Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Okt. 2014 - 4 K 1265/13

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2014:1016.4K1265.13.0A
bei uns veröffentlicht am16.10.2014

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Strittig ist der Werbungskostenabzug für ein Disagio bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

2

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3

Mit notariellem Kaufvertrag vom 26. August 2009 erwarb der Kläger das Mehrfamilienhaus F-Straße Hausnummer in B zum Kaufpreis von 1,5 Mio. €. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger mit einem Hypothekendarlehen bei der X-Bank AG über einen Darlehensbetrag von nominell 1.333.000 €. Der Nominalzinssatz betrug bei einer festen Zinsbindung von 10 Jahren 2,85% jährlich. Bei der Berechnung des Nominalzinssatzes war ein Disagio von 10% der Darlehenssumme berücksichtigt (Blatt 77, 78 der Einkommensteuerakte).

4

In der Einkommensteuererklärung der Eheleute begehrte der Kläger bei der Ermittlung der Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt das Disagio in Höhe von 133.000 € sowie weitere Darlehenskosten in Höhe von 150 € als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen. In dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 26. Mai 2011 berücksichtigte der Beklagte nur einen Betrag von 66.725 € als sofort abzugsfähige Werbungskosten. Der Beklagte erläuterte hierzu, nur der marktübliche Teil von 5% des Disagios sei als Werbungskosten sofort abziehbar. Der über 5% hinausgehende Damnumsbetrag werde auf den Zinsfestschreibungszeitraum von 10 Jahren verteilt und im Streitjahr anteilig in Höhe von 6.673 € berücksichtigt.

5

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und bezogen sich zur Begründung auf die Kommentierung von Glenk in Blümich, EStG (Rn. 104 zu § 11 EStG). Danach sei aus Vereinfachungsgründen von der Marktüblichkeit bei einem Damnum von bis zu 5% bei mindestens fünfjähriger Zinsbindungsdauer auszugehen, was bei zehnjähriger Laufzeit einem Damnum von 10% entspreche. Ein Disagio in Höhe von 10% bedeute, dass eine Zinsreduktion von 1% p.a. erreicht werde. Daher sei davon auszugehen, dass das von ihnen gezahlte Disagio im ersten Jahr in vollem Umfang abzugsfähig sei, wie dies auch bei einem Disagio von 5% bei einer fünfjährigen Zinsbindung der Fall sei.

6

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2013 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung 2009 hinsichtlich der Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt dahingehend, dass er die sonstigen Darlehenskosten in Höhe von 150 € als weitere Werbungskosten berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen, da der Kommentierung von Glenk nicht gefolgt werden könne. Aus den BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003, auf das sich Glenk beziehe und welches er der Anerkennung der streitgegenständlichen Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt habe, ergebe sich diese Schlussfolgerung nämlich nicht. Die übrige Kommentarliteratur zum Einkommensteuergesetz folge ausnahmslos der Ansicht des BMF.

7

Der Kläger trägt vor, das BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003, auf dass sich der Beklagte berufe, stelle lediglich eine Nichtbeanstandungsregelung dar, die nicht ausschließe, dass auch andere Gestaltungen marktüblich seien. Die vom Beklagten herangezogene Kommentarliteratur erschöpfe sich in dem Verweis auf das BMF-Schreiben. Nach der Gesetzesbegründung komme es vielmehr darauf an, ob das Disagio dazu führe, dass der Nominalzins ungewöhnlich niedrig und das Disagio entsprechend hoch bemessen sei. Nach der Effektivzinsstatistik der Deutschen Bundesbank habe der Effektivzins für Immobilienkredite im Mai 2009 an private Haushalte mit fünfjähriger Zinsbindung bei 3,93% p.a., mit 10 Jahren Zinsbindung bei 4,35% p.a. gelegen (Zinsstatistik für Juli 2009 der Deutschen Bundesbank, Blatt 28 der Prozessakte). Vergleiche man die Effektivzinsen für Immobilienkredite an private Haushalte mit fünfjähriger Zinsbindung und mit zehnjähriger Zinsbindung, so ergäben sich Effekte, welche die Annahme von Glenk stützten, ein Disagio von 5% Prozent bei 5 Jahren Zinsbindung sei mit einem Disagio von 10% bei 10 Jahren Zinsbindung vergleichbar. Hier unterschieden sich die Entlastungswirkungen nicht grundsätzlich, so dass man nicht davon ausgehen könne, ein Disagio von 10% bei einer zehnjährigen Zinsbindung sei nicht marktgerecht. Die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG solle Missbrauch verhindern, welcher hier auf Grund der vergleichbaren Entlastungswirkung nicht gegeben sei.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,

9

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 28. Mai 2014 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2013 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses F-Straße Hausnummer in B weitere Werbungskosten in Höhe von 59.685 € berücksichtigt werden.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte trägt vor, im Streitfall sei ein hohes Disagio mit einem ungewöhnlich niedrigen Nominalzins vereinbart worden. Bei einem gleichen Darlehensbetrag, gleicher Sollzinsbindung und gleicher anfänglicher Tilgung ergebe sich ein marktgerechter effektiver Jahreszins von 4,97% und ein Nominalzins von 4,86% (vgl. Berechnung Blatt 39 der Prozessakte). Die Vereinfachungsregelung in dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 könne nicht ausgeweitet und hinsichtlich der "Marktüblichkeit" ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung und einem Disagio von 10% herangezogen werden.

13

Die Einkommensteuerfestsetzung 2009 wurde mit Bescheiden vom 3. Februar 2012 und 28. Mai 2014 aus Gründen, die nicht Gegenstand der Klage sind, geändert.

14

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013, die Kläger haben mit Schriftsatz vom 5. August 2013 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage, über die das Gericht gem. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

16

Der Beklagte hat zu Recht den über 5% hinausgehenden Damnumsbetrag auf den Zinsfestschreibungszeitraum von 10 Jahren verteilt und im Streitjahr nur anteilig in Höhe eines Zehntels berücksichtigt, denn das im Streitfall für das vom Kläger aufgenommene Hypothekendarlehen vereinbarte Disagio von 10% ist nicht als marktüblich anzusehen.

17

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG -in der im Streitjahr geltenden Fassung- sind Ausgaben insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird, wenn Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG ist diese Regelung nach Satz 3 auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.

18

Ein Disagio ist regelmäßig als laufzeitabhängiger Ausgleich für einen niedrigeren Nominalzinssatz und somit als integraler Bestandteil der Zinskalkulation anzusehen (vgl. BGH-Urteil vom 08. Oktober 1996 - XI ZR 283/95, NJW 1996, 3337).

19

Nach der Gesetzesbegründung zur Einführung der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG handelt es sich um eine ergänzende Klarstellung im Gesetz, bei der ohne materiell-rechtliche Änderung die geltende Verwaltungsregelung aus dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 (IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546) in das Gesetz übernommen wird. Diese Ausnahme zum Damnum/Disagio von der Regel, dass für mehr als fünf Jahre im Voraus geleistete Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen sind, für den die Vorauszahlung geleistet wird, entspricht dem einvernehmlichen Willen des Gesetzgebers des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes –EURLUmsG- vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I 2004, 3310, vgl. Bundestagsdrucksache 15/4050 vom 27. Oktober 2004, S. 53). Die Aufwendungen für ein Damnum oder Disagio sind danach wie bisher in Höhe des vom jeweiligen Darlehensnehmer an das Kreditinstitut gezahlten Betrages als Werbungskosten abziehbar, soweit unter Berücksichtigung der jährlichen Zinsbelastung die marktüblichen Beträge nicht überschritten werden. Der über die marktüblichen Beträge hinausgehende Teil ist auf den Zinsfestschreibungszeitraum oder bei dessen Fehlen auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen. Eine Zinsvorauszahlung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Nominalzins ungewöhnlich niedrig und das Damnum entsprechend hoch bemessen ist. Aus Vereinfachungsgründen kann von der Marktüblichkeit ausgegangen werden, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Damnum in Höhe von bis zu 5% vereinbart worden ist (BT-Drucksache 16/2712 vom 25. September 2006 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 -JStG 2007-).

20

Diese Gesetzesbegründung ist nach übereinstimmender Auffassung in der Literatur für die Auslegung der Regelung heranzuziehen (vgl. Krüger in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014 Rn. 44 zu § 11; Kramer in Bordewin/Brandt, EStG, Rn. 53 Stichwort "Darlehen"; Kister in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG Anm. 129 Stichwort "Marktüblichkeit" zu § 11 EStG). Das Gericht sieht keinen Anlass, davon abzugehen.

21

Auch nach der Auffassung von Glenk in Blümich (EStG, Rn. 102 zu § 11 EStG) ist grundsätzlich nach der Regelung in dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 (IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546) zu verfahren. Dies bedeutet, da auch nach allgemeiner Auffassung eine Zinsvorauszahlung regelmäßig anzunehmen ist, wenn der Nominalzins ungewöhnlich niedrig und das Damnum entsprechend hoch bemessen ist, dass im Streitfall eine solche Zinsvorauszahlung vorliegt, auf die die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist.

22

Im Streitfall ist der Nominalzins von 2,85% bei dem vom Kläger aufgenommenen Darlehen ungewöhnlich niedrig und deutlich niedriger als der Marktzins. Dies belegen die Berechnung des Beklagten und die vom Kläger selbst vorgelegte Übersicht über Effektivzinsen für Immobilienkredite nach der Zinsstatistik für Juli 2009 der Deutschen Bundesbank (diese betragen bei Wohnungsbaukrediten an private Haushalten mit Ursprungslaufzeit von über einem Jahr bis fünf Jahre ca. 4,6% und von über 5 Jahren ca. 5%). Das Disagio bei dem vom Kläger aufgenommenen Darlehen ist dementsprechend ungewöhnlich hoch. Mit diesem hohen Damnum hat sich der Kläger die niedrigen Nominalzinsen für die Laufzeit des Darlehens "erkauft".

23

Da das Damnum bei dem vom Kläger aufgenommenen Darlehen höher ist als 5%, greift die Vereinfachungsregelung nach dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 (IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546) und der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/2712 vom 25. September 2006 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 -JStG 2007-) nicht ein. Denn diese Grenze der Vereinfachungsregel von 5% für ein Damnum gilt nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung nämlich für Darlehen mit einer Laufzeit von mindestens 5 Jahren; von diesem Wortlaut ist daher auch ein Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren -wie das streitgegenständliche- umfasst.

24

Die in Blümich (EStG, Rn. 102 zu § 11 EStG) weiter geäußerte Auffassung von Glenk, die Marktüblichkeit eines Damnums von bis zu 5% bei mindestens fünfjähriger Zinsbindungsdauer entspreche bei zehnjähriger Laufzeit einem Damnum von bis zu 10%, ist nicht nachvollziehbar. Glenk hat hierzu auch keine Begründung geliefert. Dieser Auffassung ist nach Ansicht des Gerichts nicht zu folgen.

25

Die Regelung des § 11 EStG hat die Funktion, Einnahmen und Ausgaben einem Kalenderjahr zeitlich zuzuordnen. Die Vorschrift folgt dabei grundsätzlich dem Zu- und Abflussprinzip, enthält indes Durchbrechungen dieses Prinzips (vgl. BFH-Vorlagebeschluss vom 7. Dezember 2010 – IX R 70/07, BStBl. II 2011, 346). Um eine solche Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips handelt es sich bei der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG, welche wiederum von der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG eingeschränkt wird. Sieht man daher die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG als Grundregel und die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG als Ausnahme, so folgt daraus, dass die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG restriktiv auszulegen ist. Denn Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich restriktiv auszulegen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 353 ff.).

26

Zudem sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH in Verwaltungsanweisungen enthaltene Pauschbeträge nur auf solche Sachverhalte anzuwenden, für die die Anweisungen nach dem Verständnis der Verwaltung gelten sollen. Die Steuergerichte dürfen die Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen. Sie dürfen sie nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Finanzbehörden nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung möglich ist. Bei Zweifelsfragen ist es Sache der Verwaltungsbehörden zu entscheiden, ob die Vereinfachungsregelung anzuwenden ist oder nicht (vgl. BFH, Urteil vom 11. Dezember 1987 – VI R 147/85, BStBl. II 1988, 445). Da die frühere Verwaltungsregelung in dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2003 (IV C 3-S 2253a-48/03, BStBl. I 2003, 546) Eingang in die Gesetzesbegründung gefunden hat und nach einhelliger Ansicht in der Literatur zur Auslegung der Vorschrift heranzuziehen ist, kann auch hier die Vereinfachungsregelung nicht wie von Glenk angenommen auf andere Sachverhalte übertragen werden. Beträgt ein Damnum daher mehr als 5%, ist nach dem Gesetzeswortlaut für den sofortigen Werbungskostenabzug ausschlaggebend, ob dieses marktüblich ist.

27

Die von den Klägern dargelegte Berechnung, wonach die "Entlastungswirkung" gleich bleibe, ist insoweit unerheblich. Es geht nicht um die vergleichbare Belastung eines Steuerpflichtigen oder "Entlastungswirkung" hinsichtlich des über die Laufzeit vereinbarten Nominalzinses bei einem Damnum von bis zu 5% bei mindestens fünfjähriger Zinsbindungsdauer im Vergleich zu einem Damnum von bis zu 10% bei zehnjähriger Zinsbindungsdauer bzw. Laufzeit über den Gesamtzeitraum. Die Berechnungen des Klägers besagen insoweit nichts darüber, ob ein Disagio von 10% bei einem Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindungsdauer bzw. Laufzeit marktüblich ist.

28

Eine solche Marktüblichkeit haben die Kläger aber nicht nachgewiesen und eine solche lässt sich auch durch das Gericht nicht feststellen. Da die Kläger aber nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellungslast für steuermindernde Tatsachen tragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 2010 - IV R 17/09, BStBl. II 2011, 419), geht dies zu ihren Lasten.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

30

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Okt. 2014 - 4 K 1265/13

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Okt. 2014 - 4 K 1265/13

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Einkommensteuergesetz - EStG | § 11


(1) 1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. 2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu
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Bundesfinanzhof Vorlagebeschluss, 07. Dez. 2010 - IX R 70/07

bei uns veröffentlicht am 07.12.2010

Tatbestand 1 A. Gegenstand der Vorlage 2 I. Sachverhalt

Bundesfinanzhof Urteil, 01. Dez. 2010 - IV R 17/09

bei uns veröffentlicht am 01.12.2010

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (2000 bis 2002) eine Lotto-Servicegesellschaft. Am 18. Februar 2000 firmierte d
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Okt. 2014 - 4 K 1265/13.

Bundesfinanzhof Urteil, 08. März 2016 - IX R 38/14

bei uns veröffentlicht am 08.03.2016

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014  4 K 1265/13 aufgehoben.

Referenzen

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

Tatbestand

1

A. Gegenstand der Vorlage

2

I. Sachverhalt

3

Die Beteiligten streiten darüber, ob im Streitjahr (2004) für 99 Jahre im Voraus geleistete Erbbauzinsen insgesamt im Streitjahr als Werbungskosten abziehbar sind.

4

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im August des Streitjahres einen Miterbbaurechtsanteil an einem auf 99 Jahre bestellten Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Wohnung. Ein Betrag von insgesamt 36.350 € sollte zur Abgeltung aller Erbbauzinsansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts dienen und wurde zusammen mit dem Kaufpreis im September des Streitjahres bezahlt. Zum 1. Oktober gingen Besitz, Nutzungen und Lasten über.

5

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr machte der Kläger den für 99 Jahre im Voraus gezahlten Erbbauzins von 36.350 € bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend. Demgegenüber berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) nur den auf das Streitjahr entfallenden Teil (also 1/99 der Vorauszahlung = 368 €) der Erbbauzinsen als Werbungskosten.

Entscheidungsgründe

6

II. Entscheidung des Finanzgerichts

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2008, 145 veröffentlichten Urteil vertrat es die Auffassung, die durch § 52 Abs. 30 EStG angeordnete Geltung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG im Streitjahr sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Kläger habe nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. September 2003 IX R 65/02 (BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159) bis zum Inkrafttreten der Neuregelung kein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Vertrauen aufbauen können. Mit seinem Urteil vom 27. Juli 1994 X R 141/93 (BFHE 175, 124, BStBl II 1995, 111) habe der BFH festgestellt, dass der für die Nutzung eines Grundstücks zu zahlende Einmalbetrag für Erbbauzinsen nicht zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehöre, sondern als Entgelt für die Nutzung des Grundstücks ebenfalls laufzeitabhängig auf die Nutzungsdauer des Erbbaurechts zu verteilen sei. Angesichts dieser Rechtsprechung und der langjährigen Verwaltungspraxis aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1440) habe mit der Änderung der Rechtsprechung durch das BFH-Urteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG kein schutzwürdiges Vertrauen dahin entstehen können, dass die Vereinbarung in jedem Fall zu einer sofortigen Abziehbarkeit der in einer Summe zu leistenden Erbbauzinsen führen würde. Zudem habe es die Finanzverwaltung unterlassen, das BFH-Urteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 in den Jahren 2003 und 2004 im BStBl zu veröffentlichen. Damit habe dieses Urteil nach der Auffassung der Verwaltung nicht allgemein angewandt werden sollen.

8

III. Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren

9

Mit der Revision macht der Kläger die Verfassungswidrigkeit von § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG geltend. Die Regelung enthalte mit Blick auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 (BGBl I 2010, 1296 --Leitsatz--, BFH/NV 2010, 1959), 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06 (BGBl I 2010, 1297 --Leitsatz--, BFH/NV 2010, 1968) und 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BGBl I 2010, 1296 --Leitsatz--, BFH/NV 2010, 1976) eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung, weil der Gesetzgeber in abgeschlossene Dispositionsentscheidungen des Steuerpflichtigen eingreife. Der Kläger habe die Erbpachtzinsen im Vertrauen auf die eindeutige Rechtslage und die dadurch bedingte sofortige Abziehbarkeit dieser Aufwendungen als Werbungskosten im Voraus gezahlt. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass der Gesetzgeber nicht willkürlich nachträglich die unerwünschte Entscheidung des höchsten Finanzgerichts rückwirkend durch entsprechende Gesetzesänderungen korrigieren und damit die rechtwidrige Verwaltungspraxis letztendlich legalisieren würde.

10

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2006 aufzuheben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidungen bei dem Kläger im Streitjahr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusätzliche Werbungskosten von 35.982 € zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2004 entsprechend herabzusetzen,

und regt überdies an,

die Sache dem BVerfG vorzulegen.

11

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Es sieht in § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG keine verfassungsrechtlich unzulässig rückwirkende Regelung. Der Kläger habe kein Vertrauen in die Rechtsprechung entwickeln können.

13

IV. Prozessgeschichte

14

Der Senat hat im Einverständnis beider Beteiligter das Verfahren durch Beschluss vom 7. Mai 2009 bis zur Entscheidung des BVerfG über die Vorlage des BFH vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) ruhen lassen und das Verfahren mit Beschluss vom 10. September 2010 wieder aufgenommen.

15

B. Entscheidungsgründe

16

Die Vorlage an das BVerfG ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der erkennende Senat § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG insoweit für verfassungswidrig hält, als danach auch Erbbauzinsen, deren Ablösung durch eine Einmalzahlung im notariell beurkundeten Kaufvertrag vom August 2004 vereinbart und tatsächlich auch im September 2004 gezahlt wurden, rückwirkend --entgegen der zu dieser Zeit geltenden Rechtslage-- nicht mehr in einer Summe als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) berücksichtigt werden können, sondern auf den Zeitraum verteilt werden, für den die Vorauszahlung geleistet wurde.

17

I. Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgebenden Vorschriften

18

§ 11 EStG als Periodenabgrenzung bei Überschusseinkunftsarten beruht letztlich auf dem Einkommensteuergesetz 1934 vom 16. Oktober 1934 (RGBl I 1934, 1005, RStBl 1934, 1261) und dem dort zugrunde gelegten sog. Zufluss- (§ 11 Abs. 1) und Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2), das für wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben (§ 11 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 2 Satz 2) durchbrochen wurde. Mit dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) sowie mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) nimmt das Gesetz für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf Sondervorschriften im Lohnsteuerrecht Bezug.

19

Schließlich schuf der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310), das am 15. Dezember 2004 verkündet wurde, die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften des § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG, und zwar zusammen mit der für die Einnahmeseite geltenden Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG. Danach können Einnahmen und müssen Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren geleistet werden, auf den entsprechenden Zeitraum gleichmäßig verteilt werden. Mit der am 27. Oktober 2004 dem Bundestag zugeleiteten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BTDrucks 15/4050), auf dem die Normen beruhen, reagierte der Gesetzgeber auf das Urteil des BFH in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159. Er befürchtete erhebliche Haushaltsmindereinnahmen durch die uneingeschränkte Anwendung des Urteils. "Seit Bekanntwerden des Urteils", heißt es in der Entwurfsbegründung, "werden von der Immobilienbranche (Immobilienfonds, Bauträger) intensive Vorbereitungen für den Verkauf von Immobilien im Erbbaurecht getroffen, die zum erneuten Aufleben von Steuersparmodellen mit Immobilien führen dürften. Räumt z.B. eine Bauträger-GmbH für ein Grundstück ihres Betriebsvermögens Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Erbbaurecht ein, so könnten letztere die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort in voller Höhe im Kalenderjahr der Zahlung als Werbungskosten geltend machen. Bei der GmbH hingegen muss der Einmalbetrag über die Laufzeit der Vorauszahlung im Wege der Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens verteilt werden. Beleg für die zu erwartenden Haushaltsmindereinnahmen ist ein vom Dezember 1995 bis Januar 1996 entstandenes sechswöchiges Zeitfenster, in dem bei geschlossenen Immobilienfonds im Rahmen bestimmter Vorgaben Einmalzahlungen von Erbpachtzinsen als sofort abziehbare Werbungskosten anerkannt worden sind. Die entstandenen Steuerausfälle nur im Bereich von geschlossenen Immobilienfonds und nur auf ein Bundesland bezogen sind griffweise auf 500 Mio. Euro geschätzt worden. Nicht zu beziffern sind Steuermindereinnahmen durch künftig mögliche andere Steuergestaltungen (z.B. im Bereich der Bauträgermodelle), die wegen der Kürze der damals vorgegebenen Zeit (rd. sechs Wochen) seinerzeit nicht genutzt werden konnten. Die Finanzverwaltung konnte einer weiteren Verbreitung dieser Modelle mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1440) begegnen, das aber wegen der neuen BFH-Entscheidung nicht mehr aufrecht erhalten werden kann" (BTDrucks 15/4050, S. 56 zu Nr. 3a --neu--, § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 --neu--).

20

Nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG sind § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 EStG im Hinblick (u.a.) auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 geleistet wurden. Hierin sieht der Gesetzgeber kein verfassungsrechtliches Problem. "Soweit durch die Änderung Leistungen, wie z. B. in einem Betrag erfolgte Zahlungen von Erbbauzinsen erfasst werden, die zwischen dem 31. Dezember 2003 und der Verkündung der Neuregelung erbracht wurden," heißt es in der Entwurfsbegründung, "liegt nach der Veranlagungszeitraumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine zulässige unechte Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 97, 67 [78]; 72, 200), da eine Verletzung des schutzwürdigen Interesses der Betroffenen nicht gegeben ist. Darüber hinaus werden gegenüber der bisherigen Verwaltungspraxis eher die Spielräume der Betroffenen erweitert, indem einerseits langfristige Nutzungsüberlassungen von mehr als fünf Jahren in die Neuregelung einbezogen werden, andererseits der Erbbauverpflichtete bei der Verteilung der Zinseinnahmen künftig nicht mehr auf die bisher geltende 10-jährige Höchstgrenze beschränkt wird" (so BTDrucks 15/4050, S. 57 f. zu Nr. 22 - Zu Buchstabe b1 --neu--).

21

II. Verfassungsrechtliche Beurteilung in Rechtsprechung und Schrifttum

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1. Weder das BVerfG noch der BFH haben bislang zu § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG in verfassungsrechtlicher Hinsicht Stellung bezogen. Die Finanzgerichte haben sich bereits mit der Rückwirkungsproblematik beschäftigt. Das FG München hat in einer Aussetzungssache ernstliche Zweifel daran, ob die rückwirkende Geltung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG verfassungsmäßig ist (FG München, Beschluss vom 25. April 2007  5 V 343/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1398). Im Übrigen haben die Finanzgerichte als Vorinstanzen der beim BFH anhängigen Verfahren die Rückwirkung als verfassungsrechtlich unproblematisch beurteilt (vgl. FG Nürnberg in DStRE 2008, 145, als Vorinstanz dieses Revisionsverfahrens; FG München, Urteil vom 31. Juli 2007  12 K 3363/06, EFG 2008, 115, als Vorinstanz des Revisionsverfahrens IX R 48/07, und FG Münster, Urteil vom 8. Mai 2007  1 K 4916/05 F, EFG 2007, 1593, als Vorinstanz des Revisionsverfahrens IX R 46/07).

23

2. Im Schrifttum überwiegen --soweit sich mit der verfassungsrechtlichen Fragestellung beschäftigt wird-- Äußerungen, die die rückwirkende Geltung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG für verfassungsrechtlich zweifelhaft halten. In dieser Weise kritisch äußerten sich Fleischmann (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 1822 ff.), Ley/Strahl (DStR 2004, 2073, 2074, Fn. 12), Korn/Strahl (Kölner Steuerdialog 2005, 14514) und Beck (Finanz-Rundschau 2004, 1226, 1228). Die Kommentarliteratur referiert im Wesentlichen die Problemlage, ohne jedoch im Einzelnen Stellung zu beziehen (so z.B. Birk/Kister in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 11 EStG Rz 124; Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl.,  § 11 Rz 6; Schiffers in Korn, § 11 EStG Rz 3.1; Kramer in Bordewin/Brandt, § 11 EStG Rz 51a). Glenk (in: Blümich, § 11 EStG Rz 98) äußert zwar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, meint indes, ein verfassungsrechtlich schutzwürdiges Vertrauen habe sich bis zum Inkrafttreten der Neuregelung schwerlich bilden können.

24

III. Rechtsansicht des vorlegenden Senats zur Verfassungsfrage

25

Nach der Überzeugung des vorlegenden Senats ist § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Regelung bewirkt im Streitfall als unzulässige unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz des Klägers.

26

1. § 11 EStG hat die Funktion, Einnahmen und Ausgaben (im hier gegebenen Zusammenhang: §§ 8, 9 EStG) einem Kalenderjahr zeitlich zuzuordnen. Die Vorschrift folgt dabei grundsätzlich dem Zu- und Abflussprinzip, enthält indes in den Bestimmungen, um die es hier geht, Durchbrechungen dieses Prinzips (vgl. zur Struktur der Norm Seiler, in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 11 Rz 2; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 11 Rz A 4 ff.; Blümich/Glenk, § 11 EStG Rz 9). Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 geleistet wurden.

27

Auf der Grundlage dieser Vorschriften haben das FA und das FG zutreffend die im August des Streitjahres vereinbarte und im September des Streitjahres geleistete Zahlung zur Ablösung des Erbbauzinses von 36.350 € auf den Zeitraum gleichmäßig verteilt, für den die Vorauszahlung geleistet worden ist (99 Jahre) und als Werbungskosten lediglich den auf das Streitjahr entfallenden Anteil abgezogen.

28

2. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG ist an den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes zu messen. Mit der Vereinbarung in § 3 des notariellen Kaufvertrags über die Ablösung des Erbbaurechts durch eine Einmalzahlung vom August des Streitjahres sowie der tatsächlichen Zahlung im September des Streitjahres hat der Kläger eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen. Seine damit verbundene Erwartung, den insgesamt gezahlten Betrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr abzuziehen, ist schutzwürdig.

29

a) Zwar begründet § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG keine --regelmäßig verfassungswidrige-- echte Rückwirkung.

30

Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Die maßgebende Rechtsfolge steuerrechtlicher Normen ist das Entstehen der Steuerschuld. Deshalb liegt eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung nur vor, wenn das Gesetz eine bereits nach § 38 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums (§ 25 Abs. 1 EStG) entstandene Einkommensteuer nachträglich abändert (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1959 Rz 56 und 59 f., m.w.N.). So verhält es sich hier nicht; denn die Einkommensteuer für das Streitjahr (2004) war noch nicht entstanden, als das Richtlinien-Umsetzungsgesetz am 15. Dezember 2004 verkündet wurde.

31

b) Indessen führt § 52 Abs. 30 EStG im Streitfall zu einer unzulässigen unechten Rückwirkung.

32

Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist zwar nicht grundsätzlich unzulässig, mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes aber nur vereinbar, wenn sie --in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit-- zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. i.E. BVerfG-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 1959 Rz 58 bis 61, und in BFH/NV 2010, 1968 Rz 68 und 69, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG und dem Schrifttum).

33

aa) Die Neuregelung der Besteuerung von Erbbauzinsen i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) wurde am 15. Dezember 2004 verkündet und ist für Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2003 geleistet wurden. Dies führt zu einer unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung) in allen Fällen, in denen die Vorauszahlung vor der Verkündung (also vor dem 15. Dezember 2004) vereinbart und gezahlt wurde.

34

bb) Hierin liegt ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, soweit die Leistung von Erbbauzinsen im Voraus noch vor der Einbringung des Gesetzesentwurfs in den Bundestag am 27. Oktober 2004 rechtsverbindlich vereinbart wurde. Im Übrigen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn im Voraus geleistete Erbbauzinsen in die Neuregelung einbezogen werden, es sei denn, sie wurden vor der Verkündung des neuen Rechts geleistet. Der Senat sieht das Datum der Einbringung des Gesetzesentwurfs im Bundestag für den Vertrauensschutz als maßgebend an und verweist zur näheren Begründung auf den Beschluss des BVerfG in BFH/NV 2010, 1968 Rz 74. Das bedeutet hier: Ab dem Zeitpunkt, in dem die Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses dem Bundestag zugeleitet wurden, also ab dem 27. Oktober 2004, wurde die geplante gesetzliche Änderung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG öffentlich, so dass ein entsprechend fachlich beratener Steuerpflichtiger bei seinen Dispositionen (hier beim Abschluss eines Kaufvertrags mit dem Recht, Erbbauzinsen in einem Einmalbetrag auszugleichen) nicht mehr darauf vertrauen konnte, das gegenwärtig geltende Recht (ohne die Ausnahmen vom Abflussprinzip) werde unverändert fortbestehen. Wenn das FA demgegenüber (auch) auf einen angeblichen, nicht veröffentlichten Referentenentwurf im Juni 2004 Bezug nimmt, so kommt es darauf schon mangels Publizierung nicht an.

35

cc) Soweit die Vereinbarung über die Vorauszahlung aber noch vor der Einbringung in den Bundestag getroffen wurde, ist das   Vertrauen des Steuerpflichtigen   in den Fortbestand geltenden Rechts und die damit verbundene Erwartung, die Vorauszahlung der Erbbauzinsen könne in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, uneingeschränkt   schutzwürdig.

36

aaa) In Bezug auf den Vertrauensschutz sind zwei Begründungselemente zu unterscheiden:       

-

die Qualifizierung der Erbbauzinsen als Nutzungsentgelt

und

-

die Verteilung dieser Aufwendungen auf die Zeit der

Nutzungsüberlassung.

37

(1) Wie der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 ausgeführt hat, sind Erbbauzinsen keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks. Deshalb können Erbbauzinsen nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG auf die Laufzeit des Erbbaurechts verteilt werden, sondern sind sofort als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Diese Auffassung entspricht, wie der erkennende Senat in seinem Urteil explizit darlegte, der ständigen Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung im Schrifttum. Sie wird insbesondere auch vom X. Senat des BFH zur Auslegung des § 10e EStG vertreten.

38

Wenn das FG sich dagegen auf das BFH-Urteil in BFHE 175, 124, BStBl II 1995, 111 beruft, so ist dazu Folgendes zu sagen: Auch der X. Senat geht in diesem Urteil davon aus, dass es sich bei einmalig zu zahlenden Erbbauzinsen nicht um Anschaffungskosten handelt, sondern um ein Nutzungsentgelt. Zur näheren Begründung verweist dieses Urteil auf das Grundsatzurteil vom 8. Juni 1994 X R 51/91 (BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779), in dem im Einzelnen begründet wird, dass es sich bei dem Erbbauzins um ein Nutzungsentgelt handelt.

39

Allerdings sind diese Nutzungsentgelte im Bereich des § 10e Abs. 6 EStG aufzuteilen. Das folgt aber nicht aus § 11 Abs. 2 EStG, sondern aus einer spezifischen Auslegung des § 10e Abs. 6 EStG. Ein vorausbezahltes Nutzungsentgelt ist nur insoweit den Vorkosten zuordenbar, als es die Nutzung des Grundstücks bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken abgilt (so BFH-Urteil in BFHE 175, 124, BStBl II 1995, 111, unter II. 2. a).

40

Deshalb lässt sich feststellen, dass nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung der Erbbauzins ein Nutzungsentgelt und keine Anschaffungskosten für das Erbbaurecht darstellt.

41

(2) Davon zu trennen ist die Fragestellung, ob man das Nutzungsentgelt, das für die gesamte Zeit der Nutzung im Voraus gezahlt wird, zeitanteilig zuordnen muss. Hierfür gab es bis zur Neuregelung durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 9. Dezember 2004 indes keine Rechtsgrundlage. Denn nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. In der Fassung vor der einschlägigen Änderung (EStG a.F.) sah das Gesetz Ausnahmen von diesem Abflussprinzip in § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. nur für wiederkehrende Ausgaben vor. Auch § 42 AO rechtfertigt bei einem hinreichenden wirtschaftlichen Grund für die Vorauszahlung (hier wie auch sonst: Vermeiden der jährlichen Steigerungen des Erbbauzinses) keine Verteilung der Erbbauzinsen entgegen § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159, unter II. 2. c und d).

42

(3) Deshalb gilt (und hier vereinigen sich die Begründungsstränge wiederum):   Weil   es sich bei den Erbbauzinsen eben nicht um Anschaffungskosten des Erbbaurechts handelt, sind sie nicht pro rata temporis für die Zeit des Nutzungsrechts zu verteilen, sondern sofort als Werbungskosten abziehbar.

43

bbb) Das bedeutet für den Vertrauensschutz: Der Steuerpflichtige konnte nach dem Ergehen des BFH-Urteils in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159, das sich (auch) im Leitsatz ausdrücklich gegen das von dieser --auch vorher schon-- allgemeingültigen und akzeptierten Rechtsauffassung abweichende Schreiben des BMF in BStBl I 1996, 1440 wandte, darauf vertrauen, dass Erbbauzinsen in allen Fällen als sofort abziehbare Werbungskosten und nicht etwa als Anschaffungskosten beurteilt werden, und zwar auch dann, wenn er sie in einer Summe vorab zahlt. Vertrauensgrundlage ist deshalb eben nicht nur das zitierte Senatsurteil, sondern      

-

die ständige Rechtsprechung des BFH zur Qualifizierung

der Erbbauzinsen sowie

-

die klare gesetzliche Regelung über die Periodenzurech-

nung der Ausgabe in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG

44

ccc) Dieses Vertrauen des Steuerbürgers in die Gesetzesauslegung durch das oberste Steuergericht wird nicht in Frage gestellt durch eine dem nicht entsprechende Verwaltungspraxis.

45

(1) Diese Verwaltungspraxis beruht auf dem BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 1440. In dieser Weisung i.S. von Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG i.V.m. Art. 85 Abs. 3 GG vertritt das BMF (im Ansatz ähnlich BFH-Urteil vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187) die Auffassung, vorausgezahlte oder in einem Einmalbetrag gezahlte Erbbauzinsen seien den Anschaffungskosten des Erbbaurechts zuzuordnen. Deshalb seien derart geleistete Erbbauzinsen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechts nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG abziehbar.

46

(2) Wird indes eine ständige Rechtsprechung des BFH (hier zur Rechtsqualität der Erbbauzinsen als abziehbare Werbungskosten statt als Anschaffungskosten des Erbbaurechts) in einem zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehenen Grundsatzurteil nach Ergehen einer hiermit im Widerspruch stehenden, norminterpretierenden Verwaltungsanweisung erneut bestätigt, kann der Steuerpflichtige auf ihre Geltung vertrauen.

47

(3) Zwar präjudiziert eine Entscheidung des BFH grundsätzlich nicht --wie eine Norm-- in anderen Fällen; sie ist nicht allgemeinverbindlich (vgl. dazu Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt; in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts --HStR--, III, § 73 Rz 15; Ossenbühl, Archiv des öffentlichen Rechts 92 (1967), S. 478 ff.). Wer von ihr abweicht, verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Ihr Geltungsanspruch über den Einzelfall hinaus beruht auf der Überzeugungskraft der Gründe (zum Vorstehenden BVerfG-Beschluss vom 26. Juni 1991  1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212, unter C. I. 2. b, m.w.N.).

48

(4) Ob sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ein normativer Vorrang von Rechtsmeinungen des BFH gegenüber den Rechtsmeinungen des BMF herleiten lässt (verneinend Wieland, DStR 2004, 1, 5; vgl. in dieser Richtung auch den --diskurstheoretischen-- Ansatz von Weber-Grellet, in Tipke/Seer/Hey/Englisch (Hrsg.), Festschrift für Joachim Lang, 2010, S. 927 ff.), mag dahinstehen. Höchstrichterliche Rechtsprechung hat jedenfalls nicht bloß eine offenkundige faktische Wirkungsmacht. Ihr kommt nicht nur Bedeutung in Bezug auf den jeweiligen Streitgegenstand (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zu (eingehend dazu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 110 FGO Rz 98 ff.; Pezzer, DStR 2004, 525 ff.). Die Rechtsordnung schreibt den obersten Bundesgerichten (Art. 95 Abs. 1 GG) die Leitfunktion zu, das Recht fortzubilden und Wertungswidersprüche im geltenden Recht zu minimieren. Dies gilt innerhalb der Gerichtsbarkeit, innerhalb der einzelnen Bundesgerichte (vgl. dazu § 132 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes; § 11 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung; § 45 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes; § 41 Abs. 2 der Sozialgerichtsordnung und schließlich § 11 Abs. 2 FGO) ebenso wie für Divergenzen der Bundesgerichte untereinander (Art. 95 Abs. 3 GG). Das jeweilige oberste Bundesgericht muss für seine Fachgerichtsbarkeit dafür Sorge tragen, die Einheit und die Widerspruchsfreiheit zu wahren. Seine Aufgabe ist --was sich für den BFH aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO erschließt-- nicht nur, im Einzelfall Recht zu finden, sondern darüber hinaus auch, das Recht fortzubilden und eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern. Die Verfahrensordnungen versuchen also, die Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsanwendung möglichst lückenlos zu gewährleisten. Die letzten Instanzen haben das letzte Wort darüber, was Recht ist. Sie entscheiden abschließend, wie Recht richtig anzuwenden ist (vgl. dazu eingehend Rüthers/Fischer, Rechtstheorie, 5. Aufl. 2010, Rz 245 ff; vgl. zu § 115 FGO unter Vertrauensschutzaspekten auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 75; zum Vertrauensschutz im Bereich der Revisionszulassung wegen materieller Rechtsfehler vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. die Beschlüsse vom 28. Juli 2003 V B 72/02, BFH/NV 2003, 1597, und vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113, jeweils m.w.N.; vgl. dazu auch C.E. Hughes, Addresses and Papers of Charles Evan Hughes governor of New York, 1906 bis 1908, New York 1908, S. 139: "We are under a constitution, but the constitution is, what the judges say it is").

49

(5) Dieser einfachrechtliche Befund entspricht der verfassungsrechtlichen Funktionszuordnung im Rahmen einer ausbalancierten   Gewaltendifferenzierung.   Die Rechtsprechung entfaltet als judikative Gewalt (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 2 Satz 2; Art. 92, 95, 97 GG) im Dreiklang der Staatsgewalten eine eigenständige Rationalität gegenüber den anderen Staatsgewalten (Di Fabio in Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl., 2004, § 27 Rz 25), indem sie die Aufgabe wahrnimmt, das einfache Recht --respektive, bezogen auf den BFH, das Steuerrecht-- letztverantwortlich auszulegen. Die "Einheitlichkeit der Rechtsprechung" ist Verfassungsauftrag (Art. 95 Abs. 3 Satz 1 GG). Die Exekutive vermag Entscheidungen des BFH nicht aufzuheben, wohl aber der BFH Entscheidungen der Verwaltung (zur zentralen Aufgabe zur Kontrolle der Exekutive vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 19 IV Rz 10). In diesem Kernbereich ihrer Funktion ist die höchstrichterliche Rechtsprechung nach Organisation, Verfahren und --verfassungsrechtlich durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleisteter-- Unabhängigkeit der entscheidenden Organe vorrangig --z.B. vor der hierarchisch gegliederten, überdies für öffentliche Haushalte verantwortlichen Finanzverwaltung-- dazu berufen, das Steuergesetz optimal auszulegen und die Maßstäbe zu setzen, um es anzuwenden (eingehend dazu Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung - Bedingungen und Grenzen für Nichtanwendungserlasse, Habilitationsschrift 2009, Manuskriptfassung, S. 293 ff., 322 ff., m.w.N. aus Schrifttum und Rechtsprechung; Poscher in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts I, § 8 Rz 61; Hoffmann-Riem, ebenda, § 10 Rz 81; Di Fabio in Isensee/ Kirchhof, HStR II, 3. Aufl., 2004, § 27 Rz 26; Spindler, DStR 2007, 1061 ff.; Lange, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3657 ff.).

50

Dies bedeutet für den Vertrauensschutz: Das Vertrauen in die nach einer konfligierenden Verwaltungsvorschrift ergangene, die bisherige Rechtsprechung bestätigende und die Auffassung der Verwaltung zurückweisende Entscheidung ist schutzwürdig. Der Steuerpflichtige darf also --bezogen auf den Streitfall-- darauf vertrauen, dass es sich bei den Erbbauzinsen auch dann um die Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks zur Nutzung handelt, wenn dieses Nutzungsentgelt im Voraus geleistet wird. Eine Rechtsgrundlage zur Verteilung dieses Entgelts fand sich in § 11 Abs. 2 EStG a.F. nicht. Deshalb konnte der Steuerpflichtige davon ausgehen, die vorab gezahlten Erbbauzinsen in einer Summe als Werbungskosten abziehen zu dürfen.

51

ddd) Dieses Vertrauen des Steuerpflichtigen wird auch nicht durch   Nichtanwenden   der BFH-Entscheidung in Frage gestellt.

52

(1) Dem Vertrauensschutz steht nicht entgegen, dass die Finanzverwaltung das Urteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 erst im Jahre 2005 im BStBl II veröffentlicht, vorher aber ersichtlich nicht angewandt hat (hier aufgrund der Rundverfügung der Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg vom 6. August 2004, S 0220 -8 St 312, S 0220- 84/St 24, AO-Kartei BY § 85 AO Karte 1). Man mag über die rechtliche Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von sog. Nichtanwendungserlassen streiten. Darf sich die Finanzverwaltung damit jedenfalls ohne ausreichende Gründe nicht beliebig über die höchstrichterliche Rechtsprechung hinwegsetzen (zum Diskussionsstand: Lange in HHSp, FGO § 110 Rz 102 f.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 119; jeweils m.w.N.; eingehend Desens, a.a.O., passim), so würde es der Balance im System der Gewaltenteilung, der gegenüber anderen Gewalten geschuldeten Loyalität und damit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG; zum Kernbereich vgl. Herzog in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 20 V. Rz 115; Di Fabio in Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl., 2004, § 27 Rz 4; zu Loyalitätspflichten Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., 2010, Art. 20 Abs. 2 Rz 215 ff., 225, m.w.N.) widerstreiten, wenn es die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil --ohne sich mit den Gründen in einem Nichtanwendungserlass auseinanderzusetzen-- gar nicht erst veröffentlicht, in der Hand hätte, Vertrauen des Bürgers in eine ständige Rechtsprechung a priori nicht entstehen zu lassen (vgl. dazu auch Spindler, DStR 2007, 1061, 1064 f., m.w.N.), mit der Folge, dass der Gesetzgeber in weitem Maße von rückwirkenden Regelungen Gebrauch machen könnte. Eine in dieser Weise Vertrauen desavouierende Wirkung des Nichtveröffentlichens hätte zur Folge, dass die Judikative mit ihrer rechtsfortbildenden Funktion in eine weitreichende Abhängigkeit der Exekutive geriete, so dass jede Entscheidung erst mit einem "Gütesiegel" der Verwaltung versehen werden müsste, um Vertrauen in die Rechtsprechung auszulösen. Damit griffe die Exekutive in nicht zu rechtfertigender Weise in den Kernbereich der dritten Gewalt ein. Die zweite Gewalt würde auf diese Weise ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die dritte Gewalt erhalten (vgl. dazu BVerfG-Entscheidung vom 20. Juni 1967  2 BvL 10/64, BVerfGE 22, 106, unter B. II. 2.).

53

(2) Diese Aussage erschöpft sich nicht in der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Selbst wenn das Vertrauen des Steuerpflichtigen   tatsächlich   und nicht normativ zu verstehen ist, ist das --wie hier-- betätigte Vertrauen in eine von der Verwaltungspraxis abweichende Rechtsprechung von vornherein schutzwürdig, wenn sich das höchstrichterliche Urteil mit der konfligierenden Auffassung der Verwaltung explizit auseinandergesetzt, sie aber als nicht mit der Rechtslage übereinstimmend verworfen hat, die Finanzverwaltung es ihrerseits indes, ohne Gründe zu nennen, unterlässt, diese Rechtsprechung anzuwenden. Die von der überwiegenden Meinung zutreffend reklamierte   Argumentationslast   der Verwaltung (vgl. dazu eingehend Desens, a.a.O., S. 346 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 19 Abs. 4 Rz 291) hat auch eine vertrauensschutzrelevante Dimension: Argumentiert die Finanzverwaltung nicht, legt sie keinerlei Gründe dar, warum sie ein Grundsatzurteil nicht im BStBl II veröffentlicht, zerstört sie auch nicht das Vertrauen des Steuerbürgers in diese Rechtsprechung.

54

(3) Selbst wenn es wie ein Nichtanwendungserlass wirkt, wenn das BMF ein Urteil des BFH nicht im BStBl veröffentlicht (zu sog. konkludenten Nichtanwendungserlass Desens, a.a.O., S. 65 ff.), so käme die Finanzverwaltung damit in keiner Weise ihrer Argumentationslast nach. Insbesondere im vorliegenden Fall widerspräche die im (konkludenten) Nichtanwendungserlass --stillschweigend-- zugrunde gelegte Auslegung eindeutig und zweifelsfrei dem gesetzlichen Tatbestand des § 11 Abs. 2 EStG a.F. Die Verwaltungspraxis bezog also weitergehend als § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. Konstellationen mit in das Gesetz ein, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht mehr gedeckt waren und eine --wie die Ausführungen unter (4) zeigen-- abschließende Entscheidung des Gesetzgebers (in § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG) vorwegnahm.

55

Unbeschadet einer der Verwaltung möglicherweise einzuräumenden Überlegungsfrist (s. dazu Desens, a.a.O., S. 67 ff., m.w.N.) ist ein bloßes Nichtveröffentlichen für den Steuerbürger nicht transparent. Er vermag nicht stets zu sagen, ob eine Grundsatzentscheidung nun --aus welchen Gründen auch immer-- nicht angewandt werden soll, oder ob sich die Veröffentlichung technisch verzögert. Wenn --wie im Streitfall-- in einem Zeitraum von September 2003 bis zum Jahr 2005 das Urteil nicht im BStBl II veröffentlicht ist, ohne dass die Verwaltung zu erkennen gibt, ob und aus welchen Gründen (s. oben unter (2)) sie das Urteil nicht anwendet, vermag dies --als die andere Seite der Intransparenz des Verwaltungshandelns durch Nichtveröffentlichen-- das Vertrauen des Steuerbürgers nicht zu erschüttern.

56

(4) Dies gilt in der Konstellation des Streitfalls umso mehr, als sich der Gesetzgeber des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes an der Rechtsprechung des BFH und nicht an der davon abweichenden Auffassung der Finanzverwaltung, bei den in einem Einmalbetrag gezahlten Erbbauzinsen handele es sich um Anschaffungskosten des Erbbaurechts, orientiert. Damit hat der Gesetzgeber sich von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung und nicht von den Prämissen der Finanzverwaltung (Anschaffungskosten des Rechts) überzeugen lassen. Mit seiner Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sagt das Gesetz nunmehr --in negativer Geltungsanordnung-- ausdrücklich, dass es sich bei in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen eben nicht um Anschaffungskosten des Rechts handelt, sondern um Entgelte für Nutzungsüberlassungen. Er hat für den Fall einer Vorauszahlung eine Sonderregelung vom Zu- und Abflussprinzip geschaffen. Deshalb ist es missverständlich, wenn in der Entwurfsbegründung (BTDrucks 15/4050, S. 57 f.) darauf abgehoben wird, die Verwaltungsanweisung werde "somit ohne zeitliche Verzögerung gesetzlich fortgeschrieben". Dies mag im wirtschaftlichen Ergebnis so sein (kein Sofortabzug sowohl nach der Verwaltungsanweisung --da Anschaffungskosten-- wie auch nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG --da Ausnahme vom Abflussprinzip--), gilt aber nicht vom systematischen und rechtlichen Ansatz der Regelungen her.

57

(5) Dementsprechend konnte schutzwürdiges Vertrauen in die ständige Rechtsprechung nach ihrer Bestätigung und Klarstellung im Senatsurteil in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 entstehen. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall von der Problematik der Jubiläumsrückstellung, über die das BVerfG mit seinem Beschluss von 12. Mai 2009  2 BvL 1/00 (BVerfGE 123, 111, BGBl I 2009, 1569; ähnlich BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 187) entschieden hat. Wenn es dort Vertrauensschutz in das Urteil des BFH vom 5. Februar 1987 IV R 81/84 (BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845) abgelehnt hat, so deshalb, weil dieses Urteil eine langjährige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis änderte und mit einen Fortbestand der klargestellten Rechtslage bei objektiver Betrachtung nicht gerechnet werden konnte. Demgegenüber war die BFH-Entscheidung in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 nicht lediglich Ausdruck einer veränderten rechtlichen Einschätzung, sondern Bestätigung dessen, was vor und nach der Rechtsänderung galt.

58

dd) Die vom Gesetzgeber für die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG angeführten Gründe rechtfertigen es nicht, die für den Steuerpflichtigen eintretende Verschlechterung der vertraglich vereinbarten Rechtspositionen als zumutbar zu bewerten.

59

aaa) Gegenüber der erheblichen Entwertung, die die vertraglich begründete Rechtsposition des Steuerpflichtigen durch die höhere bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare Steuerbelastung erfahren hat (keine sofortige Abziehbarkeit der Ausgleichszahlung, sondern Absetzbarkeit pro rata temporis), hat das Interesse des Staates, zu erwartende Steuermindereinnahmen zu vermeiden (so die Begründung in BTDrucks 15/4050, S. 56), kein hinreichendes Gewicht. Denn dieser Zweck geht über den eines allgemeinen Finanzbedarfs nicht hinaus. Die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen, ist aber für sich genommen grundsätzlich noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerbürger überwiegendes Interesse (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1968 Rz 82, m.w.N.).

60

bbb) Auch die für § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG gegebene Begründung rechtfertigt keine rückwirkende Anwendung. Der Gesetzgeber reagierte mit der Änderung des § 11 Abs. 2 EStG auf seit Bekanntwerden der BFH-Entscheidung in BFHE 203, 355, BStBl II 2005, 159 getroffene intensive Vorbereitungen der Immobilienbranche (Immobilienfonds, Bauträger) für den Verkauf von Immobilien im Erbbaurecht, von denen er befürchtete, dass es zum erneuten Aufleben von Steuersparmodellen mit Immobilien kommen könnte. Er begründet dies mit der nicht korrespondierenden Behandlung vorausgezahlter Erbbauzinsen bei dem Erbbaurechtsverpflichteten, der --z.B. als Bauträger-GmbH-- das Grundstück im Betriebsvermögen hält und dem im Privatvermögen genutzten Erbbaurecht (vgl. i.E. BTDrucks 15/4050, S. 56 zu Nr. 3a --neu--, § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 --neu--). Diese   asymmetrische   Besteuerung des Erbbaurechts will das Gesetz verhindern, nicht zuletzt deshalb, um zu erwartenden Steuermindereinnahmen entgegenzuwirken. Indes ist die asymmetrische Besteuerung systemgerecht. Sie entspricht dem Dualismus der Einkunftsarten, nachdem im Bereich der Überschusseinkunftsarten grundsätzlich das in § 8 Abs. 1, § 11 EStG zu verortende Zuflussprinzip gilt. Die vom Gesetz nun geregelte Verteilung von vorab geleisteten Nutzungsentgelten ist eine weitere --unsystematische-- Ausnahme vom Grundsatz.

61

Das Einbeziehen des gesamten Veranlagungszeitraumes 2004 in den zeitlichen Anwendungsbereich des Gesetzes ist zur Förderung dieses Gesetzeszwecks weder geeignet noch erforderlich. Wenn der Gesetzgeber Verkäufe von Immobilien im Erbbaurecht unter vollem Abzug der in einem Betrag gezahlten Erbbauzinsen verhindern will und dies erst für nach dem Gesetzesbeschluss abgeschlossene Vereinbarungen anordnete, wäre sein Gestaltungswille zwar in Bezug auf all diejenigen Steuersparmodelle auf Jahre hinaus (den gesamten Zeitraum der Nutzungsüberlassung) gebunden, die sich im Streitjahr konstituierten. Das entspricht aber der im Zeitpunkt der Disposition geltenden Rechtslage und überdies der   systematischen Grundstruktur   des Einkommensteuergesetzes. An der Abziehbarkeit der Erbbauzinsen will der Gesetzgeber auch in Zukunft nichts ändern. Es bleibt dabei, dass es sich um nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abziehbare Aufwendungen handelt. Der Gesetzgeber vermeidet mit der rückwirkenden Einführung der Pro-rata-temporis-Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG also gerade keine --eine Rückwirkung möglicherweise rechtfertigende-- Ankündigungs- und Mitnahmeeffekte (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996  1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64), sondern konstituiert eine vollständig neue Rechtslage.

62

ee) Ist das Vertrauen schutzwürdig (cc), liegen aber keine die Rückwirkungen rechtfertigenden Gründe vor (dd), so fällt die Gesamtabwägung zugunsten des enttäuschten Vertrauens des Steuerbürgers aus.

63

Dies gilt nach Auffassung des Senats mit Blick auf weitere, nicht vorgelegte Sachen auch in Fällen, in denen über den Streitfall hinausgehend die Erbbauzinsen --unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinbarung-- vor der Verkündung des Gesetzes am 15. Dezember 2004 im Voraus beglichen wurden; insoweit folgt der Senat dem Beschluss des BVerfG in BFH/NV 2010, 1968 Rz 90, 91, m.w.N.).

64

IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

65

Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Gültigkeit der § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG).

66

Im Rahmen des anhängigen Revisionsverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung darüber zu treffen, ob der vom Kläger im Voraus gezahlte Betrag der Erbbauzinsen bereits im Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen oder auf den Zeitraum der Nutzungsüberlassung zu verteilen ist (§ 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 EStG). Sind die Vorschriften verfassungsgemäß, ist die Revision zurückzuweisen. Entfaltet die vorgelegte materielle Steuerrechtsnorm eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung, würde die Steuerbelastung des Klägers im Streitjahr geringer ausfallen, wenn die vorgelegte Norm deswegen unanwendbar wäre.

67

Ein verfassungskonformes Ergebnis kann nicht durch verfassungskonforme Auslegung gewonnen werden. Denn weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen oder deren Sinn und Zweck lassen --wie bereits dargelegt-- mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt (eingehend zu dieser Voraussetzung BVerfG-Beschluss vom 22. September 2009  2 BvL 3/02, BVerfGE 124, 251, unter B. 2., m.w.N.). § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung und damit auch im Voraus gezahlte Erbbauzinsen. § 52 Abs. 30 EStG als spezielle Anwendungsregelung ist in eindeutiger Weise konkretisiert.

(1)1Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.2Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen.3Der Steuerpflichtige kann Einnahmen, die auf einer Nutzungsüberlassung im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 beruhen, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Für Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gilt § 38a Absatz 1 Satz 2 und 3 und § 40 Absatz 3 Satz 2.5Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

(2)1Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.2Für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend.3Werden Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet, sind sie insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den die Vorauszahlung geleistet wird.4Satz 3 ist auf ein Damnum oder Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist.5§ 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.6Die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Absatz 1, § 5) bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (2000 bis 2002) eine Lotto-Servicegesellschaft. Am 18. Februar 2000 firmierte die Klägerin zunächst als A-KG; im März 2000 übernahm sie ihren Geschäftsbetrieb von der B-KG. Ab dem 5. März 2001 firmierte die Klägerin als C-KG und ab dem 17. Oktober 2003 unter D-KG. Komplementärin der Klägerin ist die E B.V. mit Sitz in den Niederlanden. Alleinvertretungsberechtigter Direktor der Komplementärin ist X. Kommanditistin der Klägerin war in den Streitjahren die Beigeladene, die im Jahr 2006 ausgeschieden ist.

2

Die Klägerin organisierte in den Streitjahren Spielgemeinschaften zur Teilnahme an den wöchentlichen Ausspielungen des deutschen Lotto- und Totoblocks mit von ihr entwickelten Systemreihen (Zahlenkombinationen), welche für die in Spielgemeinschaften verbundenen Mitspieler einzusetzen waren. Gemäß Ziff. 7 der Teilnahmebedingungen (allgemeine Geschäftsbedingungen) erteilten die Mitspieler der "Gesellschaft" (Klägerin) unter Befreiung von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Vollmacht, im Namen der Mitspieler Gesellschaftsverträge zur Gründung von BGB-Spielgemeinschaften, den Treuhandvertrag für die Spieler/die Spielgemeinschaften mit einem Treuhänder und einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Spieler, den Spielgemeinschaften und sich selbst abzuschließen.

3

Das Vertragsverhältnis mit dem Spieler wurde mit der Einzahlung des Spielbetrags auf ein Einzahlungskonto begründet. Nach § 2 Nr. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags waren die auf dem Einzahlungskonto eingehenden Beträge wie folgt zu verwenden:

- 44,8 % zur Vertragserfüllung an die Treuhandgesellschaft,

- 36,0 % für die Spielvermittlung an die "Gesellschaft" (Klägerin),

- 19,2 % für Serviceleistung und Konzeption der Spielmöglichkeit an die "Gesellschaft" (Klägerin).

4

Gemäß Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen beauftragten die Mitspieler einen von der "Gesellschaft" (Klägerin) bestellten Treuhänder im eigenen Namen, aber für Rechnung der Spielgemeinschaft, den Spielvertrag mit den Lottogesellschaften über deren Annahmestellen abzuschließen, die Lottoscheine in Verwahrung zu nehmen, etwaige Gewinne für die Spielgemeinschaft gegenüber der Lottogesellschaft geltend zu machen, diese entgegenzunehmen und einem Treuhandkonto zuzuführen, sowie die Gewinne schließlich an die Mitspieler auszuzahlen. Nach Ziff. 3 der Teilnahmebedingungen war die Klägerin für den Fall, dass nicht alle Anteile an einer Spielgemeinschaft an Mitspieler vergeben werden können, berechtigt, sich selbst an der Spielgemeinschaft zu beteiligen und/oder den bestellten Treuhänder anzuweisen, für diese Spielgemeinschaft keinen Spielvertrag mit den Lottogesellschaften abzuschließen. Für den zuletzt genannten Fall sollte der Mitspieler "auf andere Weise an Ersatz gelangen".

5

Treuhänder war nach den Treuhandverträgen vom 24. Januar 2000 die F B.V. und vom 3. September 2001 bzw. 2. Juli 2002 die G B.V., jeweils mit Sitz in den Niederlanden. Die Treuhandgesellschaften wurden bei Abschluss der Treuhandverträge jeweils von X vertreten. In § 1 B und D der jeweiligen Treuhandverträge war geregelt, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen sei vorgesehen, dass die Anteile der Spielgemeinschaften und das gezeichnete Spielentgelt der Spielgemeinschaften auf den Treuhänder zur Treuhandverwaltung für die Mitspieler und Spielgemeinschaften übertragen werden. In § 2 Satz 2 des Treuhandvertrags wurde festgelegt, dass die in der Anlage zum Vertrag beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen Inhalt des Treuhandvertrags sind. Nach § 3 des Treuhandvertrags sollte der Treuhänder die Spielanteile jeder Spielgemeinschaft treuhänderisch verwalten, um die Rechte in Bezug auf das gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingungen im Eigentum der Mitspieler stehende Vermögen zu sichern.

6

Wie sich aus der vom Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 4. Mai 2009  14 K 5127/05 F erkannten Berichtigung des Tatbestands des hier angefochtenen Urteils ergibt, wurden nach den Angaben der Steuerfahndung für ca. 2 % der Einsätze der Mitspieler Lottoscheine abgegeben. Im Übrigen erhielten die Spieler anteilig in Höhe ihrer Quote Gewinne ausgezahlt, die angefallen wären, wenn mit den den Mitspielern vor den amtlichen Lottoziehungen mitgeteilten Zahlenkombinationen und Spielscheinnummern Verträge mit den staatlichen Lotterien zustande gekommen wären.

7

Eine bei der Vorgängergesellschaft der Klägerin ab Januar 1999 durchgeführte Steuerfahndungsprüfung gelangte zu der Feststellung, dass jene Gesellschaft der Lotteriesteuer unterliege. Am 27. September 2001 erließ das Finanzamt A gegen jene Gesellschaft Lotteriesteuerbescheide. Gegen die Klägerin ergingen gleichfalls aufgrund der Feststellungen einer Steuerfahndungsprüfung am 10. Juli 2003 Bescheide über Lotteriesteuer in Höhe von ... € (1. März bis 31. Dezember 2000), ... € (1. Januar bis 31. Dezember 2001) und ... € (1. Januar bis 30. November 2002). Einspruch und Klage der Klägerin hatten keinen Erfolg. Die vom FG Köln gegen sein Urteil vom 16. November 2005  11 K 3095/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 849) zugelassene Revision wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 2. April 2008 II R 4/06 (BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735) als unbegründet zurück, u.a. mit der Begründung, die Klägerin habe eine der Lotteriesteuer unterliegende Lotterie veranstaltet.

8

Auf der Grundlage der von der Klägerin abgegebenen Feststellungserklärungen 2000 bis 2002 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) stehende Feststellungsbescheide. Darin stellte er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2000 auf ./. ... DM (Bescheid vom 7. März 2003), für das Jahr 2001 auf ./. ... DM (Bescheid vom 5. Juni 2003) und für das Jahr 2002 auf ./. ... € (Bescheid vom 19. April 2004) fest.

9

Im Rahmen einer bei der Vorgängergesellschaft ab August 2001 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung sowie einer Anschlussprüfung bei der Klägerin u.a. wegen Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer gelangte der Prüfer sowohl in seinem die Vorgängergesellschaft betreffenden Prüfungsbericht vom 20. November 2002 für die Jahre 1997 bis 1999 als auch in seinem die Klägerin betreffenden Bericht vom 6. April 2005 für die Jahre 2000 bis 2002 zu der Feststellung, dass in den Gewinnermittlungen von den Spielbeiträgen lediglich die Anteile für Spielvermittlung (36 %) und für Serviceleistungen und Konzeption (19,2 %), nicht aber der Spieleinsatz-Anteil in Höhe von 44,8 %, der nach dem Vertragswerk an den Treuhänder abzuführen war, als Betriebseinnahmen erfasst worden waren. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ging der Prüfer gemäß Tz. 11 des Steuerfahndungsberichts vom 6. April 2005 davon aus, dass für tatsächlich abgegebene Lottoscheine ein Abschlag von 2 % zu gewähren sei, und nahm insoweit auf den Prüfungsbericht wegen Lotteriesteuer vom 23. Juni 2003 Bezug. Zusätzlich seien die Einnahmen zu erfassen, die mit tatsächlich abgegebenen Lottoscheinen in Zusammenhang stünden. Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer unter Tz. 14 des Berichts folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

...

10

Das FA erließ daraufhin am 16. Juni 2005 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide 2000 bis 2002, in denen es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in folgender Höhe feststellte und verteilte:

...

11

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage sah das FG teilweise als begründet an. Zuvor hatte die Klägerin eine berichtigte Feststellungserklärung 2002 vom 8. März 2007 eingereicht, in der lediglich noch ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € (laufende Einkünfte ./. ... €) ausgewiesen war. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung 2002 betrugen die Umsatzerlöse Januar bis Dezember 2002 unverändert ... €. Das FG änderte die angefochtenen Feststellungsbescheide 2000 bis 2002, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2005, dahin ab, dass der Gewinn für das Jahr 2000 mit ... €, für das Jahr 2001 mit ... € und für das Jahr 2002 mit ... € festgestellt wird; im Übrigen wies es die Klage ab.

12

Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Spieleinsatz-Anteile seien nicht deshalb gewinnneutral zu behandeln, weil es sich um den Mitspielern als Treugeber zuzurechnende Wirtschaftsgüter handele (§§ 39 Abs. 2, 159 AO). Nach den vorliegenden Treuhandverträgen sei die Klägerin nicht als Treuhänder aufgetreten. Auch im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrags sei kein Treuhandverhältnis mit den Mitspielern vereinbart worden. Gegen ein Treuhandverhältnis spreche, dass der Spieleinsatz-Anteil zusammen mit den Service-Anteilen auf Konten der Klägerin vereinnahmt worden sei und es deshalb an einer Trennung von Treugut und Eigenvermögen fehle. Diese "Vermischung" bei der Klägerin werde auch nicht dadurch beseitigt, dass der Spieleinsatz-Anteil nach Weiterleitung zumindest zunächst als gesondertes Vermögen der niederländischen Treuhandgesellschaften erschienen sei. Auch habe der Mitspieler nach Leistung seines Einsatzes weder Einfluss auf das weitere Geschehen noch einen Rückzahlungsanspruch gehabt. Damit sei die für ein Treuhandverhältnis wesentliche Verpflichtung des Treuhänders zur jederzeitigen Rückgabe des Treuguts nicht erfüllt. Auch seien die Spieleinsatz-Anteile weder "durchlaufende Posten" noch Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zwar habe die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Spieleinsatz-Anteile an den Treuhänder im Klageverfahren nachgewiesen. Es fehle jedoch an der betrieblichen Veranlassung des Abflusses. Die Klägerin habe unstreitig bei ca. 98 % der Spieleinsatz-Anteile den Treuhänder angewiesen, keine Lottoscheine zu erwerben; die Spieler hätten in anderer Weise Ersatz erhalten sollen. Eine entsprechende Verpflichtung gegenüber den Mitspielern habe nur im Fall des tatsächlichen Erwerbs von Lottoscheinen beim Treuhänder gelegen. Auch habe die Klägerin keinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Treuhänder. Aufgrund fehlender vertraglicher Regelungen sei den Treuhändern freigestellt gewesen, wie sie mit den erhaltenen Geldern weiter verfahren. All dies schließe eine betriebliche Veranlassung der Abführung der Spieleinsatz-Anteile aus. Insoweit komme auch nicht die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber dem Treuhänder wegen der Erfüllung von Ersatzansprüchen der Mitspieler in Betracht. Der hinsichtlich tatsächlich gespielter Lottoscheine vom FA anerkannte Betriebsausgabenabzug sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gewinn mindernd zu berücksichtigen seien Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in Form von Lotteriesteuer für alle drei Streitjahre. Hinsichtlich der Gewerbesteuer kämen solche Rückstellungen nur zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 in Betracht. Auf den 31. Dezember 2000 sei keine Gewerbesteuer-Rückstellung zu bilden, weil sich die im Jahr 2000 laufende Fahndungsprüfung nur auf Lotteriesteuer bezogen habe und daher nicht die Grundlage für die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Gewerbesteuer-Nachforderung liefere.

13

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses verneint. Sie --die Klägerin-- habe im Auftrag der Mitspieler den eingezahlten Betrag in eine Treugutkomponente und die Vergütungskomponenten "entmischt". Auch sei eine Treuhandschaft im Streitfall nicht deshalb ausgeschlossen, weil kein Rückforderungsrecht des Treugebers bestehe, denn die jederzeitige Rückgabe des Treuguts entspreche nur dem Wesen einer Verwaltungstreuhand, nicht dem einer Verwendungstreuhand, die den Treuhänder nur zur bestimmungsgemäßen Verwendung der anvertrauten Mittel verpflichte. Zumindest stellten die weitergeleiteten Beträge Betriebsausgaben dar. Das Vertragswerk habe auch bei Nichtzustandekommen einer Spielgemeinschaft (Schadens-)Ersatzansprüche der Teilnehmer vorgesehen; es komme nicht darauf an, ob die Klägerin insoweit einen vertraglichen Freistellungsanspruch gegen den Treuhänder habe. Die Personenidentität auf der Ebene der vertretungsberechtigten Organe stehe einem Betriebsausgabenabzug nicht entgegen.

14

Die Klägerin beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die geänderten Feststellungsbescheide 2000 bis 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2005 erklärungsgemäß zu ändern.

15

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

16

Es trägt im Wesentlichen vor, dass es sich bei den streitbefangenen Beträgen um Ausgaben für betriebsfremde Zwecke, also um Entnahmen, handele. Eine betriebliche Veranlassung, den Anteil von 44,8 % der Spieleinnahmen an den Treuhänder weiterzuleiten, ergebe sich auch nicht aus der Ersatzverpflichtung im Fall des Nichterwerbs von Lottoscheinen, denn den Treuhänder treffe nach dem Vertragswerk keine entsprechende Verpflichtung. Ausgehend von der faktischen Handhabung seien nur Überweisungen in Höhe von 2 % der Gesamteinnahmen nötig gewesen. Die Klägerin habe --obwohl sie insoweit die Feststellungslast treffe-- Angaben dazu verweigert, welcher Anteil der 44,8 % für die Auszahlung von Gewinnen verwendet worden sei. Auch sei ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige davon Kenntnis habe, dass der Zahlungsempfänger vom Betriebszweck abweiche; der X habe als Geschäftsführer der Klägerin von der Nichteinhaltung des Vertragswerks durch den Treuhänder gewusst. Ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis liege schon deshalb nicht vor, weil es im Innenverhältnis an einer Treuhand konstituierenden Weisungsbefugnis der Treugeber mangele.

Entscheidungsgründe

17

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

18

Zwar ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Spieleinsatz-Anteile (44,8 % der von den Spielern eingezahlten Beträge) --jedenfalls soweit sie nicht zum Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotteriegesellschaft verwendet worden sind-- nicht unter dem Gesichtspunkt eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses einem Anderen als der Klägerin zuzurechnen sind (II.1.). Es handelt sich auch insoweit um Betriebseinnahmen der Klägerin (II.2.). In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG auch die Annahme eines sog. durchlaufenden Postens verneint (II.3.). Gleiches gilt für die Würdigung des FG, dass eine betriebliche Veranlassung der Weiterleitung der Spieleinsatz-Anteile an den (jeweiligen) Treuhänder nicht aus der Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Mitspielern aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag abgeleitet werden könne, soweit mit den Geldern nicht --wie in dem zugrunde liegenden Vertragswerk vorgesehen-- Lottoscheine erworben worden sind (II.4.b). Das FG wird jedoch noch zu prüfen haben, inwieweit in den Fällen der Nichtteilnahme an den staatlichen Lotterien im Rahmen der von der Klägerin veranstalteten Lotterie entstandene Gewinnansprüche ("Ersatzansprüche") der Mitspieler bei der Klägerin Gewinn mindernd zu berücksichtigen sind (II.4.d und II.6.).

19

1. Die Würdigung des FG, dass es sich bei den Spieleinsatz-Anteilen nicht um den Mitspielern als Treugeber zuzurechnende Wirtschaftsgüter (hier in Gestalt liquider Mittel) handelt (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO), ist --jedenfalls soweit die an den sog. Treuhänder weitergeleiteten Mittel entgegen den Teilnahmebedingungen tatsächlich nicht für den Erwerb von Lottoscheinen bei staatlichen Lottogesellschaften verwendet worden sind-- revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

20

a) Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. Eigentümer im Sinne dieser Vorschrift ist der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber des Wirtschaftsguts. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO; übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO führt beispielhaft für das in Satz 1 dieser Vorschrift genannte wirtschaftliche Eigentum Treuhandverhältnisse an, bei denen das Wirtschaftsgut grundsätzlich dem Treugeber zuzurechnen ist.

21

aa) Der Begriff der Treuhand wird in § 39 Abs. 2 AO nicht definiert. Auch kennen weder das bürgerliche Recht noch das Steuerrecht einen typischen Treuhandvertrag; die Treuhandschaft zeichnet sich durch eine Vielzahl von Formen aus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615, m.w.N.; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 31; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 39 Rz 36, m.w.N.). Dies führt indes nicht dazu, dass jede formal als "Treuhandvertrag" bezeichnete Vereinbarung zur steuerrechtlichen Anerkennung eines Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO führt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 I R 69/97, BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514, und vom 4. Dezember 2007 VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745). Die Vorschrift greift nur dann, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2009 I R 12/09, BFHE 228, 195, BStBl II 2010, 590). Ob dies der Fall ist, muss nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entschieden werden. Allgemein gilt, dass bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis (im steuerrechtlichen Sinne) tatsächlich gegeben ist, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152; in BFH/NV 2008, 745). Wesentliche inhaltliche Kriterien für die steuerrechtliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Weisungsgebundenheit des Treuhänders und --jedenfalls im Grundsatz-- dessen Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Treuguts (vgl. zum Weisungsrecht gegenüber dem Treuhänder Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3.b cc; hinsichtlich aller genannten Voraussetzungen BFH-Urteile in BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, und in BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514, jeweils m.w.N.; in BFH/NV 2008, 745). Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen (z.B. BFH-Urteile in BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514, und in BFH/NV 2008, 745, jeweils m.w.N.). Auch muss das Treuhandverhältnis wegen der vom Zivilrecht abweichenden Zurechnungsfolge auf ernst gemeinten und klar nachweisbaren Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder beruhen und auch tatsächlich durchgeführt werden (gleichfalls ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, und in BFH/NV 2008, 745; Senatsbeschluss vom 11. März 2008 IV B 77/07, BFH/NV 2008, 1159); dabei wird auch die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung vorausgesetzt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 745; kritisch dazu Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 39 AO Rz 34). Das Handeln des Treuhänders im fremden Interesse muss wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (auch hierzu BFH-Urteile in BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, m.w.N., und in BFH/NV 2008, 745).

22

bb) Ob ein Vertrag oder --wie hier-- ein Vertragswerk als Vereinbarung einer Treuhand auszulegen ist und wem ggf. als Treugeber ein Wirtschaftsgut nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zuzurechnen ist, obliegt in erster Linie der Würdigung des FG als Tatsacheninstanz; das FG hat über das Vorliegen dieser Voraussetzungen anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1159). Die Revisionsinstanz hat die grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Auslegung von Verträgen nur darauf zu überprüfen, ob es die Willenserklärungen der Beteiligten richtig ausgelegt, ob es vor allem die gesetzlichen Auslegungsregeln (vgl. §§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil in BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, m.w.N.). Die bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gewonnene Überzeugung bindet das Revisionsgericht selbst dann, wenn sie nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (z.B. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1159).

23

b) Nach diesen Maßstäben hält die Würdigung des FG, dass auf der Grundlage des im Streitfall maßgeblichen Vertragswerks die Mitspieler nicht als Treugeber anzusehen seien, jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand, soweit die Mittel der Mitspieler nicht zum Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotteriegesellschaft verwendet worden sind.

24

aa) Das FG hat die Umstände des Streitfalls dahin gewürdigt, dass die Mitspieler nach Leistung ihres Einsatzes keinen Einfluss mehr auf das weitere Geschehen und insbesondere keinen Anspruch auf Rückzahlung der eingezahlten Gelder mehr gehabt hätten und deshalb im Streitfall ein wesentliches Merkmal eines Treuhandverhältnisses fehle. Allerdings ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass bei einer Mittelverwendungstreuhand (vgl. zum Begriff z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Oktober 2003 III ZR 344/02, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2004, 121) hinsichtlich der Gelder des Treugebers, die vom Treuhänder abredegemäß verwendet werden, jedenfalls grundsätzlich keine Rückgabeverpflichtung des Treuhänders besteht. Gleichwohl steht der Hinweis der Klägerin auf das Vorliegen einer Verwendungstreuhand dem vom FG gefundenen Ergebnis nicht entgegen, soweit der Spieleinsatz-Anteil tatsächlich nicht für den Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lottogesellschaft verwendet worden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach den zuvor genannten Maßstäben auch eine Mittelverwendungstreuhand zu einem steuerrechtlich relevanten Treuhandverhältnis führen kann, soweit sie grundsätzlich die Rückforderung der überlassenen Mittel ausschließt. Denn jedenfalls an dem Erfordernis der tatsächlichen Durchführung des vereinbarten Treuhandverhältnisses wäre auch im Fall der Verwendungstreuhand festzuhalten. Soweit keine Verwendung in dem den Mitspielern versprochenen Sinne erfolgt ist, wäre deshalb auch einem derart vereinbarten Treuhandverhältnis die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen. Auch stellt es unter den im Streitfall vorliegenden Umständen eine mögliche Würdigung dar, wenn das FG im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass die Mitspieler nach der Zahlung ihres Einsatzes hinsichtlich eventueller späterer Auszahlungen lediglich Ansprüche hatten, die denen eines Spielers in einer staatlichen Lotterie vergleichbar sind; auch insoweit spräche das im Streitfall praktizierte Geschäftsmodell gegen das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses. Wenn das FG als gegen eine solche Treuhand sprechenden Gesichtspunkt auch berücksichtigt hat, dass die Klägerin Spieleinsatz-Anteil und Service-Anteil der eingezahlten Gelder "vermischt" hat, so taugt dieser Umstand jedenfalls als mögliches Indiz dafür, dass eine treuhandähnliche Verwaltung der für Spieleinsätze vorgesehenen Gelder auch im äußeren Erscheinungsbild nicht erkennbar war. Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob im Streitfall ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis bereits aus den vorstehenden Gründen zu verneinen ist.

25

bb) Hinsichtlich des streitbefangenen, an den sog. Treuhänder weitergeleiteten, indes tatsächlich nicht zum Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotteriegesellschaft verwendeten Teils der Spieleinsatz-Gelder scheidet die steuerrechtliche Anerkennung eines Treuhandverhältnisses bereits deshalb aus, weil sich die nach Maßgabe der vom FG festgestellten Teilnahmebedingungen der Klägerin erteilte Vollmacht der Mitspieler (Ziff. 7 der Teilnahmebedingungen) lediglich auf den Abschluss eines Treuhandvertrags im Namen eines jeden Mitspielers bezog, der seinerseits den Abschluss eines Spielvertrags mit "den Lottogesellschaften über deren Annahmestellen" zum Gegenstand hatte (Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen); dementsprechend sind die Teilnahmebedingungen auch zum Inhalt des Treuhandvertrags bestimmt worden. Eine anders lautende Vereinbarung mit dem sog. Treuhänder dahin, die Spieleinsatz-Anteile tatsächlich --ungeachtet des in Ziff. 3 der Teilnahmebedingungen bestimmten Ausnahmefalls-- zu einem ganz überwiegenden Teil nicht zu dem in den Teilnahmebedingungen bestimmten Zweck zu verwenden, war von der Vollmacht der Mitspieler nicht gedeckt. Ausgehend von den Feststellungen des FG sind im Streitfall keine Umstände ersichtlich, nach denen die Vereinbarung einer von den Teilnahmebedingungen abweichenden Geschäftspraxis von den Mitspielern nachträglich genehmigt worden wäre (§ 177 Abs. 1 BGB); den Mitspielern waren weder Art oder Umfang einer von dem Vertragswerk abweichenden Geschäftspraxis bekannt noch sind diese im weiteren Verlauf ihrer Spielbeteiligung nachträglich über das überwiegend praktizierte Geschäftsmodell informiert worden. Daher konnte die tatsächliche Geschäftspraxis, nach der sich die Klägerin ganz überwiegend im Rahmen der Veranstaltung einer eigenen Lotterie lediglich an eine staatliche Lotterie "angehängt" hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735), nicht durch einen im Namen der Mitspieler abgeschlossenen Treuhandvertrag gedeckt sein. Schon deshalb scheidet die Zurechnung der nicht zum Erwerb von Lottoscheinen verwendeten Spieleinsatz-Anteile bei den Mitspielern im Rahmen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO aus. Dem steht nicht entgegen, dass der im Streitfall abgeschlossene Treuhandvertrag nach den Feststellungen des FG formell dem in den Teilnahmebedingungen versprochenen Geschäftsmodell entsprach. Denn insoweit steht der steuerrechtlichen Anerkennung eines Treuhandverhältnisses entgegen, dass entgegen dem bereits genannten Erfordernis der tatsächlichen Durchführung des Vereinbarten die formell bestimmte Geschäftspraxis ganz überwiegend tatsächlich nicht umgesetzt worden ist. Deshalb wäre dem von der Klägerin behaupteten Treuhandverhältnis sogar insgesamt die steuerliche Anerkennung zu versagen, also auch insoweit, als tatsächlich Lottoscheine erworben worden sind. Nachdem jedoch FA und FG insoweit entsprechende Abschläge bei den Einnahmen der Klägerin vorgenommen haben, die von der Klägerin der Höhe nach nicht beanstandet worden sind, kommt es auf letztgenannten Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich an.

26

Der streitbefangene, nicht für den Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotteriegesellschaft verwendete Spieleinsatz-Anteil der an die Klägerin von den Mitspielern gezahlten Gelder ist somit nach § 39 Abs. 1 AO der Klägerin und nicht den Mitspielern zuzurechnen.

27

2. Bei den streitbefangenen, abweichend vom vereinbarten Geschäftsmodell verwendeten Spieleinsatz-Geldern handelt es sich in voller Höhe um Betriebseinnahmen. Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind (z.B. BFH-Urteile vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, und vom 2. September 2008 X R 25/07, BFHE 223, 35, BStBl II 2010, 550; Senatsurteil vom 8. November 2007 IV R 24/05, BFHE 219, 567, BStBl II 2008, 356, m.w.N.). "Betrieblich" veranlasst ist eine Zuwendung von Vermögenswerten dann, wenn ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht (Senatsurteil in BFHE 219, 567, BStBl II 2008, 356, m.w.N.). Im Streitfall bestand ein wirtschaftlicher Zusammenhang der fraglichen Einnahmen mit einem Gewerbebetrieb. Denn mit der Veranstaltung einer Lotterie (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735) waren die Gesellschafter der Klägerin (vgl. z.B. Senatsurteil vom 3. Februar 2010 IV R 26/07, BFHE 228, 365, BStBl II 2010, 751) --wie im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist und wie auch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes bei einer Lotterie voraussetzt-- Unternehmer eines Betriebs i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der auf eine selbstständige nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellende Betätigung (§ 15 Abs. 2 EStG) gerichtet war. Mit der Ausübung (jedenfalls auch) einer gewerblichen Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG war die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit der Klägerin in vollem Umfang als Gewerbebetrieb anzusehen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

28

3. Das FG hat im Ergebnis zu Recht verneint, dass die streitbefangenen Mittel bei der Klägerin nur sog. durchlaufende Posten waren. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG sind bei der Ermittlung des Gewinns Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auszuscheiden, die als durchlaufende Posten im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden. Kennzeichen des durchlaufenden Postens ist mithin die Verklammerung von Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang (vgl. hierzu und zum folgenden Senatsurteil vom 15. Mai 2008 IV R 25/07, BFHE 221, 169, BStBl II 2008, 715, m.w.N.). Die Regelung gilt zwar unmittelbar nur im Fall der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG); sie beschreibt jedoch Grundsätze, die auch im Rahmen der Gewinnermittlung durch --wie hier-- Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG, ggf. i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG) in dem Sinne zu beachten sind, dass die Gewinnneutralität des Vorgangs durch die Aktivierung und Passivierung gleich hoher Wertzugänge und Wertabgänge sichergestellt wird. Demgemäß setzt zwar die Annahme eines durchlaufenden Postens weder die Existenz eines Treuhandverhältnisses voraus noch ist es erforderlich, dass die vereinnahmten Beträge gesonderten Konten gutgeschrieben werden. Auch kommt es bei Ermittlung des Gewinns durch Betriebsvermögensvergleich --im Gegensatz zur Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG)-- nicht darauf an, ob die Beträge vom Steuerpflichtigen im fremden Namen vereinnahmt werden; ausreichend ist vielmehr, dass er für fremde Rechnung handelt. Gegen die Annahme eines durchlaufenden Postens sprechen im Streitfall indes neben dem Umstand, dass die Klägerin nach den Feststellungen des FG nicht für fremde Rechnung gehandelt hat, auch die nachstehend behandelten Besonderheiten, nach denen eine vollständige betriebliche Veranlassung der Mittelabflüsse an den sog. Treuhänder und damit die Gewinnneutralität entsprechender Wertzu- und -abgänge ausgeschlossen ist.

29

4. Revisionsrechtlicher Überprüfung stand hält die Würdigung des FG, dass die nach den auch vom FA nicht bestrittenen Feststellungen des FG an den sog. Treuhänder weitergeleiteten Gelder (Spieleinsatz-Anteile) infolge der vom Vertragswerk abweichenden tatsächlichen Durchführung der Lotteriegeschäfte grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben der Klägerin anzuerkennen sind. Soweit das FG --dem FA folgend-- wegen tatsächlich gespielter Lottoscheine neben entsprechenden Gewinnen als Betriebseinnahmen auch Betriebsausgaben für den Erwerb von Scheinen der staatlichen Lotterien berücksichtigt hat, ist dies gleichfalls nicht zu beanstanden. Das FG wird jedoch noch zu prüfen haben, inwieweit im Rahmen der von der Klägerin veranstalteten Lotterie entstandene Gewinnansprüche der Mitspieler --auch als nach dem Vertragswerk den Mitspielern eingeräumte "Ersatzansprüche"-- bei der Klägerin zu Betriebsausgaben geführt haben.

30

a) Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2., m.w.N., und vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, unter C.III.1.a). Die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen durch eine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit veranlasst sind, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Wesentlichen eine Frage der Feststellung und der Würdigung des Sachverhalts, die in erster Linie dem FG obliegt und in der Regel für den BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend ist, es sei denn, dass vom Revisionsgericht zu berücksichtigende Verfahrensverstöße bei der Feststellung des Sachverhalts vorgekommen sind oder die Würdigung einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze enthält (vgl. Senatsurteil vom 6. März 2008 IV R 72/05, BFH/NV 2008, 1311, m.w.N.). Die Gesamtwürdigung des FG erzeugt darüber hinaus dann keine Bindungswirkung gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn das FG die maßgeblichen Umstände nicht vollständig in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat; dies stellt --auch ohne diesbezügliche Rügen-- einen materiell-rechtlichen Fehler dar (vgl. z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2008, 1311, m.w.N.; vom 26. Juni 2007 IV R 29/06, BFHE 218, 291, BStBl II 2008, 103; BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 63/01, BFH/NV 2006, 728).

31

b) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, dass --soweit mit den streitbefangenen Spieleinsatz-Anteilen keine Lottoscheine erworben worden sind-- eine betriebliche Veranlassung der Weiterleitung der Spieleinsatz-Anteile an den sog. Treuhänder nicht aus der Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Mitspielern aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag abgeleitet werden könne, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

32

Zutreffend stützt sich das FG für die Verneinung einer betrieblichen Veranlassung insoweit darauf, dass die Klägerin bei ca. 98 % der von den Mitspielern geleisteten Spieleinsatz-Anteile den Treuhänder angewiesen hat, keine Lottoscheine zu erwerben, und dass die Spieler Ersatz in anderer Weise erhalten sollten. Folge aus dem Fehlen einer solchen betrieblichen Veranlassung ist dann, dass die Weiterleitung von Spieleinsatz-Anteilen an den sog. Treuhänder nur als außerbetrieblich veranlasste Zahlung und damit als Entnahme zu behandeln ist. Diese Würdigung als Entnahme folgt bereits aus einer nicht feststellbaren betrieblichen Veranlassung und ist unabhängig davon, dass in den Streitjahren abweichend von den Vorjahren der sog. Treuhänder möglicherweise nicht Gesellschafter der Klägerin war. Im Übrigen gehörten die als Treuhänder fungierenden Gesellschaften wie die Komplementärin der Klägerin zu einem Verbund von unter der Leitung von X stehenden Unternehmen.

33

Da das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von der nicht vereinbarungsgemäßen Handhabung des Treuhandverhältnisses ausgegangen ist, kann dieses insgesamt steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Aus diesem Treuhandverhältnis kann folglich auch keine betriebliche Veranlassung für die Zahlungen an den sog. Treuhänder entnommen werden, so dass die Zahlungen den Gewinn der Klägerin nicht mindern. Der Senat braucht demgemäß auch Zweifeln daran, ob sich das Betriebsvermögen der Klägerin durch die Weiterleitung überhaupt gemindert hat oder ob es nicht infolge fortbestehenden eigenen treugeberischen Zugriffs auf die Spieleinsätze bis zur Verwendung zum Kauf von Lottoscheinen im Ergebnis unverändert geblieben ist, nicht weiter nachzugehen.

34

c) Soweit das FG hinsichtlich des tatsächlichen Erwerbs von Lottoscheinen durch den sog. Treuhänder das Vorliegen von Betriebsausgaben der Klägerin bejaht und insoweit den vom FA berücksichtigten "Abschlag für tatsächlich gespielte Lottoscheine" auf die Betriebseinnahmen gebilligt hat, ist diese Würdigung gleichfalls möglich, denn die tatsächliche Mittelverwendung ist insoweit durch das Vertragswerk und das ihm zugrunde liegende Geschäftskonzept gedeckt. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob schon die Weiterleitung der später entsprechend dem Vertragswerk verwendeten Gelder oder erst deren Verausgabung für den Erwerb von Lottoscheinen einer staatlichen Lotterie bei der Klägerin zu Betriebsausgaben geführt hat; denn die Feststellungen des FG geben keinen Anlass, von einer erheblichen zeitlichen Inkongruenz der vereinnahmten Gelder und ihrer Verwendung für den Erwerb von Lottoscheinen auszugehen. Wenn sich das FG insoweit der Berechnung des FA angeschlossen hat, begegnet auch dies keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Einerseits hat die Klägerin auch gegen die Quantifizierung der Geschäfte, bei denen tatsächlich entsprechend dem im Vertragswerk vorgesehenen Regelfall Lottoscheine erworben und gespielt worden sind, keine Verfahrensrügen erhoben. Andererseits wäre der angesetzte Prozentsatz auch als Schätzung Teil der freien Beweiswürdigung des FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) und unterläge damit nach § 118 Abs. 2 FGO nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Dezember 1984 IV R 265/82, juris, m.w.N.). Mit dem FA hat auch das FG den für den Erwerb von Lottoscheinen zugrunde gelegten Prozentsatz auf den gesamten Spieleinsatz (also auch den Service-Anteil) und nicht nur auf den an den Treuhänder weitergeleiteten Spieleinsatz-Anteil bezogen, was sich zugunsten der Klägerin auswirkt; das FG weist zutreffend darauf hin, dass insoweit 2,29 % des Spieleinsatz-Anteils als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Vereinnahmte Gewinne aus tatsächlich gespielten Lottoscheinen hat das FG --auch insoweit dem FA folgend-- gegengerechnet. Dass es sich bei derartigen Gewinnen dem Grunde nach um Betriebseinnahmen handelt, hat auch die Klägerin nicht bestritten. Da die Klägerin gegen die vom FG berücksichtigten Gewinne auch der Höhe nach keine Revisionsrügen erhoben hat, ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO auch hieran gebunden.

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d) Der erkennende Senat erachtet es jedoch nach den oben genannten Maßstäben als materiell-rechtlichen Fehler, dass das FG nicht in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, dass das im Streitfall tatsächlich praktizierte Geschäftskonzept Gewinnansprüche der Mitspieler gegen die Klägerin und daraufhin erfolgte Auszahlungen an Mitspieler auch nahelegt, soweit keine Lottoscheine erworben und gespielt worden sind. Denn die Klägerin hat sich in diesen Fällen --wie bereits erwähnt-- an die Zahlen der staatlichen Lotterie "angehängt" (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735). Hat die Klägerin damit selbst eine Lotterie veranstaltet, so führen auch im Rahmen dieser Lotterie entstandene Gewinnansprüche von Mitspielern, die nicht auf die Weiterleitung von zuvor aus der staatlichen Lotterie erzielten Gewinnen gerichtet sind, zu betrieblich veranlasstem Aufwand (§ 4 Abs. 4 EStG). Da die Klägerin ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG) ermittelt, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung von Lotteriegewinnen an. Die Frage, in welchem Wirtschaftsjahr sich die Verpflichtung zur Auszahlung von Lotteriegewinnen Gewinn mindernd auswirkt, bestimmt sich für die Klägerin vielmehr nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen. Danach wirkten sich nach einer Ausspielung rechtlich bestehende Ansprüche der Mitspieler gegen die Klägerin als Lotterieveranstalter in Gestalt einer Passivierung entsprechender Verbindlichkeiten bereits in dem Wirtschaftsjahr Gewinn mindernd aus, in dem die Ansprüche entstanden und dem die entsprechenden Aufwendungen wirtschaftlich zuzurechnen sind. Da es sich bei den nach Maßgabe der jeweils ausgespielten Lottozahlen bestehenden Gewinnansprüchen der Mitspieler --soweit keine unmittelbare Gewinnauszahlung erfolgt ist-- regelmäßig um dem Grunde und der Höhe nach gewisse Verbindlichkeiten handelt, sind diese grundsätzlich immer als "Verbindlichkeit" zu passivieren (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. §§ 247, 266 des Handelsgesetzbuchs --HGB--; vgl. auch z.B. BFH-Urteil vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob die Mitspieler bei einem von der Klägerin nicht gemäß §§ 276 und 278 BGB zu vertretenden Nichtzustandekommen von Spielverträgen mit einem Lottounternehmen von ihr nicht Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses, also in Höhe der etwaigen entgangenen Gewinne, hätten fordern können, sondern lediglich die vollständige oder teilweise Rückzahlung der geleisteten Einsätze (so BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735). Denn es liegt nahe, dass das Geschäftskonzept der Klägerin ohne die Auszahlung auch ausgespielter Gewinne, denen lediglich die von der staatlichen Lotterie gezogenen Zahlen zugrunde gelegen haben, wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen wäre. Etwas anderes gälte zwar dann, wenn das von der Klägerin verfolgte Geschäftskonzept auch beinhaltet hätte, Mitspielern die nach Maßgabe der staatlichen Lottozahlen erzielten Gewinne vorzuenthalten. Die bisherigen Feststellungen des FG enthalten jedoch keinerlei Hinweise auf eine möglicherweise betrügerische Ausrichtung des Geschäftsmodells. Vielmehr entspricht der Annahme von weiteren Auszahlungen die --vom FG bei seiner Würdigung allerdings in materiell-rechtlich fehlerhafter Weise nicht näher aufgegriffene-- Feststellung des FG, dass die Spieler anteilig in Höhe ihrer Quote Gewinne ausgezahlt erhielten, die angefallen wären, wenn mit den den Mitspielern vor den amtlichen Lottoziehungen mitgeteilten Zahlenkombinationen und Spielscheinnummern Verträge mit den staatlichen Lotterien zustande gekommen wären. Allein der vom FG angeführte formale Gesichtspunkt, dass das Vertragswerk für den Fall der Nichtbeteiligung an einer staatlichen Lotterie keine Regelungen über die Verwaltung und Verwendung der Spieleinsätze durch den Treuhänder enthalte und dass nur für den Fall des tatsächlichen Erwerbs von Lottoscheinen Ansprüche der Mitspieler gegenüber dem Treuhänder bestanden hätten, vermag deshalb noch nicht auszuschließen, dass Teile der streitbefangenen Gelder oder auch Teile der von der Klägerin nicht weitergeleiteten Gelder für Auszahlungen an Mitspieler verwendet worden sind. Für den möglichen Betriebsausgabenabzug und eine Passivierung von Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber den Mitspielern machte es keinen Unterschied, ob die Klägerin selbst oder in deren Auftrag der sog. Treuhänder Gewinnausschüttungen vorgenommen hätte. Denn die Mittelherkunft (Finanzierung aus --ggf. auch im Wege des wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnenden-- Aktiva der Klägerin, aus Einlagen oder aus Fremdmitteln) spielte für die Qualifizierung solcher Auszahlungen als Betriebsausgaben keine Rolle. Soweit die bisherigen Feststellungen des FG keine Hinweise auf eine betrügerische Ausrichtung des Geschäftskonzepts der Klägerin enthalten, steht einer Passivierung von Verbindlichkeiten gegenüber den Mitspielern auch nicht die Annahme entgegen, dass diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden sollten (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592; Blümich/Schreiber, § 5 EStG Rz 759, jeweils m.w.N.).

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Der Hinweis des FA, dass die Klägerin trotz Aufforderung durch die Steuerfahndung nicht nachgewiesen habe, welcher Anteil des streitbefangenen Spieleinsatz-Anteils für betriebliche Zwecke abgeflossen ist, und sie hierfür die Feststellungslast treffe, entbindet das FG noch nicht davon, der Frage von Gewinnauszahlungen an Mitspieler bzw. dem Entstehen von Gewinnansprüchen der Mitspieler auch hinsichtlich der nicht über eine staatliche Lotterie abgewickelten Geschäfte nachzugehen. Im finanzgerichtlichen Verfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er gilt auch im Streitfall, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin hinsichtlich der Frage von Auszahlungen an bzw. Gewinnansprüchen der Mitspieler im Fall des Nichterwerbs von Lottoscheinen ihre Mitwirkung im finanzgerichtlichen Verfahren verweigert hätte; vielmehr hat die Klägerin dort auch den Abfluss der Spieleinsatz-Anteile zur Überzeugung des FG (soweit ersichtlich erstmals) belegt. Zudem hat die Klägerin den von ihr geltend gemachten Betriebsausgabenabzug bislang darauf gestützt, dass allein schon eine Weiterleitung der Spieleinsatz-Anteile an den Treuhänder eine betriebliche Veranlassung dieser Mittelabflüsse begründe. Erst wenn die Aufklärungsbemühungen des FG nicht zu einem klaren Beweisergebnis führen, stellt sich die Rechtsfrage, welche Rechtsfolgen ein non liquet nach sich zieht. Entsprechend den allgemeinen Regeln des Verfahrensrechts trägt der Steuerpflichtige in der Regel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für diejenigen Tatsachen, die eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen, und für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einer Einkunftsart als Voraussetzung für den steuermindernden Abzug der geltend gemachten Aufwendungen, die Steuerverwaltung grundsätzlich das Risiko der Nichterweislichkeit von Tatsachen, die den Steueranspruch begründen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; BFH-Urteile vom 19. Januar 1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; vom 19. Juni 2007 VIII R 63/03, BFH/NV 2008, 194; Senatsbeschluss vom 8. Mai 2009 IV B 55/08, BFH/NV 2009, 1432, jeweils m.w.N.).

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5. Revisionsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass das FG Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Form von Lotteriesteuer zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2000, 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 sowie für Gewerbesteuer zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 Gewinn mindernd berücksichtigt hat. Die für die Bildung solcher Rückstellungen anzuwendenden Maßstäbe hat das FG unter Hinweis u.a. auf die BFH-Urteile vom 19. August 2002 VIII R 30/01 (BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131) und vom 28. Juni 1989 I R 86/85 (BFHE 157, 416, BStBl II 1990, 550) zutreffend erkannt, ohne dass es vorliegend auf die im Senatsurteil vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05 (BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516) angesprochene Frage, wann das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag Gültigkeit hat, ankommt. Soweit das FG dabei von einer Gewerbesteuerpflicht der Klägerin ausgegangen ist, wirkt sich dies hier einerseits zu deren Gunsten aus; die Klägerin hat gegen die Bildung dieser Rückstellungen auch insoweit keine Einwendungen erhoben. Aber auch ungeachtet dessen bestehen gegen die Annahme einer Gewerbesteuerpflicht der Klägerin keine rechtlichen Bedenken; der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe seiner Entscheidung vom heutigen Tag in dem Verfahren IV R 18/09. Soweit das FG die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme (vgl. dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516) wegen Gewerbesteuer am Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 (Gewerbesteuer-Nachforderung aufgrund einer Gewinnerhöhung) verneint hat, ist diese Würdigung möglich. Im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735, wonach die Klägerin eine der Lotteriesteuer unterliegende Lotterie veranstaltet hat, bestehen auch gegen die Annahme ungewisser Verbindlichkeiten in Form von Lotteriesteuer keine rechtlichen Bedenken. Nachdem auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die Höhe der vom FG angesetzten Lotteriesteuer erhoben hat, sich andererseits hinsichtlich der berechneten Gewerbesteuer-Rückstellungen im Hinblick auf möglicherweise noch zu berücksichtigende weitere Gewinnminderungen Änderungen ergeben könnten, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.

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6. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird das FG noch zu untersuchen haben, ob, in welcher Höhe und wann Gewinnansprüche der Mitspieler gegen die Klägerin entstanden sind, die nicht beim absprachegemäßen Abschluss von Lotterieverträgen angefallen sind und zu weiterem betrieblich veranlassten Aufwand (§ 4 Abs. 4 EStG) der Klägerin geführt haben. Da die Klägerin ihren Gewinn durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG) ermittelt, kommt es --wie oben ausgeführt-- nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung von Lotteriegewinnen an. Die Frage, in welchem Wirtschaftsjahr sich die Verpflichtung zur Auszahlung von Lotteriegewinnen Gewinn mindernd auswirkt, bestimmt sich für die Klägerin vielmehr nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen. Die Höhe der im Rahmen der von der Klägerin veranstalteten Lotterie erstarkten Gewinnansprüche wird das FG ggf. im Wege einer Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) festzustellen haben. Da sich die Klägerin bei der von ihr veranstalteten Lotterie an die Zahlen der staatlichen Lotterie "angehängt" hat, wird das FG zu prüfen haben, ob die Quoten der staatlichen Lotterie auch eine hinreichende Grundlage für die Bemessung der gegen die Klägerin als Lotterieveranstalterin gerichteten Ansprüche bilden. Es wird aber auch zu berücksichtigen sein, dass nach dem Vertragswerk nur 44,8 % der von den Mitspielern vereinnahmten Gelder für Spieleinsätze vorgesehen waren und nach derzeitigem Stand keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Spieleinsatz-Anteil im Rahmen der von der Klägerin selbst veranstalteten Lotterie anders bemessen gewesen sein könnte. Einen Ansatz zur Bestimmung der Spielgewinnansprüche könnten im Übrigen auch tatsächliche Gewinnauszahlungen liefern, die nicht auf der Weiterleitung der bei der staatlichen Lotterie erzielten Gewinne beruhen, sofern nicht im Einzelfall andere Motive für die Auszahlung zu Tage träten. Dabei kommt --ohne dass eine solche Unterscheidung für den Betriebsausgabenabzug oder den Ansatz von Verbindlichkeiten bei der Klägerin von Bedeutung wäre-- sowohl in Betracht, dass solche Auszahlungen aus dem an den sog. Treuhänder weitergeleiteten Spieleinsatz-Anteil als auch aus den bei der Klägerin verbliebenen Mitteln getätigt worden sind. Die Voraussetzungen einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) dürften hinsichtlich der Gewinnansprüche von Mitspielern eher nicht vorliegen. Geht man davon aus, dass das Lotteriegeschäft der Klägerin ohne betrügerische Ausrichtung durchgeführt worden ist, führten die jeweils ausgespielten Gewinne unmittelbar zur Entstehung einer entsprechenden, auch der Höhe nach gewissen Verbindlichkeit der Klägerin. Damit wären aber die Voraussetzungen für eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (im Einzelnen z.B. Senatsurteil in BFHE 220, 117, BStBl II 2008, 516) nicht gegeben.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.