Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Mai 2016 - 3 K 1364/15

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2016:0531.3K1364.15.0A
bei uns veröffentlicht am31.05.2016

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Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 18. September 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 werden dahingehend geändert, dass die steuerpflichtigen Umsätze um 369.634 € reduziert und die steuerfreien Umsätze um 439.865 € erhöht werden.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Strittig sind innergemeinschaftliche Lieferungen von Kraftfahrzeugen in einem Reihengeschäft.

2

Die Klägerin betreibt ein Autohaus. Im Streitjahr veräußerte die Klägerin auf Vermittlung durch einen Herrn … insgesamt 20 Kraftfahrzeuge VW Golf an die B mit Sitz in X in England. Die von der Klägerin eingeholte einfache Bestätigungsabfrage für die von der B angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verifizierte diese als gültig.

3

Als Käufer für die ersten zehn Kraftfahrzeuge war zunächst in den verbindlichen Bestellungen die Firma V in London benannt. Die Klägerin änderte dies später auf die Firma B durch Überkleben des Adressfeldes. Die Klägerin rechnete beide Bestellungen jeweils einschließlich Transportkosten und einer Gebühr für die Kfz-Briefe gegenüber der B mit Rechnungen vom 31. Juli 2007 -erste Bestellung- bzw. vom 7. November 2007 -zweite Bestellung- ohne Umsatzsteuer ab. B veräußerte die Kraftfahrzeuge aufgrund mündlicher Vereinbarung an die Firma C in Y in England mit Ausweis von britischer Mehrwertsteuer weiter.

4

Die Fahrzeuge wurden durch eine Spedition …- transportiert, wobei ein Fahrzeugtransport durch die …. als Unterfrachtführer … abgewickelt wurde. Die ersten zehn Kraftfahrzeuge wurden am 26. Juli 2007 bzw. am 1. August 2007 von der Spedition bei der Klägerin abgeholt. Die zweiten zehn Kraftfahrzeuge wurden am 7. November 2007 bzw. ein Fahrzeug am 18. Dezember 2007 von der Spedition bei der Klägerin abgeholt. Empfänger der Lieferungen war ausweislich der Frachtbriefe jeweils die C, wobei 11 Fahrzeuge unmittelbar nach Y  und 9 Fahrzeuge nach Z in Wales transportiert wurden.

5

Die Klägerin behandelte die Fahrzeuglieferungen umsatzsteuerlich als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Im Anschluss an eine Umsatzsteuernachschau sah der Beklagte aufgrund einer Auskunft der britischen Finanzbehörden, nach der B und V als sog. "missing trader" und als Beteiligte eines Umsatzsteuerbetruges einzustufen seien, die Lieferungen der Fahrzeuge als steuerpflichtig an und erfasste in dem Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14. Mai 2009 die erklärten steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen als steuerpflichtige Umsätze. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und reichte eine geänderte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein, der der Beklagte in Hinblick auf die Übrigen nicht streitgegenständlichen Umsatze mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 18. September 2009 folgte.

6

Während des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin sog. weiße Speditionsbescheinigungen mit Ausstellungsdatum vom 7. Juli 2009 vor, wonach B den Auftrag zum Transport der Kraftfahrzeuge an die Spedition erteilt hatte.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 wurde der Einspruch zurückgewiesen, da der Beklagte den Buch- und Belegnachweis nicht als erbracht ansah und Vertrauensschutz nicht zu gewähren sei. Nach den Feststellungen des Operativen Ermittlungs-Teams der Finanzverwaltung seien sowohl B als auch V sowie der Vermittler .. nach Überprüfung durch die englischen Finanzbehörden als missing trader Beteiligte an einem Umsatzsteuerbetrug. Die Klägerin müsse gewusst haben, dass möglicherweise ein Umsatzsteuerbetrug geplant gewesen sei.

8

Das Gericht gab der daraufhin erhobenen Klage mit Urteil vom 4. Dezember 2012 - 6 K 2104/10 statt, da nach den Feststellungen des Gerichts nicht feststehe, dass die Klägerin Kenntnis vom Weiterverkauf der Kraftfahrzeuge gehabt habe.

9

Auf die daraufhin vom Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ließ der BFH mit Beschluss vom 16. Juli 2013 – XI B 12/13 die Revision zu. Mit Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13 hob der BFH das Urteil des Gerichts auf und verwies die Sache an das Gericht zurück. Entgegen der Auffassung des Gerichts, welches von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen sei, da dem Gericht die Rechtsgrundsätze aus dem Urteil des Senats vom 28. Mai 2013 (XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524) noch nicht bekannt gewesen seien, seien die streitbefangenen Lieferungen nicht allein wegen fehlender Kenntnis der Klägerin von der Veräußerung der Kraftfahrzeuge durch die B an die C als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Für die zu treffende Zuordnung fehle die Feststellung aller besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die Prüfung, ob zwischen der B und der C die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über die Kraftfahrzeuge zu verfügen, stattgefunden habe, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgt sei. Dabei sei nicht auf die subjektive Kenntnis der Klägerin abzustellen, sondern die objektiven Umstände seien maßgeblich. Daher seien im zweiten Rechtsgang Feststellungen dazu nachzuholen, wann B die Verfügungsmacht an den Kraftfahrzeugen auf C übertragen habe.

10

Die Klägerin trägt ergänzend zu ihrem Vorbringen im ersten Rechtszug vor, es widerspreche der Auffassung des BFH, eine Verschaffung der Verfügungsmacht allein aus der Übergabe an die beauftragte Spedition herzuleiten. Die Beauftragung der Spedition ergebe sich bereits aus den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils des Gerichts. In Kenntnis dieses Sachverhalts habe der BFH in seinem Urteil vom 25. Februar 2015 darauf hingewiesen, dass die Grundsätze aus seinen Urteilen vom 28. Mai 2013 (XI R 11/09) und vom 25. Februar 2015 (XI R 15/14) auch dann zu beachten seien, wenn der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung befördere oder versende. Der BFH weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht danach zu unterscheiden sei, wer die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung übernommen habe. Der Beklagte setze die Übergabe der Fahrzeuge durch sie an die Spedition einer Eigentumsübertragung gleich. Seiner Ansicht nach sei die Spedition dabei als Besitzmittler für die C aufgetreten. Der Beklagte verkenne hierbei aber, dass der zivilrechtliche Eigentumserwerb neben der Übergabe auch eine Einigung über den Eigentumsübergang voraussetze. Der Beklagte führe hierzu aus, dass allein der vereinbarte Eigentumsvorbehalt dem nicht entgegenstehe. Sie habe aber keine Eigentumsübertragung an die C bewirken wollen und deshalb habe keine Einigung über den Eigentumserwerb bestanden. Der BFH habe in seinem Urteil vom 25. Februar 2015 bereits zutreffend ausgeführt, alle Beteiligten seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Lieferung in Großbritannien steuerbar und steuerpflichtig sei, was unter fremden Dritten ein gewichtiges Indiz darstelle, dass dies den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Auch nach der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarungen seien die Beteiligten davon ausgegangen, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung von ihr an den Ersterwerber vorliege. Die Indizwirkung dieses konkreten Verhaltens entfalle auch nicht dadurch, dass es sich bei B nach Einschätzung der britischen Finanzverwaltung um einen sog. "missing trader" handele. Sie habe von betrügerischen Absichten keine Kenntnis gehabt, wie das Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2012 zutreffend festgestellt habe. Zum anderen verlange ein solcher betrügerischer Tatplan, wie er vom Beklagten angenommen werde, gerade, dass die innergemeinschaftliche Lieferung im Rahmen der ersten Lieferung vorliege. Der Beklagte bemühe sich, das Regel–Ausnahme–Verhältnis, wonach im Rahmen eines Reihengeschäfts die Zuordnung der Warenbewegung zu der ersten Lieferung die Regel sei, umzukehren. In dieser Hinsicht sei die Rechtsprechung des BFH unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Euro Tyre Holding und VSTR eindeutig. Soweit der Beklagte eine Zuordnung zu der zweiten Warenlieferung vornehme, stütze er sich auf eine Aussage des BFH, die nur für den Fall gelte, dass der Zweiterwerber die Ware persönlich abhole. Auch aus dem Urteil des Gerichts vom 11. August 2015 (3 K 1637/13) könne der Beklagte nichts für seine Auffassung herleiten. Denn in dem dort entschiedenen Fall habe das Gericht seine Entscheidung darauf gegründet, dass –ausnahmsweise– eine Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung zu erfolgen habe, weil der erste Abnehmer bei der Verladung persönlich anwesend gewesen sei. Letztendlich verteidige der Beklagte in seinen Ausführungen lediglich die in Abschnitt 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE niedergeschriebene Verwaltungsauffassung, zu der der BFH in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2015 schon festgestellt habe, dass diese mit der Rechtsprechung des EuGH nicht in vollem Umfang vereinbar sei. Die Ansicht des Beklagten zum Erstarken der Bedeutung des Buch- und Belegnachweises nach neueren Entscheidungen des V. Senats des BFH führe im Streitfall zu keiner anderen Beurteilung, da der XI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 25. Februar 2015 bereits festgestellt habe, dass es auf das Erfordernis des Buch- und Belegnachweises im vorliegenden Falle nicht ankomme, es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten als formelle Anforderung verhindere den sicheren Nachweis, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt seien oder eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorliege. Eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung könne hier bereits deswegen nicht vorliegen, da sie hiervon keine Kenntnis gehabt habe. Sie habe die Lieferung an die B vorgenommen und sei von dieser informiert worden, dass die Spedition die Fahrzeuge für die B abhole. Für eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung lägen keine Anhaltspunkte vor. Unbestritten hätten im Streitfall die gelieferten Kraftfahrzeuge das Inland verlassen und seien nach England gelangt. Die Lieferung sei an einen Unternehmer erfolgt, der zu Erwerbsbesteuerung verpflichtet sei, sodass die materiell–rechtlichen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Dem stünde auch die aktuelle Rechtsprechung des V. Senats des BFH nicht entgegen, da dieser in seiner Entscheidung vom 22. Juli 2015 (V R 38/14) vielmehr feststelle, dass Lieferungen trotz Mängeln von CMR–Frachtbriefen steuerfrei seien, wenn objektiv feststehe, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Demnach sei auch für den V. Senat des BFH letztendlich entscheidend, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben seien. Die Ansicht des Beklagten zu einem Erstarken der Bedeutung des Buch– und Belegnachweises sprenge vielmehr den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage.

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Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 18. September 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze um 369.634 € reduziert und die steuerfreien Umsätze um 439.865 € erhöht werden.

12

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte trägt ergänzend zu seinem Vorbringen im ersten Rechtszug vor, nach bislang völlig herrschender Meinung, der auch die Verwaltungsauffassung in Abschnitt 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE entspreche, sei im Fall eines Reihengeschäfts, bei dem der Liefergegenstand durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet werde, die Warenbewegung der Lieferung an den letzten Abnehmer zuzuordnen. Nach dem Urteil des BFH vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13 sei die Verschaffung der Verfügungsmacht ausschlaggebend für die Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft. Zwar werde die Verfügungsmacht nicht stets bereits mit dem Übergang des Eigentums oder der bloßen körperlichen Übergabe verschafft; gleichwohl sei im Fall der Abholung eines Liefergegenstandes durch den Letzterwerber aber in aller Regel davon auszugehen, dass mit der Übergabe an diesen bzw. dessen Beauftragten die Verfügungsmacht auf den Letzterwerber übergegangen sei. Denn dieser übernehme die Ware körperlich beim Lieferanten und transportiere sie in eigener Verantwortung für sich an den Bestimmungsort. Der Lieferer habe zu diesem Zeitpunkt alles Erforderliche für den Eintritt des Liefererfolgs getan. Nur in völlig atypisch gelagerten Fällen könne angenommen werden, dass die Verfügungsmacht bei Abholung durch den Letzterwerber noch nicht auf diesen übergehe, etwa wenn der Liefergegenstand zwar übergeben werde, aber nach der Übergabe vom Abnehmer bis zu einem späteren Lieferzeitpunkt zunächst als Mieter genutzt werden solle. Davon, dass der Übergang der Verfügungsmacht bei Abholung durch den Letzterwerber typischerweise noch am Abgangsort stattfinde, gehe offensichtlich auch der BFH in dem Urteil vom 25. Februar 2015 aus, wenn er ausführe, dass dies "oftmals" der Fall sei und sich allenfalls aus den Gesamtumständen "Abweichendes" ergeben könne. Er beziehe sich damit vielmehr gerade auf die Ausführungen des BFH, wonach ein Übergang der Verfügungsmacht in Fällen wie dem Streitfall meist der Fall sein werde. Insofern sei lediglich der Leitsatz desselben Urteils irreführend, weil dieser die Annahme nahe lege, dass der bei Abholung durch den Letzterwerber tatsächliche Regelfall, nämlich der Übergang der Verfügungsmacht, die Ausnahme darstelle. Tatsächlich sei es –offenkundig auch nach Auffassung des BFH- gerade umgekehrt. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach das Innehaben der Transportverantwortung beim in der Mitte stehenden Erwerber keinen Rückschluss auf die Verschaffung der Verfügungsmacht zulasse, gebe für die Beurteilung der Verschaffung der Verfügungsmacht im Streitfall nichts her. Ein Rückschluss aus der Transportverantwortlichkeit auf das Innehaben der Verfügungsmacht könne dann nicht verworfen werden, wenn der letzte Abnehmer die Gegenstände befördert oder versendet habe. Die Frage, wann und wo der Zweiterwerber Verfügungsmacht über die Fahrzeuge erhalten habe, sei nach objektiven Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Subjektive Vorstellungen der Beteiligten beeinflussten den objektiv verwirklichten Tatbestand nicht. Denn könnte ein verwirklichter steuerlicher Tatbestand durch eine gegebenenfalls falsche steuerliche Würdigung durch die Beteiligten geändert werden, bekäme die Rechtsfolge Tatbestandswirkung. Im Streitfall hätten die Beteiligten vom tatsächlichen Ablauf abweichende Vereinbarungen zum Eigentumsübergang der Kraftfahrzeuge nicht getroffen. Insbesondere sei auch nicht vereinbart gewesen, dass das Eigentum an den Kraftfahrzeugen auf den Zweiterwerber erst dann übergehe, wenn die Kraftfahrzeuge bei diesem im Bestimmungsland ankämen. Vielmehr seien die Kraftfahrzeuge auf dem Gelände der Klägerin dem vom Zweiterwerber beauftragten Spediteur ohne weitere Einschränkungen zum Transport nach England übergeben worden. Die Klägerin habe damit die eigene Verfügungsmacht an den Fahrzeugen aufgegeben. Für die Beurteilung, wann und wo die Verfügungsmacht auf den zweiten Erwerber übergegangen sei, könne es im Übrigen keinen Unterschied machen, ob der Abnehmer persönlich oder ein von ihm beauftragter Dritter den Gegenstand bei dem Lieferer abhole. Für den Streitfall sei damit die Verfügungsmacht bereits im Zeitpunkt der Übergabe der Kraftfahrzeuge durch den Lieferer auf den vom letzten Abnehmer beauftragten Dritten, mithin im Inland, übergegangen und die Warenbewegung der zweiten Lieferung des Ersterwerbers an den Zweiterwerber zuzuordnen. Ungeachtet dessen könnten vorliegend aus der Rechnungsstellung auch keine belastbaren Indizien für die Tatbestandsverwirklichung hergeleitet werden. Die Klägerin habe im Jahr 2007 noch keine Kenntnis von der Weiterveräußerung vom Ersterwerber an den Letzterwerber und damit von dem Umstand, dass es sich vorliegend um ein Reihengeschäft gehandelt habe, gehabt. Aus diesem Grund könne die aus subjektiver Sicht der Klägerin erfolgte Rechnungsstellung ohne Umsatzsteuer nicht das allein entscheidende Indiz für die nach objektiven Umständen zu beurteilende Zuordnung der "bewegten" Warenlieferung sein. Dem ersten Lieferer seien die objektiven Umstände des Reihengeschäfts gar nicht bekannt gewesen. Ebenso könne aus dem Umstand, dass der Ersterwerber dem Zweiterwerber eine Rechnung mit britischer Mehrwertsteuer ausgestellt habe, kein Rückschluss dahingehend getroffen werden, dass der Ersterwerber dem Zweiterwerber die Verfügungsmacht erst in England habe verschaffen wollen. Aus der Rechtsprechung des BFH zu der Frage, wann im Fall einer Beförderung oder Versendung Verfügungsmacht verschafft werde, lasse sich nicht entnehmen, dass aus der Tatsache, wie fremde Dritte über eine Lieferung fakturierten, Rückschlüsse auf die Verschaffung der Verfügungsmacht hergeleitet werden könne. Der BFH habe selbst erkannt, dass in dem Fall, in dem der Zweiterwerber den Liefergegenstand beim Lieferer persönlich abhole bzw. die Abholung des Liefergegenstand beim Lieferer durch einen selbstständigen Bevollmächtigten veranlasse, dem Zweiterwerber die Verfügungsmacht in aller Regel bereits im Inland verschafft werde. Das Indiz der Rechnungsstellung unter fremden Dritten könne für die Frage, wann und wo der Zweiterwerber Verfügungsmacht über die Fahrzeuge erhalten habe – sofern dieses Indiz überhaupt für die Frage der Verschaffung der Verfügungsmacht brauchbar sei –, nicht höher bewertet werden als das Indiz der Transportveranlassung/–verantwortlichkeit. Außerdem könne im Streitfall die Tatsache, dass der Ersterwerber die auf den Rechnungen an den Zweiterwerber ausgewiesene britische Mehrwertsteuer bei der britischen Finanzverwaltung weder angemeldet noch bezahlt habe, nicht unberücksichtigt bleiben. Eine zwischen den Beteiligten übereinstimmende Beurteilung des Sachverhalts könne daher aus deren steuerlichem Verhalten nicht, auch nicht indiziell, hergeleitet werden, weil der Ersterwerber den vorgeblich verwirklichten Sachverhalt nicht entsprechend steuerlich behandelt habe.

14

Sollte das Gericht – entgegen der vorstehend begründeten Auffassung – die Warenbewegung der Lieferung der Klägerin an den Zwischenerwerber zuordnen, so wäre dafür eine Steuerbefreiung gleichwohl zu versagen. Denn die dafür vorgeschriebenen Belegnachweise seien nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des V. Senats des BFH, die der XI. Senat bei seiner Entscheidung vom 25. Februar 2015 noch nicht habe berücksichtigen können (Urteile vom 19. März 2015 – V 14/14 sowie vom 22. Juli 2015 – VR 23/14 und V R 38/14), nicht als ausreichend anzusehen. Die von der Klägerin vorgelegten CMR–Frachtbriefe seien teilweise widersprüchlich und stimmten nicht mit der Buchführung der Klägerin und weiteren vorgelegten Belegen überein. Die ergänzend vorgelegten Versandbestätigungen stimmten teilweise nicht mit den Angaben in den CMR–Frachtbriefen überein und aus den nachträglich ausgestellten sog. weißen Spediteurbescheinigungen gehe ebenfalls nicht zweifelsfrei hervor, wer Auftraggeber des Spediteurs sei und wohin die streitgegenständlichen Fahrzeuge gelangt seien. Auch seien die Verbringensbestätigungen nachträglich erstellt und damit zum Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung ungeeignet. Ergänzend wird zu den Einzelheiten der vom Beklagten dargelegten Unstimmigkeiten auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26. November 2015 (Blatt 350ff der Prozessakte) verwiesen. Der fehlende Buch– und Belegnachweis könne nicht durch eine anderweitige Nachweisführung ersetzt werden, da der V. Senat des BFH in der vorgenannten Grundsatzentscheidung vom 19. März 2015 (VR 15/14) die Nachweisführung anhand der Buch– und Belegnachweise als zwingend angesehen habe und die Bedeutung der Buch– und Belegnachweise deutlich gestärkt und im Ergebnis wieder in die Nähe der früher herrschenden Meinung gerückt werde, wonach diese materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung seien. Die Widersprüchlichkeit der Belegnachweise sei für die Klägerin auch erkennbar gewesen. Es seien umfangreiche Nachforschungen erforderlich gewesen, um den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt aufzuklären, da dieser nicht klar aus den Belegen hervorgegangen sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beklagte den Sachverhalt, wie er sich im Ergebnis dargestellt habe, aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr bestritten habe. Die von der Rechtsprechung des BFH aufgestellte Bedingung, dass die Nichterfüllung der formellen Anforderungen für die Steuerbefreiung nur dann unschädlich sei, wenn zweifelsfrei feststehe, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien, diene im Ergebnis einer einfachen Anwendung der Steuerbefreiung, die konterkariert würde, wenn auch jedes andere Beweismittel zugelassen wäre. Die Klärung des Sachverhalts und die Überprüfung des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen sei im Streitfall wegen der unklaren Beleglage alles andere als einfach gewesen und habe nicht alle Restzweifel beseitigen können. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH stehe der Klägerin damit die Steuerbefreiung mangels ausreichenden Belegnachweises auch für den Fall nicht zu, dass ihre Lieferung als die bewegte Lieferung im Reihengeschäft angesehen werden sollte.

15

Schließlich sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz zu gewähren, da die Klägerin die Fehlerhaftigkeit der Belege und deren Widersprüchlichkeit sowohl hinsichtlich des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts als auch hinsichtlich dessen buchmäßiger Aufzeichnung habe erkennen können und müssen. Die Klägerin sei daher nicht in einem etwaigen Vertrauen auf einen möglicherweise vorgetäuschten Sachverhalt geschützt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht die Steuerbefreiung für die streitgegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen versagt.

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1. Eine gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat -Nr. 1-, der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat -Nr. 2 Buchst. a-, und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt -Nr. 3-. Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 der UStDV geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben -sog. Belegnachweis-. Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss -sog. Buchnachweis-. Die Voraussetzungen müssen gem. § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402).

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2. Nach der Rechtsprechung des BFH unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gem. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen, wenn bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt (vgl. BFH–Urteil vom 11. August 2011 – V R 3/10, BStBl. II 2003, 616).

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Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG Folgendes:

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"1. Lieferungen, die der Beförderungs– oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.

21

2. Lieferungen, die der Beförderungs– oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

22

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet. Weder Art. 14 MwStSystRL noch Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL unterscheiden danach, wer die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung übernommen hat, so dass auch in diesem Fall zu ermitteln ist, wann und wo der Zweiterwerber Verfügungsmacht erhalten hat. Außerdem handelt es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht und der Warenbewegung um separate Tatbestandsmerkmale. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen, die Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, und die physische Verbringung der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen, keine weiteren Voraussetzungen für die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung aufgestellt werden. Im Rahmen der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist darauf abzustellen, ob die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, durch den Ersterwerber auf den Zweiterwerber stattgefunden hat, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlassen hat. Ist eine Lieferung des Ersterwerbers an den Zweiterwerber bereits im Inland erfolgt, kann die Warenbewegung im Reihengeschäft nicht mehr der ersten Lieferung vom Veräußerer an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402). Es ist aber davon auszugehen, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391).

23

Weder die Tatsache, dass der Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt war, noch der Umstand, dass die Gegenstände nicht zur Adresse des Ersterwerbers befördert wurden, können es für sich genommen ausschließen, die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen. Hingegen kann der Umstand, dass die Beförderung vom Eigentümer des Gegenstands oder für dessen Rechnung durchgeführt wird, bei der Entscheidung, ob diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zugeordnet wird, eine Rolle spielen. Dies setzt voraus, dass ihm vor der Beförderung oder Versendung die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand der Lieferung zu verfügen, übertragen worden ist. Die Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein. Deshalb wird in dem Fall, dass der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung beim ersten Lieferer persönlich abholt, oftmals dem Zweiterwerber Verfügungsmacht verschafft und die Warenbewegung folglich der zweiten Lieferung zuzuordnen sein. Allerdings kann sich aus den Gesamtumständen im Einzelfall Abweichendes ergeben, wobei nicht allein auf die subjektive Kenntnis des ersten Lieferers abzustellen ist, sondern die objektiven Umstände maßgeblich sind (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402). Die Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf ist für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen–)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich (vgl. BFH–Urteil vom 28. Mai 2013 – XI R 11/09, UR 2013, 756).

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3. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich im Streitfall nicht feststellen, dass die B der C die Verfügungsmacht an den streitgegenständlichen Kraftfahrzeugen bereits im Inland verschafft hat.

25

Die Verschaffung der Verfügungsmacht bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BFH in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag. Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann danach z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein. Die Frage, ob, wann und wo eine Lieferung erfolgt ist, d.h. die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, ist nach der Rechtsprechung des EuGH von den nationalen Gerichten anhand des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, d.h. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächliche Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391).

26

Nach diesen Grundsätzen sprechen im Streitfall die Umstände dagegen, dass die B der C die Verfügungsmacht an den streitgegenständlichen Kraftfahrzeugen bereits im Inland verschafft hat.

27

a) Ein Indiz gegen die Übertragung der Verfügungsmacht von der B an die C ist in dem Umstand begründet, dass die B und die C die zweite Lieferung mit britischer Mehrwertsteuer abgerechnet haben, also -wie die Klägerin- davon ausgegangen sind, die zweite Lieferung sei in England steuerbar und steuerpflichtig. Sowohl die B als auch die C haben offenbar -wie die Klägerin- angenommen, dass die Befugnis, über die Kraftfahrzeuge wie ein Eigentümer zu verfügen, erst in England übertragen worden ist. Wenn alle am Reihengeschäft beteiligten Personen fremde Dritte sind und übereinstimmend davon ausgehen, die Warenbewegung sei einer bestimmten Lieferung zuzuordnen, ist dies ein Indiz dafür, dass dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402).

28

Aus dem mündlich geschlossenen Kaufvertrag zwischen der B und der C lassen sich insoweit keine abweichenden Vereinbarungen erkennen, da die Steuerfahndung hierzu keine näheren Umstände in Erfahrung gebracht hat.

29

Auch bei Reihengeschäften ist eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten und dem Bestimmungsmitgliedstaat kann das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber beim ersten Erwerber zu besteuern, nicht durch eine –bloße- Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772). Der Interessenlage der Finanzverwaltung, die Lieferung von der Klägerin an die B im Inland zu besteuern, stehen insoweit aber die Interessenlage der Beteiligten und die konkreten vertraglichen Vereinbarungen sowie deren tatsächliche Durchführung entgegen.

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b) Auch wenn die Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen–)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich ist (vgl. BFH–Urteil vom 28. Mai 2013 – XI R 11/09, UR 2013, 756), so kann der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin von einem Weiterverkauf der streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge von der B an die C wusste, als Indiz dafür angesehen werden, dass die Klägerin nicht als Dritte in einen Vorgang zur Verschaffung der Verfügungsmacht von der B an die C eingeschaltet wurde.

31

Der Begriff der Lieferung bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 - V R 4/98, BStBl. II 1999, 628).

32

Da nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin von dem Weiterverkauf der streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge wusste, kann somit auch nicht davon ausgegangen werden, dass die B die Klägerin mit der Übertragung der Verfügungsmacht auf die C beauftragt hat oder die Klägerin sonst der C die Verfügungsmacht verschaffen wollte.

33

Insoweit bestand für die Klägerin auch keine Veranlassung, sich zur Minimierung von Risiken z.B. vom Erwerber versichern lassen, dass der Erwerber die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen, nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772).

34

Der Geschäftsführer der Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz angegeben, dass er von der B darüber informiert worden sei, die Kraftfahrzeuge würden von der Spedition für die B abgeholt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin entgegen ihren Interessen der C die Verfügungsmacht bereits im Inland verschafft hat. Soweit der BFH von der Verschaffung der Verfügungsmacht (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772) und der EuGH von der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber spricht (vgl. EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2014 – C-492/13, UR 2014, 943), ist dabei von einem Vorgang mit dem Ziel des Übergangs dieses Rechts auf den Erwerber auszugehen, der in Abgrenzung zu einem bloßen Anfall dieses Rechts von einem Willen getragenen ist. Ein solcher Wille der Klägerin zur Übertragung dieses Rechts auf die C ist im Streitfall nicht feststellbar und kann auch nicht angenommen werden. Eine Verschaffung der Verfügungsmacht an den Zweiterwerber im Inland hätte auch den Interessen der Klägerin entgegengestanden. Denn die Klägerin hat nach ihren Vorstellungen und nach ihren Willensbekundungen die Lieferung an die B gerade als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ausgeführt.

35

c) Die Beförderung der streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge durch die hierzu für den Transportvorgang eingeschaltete Spedition … bzw. deren Unterfrachtführer ist im Streitfall unerheblich.

36

Weder allein der Besitz befähigt den Besitzer noch allein die Beförderung eines Gegenstands den Beförderer dazu, über Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391).

37

Der BFH hat bereits in seinem zurückverweisenden Urteil deutlich darauf hingewiesen, dass der vom Beklagten für seine Auffassung herangezogene Abschn. 3.14. Abs. 8 Satz 2 UStAE mit der Rechtsprechung des EuGH nicht in vollem Umfang vereinbar ist, da weder die Tatsache, dass der Zweiterwerber C an der Beförderung beteiligt war, noch der Umstand, dass die Gegenstände nicht zur Adresse des Ersterwerbers B befördert wurden, es für sich genommen ausschließen können, die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen. Es kann daher bei einem Reihengeschäft für die Frage der Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung nicht allein entscheidend sein, ob der letzte Abnehmer eines Reihengeschäfts die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes übernommen hat. Hingegen kann der Umstand, dass die Beförderung vom Eigentümer des Gegenstands oder für dessen Rechnung durchgeführt wird, bei der Entscheidung, ob diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zugeordnet wird, eine Rolle spielen. Dies setzt voraus, dass ihm vor der Beförderung oder Versendung die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand der Lieferung zu verfügen, übertragen worden ist (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402).

38

Dies ist im Streitfall aber gerade nicht ersichtlich. Insbesondere hat die C die streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge nicht persönlich bei der Klägerin abgeholt.

39

Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des EuGH, auf die sich der BFH in den vorgenannten Urteilen bezieht, die Tatsache, dass der Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt war, kein Anhaltspunkt, der den Schluss zulässt, dass diese Beförderung der zweiten Lieferung zuzurechnen ist (vgl. EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 – C-430/09 –Euro Tyre Holding, Slg 2010, I-13335).

40

d) Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts, dass in den Rechnungen der B an die C ein Eigentumsvorbehalt vereinbart war.

41

In den vom Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 6. April 2011 beispielhaft vorgelegten Rechnungen der B an die C vom 11. Juli 2007 und vom 17. Oktober 2007 ist ergänzend angegeben: "IT IS A CONDITION OFF SALE THE TITLE TO THE GOODS ABOVE SHALL NOT PASS TO THE PURCHASER UNTIL PAYMENT IN FULL HAS BEEN RECEIVED". Eine Verschaffung der Verfügungsmacht kommt aufgrund der Vereinbarung dieses Eigentumsvorbehalts daher erst dann in Betracht, wenn der Rechnungsbetrag für die gelieferten Kraftfahrzeuge von der C an die B bezahlt worden ist. Zu der Bezahlung der Kraftfahrzeuge von der C an die B sind keine Feststellungen durch die Steuerfahndung getroffen worden und der Zeitpunkt der Zahlung ergibt sich auch nicht aus den von der britischen Finanzverwaltung erteilten Auskünften.

42

Daher kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass der C durch die B die Verfügungsmacht an den streitgegenständlichen Kraftfahrzeugen bereits vor der Abholung bei der Klägerin im Inland verschafft wurde. Da es aber dem Beklagten oblegen hätte, den Nachweis dafür zu führen, dass die Vermutungsregelung, wonach die Lieferung bei einem Reihengeschäft in der Regel der Lieferung von dem Verkäufer an den Ersterwerber zuzuordnen ist, ausnahmsweise nicht angewendet werden kann, geht hier zu seinen Lasten, dass er diesen Nachweis nicht geführt hat (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402 unter Hinweis auf das BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391). Vielmehr ist nach dem Regelfall die Warenbewegung der Lieferung von der Klägerin an die B zuzurechnen und der Klägerin somit die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftlichen Lieferungen zu gewähren.

43

e) Auf das Erfordernis der Beleg- und Buchnachweise kommt es damit nicht an (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II 2010, 511, vom 12. Mai 2011 - V R 46/10, BStBl. II 2011, 957 und vom 15. Februar 2012 - XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188).

44

Ebenso ist für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich, dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden. Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht der Steuerbefreiung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2014 – XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358). Denn Sinn und Zweck der Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergeht, ist auch die Vermeidung der Doppelbesteuerung und eine damit einhergehende Verletzung des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität. Dabei muss die Aufteilung des Risikos zwischen dem Lieferanten und der Finanzverwaltung aufgrund eines von einem Dritten begangenen Betrugs mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein (vgl. EuGH-Urteil vom 27. September 2007 – C-409/04 -Teleos-, BStBl. II 2009, 70). Dies wäre aber nicht der Fall, wenn dem Lieferanten unabhängig von einer Beteiligung an einem Mehrwertsteuerbetrug das Risiko aufgebürdet würde, dass der Erwerber in dem Bestimmungsmitgliedstaat den innergemeinschaftlichen Erwerb besteuert.

45

Der Streitfall ist auch nicht mit den durch Urteile des BFH vom 19. März 2015 (V R 14/14, BStBl. II 2015, 912) und vom 22. Juli 2015 (V R 23/14, BStBl. II 2015, 914 und V R 38/14, UR 2015, 793) entschiedenen Fällen vergleichbar. Zunächst einmal handelte es sich dort nicht um Reihengeschäfte. Entscheidend ist aber, dass in den dort entschiedenen Fällen der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht geklärt war und auch nicht objektiv feststand, dass die Fahrzeuge aufgrund der streitgegenständlichen Lieferung in das übrige Unionsgebiet gelangt sind. Aber auch nach dieser neueren Rechtsprechung des V. Senats des BFH ist die Lieferung trotz Mängeln des Beleg- und Buchnachweises steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 2015 – V R 38/14, UR 2015, 793 und vom 18. Februar 2016 – V R 53/14, BFH/NV 2016, 869). Auf den Beleg- und Buchnachweis kommt es bei Reihengeschäften nur dann an, wenn der Verstoß gegen die Nachweispflichten als formelle Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind oder eine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2015 - XI R 30/13, UR 2015, 402). Dies ist im Streitfall aber nicht ersichtlich. Die streitgegenständlichen Lieferungen sind daher nach den vom BFH in dem zurückverweisenden Urteil gegebenen Hinweisen (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402) als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei zu belassen.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711ZPO.

47

Die Revision wird in Hinblick auf die von Wäger in UR 2015, S. 576 (Diskussionsfall innergemeinschaftliches Reihengeschäft – Gehört Lübeck noch zum Inland? –) und UR 2016, 144 (Rechtsprechungsauslese 2015) geäußerte abweichende Auffassung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Mai 2016 - 3 K 1364/15

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Mai 2016 - 3 K 1364/15

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Mai 2016 - 3 K 1364/15 zitiert 9 §§.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 6a Innergemeinschaftliche Lieferung


(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17a Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen


(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wen

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17c Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen


Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig un

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Bundesfinanzhof Urteil, 19. März 2015 - V R 14/14

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Bundesfinanzhof Urteil, 25. Feb. 2015 - XI R 15/14

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Tenor

I. Der Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 18. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 wird dahingehend geändert, dass die steuerpflichtigen Umsätze um 369.634,53 Euro reduziert und die steuerfreien Umsätze um 439.865,10 Euro erhöht werden.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Streitig ist die umsatzsteuerliche Beurteilung des Verkaufs von zwanzig neuen VW Golfs durch die Klägerin an einen Abnehmer mit Sitz in England im Jahr 2007 im Rahmen eines Reihengeschäfts.

2

Die Klägerin betreibt als Vertragshändlerin des Volkswagenkonzerns ein Autohaus mit Werkstatt und Gebrauchtfahrzeughandel. Mit zehn Rechnungen vom 31. Juli 2007 veräußerte sie unter Vermittlung von Herrn O. S. zehn Neufahrzeuge zum Preis von jeweils 21.696,51 Euro inklusive Transportkosten und Kfz-Briefgebühr (gesamt: 216.965,10 Euro) an die Firma S Transport Services Limited (im Folgenden "S") mit Sitz in C in England (Rechnungen Bl. 66 bis Bl. 75 d. PrA.). Weitere zehn Fahrzeuge veräußerte sie zum Preis von jeweils 22.290,00 Euro inklusive Transportkosten und Kfz-Briefgebühr (gesamt: 222.900,00 Euro) mit Rechnungen vom 7. November 2007 ebenfalls an die Firma S mit Sitz in C (Rechnungen Bl. 76 bis 95 d. PrA.). Die von S angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer "GB...083" wurde von der Klägerin mit einfacher Bestätigung am 26. Juli 2007 und am 30. August 2007 erfolgreich als gültig verifiziert (Bl. 32 d. PrA.).

3

Als Käufer für die ersten zehn VW Golfs war zunächst in den verbindlichen Bestellungen die Firma C Limited in London benannt (z.B. Bl. 18 d. Bp-Akte). Die Klägerin änderte dies später auf die Firma S durch Überkleben des Adressfeldes (z.B. Bl. 21 d. Bp-Akte). Die Fahrzeuge wurden durch eine Spedition "C Services" transportiert (CMR Frachtbriefe Bl. 104 ff. d. PrA.), wobei ein Fahrzeugtransport durch die E Ltd. als Unterfrachtführer der C Services Ldt. (CS) abgewickelt wurde (Bl. 164 d. PrA.). Die VW Golfs des ersten Kaufpakets wurden am 26. Juli 2007 bzw. am 1. August 2007 von der Spedition bei der Klägerin in B abgeholt (vgl. CMR-Frachtbriefe, Bl. 105 und Bl. 107 d. PrA.). Die Golfs des zweiten Kaufpaktes am 7. November 2007 bzw. ein Fahrzeug am 18. Dezember 2007 (vgl. CMR-Frachtbriefe, Bl. 108 f. d.PrA.). Empfänger der Lieferungen war ausweislich der Frachtbriefe jeweils die Firma W, wobei 11 Fahrzeuge unmittelbar nach S (GB) (Bl. 104 ff. d. PrA.) und 9 Fahrzeuge nach T (GB) (Bl. 108 d. PrA. bzw. Bl. 48 d. Bp-Akte) geliefert wurden.

4

Im Rahmen eines während des Klageverfahrens vom Beklagten angestrengten Auskunftsersuchen vom 29. Dezember 2010 an die britische Finanzverwaltung konnte folgender weiterer Sachverhalt ermittelt werden (siehe Antwort Bl. 172 d. PrA.): Danach verkaufte S alle Fahrzeuge an die Firma W aufgrund mündlicher Vereinbarung unter Rechnungsstellung mit Mehrwertsteuerausweis (siehe Beispielsrechnung Bl. 178 d. PrA.). Die ersten zehn Fahrzeuge wurden jeweils mit Rechnung vom 11. Juli 2007 zu einem Preis von jeweils 13.361,70 £ zzgl. 2.338,30 £ Mehrwertsteuer von S an die Firma W verkauft (Bl. 178 d. PrA.). Die weiteren zehn Fahrzeuge wurde mit Rechnung vom 17. Oktober 2007 zu einem Verkaufspreis von jeweils 14.212,77 £ zzgl. 2.487,23 £ Mehrwertsteuer von S an die Firma W Ltd. veräußert (Bl. 185 d. PrA.). Die Beauftragung der Spedition C Services, die Fahrzeuge bei der Klägerin abzuholen und zu W zu befördern, erfolgte durch Auftrag und auf Rechnung der Firma W Limited, vertreten durch ihren Geschäftsführer I. C. (Bl. 176 d. PrA.).

5

Die Klägerin behandelte die Fahrzeuglieferungen umsatzsteuerlich als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Im Anschluss an eine Umsatzsteuernachschau ging das Finanzamt aufgrund einer Auskunft der britischen Finanzbehörden davon aus, dass die Lieferung der Fahrzeuge steuerpflichtig sei. Der Beklagte erließ am 14. Mai 2009 einen Umsatzsteuerbescheid für 2007, indem er die erklärten steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen in Höhe von 439.865,10 Euro nicht anerkannte und in der Folge die steuerpflichtigen Umsätze um 369.634,53 Euro erhöhte (Bl. 6 d. Umsatzsteuerakte). Die Klägerin legte hiergegen form- und fristgerecht Einspruch ein (Bl. 8 d. Umsatzsteuerakte). Darüber hinaus reichte die Klägerin eine geänderte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein, der das Finanzamt bis auf die Behandlung der hier streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen mit geändertem Umsatzsteuerbescheid vom 18. September 2009 folgte (Bl. 65 d. PrA.).

6

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 75 ff. d. Umsatzsteuerakte). Nach Ansicht des Beklagten erfüllten die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen nicht die in § 6a Abs. 1 UStG gestellten Anforderung an eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (Bl. 82 d. Umsatzsteuerakte). Der Beklagte stützte seien Ausführungen sowohl auf den nicht erbrachten Buch- und Belegnachweis, als auch auf fehlenden Vertrauensschutz. Hinsichtlich des Sachverhalts legte er die Feststellungen des Operativen Ermittlungs-Teams der Finanzverwaltung zugrunde. Danach seien sowohl die Firma S Limited als auch die Firma C Limited sowie der als Vermittlungsperson auftretende Herr S nach Überprüfung durch die englischen Finanzbehörden als Missing Trader Beteiligte an einem Umsatzsteuer-Betrug. Das Finanzamt bestreite nicht, dass die Fahrzeuge nach England verbracht worden seien (Bl. 83 und Bl. 86 d. Umsatzsteuerakte). Allerdings seien die Fahrzeuge ausweislich der zeitnah erstellten Frachtbriefe an die Fa. W in S und nicht an die Firma S geliefert worden. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerin um die Sachverhalte wusste, die zur Umgehung der Steuerfreiheit führten (Bl. 83 und Bl. 84 d. Umsatzsteuerakte). Hierauf deute auch der Umstand hin, dass die Klägerin die Auftragsbestätigung mit einer anderen Firmenadresse überklebt habe (Bl. 84 d. Umsatzsteuerakte). Zudem sei die verbindliche Bestellung der Fahrzeuge für eine Firma aus England ausweislich der Faxkennung von einem spanischen Internetcafe erfolgt. Diese Tatsache hätte die Klägerin veranlassen müssen, sich eine Bevollmächtigung des Auftraggebers nachweisen zu lassen. Bei Betrachtung des gesamten Sachverhaltes dränge sich der Schluss auf, dass die Klägerin mehr wisse, als dem Finanzamt bekannt sei. Die Klägerin habe keine Nachweis erbringen können, dass die S Limited ihr tatsächliche Handelspartner gewesen sei.

7

Mit ihrer am 16. August 2010 beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Lieferungen. Die Klägerin trägt vor, der als Vermittler aufgetretene Herr S habe zunächst einen Kontakt zur Firma C hergestellt. Er habe sodann per e-mail am 25. Juli 2007 mitgeteilt, dass die Bestellung über S abgewickelt werden sollte (Bl. 35 und Bl. 143 d. PrA.) und folgende Anschrift mitgeteilt (Bl. 143 d. PrA.):

8

S ... Limited

T... Cottage

R... Lane D...

C... (Ort)

Grafschaft Postleitzahl

9

Zu diesem Zeitpunkt seien die Aufträge bereits geschrieben und adressiert gewesen. Da die Abholung der ersten Fahrzeuge bereits für den Folgetag vorgesehen gewesen sei, sei es einfacher gewesen, die neue Adresse auf Etiketten zu drucken und aufzukleben als den vollständigen Auftrag zu stornieren und neu anzulegen (Bl. 36 d. PrA.). Insofern sei auch der Vortrag des Beklagten in der Einspruchentscheidung widerlegt, die Klägerin habe keinen Grund für das Überkleben der Adressen gehabt (Bl. 36 d. PrA.). Die Klägerin könne die Steuerfreiheit buch- und belegmäßig nachweisen. Es existierten sowohl ein Doppel der jeweiligen Rechnungen sowie "weiße Speditionsbescheinigungen", die gemäß BMF-Schreiben vom 5.5.2010 als sonstiger handelsüblicher Beleg im Sinne des § 17a Abs. 4 Nr. 2 UStDV anerkannt würden. Ebenso existierten CMR-Frachtbriefe unter Ausweis der jeweiligen Fahrgestellnummer. Zusammen mit dem seitens der Spedition ausgestellten Certificate of Shipment stehe eindeutig fest, dass die Fahrzeuge nach England geliefert worden seien.

10

Zwar habe eine am 30. August 2007 gestartete qualifizierte Abfrage der Umsatzsteueridentifikationsnummer für die Firma S lediglich hinsichtlich des Firmennamens und der Postleitzahl Übereinstimmung ergeben, nicht jedoch hinsichtlich des Orts und der Straße. Dies sei jedoch auf die falsche Erfassung des englischen Adressformats in der EDV der Klägerin zurückzuführen. Insoweit verweist sie auf eine mail einer Mitarbeiterin der Klägerin vom 25. Juli 2007, in der diese an einen weiteren Mitarbeiter schreibt: "(…) habe eben erst die Adresse für die Rechnungslegung und Verbuchung von 216 Tsd € bekommen. Wollte diese auch in Care anlegen, nur wie? Das bekomme ich in den Kundendaten überhaupt nicht in die vorgegebenen Felder???" (Bl. 142 d. PrA.). Die Mitarbeiterin habe in der Folge im Straßenfeld "Lane D..."  statt "R... Lane" eingegeben. D... sei jedoch nicht Bestandteil des Straßennamens, sondern ein Ortsteil von C (Bl. 34 d. PrA.). Aufgrund der Bestätigung der mit der Adresse verbundenen und bestätigten Postleitzahl sei dem Abweichen keine Bedeutung zugemessen worden, da es offensichtlich gewesen sei, dass das Problem am englische Adress-Format gelegen habe (Bl. 35 und Bl. 139 d. PrA.). Zudem sei eine Bestätigung des englischen Companies Houses über die Fa. S als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingeholt worden (Bl. 140 d. PrA.).

11

Aufgrund des im Rahmen des Klageverfahrens vom Beklagten angestrengten Auskunftsersuchens gehe der Beklagte nicht mehr von einem Umsatzsteuerbetrug unter Einschaltung von sog. Missing Tradern, sondern von einem Reihengeschäft aus. Aufgrund der neueren Erkenntnisse sei von einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen auszugehen, wobei die bewegte Lieferung unter Verweis auf das BFH Urteil im Verfahren V R 3/10 die Lieferung zwischen der Klägerin und der Firma S sei. Die Klägerin habe vor Abholung der Fahrzeuge keine Kenntnis von der Weiterveräußerung der Fahrzeuge durch die Firma S an die Firma W besessen. Insofern habe sie auch den Weiterveräußerungspreis nicht gekannt. Sie habe im Rahmen des Kaufvertrages mit der Firma S unter Verwendung deren USt-ID-Nummer vielmehr vereinbart, dass diese die Versendung bzw. Beförderung der Fahrzeuge übernehme (Bl. 202 d. PrA.). Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und S sei es ohne Bedeutung, dass die Speditionsfirma von der Firma W beauftragt worden sei (Bl. 203 d. PrA.).

12

Die Klägerin beantragt, den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 18. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze um 369.634,53 Euro reduziert und die steuerfreien Umsätze um 439.865,10 Euro erhöht werden.

13

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

14

Der Beklagte trägt vor, nach Vorliegen der ergänzenden Ermittlungen sei von einem Reihengeschäft zwischen der Klägerin, der Firma S und der W auszugehen (Bl. 169 d. PrA.). Es stehe nunmehr fest, dass die an S verkauften Fahrzeuge im Auftrag des dritten Unternehmens in der Reihe nach Großbritannien befördert worden seien (Bl. 169 d. PrA.). Insofern sei die Beförderung dem letzten Lieferer in der Reihe zuzuordnen, vorliegend der Lieferung S an W. Die Lieferung der Klägerin sei als vorangehende Lieferung am Ort des Versendungsbeginns keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (Bl. 170 d. PrA.). Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG berufen (Bl. 170 d. PrA.). Insoweit werde auf die Ausführung in der Einspruchsentscheidung verwiesen. Die dortigen Ausführungen, insbesondere zur Bestellung per Fax über ein spanisches Internetcafe, zur Firma C, den vertretungsberechtigten Personen der Fa. S etc. erhielten noch besonderes Gewicht durch die nunmehr festgestellte Tatsache, dass die Fa. S die Fahrzeuge mit Nettopreisen unter ihrem (Netto-) Einkaufspreis veräußert und nur mit der ausgewiesenen VAT einen Gewinn erzielt habe (Bl. 170 d. PrA.). Vorliegend scheitere Vertrauensschutz auch daran, dass die Fa. S keine unrichtigen Angaben gemacht habe. Insbesondere sei die Klägerin nicht über den Bestimmungsort der Ware getäuscht worden, da aus den vorgelegten Nachweisen klar ersichtlich gewesen sei, dass die Fahrzeuge an W geliefert worden seien (Bl. 171 d. PrA.).

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist begründet. Der Umsatzsteuerbescheid 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte die Steuerfreiheit für die veräußerten zwanzig Fahrzeuge versagt hat.

I.

16

1. Lieferungen von neuen Fahrzeugen, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Inland der Umsatzsteuer unterliegen, sind nach § 4 Nr. 1 b UStG i.V.m. § 6a Abs. 1 S. 1 UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

17

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb ist erst dann bewirkt und die Steuerbefreiung erst dann anwendbar, wenn das Recht, wie ein Eigentümer zu verfügen, vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangen ist und der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und aufgrund dieses Versandes bzw. dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH Urteil vom 27. September 2007, C-409/04, Teleos u.a., Rn. 42). Das Merkmal der Beförderung oder Versendung ist noch nicht erfüllt, wenn der Liefergegenstand lediglich dem Empfänger oder seinem Beauftragten im Ausgangsstaat übergeben wird.

18

Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen.

19

Steht unabhängig vom Buch- und Belegnachweis fest, dass die materiellen Anforderungen an eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen, ist gleichwohl von einer steuerfreien Lieferung auszugehen. Die Umsätze sind nämlich anhand ihrer objektiven Merkmale zu besteuern (EuGH Urteil vom 27. September 2007, C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-07861). Wurde ein Neufahrzeug von einem Unternehmer an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Abnehmer versandt oder befördert und gelangt das Fahrzeug in der Folge physisch in den anderen Mitgliedstaat, ist die Steuerbefreiung zu gewähren, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat.

20

Eine andere Beurteilung greift nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH nur ein, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um seine eigene Beteiligung an dieser Steuerhinterziehung zu verhindern (EuGH-Urteil vom 6. September 2010, C-273/11, Mecsek-Gabona, BFH/NV 2012, 1919; BFH Urteil vom 14. Dezember 2011, XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009).

21

2. Wird der in das übrige Gemeinschaftsgebiet beförderte oder versandte Gegenstand im Rahmen eines sog. Reihengeschäfts geliefert, ist zunächst zu klären, ob die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zuzurechnen ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH von einer umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ab (EuGH Urteil vom 16. Dezember 2010, C-430/09, Euro Tyre Holding, BFH/NV 2011, 149), wobei folgende Grundsätze nach der Rechtsprechung zu beachten sind:

22

a) Schließen bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gem. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. In Übereinstimmung damit kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, wobei die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden kann, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EUGH Urteil vom 6. April 2006, C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227).

23

b) Der Ort der Lieferung, der zur innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen führen kann, befindet sich im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung.

24

c) Für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung nicht zuzuordnen ist, gilt § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG: Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung vorangehen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt. Lieferungen, die der Beförderung oder Versendung folgen, gelten nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet. In Übereinstimmung damit gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt.

25

d) Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versandt, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

26

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es insoweit auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern (EuGH Urteil vom 16. Dezember 2010, C-430/09, Euro Tyre Holding, BFH/NV 2011, 397). Liegen diese Voraussetzungen vor, die zu einer Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG führen, steht es einer Zuordnung von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb zur ersten Lieferung nicht entgegen, dass ein Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt ist und dass die Beförderung nicht zum Unternehmen des Ersterwerbers erfolgt.

27

Anders ist es, wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat. Beförderung oder Versendung sind dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist. Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 11. August 2011, V R 3/10, BFHE 235,43 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH).

II.

28

Diese Grundsätze zugrunde gelegt, ist der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Fahrzeuge Steuerfreiheit zu gewähren. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die innergemeinschaftliche "bewegte" Lieferung die Lieferung der streitgegenständlichen Fahrzeuge durch die Klägerin an S ist, und die materiellen Voraussetzungen für der Steuerfreiheit gegeben sind. Die Steuerfreiheit war auch nicht wegen Missbrauchs zu versagen, da eine Beteiligung an einem Umsatzsteuerbetrug nicht nachgewiesen werden konnte.

29

1. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass vorliegend ein Reihengeschäft zwischen der Klägerin, S und der Firma W vorliegt. Es liegen mehrere Lieferungen über die streitgegenständlichen Fahrzeuge vor; von der Klägerin an S sowie von S an W. Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist vorliegend jedoch nicht die Lieferung S an W als "bewegte" Lieferung anzusehen, sondern die Lieferung der Klägerin an S. Zwar dürfte nach den Feststellungen des Auskunftsersuchens der britischen Finanzbehörden und aufgrund der in diesem Zusammenhang vorgelegten Unterlagen feststehen, dass die Spedition CS von der Firma W beauftragt und bezahlt wurde. Insoweit wird auf die vorliegenden Rechnungen der Spedition an die Firma W Ltd. und die Lieferunterlagen der Firma CS verwiesen (Bl. 181 ff. d. PrA.). Allerdings steht zur Überzeugung des Senats nach umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht fest, dass die Klägerin Kenntnis vom Weiterverkauf der Fahrzeuge besaß. Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr R. A., hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er an den damaligen Verkaufsverhandlungen maßgeblich beteiligt gewesen sei. Es sei mit dem Verantwortlichen der Fa. S abgesprochen gewesen, dass diese die Abholung der Fahrzeuge auf dem Firmengelände in B über eine Spedition veranlasse. Für eine solche Absprache spricht auch, dass ausweislich der vorliegenden sog. weißen Speditionsbescheinigungen der CS Limited die Fahrzeuge nach "W, Hausnummer B... Lane, S (Ort), Grafschaft (Großbritannien)" an "S Limited, T.. Cottage, R... Lane D..., C (Ort), Grafschaft PLZ" versendet werden sollten (Bl. 96 d. PrA.). Ausweislich der weißen Speditionsbescheinigung der Firma CS wurde ihr der Auftrag von der Firma S erteilt (Bl. 97 d. PrA.). Zwar steht diese Aussage im Widerspruch zu den im Rahmen des Auskunftsersuchens vorgelegten Unterlagen. Allerdings ist auf die Kenntnis im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages abzustellen. Die Beauftragung der Firma CS durch die Firma W ist jedoch erst im Rahmen des laufenden Klageverfahrens bekannt geworden.

30

Gegen die Annahme, dass die Lieferung der Klägerin an S die bewegte Lieferung ist, spricht auch nicht, dass ausweislich der vorliegenden CMR-Frachtbriefe die streitgegenständlichen Fahrzeuge an die Firma "W" ausgeliefert werden sollten (Bl. 104 ff. d. PrA.). Denn nach dem glaubhaften Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hatte der Abnehmer S im Rahmen des Kaufvertrages versichert, die Versendung/Beförderung der Fahrzeuge zu übernehmen (Bl. 202 d. PrA.). Auch hier ist wieder auf die Kenntnis bei Abschluss des Kaufvertrages abzustellen und nicht auf die Kenntnis der sich anschließenden Versendung.

31

2. Die bewegte innergemeinschaftliche Lieferung zwischen der Klägerin und S ist auch steuerfrei. Dabei kann es vorliegend dahin stehen, ob die Klägerin den Buch- und Belegnachweis erbracht hat oder - wie der Beklagte ausführt - dieser Nachweis nicht vollständig erbracht wurde. Denn nach dem übereinstimmendem Vortrag beider Beteiligten sind die materiellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben. Die Fahrzeuge sind unstreitig unmittelbar von der Firma CS bzw. einem Unterfrachtführer von B nach England versendet worden. Dies ergibt sich auch aus den vorgelegten CMR-Frachtbriefen und dem Certificate of Shipment.

32

Auf die Frage des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG kommt es daher entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an. Vertrauensschutz ist allenfalls dann zu gewähren, wenn der Buch- und Belegnachweis geführt wurde, aber dessen ungeachtet feststeht, dass der Liefergegenstand nicht ins Übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht wurde (BFH Urteil vom 12. Mai 2011, V R 46/10, BStBl. II 2011, 957, m.w.N.). Vorliegend steht jedoch nach der objektiven Beweislage fest, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge nach England versendet wurden.

33

Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich ausführt, dass die Klägerin Kenntnis von der Beteiligung an einem Umsatzsteuerbetrug besaß und den Vorwurf der "Bösgläubigkeit" auch im Rahmen des Klageverfahrens aufrecht erhält, kann das Gericht dem nicht folgen.

34

Zwar wäre trotz physischer Verbringung der Fahrzeuge nach England die Steuerfreiheit zu versagen, wenn die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, an einem Umsatzsteuerbetrug beteiligt zu sein. Nach den vorliegenden Unterlagen steht jedoch weder zur Überzeugung des Senats fest, dass ein Umsatzsteuerbetrug durch den Abnehmer vorlag, noch, dass die Klägerin von einem solchen wusste bzw. hätte wissen müssen.

35

Der Beklagte hat vorliegend weder schriftsätzlich ausdrücklich vorgetragen, dass die Abnehmer der streitgegenständlichen Fahrzeuge einen Umsatzsteuerbetrug begangen haben noch konnte ein solcher auf Befragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung durch den Beklagten positiv festgestellt oder belegt werden. Insbesondere liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, dass die Fa. S die Fahrzeuge in England nicht der Umsatzsteuer unterworfen hat. Zwar hat der Beklagte im Rahmen des Einspruchsverfahrens erklärt, dass nach Auskunft der englischen Finanzverwaltung eine betriebliche Aktivität der Firma S nichts bekannt sei und diese Firma daher als Missing Trader eingestuft werde (Bl. 77 d. Umsatzsteuerakte). Auch die Kontaktperson O. S. sei den Finanzbehörden nicht bekannt. Zudem habe die englische Finanzbehörde die Firma W als Beteiligte am Umsatzsteuerbetrug als Missing-Trader eingestuft. Allerdings konnten diese Ausführungen nicht durch entsprechende Belege untermauert werden. Soweit sich in den Auszügen aus der Steuerfahndungsakte eine "Antwort auf das SCAC-Ersuchen der deutschen Behörden (GZ des VVT DE2057)" befindet (Bl. 66 d. Bp-Akte), kann das Gericht anhand der vorliegenden Unterlagen weder die Authentizität dieser Unterlagen noch deren Vollständigkeit überprüfen. Es fehlt sowohl ein offizieller Aussteller des Schreibens als auch ein Ausstellungsdatum. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob sich die Auskunft vollständige in den Akten befindet - Seitenzahlen enthält sie nicht.  Zudem steht diese Auskunft zumindest teilweise im Widerspruch zu der im Rahmen des Klageverfahrens eingereichte Auskunft der englischen Finanzbehörden (Bl. 176 d. PrA.). Danach sind die Firmen S und W den Finanzbehörden sehr wohl bekannt. Die streitgegenständlichen Fahrzeuge sind danach auch in den Einkaufs- und Verkaufsaufzeichnungen der W verbucht worden (Bl. 177 d. PrA.). Zwar ist dem Beklagten insoweit zuzustimmen, dass ein mögliches Indiz für einen Umsatzsteuerbetrug ist, dass der Weiterveräußerungspreis ohne Mehrwertsteuer für die Lieferung S an W mit 13.361,70 £ bzw. 14.212,77 £ unter Zugrundelegung des damaligen Wechselkurses unter dem Einzelveräußerungspreis der Klägerin an die Firma S lag. Allerdings hat der Beklagte weder nachgewiesen, dass die Firma S tatsächlich keine Erwerbsbesteuerung durchgeführt hat, noch, dass die Firma W die Vorsteuern aus den Lieferungen geltend gemacht bzw. die Lieferungen nicht als umsatzsteuerpflichtige Umsätze erfasst hat.

36

Steht schon nicht fest, ob ein Umsatzsteuerbetrug vorliegt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, ob die besonderen Umstände des Verkaufs eine Beteiligung der Klägerin an einem Umsatzsteuerbetrug nahe legen könnten.

III.

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin einer in Deutschland ansässigen GmbH.

2

Die GmbH verkaufte im November 1998 zwei XY-Maschinen (nebst Zubehör) an das US-amerikanische Unternehmen A mit Sitz in M/USA. A hatte eine Niederlassung in Portugal.

3

Nachdem die GmbH die A aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitzuteilen, antwortete die A, sie habe die Maschinen an ein Unternehmen (Ltd.) in Finnland (weiter) veräußert und teilte der GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dieser Ltd. (FI ...) mit, die die GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

4

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die A beauftragt hatte, bei der GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft. Ob A in Finnland einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

5

Über die Lieferung der Maschinen erteilte die GmbH der A unter Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der finnischen Ltd. am 14. Dezember 1998 eine Rechnung über ... DM ohne Umsatzsteuer.

6

Die Klägerin behandelte diese Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1998 (Streitjahr) als steuerfrei.

7

Das seinerzeit zuständige Finanzamt X, das der Erklärung zunächst zugestimmt hatte, erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 (Streitjahr) mit einer um ... DM erhöhten Bemessungsgrundlage. Es sah die Lieferung als steuerpflichtig an, weil die A als Erwerberin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungsmitgliedstaats oder eines anderen Mitgliedstaats verwendet habe. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 --unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den ... DM um einen Bruttobetrag handelt-- geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für 1998 ab.

9

Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin habe weder den Nachweis einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht, noch habe die GmbH eine solche Lieferung vorgenommen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung setze u.a. voraus, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliege (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Daran fehle es im Streitfall.

10

Die Beteiligten hätten ein sog. Reihengeschäft vorgenommen. Die Beförderung sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der A als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt habe; Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die Ltd. in Finnland aufgetreten sei, lägen nicht vor. Die A sei Drittlandsunternehmerin, da ihr Sitz in den USA und nicht etwa in Portugal sei. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liege daher nicht vor.

11

Ferner sei die Annahme eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gemäß § 25b UStG auszuschließen, da die A nicht in einem Mitgliedstaat für umsatzsteuerrechtliche Zwecke erfasst gewesen sei.

12

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1418 veröffentlicht.

13

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des FG lägen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG vor.

14

Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs sei Finnland, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befunden habe. Dort unterliege der Erwerb der Maschinen der Umsatzbesteuerung (Erwerbsbesteuerung). Dafür komme es nicht darauf an, in welchem Land die Erwerberin A ihren Sitz habe. Maßgeblich sei, dass der Erwerb der Maschinen ein in Finnland steuerbarer Vorgang sei. Ein Nachweis, dass eine Erwerbsbesteuerung tatsächlich stattgefunden habe, müsse vom liefernden Unternehmer hingegen nicht erbracht werden. Die Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sei keine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Lieferung der Maschinen in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliege; ihr komme keine materiell-rechtliche Qualität zu.

15

Für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung der Maschinen an die A sei es ferner unschädlich, dass die GmbH nicht deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgezeichnet habe. Vielmehr könnten die Voraussetzungen des § 6a UStG auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Das sei hier geschehen. Denn das FG gehe sowohl von einer grenzüberschreitenden Warenbewegung sowie davon aus, dass A die XY-Maschinen für unternehmerische Zwecke erworben habe.

16

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

17

"1. Erlaubt die Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?

18

           

2. Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung

-       

ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und

-       

ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?"

19

Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10 --VSTR-- (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) wie folgt beantwortet:

20

"Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt; dies gilt allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert wird, dass diese Verpflichtung nicht erfüllt worden ist, wenn der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat."

21

Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme zu dem Urteil des EuGH ausgeführt, dass die Eigenschaft der A als Steuerpflichtige im Streitfall auf andere Weise als durch Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachgewiesen sei. Die veräußerten XY-Maschinen seien ausschließlich zu einer unternehmerischen Verwendung geeignet.

22

Die Beförderung sei der Lieferung der GmbH an die A nach § 3 Abs. 6 Sätze 5 und 6 UStG zuzuordnen. Die Warenbewegung sei nur dann nicht der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen, wenn die finnische Ltd. als Zweiterwerberin die Verfügungsmacht an den Maschinen bereits im Liefermitgliedstaat Deutschland erlangt habe. Dafür, dass die Verfügungsmacht auf die Zweiterwerberin in Deutschland übergegangen sei, gebe es keine Anhaltspunkte.

23

Im Übrigen dürfe gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert habe, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden sei. Das FA sei bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung und der Einspruchsentscheidung unter Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und Abschn. 31a Abs. 9 und 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien davon ausgegangen, dass die Warenbewegung der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen sei. Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 11. August 2011 V R 3/10 (BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung einer bewegten Lieferung bei einem Reihengeschäft eine davon abweichende Änderung der Rechtsprechung darstelle, dürfe diese gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden.

24

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom 7. März 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

25

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

26

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, nach dem Urteil des EuGH in der vorliegenden Rechtssache könne der Buchnachweis nach § 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) mit der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers weiterhin als Nachweis der Unternehmereigenschaft des Erwerbers verlangt werden. Gleichwohl könne die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch dann in Betracht kommen, wenn der liefernde Unternehmer nicht über die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Abnehmers verfügt. In einem solchen Fall müsse der liefernde Unternehmer die Unternehmereigenschaft des Abnehmers mit anderen Mitteln nachweisen.

27

Falle die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Kontrollinstrument weg, könne die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat nicht mehr gewährleistet werden. Das BMF regt deshalb an, die Sache dem EuGH erneut vorzulegen, und zwar zur Auslegung von Art. 22 Abs. 6 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 264 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Der EuGH solle die Frage klären, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung abgeben könne.

28

Das FA hat sich der Stellungnahme des BMF angeschlossen.

Entscheidungsgründe

29

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

30

Das Urteil des FG verletzt § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG bislang getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Versendung der Maschinen gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der (ersten) Lieferung der GmbH an die A als Abnehmer oder der (zweiten) Lieferung von der A an die finnische Ltd. zuzuordnen ist, und ob der Erwerb der Maschinen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat (Finnland) den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlag (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

31

           

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

(1)     

Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

(2)     

der Abnehmer ist

        

a)    

ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

        

b)    

eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder

                 

die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

        

c)    

bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber und

(3)     

der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

32

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 UStDV geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

33

Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

34

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.

35

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen:
a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

36

2. Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Mehrere Unternehmer (die GmbH, die A und die finnische Ltd.) haben über dieselben Gegenstände (Maschinen) Umsatzgeschäfte geschlossen; die Gegenstände sind durch Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Die beteiligten Unternehmer führten zwei aufeinander folgende Lieferungen aus (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04 --EMAG Handel Eder OHG--, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342): eine Lieferung zwischen der GmbH und der A und eine Lieferung zwischen der A und der finnischen Ltd.

37

3. Da im Streitfall die beteiligten Unternehmer über dieselben Gegenstände (Maschinen) zwei aufeinander folgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Versendung von Deutschland nach Finnland durchgeführt haben, kann die GmbH nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. von § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland --wovon die Klägerin und das FG ausgehen-- der ersten Lieferung zwischen der GmbH und A zugerechnet werden kann (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 31, m.w.N.).

38

a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

39

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 1 und Rz 45; vom 16. Dezember 2010 C-430/09 --Euro Tyre Holding--, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 44) kann eine Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreit ist, wenn zwei aufeinander folgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führen.

40

b) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

41

In Übereinstimmung damit gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nun Art. 31 MwStSystRL) als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt (vgl. EuGH-Urteil --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 2; BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 15).

42

c) Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

43

aa) § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG widerlegt werden (vgl. BTDrucks 13/4839, 84; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 129; Meurer, Deutsches Steuerrecht 2011, 199, 200; Abschn. 3.14. Abs. 9 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

44

bb) Für die Frage, welcher Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung oder Versendung zuzurechnen ist, wenn diese von der Person, die als Ersterwerber und Zweitlieferant an beiden Lieferungen beteiligt war, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27).

45

Der Senat geht deshalb davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen (vgl. EuGH-Urteile --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27, und --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) nach wie vor anwendbar ist, aber unionsrechtskonform ausgelegt werden muss.

46

Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig (so von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater 2013, 47, 49), folgt der Senat nicht. Auch der V. Senat des BFH geht in seiner Entscheidung in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208 unter Rz 16 bis 18 davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG durch die Rechtsprechung des EuGH im Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176) zur Zuordnung einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung weiterhin gilt.

47

cc) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

48

dd) Bezogen auf den Streitfall führt der EuGH aus:

49

"33. Im Ausgangsverfahren wäre somit die Lieferung seitens der VSTR-Tochter an Atlantic keine nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferung, falls die zweite Übertragung des Eigentums an den in Rede stehenden Gegenständen – von Atlantic auf das finnische Unternehmen – stattgefunden haben sollte, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland erfolgt ist.

50

34. Hinsichtlich der Umstände, die bei der Würdigung berücksichtigt werden können, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, wenn der Ersterwerber das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden müsste, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde (vgl. Urteil Euro Tyre Holding, Randnrn. 44 und 45).

51

35. Der Gerichtshof hat jedoch auch klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, wenn nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber dieser dem die erste Lieferung durchführenden Lieferer mitgeteilt hat, dass der Gegenstand, bevor er den Liefermitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde (Urteil Euro Tyre Holding, Randnr. 36).

52

36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

53

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

54

4. Das FG, das --ebenso wie der Senat bei seinem Vorlagebeschluss-- die vom EuGH nachfolgend in der Rechtssache --Euro Tyre Holding-- und in dieser Rechtssache --VSTR-- aufgestellten Rechtsgrundsätze nicht kennen konnte, ist bei der Anwendung seiner im vorinstanzlichen Urteil formulierten Rechtssätze auf den konkreten Sachverhalt von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

55

Die Ausführungen des FG, "[d]ie Beförderung ist hier der A (...) als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt hat. Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die (...) Ltd. in Finnland aufgetreten ist, liegen nicht vor", entsprechen der dargelegten EuGH-Rechtsprechung nicht in vollem Umfang.

56

Für die zu treffende Zuordnung fehlt eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung, ob zwischen der A und der finnischen Ltd. die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte. In diesem Fall könnte die innergemeinschaftliche Versendung nicht mehr der Lieferung von der GmbH an die A zugeordnet werden (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32).

57

5. Eine Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 FGO beim V. Senat des BFH scheidet im Streitfall aus.

58

a) Der V. Senat des BFH hat in dem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 (vgl. auch BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, unter 2.) die Auffassung vertreten, dass, "wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36)" die "Beförderung oder Versendung ... dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen (ist). ... Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG)".

59

Entscheidungserheblich für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers ist nach dem Urteil des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 daher, ob der Verkäufer vor oder erst nach der Übergabe des Liefergegenstands an den (selbständigen oder unselbständigen) Abholbeauftragten Kenntnis von der Weiterlieferung des mittleren Unternehmers hatte (vgl. auch Martin, BFH/PR 2012, 19; Wäger, UR 2012, 125, 135).

60

Im vorliegenden Fall war der GmbH nach den Feststellungen des FG vor der Übergabe der Maschinen an den durch A beauftragten Spediteur schon bekannt, dass A die Maschinen bereits an die finnische Ltd. weiterverkauft hatte, so dass nach den Grundsätzen des Urteils des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 eine Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der GmbH an A --und damit eine innergemeinschaftliche Lieferung der GmbH-- ausscheidet.

61

b) Im Gegensatz zu diesem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine derartige Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich.

62

Das ergibt sich möglicherweise bereits aus dem EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176; vgl. von Streit, UStB 2013, 47, 48 und 50; Prätzler, Der Betrieb --DB-- 2012, 2654, 2658 f.; Kramer, UR 2011, 913, 914), jedenfalls aber eindeutig aus Rz 36 und 37 des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832).

63

Deshalb kann die Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 nicht mehr aufrechterhalten werden (gl.A. von Streit, UStB 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche, 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944).

64

c) Der Senat kann den Streitfall unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH abweichend von der Rechtsprechung des V. Senats entscheiden. Es bedarf dazu keiner Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO beim V. Senat des BFH.

65

aa) Wenn --wie hier-- ein Senat des BFH in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will, entscheidet darüber nach § 11 Abs. 2 FGO der Große Senat des BFH. Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO). Dieses Verfahren scheidet im Streitfall aus.

66

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bindet ein Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits (vgl. EuGH-Beschluss vom 5. März 1986  69/85 --Wünsche Handelsgesellschaft--, Slg. 1986, 947, Rz 13; EuGH-Urteile vom 3. Februar 1977  52/76 --Benedetti--, Slg. 1977, 163, Rz 26; vom 14. Dezember 2000 C-446/98 --Fazenda Pública--, Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108, Rz 49; BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, BStBl II 2002, 551, unter II.2.). Der Tenor des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) wird insbesondere durch dessen Entscheidungsgründe in Rz 31 bis 37 bindend präzisiert (vgl. EuGH-Urteil vom 16. März 1978  135/77 --Bosch--, Slg. 1978, 855).

67

Die Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG ist nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union abschließend dem EuGH vorbehalten. Der erkennende Senat ist deshalb nicht befugt, die Entscheidung der Frage, welchen Inhalt das durch die Richtlinie 77/388/EWG geregelte Unionsrecht hat, abweichend vom EuGH zu entscheiden oder einem anderen Spruchkörper zu überlassen. Auch der Große Senat des BFH dürfte insoweit nicht anders entscheiden. Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ist deshalb in Fällen dieser Art weder nötig noch zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1998 IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21, Betriebs-Berater 1998, 1441, unter I.5.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1974  8/2 RU 226/72, BSGE 37, 88, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1974, 1063, Leitsatz 1).

68

Eine --von der FGO in § 11 Abs. 3 Satz 1 nur in Zusammenhang mit einer Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO vorgesehene-- Divergenzanfrage scheidet daher im Streitfall aus (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 8; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 18; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 61; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 11 Rz 5; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 132 GVG Rz 4; May, Deutsche Richterzeitung 1983, 305, 310, die eine Abweichung ablehnen, wenn die Rechtsfrage zwischenzeitlich im Sinne der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durch den EuGH entschieden wurde; wohl a.A. Wäger, UR 2013, 81, 84).

69

d) Deshalb geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, dass im Streitfall die soeben dargestellte Rechtsprechung des BFH (in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung der Warenbewegung aufgrund der Vertrauensschutzregel des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden dürfe.

70

Im Übrigen erfasst § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nur Fälle, in denen sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen und vor dem Erlass des Änderungsbescheids geändert hat (vgl. BFH-Urteile vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5; vom 20. Dezember 2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.). Im Streitfall hat sich aber in dem Zeitraum zwischen dem Erstbescheid und dem Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 vom 16. August 2005 die Rechtsprechung nicht geändert. Das Urteil des BFH stammt vom 11. August 2011 (V R 3/10, BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208). Im Streitfall hat das FA demnach im Änderungsbescheid keine zwischenzeitliche Änderung der Rechtsprechung berücksichtigt.

71

6. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang bei der Zuordnung der Warenbewegung entweder zu der Lieferung zwischen der GmbH und A oder der Lieferung zwischen A und der finnischen Ltd. und der dabei maßgeblichen Frage, wann A die Verfügungsbefugnis an den Maschinen auf die finnische Ltd. übertragen hat, Folgendes zu berücksichtigen haben:

72

a) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, unter II.1.; vom 21. April 2005 V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63; vom 1. Februar 2007 V R 41/04, BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

73

Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH-Urteil vom 21. April 2005 C-25/03 --HE--, Slg. 2005, I-3123, BFH/NV Beilage 2005, 196, UR 2005, 324, Rz 64 ff., m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

74

Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628).

75

b) An den vorstehenden Grundsätzen zur Beurteilung, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, haben sich durch die EuGH-Entscheidung --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) keine Änderungen ergeben.

76

Es ist Sache des FG als Tatsacheninstanz, unter Berücksichtigung aller Umstände des Sachverhalts, z.B. der bislang nicht geklärten konkret vereinbarten Lieferbedingungen, festzustellen, ob die Übertragung auf die finnische Ltd. vor der Versendung der Liefergegenstände stattgefunden hat. Wenn der in der Mitte stehende Unternehmer --wie im Streitfall-- die Transportverantwortlichkeit innehat, verwirft der EuGH jedoch ausdrücklich einen Rückschluss aus der Transportverantwortlichkeit auf das Innehaben der Verfügungsmacht (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 40).

77

c) Soweit sich aus Abschn. 3.14. Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5 UStAE ergeben sollte, dass für die Zuordnung der Versendung allein auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten oder die Frachtzahlkonditionen ohne umfassende Einzelfallwürdigung abzustellen ist, wäre dies mit den EuGH-Urteilen --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32 und 37) und --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27 und 31 bis 35) nicht vereinbar.

78

7. Soweit das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommt, dass die Warenbewegung der Lieferung von der GmbH an die A zuzuordnen ist, sind weitere Feststellungen zu treffen, ob der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

79

a) Hierzu hat der EuGH in der vorliegenden Rechtssache --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) --wie dargelegt-- entschieden, dass Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt (Leitsatz).

80

Der Senat versteht dies so, dass § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, wonach bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss, unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

81

           

b) Der EuGH hat aber insoweit einen Vorbehalt gemacht (Leitsatz und Rz 52). Danach darf die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert werden, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers nicht der Finanzverwaltung mitteilt, wenn

-       

(1) der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und

-       

(2) er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat.

82

c) Ob diese Voraussetzungen bei der GmbH im Streitfall vorliegen, muss das FG ggf. prüfen.

83

aa) Der EuGH hat zwar ausgeführt (Rz 53), aus der Vorlageentscheidung gehe insoweit hervor, dass der Lieferer (die GmbH) im Ausgangsverfahren A um deren Identifikationsnummer ersucht habe und A, die keine besessen habe, ihm die Identifikationsnummer des Zweiterwerbers (der finnischen Ltd.) mitgeteilt habe. Somit habe offenbar keiner dieser Beteiligten betrügerisch gehandelt. Außerdem betreffe die in Rede stehende Lieferung Gegenstände, die ihrer Art nach dafür bestimmt zu sein schienen, im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt zu werden.

84

bb) Es sind aber insoweit ggf. weitere Feststellungen zu treffen.

85

(1) Nach dem im Tatbestand des FG-Urteils (Seite 3) wiedergegebenen Vortrag der Klägerin ist die A bei den Verhandlungen mit der GmbH unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihrer portugiesischen Niederlassung aufgetreten.

86

Dies könnte dafür sprechen, dass die GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A gekannt, aber (entgegen § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) nicht aufgezeichnet hat. In diesem Fall hätte sie nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen.

87

Das FG führt in den Entscheidungsgründen (Seite 6) dagegen aus, A habe keine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Das FG muss diesen (möglichen) Widerspruch ggf. aufklären.

88

(2) Im Rahmen der Prüfung, ob die GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen hat, muss das FG ggf. dem Vortrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nachgehen, der Vorgang sei mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Aktenvermerk des Prokuristen der GmbH übergeben.

89

In Betracht kommt, dass der GmbH durch den zuständigen Sachgebietsleiter des Finanzamts X eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung, z.B. der Verzicht auf die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, mündlich zugesagt worden ist, oder dass die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu den Voraussetzungen BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 30). Das könnte von Bedeutung sein (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06 --Netto Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, UR 2008, 508, Rz 26).

90

8. Die von dem BMF angeregte erneute Vorlage an den EuGH scheidet aus, weil die unionsrechtliche Rechtslage für den Streitfall durch das ergangene EuGH-Urteil --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) geklärt ist (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, NJW 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

91

Zudem ist die vom BMF für eine Vorlage vorgeschlagene Frage für den konkreten Rechtsstreit lediglich hypothetischer Natur und daher nicht entscheidungserheblich (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Vorlage z.B. EuGH-Urteil vom 1. Juni 2010 C-570/07 und C-571/07 --Blanco Pérez und Chao Gómez--, Slg. 2010, I-4629, Rz 36). Denn die Steuerbefreiung der von der Klägerin ausgeführten Lieferung hängt nicht von der vom BMF aufgeworfenen Frage ab, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung (§ 18a UStG) abgeben könne.

92

Darüber hinaus hat das BMF die von ihm in diesem Rechtsstreit eingebrachten Argumente bereits dem EuGH im Vorabentscheidungsersuchen C-587/10 vorgetragen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. März 2014  2 K 1127/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen A-GmbH.

3

Am 24. November 1998 bestellte die B mit Sitz in M/Vereinigte Staaten von Amerika (USA), die über eine feste Niederlassung in der Portugiesischen Republik (Portugal) verfügte, bei der A-GmbH zwei Maschinen (nebst Zubehör) für 750.000 DM.

4

Nachdem die A-GmbH die B aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mitzuteilen, antwortete die B, sie habe die Maschinen an die in der Republik Finnland (Finnland) ansässige C-Ltd. (weiter) veräußert und teilte der A-GmbH die USt-IdNr. der C-Ltd. mit, die die A-GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

5

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die B beauftragt hatte, bei der A-GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft.

6

Am 14. Dezember 1998 erteilte die A-GmbH gegenüber B in den USA eine Rechnung über die Lieferung der Maschinen für 750.000 DM. Umsatzsteuer wies die A-GmbH nicht offen aus. Dabei gab sie die USt-IdNr. der C-Ltd. als Abnehmerin an. Des Weiteren vermerkte sie u.a., dass der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in Finnland und damit nicht in Deutschland den Vorschriften der Umsatzsteuerbesteuerung unterliege.

7

B hatte bereits am 10. Dezember 1998 eine Rechnung über den Verkauf der Maschinen zum Preis von 880.000 DM an die C-Ltd. in Rechnung gestellt. Die C-Ltd. zahlte am 24. November 1998 86.000 DM und am 14. Dezember 1998 den Restbetrag von 794.000 DM an B. Die C-Ltd. zahlte außerdem an die Z auf eine Rechnung vom 8. Februar 1999 Frachtkosten für den Transport von L nach Helsinki/Finnland.

8

In der Folgezeit nahm die Klägerin Kontakt zum seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA X) auf und vermerkte am 17. August 2004 auf der Rechnung an die B, dass der Rechnungsinhalt im Zeitpunkt der Rechnungslegung mit dem Sachgebietsleiter abgestimmt worden sei und dass die Betriebsprüfung diesen Sachverhalt nicht beanstandet habe.

9

Die Klägerin behandelte die Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 1998 (Streitjahr), der das FA X am 31. März 2000 zustimmte, als umsatzsteuerfrei.

10

Das FA X erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Lieferung als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück. Es sei ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft mit zwei Lieferungen durchgeführt worden, die erste zwischen der A-GmbH und B und die zweite zwischen der B und der C-Ltd. B habe die Ware befördert, daher sei sie Abnehmerin der ersten Lieferung. Ort der Lieferung sei Deutschland. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) greife gleichwohl nicht ein, da B als Abnehmerin keine USt-IdNr. des Bestimmungslandes oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) verwendet habe.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1998 mit Urteil vom 25. Februar 2009  2 K 484/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1418) ab.

12

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) beantwortet.

13

Im Anschluss daran hat der Senat mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 11/09 (BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524) das Urteil des FG in EFG 2009, 1418 aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen.

14

Im zweiten Rechtsgang richtete das FA ein Auskunftsersuchen an die finnischen Steuerbehörden. Dieses ergab u.a., dass die Maschinen unmittelbar von der A-GmbH zur C-Ltd. "geliefert" worden seien. Es habe keine direkten Zahlungen zwischen der C-Ltd. und der A-GmbH gegeben. Schriftliche Verträge oder Liefervereinbarungen zwischen der B und der C-Ltd. lägen nicht vor. Es existiere noch eine Rechnung der B an die C-Ltd. Die C-Ltd. habe die Anschaffung als innergemeinschaftlichen Erwerb gebucht, aber möglicherweise nicht als solchen erklärt. Allerdings könnten die Steuererklärungen später geändert worden sein. Dies könne in den Datenbanken nicht mehr überprüft werden, da die Transaktion im Jahr 1998 stattgefunden habe.

15

Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Sein Urteil ist in Mehrwertsteuerrecht (MwStR) 2014, 619 veröffentlicht.

16

Mit seiner Revision führt das FA im Wesentlichen aus, es halte das Urteil des FG Münster vom 16. Januar 2014  5 K 3930/10 U (EFG 2014, 682), das dem zurückverweisenden Urteil des Senats in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 in der zentralen Aussage widersprochen habe, für zutreffend.

17

Ergänzend merkt das FA an, nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG obliege es dem mittleren Unternehmer nachzuweisen, dass er den Gegenstand als Lieferer versende oder befördere. Das FG gehe davon aus, dass im Verwaltungsverfahren das FA zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei. Dies verkehre § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG in sein Gegenteil und widerspreche in gewisser Weise § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG.

18

Obwohl der hier zu beurteilende Umsatz mithin (an sich) steuerpflichtig sei, müsse der Rechtsstreit trotzdem an das FG zurückverwiesen werden, weil das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob das FA nach Treu und Glauben gehindert sei, den Steueranspruch gegen die Klägerin geltend zu machen.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3).

24

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein.

25

aa) Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in der im Streitjahr geltenden Fassung geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

26

bb) Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

27

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

28

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

29

2. Der Senat hat zu der streitbefangenen Lieferung in Rz 36 ff. des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, Folgendes entschieden:

30

a) Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Die A-GmbH kann nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland der ersten Lieferung zwischen der A-GmbH und B zugeordnet werden kann; denn die Beförderung oder Versendung des Gegenstands sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

31

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

32

b) § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG widerlegt werden. Zwar ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen nach wie vor anwendbar, muss aber unionsrechtskonform ausgelegt werden. Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig, ist der Senat nicht gefolgt.

33

c) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

34

3. An den genannten Grundsätzen hält der Senat trotz der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Kritik, der sich sowohl das FA als auch das FG in dem angefochtenen Urteil angeschlossen haben, fest.

35

a) Das FG Münster hat in seinem Urteil in EFG 2014, 682 die Rechtsansicht vertreten, es komme in Fällen der vorliegenden Art allein auf die "Verpflichtung und Absichtsbekundung" des Zwischenerwerbers an, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden (Rz 32, 35 ff. des Urteils). Die Vorinstanz folgt dem im Grundsatz, hat seiner Entscheidung aber gleichwohl (zutreffend) gemäß § 126 Abs. 5 FGO die --davon abweichende-- rechtliche Beurteilung des BFH in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zugrunde gelegt (vgl. MwStR 2014, 619, juris-Rz 36). Auch das FA hält die Auffassung des FG Münster für zutreffend.

36

aa) Das FG Münster hält die Rechtsprechung des Senats für "problematisch" (EFG 2014, 682, Rz 35). Bei grenzüberschreitenden Lieferumsätzen könne der erste Lieferer insbesondere bei Abholfällen regelmäßig nicht beurteilen, ob und wann dem Letztempfänger die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, übertragen werde. Mit der Übergabe der Ware habe der erste Lieferer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Der Zwischenerwerber habe regelmäßig weder eine Pflicht noch ein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, was er "zu welchen Zeitpunkten mit der Ware macht". Die Steuerpflicht könne nicht von Umständen abhängen, die weder in der Willens- noch der Wissenssphäre des Liefernden liegen (EFG 2014, 682, Rz 36).

37

bb) Das FG Münster, die Vorinstanz und das FA verkennen im Rahmen ihrer Analyse, dass es bei der Prüfung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung --aus unionsrechtlicher Sicht-- auf die objektiven Umstände ankommt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 39 f.; vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Slg. 2010, I-12605, BStBl II 2011, 846, Rz 39; vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 28; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 30, jeweils m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH).

38

Dabei kommt es gerade nicht nur --wie das FG Münster und die Vorinstanz meinen-- auf die "Verpflichtungen und Absichtsbekundungen" des Lieferers und des Erwerbers an (vgl. EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 37; Sterzinger, UR 2013, 45, 48).

39

So kann z.B. im Abholfall der Lieferer ebenfalls nicht beurteilen, ob und wann der Gegenstand der Lieferung den Mitgliedstaat physisch verlassen wird. Mit der Übergabe der Ware hat der Unternehmer seine Pflichten an sich erfüllt. Der Zwischenerwerber hat kein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, dass der Gegenstand im Inland verbleiben wird. Gleichwohl ist für die Steuerbefreiung des § 6a Abs. 1 UStG, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderlich, dass der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 33 ff., 42; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh, Slg. 2007, I-7897, BStBl II 2009, 83, Rz 23).

40

cc) Eine andere, hiervon zu trennende Frage ist es, ob dem Steuerpflichtigen --trotz Nichtvorliegens der objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung-- aufgrund der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit (im Wege des Vertrauensschutzes) die Steuerbefreiung zu gewähren ist (vgl. EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 43 ff.).

41

(1) Diese Frage ist nach nationalem Recht nicht im Rahmen des § 6a Abs. 1 UStG, sondern des § 6a Abs. 4 UStG zu prüfen.

42

(2) Diese Unterscheidung muss auch unionsrechtlich vorgenommen werden, weil die Rechtsfolgen verschieden sind.

43

Während bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung als logische Folge ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat erfolgt (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 24, 26 f., 36 f., 41 f.; vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 23; vom 18. November 2010 C-84/09, X, Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 28; vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 29) und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Umsatz des Lieferers steuerfrei zu belassen ist, ist in dem Fall, dass dem Lieferer trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Vertrauensschutz zu gewähren ist, der Erwerber (hier: B) im Liefermitgliedstaat zur Umsatzsteuer heranzuziehen (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 67; in Deutschland umgesetzt durch § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG; insoweit zutreffend aus österreichischer Sicht Schwab, Österreichische Steuerzeitung 2014, 32, 35).

44

Daran zeigt sich auch, dass es für die Steuerpflichtigen nicht lediglich um formale Zuordnungen, sondern um "finale Besteuerungswirkungen" geht (a.A. Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 34/2014, Nr. 6, unter D.), weil jeder Umsatz für sich zu betrachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006 C-484/03 u.a., Optigen, Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144, Rz 47). Auch bei Reihengeschäften ist eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, Rz 26 ff., 40 ff.).

45

b) Entgegen der Auffassung des FG Münster ist das EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 nicht abweichend von dem Senatsurteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zu verstehen.

46

aa) Das FG Münster hat dazu (in EFG 2014, 682, Rz 35 ff.) ausgeführt, der EuGH wolle in Rz 32 und 34 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 die Fallgestaltungen darstellen, in denen die bewegte Lieferung keinesfalls mehr (Rz 32) bzw. zweifellos (Rz 34) der ersten Lieferung zugeordnet werden müsse. Aus Rz 32 könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Zuordnung der bewegten Lieferung auf den zweiten Liefervorgang nur dann erfolgen könne, wenn die tatsächliche Verfügungsmacht an den Liefergegenständen bereits vor dem Warentransport noch im Herkunftsland auf den Letzterwerber übergegangen sei. Rz 35 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 sei zu entnehmen, "dass eine Zurechnung der bewegten Lieferung zum 2. Umsatzgeschäft auch dann erfolgen kann, wenn der 1. Erwerber dem 1. Lieferer mitteilt, dass er die Ware an einen dritten Unternehmer in einem anderen Land, als dem des 1. Umsatzgeschäfts, weiterverkauft hat". In Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR stelle der EuGH zwar auf weitere Umstände ab, die eine Zuordnung der bewegten Lieferung möglich machen sollen und nenne in diesem Zusammenhang die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Letzterwerber vor der Beförderung. Diese Formulierung könne aber auch so verstanden werden, dass eine bloße "Erklärung" des Ersterwerbers über den Weiterverkauf der Liefergegenstände an einen dritten Unternehmer nicht ausreichend sein solle. Es müsse vielmehr eine "umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles" erfolgen.

47

bb) Dieser Auslegung des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 durch das FG Münster liegt zunächst das unter II.3.a bb geschilderte Fehlverständnis zugrunde. Insbesondere sind in dem vom FG in Rz 38 (in EFG 2014, 682) geschilderten Fall, wenn im Ursprungsmitgliedstaat dem zweiten Erwerber noch keine Verfügungsmacht verschafft worden ist, die objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG trotz Mitteilung des Weiterverkaufs gegeben und der Umsatz des ersten Lieferers ist --bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG-- im Ursprungsmitgliedstaat steuerfrei zu belassen (vgl. EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 30). Damit geht im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Erwerbers (und nicht des zweiten Erwerbers) einher (vgl. allgemein z.B. EuGH-Urteil X in Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 27). Das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber beim ersten Erwerber zu besteuern, kann dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht durch eine (bloße) Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 XI R 5/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de, Rz 35 f., m.w.N.).

48

cc) Der vom FG Münster in Rz 37 ff. seines Urteils in EFG 2014, 682 vertretenen Auslegung des EuGH-Urteils VSTR stehen vor allem klar Rz 36 und Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 entgegen, in denen der EuGH ausgeführt hat:

49

"36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

50

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

51

Diese Ausführungen des EuGH können nur so verstanden werden, dass eine (bloße) Erklärung des Ersterwerbers B vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland gegenüber A, dass die Gegenstände bereits an das finnische Unternehmen C weiterverkauft worden seien, gerade nicht für eine Zurechnung der Beförderung der Gegenstände zur ersten Lieferung ausreicht.

52

Zudem hat der EuGH in Rz 37 des Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 den nationalen Gerichten aufgegeben, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob "dies", das heißt "die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden" hat.

53

Dies bestätigen auch die Rz 33 und 34 desselben EuGH-Urteils: Der EuGH stellt dort die beiden möglichen Alternativen für die Lösung des Streitfalls dar und grenzt danach ab, in welchem Staat dem Zweiterwerber (C) Verfügungsmacht verschafft wird. Erlangt der Zweiterwerber (C) sie bereits im Inland, kann nur die zweite Lieferung die grenzüberschreitende sein. Umgekehrt kann nur die erste Lieferung die grenzüberschreitende sein, wenn der Zweiterwerber (C) keine Verfügungsmacht im Inland erlangt (ebenso z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 154).

54

dd) Aufgrund dieser Erwägungen greift auch der Einwand von Teilen der Literatur, der Senat habe Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 "missverstanden" (Nieskens, Der Betrieb --DB-- 2013, 1872, 1874) nicht durch (das Verständnis des Senats teilend z.B. Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944; von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater --UStB-- 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Matheis/Kandlhofer, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2013, 380, 384; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152; Looks, MwStR 2015, 52, 54).

55

c) Soweit in der Literatur der Einwand erhoben wird, der Senat unterliege einem "Zirkelschluss", weil aus der Beförderung oder Versendung die Verschaffung der Verfügungsmacht abzuleiten sei und nicht umgekehrt bei Verschaffung der Verfügungsmacht die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ausgelöst werden (Hiller, MwStR 2013, 652, 654 f.; Nieskens, DB 2013, 1872; Nieskens, UR 2013, 823, 824 ff.; Nieskens/ Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513, 516; Sterzinger, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2013, 4028, 4033), übersieht diese Auffassung, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen handelt (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen neben Rz 29 des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, und Rz 30 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832; aus neuerer Zeit EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2014 C-492/13, Traum, HFR 2014, 1131, UR 2014, 943, Rz 24 und 25).

56

aa) Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur leitet zwar aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 8 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL ab, diese regelten neben dem Ort auch den   Zeitpunkt  der Lieferung (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.b, m.w.N. zur herrschenden Meinung in der Literatur; Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. z.B. Frye, UR 2013, 889, 892 ff.; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 11, 115; wohl auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155). Liegen beide Tatbestandsmerkmale vor, fällt nach dieser Auffassung die Verschaffung der Verfügungsmacht (als erstes Tatbestandsmerkmal) mit dem Beginn der Beförderung oder Versendung (als zweites Tatbestandsmerkmal) zeitlich zusammen.

57

bb) Trotzdem handelt es sich um verschiedene Tatbestandsmerkmale, die getrennt zu prüfen sind; sonst bedürfte es auch einer Fiktion nicht.

58

Weder allein der Besitz befähigt den Besitzer (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 2005 C-435/03, British American Tobacco International Ltd., Slg. 2005, I-7077, BFH/NV Beilage 2005, 332, Rz 36) noch allein die Beförderung eines Gegenstands den Beförderer (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 2010 C-237/09, De Fruytier, Slg. 2010, I-4985, HFR 2010, 892, Rz 25) dazu, über Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen.

59

Entsprechend ist auch nach Auffassung des V. Senats des BFH bei Beförderung oder Versendung von Gegenständen die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht und ihr tatsächlicher Zeitpunkt zu prüfen, wenn es um die Entscheidung geht, ob die Warenbewegung der Lieferung zugeordnet werden kann oder nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.e, zum Kauf auf Probe: Verschaffung der Verfügungsmacht nach Beförderung als Lieferung i.S. des § 3 Abs. 7 UStG; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 153 f.; ebenso möglicherweise früher noch Nieskens, UR 2012, 17, 21).

60

d) Die Auffassung, der Senat hätte § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG für unionsrechtswidrig erklären sollen (so z.B. Weymüller, MwStR 2014, 623, 624; ebenso im Ergebnis bereits von Streit, UStB 2013, 47, 49; zweifelnd Kettisch, UR 2014, 593, 605 f.), beachtet nicht hinreichend, dass das in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis dem Unionsrecht entspricht.

61

Auch der EuGH geht --wie übrigens auch Art. 28c Teil E Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 141 MwStSystRL) und § 25b Abs. 1 und 3 UStG-- davon aus, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 32; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 33; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 33).

62

Deshalb hält der Senat daran fest, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG unionsrechtskonform ausgelegt werden kann und der in Halbsatz 2 mögliche Gegenbeweis nur unter den im BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 47 ff. genannten Umständen geführt ist.

63

4. Die Kritik, aufgrund dieser Rechtsprechung (des EuGH und/oder des BFH) könnten weder die leistenden Unternehmer noch die Finanzverwaltungen rechtssicher beurteilen, welcher Lieferung eine Warenbewegung zuzuordnen ist (Büchter-Hole, EFG 2014, 684; Herzing, Steuerrecht kurzgefasst 2013, 433; Höink/Forster, DB 2014, 1896; Meurer, MwStR 2013, 555; Nieskens/Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513; dies., Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1368; dies., UVR 2014, 249; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 64 Rz 137; Sterzinger, NWB 2013, 4028, 4032 f.; Wäger, UR 2014, 81, 101; Winter, DStR 2013, 1979, 1980 f.; s. auch zu Unklarheiten im Vereinigten Königreich Lang-Horgan, MwStR 2013, 394, 395 f.; zur unterschiedlichen Beurteilung von Reihengeschäften durch die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten s. auch Bericht Nr. 29 der "VAT Expert Group" der EU vom 13. Januar 2014, taxud.c.1(2014)83538, abrufbar auf der Internetseite der EU, Tz. 6.2 und Anlage 3, sowie Körner, MwStR 2014, 763), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

64

a) Zum einen ist eine ggf. vorliegende Unsicherheit bei Beurteilung der Umstände des Einzelfalls im Wesentlichen Folge der Entscheidung des Richtliniengebers, trotz des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Union im innergemeinschaftlichen Warenverkehr am Bestimmungslandprinzip festzuhalten (vgl. dazu EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 21 f.; Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 34 f.).

65

b) Zum anderen besteht bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung keine Rechtsunsicherheit.

66

Zu dem Begriff der Lieferung liegt eine ständige Rechtsprechung des EuGH vor (neben den genannten Urteilen z.B. auch vgl. EuGH-Urteile vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573, Rz 31 ff.; vom 21. April 2005 C-25/03, HE, Slg. 2005, I-3123, BStBl II 2007, 24, Rz 64; vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Rz 32). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451; vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909), ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.6.; vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, unter II.1.). Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann danach z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber (vgl. BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 72, m.w.N.; Kettisch, UR 2014, 593, 600) als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber (vgl. EuGH-Urteil vom 21. November 2013 C-494/12, Dixons, HFR 2014, 84, MwStR 2013, 774, Rz 23 f., 27 f.) zu sehen sein.

67

c) Ebenso liegt zu den im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigenden Umständen eine ständige Rechtsprechung vor.

68

Die Frage, ob, wann und wo eine Lieferung erfolgt, d.h. die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, ist von den nationalen Gerichten anhand des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Februar 1990 C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, Rz 7 f., 13; vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136, Rz 60 ff., 63; vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset Menidjmunt, HFR 2012, 454, UR 2012, 230, Rz 38 ff., 41; vom 18. Juli 2013 C-78/12, Evita-K, HFR 2013, 857, UR 2014, 475, Rz 33 bis 35). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, d.h. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen (vgl. dazu z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155, unter 3.2.1) und deren tatsächliche Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; s. auch BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

69

d) Zudem stellen sowohl das nationale Recht als auch die Rechtsprechung des EuGH dem Lieferer Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung (vgl. die Ausführungen unter II.3.a cc; s. auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 157).

70

In diesem Rahmen kann sich der leistende Unternehmer zur Minimierung von Risiken z.B. vom Erwerber versichern lassen, dass der Erwerber die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat. Dies zu tun (oder nicht), liegt derzeit in seiner unternehmerischen Entscheidung.

71

e) Im Übrigen ist es ggf. Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers --über die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und den Belegnachweis des § 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F., § 17a Abs. 1 und 2 UStDV i.d.F. ab 1. Oktober 2013 hinaus-- durch Änderung des UStG oder der UStDV in den Grenzen des Unionsrechts z.B. andere widerlegbare Vermutungen aufzustellen oder in anderer Form die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen (vgl. Art. 28c Teil A Einleitungssatz der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 131 MwStSystRL, § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

72

Sieht das nationale Recht eines EU-Mitgliedstaats jedoch nur vor, dass die Lieferung nachzuweisen ist, bzw. hängt das Niveau der verlangten Nachweise von den konkreten Umständen des betreffenden Umsatzes ab, sind die Nachweispflichten lediglich nach den im nationalen Recht dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen und nach der für ähnliche Geschäfte üblichen Praxis zu bestimmen (EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 37 f.). Es ist dem BFH weder möglich, Wahlrechte für Unternehmer zu schaffen, die das Unionsrecht nicht vorsieht, noch allgemeine Nachweispflichten für leistende Unternehmer vorzusehen, die das nationale Recht nicht enthält.

73

5. Die Entscheidung des FG, die Warenbewegung sei im Streitfall der Lieferung der Klägerin (zivilrechtlich: der A-GmbH) an B zuzuordnen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

74

a) Das FG konnte nicht feststellen, ob die B der C-Ltd. (bereits) im Inland die Befähigung übertragen hat, wie ein Eigentümer über die Maschinen zu verfügen.

75

Es hat zur Begründung ausgeführt, Lieferbedingungen oder der Kaufvertrag könnten nicht vorgelegt werden. Ob ein solcher "als Urkunde" existiere, habe ebenfalls nicht geklärt werden können. Die A-GmbH komme als Lieferer an die B in Betracht. Für eine Lieferung der B an die C-Ltd. als der bewegten Lieferung spreche zwar der Umstand, dass die B die Transportverantwortlichkeit und einen Teil der Kosten zu tragen gehabt habe, dass die C-Ltd. den Kaufpreis vor Beginn der Lieferung am 14. Dezember 1998 gezahlt und dass B der A-GmbH den Verkauf vor diesem Zeitpunkt mitgeteilt habe. In der Gesamtschau der Umstände sei dennoch nicht der Nachweis geführt, dass B die Maschinen als Lieferer befördert habe und die C-Ltd. die Sachherrschaft bereits vor Beginn der Lieferung habe. Das FG lege § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG so aus, dass die gesetzliche Vermutung erst dann erschüttert sei, wenn der Nachweis als Lieferer durch den mittleren Unternehmer auch tatsächlich geführt sei. Bloße Zweifel genügten insoweit nicht. Zur Zuordnung der bewegten Lieferung reiche allein die Mitteilung des Ersterwerbers an den Erstlieferer über einen Weiterverkauf nicht aus.

76

b) Diese --von den Rechtsgrundsätzen des zurückverweisenden BFH-Urteils in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 ausgehende-- Würdigung des FG ist auf Basis seiner tatsächlichen Feststellungen, die kein Beteiligter mit Verfahrensrügen angegriffen hat, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 13. November 2013 XI R 24/11, BFHE 243, 471, BFH/NV 2014, 471); denn wenn sich schon das der Lieferung von B an die C-Ltd. zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht ermitteln lässt, kann auch nicht beurteilt werden, welche Regelungen zur Verschaffung der Verfügungsmacht darin enthalten waren.

77

c) Ferner ist das FG zutreffend davon ausgegangen, für den Fall, dass --nach (der von Amts wegen durchzuführenden) Sachverhaltsaufklärung durch das FG, bei der Dritte, insbesondere der Ersterwerber, zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden können (z.B. §§ 93, 97 der Abgabenordnung, § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4, §§ 81, 85 FGO)-- Zweifel daran verbleiben, ob der Ersterwerber den Gegenstand "als Lieferer befördert oder versendet hat" oder nicht, sei nach § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen (ebenso Szabo/Tausch/Kraeusel, UVR 2013, 280, 282; a.A. Nieskens, UR 2013, 823, 826).

78

Die regelmäßige Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegen stehen, entspricht im Übrigen auch der Ansicht des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Nachfolgeerkenntnis "EMAG Handel Eder" (Erkenntnis vom 25. Juni 2007  2006/14/0107, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, a.E.).

79

aa) Zwar weist das FA zu Recht darauf hin, dass auch das FA von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen dürfe. Deshalb ist auch das FA --insoweit möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- nicht generell verpflichtet, den Gegenbeweis des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zu führen, sondern darf ebenfalls (bis Anhaltspunkte vorliegen, dass der tatsächliche Geschehensablauf hiervon abweicht) von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen. Dies hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im Verfahren des ersten Rechtszugs noch getan.

80

bb) Wenn das FA jedoch nun im zweiten Rechtszug die Vermutungsregelung nicht mehr angewendet wissen will und geltend macht, die Lieferung der Klägerin sei steuerpflichtig, weil die Warenbewegung der zweiten Lieferung zuzurechnen sei, so ist es an ihm, den Nachweis dieses für ihn günstigen Umstands zu führen.

81

6. Ebenso hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahin gehend gewürdigt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb der B in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

82

a) Das FG hat dazu festgestellt, dass die B nicht unter einer eigenen USt-IdNr. aufgetreten sei und auch keine gehabt habe. Damit habe die A-GmbH auch keine Aufzeichnungspflichten verletzen können. Die A-GmbH habe die USt-IdNr. der C-Ltd. der Finanzverwaltung mitgeteilt. Des Weiteren habe die A-GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der B ergriffen. Dafür spreche insbesondere, dass der Vorgang mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen worden und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden sei. Dem sei das FA nicht entgegengetreten.

83

b) Auch diese Würdigung des FG ist aufgrund der von ihm im Urteil festgestellten Tatsachen, insbesondere der dem FG vorliegenden Unterlagen zum Ablauf der Bestellung und Lieferung, die sämtlich keine portugiesische USt-IdNr. der B enthalten, sondern die ausdrückliche, schriftliche Mitteilung der USt-IdNr. eines Dritten, sowie aufgrund des Aktenvermerks des Prokuristen der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs mit dem FA, verbunden mit dem Beweisangebot, Prokuristen, Sachgebietsleiter und Außenprüfer als Zeugen zu vernehmen, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

84

aa) Zwar reicht --möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- allein der Umstand, dass das FA dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen getreten ist, für sich genommen nicht aus, um auf weitere Sachverhaltsaufklärung zu verzichten; denn das zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtete FG (§ 76 Abs. 1 FGO) muss auch Fragen nachgehen, über welche die Beteiligten nicht streiten, wenn insoweit Zweifel bestehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 185/93, BFH/NV 1995, 1076).

85

bb) Jedoch hängen Umfang und Intensität der vom FG anzustellenden Ermittlungen auch vom Vortrag und Verhalten der Beteiligten ab; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. August 2006 I B 21/06, BFH/NV 2007, 10, m.w.N.).

86

Hier durfte das FG berücksichtigen, dass das FA trotz der Hinweise des Senats im Rahmen der Zurückverweisung hinsichtlich beider Punkte im zweiten Rechtsgang einen abweichenden tatsächlichen Geschehensablauf noch nicht einmal behauptet, geschweige denn beantragt hat, zum Beweis eines abweichenden Geschehensablaufs Beweise zu erheben, z.B. Zeugen zu vernehmen.

87

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Strittig sind innergemeinschaftliche Lieferungen von Kraftfahrzeugen.

2

Die Klägerin ist Organträger der A-GmbH, welche einen Kraftfahrzeughandel und eine Autowerkstatt betreibt.

3

Nach Mitteilung der polnischen Steuerverwaltung hatte die GmbH im Juli 2007 ein Kraftfahrzeug "Kia Sportage" nicht als innergemeinschaftliche Lieferung nach Polen, sondern nach Frankreich veräußert. Das Fahrzeug wurde in Deutschland von einem Franzosen abgeholt und in Frankreich wohl zu Unrecht die Differenzbesteuerung angewandt.

4

Nach den daraufhin angestellten Ermittlungen der Steuerfahndung ergab sich, dass das Kraftfahrzeug Kia Sportage bei der GmbH mit Telefax vom 26. Juni 2007 angeblich von einer Firma "…" –I–PL– in Polen bestellt wurde. Bei der Adresse der I–PL war eine polnische Faxnummer angegeben. Das Fax trug hingegen die französische Faxkennung "..." und als Unterzeichner war eine "…." mit französischem Telefonanschluss und französischer E–mail–Adresse angegeben. Nach Internetrecherche durch die Steuerfahndung mittels einfacher "Google–Suche" unter Angabe der Faxnummer war das Bestellfax von der Firma "..." mit Sitz in Paris aufgegeben worden, welche im Internet mit ihrer Homepage "www…...fr" wirbt. Die von der GmbH an die angegebene polnische Faxnummer der I–PL gefaxte "Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs" wurde mit der polnischen Faxkennung und dem Firmenstempel der I–PL versehen an die GmbH zurück gefaxt. Die Unterschrift beim Firmenstempel der I–PL ist der Unterschrift auf dem der GmbH zugefaxten Kopie des Personalausweises des Geschäftsführers der I–PL lt. ebenfalls der GmbH zugefaxtem polnischem Handelsregisterauszug, … –K–, vergleichbar. Nach Überweisung des Kaufpreises von 14.700 €  auf das Konto der GmbH ging bei der GmbH am 24. Juli 2007 per Fax eine "Vollmacht für Abholung“ für das Kraftfahrzeug ein, wobei die Faxkennung unterdrückt war. In der Vollmacht ist als Unterzeichner K angegeben, die Vollmacht ist aber nicht unterzeichnet. In der Vollmacht ist …. –M– für den 25. Juli 2007 bevollmächtigt, das Kraftfahrzeug abzuholen und nach Polen zu verbringen. Am 25. Juli 2007 erschien M bei der GmbH und holte das Kraftfahrzeug Kia Sportage ab. Ausweislich der von der GmbH gefertigten Kopie des Personalausweises wurde die Verbringensbestätigung vom 25. Juli 2007 offensichtlich von M unterschrieben. In der lückenhaft ausgefüllten Verbringensbestätigung versichert M das Verbringen des Kraftfahrzeugs nach Polen ohne nähere Ortsangabe. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung wurde das Kraftfahrzeug am 28. September 2007 in Frankreich auf eine dritte Person zugelassen. Die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung lägen daher nach Ansicht der Steuerfahndung nicht vor.

5

Aufgrund einer Spontanauskunft der niederländischen Steuerverwaltung hinsichtlich angeblicher Lieferungen von vier "Audi Q7" in die Niederlande an die niederländische Gesellschaft …. –T BV– stellte die Steuerfahndung ebenfalls Ermittlungen bei der GmbH an. Tatsächlich wurden die Kraftfahrzeuge auf dem Landweg nach Triest befördert und von dort aus in die Türkei verschifft.

6

Nach Terminvereinbarung durch die Steuerfahndung für eine Umsatzsteuer–Nachschau versuchte die GmbH mit Telefax vom 28. August 2008 nachträglich, bei Herrn …. –A– eine unterschriebene Vollmacht für den Fahrer …. –S– zu erlangen. Auf Anforderung wurde der GmbH am 28. August 2008 ein Handelsregisterauszug der Firma T BV vom Handelsregister Rotterdam mit Fax übersandt.

7

Nach Auskunft der Buchhalterin der GmbH, Frau …. –B–, seien die Fahrzeuge bei der GmbH ursprünglich von der Firma …. –C– in Deutschland bestellt worden. Als die C die Verträge nicht habe erfüllen und die Fahrzeuge nicht habe abnehmen können, habe diese sich zur Vermeidung einer Vertragsstrafe selbst um einen anderen Käufer gekümmert. Durch Vermittlung der C sei der Verkauf an die T BV Rotterdam, Niederlande zustande gekommen. In diesem Zusammenhang sei es zu Stornierungen der ursprünglich an die C ausgestellten Rechnungen als auch zu Stornierungen der ursprünglich an die T BV neu fakturierten Rechnungen gekommen, die anstelle eines Kaufvertrages in die Buchhaltung der GmbH aufgenommen worden seien. Am Abholungstag am 15. Oktober 2007 seien endgültige Rechnungen erstellt worden. Die T BV habe die Rechnungen bar beglichen. Die Kraftfahrzeuge seien von dem Geschäftsführer der T BV, A und dem Fahrer S am 15. Oktober 2007 abgeholt und auf einen Sattelzug (Zugmaschine und Hänger) verladen worden. Sowohl A als auch S seien an einem Tag auf jeden Fall im Autohaus gewesen. Es lägen ja auch Ausweiskopien vor. Sie könne aber nicht sagen, ob sie gemeinsam aufgetreten seien. Mit A habe sie persönlich gesprochen, könne sich aber nicht mehr daran erinnern, ob sie auch persönlich mit S verhandelt habe. Für sie sei S Fahrer einer Spedition gewesen. Sie habe die Übergabe der Fahrzeuge nur aushilfsweise gemacht, da dies normalerweise Aufgabe des Verkäufers sei. Es sei an diesem Tag aber kein Verkäufer im Hause gewesen. Einen Frachtbrief habe sie vom Fahrer nicht bekommen. Der Verkäufer bei der GmbH, Herr … –RK–, hat in seiner Vernehmung am 23. Oktober 2008 vor der Steuerfahndung bestätigt, dass er am 15. Oktober 2007 nicht im Autohaus gewesen sei.

8

Der Sattelzug war auf einen …. aus Dortmund zugelassen. Dieser ist Inhaber der Firma … –MT–, bei dem der Fahrer S seit 2006 bis 2007 Arbeitnehmer war. Nach Angaben des Inhabers der MT sei Auftraggeber die Firma … GmbH –SC- aus Herne gewesen, an die auch die Rechnung gegangen sei und eine Ausfertigung des Frachtbriefs CMR sei im Autohaus/bei der GmbH verblieben, da man dort schließlich einen Nachweis darüber benötige, dass und an wen die Ware tatsächlich ausgehändigt worden sei. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung sei die Kontaktaufnahme des A mit der GmbH über die Gelsenkirchener Telefon– und Fax–Nummer des A erfolgt. Aus den beschlagnahmten Unterlagen sei nachzuvollziehen, dass ein Herr …-I- sowohl an den Geschäften der C beteiligt, als auch Mitgesellschafter der SC aus Herne gewesen sei. Der Geschäftsführer der T BV, A, habe bei der Vernehmung ausgesagt, dass er vielfach nur im Auftrag von I tätig geworden sei.

9

Nach Angaben des Fahrers S gegenüber der Steuerfahndung habe er bei der Abholung der streitbefangenen Kraftfahrzeuge bei der GmbH einen Vertreter des Abnehmers dort nicht gesehen und ausschließlich mit dem zuständigen Verkäufer zu tun gehabt. Er habe eine Ausfertigung des Frachtbriefes dem Verkäufer als Nachweis dafür übergeben, dass er die Fahrzeuge übernommen habe. Nach Einschätzung der Steuerfahndung sei daher A entgegen der von der GmbH suggerierten Beleglage bei der Übergabe der Kraftfahrzeuge nicht anwesend gewesen.

10

In dem CMR–Frachtbrief vom 16. Oktober 2007 sind als Versender die Firma SC und als Empfänger die Firma "…." in Triest angegeben.

11

Der Kaufpreis von insgesamt 213.755 € wurde von A mittels einer ersten Anzahlung in Höhe von 5.500 € am 25. September 2007 in bar, mit einer weiteren Anzahlung am 28. September 2007 in Höhe von 215 € in bar und 40 € mit Kreditkarte sowie schließlich mit einem Verrechnungsscheck über 208.000 € beglichen. Der Verrechnungsscheck ist auf der Rückseite von A unter dem Datum 28. September 2007 indossiert. Nach Angaben der Sparkasse Bochum war Aussteller des Schecks die SC in Herne. Unterschrieben war der Scheck von dem Geschäftsführer … .

12

In den von der GmbH vorgelegten Verbringensbestätigungen für die Fahrzeuglieferungen hat bei den Angaben zu "Hiermit versichere ich (Name und Anschrift des Auftraggebers oder des Bevollmächtigten)" der Fahrer S unter seinen Angaben zur Person unterschrieben und die amtlichen Kennzeichen des Sattelzugs mit Standort Dortmund (Kennzeichen DO....) angegeben. Danach ist das Kreuz in dem Feld "im eigenen Namen" durchgestrichen und das Feld "im Namen und im Auftrag von" angekreuzt. Hier sind die Anschrift der T BV und deren niederländische Umsatzsteuer–Identifikationsnummer sowie die Ausweisnummer des A angegeben. Versichert ist, dass das Fahrzeug zur T BV nach Rotterdam befördert wird. Unter dem Datum vom 15. Oktober 2007 sind die Verbringensbestätigungen von A unterschrieben. Zu den Verbringensbestätigungen hat die GmbH Ausweiskopien des A und des S vorgelegt. Die Verbringensbestätigungen sind in verschiedenen Handschriften ausgefüllt. B hat hierzu ausgesagt, dass sie selbst teilweise die Vordrucke ausgefüllt habe. Eventuell hätten auch andere Mitarbeiter der GmbH die Vordrucke ausgefüllt. Die fehlerhafte Ortsangabe "Türkei" bei der Firma T BV sei von ihr, da sie diese dem Ausweis des A entnommen habe.

13

Wegen der abweichenden Datumsangaben in den Verbringensbestätigungen und in dem CMR–Frachtbrief habe nach Einschätzung der Steuerfahndung nicht mehr geklärt werden können, an welchem Tag die Lieferung tatsächlich stattgefunden habe. Auch hier lägen die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach Ansicht der Steuerfahndung nicht vor.

14

Der Beklagte folgte der Auffassung der Steuerfahndung und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2007 mit Bescheid vom 1. März 2010. Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein. In der Zeit vom 23. November 2009 bis zum 19. August 2010 fand bei der GmbH eine Betriebsprüfung statt, in die auch die Ergebnisse der Ermittlungen der Steuerfahndung einflossen. Im Anschluss an die Betriebsprüfung änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 nochmals mit Bescheid vom 4. Oktober 2010. Der Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2013 zurückgewiesen.

15

Die Klägerin trägt vor, hinsichtlich der Lieferung des Kraftfahrzeugs Kia Sportage an die Firma I–PL habe sie den Belegnachweis erbracht. Die Auffassung des Beklagten sei unverständlich, da die Firma I–PL, vertreten durch K, am 24. Juli 2007 die entsprechende Vollmacht, die auch dem Beklagten vorliege, per Fax an sie übermittelt habe. Soweit der Beklagte noch eingehendere Überprüfungen verlange, überspanne er die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Auch wenn das Fahrzeug nicht wie vom Abholbeauftragten bestätigt nach Polen, sondern wie vom Beklagten behauptet nach Frankreich gelangt sei, sei aufgrund des ordnungsgemäßen Belegnachweises Vertrauensschutz zu gewähren. Zwar sei in der Verbringensbestätigung als Bestimmungsort lediglich Polen angegeben. Allerdings habe sie zum Lieferzeitpunkt aufgrund der Vollmacht für die Abholung mit voller Firmenanschrift des Abnehmers keine Zweifel daran gehabt, dass mit dem Bestimmungsort Polen auch der Niederlassungsort des Empfängerunternehmens bezeichnet gewesen sei. Insofern hätte sie davon ausgehen können, dass das Fahrzeug zum Unternehmenssitz des Abnehmers befördert werde. Hinzu komme, dass der Kaufpreis vom Abnehmer überwiesen und bereits am 20. Juli 2007 auf dem Konto der GmbH gutgeschrieben gewesen sei und es handele sich nicht um ein hochwertiges Kraftfahrzeug. Hinsichtlich der Lieferung der vier Audi Q7 an die Firma T BV habe sie ebenfalls den Belegnachweis erbracht. Auch bei Vorliegen eines Reihengeschäfts sei die Lieferung von ihr an die T BV als bewegte Lieferung anzusehen. Der Weiterverkauf der Kraftfahrzeuge durch die T BV an die SC sei ihr nicht bekannt gewesen. Der Geschäftsführer A habe mit Versicherung vom 15. Oktober 2007 als erster Abnehmer gegenüber ihr unter Angabe der gültigen niederländischen Umsatzsteuer–Identifikationsnummer der T BV erklärt, dass die Kraftfahrzeuge nach Rotterdam und damit in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat befördert würden. Der CMR–Frachtbrief, aus dem die Weiterlieferung hervorgehe, habe ihr erst im Nachhinein auf ihre Anforderung vorgelegen. Die Beauftragung der Spedition MT durch die Firma SC sei ihr nicht bekannt gewesen. In der Verbringensbestätigung habe A versichert, dass er die Fahrzeuge in Empfang genommen habe und nach Rotterdam befördern werde. Selbst wenn man der Schlussfolgerung des Beklagten folge und zu dem Ergebnis käme, dass der Lieferung an die T BV keine Warenbewegung zu Grunde liege, sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren. Denn dann habe die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des A als Geschäftsführer der T BV beruht. Die Unrichtigkeit der Angaben sei für sie nicht erkennbar gewesen. Da A selbst in –im Autohaus-  gewesen sei und die Bestätigung abgegeben habe, habe sie davon ausgehen können, dass die Fahrzeuge durch einen Beauftragten des Erwerbers nach Rotterdam transportiert werden würden und ein Abholfall vorliege. Auch aus dem Verrechnungsscheck habe sich für sie nicht ergeben, dass ein Weiterverkauf der Kraftfahrzeuge bereits erfolgt sei. Der Vermerk auf dem Scheck sei von einer dritten Person ausgestellt worden und die T BV als Empfänger angegeben. Auf dem Scheck seien außer der Unterschrift des Ausstellers keine weiteren Angaben über dessen Identität enthalten, insbesondere kein Firmenstempel eines weiteren Abnehmers. Daher habe der Schluss nahe gelegen, bei dem Scheck handele es sich um einen reinen Finanzierungsscheck, der ausdrücklich nur für den Ankauf der vier Audi Q7 durch die T BV vorgesehen gewesen sei. Hierfür spreche auch dass die Schecksumme von 208.000 € dem zwischen der GmbH und der T BV vereinbarten Kaufpreis entspreche. Es sei insofern nicht davon auszugehen, dass es sich um einen von einem weiteren Käufer ausgestellten Scheck handele, weil damit die T BV quasi den eigenen Einkaufspreis gegenüber diesem Dritten aufgedeckt hätte. Jedenfalls aber habe A ihr den Weiterverkauf nicht mitgeteilt. Unabhängig davon sei nach der neueren Rechtsprechung des BFH allein die Kenntnis des Veräußerers von einer Weiterveräußerung des Liefergegenstandes durch den Ersterwerber für die Zuordnung der warenbewegten Lieferung im Reihengeschäft nicht ausreichend. Dies bedürfe vielmehr einer Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und entscheidend sei, zu welchem Zeitpunkt die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden sei.

16

Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 4. Oktober 2010 unter Aufhebung der Einschussentscheidung vom 3. Mai 2013 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuerfestsetzung um 36.475 € vermindert wird.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Der Beklagte trägt vor, hinsichtlich der Lieferung des Kia Sportage an die I–PL in Polen sei die GmbH möglicherweise davon ausgegangen, dass es sich bei M um einen Abholbeauftragten und damit um eine für die I–PL unselbstständig tätige Personen gehandelt habe. Anhaltspunkte hierfür, beispielsweise für ein Arbeitsverhältnis zwischen dem in Frankreich wohnhaften M und der in Polen ansässigen I–PL lägen nach Aktenlage jedoch nicht vor. Der Umstand, dass ein in Frankreich wohnhafter französischer Staatsbürger ein Kraftfahrzeug in die von seinem Wohnort entgegengesetzte Richtung nach Polen befördern solle, habe bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Anlass zu weiteren Nachfragen gegeben. An einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des M durch die I–PL fehle es ebenfalls. Bei der übermittelten Bevollmächtigung sei die Faxkennung unterdrückt gewesen und diese habe keine Unterschrift enthalten. Schließlich sei auch die Verbringensbestätigung nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, insbesondere fehle es an der Angabe des Bestimmungsortes. Aufgrund des mangelhaften Beleg– und Buchnachweises komme hier ein Vertrauensschutz nicht in Betracht. Allein die spätere Zulassung des Kraftfahrzeugs in Frankreich rechtfertige die Gewährung der Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht. Hinsichtlich der Lieferung der vier Audi Q7 an die T BV in den Niederlanden fehle es ebenfalls am ordnungsgemäßen Belegnachweis. Da die vier Audi Q7 auf ein Transportfahrzeug einer Spedition verladen worden seien, liege eine Versendung vor. Damit sei der Belegnachweis nach § 17 Abs. 4 UStDV zu führen. Unmaßgeblich sei, dass die GmbH die Spedition nicht selbst beauftragt habe und gegebenenfalls bis zur Verladung der Kraftfahrzeuge möglicherweise von einer Abholung durch die Firma T BV oder durch deren Beauftragten ausgegangen sei. Mit Verladung der Fahrzeuge auf das Transportfahrzeug der Spedition komme der Versicherung der T BV, die Fahrzeuge nach Rotterdam zu transportieren, keine Bedeutung mehr zu. Die Angaben in der Verbringensbestätigung seien auch nicht eindeutig. Hinsichtlich der Unterschrift des Fahrers sei zweifelhaft, ob dieser damit eine Beförderung in ein bestimmtes Land oder, was offensichtlicher sei, nur seine persönlichen Angaben bestätigen wolle. Die Unterschrift des Fahrers und des Geschäftsführers A auf der Verbringensbestätigung vom 15. Oktober 2007 könnten die nach § 17 Abs. 4 UStDV erforderlichen Angaben jedoch nicht ersetzen. Die Auffassung der Klägerin, wonach sie habe davon ausgehen können, dass die Fahrzeuge durch einen Beauftragten der Firma T BV abgeholt und transportiert würden, sei unmaßgeblich, da es sich bei einer Beförderung durch einen Beauftragten des Abnehmers im Sinne des § 17 Abs. 2 UStDV um eine für den Abnehmer unselbständig tätige Person handeln müsse. Die Buchhalterin der GmbH habe jedoch in ihrer Vernehmung vor der Steuerfahndung ausgesagt, dass sie S als Fahrer einer Spedition angesehen habe. Damit sei klar gewesen, dass der Fahrer des Transportfahrzeugs nicht Beauftragter der T BV, sondern Arbeitnehmer einer Spedition gewesen sei. Die Beauftragung der Spedition durch die Firma SC spreche dafür, dass diese den Auftrag in ihrer Eigenschaft als Eigentümer der Fahrzeuge erteilt hätte. Ebenso die Angaben im Frachtbrief, in der die Firma SC als Absender genannt sei sowie der Scheck vom 27. September 2007, den A am 28. September 2007 an die GmbH weitergereicht habe. Wegen des fehlerhaften Belegnachweises sei der Klägerin auch hier kein Vertrauensschutz zu gewähren.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist unbegründet.

20

Bei den Lieferungen des Kia Sportage und der vier Audi Q7 handelt es sich nicht um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 6a Abs. 1 UStG. Vertrauensschutz gem. § 6a Abs. 4 UStG ist der Klägerin nicht zu gewähren.

21

Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei -§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG-, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat -§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG-, wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt -§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG-. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte -§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG- (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2014 – XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358).

22

Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG müssen nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Wie der Unternehmer diesen Nachweis zu führen hat, ist vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in §§ 17a, 17c UStDV geregelt worden. Hierzu bestimmt § 17a Abs. 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat und dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer–Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss und die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sein (sog. Buchnachweis).

23

Nach der Rechtsprechung des BFH ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind, sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der –formellen– Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH–Urteile vom 6. Dezember 2007 – V R 59/03, UR 2008, 186 und vom 8. November 2007 – V R 71/05 und V R 72/05, UR 2008, 337 und UR 2008, 340). Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und –grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten. Ausnahmsweise kann die Lieferung aber unter den Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Unrichtigkeit auf Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. BFH–Urteil vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).

24

1. Nach den vorgenannten Grundsätzen liegen keine nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen vor.

25

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf "Belege" in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH–Urteil vom 18. Juli 2002 – V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

26

Hinsichtlich der Lieferung des Kia Sportage liegt ein sog. Abholfall vor.

27

In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch

– das Doppel der Rechnung (Nr. 1),

– einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),

– eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3),

sowie

eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet "zu befördern" (Nr. 4) führen.

28

Diesen vorgenannten Anforderungen nach § 17a Abs. 2 Nrn. 3 und 4 UStDV genügen die von der GmbH vorgelegten Belege nicht.

29

a) Im Streitfall fehlt es an den Angaben zum Bestimmungsort der Lieferung des Kia Sportage. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt. Die Angabe allein des Bestimmungslands Polen in der Verbringensbestätigung ist insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. BFH–Urteil vom 14. November 2012 – XI R 17/12, BStBl. II 2013, 407).

30

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht auch nicht der Zusammenhang der Vollmacht für die Abholung mit der Angabe der Firmenanschrift des Abnehmers. Zwar kann sich die gem. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH–Urteil vom 14. November 2012 – XI R 17/12, BStBl. II 2013, 407).

31

Davon konnte die GmbH im Streitfall aber gerade nicht ausgehen. Zunächst einmal wurde ausweislich der Faxkennung das Telefax, mit dem das Kraftfahrzeug bestellt wurde, nicht aus Polen abgesandt. Dies ergibt sich aus dem Schreiben selbst, denn bei der dort angegebenen Adresse der "I–PL" war eine polnische Faxnummer angegeben, das Fax hingegen trug eine französische Faxkennung. Ungewöhnlich musste der GmbH in diesem Zusammenhang auch erscheinen, dass als Unterzeichner eine "…" mit französischem Telefonanschluss und französischer E–Mail–Adresse angegeben war. Bei der der GmbH mit Fax übersandten "Vollmacht für Abholung“ für das Kraftfahrzeug war dann die Faxkennung unterdrückt.

32

c) Die "Vollmacht für Abholung“ ist auch nicht vom Geschäftsführer der I–PL unterzeichnet. Im Streitfall scheitert die Steuerbefreiung für die geltend gemachte innergemeinschaftliche Lieferung deshalb auch daran, dass aus den von der GmbH vorgelegten Belegen nicht ersichtlich ist, dass M den Kia Sportage für den angeblichen Empfänger abgeholt hat und von diesem hierzu beauftragt oder ermächtigt war (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 24. September 2013 – 2 K 570/11, in juris).

33

Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebensowenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH–Beschluss vom 3. August 2009 – XI B 79/08, BFH/NV 2010, 72). Aber die Belege haben im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt, kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind (vgl. BFH–Urteil vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). In den sog. Abholfällen i. S. d. § 17a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV daher ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH–Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067).

34

Ungewöhnlich musste im Streitfall – worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat – erscheinen, dass ein französischer Staatsbürger das Kraftfahrzeug abgeholt hat, um es nach Polen zu verbringen. Hier wäre angesichts des Lohngefälles innerhalb der Gemeinschaft und wegen des Wohnorts des M in Frankreich ein polnischer Staatsbürger zu erwarten gewesen. Dies hätte umso mehr zu Zweifeln Anlass geben müssen, als auch die Bestellung eine Fax-Kennung aus Frankreich trug.

35

d) Die Klägerin hat den Nachweis für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch nicht auf andere Art und Weise als durch den Beleg– und Buchnachweis erbracht. Für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung genügt nicht, dass das Fahrzeug auf irgendeine Art und Weise in einen anderen Mitgliedstaat gelangt und dort zugelassen ist.

36

Die Zulassung des Kraftfahrzeugs in Frankreich auf eine andere Person als den Abnehmer reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in einen anderen Mitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (vgl. BFH–Urteile vom 25. April 2013 – V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453 und vom 26. November 2014 – XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358).

37

e) Entscheidend ist im Ergebnis jedenfalls, dass sich die Angaben in den vorgelegten Belegnachweisen als unzutreffend erwiesen haben. Denn tatsächlich ist der Kia Sportage nicht nach Polen, sondern nach Frankreich befördert worden, wie sich aus der Mitteilung der polnischen Steuerverwaltung ergibt. Eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung liegt damit nicht vor.

38

2. Nach der Rechtsprechung des BFH unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen, wenn bei einem sog. Reihengeschäft mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt (vgl. BFH–Urteil vom 11. August 2011 – V R 3/10, BStBl. II 2003, 616).

39

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG Folgendes:

40

"1. Lieferungen, die der Beförderungs– oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.

41

2. Lieferungen, die der Beförderungs– oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

42

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet. Weder Art. 14 MwStSystRL noch Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL unterscheiden danach, wer die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung übernommen hat, so dass auch in diesem Fall zu ermitteln ist, wann und wo der Zweiterwerber Verfügungsmacht erhalten hat. Außerdem handelt es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht und der Warenbewegung um separate Tatbestandsmerkmale. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen, die Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, und die physische Verbringung der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen, keine weiteren Voraussetzungen für die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung aufgestellt werden. Im Rahmen der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist darauf abzustellen, ob die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, durch den Ersterwerber auf den Zweiterwerber stattgefunden hat, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlassen hat (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402). Es ist aber davon auszugehen, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391).

43

Weder die Tatsache, dass der Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt war, noch der Umstand, dass die Gegenstände nicht zur Adresse des Ersterwerbers befördert wurden, können es für sich genommen ausschließen, die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen. Hingegen kann der Umstand, dass die Beförderung vom Eigentümer des Gegenstands oder für dessen Rechnung durchgeführt wird, bei der Entscheidung, ob diese Beförderung der ersten oder der zweiten Lieferung zugeordnet wird, eine Rolle spielen. Dies setzt voraus, dass ihm vor der Beförderung oder Versendung die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand der Lieferung zu verfügen, übertragen worden ist. Die Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein. Deshalb wird in dem Fall, dass der Zweiterwerber den Gegenstand der Lieferung beim ersten Lieferer persönlich abholt, oftmals dem Zweiterwerber Verfügungsmacht verschafft und die Warenbewegung folglich der zweiten Lieferung zuzuordnen sein. Allerdings kann sich aus den Gesamtumständen im Einzelfall Abweichendes ergeben, wobei nicht allein auf die subjektive Kenntnis des ersten Lieferers abzustellen ist, sondern die objektiven Umstände maßgeblich sind (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402). Die Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf ist für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen–)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich (vgl. BFH–Urteil vom 28. Mai 2013 – XI R 11/09, UR 2013, 756).

44

Bei Würdigung der Umstände des Streitfalls ergibt sich unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze, dass die Lieferung von der T BV an die SC als die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG anzusehen ist.

45

Entscheidend hierfür sieht das Gericht den Umstand an, dass der Geschäftsführer der T BV, A bei der Verladung der vier Audi Q7 auf das Transportfahrzeug der Spedition MT auf dem Betriebsgrundstück der GmbH anwesend war.

46

Zwar hat der Fahrer des Transportfahrzeugs, S, gegenüber der Steuerfahndung angegeben, er habe bei der Abholung der streitbefangenen Kraftfahrzeuge bei der GmbH einen Vertreter des Abnehmers dort nicht gesehen und ausschließlich mit dem zuständigen Verkäufer zu tun gehabt. Er habe eine Ausfertigung des Frachtbriefes dem Verkäufer als Nachweis dafür übergeben, dass er die Fahrzeuge übernommen habe. Die Einschätzung der Steuerfahndung, daher sei A entgegen der von der GmbH suggerierten Beleglage bei der Übergabe der Kraftfahrzeuge nicht anwesend gewesen, teilt das Gericht nicht.

47

Denn der zuständige Verkäufer der GmbH, Herr RK hat gegenüber der Steuerfahndung nämlich angegeben, am 15. Oktober 2007 im Autohaus nicht anwesend gewesen zu sein. An seiner Stelle hat B, die Buchhalterin der GmbH, aushilfsweise die Auslieferung der Fahrzeuge übernommen. Diese hat auch angegeben, dass an diesem Tag kein Verkäufer im Autohaus anwesend gewesen sei. Da der Fahrer des Transportfahrzeugs, S, jedoch von einer männlichen Person gesprochen hat, der er den CMR–Frachtbrief übergeben hat, ist der Senat davon überzeugt, dass diese Person A war, auch wenn ihn der Fahrer als Verkäufer bei der GmbH angesehen hat. Offensichtlich kam es auch zu keinem persönlichen Kontakt zwischen der Buchhalterin der GmbH, B und dem Fahrer S, so dass der Irrtum über die Person des A auch nicht aufgeklärt wurde. Damit steht im Einklang, dass bei der GmbH keine Ausfertigung des CMR–Frachtbriefs vorhanden war, obgleich ein solcher nach Aussage des Fahrers des Transportfahrzeugs, S, hätte vorhanden sein müssen. Dies spricht dafür, dass dieser von A entgegengenommen wurde. Hinzu kommt, dass sich sowohl die Unterschriften des S als auch des A auf der Verbringensbestätigung befinden, was nur dadurch zu erklären ist, dass der Fahrer S die Angaben im oberen Teil der Verbringensbestätigung auf Anweisung des A gemacht hat, jedenfalls aber wissen musste, dass A den restlichen –unteren– Teil der Verbringensbestätigung ausfüllen würde. Bei der GmbH lagen jedenfalls die Ausweiskopien sowohl des S als auch des A vor und von B wurde bestätigt, dass beide bei der GmbH gewesen seien.

48

Dies bedeutet, dass A zunächst durch Übergabe der Fahrzeuge von der GmbH die Verfügungsmacht an den vier Audi Q7 für die T BV erhalten hat. Diese Verfügungsmacht hat dieser dann dem Fahrer S übertragen, der die Fahrzeuge für die SC, dem Auftraggeber für den Transport der Fahrzeuge nach Triest zur Verschiffung in die Türkei von A in Empfang genommen hat. Insoweit lässt sich das Ausfüllen der Verbringensbestätigung nämlich dahin gehend deuten, dass der Fahrer S bestätigt hat, die Fahrzeuge in Empfang genommen zu haben. Die sich anschließende Bestätigung des A, die Fahrzeuge nach Rotterdam zu befördern, ist insoweit falsch.

49

Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich–rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. BFH–Urteil vom 28. Mai 2013 – XI R 11/09, UR 2013, 756). Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH–Urteil vom 21. April 2005 C–25/03 –HE–, Slg. 2005, I–3123). Nach der Übergabe der Kraftfahrzeuge an den Fahrer S hatte A ebenfalls keinerlei Verfügungsmacht mehr über die Fahrzeuge. Denn diese wurden im Auftrag der SC nach Triest befördert. Mit der Beförderung der Fahrzeuge gemäß dieser Anweisung nach Triest hat der Fahrer S der SC die Verfügungsmacht vermittelt. Der Transport erfolgte für die SC, so dass dieser Substanz und Wert der Fahrzeuge übertragen wurden; ebenso wurde ihr der Ertrag übertragen, da sie die Fahrzeuge aufgrund eines Kaufvertrages an einen Abnehmer in der Türkei lieferte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zivilrechtlich ein Durchgangserwerb der SC durch die Übergabe der Fahrzeuge an den Fahrer S oder durch die Übergabe von der damit beauftragten Spedition an den Käufer in der Türkei erfolgt ist. Denn der Übergang der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, durch die T BV auf die SC hat stattgefunden, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlassen hat. Denn nach Übergabe an den Fahrer S hatte die T BV keinen Einfluss mehr darauf, was mit den Fahrzeugen geschieht. Diese wurden vielmehr auf und nach Anweisung der SC transportiert.

50

Hinzu kommt, das mit der Übergabe der Ware der Unternehmer seine Pflichten an sich erfüllt hat (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 15/14, UR 2015, 391). Mit der Übergabe an den Fahrer S hat die T BV ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag mit der SC erfüllt. Denn offensichtlich ergab sich aus diesem Kaufvertrag für die T BV keine Verpflichtung, die Fahrzeuge nach Herne zu liefern. Die Fahrzeuge wurden vielmehr auf und nach Anweisung der SC transportiert.

51

Die Fahrzeuge wurden auch nicht zur SC nach Herne transportiert. Die SC konnte daher keine Verfügungsmacht über die Fahrzeuge mehr dadurch erlangen, dass sie der Fahrer S bei ihr ablieferte. Die Verfügungsmacht konnte der SC daher nur über den Fahrer vermittelt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dies nicht bereits mit der Verladung auf den Sattelzug der MT in -im Autohaus-, sondern erst später, beispielsweise in Triest bei der Übergabe an den Schiffsführer bei der Verladung zur Verschiffung in die Türkei erfolgt sein soll.

52

Auch wenn nicht allein für die Zuordnung der Lieferung ausschlaggebend ist, dass die Fahrzeuge nicht zum Geschäftssitz der T BV in Rotterdam befördert wurden und dass die GmbH aufgrund des Indossaments auf dem ihr zur teilweisen Zahlung des Kaufpreises überreichten Verrechnungsschecks hätte wissen können, dass die Fahrzeuge bereits weiterverkauft wurden, sind diese Umstände weitere Anzeichen dafür, die Lieferung von der T BV an die SC als die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG anzusehen. Denn offensichtlich besteht zwischen der Rechtsprechung des V. und des XI Senats des BFH keine grundsätzliche Divergenz (vgl. Prätzler, jurisPR-SteuerR 32/2015 Anm. 6). Zur Beurteilung des Kriteriums "Verschaffung der Verfügungsmacht im umsatzsteuerlichen Sinn" kann daher nach Ansicht des Senats die Kenntnis des Lieferers von der Weiterveräußerung durch den Erwerber einbezogen werden. Auffällig ist insoweit, dass eine Spedition aus Dortmund, was für die GmbH anhand der Kennzeichen des Sattelzugs ersichtlich war, welche der Fahrer S in den Verbringensbestätigungen eingetragen hatte, den Transport der Kraftfahrzeuge besorgte und dass Bezogener des Verrechnungsschecks eine Bank aus Bochum war.

53

Folglich ist die Lieferung an die T BV eine sog. "ruhende" Lieferung, die Lieferung von der T BV an die SC als Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG anzusehen. Allerdings ist diese keine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung, sondern wegen der Verschiffung in die Türkei eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung, bei der für die Steuerbefreiung die Erfüllung anderer Formalitäten erforderlich ist.

54

3. Auch Vertrauensschutz ist der Klägerin nicht zu gewähren.

55

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt. Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg– und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. BFH–Urteil vom 12. Mai 2011– V R 46/10, UR 2011, 824).

56

a) Die Lieferung des KIA Sportage ist nicht nach der Vertrauensschutzregelung gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei, da die GmbH aufgrund der oben unter 1.a) dargelegten Unstimmigkeiten und der sich daraus ergebenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den vorgelegten Belegen bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Unrichtigkeit dieser Angaben hätte erkennen können.

57

b) Da die Lieferung der vier Audi Q7 von der GmbH an die T BV bereits im Inland erfolgte, konnte die Warenbewegung nicht mehr der Lieferung der GmbH an die T BV zugeordnet werden, die Lieferungen könnten aber gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei zu belassen sein (vgl. BFH–Urteil vom 25. Februar 2015 – XI R 30/13, UR 2015, 402). Die GmbH hat aber nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob der aushilfsweise handelnden Buchhalterin B ein subjektiver Vorwurf zu machen ist (vgl. BFH–Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 46/10, BStBl. II 2011, 957). Es fehlt im Streitfall an der formellen Vollständigkeit der Belegangaben und die GmbH hätte die darin enthaltenen unrichtigen Angaben des Abnehmers bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen können.

58

aa) Hinsichtlich der Lieferung der vier Audi Q7 ist zunächst zu bemerken, dass kein Abholfall, sondern ein Versendungsfall vorliegt.

59

Denn bei einem Beauftragten des Abnehmers i.S. von § 17a Abs. 2 UStDV muss es sich um eine für den Abnehmer unselbständig tätige Person handeln, da sonst keine Beförderung i.S. von § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG, sondern eine Versendung i.S. von § 3 Abs. 6 Satz 3 UStG vorliegt, für die sich der Belegnachweis nach § 17a Abs. 4 UStG richtet. Ein Versendungsbeleg gem. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV ist u.a. ein CMR–Frachtbrief. Für das Vorliegen einer Versendung kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich bei dem selbständigen Beauftragten um einen Frachtführer, Verfrachter oder Spediteur oder überhaupt um einen Unternehmer handelt. Eine Beförderung durch einen Beauftragten i.S. des § 17a Abs. 2 UStDV liegt deshalb nur vor, wenn der Beauftragte in das Unternehmen des Lieferers oder des Abnehmers eingegliedert ist (vgl. BFH–Urteil vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). Bei der Abholung der Fahrzeuge durch den Fahrer S hätte daher zum Belegnachweis der CMR–Frachtbrief gehört.

60

bb) Aber auch wenn die GmbH wegen der Anwesenheit des Geschäftsführers der T BV, A, davon ausgegangen ist, dass ein Abholfall vorliegt, ist die Verbringensbestätigung, die die GmbH hierzu als Belegnachweis anführt, falsch. Denn unterzeichnet worden ist die Verbringensbestätigung von A, dieser konnte aber gar nicht versichern, die Fahrzeuge in Empfang genommen zu haben und nach Rotterdam zu befördern, da diese von dem Fahrer S in Empfang genommen wurden, der auch die Beförderung besorgte. Und bei dem Fahrer S handelt es sich gerade nicht um einen in die T BV eingegliederten Beschäftigten. Ein erster Hinweis darauf ist darin zu sehen, dass in der Verbringensbestätigung zunächst das Feld "im eigenen Namen" angekreuzt, dieses wieder durchgestrichen und dann das Feld "im Namen und im Auftrag von" angekreuzt wurde. Hier hätte aber der Fahrer S bestätigen müssen, dass er im Namen und im Auftrag von der T BV tätig wurde, eine solche Versicherung des Geschäftsführers der T BV, A, der die Unterschrift tatsächlich geleistet hat, geht insoweit ins Leere, denn die tatsächliche Verfügungsmacht über die Fahrzeuge oblag dem S und nicht A. Insoweit war für die GmbH auch erkennbar, dass es sich bei dem Fahrer S nicht um einen ins Unternehmen der T BV eingegliederten Beschäftigten handelte, da der Sattelzug, mit dem die Fahrzeuge befördert wurden, in Dortmund zugelassen war. Die Kennzeichen des Sattelzugs waren nicht nur an diesem selbst ersichtlich, sondern sind auch ausdrücklich in der Verbringensbestätigung aufgeführt. Insoweit hätte die GmbH auch erkennen können, dass kein Abholfall vorliegt.

61

cc) Diese Unstimmigkeiten sind auch nicht unerheblich.

62

An die Nachweispflichten sind nämlich besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf zugrunde liegt und ein Vermittler zwischengeschaltet war (vgl. BFH–Urteil vom 14. November 2012 – XI R 17/12, BStBl. II 2013, 407).

63

Im Streitfall handelt es sich um einen Barkauf hochwertiger Fahrzeuge und der Verkauf an die T BV war auf Vermittlung der C zustandegekommen. Ermittlungen hinsichtlich der T BV hat die GmbH nicht angestellt, es fehlt auch an einem Kaufvertrag mit der T BV.

64

dd) Jedenfalls kannte die GmbH aber alle Umstände, aus denen der Weiterverkauf der Fahrzeuge ausdrücklich hervorgeht. Denn der Verrechnungsscheck, mit dem der Geschäftsführer der T BV die Fahrzeuglieferung gegenüber der GmbH bezahlt hat, ist von einer dritten Person ausgestellt worden und war ursprünglich für die T BV als Empfänger bestimmt. Bei den Angaben zum Empfänger, der T BV, ist der Vermerk "für vier Q7" angebracht. Der Geschäftsführer der T BV hat den Verrechnungsscheck auf der Rückseite mit einem Indossament versehen. Der Aussteller des Schecks ist zwar nicht ausdrücklich angegeben, der Scheck ist aber in Bochum ausgestellt, Bezogener ist die Sparkasse Bochum. Aus dem Scheck hätte die GmbH zweifelsfrei schließen können, dass die T BV die Fahrzeuge bereits weiter veräußert und der Zweiterwerber an die T BV bereits einen Teil des Kaufpreises geleistet hat. Insoweit ist der Einwand der Klägerin nicht schlüssig, es hätte sich um einen reinen Finanzierungsscheck gehandelt, da sich hier die Frage stellt, weshalb eine in Bochum ansässige Bank die Finanzierung für den holländischen Erwerber hätte vornehmen sollen. Auch der Einwand, sie habe nicht davon ausgehen können, dass es sich um einen von einem weiteren Käufer ausgestellten Scheck handele, weil damit die T BV quasi den eigenen Einkaufspreis gegenüber diesem Dritten aufgedeckt hätte, ist unschlüssig, da mit dem Verrechnungsscheck von der T BV nur ein Teil des Kaufpreises beglichen wurde.

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

66

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Entscheidungen des BFH vom 25. Februar 2015 (XI R 15/14 und XI R 30/13) sind Gegenstand kontroverser Diskussion in der Literatur (vgl. Prätzler, jurisPR-SteuerR 32/2015 Anm. 6), so dass eine höchstrichterliche Entscheidung der dort aufgeworfenen Fragen, welche auch Auswirkung auf die Entscheidung des Streitfalls haben, angezeigt erscheint.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. März 2014  2 K 1127/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen A-GmbH.

3

Am 24. November 1998 bestellte die B mit Sitz in M/Vereinigte Staaten von Amerika (USA), die über eine feste Niederlassung in der Portugiesischen Republik (Portugal) verfügte, bei der A-GmbH zwei Maschinen (nebst Zubehör) für 750.000 DM.

4

Nachdem die A-GmbH die B aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mitzuteilen, antwortete die B, sie habe die Maschinen an die in der Republik Finnland (Finnland) ansässige C-Ltd. (weiter) veräußert und teilte der A-GmbH die USt-IdNr. der C-Ltd. mit, die die A-GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

5

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die B beauftragt hatte, bei der A-GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft.

6

Am 14. Dezember 1998 erteilte die A-GmbH gegenüber B in den USA eine Rechnung über die Lieferung der Maschinen für 750.000 DM. Umsatzsteuer wies die A-GmbH nicht offen aus. Dabei gab sie die USt-IdNr. der C-Ltd. als Abnehmerin an. Des Weiteren vermerkte sie u.a., dass der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in Finnland und damit nicht in Deutschland den Vorschriften der Umsatzsteuerbesteuerung unterliege.

7

B hatte bereits am 10. Dezember 1998 eine Rechnung über den Verkauf der Maschinen zum Preis von 880.000 DM an die C-Ltd. in Rechnung gestellt. Die C-Ltd. zahlte am 24. November 1998 86.000 DM und am 14. Dezember 1998 den Restbetrag von 794.000 DM an B. Die C-Ltd. zahlte außerdem an die Z auf eine Rechnung vom 8. Februar 1999 Frachtkosten für den Transport von L nach Helsinki/Finnland.

8

In der Folgezeit nahm die Klägerin Kontakt zum seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA X) auf und vermerkte am 17. August 2004 auf der Rechnung an die B, dass der Rechnungsinhalt im Zeitpunkt der Rechnungslegung mit dem Sachgebietsleiter abgestimmt worden sei und dass die Betriebsprüfung diesen Sachverhalt nicht beanstandet habe.

9

Die Klägerin behandelte die Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 1998 (Streitjahr), der das FA X am 31. März 2000 zustimmte, als umsatzsteuerfrei.

10

Das FA X erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Lieferung als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück. Es sei ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft mit zwei Lieferungen durchgeführt worden, die erste zwischen der A-GmbH und B und die zweite zwischen der B und der C-Ltd. B habe die Ware befördert, daher sei sie Abnehmerin der ersten Lieferung. Ort der Lieferung sei Deutschland. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) greife gleichwohl nicht ein, da B als Abnehmerin keine USt-IdNr. des Bestimmungslandes oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) verwendet habe.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1998 mit Urteil vom 25. Februar 2009  2 K 484/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1418) ab.

12

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) beantwortet.

13

Im Anschluss daran hat der Senat mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 11/09 (BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524) das Urteil des FG in EFG 2009, 1418 aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen.

14

Im zweiten Rechtsgang richtete das FA ein Auskunftsersuchen an die finnischen Steuerbehörden. Dieses ergab u.a., dass die Maschinen unmittelbar von der A-GmbH zur C-Ltd. "geliefert" worden seien. Es habe keine direkten Zahlungen zwischen der C-Ltd. und der A-GmbH gegeben. Schriftliche Verträge oder Liefervereinbarungen zwischen der B und der C-Ltd. lägen nicht vor. Es existiere noch eine Rechnung der B an die C-Ltd. Die C-Ltd. habe die Anschaffung als innergemeinschaftlichen Erwerb gebucht, aber möglicherweise nicht als solchen erklärt. Allerdings könnten die Steuererklärungen später geändert worden sein. Dies könne in den Datenbanken nicht mehr überprüft werden, da die Transaktion im Jahr 1998 stattgefunden habe.

15

Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Sein Urteil ist in Mehrwertsteuerrecht (MwStR) 2014, 619 veröffentlicht.

16

Mit seiner Revision führt das FA im Wesentlichen aus, es halte das Urteil des FG Münster vom 16. Januar 2014  5 K 3930/10 U (EFG 2014, 682), das dem zurückverweisenden Urteil des Senats in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 in der zentralen Aussage widersprochen habe, für zutreffend.

17

Ergänzend merkt das FA an, nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG obliege es dem mittleren Unternehmer nachzuweisen, dass er den Gegenstand als Lieferer versende oder befördere. Das FG gehe davon aus, dass im Verwaltungsverfahren das FA zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei. Dies verkehre § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG in sein Gegenteil und widerspreche in gewisser Weise § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG.

18

Obwohl der hier zu beurteilende Umsatz mithin (an sich) steuerpflichtig sei, müsse der Rechtsstreit trotzdem an das FG zurückverwiesen werden, weil das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob das FA nach Treu und Glauben gehindert sei, den Steueranspruch gegen die Klägerin geltend zu machen.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3).

24

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein.

25

aa) Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in der im Streitjahr geltenden Fassung geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

26

bb) Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

27

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

28

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

29

2. Der Senat hat zu der streitbefangenen Lieferung in Rz 36 ff. des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, Folgendes entschieden:

30

a) Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Die A-GmbH kann nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland der ersten Lieferung zwischen der A-GmbH und B zugeordnet werden kann; denn die Beförderung oder Versendung des Gegenstands sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

31

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

32

b) § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG widerlegt werden. Zwar ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen nach wie vor anwendbar, muss aber unionsrechtskonform ausgelegt werden. Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig, ist der Senat nicht gefolgt.

33

c) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

34

3. An den genannten Grundsätzen hält der Senat trotz der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Kritik, der sich sowohl das FA als auch das FG in dem angefochtenen Urteil angeschlossen haben, fest.

35

a) Das FG Münster hat in seinem Urteil in EFG 2014, 682 die Rechtsansicht vertreten, es komme in Fällen der vorliegenden Art allein auf die "Verpflichtung und Absichtsbekundung" des Zwischenerwerbers an, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden (Rz 32, 35 ff. des Urteils). Die Vorinstanz folgt dem im Grundsatz, hat seiner Entscheidung aber gleichwohl (zutreffend) gemäß § 126 Abs. 5 FGO die --davon abweichende-- rechtliche Beurteilung des BFH in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zugrunde gelegt (vgl. MwStR 2014, 619, juris-Rz 36). Auch das FA hält die Auffassung des FG Münster für zutreffend.

36

aa) Das FG Münster hält die Rechtsprechung des Senats für "problematisch" (EFG 2014, 682, Rz 35). Bei grenzüberschreitenden Lieferumsätzen könne der erste Lieferer insbesondere bei Abholfällen regelmäßig nicht beurteilen, ob und wann dem Letztempfänger die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, übertragen werde. Mit der Übergabe der Ware habe der erste Lieferer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Der Zwischenerwerber habe regelmäßig weder eine Pflicht noch ein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, was er "zu welchen Zeitpunkten mit der Ware macht". Die Steuerpflicht könne nicht von Umständen abhängen, die weder in der Willens- noch der Wissenssphäre des Liefernden liegen (EFG 2014, 682, Rz 36).

37

bb) Das FG Münster, die Vorinstanz und das FA verkennen im Rahmen ihrer Analyse, dass es bei der Prüfung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung --aus unionsrechtlicher Sicht-- auf die objektiven Umstände ankommt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 39 f.; vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Slg. 2010, I-12605, BStBl II 2011, 846, Rz 39; vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 28; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 30, jeweils m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH).

38

Dabei kommt es gerade nicht nur --wie das FG Münster und die Vorinstanz meinen-- auf die "Verpflichtungen und Absichtsbekundungen" des Lieferers und des Erwerbers an (vgl. EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 37; Sterzinger, UR 2013, 45, 48).

39

So kann z.B. im Abholfall der Lieferer ebenfalls nicht beurteilen, ob und wann der Gegenstand der Lieferung den Mitgliedstaat physisch verlassen wird. Mit der Übergabe der Ware hat der Unternehmer seine Pflichten an sich erfüllt. Der Zwischenerwerber hat kein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, dass der Gegenstand im Inland verbleiben wird. Gleichwohl ist für die Steuerbefreiung des § 6a Abs. 1 UStG, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderlich, dass der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 33 ff., 42; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh, Slg. 2007, I-7897, BStBl II 2009, 83, Rz 23).

40

cc) Eine andere, hiervon zu trennende Frage ist es, ob dem Steuerpflichtigen --trotz Nichtvorliegens der objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung-- aufgrund der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit (im Wege des Vertrauensschutzes) die Steuerbefreiung zu gewähren ist (vgl. EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 43 ff.).

41

(1) Diese Frage ist nach nationalem Recht nicht im Rahmen des § 6a Abs. 1 UStG, sondern des § 6a Abs. 4 UStG zu prüfen.

42

(2) Diese Unterscheidung muss auch unionsrechtlich vorgenommen werden, weil die Rechtsfolgen verschieden sind.

43

Während bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung als logische Folge ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat erfolgt (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 24, 26 f., 36 f., 41 f.; vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 23; vom 18. November 2010 C-84/09, X, Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 28; vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 29) und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Umsatz des Lieferers steuerfrei zu belassen ist, ist in dem Fall, dass dem Lieferer trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Vertrauensschutz zu gewähren ist, der Erwerber (hier: B) im Liefermitgliedstaat zur Umsatzsteuer heranzuziehen (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 67; in Deutschland umgesetzt durch § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG; insoweit zutreffend aus österreichischer Sicht Schwab, Österreichische Steuerzeitung 2014, 32, 35).

44

Daran zeigt sich auch, dass es für die Steuerpflichtigen nicht lediglich um formale Zuordnungen, sondern um "finale Besteuerungswirkungen" geht (a.A. Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 34/2014, Nr. 6, unter D.), weil jeder Umsatz für sich zu betrachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006 C-484/03 u.a., Optigen, Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144, Rz 47). Auch bei Reihengeschäften ist eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, Rz 26 ff., 40 ff.).

45

b) Entgegen der Auffassung des FG Münster ist das EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 nicht abweichend von dem Senatsurteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zu verstehen.

46

aa) Das FG Münster hat dazu (in EFG 2014, 682, Rz 35 ff.) ausgeführt, der EuGH wolle in Rz 32 und 34 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 die Fallgestaltungen darstellen, in denen die bewegte Lieferung keinesfalls mehr (Rz 32) bzw. zweifellos (Rz 34) der ersten Lieferung zugeordnet werden müsse. Aus Rz 32 könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Zuordnung der bewegten Lieferung auf den zweiten Liefervorgang nur dann erfolgen könne, wenn die tatsächliche Verfügungsmacht an den Liefergegenständen bereits vor dem Warentransport noch im Herkunftsland auf den Letzterwerber übergegangen sei. Rz 35 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 sei zu entnehmen, "dass eine Zurechnung der bewegten Lieferung zum 2. Umsatzgeschäft auch dann erfolgen kann, wenn der 1. Erwerber dem 1. Lieferer mitteilt, dass er die Ware an einen dritten Unternehmer in einem anderen Land, als dem des 1. Umsatzgeschäfts, weiterverkauft hat". In Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR stelle der EuGH zwar auf weitere Umstände ab, die eine Zuordnung der bewegten Lieferung möglich machen sollen und nenne in diesem Zusammenhang die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Letzterwerber vor der Beförderung. Diese Formulierung könne aber auch so verstanden werden, dass eine bloße "Erklärung" des Ersterwerbers über den Weiterverkauf der Liefergegenstände an einen dritten Unternehmer nicht ausreichend sein solle. Es müsse vielmehr eine "umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles" erfolgen.

47

bb) Dieser Auslegung des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 durch das FG Münster liegt zunächst das unter II.3.a bb geschilderte Fehlverständnis zugrunde. Insbesondere sind in dem vom FG in Rz 38 (in EFG 2014, 682) geschilderten Fall, wenn im Ursprungsmitgliedstaat dem zweiten Erwerber noch keine Verfügungsmacht verschafft worden ist, die objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG trotz Mitteilung des Weiterverkaufs gegeben und der Umsatz des ersten Lieferers ist --bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG-- im Ursprungsmitgliedstaat steuerfrei zu belassen (vgl. EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 30). Damit geht im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Erwerbers (und nicht des zweiten Erwerbers) einher (vgl. allgemein z.B. EuGH-Urteil X in Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 27). Das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber beim ersten Erwerber zu besteuern, kann dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht durch eine (bloße) Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 XI R 5/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de, Rz 35 f., m.w.N.).

48

cc) Der vom FG Münster in Rz 37 ff. seines Urteils in EFG 2014, 682 vertretenen Auslegung des EuGH-Urteils VSTR stehen vor allem klar Rz 36 und Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 entgegen, in denen der EuGH ausgeführt hat:

49

"36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

50

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

51

Diese Ausführungen des EuGH können nur so verstanden werden, dass eine (bloße) Erklärung des Ersterwerbers B vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland gegenüber A, dass die Gegenstände bereits an das finnische Unternehmen C weiterverkauft worden seien, gerade nicht für eine Zurechnung der Beförderung der Gegenstände zur ersten Lieferung ausreicht.

52

Zudem hat der EuGH in Rz 37 des Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 den nationalen Gerichten aufgegeben, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob "dies", das heißt "die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden" hat.

53

Dies bestätigen auch die Rz 33 und 34 desselben EuGH-Urteils: Der EuGH stellt dort die beiden möglichen Alternativen für die Lösung des Streitfalls dar und grenzt danach ab, in welchem Staat dem Zweiterwerber (C) Verfügungsmacht verschafft wird. Erlangt der Zweiterwerber (C) sie bereits im Inland, kann nur die zweite Lieferung die grenzüberschreitende sein. Umgekehrt kann nur die erste Lieferung die grenzüberschreitende sein, wenn der Zweiterwerber (C) keine Verfügungsmacht im Inland erlangt (ebenso z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 154).

54

dd) Aufgrund dieser Erwägungen greift auch der Einwand von Teilen der Literatur, der Senat habe Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 "missverstanden" (Nieskens, Der Betrieb --DB-- 2013, 1872, 1874) nicht durch (das Verständnis des Senats teilend z.B. Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944; von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater --UStB-- 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Matheis/Kandlhofer, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2013, 380, 384; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152; Looks, MwStR 2015, 52, 54).

55

c) Soweit in der Literatur der Einwand erhoben wird, der Senat unterliege einem "Zirkelschluss", weil aus der Beförderung oder Versendung die Verschaffung der Verfügungsmacht abzuleiten sei und nicht umgekehrt bei Verschaffung der Verfügungsmacht die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ausgelöst werden (Hiller, MwStR 2013, 652, 654 f.; Nieskens, DB 2013, 1872; Nieskens, UR 2013, 823, 824 ff.; Nieskens/ Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513, 516; Sterzinger, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2013, 4028, 4033), übersieht diese Auffassung, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen handelt (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen neben Rz 29 des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, und Rz 30 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832; aus neuerer Zeit EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2014 C-492/13, Traum, HFR 2014, 1131, UR 2014, 943, Rz 24 und 25).

56

aa) Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur leitet zwar aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 8 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL ab, diese regelten neben dem Ort auch den   Zeitpunkt  der Lieferung (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.b, m.w.N. zur herrschenden Meinung in der Literatur; Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. z.B. Frye, UR 2013, 889, 892 ff.; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 11, 115; wohl auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155). Liegen beide Tatbestandsmerkmale vor, fällt nach dieser Auffassung die Verschaffung der Verfügungsmacht (als erstes Tatbestandsmerkmal) mit dem Beginn der Beförderung oder Versendung (als zweites Tatbestandsmerkmal) zeitlich zusammen.

57

bb) Trotzdem handelt es sich um verschiedene Tatbestandsmerkmale, die getrennt zu prüfen sind; sonst bedürfte es auch einer Fiktion nicht.

58

Weder allein der Besitz befähigt den Besitzer (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 2005 C-435/03, British American Tobacco International Ltd., Slg. 2005, I-7077, BFH/NV Beilage 2005, 332, Rz 36) noch allein die Beförderung eines Gegenstands den Beförderer (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 2010 C-237/09, De Fruytier, Slg. 2010, I-4985, HFR 2010, 892, Rz 25) dazu, über Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen.

59

Entsprechend ist auch nach Auffassung des V. Senats des BFH bei Beförderung oder Versendung von Gegenständen die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht und ihr tatsächlicher Zeitpunkt zu prüfen, wenn es um die Entscheidung geht, ob die Warenbewegung der Lieferung zugeordnet werden kann oder nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.e, zum Kauf auf Probe: Verschaffung der Verfügungsmacht nach Beförderung als Lieferung i.S. des § 3 Abs. 7 UStG; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 153 f.; ebenso möglicherweise früher noch Nieskens, UR 2012, 17, 21).

60

d) Die Auffassung, der Senat hätte § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG für unionsrechtswidrig erklären sollen (so z.B. Weymüller, MwStR 2014, 623, 624; ebenso im Ergebnis bereits von Streit, UStB 2013, 47, 49; zweifelnd Kettisch, UR 2014, 593, 605 f.), beachtet nicht hinreichend, dass das in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis dem Unionsrecht entspricht.

61

Auch der EuGH geht --wie übrigens auch Art. 28c Teil E Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 141 MwStSystRL) und § 25b Abs. 1 und 3 UStG-- davon aus, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 32; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 33; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 33).

62

Deshalb hält der Senat daran fest, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG unionsrechtskonform ausgelegt werden kann und der in Halbsatz 2 mögliche Gegenbeweis nur unter den im BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 47 ff. genannten Umständen geführt ist.

63

4. Die Kritik, aufgrund dieser Rechtsprechung (des EuGH und/oder des BFH) könnten weder die leistenden Unternehmer noch die Finanzverwaltungen rechtssicher beurteilen, welcher Lieferung eine Warenbewegung zuzuordnen ist (Büchter-Hole, EFG 2014, 684; Herzing, Steuerrecht kurzgefasst 2013, 433; Höink/Forster, DB 2014, 1896; Meurer, MwStR 2013, 555; Nieskens/Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513; dies., Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1368; dies., UVR 2014, 249; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 64 Rz 137; Sterzinger, NWB 2013, 4028, 4032 f.; Wäger, UR 2014, 81, 101; Winter, DStR 2013, 1979, 1980 f.; s. auch zu Unklarheiten im Vereinigten Königreich Lang-Horgan, MwStR 2013, 394, 395 f.; zur unterschiedlichen Beurteilung von Reihengeschäften durch die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten s. auch Bericht Nr. 29 der "VAT Expert Group" der EU vom 13. Januar 2014, taxud.c.1(2014)83538, abrufbar auf der Internetseite der EU, Tz. 6.2 und Anlage 3, sowie Körner, MwStR 2014, 763), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

64

a) Zum einen ist eine ggf. vorliegende Unsicherheit bei Beurteilung der Umstände des Einzelfalls im Wesentlichen Folge der Entscheidung des Richtliniengebers, trotz des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Union im innergemeinschaftlichen Warenverkehr am Bestimmungslandprinzip festzuhalten (vgl. dazu EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 21 f.; Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 34 f.).

65

b) Zum anderen besteht bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung keine Rechtsunsicherheit.

66

Zu dem Begriff der Lieferung liegt eine ständige Rechtsprechung des EuGH vor (neben den genannten Urteilen z.B. auch vgl. EuGH-Urteile vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573, Rz 31 ff.; vom 21. April 2005 C-25/03, HE, Slg. 2005, I-3123, BStBl II 2007, 24, Rz 64; vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Rz 32). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451; vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909), ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.6.; vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, unter II.1.). Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann danach z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber (vgl. BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 72, m.w.N.; Kettisch, UR 2014, 593, 600) als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber (vgl. EuGH-Urteil vom 21. November 2013 C-494/12, Dixons, HFR 2014, 84, MwStR 2013, 774, Rz 23 f., 27 f.) zu sehen sein.

67

c) Ebenso liegt zu den im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigenden Umständen eine ständige Rechtsprechung vor.

68

Die Frage, ob, wann und wo eine Lieferung erfolgt, d.h. die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, ist von den nationalen Gerichten anhand des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Februar 1990 C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, Rz 7 f., 13; vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136, Rz 60 ff., 63; vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset Menidjmunt, HFR 2012, 454, UR 2012, 230, Rz 38 ff., 41; vom 18. Juli 2013 C-78/12, Evita-K, HFR 2013, 857, UR 2014, 475, Rz 33 bis 35). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, d.h. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen (vgl. dazu z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155, unter 3.2.1) und deren tatsächliche Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; s. auch BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

69

d) Zudem stellen sowohl das nationale Recht als auch die Rechtsprechung des EuGH dem Lieferer Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung (vgl. die Ausführungen unter II.3.a cc; s. auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 157).

70

In diesem Rahmen kann sich der leistende Unternehmer zur Minimierung von Risiken z.B. vom Erwerber versichern lassen, dass der Erwerber die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat. Dies zu tun (oder nicht), liegt derzeit in seiner unternehmerischen Entscheidung.

71

e) Im Übrigen ist es ggf. Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers --über die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und den Belegnachweis des § 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F., § 17a Abs. 1 und 2 UStDV i.d.F. ab 1. Oktober 2013 hinaus-- durch Änderung des UStG oder der UStDV in den Grenzen des Unionsrechts z.B. andere widerlegbare Vermutungen aufzustellen oder in anderer Form die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen (vgl. Art. 28c Teil A Einleitungssatz der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 131 MwStSystRL, § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

72

Sieht das nationale Recht eines EU-Mitgliedstaats jedoch nur vor, dass die Lieferung nachzuweisen ist, bzw. hängt das Niveau der verlangten Nachweise von den konkreten Umständen des betreffenden Umsatzes ab, sind die Nachweispflichten lediglich nach den im nationalen Recht dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen und nach der für ähnliche Geschäfte üblichen Praxis zu bestimmen (EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 37 f.). Es ist dem BFH weder möglich, Wahlrechte für Unternehmer zu schaffen, die das Unionsrecht nicht vorsieht, noch allgemeine Nachweispflichten für leistende Unternehmer vorzusehen, die das nationale Recht nicht enthält.

73

5. Die Entscheidung des FG, die Warenbewegung sei im Streitfall der Lieferung der Klägerin (zivilrechtlich: der A-GmbH) an B zuzuordnen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

74

a) Das FG konnte nicht feststellen, ob die B der C-Ltd. (bereits) im Inland die Befähigung übertragen hat, wie ein Eigentümer über die Maschinen zu verfügen.

75

Es hat zur Begründung ausgeführt, Lieferbedingungen oder der Kaufvertrag könnten nicht vorgelegt werden. Ob ein solcher "als Urkunde" existiere, habe ebenfalls nicht geklärt werden können. Die A-GmbH komme als Lieferer an die B in Betracht. Für eine Lieferung der B an die C-Ltd. als der bewegten Lieferung spreche zwar der Umstand, dass die B die Transportverantwortlichkeit und einen Teil der Kosten zu tragen gehabt habe, dass die C-Ltd. den Kaufpreis vor Beginn der Lieferung am 14. Dezember 1998 gezahlt und dass B der A-GmbH den Verkauf vor diesem Zeitpunkt mitgeteilt habe. In der Gesamtschau der Umstände sei dennoch nicht der Nachweis geführt, dass B die Maschinen als Lieferer befördert habe und die C-Ltd. die Sachherrschaft bereits vor Beginn der Lieferung habe. Das FG lege § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG so aus, dass die gesetzliche Vermutung erst dann erschüttert sei, wenn der Nachweis als Lieferer durch den mittleren Unternehmer auch tatsächlich geführt sei. Bloße Zweifel genügten insoweit nicht. Zur Zuordnung der bewegten Lieferung reiche allein die Mitteilung des Ersterwerbers an den Erstlieferer über einen Weiterverkauf nicht aus.

76

b) Diese --von den Rechtsgrundsätzen des zurückverweisenden BFH-Urteils in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 ausgehende-- Würdigung des FG ist auf Basis seiner tatsächlichen Feststellungen, die kein Beteiligter mit Verfahrensrügen angegriffen hat, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 13. November 2013 XI R 24/11, BFHE 243, 471, BFH/NV 2014, 471); denn wenn sich schon das der Lieferung von B an die C-Ltd. zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht ermitteln lässt, kann auch nicht beurteilt werden, welche Regelungen zur Verschaffung der Verfügungsmacht darin enthalten waren.

77

c) Ferner ist das FG zutreffend davon ausgegangen, für den Fall, dass --nach (der von Amts wegen durchzuführenden) Sachverhaltsaufklärung durch das FG, bei der Dritte, insbesondere der Ersterwerber, zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden können (z.B. §§ 93, 97 der Abgabenordnung, § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4, §§ 81, 85 FGO)-- Zweifel daran verbleiben, ob der Ersterwerber den Gegenstand "als Lieferer befördert oder versendet hat" oder nicht, sei nach § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen (ebenso Szabo/Tausch/Kraeusel, UVR 2013, 280, 282; a.A. Nieskens, UR 2013, 823, 826).

78

Die regelmäßige Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegen stehen, entspricht im Übrigen auch der Ansicht des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Nachfolgeerkenntnis "EMAG Handel Eder" (Erkenntnis vom 25. Juni 2007  2006/14/0107, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, a.E.).

79

aa) Zwar weist das FA zu Recht darauf hin, dass auch das FA von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen dürfe. Deshalb ist auch das FA --insoweit möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- nicht generell verpflichtet, den Gegenbeweis des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zu führen, sondern darf ebenfalls (bis Anhaltspunkte vorliegen, dass der tatsächliche Geschehensablauf hiervon abweicht) von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen. Dies hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im Verfahren des ersten Rechtszugs noch getan.

80

bb) Wenn das FA jedoch nun im zweiten Rechtszug die Vermutungsregelung nicht mehr angewendet wissen will und geltend macht, die Lieferung der Klägerin sei steuerpflichtig, weil die Warenbewegung der zweiten Lieferung zuzurechnen sei, so ist es an ihm, den Nachweis dieses für ihn günstigen Umstands zu führen.

81

6. Ebenso hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahin gehend gewürdigt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb der B in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

82

a) Das FG hat dazu festgestellt, dass die B nicht unter einer eigenen USt-IdNr. aufgetreten sei und auch keine gehabt habe. Damit habe die A-GmbH auch keine Aufzeichnungspflichten verletzen können. Die A-GmbH habe die USt-IdNr. der C-Ltd. der Finanzverwaltung mitgeteilt. Des Weiteren habe die A-GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der B ergriffen. Dafür spreche insbesondere, dass der Vorgang mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen worden und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden sei. Dem sei das FA nicht entgegengetreten.

83

b) Auch diese Würdigung des FG ist aufgrund der von ihm im Urteil festgestellten Tatsachen, insbesondere der dem FG vorliegenden Unterlagen zum Ablauf der Bestellung und Lieferung, die sämtlich keine portugiesische USt-IdNr. der B enthalten, sondern die ausdrückliche, schriftliche Mitteilung der USt-IdNr. eines Dritten, sowie aufgrund des Aktenvermerks des Prokuristen der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs mit dem FA, verbunden mit dem Beweisangebot, Prokuristen, Sachgebietsleiter und Außenprüfer als Zeugen zu vernehmen, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

84

aa) Zwar reicht --möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- allein der Umstand, dass das FA dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen getreten ist, für sich genommen nicht aus, um auf weitere Sachverhaltsaufklärung zu verzichten; denn das zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtete FG (§ 76 Abs. 1 FGO) muss auch Fragen nachgehen, über welche die Beteiligten nicht streiten, wenn insoweit Zweifel bestehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 185/93, BFH/NV 1995, 1076).

85

bb) Jedoch hängen Umfang und Intensität der vom FG anzustellenden Ermittlungen auch vom Vortrag und Verhalten der Beteiligten ab; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. August 2006 I B 21/06, BFH/NV 2007, 10, m.w.N.).

86

Hier durfte das FG berücksichtigen, dass das FA trotz der Hinweise des Senats im Rahmen der Zurückverweisung hinsichtlich beider Punkte im zweiten Rechtsgang einen abweichenden tatsächlichen Geschehensablauf noch nicht einmal behauptet, geschweige denn beantragt hat, zum Beweis eines abweichenden Geschehensablaufs Beweise zu erheben, z.B. Zeugen zu vernehmen.

87

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin einer in Deutschland ansässigen GmbH.

2

Die GmbH verkaufte im November 1998 zwei XY-Maschinen (nebst Zubehör) an das US-amerikanische Unternehmen A mit Sitz in M/USA. A hatte eine Niederlassung in Portugal.

3

Nachdem die GmbH die A aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitzuteilen, antwortete die A, sie habe die Maschinen an ein Unternehmen (Ltd.) in Finnland (weiter) veräußert und teilte der GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dieser Ltd. (FI ...) mit, die die GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

4

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die A beauftragt hatte, bei der GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft. Ob A in Finnland einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

5

Über die Lieferung der Maschinen erteilte die GmbH der A unter Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der finnischen Ltd. am 14. Dezember 1998 eine Rechnung über ... DM ohne Umsatzsteuer.

6

Die Klägerin behandelte diese Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1998 (Streitjahr) als steuerfrei.

7

Das seinerzeit zuständige Finanzamt X, das der Erklärung zunächst zugestimmt hatte, erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 (Streitjahr) mit einer um ... DM erhöhten Bemessungsgrundlage. Es sah die Lieferung als steuerpflichtig an, weil die A als Erwerberin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungsmitgliedstaats oder eines anderen Mitgliedstaats verwendet habe. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 --unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den ... DM um einen Bruttobetrag handelt-- geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für 1998 ab.

9

Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin habe weder den Nachweis einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht, noch habe die GmbH eine solche Lieferung vorgenommen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung setze u.a. voraus, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliege (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Daran fehle es im Streitfall.

10

Die Beteiligten hätten ein sog. Reihengeschäft vorgenommen. Die Beförderung sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der A als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt habe; Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die Ltd. in Finnland aufgetreten sei, lägen nicht vor. Die A sei Drittlandsunternehmerin, da ihr Sitz in den USA und nicht etwa in Portugal sei. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liege daher nicht vor.

11

Ferner sei die Annahme eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gemäß § 25b UStG auszuschließen, da die A nicht in einem Mitgliedstaat für umsatzsteuerrechtliche Zwecke erfasst gewesen sei.

12

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1418 veröffentlicht.

13

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des FG lägen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG vor.

14

Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs sei Finnland, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befunden habe. Dort unterliege der Erwerb der Maschinen der Umsatzbesteuerung (Erwerbsbesteuerung). Dafür komme es nicht darauf an, in welchem Land die Erwerberin A ihren Sitz habe. Maßgeblich sei, dass der Erwerb der Maschinen ein in Finnland steuerbarer Vorgang sei. Ein Nachweis, dass eine Erwerbsbesteuerung tatsächlich stattgefunden habe, müsse vom liefernden Unternehmer hingegen nicht erbracht werden. Die Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sei keine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Lieferung der Maschinen in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliege; ihr komme keine materiell-rechtliche Qualität zu.

15

Für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung der Maschinen an die A sei es ferner unschädlich, dass die GmbH nicht deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgezeichnet habe. Vielmehr könnten die Voraussetzungen des § 6a UStG auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Das sei hier geschehen. Denn das FG gehe sowohl von einer grenzüberschreitenden Warenbewegung sowie davon aus, dass A die XY-Maschinen für unternehmerische Zwecke erworben habe.

16

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

17

"1. Erlaubt die Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?

18

           

2. Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung

-       

ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und

-       

ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?"

19

Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10 --VSTR-- (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) wie folgt beantwortet:

20

"Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt; dies gilt allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert wird, dass diese Verpflichtung nicht erfüllt worden ist, wenn der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat."

21

Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme zu dem Urteil des EuGH ausgeführt, dass die Eigenschaft der A als Steuerpflichtige im Streitfall auf andere Weise als durch Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachgewiesen sei. Die veräußerten XY-Maschinen seien ausschließlich zu einer unternehmerischen Verwendung geeignet.

22

Die Beförderung sei der Lieferung der GmbH an die A nach § 3 Abs. 6 Sätze 5 und 6 UStG zuzuordnen. Die Warenbewegung sei nur dann nicht der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen, wenn die finnische Ltd. als Zweiterwerberin die Verfügungsmacht an den Maschinen bereits im Liefermitgliedstaat Deutschland erlangt habe. Dafür, dass die Verfügungsmacht auf die Zweiterwerberin in Deutschland übergegangen sei, gebe es keine Anhaltspunkte.

23

Im Übrigen dürfe gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert habe, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden sei. Das FA sei bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung und der Einspruchsentscheidung unter Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und Abschn. 31a Abs. 9 und 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien davon ausgegangen, dass die Warenbewegung der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen sei. Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 11. August 2011 V R 3/10 (BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung einer bewegten Lieferung bei einem Reihengeschäft eine davon abweichende Änderung der Rechtsprechung darstelle, dürfe diese gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden.

24

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom 7. März 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

25

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

26

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, nach dem Urteil des EuGH in der vorliegenden Rechtssache könne der Buchnachweis nach § 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) mit der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers weiterhin als Nachweis der Unternehmereigenschaft des Erwerbers verlangt werden. Gleichwohl könne die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch dann in Betracht kommen, wenn der liefernde Unternehmer nicht über die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Abnehmers verfügt. In einem solchen Fall müsse der liefernde Unternehmer die Unternehmereigenschaft des Abnehmers mit anderen Mitteln nachweisen.

27

Falle die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Kontrollinstrument weg, könne die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat nicht mehr gewährleistet werden. Das BMF regt deshalb an, die Sache dem EuGH erneut vorzulegen, und zwar zur Auslegung von Art. 22 Abs. 6 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 264 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Der EuGH solle die Frage klären, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung abgeben könne.

28

Das FA hat sich der Stellungnahme des BMF angeschlossen.

Entscheidungsgründe

29

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

30

Das Urteil des FG verletzt § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG bislang getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Versendung der Maschinen gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der (ersten) Lieferung der GmbH an die A als Abnehmer oder der (zweiten) Lieferung von der A an die finnische Ltd. zuzuordnen ist, und ob der Erwerb der Maschinen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat (Finnland) den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlag (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

31

           

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

(1)     

Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

(2)     

der Abnehmer ist

        

a)    

ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

        

b)    

eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder

                 

die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

        

c)    

bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber und

(3)     

der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

32

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 UStDV geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

33

Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

34

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.

35

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen:
a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

36

2. Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Mehrere Unternehmer (die GmbH, die A und die finnische Ltd.) haben über dieselben Gegenstände (Maschinen) Umsatzgeschäfte geschlossen; die Gegenstände sind durch Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Die beteiligten Unternehmer führten zwei aufeinander folgende Lieferungen aus (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04 --EMAG Handel Eder OHG--, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342): eine Lieferung zwischen der GmbH und der A und eine Lieferung zwischen der A und der finnischen Ltd.

37

3. Da im Streitfall die beteiligten Unternehmer über dieselben Gegenstände (Maschinen) zwei aufeinander folgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Versendung von Deutschland nach Finnland durchgeführt haben, kann die GmbH nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. von § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland --wovon die Klägerin und das FG ausgehen-- der ersten Lieferung zwischen der GmbH und A zugerechnet werden kann (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 31, m.w.N.).

38

a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

39

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 1 und Rz 45; vom 16. Dezember 2010 C-430/09 --Euro Tyre Holding--, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 44) kann eine Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreit ist, wenn zwei aufeinander folgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führen.

40

b) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

41

In Übereinstimmung damit gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nun Art. 31 MwStSystRL) als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt (vgl. EuGH-Urteil --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 2; BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 15).

42

c) Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

43

aa) § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG widerlegt werden (vgl. BTDrucks 13/4839, 84; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 129; Meurer, Deutsches Steuerrecht 2011, 199, 200; Abschn. 3.14. Abs. 9 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

44

bb) Für die Frage, welcher Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung oder Versendung zuzurechnen ist, wenn diese von der Person, die als Ersterwerber und Zweitlieferant an beiden Lieferungen beteiligt war, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27).

45

Der Senat geht deshalb davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen (vgl. EuGH-Urteile --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27, und --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) nach wie vor anwendbar ist, aber unionsrechtskonform ausgelegt werden muss.

46

Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig (so von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater 2013, 47, 49), folgt der Senat nicht. Auch der V. Senat des BFH geht in seiner Entscheidung in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208 unter Rz 16 bis 18 davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG durch die Rechtsprechung des EuGH im Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176) zur Zuordnung einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung weiterhin gilt.

47

cc) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

48

dd) Bezogen auf den Streitfall führt der EuGH aus:

49

"33. Im Ausgangsverfahren wäre somit die Lieferung seitens der VSTR-Tochter an Atlantic keine nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferung, falls die zweite Übertragung des Eigentums an den in Rede stehenden Gegenständen – von Atlantic auf das finnische Unternehmen – stattgefunden haben sollte, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland erfolgt ist.

50

34. Hinsichtlich der Umstände, die bei der Würdigung berücksichtigt werden können, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, wenn der Ersterwerber das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden müsste, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde (vgl. Urteil Euro Tyre Holding, Randnrn. 44 und 45).

51

35. Der Gerichtshof hat jedoch auch klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, wenn nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber dieser dem die erste Lieferung durchführenden Lieferer mitgeteilt hat, dass der Gegenstand, bevor er den Liefermitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde (Urteil Euro Tyre Holding, Randnr. 36).

52

36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

53

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

54

4. Das FG, das --ebenso wie der Senat bei seinem Vorlagebeschluss-- die vom EuGH nachfolgend in der Rechtssache --Euro Tyre Holding-- und in dieser Rechtssache --VSTR-- aufgestellten Rechtsgrundsätze nicht kennen konnte, ist bei der Anwendung seiner im vorinstanzlichen Urteil formulierten Rechtssätze auf den konkreten Sachverhalt von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

55

Die Ausführungen des FG, "[d]ie Beförderung ist hier der A (...) als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt hat. Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die (...) Ltd. in Finnland aufgetreten ist, liegen nicht vor", entsprechen der dargelegten EuGH-Rechtsprechung nicht in vollem Umfang.

56

Für die zu treffende Zuordnung fehlt eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung, ob zwischen der A und der finnischen Ltd. die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte. In diesem Fall könnte die innergemeinschaftliche Versendung nicht mehr der Lieferung von der GmbH an die A zugeordnet werden (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32).

57

5. Eine Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 FGO beim V. Senat des BFH scheidet im Streitfall aus.

58

a) Der V. Senat des BFH hat in dem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 (vgl. auch BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, unter 2.) die Auffassung vertreten, dass, "wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36)" die "Beförderung oder Versendung ... dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen (ist). ... Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG)".

59

Entscheidungserheblich für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers ist nach dem Urteil des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 daher, ob der Verkäufer vor oder erst nach der Übergabe des Liefergegenstands an den (selbständigen oder unselbständigen) Abholbeauftragten Kenntnis von der Weiterlieferung des mittleren Unternehmers hatte (vgl. auch Martin, BFH/PR 2012, 19; Wäger, UR 2012, 125, 135).

60

Im vorliegenden Fall war der GmbH nach den Feststellungen des FG vor der Übergabe der Maschinen an den durch A beauftragten Spediteur schon bekannt, dass A die Maschinen bereits an die finnische Ltd. weiterverkauft hatte, so dass nach den Grundsätzen des Urteils des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 eine Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der GmbH an A --und damit eine innergemeinschaftliche Lieferung der GmbH-- ausscheidet.

61

b) Im Gegensatz zu diesem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine derartige Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich.

62

Das ergibt sich möglicherweise bereits aus dem EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176; vgl. von Streit, UStB 2013, 47, 48 und 50; Prätzler, Der Betrieb --DB-- 2012, 2654, 2658 f.; Kramer, UR 2011, 913, 914), jedenfalls aber eindeutig aus Rz 36 und 37 des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832).

63

Deshalb kann die Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 nicht mehr aufrechterhalten werden (gl.A. von Streit, UStB 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche, 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944).

64

c) Der Senat kann den Streitfall unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH abweichend von der Rechtsprechung des V. Senats entscheiden. Es bedarf dazu keiner Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO beim V. Senat des BFH.

65

aa) Wenn --wie hier-- ein Senat des BFH in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will, entscheidet darüber nach § 11 Abs. 2 FGO der Große Senat des BFH. Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO). Dieses Verfahren scheidet im Streitfall aus.

66

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bindet ein Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits (vgl. EuGH-Beschluss vom 5. März 1986  69/85 --Wünsche Handelsgesellschaft--, Slg. 1986, 947, Rz 13; EuGH-Urteile vom 3. Februar 1977  52/76 --Benedetti--, Slg. 1977, 163, Rz 26; vom 14. Dezember 2000 C-446/98 --Fazenda Pública--, Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108, Rz 49; BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, BStBl II 2002, 551, unter II.2.). Der Tenor des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) wird insbesondere durch dessen Entscheidungsgründe in Rz 31 bis 37 bindend präzisiert (vgl. EuGH-Urteil vom 16. März 1978  135/77 --Bosch--, Slg. 1978, 855).

67

Die Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG ist nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union abschließend dem EuGH vorbehalten. Der erkennende Senat ist deshalb nicht befugt, die Entscheidung der Frage, welchen Inhalt das durch die Richtlinie 77/388/EWG geregelte Unionsrecht hat, abweichend vom EuGH zu entscheiden oder einem anderen Spruchkörper zu überlassen. Auch der Große Senat des BFH dürfte insoweit nicht anders entscheiden. Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ist deshalb in Fällen dieser Art weder nötig noch zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1998 IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21, Betriebs-Berater 1998, 1441, unter I.5.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1974  8/2 RU 226/72, BSGE 37, 88, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1974, 1063, Leitsatz 1).

68

Eine --von der FGO in § 11 Abs. 3 Satz 1 nur in Zusammenhang mit einer Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO vorgesehene-- Divergenzanfrage scheidet daher im Streitfall aus (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 8; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 18; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 61; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 11 Rz 5; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 132 GVG Rz 4; May, Deutsche Richterzeitung 1983, 305, 310, die eine Abweichung ablehnen, wenn die Rechtsfrage zwischenzeitlich im Sinne der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durch den EuGH entschieden wurde; wohl a.A. Wäger, UR 2013, 81, 84).

69

d) Deshalb geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, dass im Streitfall die soeben dargestellte Rechtsprechung des BFH (in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung der Warenbewegung aufgrund der Vertrauensschutzregel des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden dürfe.

70

Im Übrigen erfasst § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nur Fälle, in denen sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen und vor dem Erlass des Änderungsbescheids geändert hat (vgl. BFH-Urteile vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5; vom 20. Dezember 2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.). Im Streitfall hat sich aber in dem Zeitraum zwischen dem Erstbescheid und dem Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 vom 16. August 2005 die Rechtsprechung nicht geändert. Das Urteil des BFH stammt vom 11. August 2011 (V R 3/10, BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208). Im Streitfall hat das FA demnach im Änderungsbescheid keine zwischenzeitliche Änderung der Rechtsprechung berücksichtigt.

71

6. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang bei der Zuordnung der Warenbewegung entweder zu der Lieferung zwischen der GmbH und A oder der Lieferung zwischen A und der finnischen Ltd. und der dabei maßgeblichen Frage, wann A die Verfügungsbefugnis an den Maschinen auf die finnische Ltd. übertragen hat, Folgendes zu berücksichtigen haben:

72

a) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, unter II.1.; vom 21. April 2005 V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63; vom 1. Februar 2007 V R 41/04, BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

73

Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH-Urteil vom 21. April 2005 C-25/03 --HE--, Slg. 2005, I-3123, BFH/NV Beilage 2005, 196, UR 2005, 324, Rz 64 ff., m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

74

Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628).

75

b) An den vorstehenden Grundsätzen zur Beurteilung, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, haben sich durch die EuGH-Entscheidung --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) keine Änderungen ergeben.

76

Es ist Sache des FG als Tatsacheninstanz, unter Berücksichtigung aller Umstände des Sachverhalts, z.B. der bislang nicht geklärten konkret vereinbarten Lieferbedingungen, festzustellen, ob die Übertragung auf die finnische Ltd. vor der Versendung der Liefergegenstände stattgefunden hat. Wenn der in der Mitte stehende Unternehmer --wie im Streitfall-- die Transportverantwortlichkeit innehat, verwirft der EuGH jedoch ausdrücklich einen Rückschluss aus der Transportverantwortlichkeit auf das Innehaben der Verfügungsmacht (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 40).

77

c) Soweit sich aus Abschn. 3.14. Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5 UStAE ergeben sollte, dass für die Zuordnung der Versendung allein auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten oder die Frachtzahlkonditionen ohne umfassende Einzelfallwürdigung abzustellen ist, wäre dies mit den EuGH-Urteilen --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32 und 37) und --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27 und 31 bis 35) nicht vereinbar.

78

7. Soweit das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommt, dass die Warenbewegung der Lieferung von der GmbH an die A zuzuordnen ist, sind weitere Feststellungen zu treffen, ob der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

79

a) Hierzu hat der EuGH in der vorliegenden Rechtssache --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) --wie dargelegt-- entschieden, dass Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt (Leitsatz).

80

Der Senat versteht dies so, dass § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, wonach bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss, unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

81

           

b) Der EuGH hat aber insoweit einen Vorbehalt gemacht (Leitsatz und Rz 52). Danach darf die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert werden, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers nicht der Finanzverwaltung mitteilt, wenn

-       

(1) der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und

-       

(2) er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat.

82

c) Ob diese Voraussetzungen bei der GmbH im Streitfall vorliegen, muss das FG ggf. prüfen.

83

aa) Der EuGH hat zwar ausgeführt (Rz 53), aus der Vorlageentscheidung gehe insoweit hervor, dass der Lieferer (die GmbH) im Ausgangsverfahren A um deren Identifikationsnummer ersucht habe und A, die keine besessen habe, ihm die Identifikationsnummer des Zweiterwerbers (der finnischen Ltd.) mitgeteilt habe. Somit habe offenbar keiner dieser Beteiligten betrügerisch gehandelt. Außerdem betreffe die in Rede stehende Lieferung Gegenstände, die ihrer Art nach dafür bestimmt zu sein schienen, im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt zu werden.

84

bb) Es sind aber insoweit ggf. weitere Feststellungen zu treffen.

85

(1) Nach dem im Tatbestand des FG-Urteils (Seite 3) wiedergegebenen Vortrag der Klägerin ist die A bei den Verhandlungen mit der GmbH unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihrer portugiesischen Niederlassung aufgetreten.

86

Dies könnte dafür sprechen, dass die GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A gekannt, aber (entgegen § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) nicht aufgezeichnet hat. In diesem Fall hätte sie nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen.

87

Das FG führt in den Entscheidungsgründen (Seite 6) dagegen aus, A habe keine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Das FG muss diesen (möglichen) Widerspruch ggf. aufklären.

88

(2) Im Rahmen der Prüfung, ob die GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen hat, muss das FG ggf. dem Vortrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nachgehen, der Vorgang sei mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Aktenvermerk des Prokuristen der GmbH übergeben.

89

In Betracht kommt, dass der GmbH durch den zuständigen Sachgebietsleiter des Finanzamts X eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung, z.B. der Verzicht auf die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, mündlich zugesagt worden ist, oder dass die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu den Voraussetzungen BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 30). Das könnte von Bedeutung sein (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06 --Netto Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, UR 2008, 508, Rz 26).

90

8. Die von dem BMF angeregte erneute Vorlage an den EuGH scheidet aus, weil die unionsrechtliche Rechtslage für den Streitfall durch das ergangene EuGH-Urteil --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) geklärt ist (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, NJW 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

91

Zudem ist die vom BMF für eine Vorlage vorgeschlagene Frage für den konkreten Rechtsstreit lediglich hypothetischer Natur und daher nicht entscheidungserheblich (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Vorlage z.B. EuGH-Urteil vom 1. Juni 2010 C-570/07 und C-571/07 --Blanco Pérez und Chao Gómez--, Slg. 2010, I-4629, Rz 36). Denn die Steuerbefreiung der von der Klägerin ausgeführten Lieferung hängt nicht von der vom BMF aufgeworfenen Frage ab, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung (§ 18a UStG) abgeben könne.

92

Darüber hinaus hat das BMF die von ihm in diesem Rechtsstreit eingebrachten Argumente bereits dem EuGH im Vorabentscheidungsersuchen C-587/10 vorgetragen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. März 2014  2 K 1127/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen A-GmbH.

3

Am 24. November 1998 bestellte die B mit Sitz in M/Vereinigte Staaten von Amerika (USA), die über eine feste Niederlassung in der Portugiesischen Republik (Portugal) verfügte, bei der A-GmbH zwei Maschinen (nebst Zubehör) für 750.000 DM.

4

Nachdem die A-GmbH die B aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mitzuteilen, antwortete die B, sie habe die Maschinen an die in der Republik Finnland (Finnland) ansässige C-Ltd. (weiter) veräußert und teilte der A-GmbH die USt-IdNr. der C-Ltd. mit, die die A-GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

5

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die B beauftragt hatte, bei der A-GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft.

6

Am 14. Dezember 1998 erteilte die A-GmbH gegenüber B in den USA eine Rechnung über die Lieferung der Maschinen für 750.000 DM. Umsatzsteuer wies die A-GmbH nicht offen aus. Dabei gab sie die USt-IdNr. der C-Ltd. als Abnehmerin an. Des Weiteren vermerkte sie u.a., dass der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in Finnland und damit nicht in Deutschland den Vorschriften der Umsatzsteuerbesteuerung unterliege.

7

B hatte bereits am 10. Dezember 1998 eine Rechnung über den Verkauf der Maschinen zum Preis von 880.000 DM an die C-Ltd. in Rechnung gestellt. Die C-Ltd. zahlte am 24. November 1998 86.000 DM und am 14. Dezember 1998 den Restbetrag von 794.000 DM an B. Die C-Ltd. zahlte außerdem an die Z auf eine Rechnung vom 8. Februar 1999 Frachtkosten für den Transport von L nach Helsinki/Finnland.

8

In der Folgezeit nahm die Klägerin Kontakt zum seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA X) auf und vermerkte am 17. August 2004 auf der Rechnung an die B, dass der Rechnungsinhalt im Zeitpunkt der Rechnungslegung mit dem Sachgebietsleiter abgestimmt worden sei und dass die Betriebsprüfung diesen Sachverhalt nicht beanstandet habe.

9

Die Klägerin behandelte die Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 1998 (Streitjahr), der das FA X am 31. März 2000 zustimmte, als umsatzsteuerfrei.

10

Das FA X erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Lieferung als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück. Es sei ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft mit zwei Lieferungen durchgeführt worden, die erste zwischen der A-GmbH und B und die zweite zwischen der B und der C-Ltd. B habe die Ware befördert, daher sei sie Abnehmerin der ersten Lieferung. Ort der Lieferung sei Deutschland. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) greife gleichwohl nicht ein, da B als Abnehmerin keine USt-IdNr. des Bestimmungslandes oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) verwendet habe.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1998 mit Urteil vom 25. Februar 2009  2 K 484/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1418) ab.

12

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) beantwortet.

13

Im Anschluss daran hat der Senat mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 11/09 (BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524) das Urteil des FG in EFG 2009, 1418 aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen.

14

Im zweiten Rechtsgang richtete das FA ein Auskunftsersuchen an die finnischen Steuerbehörden. Dieses ergab u.a., dass die Maschinen unmittelbar von der A-GmbH zur C-Ltd. "geliefert" worden seien. Es habe keine direkten Zahlungen zwischen der C-Ltd. und der A-GmbH gegeben. Schriftliche Verträge oder Liefervereinbarungen zwischen der B und der C-Ltd. lägen nicht vor. Es existiere noch eine Rechnung der B an die C-Ltd. Die C-Ltd. habe die Anschaffung als innergemeinschaftlichen Erwerb gebucht, aber möglicherweise nicht als solchen erklärt. Allerdings könnten die Steuererklärungen später geändert worden sein. Dies könne in den Datenbanken nicht mehr überprüft werden, da die Transaktion im Jahr 1998 stattgefunden habe.

15

Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Sein Urteil ist in Mehrwertsteuerrecht (MwStR) 2014, 619 veröffentlicht.

16

Mit seiner Revision führt das FA im Wesentlichen aus, es halte das Urteil des FG Münster vom 16. Januar 2014  5 K 3930/10 U (EFG 2014, 682), das dem zurückverweisenden Urteil des Senats in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 in der zentralen Aussage widersprochen habe, für zutreffend.

17

Ergänzend merkt das FA an, nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG obliege es dem mittleren Unternehmer nachzuweisen, dass er den Gegenstand als Lieferer versende oder befördere. Das FG gehe davon aus, dass im Verwaltungsverfahren das FA zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei. Dies verkehre § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG in sein Gegenteil und widerspreche in gewisser Weise § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG.

18

Obwohl der hier zu beurteilende Umsatz mithin (an sich) steuerpflichtig sei, müsse der Rechtsstreit trotzdem an das FG zurückverwiesen werden, weil das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob das FA nach Treu und Glauben gehindert sei, den Steueranspruch gegen die Klägerin geltend zu machen.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3).

24

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein.

25

aa) Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in der im Streitjahr geltenden Fassung geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

26

bb) Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

27

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

28

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

29

2. Der Senat hat zu der streitbefangenen Lieferung in Rz 36 ff. des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, Folgendes entschieden:

30

a) Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Die A-GmbH kann nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland der ersten Lieferung zwischen der A-GmbH und B zugeordnet werden kann; denn die Beförderung oder Versendung des Gegenstands sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

31

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

32

b) § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG widerlegt werden. Zwar ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen nach wie vor anwendbar, muss aber unionsrechtskonform ausgelegt werden. Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig, ist der Senat nicht gefolgt.

33

c) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

34

3. An den genannten Grundsätzen hält der Senat trotz der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Kritik, der sich sowohl das FA als auch das FG in dem angefochtenen Urteil angeschlossen haben, fest.

35

a) Das FG Münster hat in seinem Urteil in EFG 2014, 682 die Rechtsansicht vertreten, es komme in Fällen der vorliegenden Art allein auf die "Verpflichtung und Absichtsbekundung" des Zwischenerwerbers an, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden (Rz 32, 35 ff. des Urteils). Die Vorinstanz folgt dem im Grundsatz, hat seiner Entscheidung aber gleichwohl (zutreffend) gemäß § 126 Abs. 5 FGO die --davon abweichende-- rechtliche Beurteilung des BFH in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zugrunde gelegt (vgl. MwStR 2014, 619, juris-Rz 36). Auch das FA hält die Auffassung des FG Münster für zutreffend.

36

aa) Das FG Münster hält die Rechtsprechung des Senats für "problematisch" (EFG 2014, 682, Rz 35). Bei grenzüberschreitenden Lieferumsätzen könne der erste Lieferer insbesondere bei Abholfällen regelmäßig nicht beurteilen, ob und wann dem Letztempfänger die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, übertragen werde. Mit der Übergabe der Ware habe der erste Lieferer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Der Zwischenerwerber habe regelmäßig weder eine Pflicht noch ein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, was er "zu welchen Zeitpunkten mit der Ware macht". Die Steuerpflicht könne nicht von Umständen abhängen, die weder in der Willens- noch der Wissenssphäre des Liefernden liegen (EFG 2014, 682, Rz 36).

37

bb) Das FG Münster, die Vorinstanz und das FA verkennen im Rahmen ihrer Analyse, dass es bei der Prüfung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung --aus unionsrechtlicher Sicht-- auf die objektiven Umstände ankommt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 39 f.; vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Slg. 2010, I-12605, BStBl II 2011, 846, Rz 39; vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 28; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 30, jeweils m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH).

38

Dabei kommt es gerade nicht nur --wie das FG Münster und die Vorinstanz meinen-- auf die "Verpflichtungen und Absichtsbekundungen" des Lieferers und des Erwerbers an (vgl. EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 37; Sterzinger, UR 2013, 45, 48).

39

So kann z.B. im Abholfall der Lieferer ebenfalls nicht beurteilen, ob und wann der Gegenstand der Lieferung den Mitgliedstaat physisch verlassen wird. Mit der Übergabe der Ware hat der Unternehmer seine Pflichten an sich erfüllt. Der Zwischenerwerber hat kein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, dass der Gegenstand im Inland verbleiben wird. Gleichwohl ist für die Steuerbefreiung des § 6a Abs. 1 UStG, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderlich, dass der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 33 ff., 42; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh, Slg. 2007, I-7897, BStBl II 2009, 83, Rz 23).

40

cc) Eine andere, hiervon zu trennende Frage ist es, ob dem Steuerpflichtigen --trotz Nichtvorliegens der objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung-- aufgrund der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit (im Wege des Vertrauensschutzes) die Steuerbefreiung zu gewähren ist (vgl. EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 43 ff.).

41

(1) Diese Frage ist nach nationalem Recht nicht im Rahmen des § 6a Abs. 1 UStG, sondern des § 6a Abs. 4 UStG zu prüfen.

42

(2) Diese Unterscheidung muss auch unionsrechtlich vorgenommen werden, weil die Rechtsfolgen verschieden sind.

43

Während bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung als logische Folge ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat erfolgt (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 24, 26 f., 36 f., 41 f.; vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 23; vom 18. November 2010 C-84/09, X, Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 28; vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 29) und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Umsatz des Lieferers steuerfrei zu belassen ist, ist in dem Fall, dass dem Lieferer trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Vertrauensschutz zu gewähren ist, der Erwerber (hier: B) im Liefermitgliedstaat zur Umsatzsteuer heranzuziehen (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 67; in Deutschland umgesetzt durch § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG; insoweit zutreffend aus österreichischer Sicht Schwab, Österreichische Steuerzeitung 2014, 32, 35).

44

Daran zeigt sich auch, dass es für die Steuerpflichtigen nicht lediglich um formale Zuordnungen, sondern um "finale Besteuerungswirkungen" geht (a.A. Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 34/2014, Nr. 6, unter D.), weil jeder Umsatz für sich zu betrachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006 C-484/03 u.a., Optigen, Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144, Rz 47). Auch bei Reihengeschäften ist eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, Rz 26 ff., 40 ff.).

45

b) Entgegen der Auffassung des FG Münster ist das EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 nicht abweichend von dem Senatsurteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zu verstehen.

46

aa) Das FG Münster hat dazu (in EFG 2014, 682, Rz 35 ff.) ausgeführt, der EuGH wolle in Rz 32 und 34 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 die Fallgestaltungen darstellen, in denen die bewegte Lieferung keinesfalls mehr (Rz 32) bzw. zweifellos (Rz 34) der ersten Lieferung zugeordnet werden müsse. Aus Rz 32 könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Zuordnung der bewegten Lieferung auf den zweiten Liefervorgang nur dann erfolgen könne, wenn die tatsächliche Verfügungsmacht an den Liefergegenständen bereits vor dem Warentransport noch im Herkunftsland auf den Letzterwerber übergegangen sei. Rz 35 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 sei zu entnehmen, "dass eine Zurechnung der bewegten Lieferung zum 2. Umsatzgeschäft auch dann erfolgen kann, wenn der 1. Erwerber dem 1. Lieferer mitteilt, dass er die Ware an einen dritten Unternehmer in einem anderen Land, als dem des 1. Umsatzgeschäfts, weiterverkauft hat". In Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR stelle der EuGH zwar auf weitere Umstände ab, die eine Zuordnung der bewegten Lieferung möglich machen sollen und nenne in diesem Zusammenhang die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Letzterwerber vor der Beförderung. Diese Formulierung könne aber auch so verstanden werden, dass eine bloße "Erklärung" des Ersterwerbers über den Weiterverkauf der Liefergegenstände an einen dritten Unternehmer nicht ausreichend sein solle. Es müsse vielmehr eine "umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles" erfolgen.

47

bb) Dieser Auslegung des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 durch das FG Münster liegt zunächst das unter II.3.a bb geschilderte Fehlverständnis zugrunde. Insbesondere sind in dem vom FG in Rz 38 (in EFG 2014, 682) geschilderten Fall, wenn im Ursprungsmitgliedstaat dem zweiten Erwerber noch keine Verfügungsmacht verschafft worden ist, die objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG trotz Mitteilung des Weiterverkaufs gegeben und der Umsatz des ersten Lieferers ist --bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG-- im Ursprungsmitgliedstaat steuerfrei zu belassen (vgl. EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 30). Damit geht im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Erwerbers (und nicht des zweiten Erwerbers) einher (vgl. allgemein z.B. EuGH-Urteil X in Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 27). Das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber beim ersten Erwerber zu besteuern, kann dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht durch eine (bloße) Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 XI R 5/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de, Rz 35 f., m.w.N.).

48

cc) Der vom FG Münster in Rz 37 ff. seines Urteils in EFG 2014, 682 vertretenen Auslegung des EuGH-Urteils VSTR stehen vor allem klar Rz 36 und Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 entgegen, in denen der EuGH ausgeführt hat:

49

"36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

50

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

51

Diese Ausführungen des EuGH können nur so verstanden werden, dass eine (bloße) Erklärung des Ersterwerbers B vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland gegenüber A, dass die Gegenstände bereits an das finnische Unternehmen C weiterverkauft worden seien, gerade nicht für eine Zurechnung der Beförderung der Gegenstände zur ersten Lieferung ausreicht.

52

Zudem hat der EuGH in Rz 37 des Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 den nationalen Gerichten aufgegeben, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob "dies", das heißt "die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden" hat.

53

Dies bestätigen auch die Rz 33 und 34 desselben EuGH-Urteils: Der EuGH stellt dort die beiden möglichen Alternativen für die Lösung des Streitfalls dar und grenzt danach ab, in welchem Staat dem Zweiterwerber (C) Verfügungsmacht verschafft wird. Erlangt der Zweiterwerber (C) sie bereits im Inland, kann nur die zweite Lieferung die grenzüberschreitende sein. Umgekehrt kann nur die erste Lieferung die grenzüberschreitende sein, wenn der Zweiterwerber (C) keine Verfügungsmacht im Inland erlangt (ebenso z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 154).

54

dd) Aufgrund dieser Erwägungen greift auch der Einwand von Teilen der Literatur, der Senat habe Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 "missverstanden" (Nieskens, Der Betrieb --DB-- 2013, 1872, 1874) nicht durch (das Verständnis des Senats teilend z.B. Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944; von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater --UStB-- 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Matheis/Kandlhofer, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2013, 380, 384; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152; Looks, MwStR 2015, 52, 54).

55

c) Soweit in der Literatur der Einwand erhoben wird, der Senat unterliege einem "Zirkelschluss", weil aus der Beförderung oder Versendung die Verschaffung der Verfügungsmacht abzuleiten sei und nicht umgekehrt bei Verschaffung der Verfügungsmacht die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ausgelöst werden (Hiller, MwStR 2013, 652, 654 f.; Nieskens, DB 2013, 1872; Nieskens, UR 2013, 823, 824 ff.; Nieskens/ Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513, 516; Sterzinger, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2013, 4028, 4033), übersieht diese Auffassung, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen handelt (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen neben Rz 29 des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, und Rz 30 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832; aus neuerer Zeit EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2014 C-492/13, Traum, HFR 2014, 1131, UR 2014, 943, Rz 24 und 25).

56

aa) Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur leitet zwar aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 8 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL ab, diese regelten neben dem Ort auch den   Zeitpunkt  der Lieferung (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.b, m.w.N. zur herrschenden Meinung in der Literatur; Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. z.B. Frye, UR 2013, 889, 892 ff.; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 11, 115; wohl auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155). Liegen beide Tatbestandsmerkmale vor, fällt nach dieser Auffassung die Verschaffung der Verfügungsmacht (als erstes Tatbestandsmerkmal) mit dem Beginn der Beförderung oder Versendung (als zweites Tatbestandsmerkmal) zeitlich zusammen.

57

bb) Trotzdem handelt es sich um verschiedene Tatbestandsmerkmale, die getrennt zu prüfen sind; sonst bedürfte es auch einer Fiktion nicht.

58

Weder allein der Besitz befähigt den Besitzer (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 2005 C-435/03, British American Tobacco International Ltd., Slg. 2005, I-7077, BFH/NV Beilage 2005, 332, Rz 36) noch allein die Beförderung eines Gegenstands den Beförderer (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 2010 C-237/09, De Fruytier, Slg. 2010, I-4985, HFR 2010, 892, Rz 25) dazu, über Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen.

59

Entsprechend ist auch nach Auffassung des V. Senats des BFH bei Beförderung oder Versendung von Gegenständen die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht und ihr tatsächlicher Zeitpunkt zu prüfen, wenn es um die Entscheidung geht, ob die Warenbewegung der Lieferung zugeordnet werden kann oder nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.e, zum Kauf auf Probe: Verschaffung der Verfügungsmacht nach Beförderung als Lieferung i.S. des § 3 Abs. 7 UStG; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 153 f.; ebenso möglicherweise früher noch Nieskens, UR 2012, 17, 21).

60

d) Die Auffassung, der Senat hätte § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG für unionsrechtswidrig erklären sollen (so z.B. Weymüller, MwStR 2014, 623, 624; ebenso im Ergebnis bereits von Streit, UStB 2013, 47, 49; zweifelnd Kettisch, UR 2014, 593, 605 f.), beachtet nicht hinreichend, dass das in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis dem Unionsrecht entspricht.

61

Auch der EuGH geht --wie übrigens auch Art. 28c Teil E Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 141 MwStSystRL) und § 25b Abs. 1 und 3 UStG-- davon aus, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 32; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 33; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 33).

62

Deshalb hält der Senat daran fest, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG unionsrechtskonform ausgelegt werden kann und der in Halbsatz 2 mögliche Gegenbeweis nur unter den im BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 47 ff. genannten Umständen geführt ist.

63

4. Die Kritik, aufgrund dieser Rechtsprechung (des EuGH und/oder des BFH) könnten weder die leistenden Unternehmer noch die Finanzverwaltungen rechtssicher beurteilen, welcher Lieferung eine Warenbewegung zuzuordnen ist (Büchter-Hole, EFG 2014, 684; Herzing, Steuerrecht kurzgefasst 2013, 433; Höink/Forster, DB 2014, 1896; Meurer, MwStR 2013, 555; Nieskens/Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513; dies., Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1368; dies., UVR 2014, 249; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 64 Rz 137; Sterzinger, NWB 2013, 4028, 4032 f.; Wäger, UR 2014, 81, 101; Winter, DStR 2013, 1979, 1980 f.; s. auch zu Unklarheiten im Vereinigten Königreich Lang-Horgan, MwStR 2013, 394, 395 f.; zur unterschiedlichen Beurteilung von Reihengeschäften durch die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten s. auch Bericht Nr. 29 der "VAT Expert Group" der EU vom 13. Januar 2014, taxud.c.1(2014)83538, abrufbar auf der Internetseite der EU, Tz. 6.2 und Anlage 3, sowie Körner, MwStR 2014, 763), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

64

a) Zum einen ist eine ggf. vorliegende Unsicherheit bei Beurteilung der Umstände des Einzelfalls im Wesentlichen Folge der Entscheidung des Richtliniengebers, trotz des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Union im innergemeinschaftlichen Warenverkehr am Bestimmungslandprinzip festzuhalten (vgl. dazu EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 21 f.; Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 34 f.).

65

b) Zum anderen besteht bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung keine Rechtsunsicherheit.

66

Zu dem Begriff der Lieferung liegt eine ständige Rechtsprechung des EuGH vor (neben den genannten Urteilen z.B. auch vgl. EuGH-Urteile vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573, Rz 31 ff.; vom 21. April 2005 C-25/03, HE, Slg. 2005, I-3123, BStBl II 2007, 24, Rz 64; vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Rz 32). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451; vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909), ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.6.; vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, unter II.1.). Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann danach z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber (vgl. BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 72, m.w.N.; Kettisch, UR 2014, 593, 600) als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber (vgl. EuGH-Urteil vom 21. November 2013 C-494/12, Dixons, HFR 2014, 84, MwStR 2013, 774, Rz 23 f., 27 f.) zu sehen sein.

67

c) Ebenso liegt zu den im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigenden Umständen eine ständige Rechtsprechung vor.

68

Die Frage, ob, wann und wo eine Lieferung erfolgt, d.h. die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, ist von den nationalen Gerichten anhand des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Februar 1990 C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, Rz 7 f., 13; vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136, Rz 60 ff., 63; vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset Menidjmunt, HFR 2012, 454, UR 2012, 230, Rz 38 ff., 41; vom 18. Juli 2013 C-78/12, Evita-K, HFR 2013, 857, UR 2014, 475, Rz 33 bis 35). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, d.h. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen (vgl. dazu z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155, unter 3.2.1) und deren tatsächliche Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; s. auch BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

69

d) Zudem stellen sowohl das nationale Recht als auch die Rechtsprechung des EuGH dem Lieferer Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung (vgl. die Ausführungen unter II.3.a cc; s. auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 157).

70

In diesem Rahmen kann sich der leistende Unternehmer zur Minimierung von Risiken z.B. vom Erwerber versichern lassen, dass der Erwerber die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat. Dies zu tun (oder nicht), liegt derzeit in seiner unternehmerischen Entscheidung.

71

e) Im Übrigen ist es ggf. Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers --über die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und den Belegnachweis des § 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F., § 17a Abs. 1 und 2 UStDV i.d.F. ab 1. Oktober 2013 hinaus-- durch Änderung des UStG oder der UStDV in den Grenzen des Unionsrechts z.B. andere widerlegbare Vermutungen aufzustellen oder in anderer Form die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen (vgl. Art. 28c Teil A Einleitungssatz der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 131 MwStSystRL, § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

72

Sieht das nationale Recht eines EU-Mitgliedstaats jedoch nur vor, dass die Lieferung nachzuweisen ist, bzw. hängt das Niveau der verlangten Nachweise von den konkreten Umständen des betreffenden Umsatzes ab, sind die Nachweispflichten lediglich nach den im nationalen Recht dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen und nach der für ähnliche Geschäfte üblichen Praxis zu bestimmen (EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 37 f.). Es ist dem BFH weder möglich, Wahlrechte für Unternehmer zu schaffen, die das Unionsrecht nicht vorsieht, noch allgemeine Nachweispflichten für leistende Unternehmer vorzusehen, die das nationale Recht nicht enthält.

73

5. Die Entscheidung des FG, die Warenbewegung sei im Streitfall der Lieferung der Klägerin (zivilrechtlich: der A-GmbH) an B zuzuordnen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

74

a) Das FG konnte nicht feststellen, ob die B der C-Ltd. (bereits) im Inland die Befähigung übertragen hat, wie ein Eigentümer über die Maschinen zu verfügen.

75

Es hat zur Begründung ausgeführt, Lieferbedingungen oder der Kaufvertrag könnten nicht vorgelegt werden. Ob ein solcher "als Urkunde" existiere, habe ebenfalls nicht geklärt werden können. Die A-GmbH komme als Lieferer an die B in Betracht. Für eine Lieferung der B an die C-Ltd. als der bewegten Lieferung spreche zwar der Umstand, dass die B die Transportverantwortlichkeit und einen Teil der Kosten zu tragen gehabt habe, dass die C-Ltd. den Kaufpreis vor Beginn der Lieferung am 14. Dezember 1998 gezahlt und dass B der A-GmbH den Verkauf vor diesem Zeitpunkt mitgeteilt habe. In der Gesamtschau der Umstände sei dennoch nicht der Nachweis geführt, dass B die Maschinen als Lieferer befördert habe und die C-Ltd. die Sachherrschaft bereits vor Beginn der Lieferung habe. Das FG lege § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG so aus, dass die gesetzliche Vermutung erst dann erschüttert sei, wenn der Nachweis als Lieferer durch den mittleren Unternehmer auch tatsächlich geführt sei. Bloße Zweifel genügten insoweit nicht. Zur Zuordnung der bewegten Lieferung reiche allein die Mitteilung des Ersterwerbers an den Erstlieferer über einen Weiterverkauf nicht aus.

76

b) Diese --von den Rechtsgrundsätzen des zurückverweisenden BFH-Urteils in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 ausgehende-- Würdigung des FG ist auf Basis seiner tatsächlichen Feststellungen, die kein Beteiligter mit Verfahrensrügen angegriffen hat, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 13. November 2013 XI R 24/11, BFHE 243, 471, BFH/NV 2014, 471); denn wenn sich schon das der Lieferung von B an die C-Ltd. zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht ermitteln lässt, kann auch nicht beurteilt werden, welche Regelungen zur Verschaffung der Verfügungsmacht darin enthalten waren.

77

c) Ferner ist das FG zutreffend davon ausgegangen, für den Fall, dass --nach (der von Amts wegen durchzuführenden) Sachverhaltsaufklärung durch das FG, bei der Dritte, insbesondere der Ersterwerber, zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden können (z.B. §§ 93, 97 der Abgabenordnung, § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4, §§ 81, 85 FGO)-- Zweifel daran verbleiben, ob der Ersterwerber den Gegenstand "als Lieferer befördert oder versendet hat" oder nicht, sei nach § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen (ebenso Szabo/Tausch/Kraeusel, UVR 2013, 280, 282; a.A. Nieskens, UR 2013, 823, 826).

78

Die regelmäßige Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegen stehen, entspricht im Übrigen auch der Ansicht des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Nachfolgeerkenntnis "EMAG Handel Eder" (Erkenntnis vom 25. Juni 2007  2006/14/0107, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, a.E.).

79

aa) Zwar weist das FA zu Recht darauf hin, dass auch das FA von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen dürfe. Deshalb ist auch das FA --insoweit möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- nicht generell verpflichtet, den Gegenbeweis des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zu führen, sondern darf ebenfalls (bis Anhaltspunkte vorliegen, dass der tatsächliche Geschehensablauf hiervon abweicht) von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen. Dies hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im Verfahren des ersten Rechtszugs noch getan.

80

bb) Wenn das FA jedoch nun im zweiten Rechtszug die Vermutungsregelung nicht mehr angewendet wissen will und geltend macht, die Lieferung der Klägerin sei steuerpflichtig, weil die Warenbewegung der zweiten Lieferung zuzurechnen sei, so ist es an ihm, den Nachweis dieses für ihn günstigen Umstands zu führen.

81

6. Ebenso hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahin gehend gewürdigt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb der B in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

82

a) Das FG hat dazu festgestellt, dass die B nicht unter einer eigenen USt-IdNr. aufgetreten sei und auch keine gehabt habe. Damit habe die A-GmbH auch keine Aufzeichnungspflichten verletzen können. Die A-GmbH habe die USt-IdNr. der C-Ltd. der Finanzverwaltung mitgeteilt. Des Weiteren habe die A-GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der B ergriffen. Dafür spreche insbesondere, dass der Vorgang mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen worden und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden sei. Dem sei das FA nicht entgegengetreten.

83

b) Auch diese Würdigung des FG ist aufgrund der von ihm im Urteil festgestellten Tatsachen, insbesondere der dem FG vorliegenden Unterlagen zum Ablauf der Bestellung und Lieferung, die sämtlich keine portugiesische USt-IdNr. der B enthalten, sondern die ausdrückliche, schriftliche Mitteilung der USt-IdNr. eines Dritten, sowie aufgrund des Aktenvermerks des Prokuristen der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs mit dem FA, verbunden mit dem Beweisangebot, Prokuristen, Sachgebietsleiter und Außenprüfer als Zeugen zu vernehmen, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

84

aa) Zwar reicht --möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- allein der Umstand, dass das FA dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen getreten ist, für sich genommen nicht aus, um auf weitere Sachverhaltsaufklärung zu verzichten; denn das zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtete FG (§ 76 Abs. 1 FGO) muss auch Fragen nachgehen, über welche die Beteiligten nicht streiten, wenn insoweit Zweifel bestehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 185/93, BFH/NV 1995, 1076).

85

bb) Jedoch hängen Umfang und Intensität der vom FG anzustellenden Ermittlungen auch vom Vortrag und Verhalten der Beteiligten ab; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. August 2006 I B 21/06, BFH/NV 2007, 10, m.w.N.).

86

Hier durfte das FG berücksichtigen, dass das FA trotz der Hinweise des Senats im Rahmen der Zurückverweisung hinsichtlich beider Punkte im zweiten Rechtsgang einen abweichenden tatsächlichen Geschehensablauf noch nicht einmal behauptet, geschweige denn beantragt hat, zum Beweis eines abweichenden Geschehensablaufs Beweise zu erheben, z.B. Zeugen zu vernehmen.

87

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin einer in Deutschland ansässigen GmbH.

2

Die GmbH verkaufte im November 1998 zwei XY-Maschinen (nebst Zubehör) an das US-amerikanische Unternehmen A mit Sitz in M/USA. A hatte eine Niederlassung in Portugal.

3

Nachdem die GmbH die A aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitzuteilen, antwortete die A, sie habe die Maschinen an ein Unternehmen (Ltd.) in Finnland (weiter) veräußert und teilte der GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dieser Ltd. (FI ...) mit, die die GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

4

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die A beauftragt hatte, bei der GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft. Ob A in Finnland einen innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt hat, ist nicht festgestellt.

5

Über die Lieferung der Maschinen erteilte die GmbH der A unter Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der finnischen Ltd. am 14. Dezember 1998 eine Rechnung über ... DM ohne Umsatzsteuer.

6

Die Klägerin behandelte diese Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1998 (Streitjahr) als steuerfrei.

7

Das seinerzeit zuständige Finanzamt X, das der Erklärung zunächst zugestimmt hatte, erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 (Streitjahr) mit einer um ... DM erhöhten Bemessungsgrundlage. Es sah die Lieferung als steuerpflichtig an, weil die A als Erwerberin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungsmitgliedstaats oder eines anderen Mitgliedstaats verwendet habe. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 --unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei den ... DM um einen Bruttobetrag handelt-- geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für 1998 ab.

9

Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin habe weder den Nachweis einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht, noch habe die GmbH eine solche Lieferung vorgenommen. Eine innergemeinschaftliche Lieferung setze u.a. voraus, dass der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliege (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Daran fehle es im Streitfall.

10

Die Beteiligten hätten ein sog. Reihengeschäft vorgenommen. Die Beförderung sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der A als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt habe; Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die Ltd. in Finnland aufgetreten sei, lägen nicht vor. Die A sei Drittlandsunternehmerin, da ihr Sitz in den USA und nicht etwa in Portugal sei. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liege daher nicht vor.

11

Ferner sei die Annahme eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gemäß § 25b UStG auszuschließen, da die A nicht in einem Mitgliedstaat für umsatzsteuerrechtliche Zwecke erfasst gewesen sei.

12

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1418 veröffentlicht.

13

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des FG lägen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG vor.

14

Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs sei Finnland, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befunden habe. Dort unterliege der Erwerb der Maschinen der Umsatzbesteuerung (Erwerbsbesteuerung). Dafür komme es nicht darauf an, in welchem Land die Erwerberin A ihren Sitz habe. Maßgeblich sei, dass der Erwerb der Maschinen ein in Finnland steuerbarer Vorgang sei. Ein Nachweis, dass eine Erwerbsbesteuerung tatsächlich stattgefunden habe, müsse vom liefernden Unternehmer hingegen nicht erbracht werden. Die Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sei keine notwendige Voraussetzung dafür, dass die Lieferung der Maschinen in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliege; ihr komme keine materiell-rechtliche Qualität zu.

15

Für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung der Maschinen an die A sei es ferner unschädlich, dass die GmbH nicht deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgezeichnet habe. Vielmehr könnten die Voraussetzungen des § 6a UStG auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Das sei hier geschehen. Denn das FG gehe sowohl von einer grenzüberschreitenden Warenbewegung sowie davon aus, dass A die XY-Maschinen für unternehmerische Zwecke erworben habe.

16

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

17

"1. Erlaubt die Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten, eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers buchmäßig nachweist?

18

           

2. Ist es für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung

-       

ob es sich bei dem Erwerber um einen in einem Drittland ansässigen Unternehmer handelt, der zwar den Gegenstand der Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat versendet hat, aber in keinem Mitgliedstaat umsatzsteuerrechtlich registriert ist, und

-       

ob der Steuerpflichtige die Abgabe einer Steuererklärung über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Erwerber nachgewiesen hat?"

19

Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10 --VSTR-- (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) wie folgt beantwortet:

20

"Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt; dies gilt allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert wird, dass diese Verpflichtung nicht erfüllt worden ist, wenn der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat."

21

Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme zu dem Urteil des EuGH ausgeführt, dass die Eigenschaft der A als Steuerpflichtige im Streitfall auf andere Weise als durch Verwendung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachgewiesen sei. Die veräußerten XY-Maschinen seien ausschließlich zu einer unternehmerischen Verwendung geeignet.

22

Die Beförderung sei der Lieferung der GmbH an die A nach § 3 Abs. 6 Sätze 5 und 6 UStG zuzuordnen. Die Warenbewegung sei nur dann nicht der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen, wenn die finnische Ltd. als Zweiterwerberin die Verfügungsmacht an den Maschinen bereits im Liefermitgliedstaat Deutschland erlangt habe. Dafür, dass die Verfügungsmacht auf die Zweiterwerberin in Deutschland übergegangen sei, gebe es keine Anhaltspunkte.

23

Im Übrigen dürfe gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert habe, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden sei. Das FA sei bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung und der Einspruchsentscheidung unter Anwendung von § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und Abschn. 31a Abs. 9 und 10 der Umsatzsteuer-Richtlinien davon ausgegangen, dass die Warenbewegung der Lieferung der GmbH an die A zuzuordnen sei. Soweit die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 11. August 2011 V R 3/10 (BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung einer bewegten Lieferung bei einem Reihengeschäft eine davon abweichende Änderung der Rechtsprechung darstelle, dürfe diese gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden.

24

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1998 vom 7. März 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € herabgesetzt wird.

25

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

26

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, nach dem Urteil des EuGH in der vorliegenden Rechtssache könne der Buchnachweis nach § 17c der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) mit der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers weiterhin als Nachweis der Unternehmereigenschaft des Erwerbers verlangt werden. Gleichwohl könne die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch dann in Betracht kommen, wenn der liefernde Unternehmer nicht über die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Abnehmers verfügt. In einem solchen Fall müsse der liefernde Unternehmer die Unternehmereigenschaft des Abnehmers mit anderen Mitteln nachweisen.

27

Falle die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als Kontrollinstrument weg, könne die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat nicht mehr gewährleistet werden. Das BMF regt deshalb an, die Sache dem EuGH erneut vorzulegen, und zwar zur Auslegung von Art. 22 Abs. 6 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 264 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Der EuGH solle die Frage klären, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung abgeben könne.

28

Das FA hat sich der Stellungnahme des BMF angeschlossen.

Entscheidungsgründe

29

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

30

Das Urteil des FG verletzt § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG bislang getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Versendung der Maschinen gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG der (ersten) Lieferung der GmbH an die A als Abnehmer oder der (zweiten) Lieferung von der A an die finnische Ltd. zuzuordnen ist, und ob der Erwerb der Maschinen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat (Finnland) den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlag (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

31

           

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

(1)     

Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

(2)     

der Abnehmer ist

        

a)    

ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

        

b)    

eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder

                 

die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

        

c)    

bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber und

(3)     

der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

32

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 UStDV geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

33

Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

34

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.

35

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen:
a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

36

2. Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Mehrere Unternehmer (die GmbH, die A und die finnische Ltd.) haben über dieselben Gegenstände (Maschinen) Umsatzgeschäfte geschlossen; die Gegenstände sind durch Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Die beteiligten Unternehmer führten zwei aufeinander folgende Lieferungen aus (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04 --EMAG Handel Eder OHG--, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342): eine Lieferung zwischen der GmbH und der A und eine Lieferung zwischen der A und der finnischen Ltd.

37

3. Da im Streitfall die beteiligten Unternehmer über dieselben Gegenstände (Maschinen) zwei aufeinander folgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Versendung von Deutschland nach Finnland durchgeführt haben, kann die GmbH nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung i.S. von § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland --wovon die Klägerin und das FG ausgehen-- der ersten Lieferung zwischen der GmbH und A zugerechnet werden kann (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 31, m.w.N.).

38

a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

39

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 1 und Rz 45; vom 16. Dezember 2010 C-430/09 --Euro Tyre Holding--, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 44) kann eine Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreit ist, wenn zwei aufeinander folgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen, die als solche handeln, vorgenommen werden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führen.

40

b) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

41

In Übereinstimmung damit gilt nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nun Art. 31 MwStSystRL) als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand nicht versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zur Zeit der Lieferung befindet. Auch hiernach ist maßgebend, ob die Lieferung der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangeht oder folgt (vgl. EuGH-Urteil --EMAG Handel Eder OHG-- in Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, UR 2006, 342, Leitsatz 2; BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 15).

42

c) Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.

43

aa) § 3 Abs. 6 Satz 6 erster Halbsatz UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG widerlegt werden (vgl. BTDrucks 13/4839, 84; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 129; Meurer, Deutsches Steuerrecht 2011, 199, 200; Abschn. 3.14. Abs. 9 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

44

bb) Für die Frage, welcher Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung oder Versendung zuzurechnen ist, wenn diese von der Person, die als Ersterwerber und Zweitlieferant an beiden Lieferungen beteiligt war, oder für deren Rechnung durchgeführt wird, ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27).

45

Der Senat geht deshalb davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen (vgl. EuGH-Urteile --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27, und --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) nach wie vor anwendbar ist, aber unionsrechtskonform ausgelegt werden muss.

46

Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig (so von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater 2013, 47, 49), folgt der Senat nicht. Auch der V. Senat des BFH geht in seiner Entscheidung in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208 unter Rz 16 bis 18 davon aus, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG durch die Rechtsprechung des EuGH im Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176) zur Zuordnung einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung weiterhin gilt.

47

cc) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

48

dd) Bezogen auf den Streitfall führt der EuGH aus:

49

"33. Im Ausgangsverfahren wäre somit die Lieferung seitens der VSTR-Tochter an Atlantic keine nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferung, falls die zweite Übertragung des Eigentums an den in Rede stehenden Gegenständen – von Atlantic auf das finnische Unternehmen – stattgefunden haben sollte, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland erfolgt ist.

50

34. Hinsichtlich der Umstände, die bei der Würdigung berücksichtigt werden können, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, wenn der Ersterwerber das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auftritt, die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden müsste, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde (vgl. Urteil Euro Tyre Holding, Randnrn. 44 und 45).

51

35. Der Gerichtshof hat jedoch auch klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, wenn nach der Übertragung des Rechts, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber dieser dem die erste Lieferung durchführenden Lieferer mitgeteilt hat, dass der Gegenstand, bevor er den Liefermitgliedstaat verlassen habe, an einen anderen Steuerpflichtigen weiterverkauft werde (Urteil Euro Tyre Holding, Randnr. 36).

52

36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

53

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

54

4. Das FG, das --ebenso wie der Senat bei seinem Vorlagebeschluss-- die vom EuGH nachfolgend in der Rechtssache --Euro Tyre Holding-- und in dieser Rechtssache --VSTR-- aufgestellten Rechtsgrundsätze nicht kennen konnte, ist bei der Anwendung seiner im vorinstanzlichen Urteil formulierten Rechtssätze auf den konkreten Sachverhalt von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

55

Die Ausführungen des FG, "[d]ie Beförderung ist hier der A (...) als Abnehmerin zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt hat. Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die (...) Ltd. in Finnland aufgetreten ist, liegen nicht vor", entsprechen der dargelegten EuGH-Rechtsprechung nicht in vollem Umfang.

56

Für die zu treffende Zuordnung fehlt eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Feststellung, ob zwischen der A und der finnischen Ltd. die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die innergemeinschaftliche Versendung erfolgte. In diesem Fall könnte die innergemeinschaftliche Versendung nicht mehr der Lieferung von der GmbH an die A zugeordnet werden (vgl. EuGH-Urteil --VSTR-- in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32).

57

5. Eine Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 FGO beim V. Senat des BFH scheidet im Streitfall aus.

58

a) Der V. Senat des BFH hat in dem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 (vgl. auch BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, unter 2.) die Auffassung vertreten, dass, "wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 Rdnr. 36)" die "Beförderung oder Versendung ... dann entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 letzter Halbsatz UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen (ist). ... Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG)".

59

Entscheidungserheblich für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers ist nach dem Urteil des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 daher, ob der Verkäufer vor oder erst nach der Übergabe des Liefergegenstands an den (selbständigen oder unselbständigen) Abholbeauftragten Kenntnis von der Weiterlieferung des mittleren Unternehmers hatte (vgl. auch Martin, BFH/PR 2012, 19; Wäger, UR 2012, 125, 135).

60

Im vorliegenden Fall war der GmbH nach den Feststellungen des FG vor der Übergabe der Maschinen an den durch A beauftragten Spediteur schon bekannt, dass A die Maschinen bereits an die finnische Ltd. weiterverkauft hatte, so dass nach den Grundsätzen des Urteils des V. Senats in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 eine Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der GmbH an A --und damit eine innergemeinschaftliche Lieferung der GmbH-- ausscheidet.

61

b) Im Gegensatz zu diesem Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine derartige Mitteilung bzw. Kenntnis vom Weiterverkauf für die Zuordnung der Warenbewegung bei einer Reihenlieferung zur Lieferung des Verkäufers oder des (Zwischen-)Erwerbers nicht allein entscheidungserheblich.

62

Das ergibt sich möglicherweise bereits aus dem EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176; vgl. von Streit, UStB 2013, 47, 48 und 50; Prätzler, Der Betrieb --DB-- 2012, 2654, 2658 f.; Kramer, UR 2011, 913, 914), jedenfalls aber eindeutig aus Rz 36 und 37 des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832).

63

Deshalb kann die Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208, Rz 18 nicht mehr aufrechterhalten werden (gl.A. von Streit, UStB 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche, 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944).

64

c) Der Senat kann den Streitfall unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH abweichend von der Rechtsprechung des V. Senats entscheiden. Es bedarf dazu keiner Divergenzanfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO beim V. Senat des BFH.

65

aa) Wenn --wie hier-- ein Senat des BFH in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will, entscheidet darüber nach § 11 Abs. 2 FGO der Große Senat des BFH. Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO). Dieses Verfahren scheidet im Streitfall aus.

66

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bindet ein Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits (vgl. EuGH-Beschluss vom 5. März 1986  69/85 --Wünsche Handelsgesellschaft--, Slg. 1986, 947, Rz 13; EuGH-Urteile vom 3. Februar 1977  52/76 --Benedetti--, Slg. 1977, 163, Rz 26; vom 14. Dezember 2000 C-446/98 --Fazenda Pública--, Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108, Rz 49; BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, BStBl II 2002, 551, unter II.2.). Der Tenor des EuGH-Urteils --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) wird insbesondere durch dessen Entscheidungsgründe in Rz 31 bis 37 bindend präzisiert (vgl. EuGH-Urteil vom 16. März 1978  135/77 --Bosch--, Slg. 1978, 855).

67

Die Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG ist nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union abschließend dem EuGH vorbehalten. Der erkennende Senat ist deshalb nicht befugt, die Entscheidung der Frage, welchen Inhalt das durch die Richtlinie 77/388/EWG geregelte Unionsrecht hat, abweichend vom EuGH zu entscheiden oder einem anderen Spruchkörper zu überlassen. Auch der Große Senat des BFH dürfte insoweit nicht anders entscheiden. Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ist deshalb in Fällen dieser Art weder nötig noch zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 1998 IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21, Betriebs-Berater 1998, 1441, unter I.5.a; Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1974  8/2 RU 226/72, BSGE 37, 88, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1974, 1063, Leitsatz 1).

68

Eine --von der FGO in § 11 Abs. 3 Satz 1 nur in Zusammenhang mit einer Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO vorgesehene-- Divergenzanfrage scheidet daher im Streitfall aus (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 8; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 18; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 61; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 11 Rz 5; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 132 GVG Rz 4; May, Deutsche Richterzeitung 1983, 305, 310, die eine Abweichung ablehnen, wenn die Rechtsfrage zwischenzeitlich im Sinne der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durch den EuGH entschieden wurde; wohl a.A. Wäger, UR 2013, 81, 84).

69

d) Deshalb geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, dass im Streitfall die soeben dargestellte Rechtsprechung des BFH (in BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208) zur Zuordnung der Warenbewegung aufgrund der Vertrauensschutzregel des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden dürfe.

70

Im Übrigen erfasst § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nur Fälle, in denen sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen und vor dem Erlass des Änderungsbescheids geändert hat (vgl. BFH-Urteile vom 11. Januar 1991 III R 60/89, BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5; vom 20. Dezember 2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, m.w.N.). Im Streitfall hat sich aber in dem Zeitraum zwischen dem Erstbescheid und dem Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1998 vom 16. August 2005 die Rechtsprechung nicht geändert. Das Urteil des BFH stammt vom 11. August 2011 (V R 3/10, BFHE 235, 43, BFH/NV 2011, 2208). Im Streitfall hat das FA demnach im Änderungsbescheid keine zwischenzeitliche Änderung der Rechtsprechung berücksichtigt.

71

6. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang bei der Zuordnung der Warenbewegung entweder zu der Lieferung zwischen der GmbH und A oder der Lieferung zwischen A und der finnischen Ltd. und der dabei maßgeblichen Frage, wann A die Verfügungsbefugnis an den Maschinen auf die finnische Ltd. übertragen hat, Folgendes zu berücksichtigen haben:

72

a) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, unter II.1.; vom 21. April 2005 V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63; vom 1. Februar 2007 V R 41/04, BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

73

Jedoch bezieht sich der Begriff der Lieferung nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH-Urteil vom 21. April 2005 C-25/03 --HE--, Slg. 2005, I-3123, BFH/NV Beilage 2005, 196, UR 2005, 324, Rz 64 ff., m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 217, 40, BFH/NV 2007, 1059, unter II.1.b).

74

Der Lieferer kann dem Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auch dadurch verschaffen, dass er einen Dritten, der die Verfügungsmacht bislang innehat, mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628).

75

b) An den vorstehenden Grundsätzen zur Beurteilung, ob die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, haben sich durch die EuGH-Entscheidung --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) keine Änderungen ergeben.

76

Es ist Sache des FG als Tatsacheninstanz, unter Berücksichtigung aller Umstände des Sachverhalts, z.B. der bislang nicht geklärten konkret vereinbarten Lieferbedingungen, festzustellen, ob die Übertragung auf die finnische Ltd. vor der Versendung der Liefergegenstände stattgefunden hat. Wenn der in der Mitte stehende Unternehmer --wie im Streitfall-- die Transportverantwortlichkeit innehat, verwirft der EuGH jedoch ausdrücklich einen Rückschluss aus der Transportverantwortlichkeit auf das Innehaben der Verfügungsmacht (vgl. EuGH-Urteil --Euro Tyre Holding-- in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 40).

77

c) Soweit sich aus Abschn. 3.14. Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5 UStAE ergeben sollte, dass für die Zuordnung der Versendung allein auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten oder die Frachtzahlkonditionen ohne umfassende Einzelfallwürdigung abzustellen ist, wäre dies mit den EuGH-Urteilen --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32 und 37) und --Euro Tyre Holding-- (Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 27 und 31 bis 35) nicht vereinbar.

78

7. Soweit das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommt, dass die Warenbewegung der Lieferung von der GmbH an die A zuzuordnen ist, sind weitere Feststellungen zu treffen, ob der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

79

a) Hierzu hat der EuGH in der vorliegenden Rechtssache --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) --wie dargelegt-- entschieden, dass Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG es der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig zu machen, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers mitteilt (Leitsatz).

80

Der Senat versteht dies so, dass § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, wonach bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss, unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

81

           

b) Der EuGH hat aber insoweit einen Vorbehalt gemacht (Leitsatz und Rz 52). Danach darf die Steuerbefreiung nicht allein aus dem Grund verweigert werden, dass der Lieferer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers nicht der Finanzverwaltung mitteilt, wenn

-       

(1) der Lieferer redlicherweise, und nachdem er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, diese Identifikationsnummer nicht mitteilen kann und

-       

(2) er außerdem Angaben macht, die hinreichend belegen können, dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist, der bei dem betreffenden Vorgang als solcher gehandelt hat.

82

c) Ob diese Voraussetzungen bei der GmbH im Streitfall vorliegen, muss das FG ggf. prüfen.

83

aa) Der EuGH hat zwar ausgeführt (Rz 53), aus der Vorlageentscheidung gehe insoweit hervor, dass der Lieferer (die GmbH) im Ausgangsverfahren A um deren Identifikationsnummer ersucht habe und A, die keine besessen habe, ihm die Identifikationsnummer des Zweiterwerbers (der finnischen Ltd.) mitgeteilt habe. Somit habe offenbar keiner dieser Beteiligten betrügerisch gehandelt. Außerdem betreffe die in Rede stehende Lieferung Gegenstände, die ihrer Art nach dafür bestimmt zu sein schienen, im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt zu werden.

84

bb) Es sind aber insoweit ggf. weitere Feststellungen zu treffen.

85

(1) Nach dem im Tatbestand des FG-Urteils (Seite 3) wiedergegebenen Vortrag der Klägerin ist die A bei den Verhandlungen mit der GmbH unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ihrer portugiesischen Niederlassung aufgetreten.

86

Dies könnte dafür sprechen, dass die GmbH die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A gekannt, aber (entgegen § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) nicht aufgezeichnet hat. In diesem Fall hätte sie nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen.

87

Das FG führt in den Entscheidungsgründen (Seite 6) dagegen aus, A habe keine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet. Das FG muss diesen (möglichen) Widerspruch ggf. aufklären.

88

(2) Im Rahmen der Prüfung, ob die GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der A ergriffen hat, muss das FG ggf. dem Vortrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nachgehen, der Vorgang sei mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Aktenvermerk des Prokuristen der GmbH übergeben.

89

In Betracht kommt, dass der GmbH durch den zuständigen Sachgebietsleiter des Finanzamts X eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung, z.B. der Verzicht auf die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, mündlich zugesagt worden ist, oder dass die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. zu den Voraussetzungen BFH-Urteil vom 30. März 2011 XI R 30/09, BFHE 233, 18, BStBl II 2011, 613, Rz 30). Das könnte von Bedeutung sein (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06 --Netto Supermarkt--, Slg. 2008, I-771, UR 2008, 508, Rz 26).

90

8. Die von dem BMF angeregte erneute Vorlage an den EuGH scheidet aus, weil die unionsrechtliche Rechtslage für den Streitfall durch das ergangene EuGH-Urteil --VSTR-- (HFR 2012, 1212, UR 2012, 832) geklärt ist (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vorlage EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982  283/81 --C.I.L.F.I.T. u.a.--, Slg. 1982, 3415, NJW 1983, 1257, Rz 21; vom 6. Dezember 2005 C-461/03 --Gaston Schul--, Slg. 2005, I-10513, HFR 2006, 416, Rz 16; vom 15. September 2005 C-495/03 --Intermodal Transports--, Slg. 2005, I-8151, HFR 2005, 1236, Rz 33).

91

Zudem ist die vom BMF für eine Vorlage vorgeschlagene Frage für den konkreten Rechtsstreit lediglich hypothetischer Natur und daher nicht entscheidungserheblich (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Vorlage z.B. EuGH-Urteil vom 1. Juni 2010 C-570/07 und C-571/07 --Blanco Pérez und Chao Gómez--, Slg. 2010, I-4629, Rz 36). Denn die Steuerbefreiung der von der Klägerin ausgeführten Lieferung hängt nicht von der vom BMF aufgeworfenen Frage ab, wie ein Unternehmer, der über keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers verfügt, eine zusammenfassende Meldung (§ 18a UStG) abgeben könne.

92

Darüber hinaus hat das BMF die von ihm in diesem Rechtsstreit eingebrachten Argumente bereits dem EuGH im Vorabentscheidungsersuchen C-587/10 vorgetragen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. März 2014  2 K 1127/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen A-GmbH.

3

Am 24. November 1998 bestellte die B mit Sitz in M/Vereinigte Staaten von Amerika (USA), die über eine feste Niederlassung in der Portugiesischen Republik (Portugal) verfügte, bei der A-GmbH zwei Maschinen (nebst Zubehör) für 750.000 DM.

4

Nachdem die A-GmbH die B aufgefordert hatte, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mitzuteilen, antwortete die B, sie habe die Maschinen an die in der Republik Finnland (Finnland) ansässige C-Ltd. (weiter) veräußert und teilte der A-GmbH die USt-IdNr. der C-Ltd. mit, die die A-GmbH auf ihre Richtigkeit überprüfte.

5

Die Maschinen wurden sodann am 14. Dezember 1998 von einer Spedition, die die B beauftragt hatte, bei der A-GmbH abgeholt, nach L (Deutschland) verbracht und am 17. Dezember 1998 nach Finnland verschifft.

6

Am 14. Dezember 1998 erteilte die A-GmbH gegenüber B in den USA eine Rechnung über die Lieferung der Maschinen für 750.000 DM. Umsatzsteuer wies die A-GmbH nicht offen aus. Dabei gab sie die USt-IdNr. der C-Ltd. als Abnehmerin an. Des Weiteren vermerkte sie u.a., dass der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in Finnland und damit nicht in Deutschland den Vorschriften der Umsatzsteuerbesteuerung unterliege.

7

B hatte bereits am 10. Dezember 1998 eine Rechnung über den Verkauf der Maschinen zum Preis von 880.000 DM an die C-Ltd. in Rechnung gestellt. Die C-Ltd. zahlte am 24. November 1998 86.000 DM und am 14. Dezember 1998 den Restbetrag von 794.000 DM an B. Die C-Ltd. zahlte außerdem an die Z auf eine Rechnung vom 8. Februar 1999 Frachtkosten für den Transport von L nach Helsinki/Finnland.

8

In der Folgezeit nahm die Klägerin Kontakt zum seinerzeit zuständigen Finanzamt (FA X) auf und vermerkte am 17. August 2004 auf der Rechnung an die B, dass der Rechnungsinhalt im Zeitpunkt der Rechnungslegung mit dem Sachgebietsleiter abgestimmt worden sei und dass die Betriebsprüfung diesen Sachverhalt nicht beanstandet habe.

9

Die Klägerin behandelte die Lieferung in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 1998 (Streitjahr), der das FA X am 31. März 2000 zustimmte, als umsatzsteuerfrei.

10

Das FA X erließ am 16. August 2005 einen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Lieferung als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 als unbegründet zurück. Es sei ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft mit zwei Lieferungen durchgeführt worden, die erste zwischen der A-GmbH und B und die zweite zwischen der B und der C-Ltd. B habe die Ware befördert, daher sei sie Abnehmerin der ersten Lieferung. Ort der Lieferung sei Deutschland. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) greife gleichwohl nicht ein, da B als Abnehmerin keine USt-IdNr. des Bestimmungslandes oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) verwendet habe.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die mit Bescheid vom 7. März 2007 geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1998 mit Urteil vom 25. Februar 2009  2 K 484/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1418) ab.

12

Der Senat hat mit Beschluss vom 10. November 2010 XI R 11/09 (BFHE 231, 382, BStBl II 2011, 237) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1212, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012, 832) beantwortet.

13

Im Anschluss daran hat der Senat mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 11/09 (BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524) das Urteil des FG in EFG 2009, 1418 aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen.

14

Im zweiten Rechtsgang richtete das FA ein Auskunftsersuchen an die finnischen Steuerbehörden. Dieses ergab u.a., dass die Maschinen unmittelbar von der A-GmbH zur C-Ltd. "geliefert" worden seien. Es habe keine direkten Zahlungen zwischen der C-Ltd. und der A-GmbH gegeben. Schriftliche Verträge oder Liefervereinbarungen zwischen der B und der C-Ltd. lägen nicht vor. Es existiere noch eine Rechnung der B an die C-Ltd. Die C-Ltd. habe die Anschaffung als innergemeinschaftlichen Erwerb gebucht, aber möglicherweise nicht als solchen erklärt. Allerdings könnten die Steuererklärungen später geändert worden sein. Dies könne in den Datenbanken nicht mehr überprüft werden, da die Transaktion im Jahr 1998 stattgefunden habe.

15

Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Sein Urteil ist in Mehrwertsteuerrecht (MwStR) 2014, 619 veröffentlicht.

16

Mit seiner Revision führt das FA im Wesentlichen aus, es halte das Urteil des FG Münster vom 16. Januar 2014  5 K 3930/10 U (EFG 2014, 682), das dem zurückverweisenden Urteil des Senats in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 in der zentralen Aussage widersprochen habe, für zutreffend.

17

Ergänzend merkt das FA an, nach § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG obliege es dem mittleren Unternehmer nachzuweisen, dass er den Gegenstand als Lieferer versende oder befördere. Das FG gehe davon aus, dass im Verwaltungsverfahren das FA zur Sachverhaltsermittlung verpflichtet sei. Dies verkehre § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG in sein Gegenteil und widerspreche in gewisser Weise § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG.

18

Obwohl der hier zu beurteilende Umsatz mithin (an sich) steuerpflichtig sei, müsse der Rechtsstreit trotzdem an das FG zurückverwiesen werden, weil das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob das FA nach Treu und Glauben gehindert sei, den Steueranspruch gegen die Klägerin geltend zu machen.

19

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

20

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

21

Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

1. a) Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3).

24

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein.

25

aa) Dazu ist auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in der im Streitjahr geltenden Fassung geregelt worden, dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

26

bb) Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung "einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers" buchmäßig nachweisen muss (sog. Buchnachweis). Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

27

c) Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

28

Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

29

2. Der Senat hat zu der streitbefangenen Lieferung in Rz 36 ff. des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, Folgendes entschieden:

30

a) Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) vorgenommen. Die A-GmbH kann nur dann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt haben, wenn die innergemeinschaftliche Versendung der Maschinen von Deutschland nach Finnland der ersten Lieferung zwischen der A-GmbH und B zugeordnet werden kann; denn die Beförderung oder Versendung des Gegenstands sei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen.

31

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG; nun Art. 32 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--). Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG gilt in den Fällen des § 3 Abs. 6 Satz 5 Folgendes:
"1. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes beginnt.
2. Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet."

32

b) § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG enthält eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass der Ersterwerber bei der Beförderung oder Versendung als Abnehmer der Vorlieferung und nicht als Lieferer an den letzten Abnehmer tätig wird. Die Vermutung kann indes gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG widerlegt werden. Zwar ist in der Richtlinie 77/388/EWG keine entsprechende oder eine sonstige Regelung vorgesehen. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG ist trotz der Rechtsprechung des EuGH zur Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls bei der Zuordnung (nur) einer innergemeinschaftlichen Beförderung oder Versendung zu einer von zwei aufeinander folgenden Lieferungen nach wie vor anwendbar, muss aber unionsrechtskonform ausgelegt werden. Der Auffassung, die in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthaltene Vermutung sei unionsrechtswidrig, ist der Senat nicht gefolgt.

33

c) Danach ist die Beförderung oder Versendung entsprechend § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG nicht der ersten Lieferung zuzuordnen, wenn sich der Nachweis, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, aus einer --wie der EuGH (Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) im Streitfall entschieden hat-- umfassenden Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls ergibt, und insbesondere der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, dem Endempfänger übertragen worden ist.

34

3. An den genannten Grundsätzen hält der Senat trotz der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Kritik, der sich sowohl das FA als auch das FG in dem angefochtenen Urteil angeschlossen haben, fest.

35

a) Das FG Münster hat in seinem Urteil in EFG 2014, 682 die Rechtsansicht vertreten, es komme in Fällen der vorliegenden Art allein auf die "Verpflichtung und Absichtsbekundung" des Zwischenerwerbers an, den Liefergegenstand zu befördern oder zu versenden (Rz 32, 35 ff. des Urteils). Die Vorinstanz folgt dem im Grundsatz, hat seiner Entscheidung aber gleichwohl (zutreffend) gemäß § 126 Abs. 5 FGO die --davon abweichende-- rechtliche Beurteilung des BFH in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zugrunde gelegt (vgl. MwStR 2014, 619, juris-Rz 36). Auch das FA hält die Auffassung des FG Münster für zutreffend.

36

aa) Das FG Münster hält die Rechtsprechung des Senats für "problematisch" (EFG 2014, 682, Rz 35). Bei grenzüberschreitenden Lieferumsätzen könne der erste Lieferer insbesondere bei Abholfällen regelmäßig nicht beurteilen, ob und wann dem Letztempfänger die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Sache zu verfügen, übertragen werde. Mit der Übergabe der Ware habe der erste Lieferer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Der Zwischenerwerber habe regelmäßig weder eine Pflicht noch ein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, was er "zu welchen Zeitpunkten mit der Ware macht". Die Steuerpflicht könne nicht von Umständen abhängen, die weder in der Willens- noch der Wissenssphäre des Liefernden liegen (EFG 2014, 682, Rz 36).

37

bb) Das FG Münster, die Vorinstanz und das FA verkennen im Rahmen ihrer Analyse, dass es bei der Prüfung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung --aus unionsrechtlicher Sicht-- auf die objektiven Umstände ankommt (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 39 f.; vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Slg. 2010, I-12605, BStBl II 2011, 846, Rz 39; vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding, Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 28; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 30, jeweils m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH).

38

Dabei kommt es gerade nicht nur --wie das FG Münster und die Vorinstanz meinen-- auf die "Verpflichtungen und Absichtsbekundungen" des Lieferers und des Erwerbers an (vgl. EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 37; Sterzinger, UR 2013, 45, 48).

39

So kann z.B. im Abholfall der Lieferer ebenfalls nicht beurteilen, ob und wann der Gegenstand der Lieferung den Mitgliedstaat physisch verlassen wird. Mit der Übergabe der Ware hat der Unternehmer seine Pflichten an sich erfüllt. Der Zwischenerwerber hat kein Interesse daran, den ersten Lieferer darüber zu informieren, dass der Gegenstand im Inland verbleiben wird. Gleichwohl ist für die Steuerbefreiung des § 6a Abs. 1 UStG, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderlich, dass der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 33 ff., 42; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh, Slg. 2007, I-7897, BStBl II 2009, 83, Rz 23).

40

cc) Eine andere, hiervon zu trennende Frage ist es, ob dem Steuerpflichtigen --trotz Nichtvorliegens der objektiven Voraussetzungen der Steuerbefreiung-- aufgrund der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit (im Wege des Vertrauensschutzes) die Steuerbefreiung zu gewähren ist (vgl. EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 43 ff.).

41

(1) Diese Frage ist nach nationalem Recht nicht im Rahmen des § 6a Abs. 1 UStG, sondern des § 6a Abs. 4 UStG zu prüfen.

42

(2) Diese Unterscheidung muss auch unionsrechtlich vorgenommen werden, weil die Rechtsfolgen verschieden sind.

43

Während bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung als logische Folge ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat erfolgt (EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 24, 26 f., 36 f., 41 f.; vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 23; vom 18. November 2010 C-84/09, X, Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 28; vom 6. September 2012 C-273/11, Mecsek-Gabona, HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 29) und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Umsatz des Lieferers steuerfrei zu belassen ist, ist in dem Fall, dass dem Lieferer trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Vertrauensschutz zu gewähren ist, der Erwerber (hier: B) im Liefermitgliedstaat zur Umsatzsteuer heranzuziehen (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 67; in Deutschland umgesetzt durch § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG; insoweit zutreffend aus österreichischer Sicht Schwab, Österreichische Steuerzeitung 2014, 32, 35).

44

Daran zeigt sich auch, dass es für die Steuerpflichtigen nicht lediglich um formale Zuordnungen, sondern um "finale Besteuerungswirkungen" geht (a.A. Prätzler, juris PraxisReport Steuerrecht 34/2014, Nr. 6, unter D.), weil jeder Umsatz für sich zu betrachten ist (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006 C-484/03 u.a., Optigen, Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144, Rz 47). Auch bei Reihengeschäften ist eine klare Abgrenzung der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, BFH/NV Beilage 2006, 294, Rz 26 ff., 40 ff.).

45

b) Entgegen der Auffassung des FG Münster ist das EuGH-Urteil VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 nicht abweichend von dem Senatsurteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 zu verstehen.

46

aa) Das FG Münster hat dazu (in EFG 2014, 682, Rz 35 ff.) ausgeführt, der EuGH wolle in Rz 32 und 34 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 die Fallgestaltungen darstellen, in denen die bewegte Lieferung keinesfalls mehr (Rz 32) bzw. zweifellos (Rz 34) der ersten Lieferung zugeordnet werden müsse. Aus Rz 32 könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Zuordnung der bewegten Lieferung auf den zweiten Liefervorgang nur dann erfolgen könne, wenn die tatsächliche Verfügungsmacht an den Liefergegenständen bereits vor dem Warentransport noch im Herkunftsland auf den Letzterwerber übergegangen sei. Rz 35 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 sei zu entnehmen, "dass eine Zurechnung der bewegten Lieferung zum 2. Umsatzgeschäft auch dann erfolgen kann, wenn der 1. Erwerber dem 1. Lieferer mitteilt, dass er die Ware an einen dritten Unternehmer in einem anderen Land, als dem des 1. Umsatzgeschäfts, weiterverkauft hat". In Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR stelle der EuGH zwar auf weitere Umstände ab, die eine Zuordnung der bewegten Lieferung möglich machen sollen und nenne in diesem Zusammenhang die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Letzterwerber vor der Beförderung. Diese Formulierung könne aber auch so verstanden werden, dass eine bloße "Erklärung" des Ersterwerbers über den Weiterverkauf der Liefergegenstände an einen dritten Unternehmer nicht ausreichend sein solle. Es müsse vielmehr eine "umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalles" erfolgen.

47

bb) Dieser Auslegung des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 durch das FG Münster liegt zunächst das unter II.3.a bb geschilderte Fehlverständnis zugrunde. Insbesondere sind in dem vom FG in Rz 38 (in EFG 2014, 682) geschilderten Fall, wenn im Ursprungsmitgliedstaat dem zweiten Erwerber noch keine Verfügungsmacht verschafft worden ist, die objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG trotz Mitteilung des Weiterverkaufs gegeben und der Umsatz des ersten Lieferers ist --bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG-- im Ursprungsmitgliedstaat steuerfrei zu belassen (vgl. EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, BStBl II 2009, 78, Rz 30). Damit geht im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Erwerbers (und nicht des zweiten Erwerbers) einher (vgl. allgemein z.B. EuGH-Urteil X in Slg. 2010, I-11645, UR 2011, 103, Rz 27). Das Recht, einen in seinem Hoheitsgebiet erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb des ersten Erwerbers und die anschließende Lieferung an den zweiten Erwerber beim ersten Erwerber zu besteuern, kann dem Bestimmungsmitgliedstaat nicht durch eine (bloße) Absichtsbekundung des ersten Erwerbers entzogen werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 XI R 5/13, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, www.bundesfinanzhof.de, Rz 35 f., m.w.N.).

48

cc) Der vom FG Münster in Rz 37 ff. seines Urteils in EFG 2014, 682 vertretenen Auslegung des EuGH-Urteils VSTR stehen vor allem klar Rz 36 und Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 entgegen, in denen der EuGH ausgeführt hat:

49

"36. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens teilweise der letztgenannten Fallgestaltung entsprechen könnte, da Atlantic gegenüber der VSTR-Tochter vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland erklärt haben soll, dass die Gegenstände bereits an ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien, dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Atlantic der VSTR-Tochter mitgeteilt hat.

50

37. Diese Umstände können jedoch für sich allein nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden hätte; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob dies der Fall war."

51

Diese Ausführungen des EuGH können nur so verstanden werden, dass eine (bloße) Erklärung des Ersterwerbers B vor der Beförderung der in Rede stehenden Gegenstände nach Finnland gegenüber A, dass die Gegenstände bereits an das finnische Unternehmen C weiterverkauft worden seien, gerade nicht für eine Zurechnung der Beförderung der Gegenstände zur ersten Lieferung ausreicht.

52

Zudem hat der EuGH in Rz 37 des Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 den nationalen Gerichten aufgegeben, unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu beurteilen, ob "dies", das heißt "die Übertragung des Rechts, über die in Rede stehenden Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen, auf das finnische Unternehmen vor der Beförderung dieser Gegenstände nach Finnland stattgefunden" hat.

53

Dies bestätigen auch die Rz 33 und 34 desselben EuGH-Urteils: Der EuGH stellt dort die beiden möglichen Alternativen für die Lösung des Streitfalls dar und grenzt danach ab, in welchem Staat dem Zweiterwerber (C) Verfügungsmacht verschafft wird. Erlangt der Zweiterwerber (C) sie bereits im Inland, kann nur die zweite Lieferung die grenzüberschreitende sein. Umgekehrt kann nur die erste Lieferung die grenzüberschreitende sein, wenn der Zweiterwerber (C) keine Verfügungsmacht im Inland erlangt (ebenso z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 154).

54

dd) Aufgrund dieser Erwägungen greift auch der Einwand von Teilen der Literatur, der Senat habe Rz 37 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832 "missverstanden" (Nieskens, Der Betrieb --DB-- 2013, 1872, 1874) nicht durch (das Verständnis des Senats teilend z.B. Prätzler, DB 2012, 2654, 2658 f.; Bürger, UR 2012, 941, 944; von Streit, Der Umsatz-Steuer-Berater --UStB-- 2013, 47, 50, 54; Meurer, Steuerberater Woche 2013, 76, 82; Sterzinger, UR 2013, 45, 48; Matheis/Kandlhofer, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2013, 380, 384; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152; Looks, MwStR 2015, 52, 54).

55

c) Soweit in der Literatur der Einwand erhoben wird, der Senat unterliege einem "Zirkelschluss", weil aus der Beförderung oder Versendung die Verschaffung der Verfügungsmacht abzuleiten sei und nicht umgekehrt bei Verschaffung der Verfügungsmacht die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ausgelöst werden (Hiller, MwStR 2013, 652, 654 f.; Nieskens, DB 2013, 1872; Nieskens, UR 2013, 823, 824 ff.; Nieskens/ Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513, 516; Sterzinger, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- 2013, 4028, 4033), übersieht diese Auffassung, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen handelt (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen neben Rz 29 des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, und Rz 30 des EuGH-Urteils VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832; aus neuerer Zeit EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2014 C-492/13, Traum, HFR 2014, 1131, UR 2014, 943, Rz 24 und 25).

56

aa) Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur leitet zwar aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 8 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL ab, diese regelten neben dem Ort auch den   Zeitpunkt  der Lieferung (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.b, m.w.N. zur herrschenden Meinung in der Literatur; Abschn. 13.1. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. z.B. Frye, UR 2013, 889, 892 ff.; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 11, 115; wohl auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155). Liegen beide Tatbestandsmerkmale vor, fällt nach dieser Auffassung die Verschaffung der Verfügungsmacht (als erstes Tatbestandsmerkmal) mit dem Beginn der Beförderung oder Versendung (als zweites Tatbestandsmerkmal) zeitlich zusammen.

57

bb) Trotzdem handelt es sich um verschiedene Tatbestandsmerkmale, die getrennt zu prüfen sind; sonst bedürfte es auch einer Fiktion nicht.

58

Weder allein der Besitz befähigt den Besitzer (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 2005 C-435/03, British American Tobacco International Ltd., Slg. 2005, I-7077, BFH/NV Beilage 2005, 332, Rz 36) noch allein die Beförderung eines Gegenstands den Beförderer (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 2010 C-237/09, De Fruytier, Slg. 2010, I-4985, HFR 2010, 892, Rz 25) dazu, über Gegenstände wie ein Eigentümer zu verfügen.

59

Entsprechend ist auch nach Auffassung des V. Senats des BFH bei Beförderung oder Versendung von Gegenständen die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht und ihr tatsächlicher Zeitpunkt zu prüfen, wenn es um die Entscheidung geht, ob die Warenbewegung der Lieferung zugeordnet werden kann oder nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 476, BStBl II 2009, 490, unter II.1.e, zum Kauf auf Probe: Verschaffung der Verfügungsmacht nach Beförderung als Lieferung i.S. des § 3 Abs. 7 UStG; Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 153 f.; ebenso möglicherweise früher noch Nieskens, UR 2012, 17, 21).

60

d) Die Auffassung, der Senat hätte § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG für unionsrechtswidrig erklären sollen (so z.B. Weymüller, MwStR 2014, 623, 624; ebenso im Ergebnis bereits von Streit, UStB 2013, 47, 49; zweifelnd Kettisch, UR 2014, 593, 605 f.), beachtet nicht hinreichend, dass das in § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis dem Unionsrecht entspricht.

61

Auch der EuGH geht --wie übrigens auch Art. 28c Teil E Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt: Art. 141 MwStSystRL) und § 25b Abs. 1 und 3 UStG-- davon aus, dass die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 32; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 32) und die Zuordnung zur zweiten Lieferung die Ausnahme (EuGH-Urteile Euro Tyre Holding in Slg. 2010, I-13335, UR 2011, 176, Rz 33; VSTR in HFR 2012, 1212, UR 2012, 832, Rz 33).

62

Deshalb hält der Senat daran fest, dass § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG unionsrechtskonform ausgelegt werden kann und der in Halbsatz 2 mögliche Gegenbeweis nur unter den im BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 47 ff. genannten Umständen geführt ist.

63

4. Die Kritik, aufgrund dieser Rechtsprechung (des EuGH und/oder des BFH) könnten weder die leistenden Unternehmer noch die Finanzverwaltungen rechtssicher beurteilen, welcher Lieferung eine Warenbewegung zuzuordnen ist (Büchter-Hole, EFG 2014, 684; Herzing, Steuerrecht kurzgefasst 2013, 433; Höink/Forster, DB 2014, 1896; Meurer, MwStR 2013, 555; Nieskens/Heinrichshofen/Matheis, UR 2014, 513; dies., Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 1368; dies., UVR 2014, 249; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 64 Rz 137; Sterzinger, NWB 2013, 4028, 4032 f.; Wäger, UR 2014, 81, 101; Winter, DStR 2013, 1979, 1980 f.; s. auch zu Unklarheiten im Vereinigten Königreich Lang-Horgan, MwStR 2013, 394, 395 f.; zur unterschiedlichen Beurteilung von Reihengeschäften durch die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten s. auch Bericht Nr. 29 der "VAT Expert Group" der EU vom 13. Januar 2014, taxud.c.1(2014)83538, abrufbar auf der Internetseite der EU, Tz. 6.2 und Anlage 3, sowie Körner, MwStR 2014, 763), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

64

a) Zum einen ist eine ggf. vorliegende Unsicherheit bei Beurteilung der Umstände des Einzelfalls im Wesentlichen Folge der Entscheidung des Richtliniengebers, trotz des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Union im innergemeinschaftlichen Warenverkehr am Bestimmungslandprinzip festzuhalten (vgl. dazu EuGH-Urteile Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 21 f.; Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 34 f.).

65

b) Zum anderen besteht bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung keine Rechtsunsicherheit.

66

Zu dem Begriff der Lieferung liegt eine ständige Rechtsprechung des EuGH vor (neben den genannten Urteilen z.B. auch vgl. EuGH-Urteile vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland BV, Slg. 2003, I-1317, BFH/NV Beilage 2003, 108, BStBl II 2004, 573, Rz 31 ff.; vom 21. April 2005 C-25/03, HE, Slg. 2005, I-3123, BStBl II 2007, 24, Rz 64; vom 29. März 2007 C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Rz 32). Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1969 V 176/64, BFHE 95, 410, BStBl II 1969, 451; vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153; vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909), ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.6.; vom 8. September 2011 V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, unter II.1.). Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann danach z.B. sowohl in der Eigentumsübertragung auf den Erwerber (vgl. BFH-Urteil in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524, Rz 72, m.w.N.; Kettisch, UR 2014, 593, 600) als auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber (vgl. EuGH-Urteil vom 21. November 2013 C-494/12, Dixons, HFR 2014, 84, MwStR 2013, 774, Rz 23 f., 27 f.) zu sehen sein.

67

c) Ebenso liegt zu den im Rahmen der Beurteilung zu berücksichtigenden Umständen eine ständige Rechtsprechung vor.

68

Die Frage, ob, wann und wo eine Lieferung erfolgt, d.h. die Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, übertragen worden ist, ist von den nationalen Gerichten anhand des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Februar 1990 C-320/88, Shipping and Forwarding Enterprise Safe, Slg. 1990, I-285, Rz 7 f., 13; vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property, Slg. 2005, I-11087, BFH/NV Beilage 2006, 136, Rz 60 ff., 63; vom 16. Februar 2012 C-118/11, Eon Aset Menidjmunt, HFR 2012, 454, UR 2012, 230, Rz 38 ff., 41; vom 18. Juli 2013 C-78/12, Evita-K, HFR 2013, 857, UR 2014, 475, Rz 33 bis 35). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des Einzelfalls, d.h. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen (vgl. dazu z.B. Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 155, unter 3.2.1) und deren tatsächliche Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 2006 V R 22/03, BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727; in BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909; s. auch BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

69

d) Zudem stellen sowohl das nationale Recht als auch die Rechtsprechung des EuGH dem Lieferer Vertrauensschutzregelungen zur Verfügung (vgl. die Ausführungen unter II.3.a cc; s. auch Ismer/Pull, MwStR 2014, 152, 157).

70

In diesem Rahmen kann sich der leistende Unternehmer zur Minimierung von Risiken z.B. vom Erwerber versichern lassen, dass der Erwerber die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat. Dies zu tun (oder nicht), liegt derzeit in seiner unternehmerischen Entscheidung.

71

e) Im Übrigen ist es ggf. Aufgabe des Gesetz- oder Verordnungsgebers --über die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG und den Belegnachweis des § 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 4 UStDV a.F., § 17a Abs. 1 und 2 UStDV i.d.F. ab 1. Oktober 2013 hinaus-- durch Änderung des UStG oder der UStDV in den Grenzen des Unionsrechts z.B. andere widerlegbare Vermutungen aufzustellen oder in anderer Form die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen (vgl. Art. 28c Teil A Einleitungssatz der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 131 MwStSystRL, § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

72

Sieht das nationale Recht eines EU-Mitgliedstaats jedoch nur vor, dass die Lieferung nachzuweisen ist, bzw. hängt das Niveau der verlangten Nachweise von den konkreten Umständen des betreffenden Umsatzes ab, sind die Nachweispflichten lediglich nach den im nationalen Recht dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen und nach der für ähnliche Geschäfte üblichen Praxis zu bestimmen (EuGH-Urteil Mecsek-Gabona in HFR 2012, 1121, UR 2012, 796, Rz 37 f.). Es ist dem BFH weder möglich, Wahlrechte für Unternehmer zu schaffen, die das Unionsrecht nicht vorsieht, noch allgemeine Nachweispflichten für leistende Unternehmer vorzusehen, die das nationale Recht nicht enthält.

73

5. Die Entscheidung des FG, die Warenbewegung sei im Streitfall der Lieferung der Klägerin (zivilrechtlich: der A-GmbH) an B zuzuordnen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

74

a) Das FG konnte nicht feststellen, ob die B der C-Ltd. (bereits) im Inland die Befähigung übertragen hat, wie ein Eigentümer über die Maschinen zu verfügen.

75

Es hat zur Begründung ausgeführt, Lieferbedingungen oder der Kaufvertrag könnten nicht vorgelegt werden. Ob ein solcher "als Urkunde" existiere, habe ebenfalls nicht geklärt werden können. Die A-GmbH komme als Lieferer an die B in Betracht. Für eine Lieferung der B an die C-Ltd. als der bewegten Lieferung spreche zwar der Umstand, dass die B die Transportverantwortlichkeit und einen Teil der Kosten zu tragen gehabt habe, dass die C-Ltd. den Kaufpreis vor Beginn der Lieferung am 14. Dezember 1998 gezahlt und dass B der A-GmbH den Verkauf vor diesem Zeitpunkt mitgeteilt habe. In der Gesamtschau der Umstände sei dennoch nicht der Nachweis geführt, dass B die Maschinen als Lieferer befördert habe und die C-Ltd. die Sachherrschaft bereits vor Beginn der Lieferung habe. Das FG lege § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG so aus, dass die gesetzliche Vermutung erst dann erschüttert sei, wenn der Nachweis als Lieferer durch den mittleren Unternehmer auch tatsächlich geführt sei. Bloße Zweifel genügten insoweit nicht. Zur Zuordnung der bewegten Lieferung reiche allein die Mitteilung des Ersterwerbers an den Erstlieferer über einen Weiterverkauf nicht aus.

76

b) Diese --von den Rechtsgrundsätzen des zurückverweisenden BFH-Urteils in BFHE 242, 84, BFH/NV 2013, 1524 ausgehende-- Würdigung des FG ist auf Basis seiner tatsächlichen Feststellungen, die kein Beteiligter mit Verfahrensrügen angegriffen hat, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 13. November 2013 XI R 24/11, BFHE 243, 471, BFH/NV 2014, 471); denn wenn sich schon das der Lieferung von B an die C-Ltd. zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht ermitteln lässt, kann auch nicht beurteilt werden, welche Regelungen zur Verschaffung der Verfügungsmacht darin enthalten waren.

77

c) Ferner ist das FG zutreffend davon ausgegangen, für den Fall, dass --nach (der von Amts wegen durchzuführenden) Sachverhaltsaufklärung durch das FG, bei der Dritte, insbesondere der Ersterwerber, zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden können (z.B. §§ 93, 97 der Abgabenordnung, § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4, §§ 81, 85 FGO)-- Zweifel daran verbleiben, ob der Ersterwerber den Gegenstand "als Lieferer befördert oder versendet hat" oder nicht, sei nach § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzuordnen (ebenso Szabo/Tausch/Kraeusel, UVR 2013, 280, 282; a.A. Nieskens, UR 2013, 823, 826).

78

Die regelmäßige Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegen stehen, entspricht im Übrigen auch der Ansicht des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Nachfolgeerkenntnis "EMAG Handel Eder" (Erkenntnis vom 25. Juni 2007  2006/14/0107, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at, a.E.).

79

aa) Zwar weist das FA zu Recht darauf hin, dass auch das FA von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen dürfe. Deshalb ist auch das FA --insoweit möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- nicht generell verpflichtet, den Gegenbeweis des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zu führen, sondern darf ebenfalls (bis Anhaltspunkte vorliegen, dass der tatsächliche Geschehensablauf hiervon abweicht) von der Vermutung des § 3 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 UStG ausgehen. Dies hat das FA sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im Verfahren des ersten Rechtszugs noch getan.

80

bb) Wenn das FA jedoch nun im zweiten Rechtszug die Vermutungsregelung nicht mehr angewendet wissen will und geltend macht, die Lieferung der Klägerin sei steuerpflichtig, weil die Warenbewegung der zweiten Lieferung zuzurechnen sei, so ist es an ihm, den Nachweis dieses für ihn günstigen Umstands zu führen.

81

6. Ebenso hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Streitfall dahin gehend gewürdigt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb der B in Finnland der Erwerbsbesteuerung unterliegt.

82

a) Das FG hat dazu festgestellt, dass die B nicht unter einer eigenen USt-IdNr. aufgetreten sei und auch keine gehabt habe. Damit habe die A-GmbH auch keine Aufzeichnungspflichten verletzen können. Die A-GmbH habe die USt-IdNr. der C-Ltd. der Finanzverwaltung mitgeteilt. Des Weiteren habe die A-GmbH redlicherweise alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Mitteilung der Identifikationsnummer der B ergriffen. Dafür spreche insbesondere, dass der Vorgang mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des FA besprochen worden und vom Außenprüfer nicht beanstandet worden sei. Dem sei das FA nicht entgegengetreten.

83

b) Auch diese Würdigung des FG ist aufgrund der von ihm im Urteil festgestellten Tatsachen, insbesondere der dem FG vorliegenden Unterlagen zum Ablauf der Bestellung und Lieferung, die sämtlich keine portugiesische USt-IdNr. der B enthalten, sondern die ausdrückliche, schriftliche Mitteilung der USt-IdNr. eines Dritten, sowie aufgrund des Aktenvermerks des Prokuristen der Klägerin zum Inhalt des Gesprächs mit dem FA, verbunden mit dem Beweisangebot, Prokuristen, Sachgebietsleiter und Außenprüfer als Zeugen zu vernehmen, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

84

aa) Zwar reicht --möglicherweise entgegen der Auffassung des FG-- allein der Umstand, dass das FA dem Vortrag der Klägerin nicht entgegen getreten ist, für sich genommen nicht aus, um auf weitere Sachverhaltsaufklärung zu verzichten; denn das zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtete FG (§ 76 Abs. 1 FGO) muss auch Fragen nachgehen, über welche die Beteiligten nicht streiten, wenn insoweit Zweifel bestehen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 185/93, BFH/NV 1995, 1076).

85

bb) Jedoch hängen Umfang und Intensität der vom FG anzustellenden Ermittlungen auch vom Vortrag und Verhalten der Beteiligten ab; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Sachverhalt ohne bestimmten Anlass zu erforschen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. August 2006 I B 21/06, BFH/NV 2007, 10, m.w.N.).

86

Hier durfte das FG berücksichtigen, dass das FA trotz der Hinweise des Senats im Rahmen der Zurückverweisung hinsichtlich beider Punkte im zweiten Rechtsgang einen abweichenden tatsächlichen Geschehensablauf noch nicht einmal behauptet, geschweige denn beantragt hat, zum Beweis eines abweichenden Geschehensablaufs Beweise zu erheben, z.B. Zeugen zu vernehmen.

87

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2014  1 K 3117/12 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) fakturierte in den Streitjahren 2001 bis 2004 Gegenstände an die in Italien ansässige Firma CC, deren Geschäftsführer Herr v.B. war. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen an CC steuerpflichtig seien und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) seien die Lieferungen nicht nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (UStG) als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Dieser ergebe sich nicht aus den Frachtbriefen. Im Streitfall lägen Beförderungen, nicht aber Versendungen durch Beauftragung selbständig tätiger Dritter vor. Zudem enthielten die Frachtbriefe keine Angaben zu im Ausland gelegenen Auslieferungsorten. Die im Abholfall nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. der Streitjahre (UStDV) erforderliche Versicherung fehle. Es sei nicht erkennbar, wer die Frachtbriefe ausgestellt habe. Auch die nachträglich erteilte Bestätigung begründe keinen Belegnachweis, da sie nicht von der Person stamme, die die Transporte tatsächlich durchgeführt habe. Der in der mündlichen Verhandlung angebotene Beweis sei nicht zu erheben gewesen, da die Zeugenaussage unerheblich gewesen sei.

3

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Die Lieferungen seien steuerfrei. Die Unternehmereigenschaft des Abnehmers CC sei unstreitig. Im Bestimmungsland Italien sei die Erwerbsbesteuerung durchgeführt worden. Streitig sei nur der physische Transport in den Bestimmungsmitgliedstaat. Im Streitfall sei durch den Abnehmer befördert worden. Das für den Abnehmer CC, einer juristischen Person, vertretungsberechtigte Organ, der als Zeuge angebotene v.B., habe die Beförderung nach Italien nachträglich bestätigt. Es sei bestätigt worden, dass "der Transport der Waren nach Italien erfolgte" und sämtliche Waren dem italienischen Unternehmen zugeführt worden seien. Der Bestimmungsort ergebe sich aus den Rechnungsanschriften. Das FG habe zu Unrecht den finanzbehördlichen Erörterungstermin ignoriert. Die objektive Beweislage könne nicht nur durch Belege nachgewiesen werden. Es bestehe ein Gleichrang aller Beweismittel. Das FG hätte den in der Verhandlung präsenten Zeugen vernehmen müssen.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2001 um 116.122,91 €, die Umsatzsteuer 2002 um 126.429,70 €, die Umsatzsteuer 2003 um 426.665,48 € und die Umsatzsteuer 2004 um 237.907,69 € gemindert wird.

5

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Die Lieferungen seien steuerpflichtig. Der Belegnachweis sei nicht erbracht worden. Ein objektiv zweifelsfreies Feststehen erfordere, dass keine Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bestünden, so dass sich weitere Ermittlungen erübrigten. Es sei unklar, ob die Ware nach Italien oder nach Frankreich oder Spanien befördert worden sei. Die nachträgliche Bestätigung sei unbeachtlich, da die Bestimmungsorte nicht bekannt seien. Zweifel ergäben sich auch aus der Aussage des Buchhalters.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen des Klägers nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sind.

8

1. Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, ...

und     

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

9

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit in den Streitjahren auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind danach "Lieferungen ..., die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

10

2. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Diesen Buch- und Belegnachweis hat der Kläger nicht erbracht.

11

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

12

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung eines Beleg- und Buchnachweises ergibt sich aus dem Einleitungssatz von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b). Danach ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen", steuerfrei.

13

a) Die zunächst erteilten Frachtbriefe wiesen nach den Feststellungen des FG entweder keine Bestimmungsorte oder lediglich Bestimmungsorte im Inland auf. Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe mit Blick auf die Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.2.a) nicht verzichtbar.

14

b) Soweit in den Frachtbriefen vereinzelt Bestimmungsorte in Frankreich oder Italien benannt waren, kam dem im Hinblick auf die vom FG zusätzlich festgestellte Unklarheit über die Person des Belegausstellers keine Bedeutung zu (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1).

15

c) Einen Sonderfall, bei dem als Bestimmungsort der Unternehmensort des Abnehmers der Lieferung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.3.c), hat das FG im Hinblick auf die unterschiedlichen Auslieferungsorte, die --soweit die Frachtbriefe überhaupt Angaben zu den Bestimmungsorten enthielten-- nach den Frachtbriefen in verschiedenen Mitgliedstaaten und dabei zum Teil im Inland lagen, zutreffend verneint. Ebenso enthielt die nachträglich erstellte Bestätigung keine Angaben zu den Bestimmungsorten der einzelnen Lieferungen.

16

3. Die Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten dürfen formelle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (siehe unter 2.) aufstellen. Die Richtlinie 77/388/EWG enthält keine Vorschrift, die sich mit dieser Frage befasst. Seit dem Wegfall der Kontrollen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in erster Linie anhand der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Belege und abgegebenen Erklärungen zu prüfen, ob die Waren den Liefermitgliedstaat physisch verlassen haben (EuGH-Urteil Twoh International BV vom 27. September 2007 C-184/05, EU:C:2007:550, Rz 24, m.w.N.).

17

Vorliegend erfordern weder der Neutralitätsgrundsatz noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze.

18

a) Der Neutralitätsgrundsatz gebietet die Steuerbefreiung auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung indes unbestreitbar feststehen (EuGH-Urteil Collée vom 27. September 2007 C-146/05, EU:C:2007:549, Rz 31, 33). Das ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.

19

b) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Unternehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil Teleos u.a. vom 27. September 2007 C-409/04, EU:C:2007:548, Rz 52 ff.; Frye, Umsatzsteuer-Rundschau 2014, 753 ff.). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger an der Führung des Buch- und Belegnachweises gehindert gewesen oder dieser für ihn unzumutbar gewesen sein könnte.

20

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG.

21

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl --wie hier-- die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 29).

22

Dies setzt nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachkommt (dazu BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

23

Daran fehlt es hier: Mit Blick auf die unvollständigen und zudem widersprüchlichen Angaben in den Frachtbriefen sowie den nur allgemeinen Angaben in der nachträglichen Bestätigung und den sich daraus ergebenden Mängeln des Belegnachweises ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger keine Steuerfreiheit aus Vertrauensschutzgründen zu gewähren ist.

24

5. Die behaupteten Verfahrensmängel greifen nicht durch; der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

25

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14. März 2014  1 K 4567/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine 1995 gegründete GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer A ist-- handelte in den Streitjahren 2007 und 2008 mit Kraftfahrzeugen.

2

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung, die den Veranlagungszeitraum 2007 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2008 umfasste, gelangte die Prüferin ausweislich des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom ... 2010 zu folgenden Feststellungen:

3

Bisher als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firma B in Mallorca behandelte Umsätze seien steuerpflichtig, was zu Mehrsteuern in Höhe von 84.475,71 € im Jahr 2007 und 605.377,24 € in den Voranmeldungszeiträumen Januar bis Juni 2008 führe. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien die betroffenen Fahrzeuge tatsächlich nicht nach Spanien verbracht, sondern im Inland weiter vermarktet worden. Zudem seien Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 86.130,67 € (2007) und 311.159,33 € (Januar bis Juni 2008) nicht abziehbar, weil es sich bei dieser Firma um eine "Scheinfirma" gehandelt habe, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.

4

Im Rahmen einer weiteren, nunmehr die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2008 umfassenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Klägerin in diesem Zeitraum Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der D in Höhe von 397.690,83 € geltend gemacht hatte, die ebenfalls nicht abziehbar seien.

5

Das seinerseits zuständige Finanzamt I (FA I) folgte in einem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 23. Februar 2010 den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfungen. Am 2. März 2010 legte die Klägerin Einspruch "gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 23.2.2010" ein und beantragte die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitsverfahren. Ein Einspruchsbescheid erging nicht.

6

Am 29. Januar 2010 reichte die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 ein, ohne die Prüfungsfeststellungen zu berücksichtigen; am selben Tag erließ das FA I für die Voranmeldungszeiträume Juni und Dezember 2008 Vorauszahlungsbescheide. Hiergegen legte die Klägerin am 18. Februar 2010 Einspruch ein. Am 23. Februar 2010 stimmte das FA I der Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin für 2008 zu, erließ aber am 1. März 2010 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Diesen Bescheid behauptete die Klägerin nicht erhalten zu haben. Am 19. November 2010 verwarf das FA I den Einspruch gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Juni und Dezember 2008 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 als unbegründet zurück. Am 21. Dezember 2010 erhob die Klägerin Klage wegen Umsatzsteuer 2007 und 2008.

7

Am 1. April 2011 wurden die Finanzämter I, II und G zu zwei neuen Finanzämtern N und G zusammengelegt. Zuständig für die Besteuerung der Klägerin ist seitdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt N --FA--). Am 20. Juni 2012 erließ das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 mit demselben Inhalt wie der Bescheid vom 1. März 2010.

8

Das Finanzgericht (FG) sah die Klage sowohl für 2007 als auch für 2008 als zulässig an, wies sie jedoch als unbegründet ab. Zur Begründung führte das FG aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D sei zu versagen, weil deren Rechnungen nicht die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erforderliche zutreffende vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten hätten. Bei der in den Rechnungen angegebenen Anschrift habe es sich um einen Briefkastensitz gehandelt, dessen Angabe die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfülle. Unter der betreffenden Anschrift sei die D lediglich postalisch erreichbar gewesen. Dort haben sich eine Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins und ein Buchhaltungsbüro befunden, das die Post der D entgegengenommen und für sie Buchhaltungsarbeiten erledigt habe. Eigene geschäftliche Aktivitäten der D hätten dort nicht stattgefunden. D habe ab dem 1. Oktober 2007 zwei Büroräume, eine Einbauküche, zwei Toiletten und Lagerfläche unter einer anderen Anschrift angemietet; es spreche einiges dafür, dass sich dort auch die von der D gehandelten Fahrzeuge befunden hätten.

9

Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin auf die Richtigkeit der in den Rechnungen der D angegebenen Anschrift habe vertrauen dürfen. Denn § 15 UStG sehe den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor, weshalb Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht bei der Steuerfestsetzung, sondern ggf. nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt werden könnten.

10

Das FA sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den in den Rechnungen an die B aufgeführten Umsätzen um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe. Die Klägerin habe die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen. Die Angaben in den Verbringenserklärungen, "Das Fahrzeug wird am ... von mir in das Zielland Spanien verbracht", seien insoweit nicht ausreichend, weil der Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift der B gleichgesetzt werden könne. Zwar könne sich die erforderliche Angabe des Bestimmungsorts im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gelte jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen sei, dass --was nicht vorliege-- der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert werde. An welchen Ort die streitgegenständlichen Fahrzeuge tatsächlich verbracht worden seien, sei völlig unklar. Daher stehe auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt seien. Die Lieferungen seien schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei: Es fehle an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsortes der streitigen Lieferungen.

11

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht.

12

Das FG gehe unzutreffend davon aus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil Planzer Luxembourg vom 28. Juni 2007 C-73/06 (EU:C:2007:397) entschieden habe, dass an eine Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG dieselben Anforderungen wie an einen "Sitz" im Sinne der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zu stellen seien. Eine Anschrift erfordere nur die postalische Erreichbarkeit an der angegebenen Adresse. Die Angabe der Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) diene der Identifikation des Rechnungsausstellers. Es sei für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer unzumutbar, wenn er zu prüfen habe, inwieweit an der Anschrift über die postalische Erreichbarkeit hinaus Aktivitäten des leistenden Unternehmers stattfänden. D habe existiert, sei leistender Unternehmer i.S. des § 2 UStG und unter der angegebenen Anschrift auch postalisch erreichbar gewesen. Zudem seien dort die Buchhaltungsarbeiten der D vorgenommen und ihre Steuererklärungen gefertigt worden. Die in der Rechnung angegebene Anschrift werde auch nicht deshalb unzutreffend, weil ein Unternehmer unter weiteren Adressen erreichbar sei oder betriebliche Aktivitäten entfalte.

13

Eine unangemessene Erschwerung des Vorsteuerabzugs berühre den Kernbestand des von Art. 12 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechts auf freie Berufsausübung.

14

Hinsichtlich der Versagung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen sei darauf hinzuweisen, dass es auf die Angabe des Zielorts in den Verbringungsnachweisen nicht ankomme, weil sich dieser bereits aus den Ausgangsrechnungen ergebe, die Teile des Buch- und Belegnachweises seien.

15

Das Urteil der Vorinstanz sei im Übrigen verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das FG den Beweisanträgen in den Schriftsätzen vom 26. März 2013 und 13. März 2014, die sie in der mündlichen Verhandlung wiederholt habe, nicht nachgegangen sei. Das habe sie, die Klägerin, zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auch gerügt.

16

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 14. August 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2007 auf ./. 658.086,03 € und für 2008 auf ./. 1.465.863,67 € herabgesetzt wird.

17

Sinngemäß regt sie hilfsweise an,
dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob "... unter den Umständen wie bei der D davon auszugehen (ist), dass sie an ihrem Firmensitz ... auch ihre Anschrift im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG) hatte".

18

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

19

Das FA bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

21

1. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 UStG lagen hinsichtlich der aus den Rechnungen der D geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht vor. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes können im Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.

22

a) Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie --wie hier-- unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.3.; vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BFHE 223, 535, BStBl II 2009, 432).

23

b) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine solche Rechnung muss gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

24

Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 178 Buchst. a MwStSystRL. Danach muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) ausgestellte Rechnung besitzen. Eine derartige Rechnung muss gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL ebenfalls die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen enthalten.

25

c) Das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfüllt nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn sowohl Sinn und Zweck der Regelung in § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG als auch das Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer gebieten es, dass der Finanzverwaltung anhand der Rechnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals der Leistung eines anderen Unternehmers ermöglicht wird. Deshalb ist der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast, denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, unter II.1.b; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, unter II.3.b; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.C.1.a und II.C.3.b; vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, unter II.1.). Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus (BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, unter II.1.c; in BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, Orientierungssatz 3 und unter II.1.; anderer Ansicht für die Verwendung eines Postfaches durch den Leistungsempfänger Abschn. 14.5 Abs. 2 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Soweit der Senat im Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 geäußert hat, ein "Briefkastensitz" mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, hält er hieran nicht mehr fest. Eine von der Klägerin hervorgehobene Prüfung anhand von Art. 12 GG kommt nicht in Betracht; denn die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hat keinen Spielraum in der Umsetzung der Richtlinie. Deshalb gelten keine verfassungsrechtlichen Maßstäbe (vgl. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2011  1 BvR 1916/09, Le Corbusier, Designermöbel Urheberrecht, BVerfGE 129, 78).

26

d) Der von der Klägerin angeregten Anrufung des EuGH bedarf es nicht, denn diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

27

aa) Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt neben den sonstigen Anforderungen als formelle Ausübungsvoraussetzung gemäß Art. 178 Buchst. a MwStSystRL den Besitz einer Rechnung voraus, die alle gemäß Titel XI Kap. 3 Abschn. 3 bis 6 (Art. 219a bis Art. 240 MwStSystRL) erforderlichen Angaben enthält (EuGH-Urteil Mahagebén und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11, C-142/11, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52). Dazu gehören gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL auch der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen. Dabei muss die Rechnung alle in Art. 226 MwStSystRL genannten Informationen enthalten (EuGH-Urteile Pannon Gép vom 15. Juli 2010 C-368/09, EU:C:2010:441, Rz 40 ff.; Dankowski vom 22. Dezember 2010 C-438/09, EU:C:2010:818, Rz 29 zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern).

28

bb) Dass die Angabe eines "Briefkastensitzes" nicht ausreicht, folgt auch aus dem EuGH-Urteil Planzer Luxembourg (EU:C:2007:397). Der EuGH hat darin zum Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwerststeuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 86/560/EWG) entschieden, dass sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als derartiger Sitz ansehen lässt (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 62). Das mag sich nicht unmittelbar auf den Begriff der "vollständigen Anschrift" i.S. des Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL übertragen lassen. Der EuGH hat im selben Urteil aber auch entschieden, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist (EuGH-Urteil Planzer Luxembourg, EU:C:2007:397, Rz 43). Ein bloßer "Briefkastensitz" bildet aber die wirtschaftliche Realität gerade nicht ab, sondern verschleiert sie.

29

cc) Im Übrigen ist die Frage, die die Klägerin dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen anregt, nämlich, ob die D an ihrem Firmensitz auch ihre Anschrift im Sinne der MwStSystRL hatte, nicht entscheidungserheblich. Denn die Rechnung wies nach den Feststellungen des FG als Anschrift gerade nicht den Firmensitz, sondern einen "Briefkastensitz" aus.

30

2. Ob der Klägerin der Vorsteuerabzug wegen ihres guten Glaubens an die Richtigkeit der Rechnungsangaben der D zu gewähren ist, ist im vorliegenden Festsetzungsverfahren nicht zu entscheiden.

31

a) § 15 UStG sieht den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Festsetzungsverfahren nicht vor. Vertrauensschutz kann aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO gewährt werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235; in BFH/NV 2010, 256; vom 12. August 2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744). Hieran hält der Senat fest.

32

b) Dem steht das Unionsrecht nicht entgegen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats (EuGH-Urteil Reemtsma vom 15. März 2007 C-35/05, EU:C:2007:167, Rz 40, m.w.N.; vgl. auch EuGH-Urteil Schmeink & Cofreth und Strobel vom 19. September 2000 C-454/98, EU:C:2000:469, Rz 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer). Unionsrechtlichen Belangen wird im Rahmen von Vertrauensschutzgesichtspunkten beim Vorsteuerabzug dadurch Rechnung getragen, dass das dem FA in § 163 AO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert ist, wenn unionsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern (BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03, BFHE 223, 372, BStBl II 2010, 1075, unter II.5.; vgl. auch BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373, unter II.5.). Macht der Steuerpflichtige Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend, wird die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden sein. Hieran hält der Senat fest.

33

c) Die jüngere Rechtsprechung des EuGH gibt keinen Anlass, den Vorsteuerabzug trotz des Fehlens einzelner materieller oder formeller Merkmale wegen des guten Glaubens des Leistungsempfängers an deren Vorliegen zu gewähren.

34

aa) Die EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid (EU:C:2012:373), Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13 (EU:C:2014:69) und Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11 (EU:C:2012:774) begrenzen die Verfahrensautonomie Deutschlands nicht und zwingen nicht dazu, Gutglaubensschutzgesichtspunkte im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen.

35

bb) Die genannten EuGH-Urteile zielen nicht darauf ab, ein nicht vorliegendes Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzugs durch den guten Glauben des Leistungsempfängers an dessen Vorliegen zu ersetzen. Denn in den vom EuGH in den Entscheidungen Mahagebén und Dávid, Maks Pen und Bonik beurteilten Sachverhalten stand aufgrund der Vorlageentscheidungen fest, dass die nach der MwStSystRL vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt waren (EuGH-Urteile Mahagebén und Dávid, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52; Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz 25, und Bonik, EU:C:2012:774, Rz 29, 33, 40). Liegen die materiellen und formellen Voraussetzungen der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aber vor, so gibt es für Vertrauensschutzgesichtspunkte keinen Anwendungsbereich. Diese können erst zum Tragen kommen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug fehlen, der Steuerpflichtige aber gutgläubig von deren Vorliegen ausging und ausgehen konnte.

36

Der EuGH hat in den o.g. Entscheidungen das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte erweitert, sondern --ebenso wie bereits im Urteil Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04, C-440/04 (EU:C:2006:446), dem sich der Senat bereits angeschlossen hat (BFH-Urteile in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315)-- begrenzt, indem er den Vorsteuerabzug selbst dann versagt, wenn dessen Voraussetzungen zwar tatsächlich vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

37

3. Bei den Lieferungen an B hat es sich um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG kommt für die streitbefangenen Lieferungen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht nachgewiesen hat.

38

a) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a) steuerfrei. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dabei hat der Unternehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656).

39

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 131 und 138 MwStSystRL. Gemäß Art. 131 MwStSystRL wird auch die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung "unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen". Nach Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

40

c) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 131 MwStSystRL festgelegten Bedingungen nachzuweisen (vgl. EuGH-Urteile VSTR vom 27. September 2012 C-587/10, EU:C:2012:592, Rz 42 f. und 47; Mecsek-Gabona vom 6. September 2012 C-273/11, EU:C:2012:547, Rz 36 und 38; R vom 7. Dezember 2010 C-285/09, EU:C:2010:742, Rz 43 und 46; BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596).

41

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen:
"...
1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

42

Im Streitfall hat die Klägerin den Belegnachweis nicht erbracht. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben (vgl. dazu BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420). Das gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407). Das ist hier nicht der Fall. Denn nach den, den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar".

43

d) Die betreffenden Lieferungen sind auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, m.w.N.). Im Streitfall fehlt es aber an einem belegmäßigen Nachweis des Bestimmungsorts, weil dieser nicht ohne weiteres mit der Unternehmensanschrift des B gleichgesetzt werden kann.

44

e) Kommt der Unternehmer --wie hier-- seinen Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a, 17c UStDV nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (z.B. BFH-Urteile vom 21. Mai 2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil --wie bereits dargelegt-- der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge "völlig unklar" ist.

45

4. Die Revision führt auch weder aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Erfolg noch greifen die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen durch.

46

a) Macht der Steuerpflichtige bereits im Festsetzungsverfahren Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend und begehrt den Vorsteuerabzug auch im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO (vgl. hierzu unter II.2.a), so ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme zwar regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (BFH-Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, 3. Leitsatz und Rz 48). Das FA konnte vorliegend beide Verfahren schon deshalb nicht verbinden, weil die Klägerin den Billigkeitsantrag erst in der Einspruchsbegründung vom 2. März 2010 --und damit nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung-- gestellt hat.

47

b) Das FG hat auch nicht --wie von der Klägerin gerügt-- seine ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt. Ein derartiger Verfahrensfehler liegt zwar vor, wenn das FG einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag übergeht, sofern nicht das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2014 V B 1/14, BFH/NV 2014, 1763; vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360; vom 18. März 2013 III B 143/12, BFH/NV 2013, 963).

48

Nach diesen Grundsätzen war das FG nicht gehalten, die von der Klägerin benannten Zeugen zu vernehmen. Das FG hat sich unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Klägervertreter vom 26. März 2013 und 13. März 2014, mit dem die Zeugen unter Angabe des Beweisthemas benannt worden sind, sowie aufgrund des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich mit den von den Zeugen zu bekundenden Tatsachen auseinandergesetzt, diese im Rahmen des Gesamtvortrags der Klägerin gewürdigt und den Schluss gezogen, es könne sowohl als wahr unterstellt werden, dass der Steuerfahnder in den Räumlichkeiten ... Straße die D betreffenden Unterlagen beschlagnahmt habe, als auch, dass dort Post für die D angekommen sei und die Zeugin S der Steuerfahndung einen Ordner mit Rechnungen der D übergeben habe. Hinsichtlich der weiteren Beweisanträge ist das FG rechtsfehlerfrei zu der Ansicht gelangt, dass die jeweiligen Beweisthemen nicht entscheidungserheblich waren.

49

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 29. Januar 2014  3 K 631/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist im Revisionsverfahren, ob für sieben von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ausgeführte Fahrzeuglieferungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen.

2

Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) u.a. zwölf von der Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2006) als innergemeinschaftliche Lieferungen erklärte Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtige Umsätze. Im Klageverfahren erkannte das FA für fünf Lieferungen die Steuerfreiheit an. Im Streit blieben die folgenden sieben Lieferungen:

3

Bei der Lieferung eines Mercedes Benz A170 CDI vom 4. Oktober 2006 an die Firma PT, Spanien (Lieferung a; Rechnung Nr. 1003173) und der Lieferung eines Mercedes Benz E220 CDI vom 31. Oktober 2006 an die Firma CR, Spanien (Lieferung g; Rechnung Nr. 1003368) handelte es sich um Versendungslieferungen. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs war jeweils die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung eingetragen, während tatsächlich die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, im Fall a die Firma TT (Frankreich) bzw. im Fall g die E. GmbH (Deutschland) bevollmächtigt hatte.

4

Bei den Lieferungen

•    

eines Mercedes Benz ML 320 CDI vom 24. Februar 2006 an die Firma LB, Ungarn (Lieferung b; Rechnung Nr. 1001690),

•    

eines Mercedes Benz SLK 200K vom 31. März 2006 an die RA, Portugal (Lieferung c; Rechnung Nr. 1001966),

•   

eines Mercedes Benz A160 CDI vom 1. September 2006 an die RA, Portugal (Lieferung d; Rechnung Nr. 1003046),

•    

eines Mercedes Benz CLS 320 CDI vom 13. Oktober 2006 an die CO, Spanien (Lieferung e; Rechnung Nr. 1003218),

•    

eines Mercedes Benz CLS 320 CDI vom 26. Oktober 2006 an die PP, Portugal (Lieferung f; Rechnung Nr. 1003306)

haben die Abnehmer bzw. Abholer jeweils bestätigt, die Fahrzeuge "ordnungsgemäß aus Deutschland" (Lieferung b), "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" (Lieferungen c und d) oder "in og. Bestimmungsland" (Lieferungen e und f) auszuführen.

5

Bei den Lieferungen c, e und f war zudem die Verbringensbestätigung nicht vom tatsächlichen Abholer, sondern vom Abnehmer unterzeichnet. Bei der Lieferung b war die Unterschrift des tatsächlichen Abholers unleserlich, weil sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers überstempelt war und im Falle der Lieferung d wich die Unterschrift des Abholers von der Unterschrift in der von ihm vorgelegten Passkopie ab.

6

Das Finanzgericht (FG) sah hinsichtlich dieser Lieferungen den Belegnachweis als nicht erbracht an und wies die Klage ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Lieferungen a und g sei der CMR-Frachtbrief unrichtig, weil in Feld 1 die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung eingetragen sei, während tatsächlich der jeweilige Abnehmer die selbständigen Transportbeauftragten bevollmächtigt habe.

7

Bei den Lieferungen c, e und f sei der Belegnachweis nicht erbracht, weil die Verbringensbestätigung nicht von dem tatsächlichen Abholer, sondern vom Abnehmer unterzeichnet sei. Der Belegnachweis setze aber voraus, dass derjenige, der das Fahrzeug tatsächlich abhole, versichern müsse, dieses in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen.

8

Bei den Lieferungen b und d könne der Belegnachweis nicht anerkannt werden, weil die Unterschrift des Abholers unter der Verbringensbestätigung nicht leserlich sei (Lieferung b) bzw. von der Unterschrift in der vorgelegten Passkopie erkennbar abweiche (Lieferung d).

9

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler geltend macht. Zur Begründung ihrer Revision trägt sie vor, die CMR-Frachtbriefe hinsichtlich der Lieferungen zu a und g seien als Nachweise über die tatsächliche Durchführung innergemeinschaftlicher Lieferungen anzuerkennen. In Feld 2 der CMR-Frachtbriefe seien die zutreffenden Empfängeradressen eingetragen. Das sei für den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidend. Im Übrigen ergebe sich die Erkenntnis, dass der Auftraggeber des Frachtführers im CMR-Frachtbrief als Absender einzutragen sei, nicht aus dem allgemeinen Sprachgebrauch; danach sei Absender derjenige, von dem aus ein Gegenstand versendet werde. Die rechtliche Würdigung des FG, dass ein CMR-Frachtbrief hinsichtlich der durchgeführten Lieferung unrichtig sei, wenn als Absender die Abgangsstelle des Frachtgutes eingetragen werde, diese aber nicht der Auftraggeber des Frachtführers sei, werde durch keine Rechtsvorschrift getragen.

10

Zu den Lieferungen b, c, e und f trägt die Klägerin vor, der Belegnachweis sei in diesen Fällen erbracht, weil jeweils der Auftraggeber die Verbringensbestätigung i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) unterzeichnet habe. Gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV könne der Nachweis durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten erfolgen. Eine Einschränkung dahingehend, dass bei Einschaltung eines Beauftragten nur der tatsächliche Abholer die Versicherung leisten könne, lasse sich der Regelung nicht entnehmen.

11

Bei der Lieferung im Fall d sei zu berücksichtigen, dass die Datenschutzbehörden der Bundesländer das Anfertigen von Ausweiskopien als Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) werteten. Auch dürfe ein Personalausweis gemäß §§ 14, 20 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) nur zur Identitätsfeststellung herangezogen werden. Im Übrigen sei im Entscheidungsfall der Ausweis des Abholers am 10. Juli 1989, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Abholer 14 Jahre alt gewesen sei, ausgestellt worden. Es liege in der Natur der Sache, dass sich die damals geleistete Unterschrift von der Unterschrift eines 31 Jahre alten Mannes im Zeitpunkt der Abholung im Jahr 2006 auffällig unterscheide. Die an sie, die Klägerin, gerichtete Forderung, eine Unterschrift auf verschiedenen Dokumenten vergleichen zu müssen, sei im Voraus nicht erkennbar gewesen und verstoße deshalb gegen Unionsrecht.

12

Schließlich liege ein Verfahrensfehler vor, weil das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Die vom FG im Urteil angeführten "erkennbaren Abweichungen" von Unterschriften seien nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

13

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer 2006 auf ./. 229.218,34 € herabzusetzen.

14

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Die in den CMR-Frachtbriefen angegebenen Auftraggeber seien nicht die tatsächlichen Auftraggeber gewesen. Die CMR-Frachtbriefe seien deshalb in einem wesentlichen Punkt unrichtig und eigneten sich nicht zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Belegnachweise i.S. des § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV müssten eindeutig und leicht nachprüfbar sein, was deren vollumfängliche inhaltliche Richtigkeit voraussetze.

16

Hinsichtlich der Verbringensbestätigung nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV sei von dem erkennbaren Zweck der Vorschrift auszugehen, den tatsächlichen Abholvorgang nachzuweisen. Dazu könne aber nur auf die Bestätigung dessen abgestellt werden, der die Abholung tatsächlich durchführe.

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) könnten auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift des Abholers unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung und der Unterschrift auf dem vorgelegten Personalausweis Umstände darstellen, die den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des Abholers veranlassen müssten.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG-Urteil erweist sich --zum Teil aus anderen Gründen-- als richtig.

19

           

1. Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

        

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, ...

und     

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit im Streitjahr (2006) auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind danach "Lieferungen ..., die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

20

2. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Diesen Buch- und Belegnachweis hat die Klägerin nicht erbracht.

21

           

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

        

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

        

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

        

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

        

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung eines Beleg- und Buchnachweises ergibt sich aus dem Einleitungssatz von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b). Danach ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen", steuerfrei.

22

3. Das FG hat zu den Versendungslieferungen a und g zu Recht entschieden, dass der Belegnachweis nicht erbracht ist.

23

a) Gemäß § 17a Abs. 4 UStDV soll der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber u.a. durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen. § 10 Abs. 1 UStDV umfasst Versendungsbelege, insbesondere Frachtbriefe u.a. (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) sowie im Einzelnen näher umschriebene sonstige handelsübliche Belege, insbesondere Bescheinigungen des beauftragten Spediteurs und Versandbestätigungen des Lieferers (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV).

24

b) Auch ein nach dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road --CMR-Übereinkommen--, BGBl II 1961, 1120) ausgestellter Frachtbrief (CMR-Frachtbrief) ist als Frachtbrief i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV anzusehen (BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 48; vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448).

25

aa) Gemäß Art. 5 Abs. 1 des CMR-Übereinkommens wird der Frachtbrief vom Absender und Frachtführer unterzeichnet. Dabei muss nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und c des CMR-Übereinkommens der CMR-Frachtbrief den Namen und die Anschrift des Absenders sowie Namen und Anschrift des Frachtführers enthalten. Absender ist im Beförderungsvertrag der CMR derjenige, der den Vertrag mit dem Frachtführer geschlossen hat (z.B. Teutsch, Kommentar zum CMR, Schriftenreihe "Recht der internationalen Wirtschaft", Band 39, Heidelberg 1995, Art. 6 Rz 5). Die Angabe der Vertragsparteien des Beförderungsvertrages gehört --anders als z.B. die Empfängerbestätigung in Feld 24 (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Rz 48 ff.)-- zu den konstitutiven Frachtbriefangaben. CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 49; in BFH/NV 2012, 1006, Rz 24; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Das umfasst den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV) sowie den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStDV).

26

bb) Nach den Feststellungen des FG war in den CMR-Frachtbriefen zu den Lieferungen a und g die Klägerin als Absender und damit als Vertragspartei des Frachtvertrages eingetragen. Tatsächlich aber hatte die jeweilige Abnehmerin bei der Lieferung a die Firma TT (Frankreich) und bei der Lieferung g die Firma E. GmbH (Deutschland) als selbständigen Transportbeauftragten beauftragt. Die CMR-Frachtbriefe sind damit unrichtig, weil sie nicht den zutreffenden Absender ausweisen. Erweisen sich --wie hier-- die Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1006, Rz 22).

27

4. Im Hinblick auf die Lieferungen a und g kommt auch eine Steuerbefreiung aus Gründen des Gutglaubensschutzes nicht in Betracht. Gemäß § 6a Abs. 4 UStG ist eine vom Unternehmer als steuerfrei behandelte Lieferung, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteile vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28; vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 25). Die Klägerin wusste, dass sie nicht Absenderin war. Der Einwand, der allgemeine Sprachgebrauch umfasse auch denjenigen als Absender, von dem aus ein Gegenstand versendet werde, greift nicht durch. Denn die Klägerin war eine im Export von Fahrzeugen erfahrene Unternehmerin. Sie wusste oder hätte zumindest wissen müssen, dass der im CMR-Frachtbrief einzutragende Absender der Auftraggeber des Frachtführers ist und dass dies auf sie nicht zutraf.

28

5. Das FG hat im Ergebnis auch zu Recht entschieden, dass für die Lieferungen b, c, d, e und f der Belegnachweis nicht erbracht ist.

29

a) Der Senat braucht dabei weder darüber zu entscheiden, ob die Verbringensbestätigung i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV in den Lieferfällen b, c, e und f --wie das FG meint-- unzureichend war, weil sie jeweils nicht durch die Person geleistet wurde, die tatsächlich abgeholt hatte, noch, ob in den Fällen b und d berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Nachweisangaben wegen auffälliger Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Personaldokument und der Verbringenserklärung bestehen (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 22, 26).

30

b) Gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet u.a. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, führen. Bei den genannten Lieferungen haben die Abnehmer bzw. Abholer aber lediglich bestätigt, die Fahrzeuge "ordnungsgemäß aus Deutschland" (Lieferung b), "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" (Lieferungen c und d) oder "in og. Bestimmungsland" (Lieferung e) auszuführen. Das sind keine Belege, aus denen sich i.S. des § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV der Bestimmungsort ergibt.

31

6. Eine Steuerbefreiung unter Gutglaubensschutzgesichtspunkten nach § 6a Abs. 4 UStG kommt auch für die Lieferungen b, c, d, e und f nicht in Betracht. Dass sich aus den Belegen der Bestimmungsort nicht ergibt, war offensichtlich und deshalb bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennbar (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Urteile in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28; in BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 25).

32

7. Trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Collée vom 27. September 2007 C-146/05, EU:C:2007:549, Rz 31, 33; BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; in BFH/NV 2012, 1006). Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Fahrzeuge aufgrund der Lieferung der Klägerin in das übrige Unionsgebiet gelangt sind. Das konnte das FG ohne Rechtsverstoß darauf stützen, dass die aus den unter II.1. bis 5. dargelegten Gründen bestehenden Zweifel nicht durch andere objektiv feststehende Tatsachen, z.B. den Nachweis der zeitnahen straßenverkehrsrechtlichen Anmeldung der Fahrzeuge im jeweils anderen Mitgliedstaat, ausgeräumt sind.

33

8. Der geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Die Klägerin rügt, dass die Abweichung der Unterschriften auf der Personalausweiskopie und der Verbringensbestätigung nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung (zur Beweiskraft des Protokolls vgl. § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen hat, dass nach seiner Auffassung das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das BDSG verstoße. Das belegt, dass die Unterschriftsmängel sogar ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

34

9. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

35

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2014  5 K 5225/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die in 2008 (Streitjahr) erfolgte Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils am X-Buch (Buch) an eine in London ansässige Galerie als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt einen Handel mit Kunstgegenständen. Nachdem er am 3. Juli 2008 auf einer Auktion in München das Buch ersteigert hatte, verkaufte er am 11. Juli 2008 einen Anteil von 50 % an dem Buch ("50% share") an die in London ansässige Y-Galery (Galerie) zu einem Preis von 65.484 €. In der Rechnung vom 11. Juli 2008 wird weder Umsatzsteuer ausgewiesen noch enthält die Rechnung einen Hinweis auf eine Steuerfreiheit. Am 30. Oktober 2012 berichtigte der Kläger die Rechnung gemäß § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch die Angabe: "Der Umsatz ist gemäß § 4 Nr. 1b, § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei."

3

Der Galerist JF holte das Buch in München ab und transportierte es im Handgepäck nach London. Dort wurde das Buch begutachtet und ausgestellt. Im März 2010 verkaufte es die Galerie an eine amerikanische Sammlung.

4

Am 1. Mai 2010 verkaufte der Kläger auch die bei ihm verbliebene (50 %ige) Beteiligung am Buch zu einem Kaufpreis von 240.000 € an die Galerie. Auch diese Veräußerung behandelte der Kläger als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte am 5. November 2010 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung beim Kläger durch. Nach dem Bericht vom 15. Juli 2011 (Tz. 15) ging die Prüferin davon aus, JF sei im Streitjahr nicht nur ein Anteil am Werk veräußert, sondern Verfügungsmacht am gesamten Werk eingeräumt worden, da ihm das Buch zur Verwertung überlassen worden sei. Es sei offensichtlich, dass JF die Fähigkeit gehabt habe, das Werk zu veräußern. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass er das Buch bereits vor dem Verkauf des restlichen Anteils von 50 % an dem Werk weiterveräußert habe und nicht zur Offenlegung des Kunden verpflichtet sei. Die Veräußerung der Beteiligung an dem Buch sei im Inland steuerbar, aber steuerpflichtig, weil der Kläger den Belegnachweis nicht geführt habe. Durch die Rechnung vom 1. Mai 2010 in Höhe von 240.000 € sei es zu einer im Streitjahr zu berücksichtigenden Änderung der Bemessungsgrundlage gekommen. Diese betrage daher 285.499 €.

6

Den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung folgend erließ das FA am 18. August 2011 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2008 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

7

Dem dagegen eingelegten Einspruch half das FA mit dem Änderungsbescheid vom 29. Juni 2012 (Anlage zur Einspruchsentscheidung) insoweit ab, als es die Bemessungsgrundlage für die dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Umsätze um 224.299 € (240.000 € ./. 15.701 €) minderte. Die Änderung der Bemessungsgrundlage sei nicht im Streitjahr eingetreten, sondern im Zeitraum der Rechnungserteilung am 1. Mai 2010 und werde daher im 2. Quartal 2010 erfasst. Im Übrigen wies das FA den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2012 als unbegründet zurück.

8

Im Klageverfahren vertrat das FA --entgegen seiner bisherigen Ansicht-- die Auffassung, dass es sich bei der Veräußerung der Miteigentumsanteile nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen handele. Die im Streitjahr erbrachte Leistung sei nach § 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (UStG) an dem Ort ausgeführt worden, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe und damit im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Bei der zweiten Veräußerung des Miteigentumsanteils liege der Ort der Leistung dagegen --nach der gesetzlichen Neuregelung durch § 3a Abs. 2 UStG in der ab 1. Januar 2010 geltenden Fassung-- in London, sodass diese nicht mehr im Inland steuerbar sei. Dem Einspruch gegen die entsprechende Steuerfestsetzung 2010 werde daher abgeholfen.

9

Mit dem nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 15. März 2013 erhöhte das FA im Klageverfahren die Umsatzsteuerfestsetzung auf 6.248,37 €. Da die sonstige Leistung dem Regelsteuersatz unterliege, betrage die Bemessungsgrundlage nicht 61.200 €, sondern 55.028 €.

10

Auf Nachfrage des Finanzgerichts (FG) in der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2014 erklärte der Vertreter des FA, dass das direkte Verbringen des Buches von München nach London nicht bestritten werde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers gab an, bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils im Jahr 2008 sei bereits angedacht gewesen, dass die Galerie in London das Buch weiterveräußere.

11

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 166 abgedruckten Gründen Erfolg. Das FG qualifizierte die Veräußerung des Miteigentumsanteils als Lieferung. Diese sei steuerfrei, weil objektiv feststehe, dass der veräußerte Miteigentumsanteil nach Großbritannien verbracht wurde.

12

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 3 Abs. 1 und 9, § 3a Abs. 1 UStG) geltend. Die Veräußerung des Miteigentumsanteils an dem Buch stelle keine Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1 UStG dar. Bei dem umsatzsteuerrechtlichen Liefergegenstand müsse es sich um eine einheitliche unteilbare Sache als Ganzes handeln. Daran fehle es bereits faktisch bei einem Miteigentumsanteil an einem Buch, da der Liefergegenstand (Anteil am Buch) nicht nach Art, Güte, Beschaffenheit, Menge oder Gewicht hinreichend konkretisiert werden könne. Das Wesen derartiger Übertragungsvorgänge liege in der Übertragung eines Rechts und nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht an einer einheitlichen Sache als Ganzes. Es sei schwer vorstellbar, wie an einem "virtuellen Gebilde", wie es ein Miteigentumsanteil darstelle, faktisch die Verfügungsmacht verschafft werden könne.

13

Entgegen den Ausführungen des FG sei dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 15. Dezember 2005 C-63/04 Centralan Property Ltd. (EU:C:2005:773) nicht zu entnehmen, dass die Übertragung eines Miteigentumsanteils (§§ 1008 ff., 741 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) zwingend die Lieferung eines Gegenstands darstelle. Dieser Entscheidung habe keine Übertragung eines Miteigentumsanteils zugrunde gelegen. Vielmehr betreffe die Entscheidung eine Konstellation im englischen Zivilrecht, die eher dem deutschen Erbbaurecht als dem Miteigentum vergleichbar sei. Konkret sei es um eine zeitliche Verteilung der Eigentumsrechte und nicht um gleichzeitige Nutzungsrechte wie beim Miteigentum nach deutschem Zivilrecht gegangen. Mit diesen Besonderheiten des Sachverhalts der EuGH-Entscheidung habe sich das FG nicht auseinandergesetzt.

14

Das FA beantragt,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2014  5 K 5225/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Durch die Übertragung des Miteigentumsanteils und durch die Inbesitznahme des Buches durch den Erwerber habe die faktische Verfügungsmacht beim Erwerber gelegen. Der Hinweis des FA, dass es sich bei dem vom EuGH zu entscheidenden Fall um einen gänzlich anderen Sachverhalt handele, gehe ins Leere. Denn der EuGH habe entschieden, dass der Begriff der "Lieferung eines Gegenstandes" jede Übertragung eines Gegenstands durch eine Partei umfasse, die eine andere Partei ermächtige, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre dieser Eigentümer, also auch den Miteigentumsanteil.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA war zwar zum Erlass des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 2008 vom 15. März 2013 berechtigt, die Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Buch stellt jedoch --wie das FG zu Recht entschieden hat-- eine Lieferung dar, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfrei ist.

18

1. Das FA war nach § 132 AO i.V.m. § 174 Abs. 4 AO --auch noch im Rahmen des Klageverfahrens-- zum Erlass des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids 2008 vom 15. März 2013 berechtigt.

19

a) Die Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten gelten auch während eines finanzgerichtlichen Verfahrens (§ 132 AO), sodass eine nach dem Gesetz bestehende Änderungsmöglichkeit durch ein schwebendes finanzgerichtliches Verfahren nicht eingeschränkt wird.

20

b) Diese gesetzliche Änderungsmöglichkeit besteht vorliegend nach § 174 Abs. 4 AO. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.

21

c) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor:

22

aa) Der "bestimmte Sachverhalt" als maßgeblicher Lebensvorgang besteht vorliegend in der jeweils hälftigen Veräußerung des Buches in 2008 und 2010. Diesen Sachverhalt berücksichtigte das FA nicht nur im Streitjahr, sondern erfasste ihn auch im 2. Quartal 2010 als eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung.

23

bb) Die Beurteilung des FA erweist sich insoweit als irrig, als es unter Berücksichtigung von Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) und der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1994 XI R 91-92/92, BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826, unter II.1., Rz 15, m.w.N.) von einer sonstigen Leistung ausgehen musste und die Übertragung des Bruchteilseigentums in 2010 dann nicht mehr steuerbar ist (§ 3a Abs. 2 UStG). Die Umsatzsteuerfestsetzung 2010 wurde daher aufgrund eines Rechtsbehelfs des Klägers geändert und eine Besteuerung im Veranlagungszeitraum 2010 unterlassen.

24

cc) Rechtsfolge ist, dass das FA --korrespondierend zur Änderung des sog. Ausgangsbescheids in 2010-- die richtigen steuerlichen Konsequenzen ziehen und den streitgegenständlichen Änderungsbescheid erlassen durfte. Die im Verhältnis zum Ausgangsbescheid richtige steuerliche Konsequenz besteht darin, die Übertragung des Miteigentumsanteils als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.

25

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Steuerbescheid infolge der irrigen Beurteilung unrechtmäßig sein muss und daher eine lediglich von der Behörde angenommene, tatsächlich aber nicht bestehende Unrichtigkeit die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 AO nicht rechtfertige (BFH-Urteil vom 4. März 2009 I R 1/08, BFHE 225, 312, BStBl II 2010, 407, Rz 54, unter Hinweis auf von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 95, sowie FG Düsseldorf, Urteil vom 17. März 1998  9 K 1307/95 G, EFG 1998, 1308). Der Fall einer lediglich subjektiven Unrichtigkeit liegt hier nicht vor, weil das FA mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung von einer sonstigen Leistung ausgehen konnte.

26

dd) Einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO steht das Verböserungsverbot des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht entgegen, da es sich bei der Änderung nach § 174 Abs. 4 AO nicht um eine Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren, sondern um eine eigenständige Änderung handelt (BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, sowie vom 26. Oktober 1989 IV R 25/88, BFHE 159, 37, BStBl II 1990, 373). Dasselbe gilt für das finanzgerichtliche Verböserungsverbot. Dieses verwehrt dem FG lediglich, den Kläger bezogen auf die mit der Klage angegriffene Steuerfestsetzung schlechter zu stellen (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 92/10, BFHE 237, 302, BStBl II 2013, 139, unter II.4.a, m.w.N.).

27

2. Die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Buch stellt eine Lieferung dar.

28

a) Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Unionsrechtlich beruht § 3 Abs. 1 UStG auf Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), der die Lieferung von Gegenständen als Übertragung der Befähigung definiert, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

29

b) Die bisherige Rechtsprechung des V. und des XI. Senats des BFH (zuletzt im BFH-Urteil in BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826, unter II.1., Rz 15, davor in den BFH-Urteilen vom 22. Juni 1967 V 185/63, BFHE 89, 366, BStBl III 1967, 662; vom 18. Januar 1968 V 28/65, BFHE 91, 502, Der Betrieb 1968, 966, und vom 20. Juni 1968 V 116/65, BFHE 93, 291, BStBl II 1968, 788), die Finanzverwaltung (Abschn. 3.5 Abs. 3 Nr. 2 UStAE) sowie Teile des Schrifttums (Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 94 Rz 161; Husmann in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 1 Rz E 77) sind der Auffassung, dass es sich bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Gegenstand um eine sonstige Leistung handele.

30

c) Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und nach Zustimmung des XI. Senats des BFH (Beschluss vom 16. Dezember 2015 XI ER-S 3/15) zur Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung in dem Urteil in BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826 geht der erkennende Senat davon aus, dass der Miteigentumsanteil an einem Gegenstand geliefert wird.

31

aa) Eine Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Gegenstand als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar: Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Art. 137 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können nicht nur Gebäude, sondern auch "Gebäudeteile" Gegenstand einer Lieferung sein. Dies setzt voraus, dass in Bezug auf einen Gegenstand gleichzeitig mehrere Lieferungen bewirkt werden können. Dementsprechend hat der EuGH in dem Urteil Centralan Property Ltd. (EU:C:2005:773) sowohl die Einräumung eines Besitzrechts an einem bebauten Grundstück als auch die eng damit verbundene Übertragung des "Resteigentums" an einen anderen Erwerber jeweils als Lieferung beurteilt (EuGH-Urteil Centralan Property Ltd., EU:C:2005:773, Rz 26/27 und Rz 64). Die Aufspaltung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Gegenstand mit der Folge, dass mehrere Personen das Recht innehaben, über einen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, entspricht damit der Rechtsposition eines Miteigentümers, der nach § 747 Satz 1 BGB über seinen Miteigentumsanteil frei verfügen kann. Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, sodass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition hat wie ein Eigentümer (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 2007 V ZB 6/07, BGHZ 172, 209, unter III.3.a).

32

bb) Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass das Miteigentum als Bruchteil an einem körperlichen Gegenstand --ebenso wie das Volleigentum als dessen wesensgleiches Minus-- im Wirtschaftsleben wie ein körperlicher Gegenstand behandelt wird (Stadie, UStG, 3. Aufl., § 3 Rz 7; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1455; Frye in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 6a Rz 138).

33

cc) Dementsprechend wird im Schrifttum ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Miteigentumsanteil an einer Sache "Gegenstand" einer Lieferung sein könne (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, § 3 Rz 312; Martin in Sölch/Ringleb, § 3 Rz 43; Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 3 Rz 1455; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 6a Rz 138; Leipold, in Sölch/ Ringleb, § 4 Nr. 28 Rz 3; Leonard in Bunjes, § 3 Rz 39; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., 2.3.2a; Stadie, a.a.O., § 3 Rz 7; Hahn in Weymüller, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 57.1; FG Niedersachsen, Urteil vom 13. Dezember 2012  16 K 305/12, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2014, 163; Ruppe/ Achatz, Kommentar zum österreichischen Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 3 Rz 25, unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Oktober 2004  2000/14/0185, Beilage zur Österreichischen Steuer-Zeitung 2005, 255 zum sog. time sharing).

34

d) Im Streitfall übertrug die Klägerin der Galerie die Befugnis, über das Buch wie ein Miteigentümer zu verfügen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass JF als Betreiber der Galerie nicht nur Besitz am Buch eingeräumt wurde, sondern diesem auch gestattet war, das Buch begutachten und kunsthistorisch erforschen zu lassen. Im Hinblick darauf, dass bereits bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils ein Weiterverkauf durch die Galerie beabsichtigt war, durfte diese das Buch in einem Verkaufskatalog anbieten und schließlich sogar im März 2010 weiterverkaufen, obwohl sie erst durch den Kauf des restlichen Anteils von 50 % vom 1. Mai 2010 zur alleinigen Eigentümerin am Buch wurde.

35

3. Bei der Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils handelt es sich, wie das FG zu Recht entschieden hat, um eine nach § 4 Abs. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

36

a) Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, ...
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

37

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit im Streitjahr auf Art. 138 MwStSystRL (vor dem 1. Januar 2007: Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer --Richtlinie 77/388/EWG--). Danach befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.

38

b) Vorliegend hat JF im Auftrag der Galerie das Buch in München abgeholt und es im Juli 2008 nach London gebracht. Die Galerie ist gerichtsbekannt seit 1970 in Großbritannien als Unternehmerin tätig. Schließlich unterliegt der Erwerb des Buches auch nach den (harmonisierten) Vorschriften der Erwerbsbesteuerung in Großbritannien (Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i MwStSystRL, vor dem 1. Januar 2007: Art. 28a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 72/05, BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55, unter Hinweis auf das EuGH-Urteil Teleos vom 27. September 2007 C-409/04 u.a., EU:C:2007:548, Rz 69 ff.).

39

c) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen (BFH-Urteil vom 19. März 2015 V R 14/14, BFHE 250, 248, BStBl II 2015, 912, sowie vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596). Das FG ist in dem angegriffenen Urteil davon ausgegangen, dass der Belegnachweis erbracht wurde, während Feststellungen dazu fehlten, ob der Kläger die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers ordnungsgemäß i.S. von § 17c Abs. 2 UStDV aufgezeichnet habe, sodass offenbleibt, ob auch der Buchnachweis erbracht wurde.

40

d) Der Senat sieht gleichwohl von einer Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das FG zur Nachholung der fehlenden Feststellungen ab, weil das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (§ 6a Abs. 1 UStG) objektiv feststeht.

41

aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH und der nunmehr ständigen Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Trotz Nichtvorliegens der formellen Nachweispflichten ist eine Lieferung steuerfrei, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung unbestreitbar feststehen (EuGH-Urteil Collée vom 27. September 2007 C-146/05, EU:C:2007:549, Rz 31 und 33; BFH-Urteile in BFHE 250, 248, BStBl II 2015, 912; in BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55; vom 24. Juli 2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955; vom 21. Mai 2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914; vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957).

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bb) So liegen die Verhältnisse im Streitfall: Das Buch wurde ausweislich der Exportbestätigung von JF von diesem im Handgepäck nach London gebracht, dort von einem Papierexperten begutachtet, in der Galerie von Februar bis Mai 2010 ausgestellt und schließlich von dort aus an eine amerikanische Sammlung verkauft. Dieser Ablauf wird auch vom FA nicht in Zweifel gezogen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2014 hat es daher auf Nachfrage des Gerichts erklärt, dass das direkte Verbringen des Buches von München nach London nicht bestritten werde. Da auch die Unternehmereigenschaft der Galerie und die Erwerbsbesteuerung in Großbritannien feststehen, liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG unstrittig vor.

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4. Der Senat entscheidet durch Urteil, da die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.