Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12

ECLI:ECLI:DE:FGSH:2013:0417.5K156.12.0A
bei uns veröffentlicht am17.04.2013

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid vom 3. August 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2012 wird dergestalt geändert, dass außergewöhnliche Belastungen vor Abzug der zumutbaren Belastungen in Höhe von 19.431 € berücksichtigt werden. Die Einkommensteuer ist unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung entsprechend herabzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Anerkennung von Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung.

2

Der Kläger war von August 1992 bis Januar 2006 mit A in Großbritannien verheiratet. Aus der Ehe sind zwei in 1994 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen. In 2004 trennten sich die Eheleute. Sie schlossen am 29. Dezember 2004 eine privatschriftliche Vereinbarung zur Regelung der mit der Trennung zusammenhängenden Angelegenheiten. Die Ehe wurde am 24. Januar 2006 vor einem englischen Gericht geschieden. Im Hinblick auf die bestehende privatschriftliche Vereinbarung wurden keine weiteren, über die Scheidung hinausgehenden Regelungen getroffen. Seit Ende 2006 ist der Kläger in zweiter Ehe in Deutschland verheiratet.

3

Mit Datum vom 6. Februar 2009 erhielt der Kläger ein Anwaltsschreiben der Symonds Solicitors, mit welchem er aufgefordert wurde, umfangreiche Auskünfte zu erteilen. Der Kläger bemühte sich in der Folgezeit ohne Einschaltung des von seiner geschiedenen Ehefrau beauftragten Rechtsanwaltsbüros um eine gütliche Regelung der Angelegenheit (Schreiben des Klägers vom 15. Mai 2009). Schließlich kündigte die von der geschiedenen Ehefrau des Klägers beauftragte Kanzlei mit Schreiben vom 23. März 2010 die Fortführung des Verfahrens an. Der Kläger wurde im März 2010 vom zuständigen Gericht zur Abgabe einer eidesstattlichen Vermögenserklärung bis zum 4. Mai 2010 aufgefordert und zu einem anberaumten Termin am 8. Juni 2010 geladen.

4

Der Kläger suchte nunmehr einen Anwalt, der ihn in der Sache vertreten könnte. Maßgeblich hierbei waren im Wesentlichen Kenntnisse des Anwalts in der deutschen Sprache, praktiziertes Familienrecht und Rechtssicherheit im englischen und deutschen Recht. Dazu wandte sich der Kläger zunächst an die ihm bekannte Rechtsanwältin A, die in einem Außenbezirk X zu einem Stundensatz von 250 GBP zuzüglich Umsatzsteuer praktizierte, in der Sache aber nicht tätig werden konnte, da sie in einer anderen Angelegenheit zuvor die geschiedene Ehefrau des Klägers vertreten hatte. Frau A empfahl dem Kläger Rechtsanwalt B, mit welchem der Kläger am 16. Juni 2010 einen Anwaltsvertrag schloss. Dieser Vertrag sah u. a. eine Vergütung von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer vor. Zwar bemühte sich der Kläger auch in örtlicher Nähe zum Gerichtsort Y einen Anwalt zu finden. So sprach der von dem Kläger angesprochene Rechtsanwalt Mr. C zwar deutsch, kam aber für den Kläger deswegen nicht in Betracht, weil er sich nur im englischen Recht auskannte und kein Familienrechtler war. Der Stundensatz des Rechtsanwaltes M hätte 205 GBP zuzüglich Umsatzsteuer betragen.

5

Streitig vor dem Gericht in Y waren Ansprüche auf Kindesunterhalt der Höhe nach, Fragen des Versorgungsausgleichs, Fragen des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau des Klägers und Fragen des Vermögensausgleichs.

6

Im November 2010 fand in Y eine Verhandlung statt, im Rahmen derer die Forderungsklage der geschiedenen Ehefrau des Klägers auf die Zahlung von Kindesunterhalt reduziert und deutlich wurde, dass die Frage des Versorgungsausgleichs ggf. vor einem deutschen Gericht zu verhandeln sei. Das Erscheinen des Klägers zu dem Termin am 8. November 2010 war angeordnet (Ladung vom 28. September 2010: „You and your legal representative, if you have one, must attend the appointment.“). Letztlich schlossen die Beteiligten am 8. Oktober 2012 vor dem zuständigen Gericht einen Vergleich, wonach sich der Kläger verpflichtete, je Kind einen Monatsunterhalt in Höhe von 320 € zu entrichten. Alle anderen Zahlungsansprüche wurden ausgeschlossen. Die Pensionsberechnung findet in Deutschland statt. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß Ziffer 7 des Vergleichs gegeneinander aufgehoben („That there be no Order for Costs.“).

7

Mit der Einkommensteuererklärung für 2010 vom 4. November 2011 machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 20.853 € geltend. Das Finanzamt folgte den Klägern insoweit und wegen anderer Punkte nicht und erließ am 24. Januar 2012 einen Einkommensteuerbescheid für 2010, welchen es nach einem Einspruch der Kläger vom 5. Februar 2012 aus hier nicht streiterheblichen Gründen durch Bescheid vom 3. August 2012 änderte. Den Einspruch der Kläger wies das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 7. August 2012 zurück. Im Wesentlichen führt das Finanzamt aus, dass soweit sich die Kläger auf das BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (Az.: VI R 42/10 BStBl. II 2011, 1015) beriefen, das Bundesministerium für Finanzen mit Datum vom 20. Dezember 2011 einen Nichtanwendungserlass veröffentlicht habe (BStBl. I 2011, 1286). Dem Finanzamt sei eine Anwendung des von den Klägern herangezogenen BFH-Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus untersagt. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

8

Die nunmehr mit der Klage geltend gemachte Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 19.431 € für Anwaltskosten errechnet sich wie folgt:

9

- Vorauszahlungen und Rechnungen des Klägers für den Anwalt vom 7. Juli 2010, Juli 2010, August 2010, September 2010 und Oktober/November 2010 in Höhe von insgesamt 18.000 €

- Reisekosten des Klägers 13. Juli 2010: 191,08 €

- Stornokosten für Reise vom 2. August 2010: 167,98 € wegen kurzfristig am 30. Juli 2010 abgesagten Gerichtstermins

- Reisekosten vom 7. bis 9. November 2010 in Höhe von 471,27 €

- vom Finanzamt nicht bestrittene, aber bislang nicht steuerwirksam gewordene außergewöhnliche Belastungen wegen Krankheitskosten in Höhe von 600 €.

10

Die zunächst geltend gemachten Beträge für Verpflegungsmehraufwendungen für die Reisen am 13. Juli 2010 und 7. bis 9. November 2010 in Höhe von 40,00 € bzw. 84,00 € verfolgen die Kläger, wie in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 erklärt, nicht weiter.

11

Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass für ihn, den Kläger, die Einschaltung eines Anwalts aus zwei Gründen unabweislich gewesen sei: Zum einen wäre die wirtschaftliche Belastung bei negativem Ausgang des Verfahrens für ihn existenzbedrohend gewesen. Zum anderen seien die von seiner geschiedenen Ehefrau geltend gemachten Ansprüche im Grunde bzw. der Höhe nach unberechtigt gewesen. Er sei auf sachgerechte anwaltliche Vertretung angewiesen gewesen. Im schlechtesten Fall hätte er damit rechnen müssen, dass sein Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der geltend gemachten Sicherheitszahlungen um rd. 3.000 € auf rd. 1.800 € gesunken wäre. Hinzugekommen wäre die Belastung aus dem Vermögensausgleich in Höhe von rd. 20.000 €. Diese Situation vor Augen hätte er befürchten müssen, die Wohnimmobilie nicht halten zu können. Er habe damit rechnen müssen, für Kindesunterhalt einen Monatsbetrag in Höhe von 1.021 €, eine Pension ab 2032 in Höhe von 450 € monatlich, Unterhaltszahlungen für die geschiedene Ehefrau in Höhe von rd. 1.500 € im Monat und einen Zugewinnausgleich in Höhe von rd. 30.000 € zahlen zu müssen. Sowohl die Finanzierung bzw. Ansparung der Pensionszahlungen bzw. Zugewinnausgleiches hätten ihn monatlich mit rd. 300 € bzw. 600 € belastet. Er habe einen britischen Anwalt mit guten britischen familienrechtlichen Kenntnissen, guten internationalen familienrechtlichen Kenntnissen und Grundkenntnissen in der deutschen Sprache benötigt, weil er zwar englisch spreche, sich dem Juristenenglisch aber nicht gewachsen fühle. Seine Klage sei auch nicht mutwillig gewesen. Dies habe schon die erste Verhandlung am 8. November 2010 gezeigt, in welcher die Forderungsklage auf Kindesunterhalt reduziert worden und klargestellt worden sei, dass Fragen im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich nicht vor dem britischen Gericht, sondern in Deutschland zu verhandeln seien. Auch der schließlich am 8. Oktober 2012 protokollierte Vergleich bestätige dies.

12

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 3. August 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2012 dergestalt zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen vor Abzug der zumutbaren Belastungen in Höhe von 19.431 € berücksichtigt werden.

13

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung bezieht es sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.

15

Der Kläger ergänzte in der mündlichen Verhandlung, dass die Besprechung mit seinem Rechtsanwalt in Großbritannien aus seiner Sicht unabdingbar gewesen sei. Nur so habe sichergestellt werden können, dass die rechtlich und persönlich komplexe Materie richtig verstanden worden sei. Außerdem habe er den für ihn tätigen Rechtsanwalt auch im Hinblick auf ein notwendiges Vertrauensverhältnis persönlich kennenlernen müssen. Die Teilnahme am Verhandlungstermin sei ihm nicht freigestellt gewesen. Es habe zuvor ein anderer Termin stattgefunden, in welchem Fragen nicht hätten beantwortet werden können, weil er nicht teilgenommen habe. Dies habe dann zu zahlreichen weiteren Rückfragen zwischen dem vor Gericht tätigen Barrister und seinem Anwalt (Solicitor) und zu weiteren erheblichen Kosten geführt.

16

Eine Anfrage des Berichterstatters an die Deutsch-Britische Juristenvereinigung e. V. vom 15. Februar 2013 beantwortete deren Präsidentin mit Schreiben vom 18. Februar 2013. Sie wies darauf hin, dass eine Anfrage bei der Schwestervereinigung in London gestellt werden möge, und dass nach ihrer unmaßgeblichen persönlichen Einschätzung ein Stundensatz in Höhe von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer nicht zu hoch angesetzt zu sein scheine.

17

Eine Anfrage des Berichterstatters an die British-German Jurists’ Association vom 28. Februar 2013 wurde mit Schreiben vom 11. April 2013 durch die Honorary Chairman der British-German Jurists’ Association dergestalt beantwortet, dass nach Rücksprache mit Kollegen aus der Familienrechtsabteilung der Kanzlei D, in der sie Partnerin sei, bestätigt werden könne, dass der vereinbarte Stundensatz in Höhe von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer für einen im Familienrecht und im internationalen Familienrecht tätigen Anwalt in X als angemessen anzusehen sei.

18

Aus einem Merkblatt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London mit Stand vom Februar 2013 ergibt sich Folgendes: „Rechtsanwaltsgebühren sind nicht amtlich geregelt, sondern richten sich nach dem zeitlichen Aufwand. Bei guten Rechtsanwaltskanzleien ist durchaus mit einem Stundensatz von mindestens 300 GBP zu rechnen. Spitzenwerte in London liegen sogar deutlich höher. Die Vereinbarung von Erfolgshonoraren (…) ist üblich. …

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist begründet.

21

Die dem Kläger aus Anlass des Scheidungsantrages seiner geschiedenen Ehefrau entstandenen Anwaltskosten sind unter den vorliegenden Bedingungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anzuerkennen.

22

Auf Antrag wird die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG - in bestimmten Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, erwachsen. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

23

Nach der früheren Rechtsprechung war für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. In Bezug auf eine Scheidung wurden nur die mit dem Gerichtsverfahren zusammenhängenden Anwaltskosten für den sogenannten Zwangsverbund (Scheidung und Versorgungsausgleich, § 623 Abs. 1 ZPO) als zwangsläufig angesehen, da die Ehe nur durch Urteil geschieden werden kann (§ 1564 BGB). Andere mit der Scheidung zusammenhängende Kosten, z. B. die Kosten der Scheidungsfolgesachen (vermögensrechtliche Regelungen, Ehegatten- und Kindesunterhalt, Umgangs- und Sorgerecht) galten als nicht zwangsläufig, weil sie nur kraft Antrags der Ehegatten in den prozessualen Zwangsverbund fallen und sich die Ehegatten außergerichtlich einigen konnten (vgl. Schmidt-Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rn. 35 „Ehescheidung“ m.w.N.).

24

Zutreffend weist der 1. Senat des Gerichts in seinem Urteil vom 21.02.2012 (1 K 75/12, EFG 2013, 523) darauf hin, dass diese Rechtssprechung nicht mehr aktuell sei und führt weiter aus: „Durch Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1612 hat der BFH neue Rechtsgrundsätze aufgestellt und erkannt, dass Zivilprozesskosten mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und einen angemessenen Betrag nicht überschreitet.“ Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (vgl. Schmidt-Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rn. 35 „Ehescheidung“; Kirchhof-Mellinghoff, EStG, 12. Aufl., § 33 Rd. 54 „Ehescheidung“). Auch der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Zivilprozesskosten sind dann nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das zur Entscheidung berufene Gericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Der Höhe nach sind Zivilprozesskosten nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, a. a. O.). Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats für Kostenerstattungen, da die Belastung dann keine dauerhafte sondern nur eine vorübergehende wäre.

25

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nach Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles der Auffassung, dass die geltend gemachten Kosten für den Rechtsanwalt und die damit in Zusammenhang stehenden Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen sind.

26

Auf Betreiben seiner geschiedenen Ehefrau und wegen der letztlich von ihr rechtshängig gemachten Klage musste sich der Kläger - wie es der 1. Senat in seinem Urteil vom 21.02.2012 a.a.O. treffend formuliert - dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum stellen. Ein Versuch des Klägers, eine gütliche Einigung herbeizuführen, hatte keinen Erfolg. Die Einwände des Klägers gegen die von seiner geschiedenen Ehefrau geltend gemachten Ansprüche erscheinen weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Verhandlung vom 8. November 2010 und dem gerichtlichem Vergleich vom 8. Oktober 2012, dass für den Kläger hinreichende Erfolgsaussichten bestanden. Die ursprünglich geltend gemachten Ansprüche konnten in erheblichem Umfang beschränkt und letztlich auf die Höhe des Kindesunterhaltes reduziert werden. Der Versorgungsausgleich ist in der Bundesrepublik zu verhandeln.

27

Die Rechtsanwaltskosten können auch der Höhe nicht als unangemessen qualifiziert werden. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es gerichtsbekannt in Großbritannien kein mit der Bundesrepublik vergleichbares System von Rechtsanwaltsgebühren gibt, sondern grundsätzlich Stundensätze vereinbart werden (vgl. insoweit auch das Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London vom Februar 2013 „Rechtsberatung und Rechtsverfolgung in Großbritannien“), und dass nach der Bestätigung der British-German Jurists’ Association vom 28. Februar 2013 der vereinbarte Stundensatz in Höhe von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer für einen im Familienrecht und im internationalen Familienrecht tätigen Anwalt in London als angemessen anzusehen sei. Eine entsprechende Einschätzung unterstreichen auch die Stellungnahme der Präsidentin der Deutsch-Britischen Juristenvereinigung e. V. vom 15. Februar 2013 und schließlich der Inhalt des Schreibens der Deutschen Botschaft London a.a.O. Für den Senat nachvollziehbar hatte der Kläger einen in England tätigen, im internationalen Familienrecht bewanderten, englisch und deutsch sprechenden Anwalt zu beauftragen.

28

Die geltend gemachten Anwaltskosten sind der Höhe nach durch Rechnungen belegt und nicht streitig. Die Anwaltskosten sind den Klägern dauerhaft, also nicht nur vorübergehend entstanden. Eine Erstattung der Kosten durch die Gegenpartei hat nicht stattgefunden. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben. Eine Rechtsschutzversicherung bestand nicht.

29

Auch die Reisekosten teilen in diesem Einzelfall nach Überzeugung des Senats das Schicksal der Anwaltskosten. Die wesentlichen Verfahrenshandlungen fanden in England statt. Der Kläger war verpflichtet, persönlich zum Prozess zu erscheinen. Auch im Fall der kurzfristigen Aufhebung des Verhandlungstermins hatte sich das wirtschaftliche Risiko für den Kläger bereits so weit konkretisiert, dass ihm die als Stornokosten geltend gemachten Reisekosten aus den dargelegten Gründen im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig entstanden und der Höhe nach angemessen sind. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles, dass nämlich der Kläger ohne eigene Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeit Beklagter vor einen britischen Zivilgericht in einer vielschichtigen Familiensache wurde und sich Forderungen von nicht unerheblicher Höhe und wirtschaftlichem Risiko ausgesetzt sah, aber auch aus den in der Natur der Sache liegenden Umständen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung hält der Senat auch den Anteil der Reisekosten des Klägers nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig, der im Zusammenhang mit der Besprechung der Angelegenheit mit seinem Rechtsanwalt am 13. Juli 2010 in Höhe von 191,08 € entstanden ist.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die nicht weiter verfolgten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 124 € betragen lediglich 0,64% der ursprünglich geltend gemachten Summe in Höhe von 19.555 €.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

32

Im Hinblick auf die Urteile des 1. Senats vom 21.02.2012 (1 K 75/11; Revision anhängig VI R 70/12), des FG Düsseldorf vom 20.2.2013 (15 K 2052/12 E, juris; Revision anhängig VI R 14/13) und des FG München vom 21.8.2012 (10 K 800/10, EFG 2013, 451; Revision anhängig VI R 69/12) war die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.


Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12

Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1564 Scheidung durch richterliche Entscheidung


Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich a

Referenzen - Urteile

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 10. März 2016 - VI R 69/12

bei uns veröffentlicht am 10.03.2016

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 21. August 2012  10 K 800/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Urteil, 20. Jan. 2016 - VI R 14/13

bei uns veröffentlicht am 20.01.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E aufgehoben.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 21. Feb. 2012 - 1 K 75/11

bei uns veröffentlicht am 21.02.2012

Tenor Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 werden geändert. Die dem Kläger aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstande

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Mai 2011 - VI R 42/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 156/12.

Bundesfinanzhof Urteil, 15. Juni 2016 - VI R 26/13

bei uns veröffentlicht am 15.06.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 17. April 2013  5 K 156/12 aufgehoben.

Referenzen

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den folgenden Vorschriften.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 werden geändert.

Die dem Kläger aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 3.879,64 Euro sind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Die Einkommensteuer ist unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung entsprechend herabzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Anerkennung von Anwaltskosten aus einem Scheidungsverbundverfahren als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Die im Jahre 1984 geschlossene Ehe des Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 3. März 2009 geschieden. Das Scheidungsurteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, ist auf Antrag der früheren Ehefrau des Klägers als sogenanntes Verbundurteil ergangen. Das Familiengericht erkannte gemäß § 623 Abs. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung zugleich über den durch die Ehe begründeten Unterhaltsanspruch und verurteilte den Kläger zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 605 Euro, befristet bis zum 30. April 2014. Es handelt sich hierbei um 3/7 seines unterhaltsrechtlich relevanten (Netto-) Einkommens von 1.410 Euro. In dem vom Kläger mit Rücksicht auf den Unterhaltsausspruch angestrengten Berufungsverfahren schlossen die Parteien vor dem Oberlandesgericht einen Vergleich, in dem der monatliche Unterhalt auf 450 Euro herabgesetzt wurde. Für die anwaltliche Vertretung in beiden Instanzen zahlte der Kläger auf die Rechnungen seiner Bevollmächtigten vom 6. April 2009 und vom 27. August 2009 abzüglich bereits im Vorjahr geleisteter Vorschüsse 3.879,64 Euro.

3

Im Rahmen seiner Einkommensteuer(ESt-)Erklärung 2009 begehrte der Kläger die Anerkennung von Anwaltskosten in Höhe von 3.655 Euro als außergewöhnliche Belastung. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), lehnte dies ab. Der ESt-Bescheid 2009 vom 5. November 2010 enthält hierzu folgende Begründung:

4

„Die erklärten Scheidungskosten i.H.v. 3.655 Euro konnten nicht anerkannt werden, weil die Kosten auch den nachehelichen Unterhalt betreffen. Insoweit konnte nicht festgestellt werden wie hoch der Anteil der Prozesskosten für die Scheidung war. Da bereits im Vorjahr Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.859,53 Euro als Scheidungskosten anerkannt wurden, wurde davon ausgegangen, dass es sich bei den Aufwendungen nicht die unmittelbaren und unvermeidlichen Kosten des Scheidungsprozesses gehandelt hat“.

5

Hiergegen erhob der Kläger am 6. Dezember 2010 Einspruch: Der nacheheliche Unterhalt sei vom OLG Schleswig im August 2009 geregelt worden. Die hierdurch entstandenen Kosten bezögen sich somit auf das Scheidungsurteil. Das FA erwiderte mit Schreiben vom 28. Dezember 2010, über den nachehelichen Unterhalt sei lediglich als sogenannte Folgesache in einem beantragten Verbundverfahren entschieden worden. Die auf die Folgesache entfallenden anteiligen Prozesskosten seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht unvermeidbar und deshalb auch nicht zwangsläufig (BFH, Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Mit Schreiben vom 9. März 2011 vertiefte das FA seine Ausführungen und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 zurück.

6

Mit der am 7. April 2011 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

7

Das Scheidungsverfahren sei von der geschiedenen Ehefrau eingeleitet worden. Diese habe zugleich eine gerichtliche Entscheidung über ihren Unterhaltsanspruch beantragt. Das Gericht habe deshalb zwingend im Scheidungsverbundverfahren erkennen müssen. Er selbst habe keinerlei (prozessuale) Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. Er habe sich gegen die vom Familiengericht ausgesprochene Unterhaltsverpflichtung im Berufungsverfahren zur Wehr setzen müssen und sich wegen des vor dem OLG geltenden Anwaltszwanges anwaltlich vertreten lassen müssen. Das vom FA angeführte BFH-Urteil III R 27/04 vom 30. Juni 2005 sei vom Sachverhalt nicht einschlägig, weil es darin um die Beurteilung der Kosten einer Vermögensauseinandersetzung zwischen Ehegatten gegangen sei. Im Übrigen sei die rechtliche Argumentation des Beklagten durch die Entscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1308 überholt.

8

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 in der Weise zu ändern, dass die ihm aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 3.879,64 Euro als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

9

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Der Unterhaltsstreit habe als lediglich antragsweise einbezogene Folgesache nicht in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren gestanden. Dies folge aus den Gründen des BFH-Urteils III R 27/04 vom 30. Juni 2005.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet.

13

Die dem Kläger aus Anlass des Scheidungsantrages seiner geschiedenen Ehefrau entstandenen Anwaltskosten 1. und 2. Instanz sind unter den vorliegenden Bedingungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anzuerkennen.

14

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

15

Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 18. März 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen. Dies wurde z.B. für Scheidungskosten bejaht, soweit sie unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens entstanden sind: Wenn Ehepartner sich scheiden ließen, sei davon auszugehen, dass die Ehe zerrüttet und deshalb die Ehescheidung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig sei. Dabei wurde zunächst keine Unterscheidung zwischen dem Scheidungsverfahren als solchen und antragsweise in den Scheidungsverbund einbezogenen Folgesachen gemacht. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 25. September 1980 IV B 5 -S 2284- 42/80 III, juris; Abschn. 186 der Einkommensteuer-Richtlinien -EStR- 1990; H 186-189 EStH ab 1993) waren Kosten der Ehescheidung auch hinsichtlich der Scheidungsfolgeregelungen als zwangsläufig erwachsen anzusehen. Damit sollte dem prozessualen Verbund und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass im Verbundverfahren eine einheitliche Kostenentscheidung ergeht. Wegen der Degression der Gebührentabelle war eine Aufteilung des Gesamtstreitwertes nach den einzelnen Streitwertposten nicht möglich. Gemessen an diesen Grundsätzen wären die geltend gemachten Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

16

Allerdings hatte der BFH in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2005 III R 27/04 erkannt, dass die anteiligen Kosten einer Scheidungsfolgesache auch dann nicht als zwangsläufig anzusehen seien, wenn der andere Ehegatte die Einbeziehung in den Scheidungsverbund beantragt hat. Die Finanzverwaltung hat ihre Richtlinien unter Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil entsprechend geändert. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht mehr aktuell. Durch Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1612 hat der BFH neue Rechtsgrundsätze aufgestellt und erkannt, dass Zivilprozesskosten mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und einen angemessenen Betrag nicht überschreitet.

17

Auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung stellen die geltend gemachten Anwaltskosten (wieder) in vollem Umfang eine außergewöhnliche Belastung dar. Aufgrund des Scheidungsantrages seiner früheren Ehefrau und des von ihr gestellten Verbundantrages in Sachen Unterhalt musste sich der Kläger dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum stellen. Sein Klagabweisungsantrag in Sachen Unterhaltsforderung erscheint weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig: Die vom Kläger ausweislich des Tatbestands des familiengerichtlichen Urteils gegen die Unterhaltsforderung vorgebrachten Argumente erscheinen nachvollziehbar und können unter keinen Umständen als mutwillig qualifiziert werden. Dass hinreichende Erfolgsaussichten bestanden, ergibt sich mittelbar aus dem Umstand, dass der Kläger in 2. Instanz eine erhebliche Reduzierung der Unterhaltsforderung durchsetzen konnte. Die Prozesskosten können auch der Höhe nicht als unangemessen qualifiziert werden.

18

Das Gericht erachtet auch mit Rücksicht auf den Nichtanwendungserlass der Verwaltung eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Gründen des BFH-Urteils vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 nicht für erforderlich. Dies insbesondere deshalb nicht, weil die hier zur Beurteilung stehenden Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens auch bei einer sachgerechten Anwendung der früheren Rechtsprechungs- und Verwaltungsgrundsätze als zwangsläufig zu beurteilen wären. Die Kosten eines Scheidungsverfahrens sind nicht mit den Kosten eines beliebigen Zivilprozesses vergleichbar: Eine zerrüttete Ehe kann nur im Wege des familiengerichtlichen Scheidungsverfahrens beendet werden. Dementsprechend ist es unstreitig, dass die Scheidungskosten als solche eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Eine Trennung der Scheidungskosten im engeren Sinne von den anteiligen Kosten einer Scheidungsfolgesache erachtet das Gericht für rechtlich nicht geboten. Stellt ein Ehegatte Antrag auf Verbundentscheidung mit seiner Unterhaltsforderung, dann hat das Familiengericht durch einheitliches Verbundurteil mit einheitlicher Kostenentscheidung zu erkennen. Es bestehen deshalb keinerlei Verhaltensspielräume. Dies muss im Rahmen des § 33 EStG angemessen Berücksichtigung finden. Die im Urteil des BFH vom 30. Juni 2005 III R 27/04 angesprochene Möglichkeit einer anderweitigen Kostenregelung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ermöglichen die in Bezug genommenen Kostenregelungen der ZPO dem Familiengericht in besonderen Fällen eine kostenrechtliche Billigkeitsentscheidung. Allein hierdurch wird jedoch kein hinreichender Ausgleich für die durch eine Scheidungsverbundsache entstehende zusätzliche Kostenbelastung geschaffen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil die kostenrechtlichen Entscheidungsmaßstäbe des Familiengerichts regelmäßig nicht mit den für eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG geltenden steuerlichen Maßstäben deckungsgleich sind. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger in 1. Instanz ungeachtet der von ihm geltend gemachten Verwirkungstatbestände zu einer vergleichsweise hohen Unterhaltsleistung verurteilt wurde, die ihm kaum mehr als den familienrechtlichen Selbstbehalt beließ. Die Durchführung eines Berufungsverfahrens stellte für ihn nach Lage der Dinge die einzige Korrekturmöglichkeit dar und war für seine persönliche Lebensführung von besonderer Bedeutung.

19

Die geltend gemachten Anwaltskosten sind der Höhe nach durch Rechnungen belegt und nicht streitig. Nach allem ist der Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Rechtslage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Unabhängig davon gehören Scheidungskosten auch nach alter Rechtsprechung zum typischen Anwendungsfall einer außergewöhnlichen Belastung.


Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) stürzte im November 2006 vor seiner Wohnung, als er einen Skateboard-Fahrer verfolgte, um ihn wegen einer Beschädigung der Haustür zur Rede zu stellen. Bei dem Sturz zog sich der Kläger lebensgefährliche Verletzungen zu. Er musste für etwa ein halbes Jahr in stationäre Behandlung. Mit einer zunächst vor dem Landgericht gegen den Skateboard-Fahrer erhobenen Klage auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung machte der Kläger 12.475,70 € geltend. Die Klage wurde abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht … machte der Kläger Schadensersatzansprüche wegen entgangener Einkünfte, Arzt- und Fahrschulkosten, Haushaltsführungsschaden und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 250.321 € geltend. Darüber hinaus begehrte er, die Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden festzustellen. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Danach verpflichtete sich der Skateboardfahrer, dem Kläger bei Kostenaufhebung 275.000 € zu zahlen. Die Rechtsanwälte des Klägers stellten für die Vertretung des Klägers in den beiden Instanzen insgesamt 15.885,67 € in Rechnung. Der Rechnungsbetrag wurde von der auf dem Konto der Rechtsanwälte eingegangenen Vergleichssumme einbehalten, der Rest dem Kläger am 19. November 2009 ausgekehrt.

3

Der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin und Revisionsbeklagte, machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) die Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger zusammen zur Einkommensteuer, ließ dabei aber die Aufwendungen unberücksichtigt. Die Rechtsanwaltskosten seien nicht zwangsläufig entstanden. Die Existenzgefährdung sei angesichts der Entwicklung des klägerischen Arbeitseinkommens nicht nachvollziehbar. Zudem habe sich der Kläger selbst verpflichtet, die Kosten im Rahmen des Vergleichs zu übernehmen. Er hätte auch den Prozess fortführen können, um eine Kostenentscheidung des Gerichts abzuwarten. Im Übrigen sei der Kläger nicht belastet, denn er habe zur Befriedigung aller materiellen und immateriellen Ansprüche eine Vergleichssumme von 275.000 € vereinnahmt.

4

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger die Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 15.885,67 € geltend. Die Schadensersatzklage sei erforderlich gewesen, um bei einem befürchteten Arbeitsplatzverlust eine Existenzgefährdung abzuwenden.

5

Das Finanzgericht (FG) entsprach der Klage. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) könnten Kosten eines Zivilprozesses unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Zivilprozesskosten seien dann zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Daran gemessen seien die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 15.885,67 € im Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Bei summarischer Prüfung habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, auch wenn der Kläger in der ersten Instanz unterlegen sei.

6

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 20. Februar 2013  15 K 2052/12 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann auf Grundlage der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die vom Kläger in Zusammenhang mit den zivilrechtlichen Streitigkeiten wegen seines Unfalls geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

12

Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

13

Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

14

3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

15

a) Der Umstand, dass hier die Kosten für den Zivilprozess nicht auf einer gerichtlichen Kostenentscheidung, sondern auf einem gerichtlichen Vergleich gründen, schließt die Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastungen nicht grundsätzlich aus. So hat der BFH anlässlich der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen entschieden, dass auch bei vertraglicher Regelung, insbesondere bei einem Vergleich, angenommen werden kann, dass andernfalls ein gerichtliches Urteil etwa in gleicher Weise ergehen würde (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juni 1952 IV 42/51 U, BFHE 56, 657, BStBl III 1952, 253; vom 21. März 1958 VI 14/54 U, BFHE 67, 146, BStBl III 1958, 329). Dem folgte die spätere Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 26. Februar 1998 III R 59/97, BFHE 185, 409, BStBl II 1998, 605). Wenn bei einer solchen Konstellation die Zwangsläufigkeit der Hauptforderung nicht schon grundsätzlich dadurch ausgeschlossen wird, dass sie auf einem Vergleich beruht, gilt dies auch für die entsprechenden Rechtsverfolgungskosten.

16

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn in die Vergleichssumme auch die Prozesskosten einbezogen worden sind. Denn in diesem Fall werden die Prozesskosten durch die Partei, die die Vergleichssumme zu leisten hat, erstattet, so dass der Steuerpflichtige dadurch wirtschaftlich nicht anders belastet ist, als wenn durch Urteil der anderen Partei die Kosten auferlegt worden wären.

17

Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob im Streitfall bei dem Vergleich die Kosten kalkulatorisch mit abgegolten worden sind, wie das FA im Revisionsverfahren vorgetragen hat. Die diesbezüglichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang zu treffen haben.

18

b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der Erkenntnis gelangen, dass die vom Kläger getragenen Kosten kalkulatorisch nicht in den Vergleich einbezogen waren, werden weitere Feststellungen dazu erforderlich sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das vom Kläger geführte Klageverfahren auf die Durchsetzung von solchen Ansprüchen gerichtet war, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührten.

19

Der Senat kann indessen mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht selbst beurteilen, ob der Kläger ohne Anstrengung des Klageverfahrens Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553). Es ist im Streitfall nicht auszuschließen, dass der Kläger solche existenziell wichtige Bereiche betreffenden Ansprüche geltend gemacht hatte. Denn nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger die Schadensersatzklage u.a. für erforderlich gehalten, um eine Existenzgefährdung abzuwenden, weil der Kläger habe befürchten müssen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

20

c) Der Senat weist für den zweiten Rechtsgang weiter darauf hin, dass der Kläger im Zivilprozess eine Reihe von Ansprüchen verfolgt hatte, nämlich entgangene Einkünfte, Arzt- und Fahrschulkosten, Haushaltsführungsschaden und Schmerzensgeld. Für den Anspruch auf entgangene Einkünfte wird schon zu prüfen sein, ob insoweit ein Werbungskostenabzug in Betracht kommt. Denn Schadensersatzleistungen, die ein Dritter wegen einer Körperverletzung zu leisten hat, können steuerpflichtig i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ggf. i.V.m. § 34 Abs. 1 EStG sein, soweit sie entgangenen oder künftig entgehenden Verdienstausfall ersetzen (BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 XI R 40/02, BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716). Damit können auch Kosten für einen Prozess, der darauf abzielt, entgangene oder entgehende Einnahmen aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit zu ersetzen, Werbungskosten sein. Nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sind jedoch Kosten für Prozesse, mit denen Schadensersatzrenten zum Ausgleich entgangenen Unterhalts und/oder vermehrter Bedürfnisse (§ 843 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erstritten werden sollen. Denn diese Schadensersatzleistungen sind nicht steuerbar (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; vom 26. November 2008 X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651).

21

Im Hinblick auf die weiteren Ansprüche wird zu prüfen sein, ob der Anspruch jeweils einen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Das kommt insbesondere in Betracht, soweit der Kläger vor Gericht beantragt hat, ihm seine künftig entstehenden materiellen Schäden (ohne Verdienstausfall) zu ersetzen, und aufgrund seiner erheblichen Verletzungen damit zu rechnen war, dass er künftig erhöhte Bedürfnisse in so erheblichem Umfang haben würde, dass er ohne den Rechtsstreit Gefahr gelaufen wäre, künftig seine (erhöhten) lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Sollte das FG dabei zu der Erkenntnis kommen, dass dies für bestimmte Ansprüche der Fall ist, für andere Ansprüche dagegen nicht, sind die Prozesskosten entsprechend aufzuteilen. Der Senat verweist insoweit auf das BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 553. Soweit mit der Vergleichssumme auch steuerpflichtige Einnahmen abgegolten wurden, sind diese zu berücksichtigen.

22

Weiter wird zu beachten sein, dass Ansprüche auf Schmerzensgeld immaterielle Schäden betreffen und dahingehende Zahlungs- und Feststellungsklagen keine existenziell wichtigen Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten betreffen (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2015 VI R 7/14, BFHE 252, 418).

23

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 21. August 2012  10 K 800/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Anerkennung von Aufwendungen anlässlich eines Ehescheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren 2006 und 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.

3

In seinen Einkommensteuererklärungen machte er u.a. Kosten anlässlich eines Ehescheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die Aufwendungen betrafen neben dem Verfahren der Ehescheidung auch den Kindes- und Trennungsunterhalt sowie den Zugewinnausgleich.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte zunächst erklärungsgemäß. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2009 wies das FA den Kläger darauf hin, dass bezüglich der Kosten anlässlich der Ehescheidung nur die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten des Scheidungsprozesses --Prozesskosten für Scheidung und Versorgungsausgleich-- als zwangsläufig erwachsen anzusehen seien. Mit Änderungsbescheid für 2006 schätzte es unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Scheidungskosten mit 3.500 €. Mit Änderungsbescheid für 2007 erkannte das FA unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung Scheidungskosten in Höhe von 1.500 € als außergewöhnliche Belastungen an.

5

Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) in Bezug auf die als außergewöhnliche Belastungen begehrten Aufwendungen abwies. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es seien lediglich die mit dem Gerichtsverfahren zusammenhängenden Kosten der Ehescheidung (Gerichts- und Anwaltskosten für Scheidung und Versorgungsausgleich - sog. Zwangsverbund, § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--) für das Streitjahr 2006 in Höhe von 3.305 € und für das Streitjahr 2007 in Höhe von 1.499 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Da das FA diese Beträge bereits berücksichtigt habe, sei die Klage hinsichtlich der weiteren Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren unbegründet.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG München vom 21. August 2012  10 K 800/10 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 30. März 2012 dahingehend zu ändern, dass insgesamt Prozesskosten für Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen in Höhe von 8.369,73 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden sowie den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 30. März 2012 dahingehend zu ändern, dass insgesamt Aufwendungen für Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen in Höhe von 4.982,19 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die vom Kläger geltend gemachten weiteren Zivilprozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

13

c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

14

2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

15

Im Streitfall hat das FG die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

16

a) Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 anzuwendende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (Senatsurteil vom 20. Januar 2016 VI R 70/12). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Kosten für außerhalb des sogenannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden dagegen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 ZPO a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492). Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492; vom 30. Juni 2005 III R 36/03, BFHE 210, 302, BStBl II 2006, 491).

17

b) Die vom Kläger hier geltend gemachten Zivilprozesskosten im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren --Kindes- und Trennungsunterhalt sowie Zugewinnausgleich-- betrafen sämtlich Scheidungsfolgesachen, die nicht im Zwangsverbund (Versorgungsausgleich nach § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO) zu entscheiden waren.

18

Es handelt sich insoweit auch nicht um Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühren. Zwar mag der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Der Kläger lief indes nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf einen Prozess eingelassen. Das FG hat deshalb zu Recht die weiteren geltend gemachten Zivilprozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

19

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.