem Kläger mit Rechnung vom 24. April 2011 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 3.154,46 € in Rechnung, die der Kläger im Streitjahr bezahlte.

5

Der Kläger machte diese Rechtsanwaltsgebühren in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen geltend.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Rechtsanwaltsgebühren auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

7

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1665 veröffentlichten Gründen statt.

8

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9

Es beantragt, das Urteil des FG Köln vom 26. Juni 2013  7 K 2700/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.

11

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

12

a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags-)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

13

b) Demgegenüber nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

14

c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

15

2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

16

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

17

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen allerdings in der Sache selbst entscheiden. Die von dem Kläger getragenen Rechtsanwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

18

Dem Kläger sind die Rechtsanwaltskosten entstanden, weil er sich in einem familiengerichtlichen Verfahren gegen von seinem nichtehelichen Kind T und der Kindesmutter L geltend gemachte Unterhaltsansprüche verteidigt hat und er in diesem Verfahren einen Vergleich geschlossen hat, nach dem die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben wurden.

19

Der Kläger lief ohne die Rechtsverteidigung gegen die von T und L geltend gemachten Unterhaltsansprüche nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Er war daher zur Abwehr der gegen ihn geltend gemachten Unterhaltsansprüche auch bei ungewissen Erfolgsaussichten nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen, das familiengerichtliche Verfahren zu führen. Die von ihm in Zusammenhang mit diesem Verfahren gezahlten Rechtsanwaltsgebühren sind ihm damit nicht zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

20

Die Regelung zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche hat der Gesetzgeber den Unterhaltsberechtigten und den Unterhaltsverpflichteten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen. Deshalb hat der BFH selbst bei einer Ehescheidung Aufwendungen im Zusammenhang mit Scheidungsfolgesachen außerhalb des sog. Zwangsverbundes, zu denen auch Unterhaltssachen betreffend die Unterhaltspflicht gegenüber einem gemeinschaftlichen Kind und dem (ehemaligen) Ehepartner gehören (§ 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Streitjahr geltenden Fassung), nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492). Für die Prozesskosten zur Regelung der Unterhaltspflichten gegenüber einem nichtehelichen Kind und dessen Kindesmutter kann nichts anderes gelten (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 III B 98/05, BFH/NV 2006, 733).

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. September 2013 7 K 1549/13 E aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2011) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Die 1976 geborene Ehefrau (E) des Klägers erkrankte an Krebs. Der Kläger hatte mit E zwei gemeinsame Kinder, die 1999 geborene Tochter J und die 2002 geborene Tochter F. E verstarb im August 2006 an den Folgen ihres Krebsleidens.

3

Der Kläger, J, F und die Erbengemeinschaft nach E, bestehend aus dem Kläger sowie J und F, nahmen den Frauenarzt der E, Dr. A, mit Klageschrift vom 28. Januar 2011 auf Schadensersatz wegen eines von ihnen geltend gemachten Behandlungsfehlers in Anspruch. Sie begehrten Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass ihnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten seien, die ihnen aus Anlass der bei E in der Zeit ab August 2001 durchgeführten Behandlung entstanden seien oder entstehen würden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien.

4

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung von ihm im Streitjahr gezahlte Kosten des Zivilprozesses gegen Dr. A in Höhe von insgesamt 12.137,50 € geltend, die sich wie folgt zusammensetzten: Gerichtskosten (4.068 € und 2.550 €), Rechtsanwaltskosten (1.519,50 €) und Sachverständigenkosten (4.000 €).

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Aufwendungen auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Kosten eines Zivilprozesses könnten unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Voraussetzung für den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung sei, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Im Streitfall sei die Rechtsverfolgung durch den Kläger nicht von vornherein aussichtslos und auch nicht mutwillig gewesen. Nach den vom Kläger eingereichten Unterlagen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Landgericht (LG) ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben habe, sei der Erfolg des Rechtsstreits mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg. Die geltend gemachten Aufwendungen seien auch der Höhe nach notwendig und angemessen gewesen. Sie seien daher als außergewöhnliche Belastung im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen.

7

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

8

Es beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 23. September 2013  7 K 1549/13 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die vom Kläger aufgewandten Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.

11

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

12

2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

13

Demgegenüber nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

14

Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

15

3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

16

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

17

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind im Ergebnis nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

18

Die Kläger des Zivilprozesses begehrten in dem Verfahren vor dem LG nach dem vom FG festgestellten Inhalt der Klageschrift Schmerzensgeld und die Feststellung, dass Dr. A verpflichtet sei, ihnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, die ihnen aus Anlass der bei E in der Zeit ab August 2001 durchgeführten Behandlung entstanden seien bzw. entstehen würden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien.

19

aa) Die geltend gemachten Ansprüche wegen immaterieller Schäden betrafen weder hinsichtlich der Zahlungs- noch der Feststellungsklage existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens. Der Kläger lief ohne die Geltendmachung dieser Ansprüche nicht Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse und die seiner Kinder in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Schmerzensgeldansprüche sollen den dem Geschädigten entstandenen immateriellen Schaden ausgleichen. Schmerzensgeld kann nur für Nichtvermögensschäden verlangt werden. Der Verletzte soll einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 253 Rz 4, m.w.N.). Für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen (Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157).

20

Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen aber nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG, auch wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind (ebenso FG Münster, Urteil vom 30. März 2006  3 K 5739/03 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1907). Sie mögen zwar von erheblicher wirtschaftlicher, nicht aber von existenzieller Bedeutung sein.

21

bb) Soweit die Klage vor dem LG auf Feststellung der Schadensersatzpflicht für materielle Schäden gerichtet war, kann der Senat dahin stehen lassen, ob die Prozesskosten dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen zu beurteilen sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, kommt eine steuermindernde Berücksichtigung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Ergebnis nicht in Betracht.

22

Denn der Anteilsatz der als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen ermittelt sich bei Prozesskosten dadurch, dass der Streitwert der Klageanträge, soweit sie einen existenziell wichtigen Bereich betreffen, zur Summe der Streitwerte aller Klageanträge ins Verhältnis gesetzt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 553).

23

Selbst wenn der Senat revisionsrechtlich mangels gegenteiliger Feststellungen der Vorinstanz zugunsten des Klägers annähme, dass der Streitwert der Feststellungsanträge vollständig dem materiellen Schadensersatz zuzurechnen wäre und einen existenziell wichtigen Bereich berühren würde, ergäbe sich nach den eigenen Angaben des Klägers in der Klageschrift zu den Streitwerten im Zivilprozess ein Anteil der Feststellungsanträge zu allen Klageanträgen von 22.000 € zu 184.000 €, also von 11,96 %.

24

Hiernach wäre von den insgesamt geltend gemachten Zivilprozesskosten in Höhe von 12.137,50 € lediglich ein Anteil von 1.451,65 € (11,96 % x 12.137,50 €) als außergewöhnliche Belastung anzusetzen. Nach Abzug der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Höhe von 4 % des Gesamtbetrages der Einkünfte (4 % x 190.316 € = 7.612 €) und der bei der Einkommensteuerfestsetzung bereits anerkannten außergewöhnlichen Belastungen von 65 € sind dementsprechend keine außergewöhnlichen Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Ausweislich eines aufgefundenen Testaments hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testaments an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht X (AG) zu Gunsten der Klägerin entschied. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des AG auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das AG erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin im Streitjahr 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.

3

Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 2011 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 850 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014  13 K 3724/12 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. September 2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2.a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

13

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, streitige Ansprüche seien wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Da die Parteien zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche mithin auf den Weg vor die Gerichte verwiesen würden, entstünden Zivilprozesskosten für den Kläger wie auch für den Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Demgegenüber sei entgegen der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen, weil der Steuerpflichtige im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse, um sein Recht durchzusetzen.

14

3. Das Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 hat neben Zustimmung (z.B. FG Düsseldorf, Urteile vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; vom 19. Februar 2013  10 K 2392/12 E, EFG 2013, 933; vom 14. Januar 2013  11 K 1633/12 E, EFG 2013, 701; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 110; Rosenke, EFG 2013, 1668) vielfach auch Kritik erfahren (z.B. FG Hamburg, Urteil vom 24. September 2012  1 K 195/11, EFG 2013, 41; FG Düsseldorf, Urteil in EFG 2014, 850; FG des Saarlandes, Urteil vom 10. Dezember 2014  1 K 1201/13, EFG 2015, 818; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286; G. Kirchhof, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2013, 1867, 1871; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 47a ff.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Rz 5).

15

Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Der Senat kehrt unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Der Senat ist sich bewusst, dass die Stetigkeit der Rechtsprechung des BFH als des obersten Gerichtshofs des Bundes für Steuern und Zölle ein wesentliches Element der Rechtssicherheit ist. Er ist jedoch der Ansicht, dass hier schwerwiegende sachliche Gründe, und zwar vor allem der Gesichtspunkt einer notwendigen Vereinheitlichung der Rechtsanwendung und der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, eine Änderung der Rechtsprechung des Senats gebieten.

16

a) Zwar kann sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess --unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745)-- der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen. Vielmehr stellt die Rechtsprechung für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, seit jeher auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 18. November 1977 VI R 142/75, BFHE 124, 39, BStBl II 1978, 147; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Entscheidend für die Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist daher die wesentliche Ursache, die zu den Aufwendungen geführt hat (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 18. März 2004 III R 31/02, BFHE 205, 274, BStBl II 2004, 867).

17

b) Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1982 VI R 41/79, BFHE 136, 370, BStBl II 1982, 749; in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; vom 19. Dezember 1995 III R 177/94, BFHE 179, 383, BStBl II 1996, 197). Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Indes ist der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, auch schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung keine starre Regel. Vielmehr erfordert die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

18

Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104; in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).

19

aa) Diese Auslegung entspricht dem Grundgedanken des § 33 EStG, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen (u.a. BFH-Urteil in BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418; Senatsurteil in BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

20

bb) Der Begrenzung der Abziehbarkeit von Prozesskosten auf einen eng umschriebenen Bereich steht weder das staatliche Gewaltmonopol, das den Einzelnen zwingt, zur Durchsetzung seiner Rechte Gerichte in Anspruch zu nehmen, noch das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH) entgegen.

21

(1) Zwar bringt die Tatsache, dass der Einzelne zur zwangsweisen Durchsetzung tatsächlich oder vermeintlich bestehender Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen muss, notwendigerweise gegebenenfalls endgültig zu tragende Kosten mit sich.

22

Aus dem staatlichen Gewaltmonopol kann entgegen der in dem Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung aber nicht abgeleitet werden, dass Zivilprozesskosten i.S. von § 33 EStG zwangsläufig anfielen. Die Berufung auf das staatliche Gewaltmonopol vermag nicht das Vorliegen eines zusätzlichen existenznotwendigen Bedarfs zu begründen (Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Rz 5). Das staatliche Gewaltmonopol und das Recht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingen den Steuerpflichtigen auch nicht zur Führung eines Zivilprozesses. Zudem liefe die Ansicht, Zivilprozesskosten erwüchsen dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig, im Ergebnis darauf hinaus, jedwede durch den Rechtsstaat rechtmäßig auferlegte Zahlungsverpflichtung als zwangsläufige Aufwendung anzuerkennen (dazu auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871). Maßgeblich ist aber die Zwangsläufigkeit des die Zahlungsobliegenheit auslösenden Ereignisses.

23

Geht es dabei um einen Bereich, der nicht das existenziell Notwendige betrifft, liegt die wesentliche Ursache für die angefallenen Aufwendungen im Bereich der durch den Steuerpflichtigen gestaltbaren Lebensführung. Dies gilt nach den im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen entsprechend auch für diesen Bereich betreffende Prozesskosten (vgl. auch G. Kirchhof, DStR 2013, 1867, 1871).

24

(2) Die Bestimmungen über die PKH sollen den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnen und bezwecken daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1990  2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von PKH zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Werteentscheidung des Einkommensteuerrechts und zielt nicht darauf ab, die Prozesskosten von der Besteuerung auszunehmen. Dementsprechend führt das Institut der PKH nicht dazu, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer abgezogen werden können.

25

4. Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall die Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet gewesen wäre, hätte sie das Erbe nicht angetreten oder hätte sie es mit ihrem Bruder teilen müssen, noch ist dies sonst ersichtlich. Das FG hat eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen daher zu Recht abgelehnt.

26

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom 7. Mai 2015 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.063 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG).

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2014) machte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) u.a. Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer auf 6.975 € fest. Das FA berücksichtigte die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Ehescheidungskosten nicht. Andere als außergewöhnliche Belastungen anerkannte Aufwendungen in Höhe von 1.137 € wirkten sich aufgrund der zumutbaren Belastung in Höhe von 1.216 € nicht aus. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 645 veröffentlichten Gründen stattgab.

3

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

4

Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 13. Januar 2016  14 K 1861/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

7

Ob Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen sind (ablehnend Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Februar 2015  3 K 297/14, EFG 2015, 725), kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen liegen nicht vor. Die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie die Kosten für das Scheidungsverfahren nicht aufgewandt. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 (BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684) zu berechnen und mit 1.063 € anzusetzen.

8

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

9

2. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

10

a) § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft (BGBl I 2013, 1809) und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 --mithin für das Streitjahr-- anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).

11

b) Entgegen der Auffassung des FG werden auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfasst. Denn es handelt sich um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits.

12

aa) Der Begriff des Rechtsstreits bezeichnet im Allgemeinen die Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien oder Beteiligten über ein Rechtsverhältnis in einem gerichtlichen Verfahren. Erfasst wird indes nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (gl.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 209, 213).

13

bb) Demzufolge hat der Bundesfinanzhof (BFH) in langjähriger Rechtsprechung die Kosten sowohl einer Ehescheidung als auch von Scheidungsfolgesachen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten als (Zivil-)Prozesskosten angesehen (z.B. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795; Senatsurteile vom 23. Februar 1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407; vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116, und vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Daran hat der Senat auch für den Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgehalten (z.B. Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 69/12, BFH/NV 2016, 1155; vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG abweichend hiervon nur Aufwendungen erfassen wollte, die in den jeweiligen Verfahrensordnungen ausdrücklich als "Prozesskosten", und nur Verfahren einbeziehen wollte, die hierin als "Rechtsstreit" bezeichnet werden (so aber Urban, FR 2016, 217, 219).

14

cc) Auch aus den Vorschriften des FamFG ergibt sich nicht, dass Kosten eines Scheidungsverfahrens nicht unter den Begriff "Prozesskosten" i.S. des § 33 EStG fallen. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG sieht zwar vor, dass "bei der Anwendung der Zivilprozessordnung" an die Stelle der Bezeichnung "Prozess" oder "Rechtsstreit" die Bezeichnung "Verfahren" tritt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es sich insoweit nicht um Rechtsstreitigkeiten i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt (vgl. auch § 113 Abs. 1 FamFG "Ehesachen und Familienstreitsachen"). Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Herausbildung einer eigenen Terminologie zum Ausdruck bringen, dass es in den nach dem FamFG zu entscheidenden Materien nicht um eine echte Gegnerstellung der Beteiligten gehe (Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, § 113 Rz 25; Prütting/Helms, FamFG, § 113 Rz 37).

15

c) Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Prozesskosten für ein Scheidungsverfahren zählen nicht hierzu. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

16

aa) Als Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209, 216). Zwar kann der gesetzlich nicht definierte Begriff der Existenzgrundlage auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als die Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie und/oder einen Freundeskreis; daher könnte man im Fall einer gescheiterten Ehe auch eine seelische Existenzgrundlage als gefährdet ansehen (Bleschick, FR 2013, 932, 936; Nieuwenhuis, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1701). Der Wortlaut der Regelung und insbesondere der Zusatz "in dem üblichen Rahmen" legen aber einen Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nahe. Denn im Gegensatz zu seelischen und sozialen Bedürfnissen sind wirtschaftliche Umstände messbar und quantifizierbar.

17

bb) Dementsprechend hat die Steuerrechtsprechung den Begriff der Existenzgrundlage bislang immer in einem materiellen Sinn verstanden. So wurden als Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen etwa ein Betrieb (BFH-Urteile vom 13. August 2003 II R 48/01, BFHE 203, 275, BStBl II 2003, 908; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499), ein Beruf und die daraus erzielten Einkünfte (BFH-Beschluss vom 16. März 2006 IV B 157/04, BFH/NV 2006, 1459), ein Arbeitsplatz (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 14/13, BFH/NV 2016, 1142) oder sonstige dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Mittel (BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) bezeichnet.

18

cc) Auch bei den außergewöhnlichen Belastungen hat die Rechtsprechung mit der in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verwendeten Formulierung nur die wirtschaftlichen Grundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Der BFH hat erstmals im Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 den Begriff der Existenzgrundlage im Zusammenhang mit Prozesskosten verwendet und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Berührt ein Rechtsstreit allerdings einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich, kann jener unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existentiell erforderlich ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774) und sich folglich die Frage stellt, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als i.S. des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann aber nur dann unter hier nicht näher zu erörternden engen Voraussetzungen in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit trotz unsicheren Ausgangs einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

19

(1) Dieselbe Formulierung findet sich in zahlreichen nachfolgenden Urteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726; vom 20. April 2006 III R 23/05, BFHE 213, 351, BStBl II 2007, 41; vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). In keinem dieser Urteile hat der BFH die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage auch nur erörtert. Vielmehr hat er es nur in Fällen für möglich gehalten, dass der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne, in denen entweder die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt war (Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 40/13, BFH/NV 2016, 908, und VI R 62/13, BFH/NV 2016, 1436) oder der Steuerpflichtige durch eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung schwerwiegende körperliche Schäden erlitten hatte (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

20

(2) Eine Existenzbedrohung hat der BFH jedoch auch insoweit nur angenommen, als der Steuerpflichtige Ausgleich seiner materiellen Schäden begehrte. Soweit mit den Klagen immaterielle Schäden --etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld-- geltend gemacht wurden, hat er darin keinen existenziell wichtigen Bereich im Sinne der Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten gesehen, selbst wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet waren (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 1142, und vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418). Dasselbe galt für ein von einem Kind eingeleitetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren. Die Feststellung oder Nichtfeststellung der Vaterschaft greift nicht unmittelbar in die Existenz des Steuerpflichtigen ein, da selbst bei weitestgehenden Unterhaltsansprüchen eines Kindes dem Elternteil zumindest der Betrag verbleibt, der zur Existenz unbedingt erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726). Auch berühren nach der Rechtsprechung des BFH Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern regelmäßig nicht die Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen. Insofern nahm der BFH nicht an, dass die Existenz des Steuerpflichtigen ohne einen entsprechenden Prozess gefährdet sei, sondern statuierte explizit eine weitere Ausnahme für einen möglichen Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382).

21

(3) Scheidungskosten hat der BFH nicht der Fallgruppe der Existenzgefährdung zugerechnet. Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hatte der BFH schon vor dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür wechselte im Laufe der Zeit. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 905). Eine existenzielle Betroffenheit hat der BFH in Scheidungsfällen demnach nicht bejaht. Er hat vielmehr die Fallgruppe der Existenzgefährdung in dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 erstmals neben dem bereits als außergewöhnliche Belastungen anerkannten Fall der Scheidungskosten zusätzlich genannt; nicht hingegen wurden Scheidungskosten unter die Fallgruppe der Existenzgefährdung subsumiert (s.a. Heim, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 2014, 165).

22

dd) Der Gesetzgeber hat die Formulierung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG wörtlich der BFH-Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 entnommen. Er hat damit auch inhaltlich an diese Rechtsprechung angeknüpft. Denn fügt der Gesetzgeber in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägte Begriffe in ein Gesetz ein, ist davon auszugehen, dass er diese auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 68). Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt (so auch Heim, DStZ 2014, 165; Kanzler, FR 2014, 209; a.A. Bleschick, FR 2013, 932; Gerauer, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2014, 2621; Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701).

23

ee) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.

24

(1) Der Gesetzesänderung gingen mehrere Schritte voraus:

25

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 vom 19. Juni 2012 (BTDrucks 17/10000) sah eine Änderung des § 33 EStG zunächst nicht vor. In seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 6. Juli 2012 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) schlug der Bundesrat vor, nach § 33 Abs. 3 EStG folgenden Abs. 3a einzufügen:
"3a) Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Kläger oder Beklagter ist. Abweichend von Satz 1 können die notwendigen und angemessenen Prozesskosten berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Satz 2 gilt für die unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten entsprechend."

26

Diese Gesetzesfassung sollte in allen Fällen anzuwenden sein, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt war.

27

Zur Begründung führte der Bundesrat aus, entgegen dem Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) entspreche die generelle steuermindernde Berücksichtigung von Prozesskosten nicht den sonst bei außergewöhnlichen Belastungen geltenden Grundsätzen. Es sei daher angezeigt, die Anwendbarkeit auf "den bisherigen engen Rahmen" zu beschränken.

28

Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag des Bundesrats "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" ab. Sie verwies zum einen auf den Nichtanwendungserlass zum Senatsurteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1286), zum anderen auf mehrere Verfahren beim BFH, die sich mit der Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung beschäftigten; der BFH erhalte daher kurzfristig Gelegenheit, die Rechtsfrage erneut zu entscheiden. Dabei teile die Bundesregierung die Auffassung des Bundesrats, die Berücksichtigung von Prozesskosten auf "einen engen Rahmen" zu beschränken (BTDrucks 17/10604, S. 45, 46).

29

Der Vermittlungsausschuss (BTDrucks 17/11844 vom 13. Dezember 2012, S. 6) empfahl daraufhin, an § 33 Abs. 2 EStG folgenden Satz anzufügen:
"Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können."

30

Der Bundestag lehnte die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 17. Januar 2013 ab (BRDrucks 33/13, S. 1). Der Bundesrat stimmte am 1. Februar 2013 dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz nicht zu (BRDrucks 33/13 --Beschluss--).

31

Im Februar 2013 brachten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP --zunächst ohne eine Änderung des § 33 EStG-- einzelne im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehene Regelungen im AmtshilfeRLUmsG wieder in den Bundestag ein (BTDrucks 17/12375, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 19. Februar 2013). Der Vermittlungsausschuss schlug erneut vor, Satz 4 i.d.F. der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 2013 in § 33 Abs. 2 einzufügen (BTDrucks 17/13722 vom 5. Juni 2013, S. 9).

32

Der Bundestag nahm die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nun an (BRDrucks 477/13 vom 6. Juni 2013, S. 1). Nach Zustimmung des Bundesrats (BRDrucks 477/13 --Beschluss-- vom 7. Juni 2013) trat das AmtshilfeRLUmsG schließlich mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft.

33

(2) Aus der beschriebenen Entstehungsgeschichte der heute gültigen Fassung des § 33 Abs. 2 EStG ist der Wille des Gesetzgebers erkennbar, Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Denn die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagene Fassung des § 33 Abs. 3a EStG, in dessen Satz 3 eine Ausnahme für die "unmittelbaren und unvermeidbaren Scheidungskosten" vorgesehen war, ist gerade nicht Gesetz geworden. Vielmehr beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine einzige Ausnahme vom generellen Abzugsverbot, nämlich die "Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (gl.A. Kanzler, FR 2014, 209; Heim, DStZ 2014, 165).

34

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung die Scheidungskosten einbeziehen wollte, gibt es nicht. Soweit in der Literatur (Nieuwenhuis, DStR 2014, 1701; Gerauer, NWB 2014, 2621) angeführt wird, ein dementsprechender Wille sei aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 (BRDrucks 302/12 --Beschluss--, S. 34, 35) zu ersehen, wonach sich die Anwendbarkeit des § 33 EStG auf "den bisherigen engen Rahmen" beschränken sollte, wird nicht berücksichtigt, dass dieser Vorschlag des Bundesrats gerade nicht Gesetz geworden ist. Die Bundesregierung wollte jedoch die Prozesskosten nur auf "einen engen Rahmen" beschränken. In Verbindung mit der Tatsache, dass der letzte Satz des vom Bundesrat vorgeschlagenen § 33 Abs. 3a EStG vom Vermittlungsausschuss nicht übernommen wurde, spricht dies dafür, dass der "enge Rahmen" durchaus enger sein dürfte als der bisherige, mithin der durch die bisherige Rechtsprechung des BFH vor der Gesetzesänderung gesteckte Rahmen weiter eingeschränkt werden sollte.

35

ff) Es ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass Scheidungskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

36

(1) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

37

(2) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören Prozesskosten grundsätzlich nicht (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Soweit Prozesse zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind, trägt dem § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG Rechnung, indem Prozesskosten ausnahmsweise zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen werden, falls die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre, würde er sich nicht auf einen Prozess einlassen.

38

3. Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren eingelassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.

39

4. Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats in BFHE 256, 339, BStBl II 2017, 684 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.063 € anzusetzen.

40

5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

41

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Februar 2015  12 K 3232/09 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind miteinander in jeweils zweiter Ehe verheiratet. Sie machten für die Streitjahre (2007 und 2008) Aufwendungen wegen verschiedener Rechtsangelegenheiten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Den Streitigkeiten lagen im Wesentlichen folgende Sachverhalte zugrunde:

2

1. Kindesunterhalt
Die Klägerin hat mit ihrem Ehemann aus erster Ehe einen gemeinsamen Sohn. Da der Kindesvater nicht bereit war, Unterhalt zu leisten, strengte die Klägerin gegen ihn einen Rechtsstreit beim Amtsgericht (AG) --Familiengericht-- X über die Höhe des Kindesunterhalts an. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht (OLG) A mit Urteil vom ... . Nachdem diese Entscheidung vorlag, kam der Kindesvater seiner Zahlungsverpflichtung nach.

3

2. nachehelicher Unterhalt
Der Kläger führte gegen seine geschiedene Ehefrau vor dem AG --Familiengericht-- Y (Urteil vom ...) und sodann vor dem OLG B (Urteil vom ...) einen Rechtsstreit, mit dem er eine Reduzierung des von ihm zu leistenden nachehelichen Unterhalts begehrte.

4

3. Aufenthaltsbestimmungs- und Besuchsrecht
Der Kläger beantragte beim AG --Familiengericht-- Y die elterliche Sorge für seine Tochter künftig so auszugestalten, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei ihm sei. Das Verfahren endete mit einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau über die künftige Ausgestaltung des Umgangsrechts.

5

4. Verfahren hinsichtlich der Anlage U
Die geschiedene Ehefrau des Klägers hatte sich geweigert, die Anlage U zur Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr ... zu unterzeichnen. Sie hatte die Anlage abgeändert und den Höchstbetrag von 13.805 € auf ... € reduziert. Mit Anwaltsschreiben vom ... wurde sie erfolgreich aufgefordert, die Anlage U mit dem ungekürzten Höchstbetrag zu unterzeichnen.

6

In der Einkommensteuererklärung für 2007 machten die Kläger Gerichts- und Anwaltskosten sowie Aufwendungen für Kopien, Schreibmaterial und Porto in Zusammenhang mit den vorgenannten Rechtsstreitigkeiten in Höhe von insgesamt 3.839,91 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 133 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Für 2008 begehrten die Kläger den Abzug von Gerichts- und Anwaltskosten sowie damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen für Büromaterialien und Porto in Höhe von insgesamt 4.885,61 € sowie Fahrtkosten zu Anwalts- und Gerichtsterminen in Höhe von 203,80 €. Die Anwaltskosten im Jahr 2008 entfielen zu 334,15 € auch auf eine arbeitsrechtliche Beratung der Klägerin wegen einer juristischen Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitgeber.

7

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte von den geltend gemachten Beträgen für 2007 lediglich einzelne Fahrtkosten in Höhe von 67,20 € als außergewöhnliche Belastungen. Für das Jahr 2008 erkannte das FA die Anwaltskosten für die arbeitsrechtliche Beratung der Klägerin und damit zusammenhängende Fahrtkosten als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an, die sich wegen des nicht ausgeschöpften Arbeitnehmerpauschbetrags aber nicht steuermindernd auswirkten. Außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das FA im Hinblick auf die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten für 2008 nicht.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) seien Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Im Streitfall hätten sich die Kläger auf die Zivilprozesse wegen Kindesunterhalt, nachehelichen Unterhalts, Aufenthaltsbestimmung und Besuchsrecht weder mutwillig noch leichtfertig eingelassen, sodass die hierfür angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Hinsichtlich der außergerichtlichen Beratung und Vertretung lägen demgegenüber keine Prozesskosten im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vor. Die hierfür angefallenen Aufwendungen seien nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. In Bezug auf die geltend gemachten Kosten für Kopien, Büro- und Schreibmaterialien sowie Porto und die Fahrtkosten fehle es an hinreichendem Vortrag und an entsprechenden Nachweisen.

9

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

10

Es beantragt,
das Urteil des Hessischen FG vom 23. Februar 2015  12 K 3232/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Soweit das FG der Klage stattgegeben hat, hat es die geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.

13

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

14

a) Mit Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) hat der erkennende Senat seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen, die auch das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, aufgegeben und ist zu der früheren Rechtsprechung des BFH zurückgekehrt.

15

Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen (z.B. Senatsurteile vom 15. Juni 2016 VI R 34/14, BFH/NV 2016, 1549, und vom 19. November 2015 VI R 42/14, BFH/NV 2016, 739).

16

b) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen aber in der Sache selbst entscheiden. Die von den Klägern getragenen Kosten in Zusammenhang mit dem Kindesunterhalt, dem nachehelichen Unterhalt sowie dem Aufenthaltsbestimmungs- und Besuchsrecht sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

17

aa) Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (z.B. Senatsurteile vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905, und vom 28. April 2016 VI R 15/15, BFH/NV 2016, 1545). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Folgesachen sind auch Kindschaftssachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem Kind des anderen Ehegatten betreffen, wenn ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache die Einbeziehung in den Verbund beantragt, es sei denn, das Familiengericht hält die Einbeziehung aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht (s. § 137 Abs. 3 FamFG und § 623 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO a.F.).

18

Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Fall nichtehelicher Familienbeziehungen (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2016, 1545, m.w.N.).

19

bb) Nach diesen Maßstäben scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus. Die Rechtsstreitigkeiten um den Kindesunterhalt und den nachehelichen Unterhalt des geschiedenen Ehegatten (s. dazu auch Senatsurteil vom 18. Februar 2016 VI R 56/13, BFH/NV 2016, 1150) waren keine mit den Scheidungsverfahren der Kläger im Zwangsverbund zu entscheidenden Scheidungsfolgesachen. Den Klägern war die Regelung des Kindesunterhalts und des Unterhalts des (geschiedenen) Ehegatten wie in einer bestehenden Ehe zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen. Dies schließt es aus, die für die entsprechenden Verfahren angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten als zwangsläufig entstandene außergewöhnliche Belastungen anzusehen. Ebenso sind auch die Aufwendungen des Klägers für die Streitigkeiten mit seiner (geschiedenen) Ehefrau über das Aufenthaltsbestimmungs- und das Besuchsrecht für das gemeinsame Kind (s. dazu auch Senatsurteile vom 10. März 2016 VI R 38/13, BFH/NV 2016, 1009, und in BFH/NV 2016, 1545) nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

20

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18. Februar 2013 3 K 409/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte als Antragstellerin gegen ihren Ehemann (E) ein Scheidungsverfahren beim Amtsgericht …. Die Klägerin und E stritten außerdem um Hausrat, Trennungsunterhalt und die Änderung des Umgangsrechts.

2

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin stellten ihr im Streitjahr (2010) mit Rechnung vom 13. Oktober 2010 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 238 € wegen der Streitigkeiten über Hausrat, mit Rechnungen vom 14. Oktober 2010  1.435,26 € wegen Trennungsunterhalt und 2.207,09 € wegen Scheidung sowie mit Rechnung vom 16. Dezember 2010 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 566,14 € wegen Änderung des Umgangsrechts in Rechnung. Die Klägerin zahlte alle vorgenannten Rechnungen am 17. Dezember des Streitjahrs. Über eine Rechtschutzversicherung verfügte die Klägerin nicht.

3

Die Klägerin machte die vorgenannten Rechtsanwaltskosten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte lediglich die Rechtsanwaltskosten wegen der Scheidung als außergewöhnliche Belastung an. Die weiteren Anwaltskosten ließ das FA auch im Einspruchsverfahren nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Auch die weiteren von der Klägerin im Streitjahr gezahlten Rechtsanwaltskosten seien als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015), dem sich das FG anschließe, seien die streitigen Rechtsanwaltskosten abzugsfähig. Die Prozessführung der Klägerin sei erfolgversprechend und nicht mutwillig gewesen. Da E die Verbindung des Scheidungsverfahrens mit den Scheidungsfolgesachen erwirkt habe, habe in Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren geklärt werden müssen, wie der Hausrat aufzuteilen sei, wie das Umgangsrecht für das gemeinsame Kind geregelt werde und wie hoch der Trennungsunterhalt sei.

5

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

6

Das FA beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 18. Februar 2013  3 K 409/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Prozesskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.

9

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

10

2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

11

Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

12

Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

13

3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

14

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

15

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die von der Klägerin getragenen Rechtsanwaltskosten, die ihr im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren wegen Streitigkeiten über Hausrat, Trennungsunterhalt und über die Änderung des Umgangsrechts entstanden sind, können nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden.

16

aa) Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 70/12). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung a.F. anzuwenden ist oder --wie im Streitfall-- schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492).

17

Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492; vom 30. Juni 2005 III R 36/03, BFHE 210, 302, BStBl II 2006, 491; ebenso FG München, Urteil vom 21. August 2012  10 K 800/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 451).

18

bb) Nach § 137 Abs. 2 FamFG sind bestimmte Familiensachen (sog. Folgesachen) zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden (sog. Verbund), wenn dies von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wurde. Folgesachen sind auch Kindschaftssachen, die die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem Kind des anderen Ehegatten betreffen, wenn ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache die Einbeziehung in den Verbund beantragt, es sei denn, das Familiengericht hält die Einbeziehung aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht (§ 137 Abs. 3 FamFG).

19

Hiernach stellen auch Gerichts- und Rechtsanwaltskosten wegen eines Streits der (früheren) Ehegatten über das Umgangsrecht als Folgesachen eines Ehescheidungsverfahrens außerhalb des so genannten Zwangsverbunds grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen dar.

20

Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus den BFH-Urteilen in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382 und vom 27. September 2007 III R 41/04 (nicht veröffentlicht). Der BFH hat in seinem Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382 zwar Aufwendungen für einen Familienrechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinen nichtehelichen Kindern unter der Geltung des früheren § 1711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wenn die Mutter jeglichen Umgang des Vaters mit den Kindern grundlos verweigert. Denn Streitigkeiten über das Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern können unter besonderen Umständen den Kernbereich menschlichen Lebens berühren. Aus der vorgenannten Rechtsprechung folgt aber nicht, dass die Kosten eines jeglichen Rechtsstreits, der das Umgangsrecht betrifft, als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.

21

Der Sachverhalt, der dem BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382 zugrunde lag, ist nicht mit den üblichen Streitigkeiten über das Umgangsrecht anlässlich von Ehescheidungen zu vergleichen. Überdies hat sich auch der rechtliche Rahmen für Streitigkeiten über das Umgangsrecht entscheidend verändert. Denn unter der Geltung des § 1711 BGB a.F. oblag es allein dem Sorgeberechtigten, den Umgang des Kindes mit dem nichtehelichen Vater zu bestimmen. Lehnte die Mutter, die nach § 1705 BGB a.F. die elterliche Sorge für das Kind innehatte, den Umgang des Kindes mit dem Vater ab und scheiterte ein Vermittlungsversuch des Jugendamtes, blieb dem Vater nur der Weg zum Vormundschaftsgericht, das den persönlichen Umgang mit dem Vater anordnen konnte. Nach dem nunmehr geltenden Recht gehört zum Wohl des Kindes demgegenüber in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen (§ 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB); jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 2. Halbsatz BGB). Die Eltern können die Einzelheiten des Umgangs durch Vereinbarung regeln (z.B. Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. April 2015  10 UF 226/14). Das Zustandekommen der Umgangsvereinbarung erfordert keine Mitwirkung des Familiengerichts (Erman/ Döll, BGB, 14. Aufl., § 1684 Rz 16). Erst wenn sich die Eltern nicht einigen können, entscheidet gemäß § 1684 Abs. 3 BGB das Familiengericht über Umfang und Ausübung des Umgangs. Daher ist nach heutiger Rechtslage auch die Regelung sowie die Änderung des Umgangsrechts durch den Gesetzgeber in erster Linie den (früheren) Eheleuten zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen.

22

cc) Der III. Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er die Auffassung des erkennenden Senats teilt, nach der Prozesskosten in Zusammenhang mit Streitigkeiten über das Umgangsrecht regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Den Ausnahmecharakter des Urteils in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382 habe er bereits in seinem Urteil vom 27. September 2007 III R 28/05 (BFHE 219, 119, BStBl II 2008, 287) betont.

23

dd) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den von der Klägerin getragenen Rechtsanwaltskosten wegen der Streitigkeiten mit E über den Hausrat, den Trennungsunterhalt und das Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind nicht um außergewöhnliche Belastungen. Anhaltspunkte dafür, dass E der Klägerin jeglichen Umgang mit ihrem Kind grundlos verweigerte und sich die Klägerin das Umgangsrecht mit ihrem Kind vor dem Familiengericht überhaupt erst erstreiten musste, hat das FG nicht festgestellt und sind von der Klägerin auch selbst nicht geltend gemacht worden. Das familiengerichtliche Verfahren bezog sich nach der vom FG in Bezug genommenen Rechnung der Rechtsanwälte der Klägerin vom 16. Dezember 2010 vielmehr auf die schlichte "Änderung Umgangsrecht". Die Kosten eines solchen Verfahrens stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar.

24

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 18. Dezember 2014  6 K 1090/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastung.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit Februar 2010 geschieden. Das familiengerichtliche Urteil betraf nur die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich. Die Scheidungsfolgesachen wurden vergleichsweise beigelegt. Es wurden Regelungen über die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder, zum Umgangsrecht und zum Kindesunterhalt getroffen. Weitere Regelungen betrafen den Ehegattenunterhalt für die geschiedene Ehefrau, den Unterhaltsverzicht für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2011 sowie das Realsplitting. Darüber hinaus einigten sich die Eheleute über den Hausrat, den Zugewinn und die Auseinandersetzung des in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Einfamilienhauses.

3

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2010) machte der Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 12.527 € geltend. Darin enthalten waren Kosten im Zusammenhang mit der Scheidung in Höhe von 11.766,48 €, darunter Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10.742,13 €. Letztere setzten sich zusammen aus außergerichtlichen Kosten für die Scheidungsfolgenvereinbarung in Höhe von 7.647,42 € und Kosten für die anwaltliche Vertretung vor Gericht hinsichtlich der Scheidung in Höhe von 1.588,65 € sowie für die Scheidungsfolgenvereinbarung in Höhe von 3.291,06 €. Von der sich hieraus ergebenden Summe in Höhe von 12.527,13 € wurden im Jahr 2009 geleistete Abschlagszahlungen in Höhe von 1.785 € in Abzug gebracht, so dass der vorgenannte Betrag in Höhe von 10.742,13 € verblieb.

4

Im Steuerbescheid vom 28. Juni 2011 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Berücksichtigung von Scheidungsfolgekosten als außergewöhnliche Belastungen ab.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das FA beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 18. Dezember 2014  6 K 1090/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit der Scheidung zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

12

Dagegen nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

13

Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

14

3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

15

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

16

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Kosten, die ihm durch die vergleichsweise Beilegung der Streitigkeiten über die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder, das Umgangsrecht und den Kindesunterhalt, den Ehegattenunterhalt einschließlich teilweisen Unterhaltsverzichts, den Zugewinn sowie den Hausrat und das Einfamilienhaus entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für die Vereinbarung über das Realsplitting.

17

aa) Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492).

18

Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Fall nichtehelicher Familienbeziehungen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492; vom 30. Juni 2005 III R 36/03, BFHE 210, 302, BStBl II 2006, 491; ebenso FG München, Urteil vom 21. August 2012  10 K 800/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 451).

19

bb) Nach § 137 Abs. 2 FamFG sind bestimmte Familiensachen (sog. Folgesachen) zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden (sog. Verbund), wenn dies von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wurde. Folgesachen sind auch Kindschaftssachen, die die Übertragung und Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht und die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes betreffen, wenn ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache die Einbeziehung in den Verbund beantragt, es sei denn, das Familiengericht hält die Einbeziehung aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht (§ 137 Abs. 3 FamFG).

20

Gerichts- und Rechtsanwaltskosten wegen eines Streits der (früheren) Ehegatten über Folgesachen eines Ehescheidungsverfahrens außerhalb des sogenannten Zwangsverbunds stellen danach grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen dar (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2016 VI R 38/13). Entsprechend sind die Aufwendungen des Klägers für die vergleichsweise Beilegung der Streitigkeiten über die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder, das Umgangsrecht (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. März 2016 VI R 38/13) und den Kindesunterhalt sowie den Ehegattenunterhalt einschließlich des teilweisen Unterhaltsverzichts, den Zugewinn, den Hausrat und das Einfamilienhaus nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen. Dies gilt erst recht für die über den Katalog des § 137 Abs. 2, 3 FamFG hinausgehende Vereinbarung über das Realsplitting. Außergewöhnliche Umstände, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergibt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere weisen die Vereinbarungen über die Kindschaftssachen keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen, insoweit ausnahmsweise außergewöhnliche Belastungen anzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382). So waren sich der Kläger und seine frühere Ehefrau darüber einig, dass die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder weiterhin gemeinsam ausgeübt werden sollte. Dem Kläger wurde ein großzügiges Umgangsrecht eingeräumt.

21

Es handelt sich insoweit auch nicht um Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühren. Zwar mag der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Der Kläger lief indes nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf einen Prozess eingelassen.

22

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 23. September 2013 7 K 1549/13 E aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2011) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Die 1976 geborene Ehefrau (E) des Klägers erkrankte an Krebs. Der Kläger hatte mit E zwei gemeinsame Kinder, die 1999 geborene Tochter J und die 2002 geborene Tochter F. E verstarb im August 2006 an den Folgen ihres Krebsleidens.

3

Der Kläger, J, F und die Erbengemeinschaft nach E, bestehend aus dem Kläger sowie J und F, nahmen den Frauenarzt der E, Dr. A, mit Klageschrift vom 28. Januar 2011 auf Schadensersatz wegen eines von ihnen geltend gemachten Behandlungsfehlers in Anspruch. Sie begehrten Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass ihnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten seien, die ihnen aus Anlass der bei E in der Zeit ab August 2001 durchgeführten Behandlung entstanden seien oder entstehen würden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien.

4

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung von ihm im Streitjahr gezahlte Kosten des Zivilprozesses gegen Dr. A in Höhe von insgesamt 12.137,50 € geltend, die sich wie folgt zusammensetzten: Gerichtskosten (4.068 € und 2.550 €), Rechtsanwaltskosten (1.519,50 €) und Sachverständigenkosten (4.000 €).

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Aufwendungen auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Kosten eines Zivilprozesses könnten unabhängig vom Gegenstand des Rechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Voraussetzung für den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung sei, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Im Streitfall sei die Rechtsverfolgung durch den Kläger nicht von vornherein aussichtslos und auch nicht mutwillig gewesen. Nach den vom Kläger eingereichten Unterlagen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Landgericht (LG) ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben habe, sei der Erfolg des Rechtsstreits mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg. Die geltend gemachten Aufwendungen seien auch der Höhe nach notwendig und angemessen gewesen. Sie seien daher als außergewöhnliche Belastung im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen.

7

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

8

Es beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 23. September 2013  7 K 1549/13 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die vom Kläger aufgewandten Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.

11

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

12

2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

13

Demgegenüber nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

14

Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

15

3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

16

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

17

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind im Ergebnis nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

18

Die Kläger des Zivilprozesses begehrten in dem Verfahren vor dem LG nach dem vom FG festgestellten Inhalt der Klageschrift Schmerzensgeld und die Feststellung, dass Dr. A verpflichtet sei, ihnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, die ihnen aus Anlass der bei E in der Zeit ab August 2001 durchgeführten Behandlung entstanden seien bzw. entstehen würden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien.

19

aa) Die geltend gemachten Ansprüche wegen immaterieller Schäden betrafen weder hinsichtlich der Zahlungs- noch der Feststellungsklage existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens. Der Kläger lief ohne die Geltendmachung dieser Ansprüche nicht Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse und die seiner Kinder in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Schmerzensgeldansprüche sollen den dem Geschädigten entstandenen immateriellen Schaden ausgleichen. Schmerzensgeld kann nur für Nichtvermögensschäden verlangt werden. Der Verletzte soll einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden erhalten (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 253 Rz 4, m.w.N.). Für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen (Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 1955 GSZ 1/55, BGHZ 18, 149, 157).

20

Ansprüche wegen immaterieller Schäden betreffen aber nicht den existenziellen Bereich i.S. des § 33 EStG, auch wenn sie auf den Ausgleich von Nichtvermögensschäden durch eine Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit gerichtet sind (ebenso FG Münster, Urteil vom 30. März 2006  3 K 5739/03 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1907). Sie mögen zwar von erheblicher wirtschaftlicher, nicht aber von existenzieller Bedeutung sein.

21

bb) Soweit die Klage vor dem LG auf Feststellung der Schadensersatzpflicht für materielle Schäden gerichtet war, kann der Senat dahin stehen lassen, ob die Prozesskosten dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen zu beurteilen sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, kommt eine steuermindernde Berücksichtigung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Ergebnis nicht in Betracht.

22

Denn der Anteilsatz der als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen ermittelt sich bei Prozesskosten dadurch, dass der Streitwert der Klageanträge, soweit sie einen existenziell wichtigen Bereich betreffen, zur Summe der Streitwerte aller Klageanträge ins Verhältnis gesetzt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 553).

23

Selbst wenn der Senat revisionsrechtlich mangels gegenteiliger Feststellungen der Vorinstanz zugunsten des Klägers annähme, dass der Streitwert der Feststellungsanträge vollständig dem materiellen Schadensersatz zuzurechnen wäre und einen existenziell wichtigen Bereich berühren würde, ergäbe sich nach den eigenen Angaben des Klägers in der Klageschrift zu den Streitwerten im Zivilprozess ein Anteil der Feststellungsanträge zu allen Klageanträgen von 22.000 € zu 184.000 €, also von 11,96 %.

24

Hiernach wäre von den insgesamt geltend gemachten Zivilprozesskosten in Höhe von 12.137,50 € lediglich ein Anteil von 1.451,65 € (11,96 % x 12.137,50 €) als außergewöhnliche Belastung anzusetzen. Nach Abzug der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Höhe von 4 % des Gesamtbetrages der Einkünfte (4 % x 190.316 € = 7.612 €) und der bei der Einkommensteuerfestsetzung bereits anerkannten außergewöhnlichen Belastungen von 65 € sind dementsprechend keine außergewöhnlichen Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 24. November 2014  10 K 798/14 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2006 des Beklagten vom 1. Februar 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 wird dahingehend geändert, dass die zumutbare Belastung mit 1.409 € berücksichtigt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu 60 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist verheiratet und wurde für das Streitjahr (2006) mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Er erzielte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als rentenversicherungspflichtiger Arbeitnehmer.

2

Im Streitjahr leistete der Kläger Beiträge in Höhe von 19.463 € an eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Regelpflichtbeitrag sowie freiwilligen Beiträgen in Höhe von je 12.285 € abzüglich des Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 5.106 €. In der Einkommensteuererklärung der Eheleute machte der Kläger die Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten zu den zukünftigen Rentenzahlungen geltend. Außerdem erklärten die Eheleute 4.148 € Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Krankheitskosten im Einkommensteuerbescheid 2006 nach Abzug der zumutbaren Belastung noch mit 2.069 €. Auf den zunächst aus anderen Gründen erhobenen Einspruch des Klägers erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid, in dem das FA die Beiträge an das Versorgungswerk im Rahmen der Sonderausgabenhöchstbetragsberechnung berücksichtigte. Im Laufe des fortdauernden Verfahrens erweiterte der Kläger sein Einspruchsbegehren dahin, dass zusätzliche außergewöhnliche Belastungen von 1.104 € zu berücksichtigen seien, da die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung um die von ihm geleisteten Beiträge an das Versorgungswerk zu kürzen sei. Der Einspruch war in einem anderen Punkt erfolgreich. Im Hinblick auf die zusätzlich begehrten Krankheitskosten wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

4

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 648 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er ist der Ansicht, die Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verstoße im Zusammenwirken mit § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 3 Satz 5 EStG gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da die von angestellten Arbeitnehmern geleisteten Altersvorsorgebeiträge nur als Sonderausgaben abgezogen, während bei Beamten die "fiktiven" Beiträge zur Altersvorsorge von vornherein nicht berücksichtigt würden. Hieraus ergäbe sich bei Beamten ein niedrigerer Gesamtbetrag der Einkünfte und eine entsprechend geringere zumutbare Belastung, was letztlich zu höheren abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen führe.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2014 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich ein Betrag in Höhe von 1.102 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision des Klägers ist begründet und führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie zur Stattgabe der Klage, als bei der Einkommensteuerfestsetzung 2006 die zumutbare Belastung mit 1.409 € anzusetzen ist und damit zusätzliche Krankheitskosten in Höhe von 664 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Die zumutbare Belastung wird dabei in drei Stufen (bis 15.340 €, bis 51.130 € und über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte und abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen. Gesamtbetrag der Einkünfte ist nach der Definition in § 2 Abs. 3 EStG die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG.

11

a) Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Dementsprechend geht der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft (zuletzt Senatsurteil vom 2. September 2015 VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151, m.w.N.).

12

b) Die Aufwendungen sind weiter nur insoweit zu berücksichtigen, als sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigen.

13

aa) Die Rechtsprechung geht davon aus, dass durch den Ansatz der --nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Kinderzahl-- gestaffelten zumutbaren Belastung dem Steuerpflichtigen entsprechend seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit zugemutet werden soll, einen Teil der Belastung selbst zu tragen (BFH-Urteile vom 14. Dezember 1965 VI 235/65 U, BFHE 85, 83, BStBl III 1966, 242; vom 15. November 1991 III R 30/88, BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179; vom 26. März 2009 VI R 59/08, BFHE 224, 453, BStBl II 2009, 808; in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151; BFH-Beschlüsse vom 17. September 1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315; vom 8. Dezember 1999 III B 72/99, BFH/NV 2000, 704). Die zumutbare Belastung beträgt in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob mehr oder weniger als drei Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei Steuerpflichtigen, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden, und bei Steuerpflichtigen, die Kinder zu versorgen haben, bestimmt das Gesetz geringere Prozentsätze. Der Vorschrift liegt damit ersichtlich die Wertung zugrunde, dass Steuerpflichtige mit einem höheren Gesamtbetrag der Einkünfte wirtschaftlich leistungsfähiger sind und es ihnen deshalb zugemutet werden kann, auch einen höheren Anteil der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG hieraus selbst zu tragen.

14

bb) Die Finanzverwaltung legt diese Bestimmung dahingehend aus, dass --sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet-- sich die zumutbare Belastung insgesamt nach dem höheren Prozentsatz richtet. Dieser Berechnung ist die Rechtsprechung des BFH, ohne sich damit ausdrücklich auseinanderzusetzen, bisher stillschweigend gefolgt. Der BFH äußerte sich nur allgemein zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung durch "den Ansatz einer --nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Kinderzahl-- gestaffelten zumutbaren Belastung", ohne allerdings zu den Einzelheiten der Berechnung Stellung zu nehmen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BFHE 212, 195, BStBl II 2008, 16; in BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179; s.a. Senatsurteil in BFHE 224, 453, BStBl II 2009, 808).

15

c) An dieser Ermittlung der zumutbaren Belastung hält der erkennende Senat nicht mehr fest. § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG ist vielmehr so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den jeweiligen im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird (ebenso Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 136).

16

aa) Der Wortlaut des § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG steht mit dieser Auslegung im Einklang. So heißt es im Gesetz:

17

"Die zumutbare Belastung beträgt

   

bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte

bis 15.340 EUR

über 15.340 EUR bis 51.130 EUR

über 51.130 EUR

1.  

bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer

                          
    

a) nach § 32a Abs. 1,

5

6

7

   

b) nach § 32a Abs. 5 oder 6 (Splitting-Verfahren)

4

5

6

   

zu berechnen ist;

        

        

        

2.  

bei Steuerpflichtigen mit

        

        

        

   

a) einem Kind oder zwei Kindern,

2

3

4

   

b) drei oder mehr Kindern

1

1

2

            

vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte."

18

§ 33 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt für die Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes des Gesamtbetrags der Einkünfte also gerade nicht auf den "gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte" ab. Der Gesetzeswortlaut legt es vielmehr nahe, dass sich der gesetzlich festgelegte Prozentsatz nur auf den Gesamtbetrag der Einkünfte in der Spalte der Tabelle bezieht, in der sich auch die jeweilige Prozentzahl befindet. Bei wörtlichem Verständnis des Gesetzes ist daher z.B. gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG "bis 15.340 EUR" Gesamtbetrag der Einkünfte eine zumutbare Belastung von 5 % "des Gesamtbetrags der Einkünfte" und für den darüber hinausgehenden Betrag "über 15.340 EUR bis 51.130 EUR" eine zumutbare Belastung von 6 % "des Gesamtbetrags der Einkünfte" anzusetzen. Der gesetzlich vorgesehenen Staffelung des Gesamtbetrags der Einkünfte und der Zuweisung bestimmter Prozentsätze "des Gesamtbetrags der Einkünfte" --nicht des "gesamten" Gesamtbetrags der Einkünfte-- zu den jeweiligen Beträgen sind daher zu entnehmen, dass die Prozentsätze auf den Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden sind, in dessen Spalte sie aufgeführt sind. So gilt der Prozentsatz von 6 gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur für den Gesamtbetrag der Einkünfte "über 15.340 EUR bis 51.130 EUR". Eine gesetzliche Grundlage, diesen Prozentsatz auch auf den Gesamtbetrag der Einkünfte "bis 15.340 EUR" anzuwenden, enthält der Gesetzeswortlaut gerade nicht. Denn für einen Gesamtbetrag der Einkünfte "bis 15.340 EUR" enthält § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG vielmehr einen abweichenden Prozentsatz von 5.

19

bb) Die vorgenannte Auslegung wird auch dem Zweck der Vorschrift gerecht. Der Ansatz einer zumutbaren Belastung ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden, soweit es sich nicht um Aufwendungen für Leistungen handelt, die Sozialhilfeempfängern allgemein ohne weitere Gegenleistung gewährt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151), und sofern dem Steuerpflichtigen nach Abzug ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem Existenzminimum liegt (BFH-Urteile in BFHE 212, 195, BStBl II 2008, 16; in BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179). Es begegnet auch keinen Bedenken, dass mit steigendem Gesamtbetrag der Einkünfte den Steuerpflichtigen zugemutet wird, einen höheren Prozentsatz ihrer Einkünfte für zwangsläufige und außergewöhnliche Privataufwendungen einzusetzen. Dies muss jedoch schrittweise in folgerichtig gestalteten Übergängen geschehen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. September 1992  2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Die bisherige Auslegung der Vorschrift führt indes in manchen Fällen zu Grenzsteuersätzen, die mit dem Ziel einer Einkommensbesteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren sind (vgl. die Beispiele bei Kosfeld, Finanz-Rundschau 2013, 359). Denjenigen Steuerpflichtigen, deren Gesamtbetrag der Einkünfte die jeweiligen gesetzlichen Grenzen nur geringfügig überschreitet, werden nicht nur die zusätzlich erwirtschafteten Einkünfte in voller Höhe besteuert, ihnen bleibt überdies nach Steuern ein geringeres Einkommen als Steuerpflichtigen mit Einkünften knapp unterhalb des jeweiligen Grenzbetrags. Diese Folge wird vermieden, wenn bei der Berechnung der zumutbaren Belastung entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift nur auf die den jeweiligen Grenzbetrag übersteigenden Einkünfte der höhere Prozentsatz angewandt wird.

20

cc) Ein diesem Auslegungsergebnis entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar. Seit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 --Steueränderungsvereinfachungsgesetz-- (BGBl I 1980, 1537) bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nicht mehr nach dem um bestimmte Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nrn. 1, 1a, 4 bis 7 EStG a.F.) und Spenden (§ 10b EStG a.F.) verminderten, sondern nach dem ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte. Die Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf den fortan ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte ging einher mit einer Reduzierung der Prozentsätze sowie einer Verringerung und Neugliederung der Einkommensgruppen. Die Änderung diente neben der Vereinfachung auch der Vermeidung unbilliger Ergebnisse, da es nun unerheblich war, ob Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (sog. Realsplitting) oder als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG steuerlich berücksichtigt wurden (zur Entstehungsgeschichte s. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 33 EStG Rz 2 und 215; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz A 29 ff.). Es gibt --soweit ersichtlich-- keine Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren, dass § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG in dem hier streitigen Punkt i.S. der bisherigen Verwaltungsauffassung zu verstehen sei (vgl. insbesondere BTDrucks 7/1470, S. 282; BTDrucks 7/2180, S. 20; BTDrucks 8/3688, S. 19). Auch ist --anders als beispielsweise bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. § 19 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes)-- kein Härteausgleich bei geringfügigem Übersteigen einer Wertgrenze vorgesehen, der den gesetzgeberischen Willen erkennen lässt, dass grundsätzlich ein einheitlicher Prozentsatz auf den gesamten Wert des steuerpflichtigen Erwerbs anzuwenden ist.

21

dd) Der erkennende Senat weicht mit diesem Urteil nicht von einer anderen Entscheidung des BFH ab, was die übrigen mit Ertragsteuern befassten Senate auf Anfrage bestätigt haben. Der vor dem erkennenden Senat für die außergewöhnlichen Belastungen zuständige III. Senat des BFH hat zudem mitgeteilt, dass er der hier vertretenen Auffassung folge.

22

2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die streitbefangenen Zahlungen Krankheitskosten darstellen und daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind. Die Krankheitskosten sind allerdings nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, als sie den Betrag der nach § 33 Abs. 3 EStG ermittelten zumutbaren Belastung überschreiten. Denn § 33 Abs. 3 EStG differenziert bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig. Die Kürzung der Krankheitskosten um die anzurechnende zumutbare Belastung dem Grunde nach stellt der Kläger auch nicht in Frage (zur Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes der zumutbaren Belastung vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151).

23

FA und FG haben den Betrag der nach Abzug der zumutbaren Belastung noch berücksichtigungsfähigen Krankheitskosten --entsprechend dem bisherigen Verständnis-- unter Berücksichtigung des sich bei Überschreiten der letzten Staffel ergebenden Prozentsatzes ermittelt. Nach den Ausführungen unter II.1.c ist die zumutbare Belastung bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 51.835 € im Streitfall jedoch wie folgt zu berechnen:

        

bis 15.340 €

2 %     

306,80 € 

        
        

bis 51.130 €

3 %     

1.073,70 € 

        
        

bis 51.835 €

4 %     

   28,20 € 

        
        

zumutbare Belastung

        

1.408,70 €.

        
24

Bei Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € und einer bisher berücksichtigten zumutbaren Belastung in Höhe von 2.073 € ergeben sich somit zusätzlich zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 664 €.

25

3. Eine Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte um die von dem Kläger geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen kommt nach den gesetzlichen Regelungen nicht in Betracht.

26

Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind zwar den Sonderausgaben zugewiesen, ihrer Rechtsnatur nach sind sie aber in erster Linie vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348; vom 18. April 2012 X R 62/09, BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721). Diese Zuweisung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 14. Juni 2016  2 BvR 323/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2016, 829, Rz 55 ff.). Geht man vom Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als vorweggenommene Werbungskosten aus, entspräche deren mindernde Berücksichtigung bei der Bemessung der zumutbaren Belastung dem Gesetzeszweck des § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG. Denn das Gesetz geht, indem es als Ausgangspunkt für die Bemessung der zumutbaren Belastung den Gesamtbetrag der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 EStG wählt, davon aus, dass es einem Steuerpflichtigen nur zugemutet werden kann, aus seinen Einkünften, also dem Gewinn oder dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG), einen eigenen Anteil an außergewöhnlichen Belastungen zu tragen. Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG steht indes einer einfachrechtlichen Auslegung dahingehend, dass die Altersvorsorgeaufwendungen den Gesamtbetrag der Einkünfte als gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der zumutbaren Belastung mindern, entgegen. Denn aus diesem, insbesondere der ausdrücklichen Bezugnahme auf §§ 8 bis 9a EStG, folgt, dass in den Gesamtbetrag der Einkünfte nur Aufwendungen eingehen, die das Einkommensteuerrecht als Werbungskosten i.S. der §§ 9 f. EStG (oder als Betriebsausgaben) und nicht als Sonderausgaben qualifiziert, ohne dass es auf deren materielle Einordnung ankäme.

27

4. Entgegen der Ansicht des Klägers ist darüber hinaus eine von den geltenden Vorschriften des § 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG abweichende Ermittlung der Bezugsgröße für den Ansatz einer zumutbaren Belastung verfassungsrechtlich nicht geboten. Der erkennende Senat erachtet die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage für die außergewöhnlichen Belastungen an den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht für verfassungswidrig.

28

a) Der Gesamtbetrag der Einkünfte dient seit dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769) als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung (zur systematischen Einordnung s. Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF Heft 17, S. 162, Rz 426). Seit dem Steueränderungsvereinfachungsgesetz bestimmt sich die Bemessungsgrundlage --wie unter II.1.c cc ausgeführt-- nicht mehr nach dem um bestimmte Sonderausgaben und Spenden verminderten, sondern aus Vereinfachungsgründen nach dem ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte (BTDrucks 8/3688, S. 19). Bedenken hiergegen wurden weder von Seiten der Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 10. Januar 2003 III B 26/02, BFH/NV 2003, 616; FG Hamburg, Urteil vom 10. November 1998 III 196/97) noch von Seiten der Literatur (Stuhrmann, Deutsches Steuerrecht 1980, 487 (490); Kieschke/Höllig/Völzke, Der Betrieb 1980, 1287 (1290); Uelner, Deutsche Steuer-Zeitung 1980, 341 (345); Buob, Die Steuerberatung 1981, 49) geäußert.

29

Vorsorgeaufwendungen --insbesondere Altersvorsorgeaufwendungen-- hatten demgegenüber noch nie Einfluss auf die zumutbare Belastung (anders der Vorschlag im Gutachten der Steuerreformkommission 1971, a.a.O., S. 178 f., Rz 497 ff.).

30

b) Das BVerfG hat ebenfalls die Einschätzung des BFH geteilt, dass gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung, wie ihn § 33 Abs. 3 EStG vorsieht, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, soweit dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem Regelsatz für das Existenzminimum liegt (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1987  1 BvR 672/87, HFR 1989, 152 ). Mit Beschlüssen vom 14. März 1997  2 BvR 861/92 (Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 543) und vom 30. Mai 2005  2 BvR 923/03, nicht veröffentlicht) hat das BVerfG erneut Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den Ansatz einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG wandten, nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 704). Der III. Senat des BFH vertrat ebenfalls die Auffassung, die Anknüpfung des Gesetzes an den Gesamtbetrag der Einkünfte begegne bei dem dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraum keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss in BFH/NV 2003, 616).

31

c) Auch wenn die Literatur die Nichtberücksichtigung der Sonderausgaben, insbesondere der Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 EStG, bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung teilweise durchaus kritisch sieht (insbesondere Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 33 Rz 49; Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 260; Arndt, a.a.O., § 33 Rz D2), führen die hiergegen geäußerten Bedenken nach Ansicht des erkennenden Senats nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesamtbetrags der Einkünfte als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der zumutbaren Belastung (s.a. Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134 und 136; HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 216; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33 Rz 201; Endert in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 33 Rz 43; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 33 Rz 28; C.P. Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, Baden-Baden 2008, S. 191 f. und 212). Die Einbeziehung u.a. der Vorsorgeaufwendungen in die Ermittlung der zumutbaren Belastung mag zwar insgesamt sach- und systemgerechter sein. Der Senat sieht die Entscheidung des Gesetzgebers, an den ungekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte anzuknüpfen, jedoch als von dem diesem eingeräumten erheblichen Gestaltungsspielraum gedeckt an. Insoweit darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass der Gesetzgeber auch auf die Berücksichtigung die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen steigernder Faktoren (wie insbesondere steuerfreie oder dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte) verzichtet.

32

§ 33 EStG fungiert damit als gleichheitsgerechte und folgerichtige Ergänzung der allgemeinen Freibeträge und Sonderausgaben, soweit diese typisierungsbedingt die verfassungsrechtlichen und einkommensteuerlichen Systemvorgaben zur Steuerfreistellung des Existenzminimums noch nicht vollständig umsetzen (vgl. Amann, Standortbestimmung der außergewöhnlichen Belastungen, Stuttgart 2014, S. 107).

33

d) Die von dem Kläger insoweit gerügte Ungleichbehandlung von rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten liegt tatsächlich nicht vor, da der Anknüpfungspunkt --wie vom FG zutreffend ausgeführt-- mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte für alle Steuerpflichtigen derselbe ist.

34

aa) Eine Ungleichbehandlung folgt insbesondere nicht aus dem BVerfG-Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618). Auch insoweit führt die Vorinstanz richtig aus, dass die Entscheidung vor dem Hintergrund der komplexen Analyse der bis dato gegebenen unterschiedlichen Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten einerseits und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits zu sehen ist. Die Ausführungen des BVerfG zu den lediglich "fiktiven" Beiträgen der Beamten zu ihrer späteren Altersversorgung bedeutet jedoch auch i.S. einer Folgerichtigkeit nicht, dass nunmehr die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers aus Gleichbehandlungsgründen von seinem Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen wären. So liegt in dem "niedrigeren" Gesamtbetrag der Einkünfte eines Beamten keine unvereinbare Privilegierung.

35

bb) Im Urteil in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348 hat sich der X. Senat des BFH u.a. ausdrücklich mit der auch vom Kläger in diesem Verfahren vorgebrachten Argumentation auseinandergesetzt, die Behandlung als Sonderausgaben bewirke, dass die Altersvorsorgebeiträge bei der Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung bei den außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 EStG unberücksichtigt blieben. Der X. Senat des BFH hat dies jedoch im Gesamtzusammenhang als sachlich gerechtfertigt angesehen. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

36

Das BVerfG hat die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluss in HFR 2016, 829 nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat im Nichtannahmebeschluss in HFR 2016, 829 ausgeführt, die Zuweisung zu den Sonderausgaben durch die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bewirke keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Beamten. Zwar würden dem rentenversicherten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber abgeführten Beiträge zunächst als Lohnbestandteil zugerechnet, während die Umschichtung von (wirtschaftlichen) Beiträgen der aktiven Beamten zu Versorgungsbezügen der Pensionäre innerhalb des öffentlichen Haushalts des Dienstherrn stattfinde, indem der Dienstherr entsprechend geringere Bezüge auszahle. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei es jedoch unerheblich, ob die Leistungen zum Aufbau einer Versorgungs- oder Rentenanwartschaft den Einkünften von vornherein nicht zugerechnet würden oder ob sie als Einkünfte behandelt und als Sonderausgaben vom Einkommen abgezogen werden könnten. Das finanzielle Ergebnis sei in beiden Fällen gleich.

37

Möglicherweise entstehende mittelbare Nachteile für Arbeitnehmer bei der Abzugsfähigkeit außergewöhnlicher Belastungen durch Berechnung der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG auf der Basis des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) und nicht des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) habe der BFH zu Recht nicht isoliert, sondern im Kontext mit anderen mittelbaren, teils vorteilhaften, teils nachteiligen Folgen der Qualifikation der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben betrachtet.

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Die damit im Einklang mit der Verfassung stehende Entscheidung des Gesetzgebers, die Altersvorsorgeaufwendungen den Sonderausgaben zuzuweisen, bedingt damit zugleich deren Nichtberücksichtigung bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung (s.a. BFH-Urteil in BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, Rz 106; BVerfG-Beschluss vom 30. September 2015  2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72, Rz 41).

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e) Da es für die verfassungsrechtliche Würdigung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung ankommt, die die relevanten Normen (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Normen des Einkommensteuerrechts) bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken, und Be- und Entlastungswirkungen, die sich jenseits der einkommensteuerlichen Belastung erst aus dem Zusammenspiel mit den Normen des Besoldungs-, Versorgungs- und Sozialversicherungsrechts ergeben, außerhalb der verfassungsrechtlich maßgeblichen Vergleichsperspektive liegen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618, C.II.), geht schließlich auch die Rüge des Klägers, die beamtenrechtlichen Beihilferegelungen führten dazu, dass bei Beamten Krankheitskosten für Leistungen, die über dem sozialversicherungsrechtlichen Niveau lägen, steuerfrei berücksichtigt würden, von vornherein ins Leere - zumal das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG bereits ausdrücklich bestätigt hat (Beschluss vom 19. Februar 1991  1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395).

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5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

41

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.