Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18

bei uns veröffentlicht am16.10.2018

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 07.03.2018, der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 28.11.2016, die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 07.03.2018 und die Einspruchsentscheidungen vom 30.04.2018 werden dahin geändert, dass die Umsatzsteuer für 2009 auf 108.088,21 €, für 2010 auf 90.827,55 €, für 2011 auf 149.272,50 € und für 2012 auf 101.886,68 € festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob Umsätze im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf von Futtermitteln dem allgemeinen oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Der Kläger betreibt neben anderen Geschäftszweigen, deren umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht streitig ist, die Herstellung von und den Handel mit Futtermitteln. Mit auf LKW installierten mobilen Mahl- und Mischanlagen mahlt er auf Bauernhöfen von den Bauern bereitgestelltes Getreide. Dabei gibt er nach individuellen Vorgaben der Bauern Futteröl, Mineralfutter und/oder andere Zusatzstoffe hinzu. Zudem verkauft er Futteröl einzeln. Die Anlage saugt das Getreide aus dem Lager des Kunden an, schrotet oder quetscht es abhängig von der vom Kunden gewünschten Konsistenz des Futters und leitet es in einen Mischbehälter weiter. In dem Mischbehälter werden nach Wunsch des Auftraggebers Futteröl und/oder Mineralfutter zugegeben. Das Futteröl kommt direkt aus einem in die Anlage integrierten Tank, das Mineralfutter wird auf dem LKW in Säcken mitgeführt, die über eine Fördervorrichtung in den Mischbehälter entleert werden. Die Mischung und die Zugabe von Futteröl und/oder Mineralfutter beginnen, sobald der erste Schrot in den Mischbehälter gelangt, noch bevor das letzte Getreide gemahlen/gequetscht ist. Ist das Mahlen und Mischen abgeschlossen, gibt die Anlage das fertige Futter aus oder bläst es direkt in das Lager. Zu Beginn des Streitzeitraums verwandte der Kläger als Futteröl ein aromatisiertes Öl der Marke „X“, später wegen veränderter Kundenwünsche Rapsöl. Das Futteröl soll vorrangig den Schrot mit zusätzlichem Nährstoff (Fett) anreichern und wird daher für unterschiedliche Tierarten und Fütterungszwecke in unterschiedlichen Dosen zugegeben. Indem es den beim Mahlen entstehenden Staub bindet, erleichtert es zudem die Futteraufnahme durch das Vieh.

Am 30.08.1993 hatte der Beklagte (das Finanzamt) dem Kläger eine als solche bezeichnete verbindliche Auskunft erteilt, wonach er bei der Mischfutterherstellung eine Werklieferung erbringe, wenn die dem beigestellten Getreide zugemischten Futtermischungen schon vor dieser Beimischung unter Nr. 37 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fallen. Die verbindliche Auskunft sollte außer Kraft treten, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, geändert werden.

Für die Streitjahre 2009 bis 2012 gab der Kläger Umsatzsteuererklärungen ab. Die Umsatzsteuererklärung 2009 führte nicht zu einem Erstattungsanspruch, den Umsatzsteuererklärungen für 2009 bis 2012 stimmte das Finanzamt zu. In den Erklärungen ermittelte er für 2009 eine Umsatzsteuer von 108.294,28 €, für 2010 eine Umsatzsteuer von 90.827,61 €, für 2011 eine Umsatzsteuer von 148.673,32 € und für 2012 eine Umsatzsteuer von 105.229,42 €. Dabei berücksichtigte er die Mahl- und Mischtätigkeit und den Futtermittelhandel wie folgt (jeweils Nettobeträge):

2009

2010

2011

2012

Umsätze 19%

Schroten-Quetschen-Mischen

877.163,68 €

913.515,97 €

811.124,52 €

791.508,56 €

Sojaöl Verkauf

1.502,89 €

8.306,97 €

10.571,22 €

4.372,13 €

Insgesamt

878.666,57 €

921.822,94 €

821.695,74 €

795.880,69 €

Umsätze 7%

Futteröl Verkauf

493.144,45 €

260.695,53 €

350.619,25 €

372.120,14 €

Mineralfutter

25.763,24 €

24.531,63 €

22.684,80 €

22.763,92 €

Futterlieferung

7.120,13 €

278.918,33 €

323.976,71 €

304.237,46 €

Insgesamt

526.027,82 €

564.145,49 €

697.280,76 €

699.121,52 €

Vom 20.10.2014 bis 26.11.2015 führte das Finanzamt beim Kläger eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Der Kläger gewährte zwar Zugriff auf seine EDV-Finanzbuchhaltung, legte aber keine Belege vor. In der Folge erließ das Finanzamt am 29.12.2015 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009 und am 09.08.2016 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2012. Dabei ging es davon aus, dass das Mahlen und Mischen von Getreide unter Zugabe von Futteröl, Mineralfutter und/oder anderen Zusatzstoffen eine einheitliche Leistung sei, die dem allgemeinen Steuersatz unterliege. Es stellte deswegen die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz für 2009 um 281.595,52 €, für 2010 um 305.449,96 €, für 2011 um 381.661,51 € und für 2012 um 327.001,38 € niedriger fest. Diese Beträge entsprachen jeweils der Summe der vom Kläger gebuchten Umsätze mit Futterlieferungen und Mineralfutter, in den Jahren 2009 bis 2011 zuzüglich eines Teilbetrags der als Futterölverkauf gebuchten Umsätze. Zugleich erhöhte es die Umsätze zum allgemeinen Steuersatz für 2009 um 249.861,52 €, für 2010 um 274.648,28 €, für 2011 um 343.174,64 € und für 2012 um 294.026,45 €. Daneben nahm es weitere, nicht oder nicht mehr strittige Korrekturen vor. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer 2009 mit 136.056,15 €, die Umsatzsteuer 2010 mit 121.629,23 €, die Umsatzsteuer 2011 mit 187.160,04 € und die Umsatzsteuer 2012 mit 172.930,61 € fest.

In dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 29.12.2015 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2010 bis 2012 vom 09.08.2016 blieb der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen. Den Vorbehalt der Nachprüfung für 2010 hob das Finanzamt mit Umsatzsteuerbescheid vom 28.11.2016 auf. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Schreiben vom 23.06.2017 legte der Kläger zudem „Einspruch“ gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 vom 09.08.2016 ein. Das Finanzamt erließ am 07.03.2018 für 2009, 2011 und 2012 aus nicht strittigen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die Umsatzsteuer 2009 mit 135.850,21 €, die Umsatzsteuer 2011 mit 187.759,38 € und die Umsatzsteuer 2012 mit 134.861,61 € festsetzte. Dabei ging es unter anderem davon aus, dass der reine Verkauf von Rapsöl dem ermäßigten Steuersatz unterliege. In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für 2011 und 2012 vom 07.03.2018 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Gegen diese Bescheide legte der Kläger abermals Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidungen vom 30.04.2018 wies das Finanzamt die Einsprüche zurück.

Der Kläger erhob daraufhin Klage. Nach seiner Auffassung sind das Mahlen und Mischen einerseits, die Zugabe von Futteröl und Mineralfutter andererseits jeweils eigenständig zu beurteilen, wobei die Zugabe dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Selbst wenn Mahlen, Mischen und Zugabe eine einheitliche Leistung sein und einem einheitlichen Steuersatz unterliegen sollten, wäre nach Auffassung des Klägers der ermäßigte Steuersatz anzuwenden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 07.03.2018, den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 28.11.2016, die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 07.03.2018 und die Einspruchsentscheidungen vom 30.04.2018 zu ändern und die Umsatzsteuer für 2009 auf 108.088,21 €, für 2010 auf 90.827,55 €, für 2011 auf 149.272,50 € und für 2012 auf 101.886,68 € festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist der Auffassung, die Beimischung von Mineralfutter und Futteröl könne nur dann zu der Annahme einer Lieferung und zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führen, wenn sie wesensbestimmend sei. Dies setze voraus, dass der Wert des bei dem einzelnen Mahl- und Mischvorgang beigefügten Mineralfutters und des Futteröls, soweit es nicht lediglich den Mahlvorgang erleichtern solle, den Wert der jeweiligen Mahl- und Mischleistung übersteige. Da der Kläger keine Belege vorgelegt habe, seien dazu keine Feststellungen möglich gewesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Steuerbescheide verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Mahlt und mischt ein Unternehmer von Bauern bereitgestelltes Getreide und gibt dabei nach Wunsch des Kunden von ihm selbst beschafftes Futteröl zur Nährstoffanreicherung und/oder Mineralfutter hinzu, erbringt er keine einheitliche Leistung, sondern zwei getrennte Leistungen, von denen die Lieferung von Futteröl und/oder Mineralfutter dem ermäßigten Steuersatz unterliegen kann. Auf die dem Kläger erteilte verbindliche Auskunft kommt es daher nicht mehr an.

1. Alle angefochtenen Steuerfestsetzungen sind inhaltlich voll überprüfbar. Dies gilt auch für die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 07.03.2018, da die vorangegangenen Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 09.08.2016 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (vgl. BFH-Beschluss vom 11.03.1999 V B 24/99, BFHE 188, 128, BStBl. II 1999, 335, unter II.1.a.; BFH-Urteil vom 16.01.2013 II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl. II 2014, 266, Rz 15).

2. Die Steuer beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19% der Bemessungsgrundlage. Sie ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf 7% für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nr. 49 Buchstabe f, den Nrn. 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Nach Nr. 26 Buchst. d der Anlage 2 sind genießbare fette pflanzliche Öle, nach Nr. 37 der Anlage 2 ist unter anderem zubereitetes Futter dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Gegenstände.

Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.

3. Unionsrechtliche Grundlage dafür sind die Art. 96, 98, 14 und 24 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sowie die Anlage III zur MwStSystRL.

Die Mitgliedstaaten wenden nach Art. 96 MwStSystRL einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Die ermäßigten Steuersätze sind nach Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III zur MwStSystRL genannten Kategorien anwendbar. Zu diesen Gegenständen gehören nach Nr. 1 des Anhangs III zur MwStSystRL Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse.

Als Lieferung von Gegenständen gilt nach Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Als Dienstleistung gilt nach Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.

4. Der Kläger erbringt keine einheitliche Leistung, sondern zwei eigenständige Leistungen, die unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Das Mahlen und Mischen ist eine sonstige Leistung, die Zugabe von Futteröl und Mineralfutter eine Lieferung.

a) Zunächst ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (zum Ganzen BFH-Urteil vom 10.01.2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl. II 2013, 352, Rz 18, 20, 21, m.w.N. aus der Rspr. des EuGH; zuvor bereits BFH-Urteil vom 25.06.2009 V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl. II 2010, 239, unter II.2.b.). Unterliegt nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen einer einheitlichen komplexen Leistung dem ermäßigten Steuersatz, kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewandt werden (BFH-Urteil vom 13.06.2018 XI R 2/16, zur Veröffentlichung in BFHE vorgesehen, DStR 2018, 1919, Rz 14, m.w.N.).

b) Im Streitfall ist weder die Zugabe von Futteröl noch die Zugabe von Mineralfutter eine Nebenleistung zum Mahlen. Sie bildet mit dem Mahlen auch keinen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

aa) Weder die Zugabe von Futteröl noch die Zugabe von Mineralfutter dienen allein dazu, das Mahlen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dies wäre namentlich dann der Fall, wenn die Zugabe des Futteröls ausschließlich oder vorrangig dazu diente, den beim Mahlen oder Quetschen entstehenden Staub zu binden und dadurch das Mahlen oder Quetschen zu erleichtern (vgl. FG München, Urteil vom 06.07.2016 3 K 1211/13, EFG 2016, 1654, Rz 26 f.). So verhält es sich im Streitfall aber gerade nicht. Nach den für den Senat überzeugenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sollten das zunächst verwendete Öl der Marke „X“ und das später verwendete Rapsöl gleichermaßen vor allem den Nährstoffgehalt des Endprodukts erhöhen. Die Staubbindung ist nach diesen Angaben lediglich ein Nebeneffekt, der zudem vorrangig die spätere Eignung als Futtermittel betrifft, nicht den Mahl- oder Quetschvorgang als solchen. Dies liegt schon deswegen nahe, weil der Kläger das Öl erst in einem weiteren Arbeitsschritt nach dem Mahlen oder Quetschen zugibt, nicht schon davor oder währenddessen. Auch das Finanzamt trat der Darstellung des Klägers nicht entgegen. Die Darstellung des Klägers wird zusätzlich bestätigt durch eine Produktinformation des Herstellers des „X“-Öls (Bl. 72 der RB-Akte), die den Nährstoffgehalt und eine die Futteraufnahme anregende Aromatisierung des Öls hervorhebt und eine nach dem Fütterungszweck abgestufte Dosierung empfiehlt. Sollte das Futteröl lediglich den Mahlvorgang fördern, wäre eine einheitliche Dosierung in Abhängigkeit von der Schrotmenge zu erwarten. Inwiefern das Mineralfutter den Mahlvorgang fördern könnte, ist ohnehin nicht ersichtlich.

bb) Das Mahlen und die Zugabe der Zusatzstoffe bilden auch keinen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

(1) Allein der Umstand, dass die einzelnen Bestandteile einer Leistung im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht werden, rechtfertigt keine Aufspaltung, wenn es dem durchschnittlichen Leistungsempfänger gerade um die Verbindung beider Elemente geht (BFH-Urteile in BFHE 240, 380, BStBl. II 2013, 352, Rz 28, 36; in DStR 2018, 1919, Rz 6 f.). Treffen eine Lieferung und eine sonstige Leistung zusammen, ist das Verhältnis zwischen dem Preis des Gegenstands und dem der sonstigen Leistung zwar nicht allein ausschlaggebend für die Frage, ob zwei getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung; es ist aber eine objektive Gegebenheit, die einen Anhaltspunkt für die Beurteilung geben kann (BFH-Urteil in BFHE 226, 407, BStBl. II 2010, 239, unter II.2.c.cc. und dd.).

(2) Hiervon ausgehend, ist im Streitfall eine Aufspaltung in zwei getrennte Leistungen möglich und geboten.

Das Mahlen und Mischen von Schrot und der Verkauf von Futtermitteln werden nicht nur im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht, nicht zuletzt vom Kläger selbst. Auch unter den konkreten Umständen des Streitfalls lassen sich mit dem Schroten/Quetschen, der Zugabe von Futteröl und/oder Mineralfutter und dem Mischen mehrere aufeinander folgende Einzelschritte abgrenzen, von denen das Schroten/Quetschen und das Mischen eine sonstige Leistung, die Zugabe von Futteröl und/oder Mineralfutter zum Schrot eine Lieferung sind. Dass diese Prozesse teilweise nebeneinander laufen, dient lediglich der Zeitersparnis.

Die Zugabe von Futteröl und/oder Mineralstoffen beruht insbesondere nicht auf einem vom Kläger im Voraus getroffenen Arrangement, sondern auf den individuellen Vorgaben der Leistungsempfänger. Die Leistungsempfänger lassen das Futter für ihre Tiere nach eigenen Vorstellungen mischen und können selbst entscheiden, in welchem Umfang sie Dienstleistung und Lieferung in Anspruch nehmen, ohne dabei auf Sachkunde des Klägers zurückzugreifen. Die Dienstleistung des Klägers ist weitgehend standardisiert und nicht auf die konkrete Zusammensetzung des Futters abgestimmt.

Insofern beziehen die Leistungsempfänger des Klägers zwar ein Produkt, für dessen Herstellung mehrere nacheinander erbrachte Leistungen aufeinander aufbauen. Es geht ihnen aber nicht gerade um die Verbindung dieser Leistungen, da die Verbindung der Einzelleistungen keine über die Summe der Einzelleistungen hinausgehenden Mehrwert bringt. Der Sachverhalt im Streitfall unterscheidet sich insofern von Dinner-Shows, deren besonderer Erlebniswert sich erst aus der Kombination von im Rahmen eines festen Arrangements aufeinander abgestimmten künstlerischen und kulinarischen Elementen ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 240, 380, BStBl. II 2013, 352, Rz 28, 36; in DStR 2018, 1919, Rz 6 f.), sondern ist den Fällen der Lieferung von Saatgut und dessen Einsaat (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.2002 V R 5/02, BFHE 200, 135, BStBl. II 2004, 470) und des Einpflanzens gelieferter Pflanzen (vgl. BFH-Urteil in V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl. II 2010, 239) vergleichbar, in denen die Leistungsempfänger die Einzelleistungen frei kombinieren konnten (siehe auch BFH-Urteil in in DStR 2018, 1919, Rz 7 am Ende) und in denen aus der Verbindung beider Leistungen kein besonderer Mehrwert folgte.

(3) Für die Annahme zweier getrennter Leistungen spricht unter den Umständen des Streitfalls insbesondere der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem soll nach Erwägungsgrund 7 der MwStSystRL eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb des Gebiets der einzelnen Mitgliedstaaten ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer lässt es insbesondere nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (z.B., EuGH-Urteil vom 14.06.2017 C-38/16 Compass Contract Services, HFR 2017, 778, Rz 21; BFH-Urteil in DStR 2018, 1919, Rz 17). Der Erwägungsgrund 7 erfasst das ganze Mehrwertsteuerrecht. Die Neutralität der Mehrwertsteuer ist daher nicht nur bei der Entscheidung zu beachten, welchem Steuersatz eine einheitliche Leistung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in DStR 2018, 1919, Rz 19), sondern schon bei der Entscheidung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt (so auch Wagner in FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland, 2018, 293 -318-).

Im Streitfall erfährt der Neutralitätsgrundsatz durch die Art der streitigen Leistungen einerseits, die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Leistungsempfänger andererseits eine besondere Ausprägung. Die streitigen Leistungen des Klägers richten sich ihrer Art nach typischerweise ausschließlich an Landwirte. Sie sind üblicherweise weder für Endverbraucher noch für andere Unternehmer von Interesse. Die Landwirte unterliegen großteils der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, die unionsrechtlich auf Art. 295 ff. MwStSystRL beruht. Der Vorsteuerabzug für diese Landwirte ist daher von der tatsächlich angefallenen Vorsteuer unabhängig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG, Art. 302 MwStSystRL), so dass die Vorsteuer wirtschaftliche eine Definitivbelastung ist und die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung gleichartiger Eingangsleistungen gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen kann.

Unterliegen - wie im Streitfall - die einzelnen Bestandteile eines Leistungsbündels für sich genommen jeweils unterschiedlichen Steuersätzen, würde die Annahme einer einheitlichen Leistung und damit eines einheitlichen Steuersatzes insgesamt immer zu einer abweichenden Steuerbelastung führen. Sie wäre daher nur zulässig, wenn Unternehmer, die das gesamte Leistungsbündel erbringen, und Unternehmer, die lediglich einzelne Leistungen erbringen, nicht miteinander im Wettbewerb stehen. So verhält es sich im Streitfall aber gerade nicht. Die Leistungsempfänger des Klägers wären gerade nicht gehindert, statt des Leistungsbündels lediglich einzelne Leistungen des Klägers in Anspruch zu nehmen.

(4) Das Verhältnis der Preise für das Schroten/Quetschen einerseits, Futteröl und/oder Mineralfutter andererseits steht vor diesem Hintergrund der Annahme zweier eigenständiger Leistungen nicht entgegen. Dieses Verhältnis hängt von der konkreten Dosierung von Futteröl und Mineralfutter im Einzelfall ab. Aus der Stichprobe der vom Kläger vorgelegten Ausgangsrechnungen ergibt sich, dass der auf Futteröl und/oder Mineralfutter entfallende Entgeltanteil insbesondere in den Fällen, in denen der Kläger nur Futteröl, nicht aber Mineralfutter zusetzt, überwiegend unter 50%, zumeist aber deutlich über 10% liegt und daher typischerweise nicht völlig unerheblich ist. Einen starren Grenzwert hält der Senat insofern für nicht sachgerecht. Das Verhältnis der Entgeltbestandteile könnte dann alleine den Ausschlag geben, was es gerade nicht tun soll. Zudem könnten sich im Umfeld eines solchen Grenzwerts steuerliche Fehlanreize ergeben, wenn eine höhere Dosierung von Futteröl und Mineralfutter zu einer niedrigeren Besteuerung führen könnte.

5. Die Lieferung sowohl von „X“ als auch von Rapsöl unterliegt, ebenso wie die Lieferung von Mineralfutter, dem ermäßigten Steuersatz. Das „X“ fällt unter Nr. 37 der Anlage 2 zum UStG (Position 2309 des Zolltarifs), wie sich insbesondere aus der vom Finanzamt eingeholten Zolltarifauskunft (RB-Akte Bl. 97) ergibt, das Rapsöl unter Nr. 26 Buchst. d der Anlage 2 (Position 1514 des Zolltarifs). Davon ging auch das Finanzamt bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 2012 vom 07.03.2018 zu Recht aus (vgl. RB-Akte Bl. 53, 114). Allein die beabsichtigte Verwendung für Futterzwecke und die Aufbewahrung in einem Futtermittelbetrieb stehen der Genießbarkeit im Sinne der Nr. 26 der Anlage 2 nicht entgegen, wenn es - wie im Streitfall - keine weiteren Anhaltspunkte für Ungenießbarkeit gibt (BFH-Urteil vom 07.07.2015 VII R 65/13, BFH/NV 2015, 1605, Rz 11 ff.).

6. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 12 Steuersätze


(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). (2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:1.die Lieferungen, die Einfuhr u

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 24 Durchschnittssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe


(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sä

Referenzen - Urteile

Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Finanzgericht Nürnberg Urteil, 16. Okt. 2018 - 2 K 703/18 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht München Urteil, 06. Juli 2016 - 3 K 1211/13

bei uns veröffentlicht am 06.07.2016

Gründe Finanzgericht München Az.: 3 K 1211/13 IM NAMEN DES VOLKES Urteil In der Streitsache … Kläger prozessbevollmächtigt:

Bundesfinanzhof Urteil, 13. Juni 2018 - XI R 2/16

bei uns veröffentlicht am 13.06.2018

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts XXX vom XX.XXXXXXXXXXXXX 2015  X K XXXX/XX aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 07. Juli 2015 - VII R 65/13

bei uns veröffentlicht am 07.07.2015

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 4. Dezember 2012  2 K 1568/10 aufgehoben und die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007, jeweils in Gestalt de

Bundesfinanzhof Urteil, 16. Jan. 2013 - II R 66/11

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG. Ihre Komplementär-GmbH ist nicht an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligt. Komman

Bundesfinanzhof Urteil, 10. Jan. 2013 - V R 31/10

bei uns veröffentlicht am 10.01.2013

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob die Umsätze aus der Veranstaltung einer "Dinner-Show" als einheitliche Leistung anzusehen sind und dem Regelsteuersatz unterliegen.

Referenzen

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH und Co. KG. Ihre Komplementär-GmbH ist nicht an ihrem Gesellschaftsvermögen beteiligt. Kommanditisten waren zunächst J und B. Die Geschäftsleitung der Klägerin befand sich im Bezirk des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--).

2

Die Klägerin kaufte im August 2004 außerhalb des Bezirks des FA liegende Grundstücke. Der Eigentumsübergang wurde im Juli 2005 im Grundbuch eingetragen.

3

J trat seinen Kommanditanteil mit Wirkung zum 15. Oktober 2005 an die Ehefrau (E) des B ab. B trat seinen Kommanditanteil am 29. März 2006 ebenfalls an E ab. Nach dem Treuhandvertrag vom 27. März 2006 sollte E diesen Kommanditanteil treuhänderisch für B halten und die Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis im Auftrag, für Rechnung und entsprechend den Weisungen des B wahrnehmen.

4

Das FA erließ am 3. Januar 2007 gegenüber der Klägerin einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) stehenden Feststellungsbescheid gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), durch den es feststellte, dass durch die am 15. Oktober 2005 und 29. März 2006 erfolgten Wechsel der Kommanditisten bei der Klägerin ein vollständiger Gesellschafterwechsel stattgefunden habe und somit der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden sei. Die Grunderwerbsteuer sei allerdings wegen der zwischen E und B bestehenden Ehe gemäß § 6 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe von 50 % nicht zu erheben. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

5

Mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2009 führte das FA aus, dass die Grunderwerbsteuer in voller Höhe zu erheben sei, und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch mit dem Ziel einer Aufhebung der Feststellungsbescheide und der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage durch das in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2011, 169 wiedergegebene Urteil insoweit statt, als es den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 dahingehend änderte, dass als der Besteuerung zu Grunde zu legende Werte für den Erwerb der Grundstücke jeweils 50 % des Wertes gemäß § 138 des Bewertungsgesetzes festgestellt werden, und wies die Klage im Übrigen ab.

7

Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin habe den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 wegen des im ursprünglichen Bescheid angeordneten Vorbehalts der Nachprüfung zwar in vollem Umfang anfechten können. Das FA habe aber zu Recht angenommen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht worden sei und die in § 17 GrEStG bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme der Grundstückswerte erfüllt seien. Dem stünden weder das zwischen B und E vereinbarte Treuhandverhältnis noch die zwischen ihnen bestehende Ehe entgegen. Der Feststellungsbescheid sei lediglich insoweit rechtswidrig, als er die volle Erhebung der Grunderwerbsteuer vorsehe. Die Grunderwerbsteuer sei gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe von 50 % nicht zu erheben.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs. 2a GrEStG. Ein zivilrechtlicher Gesellschafterwechsel, bei dem sich der bisherige Gesellschafter die Treugeberstellung vorbehalte, stelle keinen Gesellschafterwechsel im Sinn dieser Vorschrift dar. Zum gleichen Ergebnis führe die nach ihrer Ansicht bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zwischen Ehegatten gebotene entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 22. März 2010 und die ergangenen Feststellungsbescheide aufzuheben.

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

11

Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 20. Dezember 2012 erklärte das FA den "Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.02.2009 in Gestalt des Finanzgerichtsurteils vom 07.01.2011 - AZ 3 K 60/10" gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG17 Abs. 3a GrEStG) zu bemessen ist.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). An die Stelle des angefochtenen Feststellungsbescheids vom 9. Februar 2009, über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 20. Dezember 2012 getreten. Der Bescheid vom 20. Dezember 2012 ist nach dem Gesamtzusammenhang, insbesondere aufgrund der Bezugnahme auf die Vorentscheidung, so zu verstehen, dass er entgegen seinem Wortlaut nicht einen Grunderwerbsteuerbescheid, sondern den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 ändert. Der Änderungsbescheid ist nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205, unter II.1.a). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147 Rz 23, und vom 28. Juni 2012 III R 86/09, BFHE 238, 68 Rz 8, je m.w.N.).

13

Dies ändert aber nichts daran, dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des BFH bilden; da das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet, fallen die Feststellungen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nämlich nicht weg (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1147 Rz 23, und in BFHE 238, 68 Rz 9, je m.w.N.).

III.

14

Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist insoweit begründet, als abweichend vom Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 der Besteuerung nur die Hälfte der für die erworbenen Grundstücke festgestellten Grundstückswerte zugrunde zu legen ist.

15

1. Die Klägerin kann den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 in vollem Umfang anfechten. Die in § 351 Abs. 1 AO, § 42 FGO für Änderungsbescheide vorgesehene Anfechtungsbeschränkung greift nicht ein, wenn ein Bescheid angefochten wird, durch den ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid geändert wurde (BFH-Beschluss vom 11. März 1999 V B 24/99, BFHE 188, 128, BStBl II 1999, 335).

16

2. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile des J und des B auf die E erfüllt.

17

a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

18

Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht (BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 II R 57/09, BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917). Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle. So steht es der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG auf der Tatbestandsebene nicht entgegen, wenn eine bloße Verlängerung der Beteiligungskette vorliegt, also ein Gesellschafter der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft seine Beteiligung an dieser auf eine 100-prozentige Tochtergesellschaft überträgt. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Tochtergesellschaft zivilrechtlich selbst Gesellschafterin der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft wird (BFH-Urteil in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917).

19

Demgemäß liegt ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auch dann vor, wenn ein Gesellschafter der Personengesellschaft seine Gesellschaftsbeteiligung auf einen neuen Gesellschafter überträgt und dieser Gesellschafter die Beteiligung als Treuhänder für den früheren Gesellschafter als Treugeber hält (BFH-Beschluss vom 17. März 2006 II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 113; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 858). Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass der Erwerber der Beteiligung zivilrechtlich Gesellschafter wird. Die im Verhältnis zum Treugeber bestehenden Verpflichtungen des Treuhänders spielen insoweit keine Rolle.

20

b) Ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist auch dann gegeben, wenn ein Gesellschafter der Personengesellschaft seine Gesellschaftsbeteiligung auf seinen Ehegatten überträgt. Die Ehe führt lediglich dazu, dass die Grunderwerbsteuer entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils der Ehegatten am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft nicht zu erheben ist (Hofmann, a.a.O., § 1 Rz 129; Meßbacher-Hönsch in Boruttau, a.a.O., § 3 Rz 358).

21

Aus dem von der Klägerin angeführten § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG ergibt sich nicht, dass die Übertragung der Beteiligung eines Gesellschafters an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft auf seinen Ehegatten bei der Ermittlung des in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vorgesehenen Vom-Hundert-Satzes außer Betracht bleiben müsse. § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG betrifft nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut nur den Erwerb von Anteilen von Todes wegen, nicht aber eine Anteilsübertragung unter Lebenden, und zwar unabhängig davon, zwischen welchen Personen und auf welcher Grundlage die Übertragung erfolgt (Hofmann, a.a.O., § 1 Rz 122; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 895; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 311). Da diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG dem Regelungsplan des Gesetzgebers entspricht, scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf andere Fallgruppen wie etwa die unter Lebenden erfolgende Übertragung von Gesellschaftsanteilen zwischen Ehegatten aus.

22

c) Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde somit durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile des J und des B auf die E erfüllt. Dadurch sind 100 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf eine neue Gesellschafterin übergegangen. Dem steht weder das zwischen B und E vereinbarte Treuhandverhältnis noch die Ehe zwischen ihnen entgegen.

23

d) Dass B und E Eheleute sind, führt allerdings dazu, dass die Grunderwerbsteuer entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 3 Nr. 4 GrEStG in Höhe des Anteils am Gesellschaftsvermögen der Klägerin, den B auf E übertragen hat, nicht zu erheben ist. Der Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Dezember 2012 ist entsprechend zu ändern. Der Änderungsbescheid kann nicht so verstanden werden, dass bereits das FA den Feststellungsbescheid vom 9. Februar 2009 auch insoweit geändert hat. Das FA hat vielmehr ersichtlich angenommen, dass eine entsprechende Änderung des Bescheids vom 9. Februar 2009 durch die Vorentscheidung erfolgt sei und Bestand haben werde, so dass eine Änderung durch das FA nicht erforderlich sei.

24

3. Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass die Voraussetzungen für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a GrEStG durch das FA, in dem sich die Geschäftsleitung der Klägerin befindet, erfüllt sind; denn der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG betrifft Grundstücke, die außerhalb des Bezirks des FA liegen.

(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Umsätze aus der Veranstaltung einer "Dinner-Show" als einheitliche Leistung anzusehen sind und dem Regelsteuersatz unterliegen.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Hotel. In einem vor dem Hotelgebäude aufgebauten Zelt veranstaltete sie in den Streitjahren 2004 und 2005 eine "Dinner-Show". Die Eintrittskarten kosteten zwischen 93 € und 109 € und umfassten eine Varieté- und Theatershow, ein Menü mit vier Gängen und die Garderobe. Getränke wurden gesondert berechnet. Während der Veranstaltung saßen die Gäste nicht in Stuhlreihen, sondern an Tischen. Vor und zwischen den musikalischen und künstlerischen Darbietungen wurden die einzelnen Gänge und Getränke serviert und abgeräumt. Zur Unterhaltung während des Essens fand als "Nebenprogramm" eine musikalische Begleitung statt. Die Gesamtdauer der Veranstaltung betrug vier Stunden. Davon entfielen circa eineinhalb Stunden auf das Menü.

3

Die Klägerin ging davon aus, dass sie mit der Veranstaltung der "Dinner-Show" zwei selbständige Leistungen erbringe: Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen (Menü) und solche, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (Varieté). Als Entgelt für die regelbesteuerte Leistung, das Menü, legte sie einen Betrag von 15 € zugrunde, den Restbetrag unterwarf die Klägerin dem ermäßigten Steuersatz.

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass die kulinarischen und künstlerischen Elemente der "Dinner-Show" zwar gleichwertig nebeneinander ständen, aber aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein "Kombinationserlebnis" im Vordergrund stehe. Es handele sich somit um eine einheitliche Leistung, die in voller Höhe dem Regelsteuersatz unterliege. In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre vom 19. März 2009 erhöhte das FA dementsprechend die auf die Umsätze aus der "Dinner-Show" entfallende Umsatzsteuer für 2004 um 63.798,90 € und für 2005 um 43.265,05 €. Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb insoweit ohne Erfolg.

5

Die aus Gründen, die nicht den streitigen Sachverhalt betreffen, geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 7. April 2010 waren Gegenstand des Klageverfahrens.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1839 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass das FA die Umsätze zu Unrecht insgesamt dem Regelsteuersatz unterworfen habe. Die Leistungen der Klägerin seien nicht als einheitliche sonstige Leistung zu beurteilen.

7

Der wirtschaftliche Gehalt der Leistungen bestehe in einer Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente eines sog. Spiegelzeltes. Die künstlerischen und kulinarischen Leistungen seien aufeinander abgestimmt, miteinander verbunden und griffen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Angesichts der Höhe des Eintrittspreises sei davon auszugehen, dass die Veranstaltungen vom Durchschnittsverbraucher nicht ausschließlich wegen der Varieté- und Theatershow oder ausschließlich wegen des Menüs besucht würden. Gerade die Kombination, durch die eine "Dinner-Show" als etwas eigenständiges "Drittes" geschaffen werde, präge den Charakter der Veranstaltungen und stelle den besonderen Anreiz für die Besucher dar. Der Umstand, dass die Leistungen in einem "Paket" in Anspruch genommen werden könnten, führe nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung. Die einzelnen künstlerischen und kulinarischen Bausteine hätten jeweils einen eigenständigen Wert für den Gast und träten nicht hinter einer Gesamtleistung zurück. Beide Leistungen könnten im Wirtschaftsleben ohne weiteres voneinander getrennt werden. Den Besuchern komme es bei lebensnaher Betrachtung nicht allein auf die künstlerischen Darbietungen an. Gleichermaßen wichtig sei die Möglichkeit zum Genuss der einzelnen Gänge eines von der Küche eines 5-Sterne-Hotels kreierten Menüs. Beide Leistungen kämen nicht üblicherweise "im Gefolge" der jeweils anderen Leistung vor. Da die künstlerischen Darbietungen die Höhe des pauschalen Eintrittspreises wesentlich mitbestimmen würden und das Menü ebenfalls nicht ohne spürbare Auswirkung auf den Eintrittspreis bleibe, könnten beide Leistungen keine reinen Nebenleistungen sein. Vielmehr stünden künstlerische und kulinarische Leistungen in einem gleichgeordneten Verhältnis.

8

Für die Berechnung des auf die ermäßigt zu besteuernde künstlerische Leistung bezogenen Teils des Gesamtpreises sei von einem durchschnittlichen Gesamtpreis pro Eintrittskarte von 100 € brutto und einem durchschnittlichen Menüpreis von 40 € brutto auszugehen. Da die Klägerin bereits 15 € brutto des auf die Restaurationsleistungen entfallenden Anteils von 40 € dem Regelsteuersatz unterworfen habe, seien die noch streitigen Umsätze im Verhältnis 25/85 (Regelsteuersatz) und 60/85 (ermäßigter Steuersatz) aufzuteilen.

9

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend.

10

Es ist der Auffassung, dass es sich um eine einheitliche, nicht teilbare Leistung handele, die nicht ermäßigt zu besteuern sei. Erhebliche Gesichtspunkte seien der einheitliche Eintrittspreis und die einheitliche Vertragsgrundlage. Hinzu komme, dass die Leistungskomponenten nur einheitlich in Anspruch genommen werden könnten und aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers untrennbar verbunden seien. Es bestehe kein bloßes Nebeneinander von im Paket angebotenen Leistungen. Durch die Kombination werde --wie auch das FG festgestellt habe-- etwas selbständiges "Drittes" geschaffen.

11

Dass abstrakt betrachtet ein Menü und eine Varietédarbietung auch gesondert angeboten und in Anspruch genommen werden könnten, spiele für die Beurteilung des konkreten Umsatzes keine Rolle. Der besondere Wert der "Dinner-Show" liege gerade in der Kombination. Eine Aufspaltung wäre künstlich und widerspräche der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit. Sie wäre auch mit praktischen Schwierigkeiten verbunden, da unklar sei, welcher Aufteilungsmaßstab zu wählen wäre.

12

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Die Verbindung von Restauration mit Varieté gebe im vorliegenden Fall der jeweiligen anderen Leistung kein anderes Gepräge und führe nicht unter Auflösung der Einzelleistungen zu einer anderen Leistung eigener Art. Insbesondere dienten die Einzelleistungen durch ihre Kombination nicht einem weiteren, dem wirtschaftlichen Ziel der jeweiligen Einzelleistungen entrückten, einheitlichen Leistungsziel. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Verkauf von Getränken im Rahmen der "Dinner-Show" als eigenständige Leistung beurteilt worden sei. Dies lasse darauf schließen, dass auch die streitgegenständlichen Leistungskomponenten (künstlerische Leistung, Restauration) grundsätzlich wirtschaftlich trennbar seien. Der Bundesfinanzhof (BFH) sei zudem an die Würdigung durch das FG, die weder widersprüchlich sei noch gegen Denkgesetze verstoße, gebunden. Auch bei Schaffung eines eigenständigen Werts könnten die Einzelleistungen ihre eigenständige Bedeutung behalten. Die Kombination der beiden Elemente wirke nicht prägend. Selbst wenn man von einer Einheitlichkeit ausgehe, stehe das Showelement im Vordergrund, so dass dann die gesamte Leistung dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Das Verpflegungselement könne der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf das Showelement nicht entgegenstehen. Zur Klärung der Rechtsfrage, ob die im Rahmen einer "Dinner-Show" erbrachten Leistungen als eine einheitliche oder als selbständige Leistungen anzusehen seien, werde die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angeregt.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG geht zu Unrecht davon aus, dass die im Rahmen der "Dinner-Show" erbrachten künstlerischen Leistungen als selbständige Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a der in den Streitjahren gültigen Fassung des Umsatzsteuergesetzes 1999 bzw. 2005 (UStG) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

16

1. Die Klägerin erbrachte mit der Veranstaltung der "Dinner-Shows" eine einheitliche, insgesamt dem Regelsteuersatz unterfallende sonstige Leistung.

17

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, gelten für die Frage, ob mehrere Tätigkeiten steuerrechtlich zu nur einem Umsatz oder mehreren eigenständigen Umsätzen führen, folgende Grundsätze (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2010 V R 9/10, BFHE 231, 360, BStBl II 2011, 360, m.w.N.):

18

aa) Zunächst ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.

19

bb) Einen einheitlichen Umsatz hat der EuGH für zwei Fallgruppen bejaht.

20

(1) Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. März 2011 C-497/09, Bog u.a., Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 272 Rdnr. 54, m.w.N.).

21

(2) Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z.B. EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 53, m.w.N.; EuGH-Beschluss vom 19. Januar 2012 C-117/11, Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 674 Rdnr. 29; EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank AG, Der Betrieb --DB-- 2012, 1662 Rdnr. 21).

22

So ist der EuGH z.B. in folgenden Fällen von einem einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang ausgegangen:

23

- Erwerb einer Software, die in diesem Zustand für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers nutzlos ist, und nachfolgende Anpassungen, die die Software erst nützlich werden lassen, wenn der wirtschaftliche Zweck darin besteht, eine speziell an die Bedürfnisse des Leistungsempfängers angepasste einsatzfähige Software zu erhalten (EuGH-Urteil vom 27. Oktober 2005 C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnr. 24),

24

- Erwerb eines Glasfaserkabels und die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen, die zur Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen Kabels erforderlich und hiermit eng miteinander verbunden sind (EuGH-Urteil vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnr. 25),

25

- Erwerb eines alten Gebäudes mit dem dazugehörigen Grund und Boden, der in diesem Zustand ohne jeden Nutzen für die wirtschaftliche Tätigkeit des Leistungsempfängers ist, und den Leistungen in Bezug auf den Abriss der Gebäude, die allein geeignet sind, dem Grundstück einen wirtschaftlichen Nutzen zu verleihen (EuGH-Urteil vom 19. November 2009 C-461/08, Don Bosco, Slg. 2009, I-11079, BFH/NV 2010, 144 Rdnr. 38),

26

- Parken eines PKWs auf einem außerhalb eines Flugplatzgeländes gelegenen Parkplatzes und die Beförderung der Insassen dieses PKWs zwischen dem Parkplatz und dem Flughafenterminal (EuGH-Beschluss Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd. in HFR 2012, 674, Leitsatz),

27

- Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf vollzieht (EuGH-Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 Rdnr. 29).

28

Wie der EuGH in seinem Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 Rdnr. 25 entschieden hat, kommt es für die Beurteilung, ob ein Vorgang "untrennbar" ist, auf die Sicht des Durchschnittskunden an, dem es ggf. um die Verbindung verschiedener Elemente geht.

29

cc) Ob im konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt, haben im Rahmen der mit Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 55, m.w.N.). Die erforderliche Gesamtbetrachtung ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.).

30

b) Ausgehend hiervon ist die Würdigung des FG nicht zu beanstanden, wonach die Restaurationsleistungen und die künstlerischen Darbietungen nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen.

31

Das FG hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BFH den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass die Leistungen kein bloßes Mittel seien, um die jeweils andere Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können und daher nicht als Nebenleistungen der jeweils anderen anzusehen seien. Show und Menü dienten ganz unterschiedlichen und gleichgewichtigen Zwecken. Den Besuchern komme es nicht allein auf die künstlerischen Darbietungen an. Gleichermaßen wichtig sei die Möglichkeit zum Genuss der einzelnen Gänge eines von der Küche eines 5-Sterne-Hotels kreierten Menüs.

32

Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH, der bereits entschieden hat, dass Gastronomieumsätze vor, während oder nach einer künstlerischen Veranstaltung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers einen eigenen, vom Theaterbesuch unabhängigen Zweck haben und zur Durchführung kultureller Dienstleistungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht unerlässlich sind und somit keine Nebenleistungen darstellen (vgl. BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 20/03, BFHE 211, 85, BStBl II 2005, 910 zu Gastronomieumsätzen im für jedermann zugänglichen Gastronomiebereich eines Theaters; vom 14. Mai 1998 V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 zur Abgabe von Speisen und Getränken in einem Kabarett; ebenso für sog. Verzehrkinos BFH-Urteil vom 7. März 1995 XI R 46/93, BFHE 177, 165, BStBl II 1995, 429; für den Getränkeausschank außerhalb eines Verzehrkinos im Foyer BFH-Urteil vom 1. Juni 1995 V R 90/93, BFHE 178, 248, BStBl II 1995, 914; für die Lieferung von Speiseeis bei Filmvorführungen BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 30/95, BFH/NV 1997, 70).

33

c) Entgegen der Auffassung des FG liegt jedoch eine komplexe Leistung vor.

34

aa) Das FG geht davon aus, dass durch die Kombination der künstlerischen und kulinarischen Leistungen in Form der "Dinner-Show" etwas eigenständiges "Drittes" geschaffen worden sei. Gleichwohl hätten die einzelnen künstlerischen und kulinarischen Bausteine jeweils einen eigenständigen Wert für den Gast und würden nicht hinter einer Gesamtleistung zurücktreten. Die Show und das Menü seien nicht so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Sie könnten "im Wirtschaftsleben" ohne weiteres voneinander getrennt werden.

35

bb) Diese Würdigung des Sachverhalts durch das FG ist entgegen der Auffassung der Klägerin in sich widersprüchlich und verstößt daher gegen die Denkgesetze, denn die Feststellung, dass etwas eigenständiges "Drittes" entstanden sei mit der Folge, dass die enthaltenen Leistungen ihren eigenständigen Charakter verlieren, und die Beurteilung, dass einzelne Bestandteile eines Leistungsbündels ihren eigenständigen Wert behalten, schließen sich gegenseitig aus. Der Senat ist daher nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO daran gebunden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 1. Februar 2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl II 2012, 407, m.w.N.).

36

cc) Aufgrund der vom FG festgestellten konkreten Ausgestaltung sind im Streitfall die künstlerischen und kulinarischen Leistungen untrennbar miteinander verbunden und bilden eine komplexe Leistung. Der Charakter der im Streitfall zu beurteilenden Leistungen wird wesentlich durch die Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente eines Spiegelzeltes bestimmt. Die künstlerischen und kulinarischen Leistungen sind aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung beider Komponenten ist es dem Verbraucher nicht möglich, nur die künstlerische oder nur die kulinarische Leistung in Anspruch zu nehmen. Zwar werden Varieté Shows und 4-Gänge-Menüs im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht. Dies allein rechtfertigt jedoch keine Aufspaltung des Vorgangs. Dem durchschnittlichen Besucher der im Streitfall zu beurteilenden "Dinner-Show" geht es, wie das FG ausgeführt hat, gerade um die Verbindung der beiden Elemente (vgl. zur Portfolioverwaltung EuGH-Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 Rdnr. 25). Die Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Leistung wäre daher aufgrund der vom Durchschnittskunden gewünschten Verbindung im Streitfall lebensfremd.

37

Hiergegen spricht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass der Kunde der "Dinner-Show" ein abtrennbares Interesse an den einzelnen Leistungen habe, da diese jeweils für sich und unabhängig voneinander ihren eigenständigen Wert und Charakter hätten, da sich z.B. eine langweilige Aufführung nicht auf die Qualität des Essens auswirke und die künstlerischen Leistungen ebenso nicht von der Qualität des Essens bestimmt würden. Denn maßgeblich bleibt gleichwohl die ebenso wie im Fall der Portfolioverwaltung durch den Kunden gewünschte Verbindung der einzelnen Leistungselemente. Soweit sich die Klägerin weiter für ihre Auffassung auf Lange (UR 2009, 289 ff., 294) beruft, der bei einer "Dinner-Show" eine Aufteilung in zwei Leistungselemente befürwortet, schließt sich der erkennende Senat dem im Hinblick auf das EuGH-Urteil Deutsche Bank AG in DB 2012, 1662 nicht an.

38

d) Für ihre Gegenauffassung kann sich die Klägerin auch nicht auf das EuGH-Urteil vom 11. Juni 2009, C-572/07, RLRE Tellmer Property (Slg. 2009, I-4983) berufen. Denn wie der EuGH im Anschluss hieran in seinem Urteil vom 27. September 2012 C-392/11, Field Fisher Waterhouse (UR 2012, 964 Rdnr. 26) entschieden hat, ist allein die Möglichkeit, dass grundsätzlich ein Dritter bestimmte Dienstleistungen erbringen kann, nicht entscheidend, da die Möglichkeit, dass Teile einer einheitlichen Leistung unter anderen Umständen isoliert erbracht werden, zum "Konzept des zusammengesetzten einheitlichen Umsatzes" gehört.

39

2. Die komplexe Leistung der "Dinner-Show" unterliegt nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG dem ermäßigten Steuersatz.

40

a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die --bis zum 15. Dezember 2004 ausgeführten-- Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer bzw. für die --ab dem 16. Dezember 2004 ausgeführten-- Umsätze mit Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler (§ 27 Abs. 1 UStG i.V.m. Art. 5 Nr. 8 und Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3310).

41

Unionsrechtliche Grundlage für die Steuerermäßigung ist Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) i.V.m. Anhang H Nr. 7 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz anwenden auf die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen.

42

b) Die von der Klägerin veranstaltete "Dinner-Show" enthält zwar Elemente, die für sich betrachtet Theatervorführungen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein können, da nicht nur Aufführungen von Theaterstücken im engeren Sinn, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés (vgl. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2011 XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798; vom 9. Oktober 2003 V R 86/01, BFH/NV 2004, 984) erfasst werden. Begünstigt sind auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine "Unterhaltungsshow" ebenfalls eine Theateraufführung i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 798, und in BFH/NV 2004, 984, unter II.1.a und c).

43

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG setzt jedoch voraus, dass die Theatervorführung Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist (vgl. zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c BFH-Urteil vom 21. Oktober 2009 V R 8/08, BFH/NV 2010, 476, m.w.N.). Die Theatervorführung muss den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmachen (BFH-Urteil vom 26. April 1995 XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519). Daran fehlt es hier, da --wie bereits ausgeführt-- der Charakter der im Streitfall zu beurteilenden komplexen Leistung wesentlich durch die Mischung aus Unterhaltung und gutem Essen verbunden mit dem Ambiente eines Spiegelzeltes bestimmt wird und sich beide Leistungsbestandteile gleichwertig gegenüberstehen.

44

Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH besteht kein Anlass. Die Grundsätze, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, sind durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt; wie der Gerichtshof im Urteil Field Fisher Waterhouse in UR 2012, 964 im Anschluss daran weiter ausführt, gibt es jedoch für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung; daher sind für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung die Gesamtumstände zu berücksichtigen; ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, haben im Rahmen der mit Art. 267 errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (EuGH-Urteil Field Fisher Waterhouse in UR 2012, 964 Rdnrn. 19 f.).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts XXX vom XX.XXXXXXXXXXXXX 2015  X K XXXX/XX aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung einer "Dinner-Show". Von der Wiedergabe des Tatbestands wird zur Wahrung des Steuergeheimnisses abgesehen.

2

Der Senat hat im Laufe des Revisionsverfahrens mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 9. Mai 2017 das Ruhen des Verfahrens bis zum Ergehen einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Verfahren C-463/16 angeordnet. Nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam vom 18. Januar 2018 C-463/16 (EU:C:2018:22, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2018, 246) wurde das Verfahren fortgesetzt.

Entscheidungsgründe

II.

3

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG) unterliegt die "Dinner-Show" der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als einheitliche, komplexe Leistung dem Regelsteuersatz.

4

1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gehen beide Beteiligte mit dem FG davon aus, dass es sich bei der "Dinner-Show" der Klägerin um eine einheitliche, komplexe Leistung (vgl. dazu EuGH-Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank vom 27. Oktober 2005 C-41/04, EU:C:2005:649, BFH/NV 2006, Beilage 1, 38, Rz 18 ff., 22; Bog u.a. vom 10. März 2011 C-497/09 u.a., EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256, Rz 51 ff.; Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246, Rz 21 ff.) handelt.

5

a) Ob im Fall eines Leistungsbündels umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob mehrere, getrennt zu beurteilende Leistungen gegeben sind, haben im Rahmen der mit Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. z.B. EuGH-Urteil BGZ Leasing vom 17. Januar 2013 C-224/11, EU:C:2013:15, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 270, Rz 33; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 2013 XI R 24/11, BFHE 243, 471, BStBl II 2017, 1147, Rz 42). Dies ist (auch) bei einer "Dinner-Show" das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung, die nach nationalem Verfahrensrecht dem FG obliegt und den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (vgl. BFH-Urteil vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 29).

6

b) Das FG hat im Streitfall (Urteil, S. 15, unter 2.) angenommen, im Streitfall würden sich Show und Menü zu einem untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang verbinden. Eine Aufspaltung in eine kulinarische und eine künstlerische Einzel- (haupt-)Leistung sei angesichts der gewünschten Verbindung von Menü und Show ebenso lebensfremd wie die Annahme, das Menü sei eine Nebenleistung zur Show oder die Show Nebenleistung zum Menü. Show und Menü seien aufeinander abgestimmt und griffen in zeitlicher Hinsicht ineinander. Durch die Verflechtung könne die Leistung nur insgesamt in Anspruch genommen werden. Der Besucher wolle Show und Menü zusammen erleben und genießen. Es gehe um die Verbindung beider Elemente.

7

c) Diese Würdigung ist auf Basis der Rechtsprechung des BFH zu den bisher von ihm dazu entschiedenen Fällen (vgl. neben dem BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, auch BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2014 V B 92/14, BFH/NV 2015, 244) möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Dass bei anderer Sachverhaltsgestaltung eine andere Würdigung möglich wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2015 XI B 61/14, nicht veröffentlicht --n.v.--, unter III.1.b cc; XI B 62/14, n.v., unter II.1.b cc), z.B. wenn bei einer Show ein Menü optional hinzu gebucht werden kann, ändert daran nichts.

8

2. Jedoch unterliegt --ausgehend von der Annahme des FG, es liege eine einheitliche, komplexe Leistung vor-- eine (aus der Kombination einer begünstigten Vorführung und eines nicht begünstigten mehrgängigen Menüs bestehende) Dinner-Show --entgegen der Annahme des FG-- dem Regelsteuersatz (gl.A. Frye in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b Rz 110 und § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d Rz 27; Janzen in Lippross/Seibel, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rz 16; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Rz 411; Kraeusel in Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG § 12 Rz 211.2.; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 728; Stadie, UStG, 3. Aufl., § 12 Rz 45; Wäger in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 20 Rz 84; ebenso zur Rechtslage in Österreich Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG, 1. Aufl., § 10 Rz 340; a.A. K.-R. Wagner, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2016, 333). § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) findet auf sie auch dann keine Anwendung, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

9

a) Die Steuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.

10

b) Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist u.a. Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL-- (vgl. BTDrucks 15/3677, S. 41). Danach können die Mitgliedstaaten der EU einen ermäßigten Steuersatz anwenden auf die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen.

11

c) Ermäßigt zu besteuern sind danach nicht nur Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés sowie Puppenspiele und Eisrevuen (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519; vom 9. Oktober 2003 V R 86/01, BFH/NV 2004, 984, unter II.1.a; vom 19. Oktober 2011 XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798, Rz 33; in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 42; s.a. Abschn. 12.5 Abs. 2 Satz 5 des Umsatzsteueranwendungserlasses a.F.). Begünstigt sind auch "Mischformen" von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen, so dass eine Unterhaltungsshow oder eine Feuerwerksveranstaltung ebenfalls eine Theatervorführung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein können (vgl. BFH-Urteile in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 42; vom 30. April 2014 XI R 34/12, BFHE 245, 409, BStBl II 2015, 166).

12

d) Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG setzt nach der Rechtsprechung des BFH jedoch außerdem voraus, dass die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 43) und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht (BFH-Urteil in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519). Hieran fehlt es, wenn sich das Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste --wie im Streitfall von den Beteiligten übereinstimmend angenommen-- in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 244, Rz 22). Bezüglich der letztgenannten Ausführungen handelt es sich nicht --wie das FG meint-- nur um eine Aussage zu dem dort entschiedenen Einzelfall, sondern um eine allgemeine Aussage. Die Annahme eines einheitlichen, komplexen Umsatzes aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste führt, was das FG insoweit nicht beachtet hat, nach dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 244 zur Anwendung des Regelsteuersatzes. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Auf die vom FG vorgenommene Bewertung, dass die Show besser sei als das Essen, kommt es daher insoweit nicht an.

13

e) Diese Auslegung der nationalen Steuerermäßigungsvorschrift steht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.

14

aa) Wenn von den Elementen, die eine einheitliche komplexe Leistung bilden, nicht ein Hauptelement und ein oder mehrere Nebenelemente bestimmt werden können, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die Elemente, die diese Leistung bilden, als gleichwertig anzusehen (vgl. EuGH-Urteil Bastova vom 10. November 2016 C-432/15, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, Rz 72; s. im Ergebnis auch EuGH-Urteil Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246). Wenn nur einer von mehreren gleichwertigen Bestandteilen dem ermäßigten Steuersatz unterliegt und der andere nicht, kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewandt werden (vgl. EuGH-Urteil Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913, Rz 75; vgl. auch zum Fall der Steuerbefreiung nur eines Hauptbestandteils EuGH-Urteil Deutsche Bank vom 19. Juli 2012 C-44/11, EU:C:2012:484, BStBl II 2012, 945, Rz 41 bis 43).

15

bb) So liegt es nach der Rechtsprechung des BFH hier; denn das FG hat angenommen, dass die beiden Leistungsbestandteile nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander stehen. Der Besucher will nach den tatsächlichen Feststellungen des FG Show und Menü zusammen erleben und genießen. Die Klägerin kombiniert nach der weiteren tatsächlichen Würdigung des FG eine Show mit einem "Gourmet-Menü". Show und Essen sind daher insoweit als gleichwertig anzusehen, was auch nach der Rechtsprechung des EuGH die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausschließt.

16

cc) Die vom FG vorgenommene qualitative Abstufung der Hauptelemente, das heißt der Umstand, dass nach der Beurteilung des FG der Showteil eine bessere Qualität aufweist als das Essen, sowie die vom FG herangezogenen Prospekte und die Kostenaufteilung führen zu keiner anderen Beurteilung. Die aus Sicht des FG "geringere" Qualität des Essens im Vergleich zur Show ändert nichts daran, dass es sich nach der Konzeption der zu beurteilenden Leistung und dem Prospekt um gleichwertige Elemente handelt. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Kosten der Show höher sind als die des Menüs (oder umgekehrt). Bei einem Leistungsbündel aus Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste macht die Vorführung nicht den eigentlichen Zweck der Veranstaltung aus (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 244; BFH-Urteil in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 39 und 43).

17

f) Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der ermäßigten Steuersätze die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Gleichbehandlung beachten müssen, die es nicht zulassen, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteile RPO vom 7. März 2017 C-390/15, EU:C:2017:174, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2017, 1183, Rz 41; Oxycure Belgium vom 9. März 2017 C-573/15, EU:C:2017:189, UR 2017, 276, Rz 28 ff.; AZ vom 9. November 2017 C-499/16, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 29 ff.). Darauf hat, ebenso wie der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung, auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung zu achten.

18

aa) Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen (EuGH-Urteil AZ, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 31).

19

bb) Ausgehend davon sind die Dinner-Shows, die den Verfahren V R 31/10 in BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, V B 92/14 in BFH/NV 2015, 244, XI B 61/14 (n.v.) und XI B 62/14 (n.v.) zugrunde lagen und nach der Rechtsprechung des BFH dem Regelsteuersatz unterliegen, und die Leistungen der Klägerin vergleichbar. Ihnen liegt die gleiche Konzeption (Show und Menü) zugrunde. Gründe, die eine Bevorzugung der Klägerin gegenüber diesen Wettbewerbern rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Show und Menü der Klägerin sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG und der sich daran anschließenden Würdigung aufeinander abgestimmt und greifen in zeitlicher Hinsicht ineinander (FG-Urteil, S. 15). Der Besucher will Show und Menü zusammen erleben und genießen.

20

cc) Dass das FG den Streitfall außerdem dahin gehend tatsächlich gewürdigt hat, die Qualität der Show ("auf höchstem Niveau", "von international höchster Qualität") sei höher einzustufen als die Qualität des Menüs ("keine Sterneküche", "kann mit der Show nicht mithalten"), ändert auch daran nichts. Vielmehr ist die vom FG in anderem Zusammenhang festgestellte Konzeption der Dinner-Show (Kombination von Show und Menü) auch insoweit von ausschlaggebender Bedeutung.

21

dd) Soweit das FG im Rahmen der Vorentscheidung auf Rz 29 des EuGH-Urteils Mesto Zamberk vom 21. Februar 2013 C-18/12 (EU:C:2013:95, DStR 2013, 407) abgestellt hat, setzte die Anwendung der dort genannten Grundsätze voraus, dass auf der Grundlage einer Gesamtheit objektiver Gesichtspunkte, insbesondere der Konzeption der Leistung, die sich aus ihren objektiven Merkmalen ergibt, ein "dominierender" Bestandteil vorhanden ist. Dies ist --wie ausgeführt-- nach den tatsächlichen Feststellungen des FG und auf Basis der Rechtsprechung des BFH jedoch gerade nicht der Fall.

22

3. Die Sache ist spruchreif.

23

a) Da die Leistung der Klägerin eine einheitliche, komplexe Leistung mit mehreren Hauptbestandteilen ist, von denen einer nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, unterliegt sie insgesamt dem Regelsteuersatz.

24

b) Die im Laufe des Revisionsverfahrens unionsrechtlich zweifelhaft gewordene Rechtsfrage, ob trotz des Vorliegens einer einheitlichen Leistung eine selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes möglich ist, obwohl der betreffende Mitgliedstaat diese in seinem nationalen Recht nicht angeordnet hat (vgl. zu Fällen nationaler Anordnung EuGH-Urteil Kommission/Frankreich vom 6. Mai 2010 C-94/09, EU:C:2010:253, UR 2010, 454, Rz 26 und 33; Senatsurteil vom 24. April 2013 XI R 3/11, BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86, Rz 51 ff.), hat der EuGH verneint (vgl. EuGH-Urteil Stadion Amsterdam, EU:C:2018:22, DStR 2018, 246). Ein dem § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG vergleichbares Aufteilungsgebot enthält § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2015 XI B 61/14, n.v., unter III.1.c bb; XI B 62/14, n.v., unter II.1.c bb). Darum kann im Streitfall offen bleiben, ob trotz des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam (EU:C:2018:22, DStR 2018, 246) aufgrund des EuGH-Urteils Kommission/Frankreich (EU:C:2010:253, UR 2010, 454) an der Rechtsprechung zu im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgeboten (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 242, 410, BStBl II 2014, 86; vom 1. März 2016 XI R 11/14, BFHE 253, 438, BStBl II 2016, 753) festgehalten werden kann.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 3 K 1211/13

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In der Streitsache

Kläger

prozessbevollmächtigt: …

gegen

Beklagter

vertreten durch den Amtsleiter …

wegen Umsatzsteuer 2007, 2008 und 2009

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie den ehrenamtlichen Richter … und die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 6. Juli 2016

für Recht erkannt:

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007, 2008 und 2009, jeweils vom 4. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 werden dahingehend geändert, dass der ermäßigte Steuersatz auf diejenigen Mahl- und Mischleistungen des Klägers angewendet wird, in denen die vom Kläger selbst beschafften und beigemischten Zusatzstoffe Bestandteile im Sinne der Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dieser Leistungen waren. Eine Ausnahme hiervon ist zu machen, soweit der Kläger eine höhere Steuer gesondert ausgewiesen hat.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten nach Maßgabe der in Tz. II.1.b.ee der Urteilsgründe dargelegten Grundsätze und der vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Auszüge aus seiner Buchhaltung übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www...de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob und inwieweit bestimmte Leistungen des Klägers dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Der Kläger betreibt einen Getränkemarkt sowie einen Mahl- und Mischbetrieb für Tierfutter als Einzelunternehmen. Mit seiner mobilen Mahl- und Mischanlage bearbeitete er auf landwirtschaftlichen Betrieben das von den Landwirten bereitgestellt Getreide. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wurden vom Kläger im Rahmen des Mahl- und Mischvorgangs selbst mitgebrachtes Raps- oder Sojaöl und Zusatzstoffe entsprechend dem Auftrag und den Bedürfnissen des jeweiligen Landwirts dem Getreide beigemischt. Umsatzsteuerrechtlich behandelte der Kläger dies als Materiallieferung und unterwarf diese dem ermäßigten Steuersatz; die Mahl- und Mischleistung wurde auf derselben Rechnung separat ausgewiesen und dem Regelsteuersatz unterworfen.

Im Einzelnen führte der Kläger in den Streitjahren vier verschiedene Leistungen aus, dies waren:

(1) die reine Mahl- und Mischtätigkeit von Getreide ohne Beifügung weiterer Zutaten;

(2) die Mahl- und Mischtätigkeit nur unter Beifügung von Raps- und Sojaöl (Pflanzenöl);

(3) die Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung (i.d.R. neben Pflanzenölen) von als Goldhefe, FM-Spezial, BM-Mix, Super-Mix, Legehennenmineral, Na-Bi-Plus, N-SE-Extra, E-SE Extra, Profimast-Phytase, Acidomix-Phos, Amino-Trio Ferkel, Probi Lac Zucht, Zuchtkraft, EF Bio Plus 64, Dextrose (Traubenzucker), KombiHefe, MK-Hefe, ADE-18 E-SE, Caro-Vit, BoviSan 5000, Schafmineralfutter SL-B, Gala-Nährmilch, Amino Trio Zucht Phytase, Quattro Speed, Pig Plus (Schweinemineral), Naturmine Viereins, Basis-S-Bio und Power Drink bezeichneten weiteren Zutaten sowie

(4) der reine Verkauf von Futterzusätzen.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2007, 2008 und 2009 errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer

- von € (für 2007), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von €,

- von (für 2008), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von € und

- von € (2009), Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erklärte er dabei in Höhe von €.

Nach der Durchführung einer Außenprüfung (Bericht vom 13. Februar 2012) setzte der Beklagte (das ...; im Folgenden: ...) die Umsatzsteuer mit Änderungsbescheiden jeweils vom 4. April 2012 für 2007 auf €, für 2008 auf € und für 2009 auf € fest. Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erkannte das ... nur noch in Höhe von:

- € (2007),

- € (2008) und

- € (2009)

an und unterwarf die übrigen Leistungen des Klägers (vorgenannte Fallgruppen 1 bis 3) dem Regelsteuersatz, weil es sich bei den Mahl- und Mischvorgängen unter der Beifügung von Pflanzenöl und Zusatzstoffen um einheitliche Werkleistungen handele, die als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2012 war der am 3. Mai 2012 beim ... eingegangene Einspruch gerichtet.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 wies das ... den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage vom 19. April 2013 gerichtet.

Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Umsatzsteuerbescheide insoweit rechtsfehlerhaft seien, als in ihnen Umsätze aus der Lieferung von Rapsöl und anderen Futtermitteln den Umsätzen aus Mahl- und Mischtätigkeit zugeordnet worden seien. Bei den im Rahmen der Mahl- und Mischtätigkeit verwendeten Stoffen handele es sich um lieferbare Gegenstände, welche getrennt vom eigentlichen Mahl- und Mischvorgang geliefert werden könnten, denn die fraglichen Stoffe seien mess- und lieferbar und damit in Konsequenz auch separat abrechenbar. Nach der Rechtsprechung könne bei der Herstellung von Mischfutter sogar eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende einheitliche Werklieferung vorliegen. Nur in den Fällen, in denen beim Mahl- und Mischvorgang nur Soja- oder Rapsöl bei gemischt werde, liege eine einheitliche sonstige Leistung vor, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sei.

Zu dem weiteren Vorbringen des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 17. April 2013, vom 13. September 2013, vom 14. Dezember 2015 und vom 23. Februar 2016 nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide vom 4. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 2013 die Umsatzsteuer für 2007 auf €, die Umsatzsteuer für 2008 auf € und die Umsatzsteuer für 2009 auf € festzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt das ... im Wesentlichen vor, dass der Kläger mit seiner Mahl- und Mischtätigkeit eine sonstige Leistung erbringe, die dem Regelsteuersatz unterliege. Die vom Kläger mitgebrachten und verarbeiteten Hilfsmittel würden einzeln verkauft zwar dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Vorliegend stellten sie aber lediglich eine Nebenleistung dar, die das Schicksal der Hauptleistung teilen müsste; die leistungsbestimmende Bedeutung liege hier im Mahlen und Mischen. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers handele es sich bei den Leistungen des Klägers um sonstige Leistungen. Der Streitfall sei auch nicht mit einer Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 (Az.: 14 K 98/12, EFG 2015, 168) vergleichbar, in dem dieses Gericht eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende einheitliche Leistung angenommen hatte, weil in diesem Fall der überwiegende Teil der erzielten Einnahmen auf die mitgelieferten Zusatzstoffe entfallen sei. Vorliegend seien die mitverarbeiteten Zusatzstoffe aber wesentlich geringwertiger gegenüber den Mahl- und Mischkosten.

Zu dem weiteren Vorbringen des ... wird auf seine Stellungnahmen vom 15. Oktober 2013, vom 14. Dezember 2015, vom 7. März 2016 und vom 4. Juli 2016 nebst Anlagen verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2015 forderte der Berichterstatter den Kläger auf, dem Gericht diejenigen Rechnungen vorzulegen, welche den Prüfungsfeststellungen des ... zugrunde liegen. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 übersandte der Kläger drei Ordner mit Unterlagen über die Ausgangsleistungen des Klägers in den Streitjahren mit dem Hinweis, dass „es sich um die angeforderten Rechnungen in Kopie handele“. Inhalt dieser Unterlagen sind aber lediglich einige Rechnungen, im Wesentlichen handelt es sich um Auszüge aus der Buchhaltung des Klägers zu den einzelnen Geschäftsvorfällen, in denen sich neben dem Namen des Leistungsempfängers, der Rechnungsnummer, dem Rechnungsbetrag und dem Datum durchweg Angaben zu den vom Kläger jeweils erbrachten Leistungen finden. Hierin ist insbesondere der Preis der Mahl- und Mischleistung, die Menge und der Preis der jeweils beigegebenen Zutaten sowie der angewendete Steuersatz in jedem Einzelfall aufgeführt.

Eine vom Berichterstatter in einem am 27. Januar 2016 durchgeführten Erörterungstermin vorgeschlagene Lösungsmöglichkeit zur einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits kam nicht zustande. Auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

II.

Die Klage ist zum Teil begründet. Das ... hat die Mahl- und Mischtätigkeit des Klägers unter der Beifügung von Zutaten zutreffend als einheitliche Leistungen gewürdigt. Das ... hat allerdings zu Unrecht den Regelsteuersatz auf diejenigen einheitlichen Mahl- und Mischleistungen des Klägers angewendet, in denen die von ihm selbst beschafften und beigemischten Zusatzstoffe wesensbestimmende Bestandteile waren.

1. Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (= Regelsteuersatz). Die Steuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 zu § 12 UStG auf 7 Prozent (= ermäßigter Steuersatz). Diese Steuerermäßigung gilt nach der Nr. 37 der Anlage 2 zu § 12 UStG unter anderem für die Lieferung von „zubereitetem Futter“.

a) Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG setzt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zunächst eine Lieferung voraus. Eine Lieferung ist eine Leistung, durch die ein Unternehmer einem anderem die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft, so dass dieser im eigenen Namen über den Gegenstand verfügen kann (§ 3 Abs. 1 UStG); Substanz, Wert und Ertrag müssen dem Abnehmer endgültig übertragen werden (Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 8. November 1995 XI R 63/94, BStBl II 1996, 114, Rz. 20). Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist auch diese Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 S. 1 UStG).

Bei einer sogenannten einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Dienstleistungselemente beinhaltet, ist bei einer Gesamtbetrachtung das Wesen des Umsatzes zu ermitteln (Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd. -CPP-, Slg. 1999, I-973, ECLI:ECLI:EU:C:1999:93, Rz. 28 und vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting Linien, Slg 1996, I-2395, E-CLI:ECLI:EU:C:1996:184, Rz. 12 sowie BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658, Rz. 30 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum einen jede Leistung in der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten ist und dass zum anderen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden kann. Deshalb ist jeweils das Wesen des fraglichen Umsatzes im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Leistungsempfänger mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt; maßgebend ist dabei die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 17 und 23 m. w. N.).

Die deutsche Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG betrifft solche einheitlichen Leistungen, die aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehenden Leistungen in Form der Be- oder Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes zum Inhalt haben. Für die Abgrenzung einer Lieferung (Werklieferung) zu einer Leistung (Werkleistung) stellt diese Vorschrift darauf ab, ob die bei der Be- oder Verarbeitung verwendeten Gegenstände des Leistenden lediglich „Zutaten“ und „sonstige Nebensachen“ sind (= sonstige Leistung) oder nicht (= Lieferung; BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 25). Eine Leistung ist insbesondere dann eine Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteil vom 3. Juli 2001 Rs. C-380/99, Bertelsmann, Slg. 2001, I-5163, ECLI:ECLI:EU:C:2001:372, Rz. 20 und BFH-EuGH-Vorlage vom 28. Oktober 2010 V R 9/10, BStBl II 2011, 306, Rz. 47).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall unterliegen die vom Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit erbrachten vier verschiedenen Leistungen (vgl. in Tz. I) im Rahmen einer Gesamtbetrachtung deshalb einer unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Einordnung.

aa) Zunächst ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der ersten und vierten Fallgruppe -also die reine Mahl- und Mischleistung ohne Beifügung von Zutaten und der reine Verkauf von Futterzusätzen - zwischen den Beteiligten unstreitig, denn hierbei handelt es sich schon nicht um „einheitliche Leistungen“, die jeweils aus einem Liefer- und einem Dienstleistungselement bestehen. Deshalb unterliegt die reine Mahl- und Mischtätigkeit als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz und der Verkauf von Tierfutterzusätzen als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 Nr. 37 zu § 12 UStG.

bb) Bei den Leistungen der zweiten und der dritten Fallgruppe - also der Mahl- und Mischleistung unter der bloßen Beifügung von Pflanzenöl oder unter der Beifügung weiterer Zusatzstoffe - hat der Kläger zunächst durchweg einheitliche Leistungen erbracht.

Hier liegen deshalb einheitliche Leistungen vor, weil der Kläger zwei Handlungen vornahm, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Im Streitfall ist aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers weder die Abgabe des Pflanzenöls, der Mineral- und Zusatzstoffe noch das Mahlen und Mischen jeweils als eine eigene, selbstständige Leistung anzusehen (so auch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 28), jedenfalls soweit diese Zutaten im Rahmen des Mischvorgangs beigefügt wurden.

cc) Dabei unterliegen allerdings nur diejenigen einheitlichen Mahl- und Mischtätigkeiten des Klägers unter Beifügung von Zutaten nach der zweiten und dritten Fallgruppe der Leistungen des Klägers (vgl. in Tz. I) dem ermäßigten Steuersatz, in denen das Lieferelement der Leistungen das Dienstleistungselement jeweils übersteigt. Diese Voraussetzung ist zunächst bei den Leistungen der zweiten Fallgruppe durchgängig nicht gegeben, denn bei der bloßen Beifügung von Pflanzenöl handelt es sich nur um die Nebenleistung zu der Dienstleistung (Hauptleistung) des Mahlens und Mischens. Die Beifügung des Pflanzenöls stellt hier lediglich das Mittel dar, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können; sie bestimmt aber nicht das Wesen der Leistung (BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98, Rz. 26).

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger insoweit, dass er nunmehr auch in den Fällen der zweiten Fallgruppe - also der Mahl- und Mischleistung unter der isolierten Beifügung von Pflanzenöl - der Auffassung des ... folge, dass es sich bei der bloßen Beifügung dieser Öle zu dem Mahl- und Mischvorgang um eine einheitliche Leistung handele, bei der das Dienstleistungselement überwiege und deshalb der Regelsteuersatz anzuwenden sei.

Der Kläger führte dazu ausdrücklich aus, dass dieses Öl lediglich zur Durchführung des Mahl- und Mischvorgangs diene, insbesondere, weil es den dabei entstehenden Staub binde.

dd) Anderes gilt im Streitfall aber zum Teil in der dritten Fallgruppe (Tz. I), also bei der Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung von nicht nur aus Pflanzenölen bestehenden Zutaten. Das Lieferelement der einheitlichen Leistungen übersteigt das Dienstleistungselement hier dann, wenn bei der Mahl- und Mischtätigkeit wesensbestimmende Futtermittelzusätze beigefügt wurden; in diesen Fällen liegt jeweils eine Werklieferung vor. Das ... hat diese Leistungen zwar zutreffend als einheitliche Leistungen angesehen, es hat sie jedoch zu Unrecht insgesamt - also ohne Unterscheidung nach dem Wesen der Umsätze - dem Regelsteuersatz unterworfen.

Hat ein Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen -wie im Streitfall der Kläger bei dem Getreide der Landwirte - und verwendet er hierbei „Stoffe“, die er selbst beschafft - wie vorliegend die Futterzusätze -, so ist diese Leistung gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG nur dann als eine Lieferung (Werklieferung) anzusehen, wenn es sich bei diesen Stoffen nicht nur um „Zutaten“ oder „sonstige Nebensachen“ handelt. Konkret handelt es sich bei diesen einheitlichen Leistungen des Klägers dann um Werklieferungen i. S. d. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn er bei dem Mahlen und Mischen des von den Kunden (Landwirten) beigestellten Getreides eigene wesensbestimmende Stoffe untergemischt hatte. Nur bei einer solchen „wesensbestimmenden Hinzugabe“ geben die Lieferungen von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden der einheitlichen Leistung das „Gepräge“, da durch deren Zugabe das von den Kunden bestellte Tiermischfuttermittel entsteht (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 29).

Entscheidungserheblich ist deshalb, in welchen konkreten Fällen davon ausgegangen werden kann, dass die Beifügung von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden wesensbestimmend für diese Leistungen als Werklieferung waren.

aaa) Dabei kommt es nach Überzeugung des Gerichts zunächst nicht auf die Menge oder das Gewicht des von den Landwirten bereitgestellten Getreides an, welches zwar mengenmäßig durchweg den Hauptbestandteil des zu produzierenden Mischfutters darstellte. Dieser Maßstab ist aber bereits deshalb untauglich, weil der Wert des eingesetzten Getreides im Verhältnis zum Wert der beigemengten Zutaten eher gering ist. So beträgt der Großhandelspreis einer Tonne (= 1.000 kg) Futterweizen im Mai 2016 circa 150 € und der Großhandelspreis einer Tonne Mais circa 160 € (Abfrage vom 31. Mai 2016 unter: http://www...de/...html), während zum Beispiel nur 50 kg BM-Mix im Jahr 2009 schon 24,50 € (= 490 € die Tonne) beim Kläger kostete. Im Übrigen stellt dieses Getreide auch gerade denjenigen „Gegenstand“ dar, dessen Bearbeitung oder Verarbeitung der Kläger übernommen hatte. Letztlich hatte der Kläger hier durch die Beifügung von Futterzusätzen aus dem Getreide der Landwirte Mischfutter hergestellt, welches auf Wunsch der Landwirte als Nahrung für jeweils spezielle Tierarten geeignet war. Allgemein erhält man Mischfutter durch das Vermischen von Einzelfuttermitteln. Dadurch entsteht ein Produkt, das durch seine Rezeptur optimal auf den Bedarf der Tiere, für die es entwickelt wurde, abgestimmt ist (Quelle: Wikipedia).

bbb) Im Streitfall ist nach Überzeugung des Gerichts zu einer sachgerechten Beurteilung der Frage, ob die beigefügten Materialen des Klägers als wesensbestimmende Zutaten den einheitlichen Leistungen ein eigenes Gepräge gegeben haben und es sich deshalb um Werklieferungen handelte, jeweils darauf abzustellen, ob der Wert der beigefügten Zutaten (außer Pflanzenöl) - mithin der Nettopreis der Lieferung - den Nettopreis der reinen Mahl- und Mischtätigkeit (einschließlich Pflanzenöl) - mithin den der Dienstleistung - überschritten hat, denn nur dann überwiegen die Lieferungselemente die der jeweiligen sonstigen Leistung. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.8 Abs. 6 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses zu den vergleichbaren Abgrenzungsfragen bei der Qualifizierung einer Reparaturleistung als Werklieferung. Vorliegend können einzelne Futterzusätze bereits für sich allein wegen ihrer Art oder Menge den Leistungen des Klägers nicht das charakteristische Merkmal einer Werklieferung verleihen.

ee) Bei einem Abstellen auf den Wert der einzelnen Bestandteile der Leistungen des Klägers müssen daher von dem Nettogesamtentgelt für seine Leistung im jeweiligen Fall mehr als 50 Prozent auf die hinzugegebenen Zutaten entfallen (so im Ergebnis auch das Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2013 14 K 98/12, EFG 2015, 168, Rz. 30). Dabei darf der Preis des jeweils eingesetzten Pflanzenöls konsequenter Weise nicht bei den zu berücksichtigen Zutaten einberechnet werden, denn diese Zutat ist gerade nicht wesensbestimmend, sondern erleichtert lediglich den Mahl- und Mischvorgang (vgl. oben in Tz. .. b.cc). Nur in den Fällen, in denen der Nettopreis der vom Kläger hinzugefügten Zutaten - ohne dem Pflanzenöl - mehr als 50 Prozent des Nettogesamtentgelts beträgt, kann hier demnach von einer einheitlichen Leistung im Form einer Werklieferung ausgegangen werden; nur dann überwiegen die Lieferungselemente der einheitlichen Leistung die gleichfalls vorhandenen Dienstleistungselemente. In diesen Fällen ist dann der ermäßigte Steuersatz auf die gesamte Leistung anzuwenden. Eine derartige Aufteilung ist im Streitfall deshalb möglich, weil der Kläger in seinen Rechnungen jeden Leistungsinhalt einzeln aufgeführt hatte.

Konkret sei die danach gebotene umsatzsteuerrechtliche Würdigung an Hand von drei Beispielen von einem Rechnungstag aus dem Jahr 2009 dargestellt:

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 96 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit und 27 € für Rapsöl. Hier handelt es sich lediglich um die Zugabe einer nicht wesensbestimmenden Zutat und diese unterliegt als einheitliche sonstige Leistung insgesamt dem Regelsteuersatz (= zweite Fallgruppe).

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 80 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit, 27 € für Rapsöl und 80 € für den Zusatz FM-Spezial (= dritte Fallgruppe). Von dem Nettorechnungsgesamtbetrag von 187 € entfallen hier nur 80 € - und damit weniger als 50 Prozent - auf den Futtermittelzusatz. Bei dieser Leistung überwiegt daher das Dienstleistungselement und sie unterliegt deshalb als einheitliche sonstige Leistung insgesamt dem Regelsteuersatz.

- In der Rechnung vom 2. Februar 2009 (Nr. ) berechnet der Kläger (jeweils netto) 80 € für seine Mahl- und Mischtätigkeit, 22,50 € für Rapsöl, 80 € für den Zusatz FM-Spezial und 24,50 € für den Zusatz BM-Mix (= dritte Fallgruppe). Von dem Nettorechnungsgesamtbetrag von 207 € entfallen hier 104,50 € - und damit mehr als 50 Prozent - auf den Futtermittelzusatz, bei dieser Leistung überwiegt daher das Lieferungselement und sie unterliegt deshalb als Werklieferung insgesamt dem ermäßigten Steuersatz.

Der Kläger schuldet allerdings - soweit das Mahlen und Mischen hier jeweils mit dem Regelsteuersatz abgerechnet worden ist - die insoweit zu hoch ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Nach dem Satz 1 dieser Vorschrift schuldet ein Unternehmer den Mehrbetrag, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis). Im Beispielsfall sind das 9,60 €, denn der Kläger hat auf die Mahl- und Mischtätigkeit zum Preis von netto 80 € eine Umsatzsteuer zu 19 Prozent in Höhe von 15,20 € ausgewiesen, richtig wären aber 5,60 € gewesen (= 7 Prozent aus 80 €).

c) Letztlich schließt sich das Gericht im Ergebnis der Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 20. November 2013 (14 K 98/12, EFG 2015, 168 in Abgrenzung zum Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2011 9 V 3231/12, EFG 2013, 1360) an, wonach der Unterschied bei der Mahl- und Mischtätigkeit zwischen einer Werklieferung und der reinen sonstigen Leistung darin besteht, ob der Unternehmer zur Herstellung des Mischfutters dem Getreide der Kunden nicht nur Soja- oder Rapsöl beifügt, das Staub bindet, der besseren Mischbarkeit des Futters dient und in allen Futtermitteln vorkommen kann oder ob er Stoffe mit speziellen Funktionen für die Nahrung von Tieren beifügt. Nur im letzten Fall kann von einer einheitlichen Leistung in Form einer Werklieferung ausgegangen werden.

d) Aufgrund der Vielzahl der hier einzeln zu beurteilenden Umsätze des Klägers in den drei Streitjahren erfordert es einen erheblichen Rechenaufwand, den Betrag zu errechnen, auf den die Umsatzsteuer jeweils festzusetzen ist. Daher wird dem ... gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, die Steuer für die Streitjahre nach Maßgabe der Urteilsgründe und der vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegten drei Ordnern mit den Angaben zu den einzelnen Leistungen neu zu berechnen und entsprechend neu festzusetzen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 4. Dezember 2012  2 K 1568/10 aufgehoben und die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2010, dahin geändert, dass die Umsatzsteuer für 2006 um ... € und für 2007 um ... € niedriger festgesetzt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Lebensmittelhandel. Dabei verkauft sie unter anderem getrocknete Schweineohren. Für die Streitjahre 2006 und 2007 unterwarf sie die Lieferung getrockneter Schweineohren in den Umsatzsteuererklärungen dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Den Feststellungen einer im Jahr 2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung folgend wandte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) auf die Lieferung getrockneter Schweineohren ab 1. November 2006 den Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG an und erhöhte die Umsatzsteuer für 2006 und 2007 entsprechend.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, für die Lieferung getrockneter Schweineohren komme eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG weder i.V.m. Nr. 2 noch i.V.m. Nr. 37 der Anlage 2 in Betracht. Mit der Trocknung der im frischen Zustand genießbaren Schweineohren in Futtermittelbetrieben seien die Schweineohren keine genießbaren Schlachtnebenerzeugnisse i.S. der Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG mehr. Eine ermäßigte Besteuerung als "Rückstände und Abfälle der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter" gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 37 der Anlage 2 komme mangels einer Zubereitung im Sinne der Verarbeitung eines Erzeugnisses ebenfalls nicht in Betracht. Die Schweineohren seien vielmehr in Kap. 5 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen. Die Umsätze seien daher gemäß § 12 Abs. 1 UStG nach dem Regelsteuersatz zu versteuern.

3

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Unterscheidung zwischen genießbaren getrockneten Schweineohren i.S. des Kap. 2 KN und ungenießbaren getrockneten Schweineohren i.S. des Kap. 5 KN sei nicht anhand des Ortes der Trocknung und der damit verbundenen Frage nach der Einhaltung lebensmittel- und hygienerechtlicher Vorschriften zu treffen. Die gegenteilige Ansicht des FG weiche von der Rechtsprechung des Senats sowie anderer FG ab. Auf die Verwendung der getrockneten Schweineohren als Tierfutter komme es ebenfalls nicht an. Solange sie nicht verdorben und deshalb ungenießbar seien, müssten getrocknete Schweineohren als genießbare Schlachtnebenerzeugnisse in Kap. 2 KN und nicht in Kap. 5 KN eingeordnet werden.

4

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007, jeweils in der Fassung des letzten Änderungsbescheids, dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2006 um … € und die Umsatzsteuer für 2007 um … € niedriger festgesetzt wird.

5

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

6

Es teilt die Auffassung des FG.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 FGO). Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung, sind zu ändern. Für die Lieferung getrockneter Schweineohren gilt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 2 der Anlage 2 der ermäßigte Steuersatz in Höhe von 7 %.

8

1. Die von der Klägerin vertriebenen getrockneten Schweineohren sind in die Unterpos. 0210 99 49 KN einzureihen. Sie gehören als genießbare Schlachtnebenerzeugnisse deshalb zu Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

9

a) Für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 kommt es allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an (Senatsurteil vom 3. Februar 2004 VII R 33/03, BFH/NV 2004, 849, 850, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 200, m.w.N., und Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Dezember 2008 V R 55/06, BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673, 675). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln rechtsverbindlich festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN 1 und 6). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen (ErlHS) und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH-Urteile TNT Freight Management vom 12. Juli 2012 C-291/11, EU:C:2012:459, Rz 30 ff., und Metherma vom 27. November 2008 C-403/07, EU:C:2008:657, ZfZ 2009, 15, 16, sowie Senatsurteile vom 30. März 2010 VII R 35/09, BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74, 75, Rz 7, und vom 4. November 2003 VII R 58/02, BFHE 204, 375, 377, ZfZ 2004, 165, m.w.N.).

10

b) Getrocknete Schweineohren sind "Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse" i.S. der Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG, wenn es sich um Waren des Kap. 2 KN handelt. Von der Unterpos. 0210 99 49 KN werden insbesondere ganze oder halbe Köpfe von Hausschweinen sowie Teile davon erfasst, wozu auch Ohren gehören (Zusätzliche Anmerkung 2 C zu Kap. 2 KN). Nach den ErlHS zu Kap. 2 KN sind unter Schlachtnebenerzeugnissen u.a. solche zu verstehen, "die hauptsächlich zur menschlichen Ernährung verwendet werden (einschließlich Ohren)"; diese bleiben, ob "frisch, gekühlt, gefroren, gesalzen, in Salzlake, getrocknet oder geräuchert", in Kap. 2 KN, "außer in den Fällen, in denen sie, da verdorben und zur menschlichen Ernährung nicht geeignet, der Position 0511 zuzuweisen sind" (Rz 03.0, 04.0 und 08.0).

11

Hiermit übereinstimmend stellt auch die Verordnung (EG) Nr. 1125/2006 (VO Nr. 1125/2006) der Kommission vom 21. Juli 2006 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 200/3) klar, dass genießbare getrocknete Schweineohren --entgegen der im Bericht des Bundesrechnungshofs nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Umsatzsteuer-Rundschau 2010, 566, 570) zitierten Ansicht der Zolltechnischen Prüf- und Lehranstalt-- unabhängig von ihrem Trocknungsgrad zu Kap. 2 gehören, auch wenn sie als Tierfutter verwendet werden, da das Trocknen von Schweineohren nicht deren Eignung für den menschlichen Verzehr beeinträchtigt. Entsprechend werden laut Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Oktober 2006 IV A 5-S 7221-1/06 (BStBl I 2006, 620) genießbare getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnisse) --auch wenn als Tierfutter verwendet-- in die Unterpos. 0210 99 49 KN eingereiht. Nur getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), die nicht genießbar sind, sind in die Unterpos. 0511 99 85 KN (2007) bzw. die Unterpos. 0511 99 90 KN (2006) einzureihen.

12

Entgegen der Auffassung des FG kommt es somit für die Einreihung in das Kap. 2 nicht maßgeblich auf die Bestimmungen des nationalen (Lebensmittel-)Rechts, auf hygienerechtliche Vorschriften oder den Verwendungszweck der Schweineohren (als Tierfutter oder für den menschlichen Verzehr) an, sondern nur darauf, ob sie "genießbar", d.h. für den menschlichen Verzehr geeignet, sind.

13

c) Im Streitfall sind die getrockneten Schweineohren nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften als für den menschlichen Verzehr geeignet anzusehen.

14

Wie sich aus der Einreihungsverordnung VO Nr. 1125/2006 ergibt, beeinträchtigt das Trocknen der im frischen Zustand genießbaren Schweineohren nicht deren Eignung zum menschlichen Verzehr. Durch das Trocknen wird die Vermehrung von Keimen und das Verderben der Schweineohren gehemmt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie in einer Anlage außerhalb der Lebensmittelkette getrocknet werden. Da Schweineohren von Menschen ohnehin regelmäßig nicht in getrocknetem Zustand, sondern erst nach einem Garvorgang verzehrt werden können, verlieren die Ohren ihre Eignung für den menschlichen Verzehr auch nicht allein deshalb, weil sie in einem den Anforderungen des deutschen Lebensmittelrechts nicht unterliegenden Betrieb getrocknet wurden. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, durch die die Eignung der Schweineohren für den menschlichen Verzehr aufgehoben wird (wie z.B. Fäulnis, Schimmel oder sonstige ein Verderben und damit die Ungenießbarkeit herbeiführende Umstände; zum Begriff der Genießbarkeit vgl. auch Senatsentscheidung vom 24. September 2014 VII R 54/11, BFHE 247, 378, BStBl II 2015, 169). Hierfür bestehen jedoch im Streitfall keine Anhaltspunkte. Vielmehr wurde vom FG festgestellt, dass die Schweineohren ursprünglich uneingeschränkt genießbar waren. Dass sie durch den Trocknungsvorgang in einem Futtermittelbetrieb --über das bloße Trocknen hinaus-- objektiv ungenießbar wurden, hat das FG hingegen nicht festgestellt. Eine Einreihung der als genießbare Schlachtnebenerzeugnisse zu qualifizierenden Schweineohren in Kap. 5 KN scheidet demnach aus.

15

Mangels Veränderung der wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes scheidet eine Einreihung als zubereitetes Futter i.S. des Kap. 23 KN nach der Einreihungsverordnung Nr. 1125/2006 ebenfalls aus.

16

2. Die bisherige Rechtsprechung des Senats steht hierzu nicht im Widerspruch.

17

Das Senatsurteil in BFH/NV 2004, 849, 850, ZfZ 2004, 200, 201 erging vor Erlass der VO Nr. 1125/2006. Das Senatsurteil vom 10. Februar 2009 VII R 16/08 (BFH/NV 2009, 979) betraf zurückliegende Streitjahre, weshalb der Senat diese Einreihungsverordnung gleichfalls nicht anzuwenden hatte.

18

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.