Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht gegenüber dem beklagten Land eine Entschädigung für immaterielle Schäden wegen überlanger Verfahrensdauer einer erst- und zweitinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeit geltend, der die vom Kläger erhobene Klage betreffend eine sog. Verbundausbildung einer seiner Auszubildenden zugrunde liegt.
3Dass der Entschädigungsklage zugrundeliegende Ausgangsverfahren unter dem erstinstanzlichen Aktenzeichen 9 Ca 2544/11 vor dem Arbeitsgericht Köln bzw. zweitinstanzlich unter dem Aktenzeichen 7 Sa 764/12 vor dem Landesarbeitsgericht Köln wurde ausgelöst durch die Klage des Klägers vom 28.03.2011, welche am 31.03.2011 beim Arbeitsgericht in Köln eingegangen ist. Die Klage richtete sich gegen die ehemalige Auszubildende des Klägers (dortige Beklagte zu 1) und gegen den im Rahmen eines Kooperationsvertrages hinsichtlich der Ausbildung der dortigen Beklagten zu 1) eingeschalteten Verbundpartner (den dortigen Beklagten zu 2). Im Rahmen der Klageschrift des Ausgangsverfahrens stellte der Kläger folgende Anträge:
41. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen:
5a) Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den Streitverkündeten zu 4) bis 8) tätig?
6b) Wie lange hat die Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) zur Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei und Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) mit welchen Inhalten gedauert (Anfangsdatum/Enddatum) ?
72. Den Beklagten zu 2) zu verurteilen, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Klageantrag Ziff. 1, zu erteilen;
83. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an den Kläger gem. dessen Rechnung-Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 4.256,01 € brutto (inkl. 19 % MwSt. zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
94. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, den dieser infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in der Vergangenheit bereits entstanden ist und zukünftig noch zu entstehen droht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht;
105. zur Sachaufklärung die Verfahrensakten Az. 34.03-80/V44A/46189 der Streitverkündeten zu 1) und Az. ER III 180/11 der Streitverkündeten zu 2) beizuziehen, sowie die Ausbildungsrolle Nr. 509200 des K A e. ., Geschäftsstelle, L S 101, 50939 K ;
116. mir nach Beiziehung der Verfahrensakten Ziff. 5 gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 299 Abs. 1 ZPO gegen Kostenersatz Akteneinsicht in diese Beiakten durch kurzfristige Überlassung der Verfahrensakten insgesamt an meiner Kanzlei zu gewähren;
127. gem. § 17 a Abs. 3 GVG die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zur Arbeitsgerichtsbarkeit vorab festzustellen, im Übrigen den Rechtsstreit an die andernfalls zuständige Gerichtsbarkeit zu verweisen;
138. den Beklagten gem. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, den Ausbildungsvertrag über das zwischen ihnen ab dem 01.03.2011 geschlossene Ausbildungsverhältnis vorzulegen.
14Innerhalb der Klageschrift erfolgte zugleich eine Streitverkündung gegenüber elf Streitverkündeten. Seitens der Streitverkündeten erfolgte im Laufe des Rechtsstreits kein Beitritt zum Rechtsstreit.
15Mit Schriftsatz vom 14.04.2011 rügte der dortige Beklagte zu 2) die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
16Die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Köln vom 06.05.2011 blieb erfolglos. Im Gütetermin wurde abschließend ein Beschluss verkündet, durch welchen den dortigen Parteien die Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb von zwei Wochen zur sachlichen Zuständigkeit abschließend Stellung zu nehmen. Zugleich schlug das Arbeitsgericht eine vergleichsweise Regelung der Angelegenheit vor und eröffnete den dortigen Parteien hierzu die Gelegenheit, binnen drei Wochen Stellung zu beziehen.
17Nachdem eine vergleichsweise Regelung auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichsvorschlags aus dem Gütetermin vom 06.05.2011 zwischen den dortigen Parteien nicht zustande kam, wies das Arbeitsgericht Köln mit Schreiben vom 04.07.2011 auf seine Absicht hin, über die Frage der sachlichen Zuständigkeit am 20.07.2011 ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer zu entscheiden. Das Arbeitsgericht schlug zugleich in abgewandelter Form erneut eine vergleichsweise Regelung der Angelegenheit vor. Aufgrund der Korrespondenz mit den dortigen Parteien erfolgte ein wiederum abgewandelter Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts gemäß Schreiben vom 19.07.2011.
18Nachdem auch aufgrund der neuerlichen Grundlage eine vergleichsweise Einigung der dortigen Parteien wiederum nicht zustande kam, bestimmte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 16.09.2011 Kammertermin zur mündlichen Verhandlung auf den 25.01.2012. Gemäß Schreiben vom 26.09.2011 teilte das Arbeitsgericht seine Absicht mit, am 23.11.2011 ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer über die sachliche Zuständigkeit zu entscheiden, und gab den dortigen Parteien hierzu Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis zum 10.11.2011.
19Mit Schreiben vom 09.12.2011 teilte das Arbeitsgericht den dortigen Parteien mit, dass eine Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit aufgrund eines Kanzleiversehens bis zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen werden konnte und nunmehr beabsichtigt sei, am 11.01.2012 durch die Kammer über die sachliche Zuständigkeit zu entscheiden.
20Durch Beschluss vom 11.01.2012 wurde der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für alle Klageanträge durch das Arbeitsgericht eröffnet.
21Durch Beschluss vom 17.01.2012 wurde sodann der Kammertermin vom 25.01.2012 aufgehoben, da zunächst die Rechtskraft des Zuständigkeitsbeschlusses vom 11.01.2012 abgewartet werden solle.
22Durch weiteren Beschluss vom 13.02.2012 bestimmte das Arbeitsgericht Kammertermin zu mündlichen Verhandlung zunächst auf den 25.07.2012. Durch Verfügung vom 29.02.2012 wurde der Kammertermin sodann durch das Arbeitsgericht auf den 11.07.2012 vorverlegt.
23Mit Schriftsatz vom 02.07.2012 erstreckte der Kläger die Streitverkündung auf drei weitere Streitverkündete.
24Aufgrund der Kammerverhandlung vom 11.07.2012 wies das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom selben Tag die Klage insgesamt ab. Am 02.08.2012 erfolgte die Zustellung des Urteils an den Kläger, am 07.08.2012 an die dortigen Beklagten.
25Am 08.08.2012 legte der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 9 Ca 2544/11 – vom 11.07.2012 Berufung ein. Mit Antrag vom 20.09.2012 begehrte der Kläger die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 02.11.2012. Das Landesarbeitsgericht gewährte die Fristverlängerung antragsgemäß. Am 02.11.2012 ging die Berufungsbegründung des Klägers per Telefax beim Landearbeitsgericht ein. Das Original der Berufungsbegründung folgte mit Eingang am 16.11.2012 beim Landesarbeitsgericht. Am 20.11.2012 erfolgte die Terminierung durch das Landesarbeitsgericht zur mündlichen Verhandlung auf den 14.02.2013. Aufgrund von Verlegungsanträgen der dortigen Beklagten vom 28.11. bzw. 04.12.2012 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung schließlich auf den 18.04.2013 verlegt.
26Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2013 wurde durch das Landesarbeitsgericht am Ende der Sitzung ein vom Vorsitzenden in seinen Einzelheiten noch schriftlich zu formulierender Hinweis- und Auflagenbeschluss verkündet. Dieser Hinweis- und Auflagenbeschluss erfolgte sodann unter dem 29.04.2013 und beinhaltete neben Hinweisen zur Einschätzung der Rechtslage einen sich hieraus ergebenden Vergleichsvorschlag. Hinsichtlich des Vergleichsvorschlages erhielten die dortigen Parteien Gelegenheit, bis spätestens 18.05.2013 Stellung zu nehmen. Anderenfalls sollten sie nach dem Hinweis- und Auflagenbeschluss des Landesarbeitsgerichts bis spätestens 08.06.2013 bzw. 01.07.2013 zu den gerichtlichen Hinweisen Stellung nehmen. Der dortige Beklagte zu 2) lehnte den Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 17.05.2013 ab. Daraufhin bestimmte das Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 21.05.2013 Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 18.07.2013.
27Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2013 wurde durch die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts ein Beschluss verkündet, durch den der Berufungsrechtsstreit bis zur Entscheidung des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 16 K 1278/13 ausgesetzt wurde. Dem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Köln liegt eine Klage des Klägers vom 20.02.2013 gegen die Bezirksregierung Köln zugrunde, mit der er die Aufhebung des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides vom 13.02.2011 bezüglich der ihm zur Verfügung gestellten Subventionsbeträge für die von ihm durchgeführte Verbundausbildung begehrt.
28Mit Schriftsatz vom 10.08.2013 drückte der Kläger seine Frustration darüber aus, welche Verfahrenslaufzeit der Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht anzunehmen drohe, wenn es beim Aussetzungsbeschluss vom 18.07.2013 verbleibe. Er warf hierbei die Frage auf, ob der Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den vorliegenden landesarbeitgerichtlichen Prozess streitentscheidend sei, wenn die Berufungskammer dem Leistungsantrag auch im Sinne eines Freistellungsanspruchs entsprechen könne.
29Mit Schriftsatz vom 10.11.2013 erhob der Kläger Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 S. 1 GVG. Hierauf teilte das Landesarbeitsgericht dem Kläger durch Schreiben vom 19.12.2013 mit, nach den Feiertagen werde in der Januarhälfte 2014 unaufgefordert auf die Sache zurückkommen.
30Durch Beschluss vom 08.01.2014 wies das Landesarbeitsgericht auf eine im November 2013 bekanntgewordene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.05.2013 (2 AZR 991/11) zum Verhältnis arbeitsgerichtlicher Verfahren zu verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten hin. Aus Sicht des Berufungsgerichts bedürfe es daher der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und einer erneuten Bewertung der Rechtslage.
31Zudem bestimmte das Landesarbeitsgericht Kammertermin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 03.04.2014.
32Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2014 wurde das Urteil vom selben Tag verkündet, mit dem das Urteil des Arbeitsgerichts vom 11.07.2012 – 9 Ca 2544/11 – teilweise abgeändert und im Übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen wurde.
33Mit Schreiben vom 17.04.2014 erfolgte eine weitere Verzögerungsrüge des Klägers.
34Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 03.04.2008 wurde dem Kläger am 19.08.2014 und den beiden dortigen Beklagten am 18.08.2014 zugestellt.
35Am 20.08.2014 legte der Kläger zum einen eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht ein. Zugleich stellte der Kläger mit Schriftsatz vom selben Tag einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim Landesarbeitsgericht Köln. Auf den Tatbestandsberichtigungsantrag bestimmte das Landesarbeitsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 06.11.2014. Am 01.11.2014 verzichtete der Kläger auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung bezüglich des Tatbestandsberichtigungsantrags und stellte zugleich einen Befangenheitsantrag gegenüber dem ordentlichen Vorsitzenden der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln. Dieser fertigte unter dem 17.11.2014 hierzu eine dienstliche Stellungnahme. Der Befangenheitsantrag des Klägers wurde durch das Landesarbeitsgericht am 09.12.2014 zurückgewiesen. Der Kläger richtete hiergegen am 16.12.2014 seine sofortige Beschwerde. Auf Hinweis des Landesarbeitsgerichts bat der Kläger am 21.12.2014 die sofortige Beschwerde vom 16.12.2014 als Gehörsrüge zu behandeln. Diese wurde am 23.12.2014 durch die stellvertretende Vorsitzende alleine zurückgewiesen. Am 23.03.2015 erfolgte ein erneuter Zurückweisungsbeschluss durch die vollständig besetzte Kammer. Am 02.04.2015 wies das Landesarbeitsgericht den Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers zurück. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers am 18.02.2015 unter dem Aktenzeichen 9 AZN 730/14 zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Anhörungsrüge vom 01.03.2015, die am 11.03.2015 durch das Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 9 AZN 176/15 zurückgewiesen wurde. Der Kläger machte gegenüber dieser Zurückweisung eine Gegenvorstellung unter dem 18.03.2015 geltend. Diese Gegenvorstellung wurde durch das Bundesarbeitsgericht am 14.04.2015 als unzulässig verworfen. Mit seiner – am 26.04.2015 – per Telefax beim Bundesarbeitsgericht eingehenden – Beschwerdeschrift wandte sich der Kläger gemäß § 72 b ArbGG (analog) gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht vom 03.04.2014 und begehrte darüber hinaus Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der teilweisen Versäumung der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde vom 19.08.2014. Durch Beschluss vom 03.09.2015 verwarf das Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZN 730/14, 9 AZB 18/15) die sofortige Beschwerde des Klägers als unzulässig - ebenso wie seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
36Der Kläger macht geltend, das arbeitsgerichtliche Verfahren in der ersten und zweiten Instanz sei insgesamt zum Nachteil des Klägers verzögert gewesen. Im Rahmen der ersten Instanz sei auf die über 15monatige Verfahrensdauer abzustellen. Es habe ein nicht so umfangreicher Sach- und Streitstand vorgelegen, dass eine solche Verfahrensdauer gerechtfertigt sei. Die lange Laufzeit sei durch das Arbeitsgericht Köln verursacht worden. Dieses habe erst am 01.11.2012 über die Zulässigkeit des Rechtsweges entschieden, ohne dass für einen solch langen Zeitraum ab Klageerhebung eine schlüssige Erklärung gegeben sei. In der zweiten Instanz sei wegen der bereits eingetretenen langen Laufzeit in der ersten Instanz eine besondere Beschleunigung geboten gewesen. Das Landesarbeitsgericht hätte bereits aufgrund der ersten mündlichen Verhandlung vom 18.04.2013 entscheiden können. Tatsächlich habe die Urteilsbegründung dem Kläger aber erst am 19.08.2014 vorgelegen. Danach habe sich noch das Tatbestandsberichtigungsverfahren angeschlossen. Die Verfahrensdauer der ersten und zweiten Instanz zusammen wie auch die Verfahrensdauer in der zweiten Instanz für sich genommen sei unangemessen lang im Sinne des § 198 GVG. Ein sachliches Argument für die lange Verfahrensdauer sei nicht gegeben. Nach der Verzögerungsrüge des Klägers vom 10.08.2013 – spätestens nach derjenigen vom 10.11.2013 – sei das eigentliche Verfahren innerhalb von sechs Monaten abzuschließen gewesen. Auch nach Einlegung der weiteren Verzögerungsrüge vom 17.04.2014 sei seitens des Landearbeitsgerichts nicht beschleunigt mit der Absetzung des Urteils reagiert worden. Es liege immaterieller Nachteil für den Kläger im Sinne von § 198 Abs. 2 GVG vor. Aus der Verfahrensakte ergebe sich, dass der Rechtsstreit aufgrund der ausgedehnten Dauer für den Kläger belastend gewesen sei.
37Der Kläger beantragt,
381. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der überlangen Dauer des Rechtsstreits ArbG Köln, 9 Ca 2544/11 / LAG Köln, 7 Sa 764/12 eine Entschädigung in Höhe von 1.200,-- € zu zahlen;
392. im Falle der Säumnis oder des Anerkenntnis auf die Klage Versäumnis- bzw. Anerkenntnisurteil zu erlassen;
403. die Verfahrensakte LAG Köln, 7 Sa 764/12 beizuziehen.
41Das beklagte Land beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Das beklagte Land vertritt die Auffassung, das arbeitsgerichtliche Verfahren habe nicht unangemessen lang angedauert. Der Kläger habe nicht eine entschädigungsrelevante Unterlassung durch die Gerichte dargelegt, die eine vermeidbare Verzögerung zur Folge gehabt hätte. Der Kläger sei ohnehin bis zum 10.11.2013 – dem Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge – mit seinem Begehren präkludiert, weil er nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des ÜGRG am 03.12.2011 seine Verzögerungsrüge erhoben habe. Auf die Erhebung der zweiten Verzögerungsrüge vom 17.04.2014 sei nicht abzustellen, da hier die gemäß § 198 Abs. 3 S. 2 GVG vorgesehene Frist für die Erhebung einer weiteren Verzögerungsrüge nicht gewahrt sei. Insgesamt sei die Verfahrensführung grundsätzlich auf den Maßstab der Vertretbarkeit zu überprüfen. Hier sei festzuhalten, dass keine sachlich nicht begründeten Lücken in der Verfahrensführung gegeben seien.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den beigefügten Anlagen und den Inhalt der herbeigezogenen Verfahrensakte 7 Sa 764/12 vor dem Landesarbeitsgericht Köln ergänzend verwiesen.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
46Die vom Kläger erhobene Entschädigungsklage ist zwar zulässig, sie ist jedoch unbegründet, da dem Kläger der von ihm geltend gemachte Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200,-- EUR wegen überlanger Dauer des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 9 Ca 2544/11 und vor dem Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 7 Sa 764/12 nicht zusteht.
47I. Zulässigkeitsbedenken stehen der Entschädigungsklage nicht entgegen.
481. Die Kammer ist gemäß § 201 Abs. 1 S. 1 GVG i. V. m. § 9 Abs. 2 S. 2 ArbGG im vorliegenden Entschädigungsverfahren zur Entscheidung berufen. § 201 Abs. 1 S. 1 GVG i. V. m. § 9 Abs. 2 S. 2 ArbGG begründen bei Klagen gegen ein Land eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde.
492. Der Entschädigungsklage steht eine Versäumung der Klagefrist gemäß § 198 Abs. 5 S. 2 GVG nicht entgegen. Der Kläger hat diese Frist gewahrt.
50Nach § 198 Abs. 5 S. 2 GVG muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahren erhoben werden. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch mit seiner Klage vom 25.02.2015, die am 27.02.2015 beim Landesarbeitsgericht in Köln eingegangen ist, geltend gemacht. Die formelle Rechtskraft des Ausgangsverfahrens war durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch das Bundesarbeitsgericht gemäß Beschluss vom 18.02.2015 eingetreten.
513. Der Zulässigkeit der Entschädigungsklage steht die Nichteinhaltung der Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 5 S. 1 GVG nicht entgegen. Hierbei kann offenbleiben, ob es sich bei den mit Schriftsatz des Klägers vom 10.08.2013 geltend gemachten Einwendungen gegen den Aussetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts vom 18.07.2013 um eine Verzögerungsrüge im Sinne des § 198 GVG gehandelt hat. Sowohl ausgehend von diesem Schriftsatz vom 10.08.2013 wie auch von der Verzögerungsrüge vom 10.11.2013 und der weiteren Verzögerungsrüge vom 17.04.2014 sind bis zur Klageerhebung am 27.02.2015 mehr als sechs Monate verstrichen.
52II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung oder sonstige Wiedergutmachung in Bezug auf die Verfahrensdauer des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 9 Ca 2544/11 bzw. vor dem Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 7 Sa 764/12. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren vor dem Arbeitsgericht Köln und dem Landesarbeitsgericht Köln erweist sich sowohl hinsichtlich erster als auch zweiter Instanz als eine sachlich gerechtfertigte und damit nicht unangemessene Verfahrensleitung.
531. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 198 Abs. 1 S. 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Ein weiteres – neben diesem in § 198 Abs.1 S. 2 GVG explizit genannten – Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 S. 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2015 – III ZR 141/14 - ; Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 27/12 D -). Bezüglich der Verfahrensführung des Gerichts ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit aus Artikel 97 Abs. 1 GG und des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 S. 2 GG (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 - ; Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ).
542. Die Dauer des hier vom Kläger zur Überprüfung gestellten Gerichtsverfahrens erstreckte sich zunächst erstinstanzlich von der Klageerhebung mit Eingang der Klageschrift am 31.03.2011 bis zur Zustellung des Urteils vom 11.07.2012 am 02.08.2012 an den Kläger bzw. am 07.08.2012 an die beiden Beklagten des Ausgangsverfahrens. Hieran schloss sich nach Berufungseinlegung durch den Kläger beim Landesarbeitsgericht mit Berufungsschrift vom 07.08.2012 das Berufungsverfahren an, welches durch Urteil vom 03.04.2014, welches am 19.08.2014 dem Kläger und am 18.08.2014 den dortigen Beklagten zugestellt wurde, abgeschlossen wurde. Dessen formelle Rechtskraft ist durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch das Bundesarbeitsgericht gemäß Beschluss vom 18.02.2015 eingetreten.
553. Von einer unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens erster Instanz beim Arbeitsgericht Köln im Sinne von § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist nicht auszugehen. Die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens vom Klageeingang am 31.03.2011 bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 11.07.2012, welches am 02.08.2012 dem Kläger zugestellt wurde, weist hinsichtlich der Verfahrensförderung des Arbeitsgerichts auf keine sachwidrige Lücken hin.
56a. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Auskunfts- und Schadensersatzklage des Klägers hinsichtlich der Verbundausbildung seiner früheren Auszubildenden – der Beklagten zu 1. im Ursprungsverfahren 9 Ca 2544/11 – nicht um einen standardmäßig auftretenden Streitgegenstand im arbeitsgerichtlichen Verfahren handelt. Zudem ist hinsichtlich der Verfahrensführung die Einbettung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in die weiteren Auseinandersetzungen des Klägers mit der Rechtsanwaltskammer, dem Anwaltsverein und der Bezirksregierung zu sehen. Diese Aspekte nehmen durchaus einen maßgeblichen Umfang im erstinstanzlichen Schriftwechsel ein. Hierbei ist neben der Klageschrift auf die Schriftsätze des Klägers vom 15.04.2011, 28.04.2011. 03.05.2011, 16.05.2011, 03.06.2011, 08.07.2011, 08.08.2011, 15.08.2011, 11.09.2011, 31.10.2011, 30.06.2012 und 02.07.2012 zu verweisen.
57Hinsichtlich dieser Umstände ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Diese darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 - ). Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ).
58b. Hinsichtlich der Gesamtlaufzeit des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt weiterhin zu berücksichtigen, dass vor einer Instanz beendenden materiellen Entscheidung zunächst über die vom Beklagten zu 2. erhobene Zuständigkeitsrüge gemäß dessen Schriftsatz vom 14.04.2011 zu befinden war. Dass eine Entscheidung über die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten erst durch Beschluss am 11.01.2012 durch das Arbeitsgericht getroffen wurde, vermag ebenfalls eine überlange Verfahrensdauer im Sinne des § 198 Abs. 1 S. 1 GVG nicht zu begründen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beschlussfassung über die Eröffnung des Rechtswegs ursprünglich bereits für den 20.07.2011 durch das Arbeitsgericht vorgesehen war. Ein Hinausschieben der Beschlussfassung war dann begründet durch einen nochmaligen Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts, zu dem es dann gemäß dem klägerischen Schreiben vom 08.07.2011 Änderungswünsche des Klägers gab. Daraufhin sah sich das Arbeitsgericht veranlasst, durch Schreiben vom 19.07.2011 einen geänderten Vergleichsvorschlag den Parteien zu unterbreiten, den der Kläger mit Schreiben vom 08.08.2011 sodann ablehnte. Sodann war die Beschlussfassung hinsichtlich der Eröffnung des Rechtswegs ursprünglich für den 23.11.2011 gemäß dem arbeitsgerichtlichen Schreiben vom 16.09.2011 vorgesehen. Lediglich ein Kanzleiversehen hat zu einer Verschiebung der Beschlussfassung auf den 11.01.2012 geführt.
59Hinsichtlich der gerichtlichen Vergleichsvorschläge zunächst im Gütetermin vom 06.05.2011 und sodann in abgewandelter Form in weiteren gerichtlichen Schreiben vom 21.07.2011 und 19.07.2011 ist maßgeblich, dass das Arbeitsgericht hiermit seinem gesetzlichen Auftrag nachgekommen ist, in jedem Stadium des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken (vgl. §§ 54 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 2 ArbGG, § 278 Abs. 1 ZPO).
60c. Zudem ist die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (vgl. BT-Drucksache 17 / 3802, Seite 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen. Dabei kommt es auf eine „Prozessverschleppungsabsicht“ oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens. In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ; OVG NRW, Urteil vom 28.09.2015 – 13 D 116/14 - ). Hierbei schlägt zu Buche, dass der Kläger im arbeitsgerichtlichen Ausgangsverfahren Änderungswünsche hinsichtlich des Vergleichsvorschlages des Arbeitsgerichts mit klägerischem Schreiben vom 08.07.2011 vorbrachte. Weiterhin sind zu berücksichtigen die oben bereits in Bezug genommenen umfangreichen schriftsätzlichen Stellungnahmen des Klägers, die einen Vorbereitungs- und Bearbeitungsaufwand beim Arbeitsgericht auslösten (vgl. zu diesem Aspekt OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.09.2015 – 13 D 116/14 - ). Hierbei ist dem Richter zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2015 – III ZR 141/14 - ).
61Unter Heranziehung der vorgenannten Aspekte ist eine unangemessene Verfahrensdauer bei dem arbeitsgerichtlichen erstinstanzlichen Verfahren nicht festzustellen. Dies gilt auch bei Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes nach § 9 Abs. 1 ArbGG. Dieser ist in Beziehung zu setzen zu der besonderen Prozessförderung in Kündigungsverfahren nach § 61 a Abs. 1 ArbGG, deren vorrangige Erledigung dort vorgesehen ist. Auch in diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens – das Auskunfts- und Schadensersatzbegehren im Rahmen des Verbundausbildungsverhältnisses mit der dortigen Beklagten zu 1. – nicht hinreichend darauf schließen ließ, dass eine unmittelbar zeitnahe Entscheidung für den Kläger von einer besonderen persönlichen Bedeutung gewesen sein musste (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ; Beschluss vom 19.09.2013 – III ZA 16/13 - ). Hintergrund der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung im Ursprungsverfahren war die dem Kläger durch die Beendigung der Verbundausbildung mit der dortigen Beklagten zu 1. in Aussicht stehende Rückforderung der für die Verbundausbildung erhaltenen Subventionen seitens der Bezirksregierung Köln. Anhaltspunkte dafür, dass dies für den Kläger eine wirtschaftlich besonders bedeutsame und damit zeitnah existentielle Angelegenheit gewesen ist, sind vorliegend nicht erkennbar.
624. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch keine unangemessene Verfahrensdauer im Rahmen der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln in dem Ursprungsverfahren unter dem Aktenzeichen 7 Sa 764/12 vor.
63a. Zunächst ist davon auszugehen, dass eine besondere – über den allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz gemäß § 9 Abs. 1 ArbGG hinausgehende – Beschleunigung in der Berufungsinstanz im Ursprungsverfahren nicht indiziert war. Nach oben dargestellter Einschätzung der Kammer hat das erstinstanzliche Verfahren nicht unangemessen lang angedauert.
64b. Eine unangemessen lange Dauer des Berufungsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 S. 1 GVG ist entgegen dem Kläger auch nicht daraus herzuleiten, dass der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz bereits im Zeitpunkt des ersten mündlichen Verhandlungstermins vom 18.04.2013 entscheidungsreif gewesen sei.
65Eine solche Annahme würde außer Acht lassen, dass – von zwingenden gesetzlichen Vorgaben abgesehen – ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung besteht. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13 - ). Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und –gestaltung zugrundelegt, nicht in Frage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2015 – 11 EK 8/14 - ).
66Anhaltspunkte dafür, dass das Unterbleiben einer instanzabschließenden Entscheidung im ersten Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht am 18.04.2013 als willkürlich zu werten wäre, sind nicht gegeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Landesarbeitsgericht mit seinem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2013 erlassenen Hinweis- und Auflagenbeschluss dem Anliegen der Parteien auf rechtliches Gehör nachgekommen ist. Zudem hat das Landesarbeitsgericht durch den konkret formulierten Beschluss vom 29.04.2013 den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und damit dem gesetzlichen Anliegen gemäß den §§ 57 ArbGG, 278 Abs.1 ZPO entsprochen, auf eine gütliche Beilegung der Streitigkeit hinzuwirken. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach Ablehnung des Vergleichsvorschlags durch den dortigen Beklagten zu 2. mit dessen Schriftsatz vom 17.05.2013 zeitnah durch Beschluss vom 22.05.2013 ein neuer Verhandlungstermin für den 18.07.2013 anberaumt worden ist.
67c. Die im weiteren Verhandlungstermin vom 18.07.2013 beschlossene Aussetzung des Verfahrens wegen dem vom Kläger eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 16 K 1278/13 ist wiederum vom richterlichen Gestaltungsspielraum gedeckt. Hierbei ist maßgeblich, dass nach § 148 ZPO das Gericht anordnen kann, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des eigenen Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, dass den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung – einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern – sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die dabei entstehenden Folgen für die Parteien abzuwägen. Dabei ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer (§§ 9 Abs. 2 S. 2 ArbGG, 198 ff. GVG, vgl. BAG, Beschluss vom 16.04.2014 – 10 AZB 6/14 - ). Eine Überschreitung des dabei dem Gericht zukommenden Ermessensspielraums ist vorliegend nicht zu erkennen. Anders als beispielsweise in einem Rechtsstreit über Entgeltansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, über die bereits eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers vorliegt, stand der Aussetzung des Ausgangsrechtsstreits nicht entgegen, dass existentielle Belange der dortigen Parteien betroffen waren (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 16.04.2014 – 10 AZB 6/14 - ).
68d. Nach Einlegung der Verzögerungsrüge durch den Kläger mit Schriftsatz vom 10.11.2013 hat das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungszeit zeitnah durch den Terminsbeschluss vom 08.01.2014 reagiert, mit dem der Termin zu einer weiteren mündlichen Verhandlung auf den 03.04.2014 anberaumt wurde.
69Die Zustellung des im bzw. nach dem Termin vom 03.04.2014 verkündeten instanzbeendenden Urteils ist dann innerhalb des gesetzlichen Rahmens von fünf Monaten nach dieser Verkündung am 19.08.2014 dem Kläger zugestellt worden. Ein entschädigungsrelevanter Umstand ist aus diesem Zeitablauf nicht herzuleiten.
70Der Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils vom 03.04.2014 durch Zurückweisung der vom Kläger eingereichten Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht gemäß Beschluss vom 18.02.2015 ist zeitnah zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom 20.08.2014 erfolgt. Dessen ungeachtet ist der Zeitablauf ab Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vom Landesarbeitsgericht unbeeinflusst.
715. Die Gesamtverfahrensdauer beider Instanzen zusammengerechnet ist ebenfalls nicht als unangemessen langandauernd im Sinne des § 198 Abs. 1 S. 1 GVG anzusehen. Keiner der Verfahrensabschnitte ist nach der Abwägung der Umstände des Einzelfalles und deren Gewichtung von einer willkürlichen unverständlichen richterlichen Verfahrensführung oder Untätigkeit geprägt. Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen dieses Abwägungsprozesses eine besondere existentielle Bedeutung des Verfahrens für den Kläger zu berücksichtigen wäre, sind nicht gegeben. Gravierende Auswirkungen auf die Vermögenslage beim Kläger oder konkrete psychische bzw. physische Beeinträchtigungen durch die Verfahrensführung sind nicht vorgetragen (vgl. zu diesem Aspekt OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.09.2015 – 13 D 116/14 - ).
72III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO als unterlegene Partei.
73Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §§ 201 Abs. 2 S. 3 GVG, 9 Abs. 2 S. 2, 72 ArbGG sind nicht gegeben, da die Entscheidung unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Umständen des Einzelfalles beruht.
74R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
75Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
76Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Auskunfts- und (Rück-)Zahlungsansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem von ihnen praktizierten sog. Verbundausbildungsverhältnis.
3Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und betreibt seit dem Jahre 2007 eine eigene Einzelanwaltskanzlei in B . Zum 01.09.2009 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beklagten zu 1) zur Rechtsanwaltsfachangestellten (Bl. 52 – 55 d. A.). Der Berufsausbildungsvertrag war für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 befristet. Gemäß § 3 Ziffer 12 sollte er als Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt werden.
4Zu diesem Zweck hatte der Kläger zuvor mit dem ihm bis dahin nicht bekannten Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und mit diesem einen „Kooperationsvertrag über eine Ausbildung im Verbund“ abgeschlossen, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d. A.). In dem Kooperationsvertrag ist festgelegt, dass die voraussichtliche Dauer des von der Beklagten zu 1) beim Beklagten zu 2) zu absolvierenden Ausbildungsabschnittes 6 Monate betragen sollte, „voraussichtlich beginnend ab dem 2. Lehrjahr“. Zugleich vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2) in dem Kooperationsvertrag, dass die vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei dem Kläger liegen solle.
5Der Beklagte zu 2) betreibt zusammen mit anderen Rechtsanwälten, mit denen er teils in einer Sozietät, teils in Bürogemeinschaft verbunden ist, in der K Innenstadt eine Anwaltskanzlei, die auf Strafrecht spezialisiert ist.
6Wie dem Beklagten zu 2) beim Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Kläger bekannt war, wollte der Kläger öffentliche Fördergelder für die Verbundausbildung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck stellte der Kläger bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des M für A , G und S des L N und des E S E zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“. Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist u.a., dass der den Antrag stellende, den Ausbildungsvertrag abschließende Betrieb die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vollständig allein vermitteln kann. Dementsprechend ließ sich der Kläger von der Rechtsanwaltskammer Köln bestätigen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermitteln kann“. Zugleich wurde die weitere Formularfrage, ob er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, nicht bejaht (vgl. Bl. 901 d.A.). Mit Bescheid vom 29.10.2009 wurde dem Kläger daraufhin die beantragte Zuwendung mit dem Höchstsatz von 4.500,- € bewilligt.
7Im Zeitpunkt des Abschlusses des Berufsausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) und des Kooperationsvertrages mit dem Beklagten zu 2) sowie der Beantragung der Fördermittel für die Verbundausbildung beschäftigte der Kläger in seiner Kanzlei bereits seit August des Vorjahres eine andere Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten.
8Die Beklagte zu 1) wurde sodann in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 in der Kanzlei des Klägers ausgebildet und wechselte mit dem 01.09.2010 zum Zwecke der vorgesehenen sechsmonatigen Verbundausbildungsphase in die Kanzlei des Beklagten zu 2). Der Kläger zahlte wie mit dem Beklagten zu 2) vereinbart über den 01.09.2010 hinaus die monatliche Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1).
9Die Beklagte zu 1) entschloss sich dann jedoch, nach Ablauf der sechsmonatigen Verbundausbildungsphase nicht mehr in die Kanzlei des Klägers zurückzukehren, sondern – im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2) – ihre Berufungsausbildung in der Kanzlei des Beklagten zu 2) fortzusetzen. Nachdem eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) über die Modalitäten des Übergangs des Berufsausbildungsverhältnisses gescheitert war, kündigte die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2011, dem Kläger zugegangen am selben Tage, fristlos und schloss mit dem Beklagten zu 2) für die Zeit ab dem 01.03.2011 einen neuen Berufsausbildungsvertrag ab.
10Für den Monat März 2011 wandte der Kläger noch für die Beklagte zu 1) anteilige Ausbildungsvergütung und Gebühren für ein Jobticket in Höhe von insgesamt 71,80 € auf.
11In einer Selbstanzeige vom 12.08.2012 an die Generalstaatsanwaltschaft Köln räumte der Kläger ein, dass er alle nach der Ausbildungsverordnung für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang auch allein vermitteln könne und auch bereits tatsächlich alleine ausgebildet habe. Im Anschluss hieran nahm die B K mit Bescheid vom 13.02.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2009, die Verbundausbildung der Beklagten zu 1) betreffend, zurück und forderte den Kläger auf, den Subventionsbetrag in voller Höhe zurückzuzahlen. Auf den vollständigen Inhalt des Bescheids vom 13.02.2013 (Bl. 753 – 766 d. A.) wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage ist noch in erster Instanz anhängig.
12Wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge, wegen der von den Parteien hierzu gegebenen Begründungen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 Bezug genommen.
13Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 02.08.2012 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 08.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.11.2012 am 02.11.2012 begründet.
14Der Kläger und Berufungskläger hält an seinem Auskunftsbegehren fest, welcher bisher Gegenstand des Antrages zu 1 a) war, Er meint, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei der Auskunftsanspruch keineswegs erfüllt, weder durch die Angabe des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) sei „in hiesiger Kanzlei“ beschäftigt worden, noch durch die Protokollerklärung aus der Sitzung vom 11.07.2012, wonach „die Beklagte zu 1) während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet“ habe. Er, der Kläger habe einen Anspruch darauf zu wissen, ob die Beklagte zu 1) während der sechsmonatigen Verbundphase tatsächlich nur für die Anwaltssozietät L und T tätig geworden sei, da andernfalls ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides vorläge, welcher zu dessen Zurücknahme führen könne.
15Auch hält der Kläger daran fest, dass er einen Anspruch auf einen schriftlichen Bericht des Beklagten zu 2) über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei verlangen könne. Es treffe zwar zu, dass ihm die Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Dauer der Verbundphase vorlägen. Diese seien aber nur von der Beklagten zu 1) unterschrieben und nicht vom Beklagten zu 2)
16Der Kläger hält auch daran fest, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Geldbetrag zurückzuerstatten, den er, der Kläger, in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 an Ausbildungsvergütung für die Beklagte zu 1) aufgewandt habe. Nach Abzug einer auf den Zeitraum der Verbundphase entfallenden Rückerstattung seitens der Krankenkasse in Höhe von 591,73 € handele es sich um einen Betrag in Höhe von 2.984,74 €. Dieser ergebe zuzüglich der 19 %-igen MwSt. den jetzt neu formulierten Zahlungsantrag zu 3) über 3.551,84 €. Die Anspruchsgrundlage sei in dem Rechtsgedanken des
17§ 426 BGB zu sehen; denn während der Verbundphase sei gemäß § 17 BBiG auch der Beklagte zu 2) der Beklagen zu 1) gegenüber vergütungspflichtig gewesen.
18Außerdem sei es Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Ausbildungskosten in der Verbundphase gewesen, dass die Verbundphase in der Kanzlei des Beklagten zu 2) auf sechs Monate begrenzt sei. Es habe nämlich erkennbar nicht seiner, des Klägers, Intention entsprochen, den Beklagten zu 2) durch die Vereinbarung der Freistellung von der Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu bereichern. Gegen diese Argumentation könne auch nicht eingewandt werden, dass es ja der Beklagten zu 1) auch freigestanden hätte, z. B. die Ausbildung nach dem Abschluss der Verbundphase gänzlich abzubrechen; denn in diesem Fall wäre eine Bereicherung des Beklagten zu 2) nicht eingetreten.
19Von der Beklagten zu 1) verlangt der Kläger die Erstattung des für sie für März 2011 noch aufgewandten Betrages in Höhe von 71,80 € netto.
20Schließlich hält der Kläger auch an seinem gegen beide Beklagten gerichteten Feststellungsanspruch fest, wonach die Beklagten Schäden, die ihm infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung zukünftig noch entstehen könnten, insbesondere aus einer Rückforderung der für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder, zu erstatten seien.
21Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
22unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 2544/11 vom 11.07.2012, wie folgt zu erkennen:
23- 24
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den in der Klageschrift vom 28.03.2011 aufgelisteten Streitverkündeten zu 4) – 8) tätig?
26- 27
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Berufungsantrag Ziffer 1, zu erteilen.
- 29
3. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger aus dessen Rechnung Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 3.551,84 € brutto (incl. 19 % MwSt.) zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
- 33
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) zukünftig noch entsteht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht.
Die Beklagten beantragen,
35die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36Die Beklagten halten das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigen dessen Entscheidungsgründe. Für einen Anspruch des Berufungsklägers auf Erstattung der während der Verbundphase von ihm aufgewandten Ausbildungsvergütungen bestehe keine Anspruchsgrundlage. Eine solche ergebe sich weder aus § 313 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch der Fortbestand des zugunsten des Berufungsklägers ergangenen Subventionsbescheides stelle keine Geschäftsgrundlage für die von ihm eingegangene Verpflichtung dar, während der Verbundphase die Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu übernehmen. Selbst wenn dem aber so wäre und es bei der jetzt von der Bezirksregierung verfügten Rücknahme des Förderbescheides bleibe, könne er, der Beklagte zu 2) nicht zur Zahlung herangezogen werden; denn nach der Risikoverteilung des Kooperationsvertrages falle das Schicksal der Subvention allein in die Sphäre des Berufungsklägers. Dies gelte umso mehr, als der jetzt erlassene Rückforderungsbescheid ausschließlich darauf gestützt werde, dass der Kläger bei der Beantragung der Fördergelder falsche Angaben gemacht habe.
37Den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten, nunmehr bezifferten Zahlungsantrag halten die Beklagten in dieser Form für verspätet. Sie halten daran fest, dass die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011 gerechtfertigt gewesen sei und machen geltend, dass der Kläger sich die Beträge bei K und Sozialversicherung habe erstatten lassen können.
38Auch der Feststellungsantrag sei zurückzuweisen. Er, der Beklagte zu 2), habe keine Pflichtverletzung in der Verbundausbildung begangen, die dazu führen könne, dass der Kläger die erhaltene Subvention zurückzahlen müsse. Die Bezirksregierung beabsichtige auch nicht, die Subvention etwa wegen der Kündigung vom 01.03.2011 zurückzuverlangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Kläger bei den Subventionsanträgen falsche Angaben gemacht habe.
39Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Berufungsklägers, der Berufungserwiderungsschrift der Berufungsbeklagten nebst ihren sämtlichen Analgen sowie die sonstigen in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Auch soweit sich die Berufung gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist die notwendige Beschwer von 600,- € erreicht, da die Beklagte zu 1) nicht nur mit dem Zahlungsantrag zu 4), sondern auch mit dem Feststellungsantrag zu 5) in Anspruch genommen werden soll.
42Der Berufungskläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
43II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur insoweit erfolgreich sein, als der Berufungskläger nunmehr die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 71,80 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt. Im Übrigen können die Ausführungen des Berufungsklägers jedoch nicht zu einer Abänderung des zutreffenden erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2012 führen.
44A. Der Berufungskläger kann von der Beklagten zu 1) entsprechend seinem nunmehr gestellten Zahlungsantrag zu 4) 71,80 € netto zzgl. eingeklagter Prozesszinsen verlangen.
451. Der erstmals in der Berufungsinstanz bezifferte Zahlungsantrag ist zulässig. Der Kläger versteht ihn als Teilkonkretisierung des erstinstanzlichen Feststellungsantrages, soweit dieser gegen die Beklagte zu 1) gerichtet war. Dem kann gefolgt werden, da es sich um einen Anspruch handelt, der zumindest im weiteren Sinne aus der von der Beklagten zu 1) zum 01.03.2011 vorgenommen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dieser Parteien resultiert, auch wenn es sich im rechtstechnischen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.
462. Der Kläger hat durch seine Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Vergütungsabrechnung der Beklagten zu 1) für den Monat März 2011 dokumentiert, dass sich der jetzige Klagebetrag zusammensetzt aus einem Auszahlungsbetrag von 11,90 €, der sich auf die anteilige Ausbildungsvergütung für den Monat März 2011 bezieht, sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 59,90 €, den der Kläger für ein Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat verauslagt hat. Die Beklagte zu 1) war durch den Auszahlungsbetrag für März 2011 ungerechtfertigt bereichert. Die Auslagen für das Jobticket hat sie dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.
47a. Die Beklagte zu 1) hat das Ausbildungsverhältnis zum Kläger bekanntlich mit Schreiben vom 01.03.2011, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgekündigt. Die im Laufe des 01.03.2011 zugestellte Kündigung kann das Ausbildungsverhältnis, unterstellt man einmal ihre Wirksamkeit, frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beendet haben. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1) am 01.03.2011 keinerlei vertragliche Leistungen gegenüber dem Kläger mehr erbracht. Sie war an diesem Tag gegenüber dem Kläger weder arbeitsbereit noch arbeitswillig; denn sie hat am selben Tag bereits ihre Ausbildung beim Beklagten zu 2) aufgenommen.
48b. Die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch der Beklagten zu 1) auf Vergütung ohne Arbeitsleistung liegen nicht vor. Weder hatte die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf einen bezahlten Urlaubstag, noch befand sich der Kläger in Annahmeverzug.
49c. Da der Kläger vor Beginn des Monats März 2011 auch nicht wissen konnte, dass die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis alsbald beenden würde, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er die Kosten für das Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat aufgewandt hat.
50d. Die Behauptung der Beklagten zu 1), der Kläger hätte sich die Kosten für das Jobticket bei der K teilrückerstatten lassen können (in welcher Höhe?), ist schon wegen ihrer fehlenden Substantiierung unerheblich.
51e. Bei dem Restbetrag von 11,90 € handelt es sich nicht um eine Erstattung zu Unrecht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen Auszahlungsbetrag an die Beklagte zu1).
52B. Ansonsten ist die Berufung des Klägers jedoch in Gänze unbegründet.
531. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den jetzigen Auskunftsantrag zu 1) zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Auskunftsanspruch, so er denn ursprünglich bestanden hat, vom Beklagten zu 2) erfüllt wurde und zwar gleich mehrfach.
54a. So hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 28.03.2011 unter dem Briefkopf „Rechtsanwälte L T “ ausgeführt:
55„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. R ,
56ich darf Ihnen bestätigen, dass ich die Auszubildende J W im Rahmen der Verbundausbildung in der Zeit vom 01.09.2010 bis einschließlich 28.02.2011 in hiesiger Kanzlei [Hervorhebung nur hier] ausgebildet habe“ (Bl. 241 d. A.).
57Die Namen weiterer Anwälte finden sich auf dem fraglichen Briefbogen nicht. Das Bestätigungsschreiben enthält somit zum einen die Aussage, dass der Beklagte zu 2) in eigener Person („ich habe …. ausgebildet“) die Beklagte zu 1) ausgebildet hat und zum zweiten die Aussage, dass dies in der Kanzlei „L - T “ geschehen ist. Bekanntlich befand sich der Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt mit der Rechtsanwältin T in einer Sozietät und mit einigen weiteren Rechtsanwälten in einer Bürogemeinschaft. Bezeichnenderweise spricht auch der Kläger selbst in seiner Antragsformulierung – formalrechtlich korrekt – die nur in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwälte jeweils als „Rechtsanwaltskanzlei“ an.
58b. Selbst wenn man die Aussage des Beklagten zu 2) in seinem Bestätigungsschreiben vom 28.03.2011 aber noch für zu ungenau hielte, so gilt dies nicht für die Protokollerklärung, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) für diesen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 11.07.2012 abgegeben hat. Dort heißt es:
59„Die Beklagte zu 1) hat während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet.“
60Wer einem Auszubildenden Weisungen erteilt, also das Ob, Was und Wie seiner Tätigkeiten bestimmt, geriert sich als der Ausbildungsverantwortliche. Dies entspricht auch den dem Zuwendungsbescheid der B zugrundegelegten Verhältnissen; denn in dem Vermerk der B vom 29.10.2009 heißt es, dass die fehlenden Ausbildungsinhalte, die der antragstellende Betrieb nicht alleine vermitteln kann, „von der Rechtsanwaltskanzlei L /T übernommen“ wird (Anlage K 18, Bl. 265 d. A.).
61c. Der gegen die Relevanz der Protokollerklärung des Beklagten zu 2) vom 11.07.2012 gerichtete Einwand des Klägers, es entspreche nicht den Verträgen über die Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) und demnach auch nicht dem Zuwendungsbescheid, wenn die Beklagte zu 1) während der Verbundphase auf Veranlassung des Beklagten zu 2) für andere Anwaltskanzleien gearbeitet hätte, geht fehl. Es ist nicht dasselbe, wenn eine Auszubildende auf Veranlassung ihres Verbundausbilders teilweise von anderen Anwaltskanzleien ausgebildet wird, also die Ausbildungsinhalte betreffende Weisungen erhält, oder ob – so der Erklärungswert der Protokollerklärung vom 11.07.2012 – der verantwortliche Verbundausbilder der Auszubildenden die Weisungen zu ausbildungsrelevanten Tätigkeiten selbst erteilt, mag auch in dem einen oder anderen Fall das Ergebnis der Tätigkeiten auch dritten, mit dem Verbundausbilder nur in Bürogemeinschaft stehenden Kanzleien zugutekommen, wie dies etwa bei der Entgegennahme von Anrufen auf einem gemeinsam betriebenen Telefon der Fall sein kann.
62d. Die vom Kläger angesprochenen „Problemfälle“ bei der Förderung von Verbundausbildungen in der Vergangenheit betrafen die Konstellation, dass der Stammausbilder/Antragsteller der Förderung mit dem vorgesehenen Verbundausbilder eine Bürogemeinschaft bildete, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist.
632. Auch die Forderung des Berufungsklägers, vom Beklagten zu 2) einen schriftlichen Bericht über dessen Ausbildungstätigkeit während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 zu erhalten, hat das Arbeitsgericht richtigerweise abschlägig beschieden.
64a. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Ansinnen des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ist nicht erkennbar. Zwar wird man dem Kläger als dem ursprünglichen Hauptvertragspartner des Ausbildungsverhältnisses und ‚Stammausbilder‘ der Auszubildenden ein berechtigtes Interesse daran nicht absprechen können zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte der Auszubildenden während der Verbundphase der Ausbildung vermittelt worden sind. Diesem berechtigten Interesse des Klägers ist aber bereits dadurch genüge getan, dass sich der Kläger im Besitz des vollständigen Textes aller Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Zeit von 01.09.2010 bis 28.02.2011 befindet. Ausführlicher als anhand solcher Berichtshefte kann der Kläger nicht über den Verlauf der Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) unterrichtet werden.
65b. Der Einwand des Klägers, dass die ihm vorliegenden Berichtshefte nur die Unterschrift der Beklagten zu 1), nicht aber die Unterschrift des Beklagten zu 2) aufwiesen, ist für das hier geltend gemachte Informationsinteresse des Klägers unerheblich. Indem sich der Beklagte zu 2) im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits mehrfach gegenüber dem Kläger darauf berufen hat, dass sich dieser ja im Besitz der Informationen aus den Berichtsheften der Beklagten zu 1) befindet, hat er sich dem Kläger gegenüber den informatorischen Gehalt dieser von der Beklagten zu 1) stammenden Aufzeichnungen zu Eigen gemacht. Ergänzend tritt hierneben noch die Information des Beklagten zu 2) aus seinem Schreiben vom 28.03.2011 an den Kläger über den Ausbildungsinhalt.
663. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz etwaigen zukünftigen Schadens „infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung“ abgewiesen.
67a. Unter „vorzeitigem Abbruch der Verbundausbildung der Beklagten zu 1)“ versteht der Kläger die einseitige Beendigung des zwischen ihm und der Beklagten zu1) begründeten Ausbildungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011.
68b. Der Berufungskläger hat nicht plausibel machen können, dass ihm aus diesem Tatbestand – abgesehen von dem im Antrag zu 4) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) – ein weiterer Anspruch oder ‚Schaden‘ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen könnte. Der Kläger hat die Prognose eines möglichen zukünftigen Schadens insbesondere auf die Befürchtung gestützt, dass die Beendigung des Verbundausbildungsverhältnisses zum 01.03.2011 durch die Beklagte zu 1) dazu führen könne, dass der Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder angeordnet werden könnte. Diese Befürchtung des Klägers ist jedoch obsolet. Die B hat zwar mittlerweile durch ihren Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid tatsächlich zurückgenommen und die Rückzahlung des dem Kläger zugeflossenen Fördergeldes angeordnet. Diese Rückzahlungsforderung wird von der Bezirksregierung aber in keiner Weise mit einem vorzeitigen Abbruch der Verbundausbildung begründet, sondern damit, dass aufgrund falscher Angaben des Klägers die Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördergelder von vorneherein nicht vorgelegen hätten.
69c. Die B hätte im Übrigen auch keinen Anlass gehabt, die zugewandte Subvention wegen einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zurückzufordern. Zum einen konnte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011, ihre Rechtswirksamkeit einmal unterstellt, den Ausbildungsvertrag frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beenden. Damit wäre die Beendigung in jedem Fall erst in der zweiten Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Gesamtausbildungszeitraums erfolgt. Zum anderen ist die während des Bestands des Verbundausbildungsvertrages in der Zeit vom 01.09.2009 bis 01.03.2011 aufgebrachte Mühewaltung an der Ausbildung der Beklagten zu 1), auch nicht fehlgeschlagen; denn die Beklagte zu 1) hat ihre Ausbildung bei einem anderen Rechtsanwalt, dem Beklagten zu 2), fortgesetzt und zu Ende geführt.
704. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der von ihm während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*1) an die Beklagte zu 1) gezahlten Ausbildungsvergütung. Auch diesen Anspruch hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.
71a. Der Kläger hat in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) über die Verbundausbildung ausdrücklich die alleinige „vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende“ auch für die Dauer der Verbundphase übernommen. Damit traf den Kläger – und wie die Verwendung des Begriffes „ausschließlich“ im Text des Kooperationsvertrages bestimmt, nur diesen – unstreitig die Verpflichtung, auch in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*2) die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) zu zahlen.
72b. Der Kläger hat durch die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) während dieser Zeit somit nur seine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt.
735. Eine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung dieser Beträge vom Beklagten zu 2) besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nicht aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 426 BGB.
74a. Dies scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche des Beklagten zu 1) auf Zahlung der Ausbildungsvergütung im Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2011 kein Gesamtschuldverhältnis vorlag. Die aus § 17 Abs.1 S. 1 BBiG folgende Verpflichtung eines Ausbildenden, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren, traf im vorliegenden Fall auch während der Verbundphase der Berufsausbildung nur den Kläger. Der Kläger übersieht, dass der zwischen ihm und der Beklagten zu 1) begründete Berufsausbildungsvertrag auch während der Zeit, in der die Beklagte zu 1) ihre Verbundausbildung beim Beklagten zu 2) absolvierte, fortbestand. Wie aus § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) hervorgeht, hatte aus der Sicht dieses Vertrages die Verbundausbildungsphase bei dem Beklagten zu 2) den Stellenwert einer „Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte“. Hierzu nimmt § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich auf den Verbundausbildungsvertrag Bezug, den der Kläger mit dem Beklagten zu 2) geschlossen hat. Die in diesem Verbundausbildungsvertrag der beiden Anwälte getroffene Vereinbarung, dass „die finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei Rechtsanwalt Dr. R “ liegt, gilt somit unmittelbar auch im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1).
75b. Zudem heißt es ergänzend in § 5 Ziffer 2 des Berufsausbildungsvertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1) unter der Überschrift „Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte“ :
76„Für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, die … in § 3 Nr. 12 vereinbart sind, trägt der Ausbildende die notwendigen Kosten, soweit der Auszubildende nicht einen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat.“
77„Ausbildender“ im Sinne dieses Vertrages ist ausweislich der Eintragung bei Buchstabe b) vor § 1 des Ausbildungsvertrages der Kläger.
78c. Dass sich der Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) gesondert verpflichtet hätte, dieser für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 ebenfalls – zusätzlich oder alternativ zum Kläger – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
79d. Die Beklagte zu 1) hätte somit in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 ihre Ansprüche auf Ausbildungsvergütung nicht mit Aussicht auf Erfolg gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend machen können. Von einer gleichrangigen Alternativschuld, wie sie Voraussetzung eines Gesamtschuldverhältnisses ist, kann somit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) keine Rede sein.
806. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers kann auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB hergeleitet werden.
81a. In der Berufungsbegründung führt der Kläger aus, Geschäftsgrundlage dafür, dass er auch während der Verbundphase der Berufsausbildung der Beklagten zu 1) die Verpflichtung übernommen habe, deren Ausbildungsvergütung weiter zu zahlen, sei die zeitliche Begrenzung der Verbundphase auf sechs Monate gewesen. Dies erweist sich schon aufgrund der vorgelegten Verträge als unzutreffend. Die „voraussichtliche Dauer“ des in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu absolvierenden Verbundausbildungsabschnittes von sechs Monaten war nicht Geschäftsgrundlage, sondern unmittelbarer Vertragsinhalt. Zwischen Vertragsinhalt und Geschäftsgrundlage ist streng zu unterscheiden (BGH NJW 83, 2036). Was nach dem Vertragstext bereits Vertragsinhalt ist, kann nicht Geschäftsgrundlage sein (BGHZ 91, 1600; Palandt/Grüneberg, § 313 Rdnr. 10).
82b. Unabhängig davon hat sich an der vertraglich vorgesehenen Dauer der Verbundausbildungsphase von sechs Monaten aber auch nachträglich nichts geändert. Die auf der Basis des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) absolvierte Verbundausbildungsphase war am 28.02.2011 beendet.
83c. Zwar ist die Beklagte zu 1) bekanntlich über den 01.03.2011 hinaus in der Kanzlei des Beklagten zu 2) verblieben und wurde dort weiter ausgebildet. Dies geschah jedoch gerade nicht auf der Grundlage des vom Kläger mit den Beklagten abgeschlossenen Verbundausbildungsvertrages, sondern auf der Grundlage eines neuen Berufsausbildungsvertrages, den die Beklagte zu 1) für die Zeit ab 01.03.2011 mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte.
847. An anderer Stelle führt der Kläger sinngemäß aus, als Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs.1 BGB für seine Kostenübernahmeverpflichtung in dem Kooperationsvertrag sei es anzusehen, dass die Beklagte zu 1) nach Abschluss der sechsmonatigen, in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu verbringenden Verbundphase in seine eigene Kanzlei zurückkehrt und ihre Ausbildung hier fortsetzt. In diese Richtung führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus: „Eine junge Dame im ersten Lehrjahr aufzubauen und in das Berufsbild einzuführen, kostet bezogen auf den Gesamtzeitraum der Ausbildung die meisten Anstrengungen… Ich wollte danach schon auch noch etwas von ihr haben, nachdem sie aus Köln zurückkommen sollte. So war es allseits besprochen und wurde es zur Vertragsgrundlage“.
85a. Zu dieser Argumentation hat das Arbeitsgericht bereits unter Abschnitt III seiner Entscheidungsgründe Zutreffendes eingewandt. Unter anderem hat es ausgeführt: „Es versteht sich von selbst, dass bei Begründung des als befristetes Dauerschuldverhältnis begründeten Ausbildungsverhältnisses keiner der Beteiligten verbindlich davon ausgehen oder auch nur prognostizieren konnte, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Ausbildung beim Kläger fortgeführt werden würde“.
86b. Der Kläger erkennt, dass das Arbeitsgericht mit dieser Aussage u. a. die jederzeit gegebene Möglichkeit eines Auszubildenden anspricht, nach eigenem Gutdünken den Ausbildungsberuf zu wechseln oder die Berufsausbildung gänzlich abzubrechen. Der Kläger versucht, dieses Argument des Arbeitsgerichts dadurch zu entkräften, dass er meint, ein solcher Fall wäre mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn „dann wäre eine Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte, nicht erfolgt“ (Berufungsbegründung Seite 13).
87c. An anderer Stelle der Berufungsbegründung räumt der Kläger der Beklagten zu 1) sogar die – gesetzlich eigentlich nicht vorgesehene – Möglichkeit ein, das Ausbildungsverhältnis mit ihm „unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden; in diesem Fall … wäre mir jedoch auch kein Schaden entstanden“.
88d. Mit den unter b. und c. behandelten Aussagen widerspricht der Kläger seinem eigenen Ansatz, Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages sei es gewesen, dass die Beklagte zu 1) nach einer sechsmonatigen Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in seine Kanzlei zurückkehre; denn hätte die Beklagte zu 1) die Ausbildung abgebrochen, den Ausbildungsberuf gewechselt, oder hätte sie eine – vom Kläger als jederzeit berechtigt eingestufte – ordentliche Kündigung ausgesprochen, wäre sie ebenfalls nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft zu ihm zurückgekehrt.
89e. Ausschlaggebend scheint für den Kläger vielmehr eine „Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte“ (Berufungsbegründung S.13), zu sein, die aus Sicht des Klägers gerade dadurch eingetreten sein soll, dass die Beklagte zu 1) ihre Ausbildung nach Abschluss der Verbundphase beim Beklagten zu 2) fortgesetzt hat.
90aa. Eine Geschäftsgrundlage, die darin bestanden haben sollte, dass die Beklagte zu 1) nach der Verbundphase ihre Ausbildung jedenfalls nicht beim Beklagten zu 2) fortsetzt, wäre für diesen schlechterdings nicht erkennbar gewesen.
91bb. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) aus objektiver Sicht auch nicht den Schluss ziehen musste, dass er sich durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) für die Zeit ab dem 1.3.2011 auf Kosten des Klägers bereichern würde.
92aaa. Zum einen ist der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 seiner im Kooperationsvertrag übernommenen Pflicht, die Beklagte zu 1) auszubilden, nachgekommen.
93bbb. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass der Kläger die von ihm für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.20111 gezahlte Ausbildungsvergütung zweckentsprechend aus den von ihm beantragten Fördermitteln begleichen würde.
94ccc. Für die Zeit ab 1.3.2011 hat er schließlich sämtliche Pflichten eines Ausbilders gegenüber der Beklagten zu 1) einschließlich der Vergütungspflicht in vollem Umfang selbst übernommen.
958. Das Berufungsgericht hat ferner in Erwägung gezogen, ob eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB in dem Umstand gelegen haben könnte, dass der Kläger die von ihm beantragten Mittel des Landesarbeitsministeriums und des Europäischen Sozialfonds zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ erhalten würde und behalten darf mit der Folge, dass der nunmehr drohende Entzug dieser Fördermittel zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage und einem Anspruch des Klägers auf Anpassung des Kooperationsvertrages führen würde. Nach nochmaliger näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Berufungsgericht jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch des Klägers auf die im Klageantrag zu 3) geforderte Leistung hergeleitet werden kann.
96a. Unter einer Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB versteht man nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG NZA 2010, 465; BGH NJW-RR 2006, 1037 f.; BGH NJW 2001, 1204; BGH NJW 1995, 592 f.; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 3).
97b. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, er habe bei der – unstreitig allein auf seine Initiative zurückgehenden – Vertragsanbahnung dem Beklagten zu 2) den Abschluss des Kooperationsvertrages zur Verbundausbildung dadurch schmackhaft gemacht, dass er ihm eröffnet habe, er habe die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, daher sei die Angelegenheit für den Beklagten zu 2) kostenfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung des Klägers so oder ähnlich wörtlich gefallen ist. Unstreitig war der Beklagte zu 2) jedenfalls bei den Vertragsgesprächen darüber informiert, dass der Kläger eine entsprechende Förderung beantragt hat, bzw. beantragen wollte. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung sogar dahin eingelassen, dass er bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Förderung schon erhalten habe.
98c. Bei dieser Sachlage musste sich dem Beklagten zu 2) objektiv betrachtet der Eindruck aufdrängen, dass gerade der Erhalt der Fördergelder ausschlaggebend dafür war, dass der Kläger sich zur Übernahme der Ausbildungsvergütung auch während der Verbundphase bereiterklärte, dass diese Bereitschaft des Klägers aber auch mit dem Erhalt der Fördergelder ‚stehen oder fallen würde‘.
99d. Zwar ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss von Verträgen, in denen sich eine Partei zu Geldleistungen verpflichtet, Vorstellungen dieser Partei darüber, wie sie ihre Geldzahlungsverpflichtungen zu finanzieren gedenkt, gemeinhin nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages werden, auch wenn die Vorstellungen dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Kenntnis gebracht werden (BGH NJW 1983, 1490). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt allerdings darin, dass der Kläger sich mit der von ihm in dem Kooperationsvertrag eingegangenen finanziellen Verpflichtung anders als z. B. bei einem typischen Kaufvertrag keine Gegenleistung erkaufen wollte, die für ihn selbst einen unmittelbaren eigenen Vorteil bedeutet hätte. Aus der Sicht des Vertragspartners musste es vielmehr naheliegen, dass der Kläger nur die Möglichkeit, Fördergelder erhalten zu können, dazu nutzen wollte, das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) allgemein zu fördern. Wenn der Beklagte zu 2) sich sodann in Kenntnis der genannten Umstände auf den Kooperationsvertrag einlässt, könnte dies nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der geschilderten Erwartung des Klägers in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten sein (hierzu vgl. Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 9).
100e. Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der Erhalt und das Behaltendürfen der Fördermittel ursprünglich zur Geschäftsgrundlage seiner Kostenübernahmepflicht in dem Kooperationsvertrag geworden sind, kommt ein Anpassungsanspruch des Klägers nach § 313 Abs. 1 BGB, der ganz oder teilweise die im Klageantrag zu 3) begehrte Leistung zum Inhalt hätte, dennoch nicht in Betracht. Dies steht bereits jetzt fest.
101aa. Eine in dem Behaltendürfen der staatlichen Fördermittel bestehende Geschäftsgrundlage droht wegzufallen; denn die Bezirksregierung hat mit Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Fördermittel vom Kläger zurückgefordert.
102bb. Nach der rein formalrechtlichen Betrachtungsweise des BAG (vgl. BAG vom 23.05.2013, 2 AZR 991/11) wäre der Wegfall der Geschäftsgrundlage derzeit aber noch nicht eingetreten; denn der Kläger hat bekanntlich gegen den Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage hat, wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, aufschiebende Wirkung. Damit ist der Rückforderungsbescheid noch nicht bestandskräftig und somit in dem Rechtsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander noch nicht zugrundezulegen. Dies müsste zur Zurückweisung des Klageantrags zu 3) des Klägers als zumindest derzeit unbegründet führen.
103f. Ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses des vor dem Verwaltungsgericht betriebenen Anfechtungsprozesses steht aber bereits jetzt endgültig fest, dass der Kläger eine Anpassung des Kooperationsvertrages hinsichtlich der Verpflichtung zur Übernahme der Ausbildungskosten der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2012 (*3) nicht verlangen kann. Auch bei dem nachträglichen Wegfall einer Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts allein der Kläger das Risiko zu tragen, ob er die von ihm beantragten und auch zunächst erhaltenen staatlichen Fördergelder endgültig behalten darf oder zurückzahlen muss. Ihm muss zugemutet werden, an dem Vertrag festgehalten zu werden, auch wenn der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung hinsichtlich der dem Kläger bewilligten Fördergelder rechtskräftig wird.
104aa. Für die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht bereits, dass allein der Kläger Antragsteller und Empfänger der staatlichen Förderleistungen war. Der Beklagte zu 2) hat hieran weder mitgewirkt noch irgendeinen Einfluss darauf genommen.
105bb. Für die Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht ferner der Umstand, dass die Verbundausbildung und der Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) auf alleinige Initiative des Klägers zustande gekommen sind. Der Beklagte zu 2) seinerseits war dem Kläger bis dahin völlig unbekannt. Nach eigener Angabe des Klägers hat dieser sich die Anschrift des Beklagten aus dem Branchenbuch herausgesucht und sodann mit dem Beklagten Kontakt aufgenommen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Beklagten zu 2) hatte dieser bis dahin keinerlei Erfahrungen mit einer Verbundausbildung und hätte sich zur Mitwirkung an einer solchen nicht bereit erklärt, wenn dies für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre.
106g. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger hätte erkennen müssen, aber die Augen davor verschlossen hat, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der von ihm beantragten staatlichen Fördergelder von vorneherein nicht erfüllt waren.
107aa. Sinn und Zweck der Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ durch das Landesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfond besteht nach dem Verständnis des Berufungsgerichts darin, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, insbesondere in Kleinbetrieben, bei selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberuflern. Es gibt ausbildungswillige Betriebe, die nicht in der Lage sind, eigenständig Ausbildungsplätze vorzuhalten, weil nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nach den Ausbildungsverordnungen in bestimmten Ausbildungsberufen vermittelt werden müssen, im eigenen Betrieb vermittelt werden können. Dies kann z.B. daran liegen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Arbeitsaufgaben im eigenen Betrieb nicht vorkommen, dass es an geeignetem Ausbildungspersonal oder sonstigen notwendigen Ressourcen wie Maschinenanlagen o. ä. fehlt. Solchen Betrieben soll es durch die staatliche Förderung ermöglicht werden, sich zum Zwecke der Berufsausbildung mit anderen Betrieben zusammen zu tun, die die im Stammbetrieb fehlenden, nach der Ausbildungsordnung aber notwendigen Ausbildungsinhalte ergänzend vermitteln können.
108bb. Dagegen liegt der Zweck der vom Kläger beantragten staatlichen Fördergelder ersichtlich nicht etwa darin, eine wie auch immer geartete – und wie zu messende? – ‚pädagogische Qualität‘ bei bereits vorhandenen Ausbildungsplätzen zu steigern oder gar, wie die Bezirksregierung in ihrem Bescheid vom 13.02.2013 zutreffend ausführt, dem Auszubildenden durch die Möglichkeit, in verschiedenen Ausbildungsbetrieben eingesetzt zu werden, „eine Abwechslung zu verschaffen“. Ebenso wenig stellt es den Zweck der staatlichen Förderung dar, für eigenständig ausbildungsfähige, aber tatsächlich eher ausbildungsunwillige Betriebe einen finanziellen Anreiz zu schaffen, sich dennoch mit der Berufsausbildung zu befassen.
109cc. Der skizzierte Zweck der vom Kläger in Anspruch genommenen staatlichen Fördermittel spiegelt sich in Fragestellungen wieder, die der Antragsteller im Rahmen der Antragsunterlagen beantworten muss. Geht aus den Antragsunterlagen nicht hervor, dass der Antragsteller „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“, so scheidet eine Förderung aus. Dasselbe gilt, wenn angegeben wird, dass er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermittelt“.
110dd. Der Antragsteller hat sich bei der Beantragung der Fördermittel von der Rechtsanwaltskammer bestätigen lassen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“. Wie der Kläger im Rahmen seiner Selbstanzeige gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses zutreffend ausführt, ist diese Angabe objektiv falsch. Grundsätzlich ist nämlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine eigene Kanzlei mit Büroorganisation betreibt, sehr wohl in der Lage, alle nach der Ausbildungsverordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang zu vermitteln. Anders, als dies etwa bei Rechtsreferendaren der Fall ist, sieht die Ausbildungsordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte gerade nicht vor, dass diese im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit unterschiedliche materiellrechtliche Fachgebiete wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht usw. durchlaufen müssten. Vielmehr ist es ohne Weiteres möglich, dass eine Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ihre gesamte praktische Ausbildung in einer Rechtsanwaltskanzlei absolviert, die auf nur wenige oder gar ein einziges Rechtsgebiet spezialisiert ist, z. B. Strafverteidigung, Medizinrecht, Verwaltungsrecht o. ä.. Der vorliegende Fall verdeutlicht beispielhaft, dass eine Azubi zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei wie derjenigen des Beklagten zu 2) mit ganz ähnlichen Tätigkeiten betraut ist, wie es zuvor in der Allgemeinkanzlei des Klägers der Fall war. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Berichtshefte der Beklagten zu 1) aus der Zeit ihrer Ausbildung beim Kläger einerseits, aus der Zeit der Phase vom 01.09.2010 bis 2802.2011 beim Beklagten zu 2) andererseits.
111ee. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beantragung der Fördermittel für die Beklagte zu 1) bereits seit über einem Jahr allein und selbstständig mit der Ausbildung einer anderen Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten befasst. Gleichwohl hat er sich in seinem Förderantrag auf die Bestätigung der Rechtsanwaltskammer bezogen, in welcher die formularmäßig vorgegebene Frage, ob der Antragsteller „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, gerade nicht bejaht wird.
112ff. Der Kläger gibt an, die Verbundausbildung aus ‚pädagogischen Gründen‘ initiiert zu haben. Wäre es hingegen darum gegangen, dass er in eigener Person nicht alle geforderten Ausbildungsinhalte hätte vermitteln können, so hätte er sich gezielt einen Verbundpartner aussuchen müssen, welcher gewährleistete, dass er die beim Kläger bzw. dessen Kanzlei vorhandenen Defizite zuverlässig würde ausgleichen können. Der Kläger kannte jedoch nach eigenem Bekunden weder den Beklagten zu 2) noch dessen Kanzlei und hat sich seinen Verbundpartner aus dem Branchenbuch herausgesucht.
113h. Ob die Falschangaben des Klägers bei der Beantragung der Fördermittel dazu führen werden, dass der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung rechtskräftig werden wird, hängt noch von weiteren, auch verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen ab, deren Beurteilung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überlassen bleiben muss. In jedem Fall hat der Kläger jedoch das hohe Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung durch verantwortliches Handeln selbst herbeigeführt. Soweit dieses Risiko auch die von ihm eingegangene finanzielle Verpflichtung in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) berührt, ist es ihm daher verwehrt, dieses Risiko ganz oder teilweise auf den Beklagten zu 2) abzuwälzen. Eine entsprechende Anpassung des Kooperationsvertrages scheidet aus. Nach Lage der Dinge ist es dem Kläger zuzumuten, an seiner in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtung, die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 zu zahlen, auch dann festgehalten zu werden, wenn er die Fördergelder zurückzahlen muss.
114i. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Beklagte zu 2) als erfahrener Rechtsanwalt ebenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Förderung der Verbundausbildung tatsächlich nicht gegeben waren, ohne dass es hierfür einer näheren Kenntnis der persönlichen oder betrieblichen Verhältnisse des Klägers bedurft hätte.
115aa. Hierzu hätte sich der Beklagte zu 2) jedoch zunächst einmal mit den Einzelheiten des Subventionsantrages des Klägers sowie den einschlägigen Subventionsvoraussetzungen beschäftigen müssen. Der Kläger gibt lediglich – vom Beklagten zu 2) bestritten – an, dass er diesem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Antragsunterlagen vorgelegt habe. Es ist aber nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Beklagte zu 2) sich tatsächlich mit den Förderungsvoraussetzungen und der Antragstellung des Klägers näher befasst hätte.
116bb. Hierzu hatte der Beklagte zu 2) auch keinen Anlass. Der Beklagte zu 2) war nicht der Initiator der Vertragsverhandlungen über eine Verbundausbildung der Beklagten zu 1). Erst recht war der Beklagte zu 2) nicht der Antragsteller oder Empfänger der von der Bezirksregierung zugeteilten Leistungen.
117k. Schließlich kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 2) auch nicht damit entlasten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln die objektiv falschen Angaben bei der Beantragung der Fördergelder der Bezirksregierung gegenüber ausdrücklich bestätigt hat.
118aa. Allerdings erscheint es auch aus der Sicht des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehbar, dass die Rechtsanwaltskammer Köln eine solche Bestätigung abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, wenn es zutrifft, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben in dem Bestätigungsformular nicht näher überprüft hat. Da, wie vom Kläger zutreffend ausgeführt wird, grundsätzlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine Kanzlei mit eigener Büroorganisation betreibt, in der Lage ist, einer Auszubildenden für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten sämtliche Ausbildungsinhalte vollständig zu vermitteln, kann sich das Berufungsgericht, wenn überhaupt, allenfalls auf besonderen Konstellationen beruhende Ausnahmefälle vorstellen, in denen die fraglichen Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördermittel erfüllt sein könnten. Gerade wenn eine nähere Prüfung der individuellen Verhältnisse eines Antragstellers unterbleibt, wäre somit zu erwarten gewesen, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben im Zweifel nicht bestätigt.
119bb. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger der Initiator der Antragstellung war, die Rechtsanwaltskammer ihm eben nur eine „Bestätigung“ zur Verfügung gestellt hat und der Kläger sich diese inhaltlich falsche Bestätigung dadurch zu Eigen gemacht hat, dass er sie im Rahmen seiner Antragstellung bei der Bezirksregierung eingereicht bzw. sich dieser gegenüber auf die Bestätigung berufen hat.
120III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
121Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.
122R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
123Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
124Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
125(*1), (*2) und (*3)
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
127In dem Rechtsstreit
128wird der Urteilstext wegen offensichtlicher Schreibfehler bei der Reinschrift des Urteils vom 03.04.2014 von Amts wegen wie folgt berichtigt:
129- auf Seite 16 in der 18. und 25. Textzeile werden die dort wiedergegebenen fehlerhaften Daten „28.11.2011“ durch das jeweils richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt;
130- auf Seite 24 in der 16. Textzeile wird das fehlerhafte Datum „28.11.2012“ durch das richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt.
131Köln, den 20.10.2014
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Auskunfts- und (Rück-)Zahlungsansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem von ihnen praktizierten sog. Verbundausbildungsverhältnis.
3Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und betreibt seit dem Jahre 2007 eine eigene Einzelanwaltskanzlei in B . Zum 01.09.2009 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beklagten zu 1) zur Rechtsanwaltsfachangestellten (Bl. 52 – 55 d. A.). Der Berufsausbildungsvertrag war für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 befristet. Gemäß § 3 Ziffer 12 sollte er als Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt werden.
4Zu diesem Zweck hatte der Kläger zuvor mit dem ihm bis dahin nicht bekannten Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und mit diesem einen „Kooperationsvertrag über eine Ausbildung im Verbund“ abgeschlossen, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d. A.). In dem Kooperationsvertrag ist festgelegt, dass die voraussichtliche Dauer des von der Beklagten zu 1) beim Beklagten zu 2) zu absolvierenden Ausbildungsabschnittes 6 Monate betragen sollte, „voraussichtlich beginnend ab dem 2. Lehrjahr“. Zugleich vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2) in dem Kooperationsvertrag, dass die vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei dem Kläger liegen solle.
5Der Beklagte zu 2) betreibt zusammen mit anderen Rechtsanwälten, mit denen er teils in einer Sozietät, teils in Bürogemeinschaft verbunden ist, in der K Innenstadt eine Anwaltskanzlei, die auf Strafrecht spezialisiert ist.
6Wie dem Beklagten zu 2) beim Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Kläger bekannt war, wollte der Kläger öffentliche Fördergelder für die Verbundausbildung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck stellte der Kläger bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des M für A , G und S des L N und des E S E zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“. Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist u.a., dass der den Antrag stellende, den Ausbildungsvertrag abschließende Betrieb die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vollständig allein vermitteln kann. Dementsprechend ließ sich der Kläger von der Rechtsanwaltskammer Köln bestätigen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermitteln kann“. Zugleich wurde die weitere Formularfrage, ob er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, nicht bejaht (vgl. Bl. 901 d.A.). Mit Bescheid vom 29.10.2009 wurde dem Kläger daraufhin die beantragte Zuwendung mit dem Höchstsatz von 4.500,- € bewilligt.
7Im Zeitpunkt des Abschlusses des Berufsausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) und des Kooperationsvertrages mit dem Beklagten zu 2) sowie der Beantragung der Fördermittel für die Verbundausbildung beschäftigte der Kläger in seiner Kanzlei bereits seit August des Vorjahres eine andere Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten.
8Die Beklagte zu 1) wurde sodann in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 in der Kanzlei des Klägers ausgebildet und wechselte mit dem 01.09.2010 zum Zwecke der vorgesehenen sechsmonatigen Verbundausbildungsphase in die Kanzlei des Beklagten zu 2). Der Kläger zahlte wie mit dem Beklagten zu 2) vereinbart über den 01.09.2010 hinaus die monatliche Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1).
9Die Beklagte zu 1) entschloss sich dann jedoch, nach Ablauf der sechsmonatigen Verbundausbildungsphase nicht mehr in die Kanzlei des Klägers zurückzukehren, sondern – im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2) – ihre Berufungsausbildung in der Kanzlei des Beklagten zu 2) fortzusetzen. Nachdem eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) über die Modalitäten des Übergangs des Berufsausbildungsverhältnisses gescheitert war, kündigte die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2011, dem Kläger zugegangen am selben Tage, fristlos und schloss mit dem Beklagten zu 2) für die Zeit ab dem 01.03.2011 einen neuen Berufsausbildungsvertrag ab.
10Für den Monat März 2011 wandte der Kläger noch für die Beklagte zu 1) anteilige Ausbildungsvergütung und Gebühren für ein Jobticket in Höhe von insgesamt 71,80 € auf.
11In einer Selbstanzeige vom 12.08.2012 an die Generalstaatsanwaltschaft Köln räumte der Kläger ein, dass er alle nach der Ausbildungsverordnung für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang auch allein vermitteln könne und auch bereits tatsächlich alleine ausgebildet habe. Im Anschluss hieran nahm die B K mit Bescheid vom 13.02.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2009, die Verbundausbildung der Beklagten zu 1) betreffend, zurück und forderte den Kläger auf, den Subventionsbetrag in voller Höhe zurückzuzahlen. Auf den vollständigen Inhalt des Bescheids vom 13.02.2013 (Bl. 753 – 766 d. A.) wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage ist noch in erster Instanz anhängig.
12Wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge, wegen der von den Parteien hierzu gegebenen Begründungen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 Bezug genommen.
13Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 02.08.2012 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 08.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.11.2012 am 02.11.2012 begründet.
14Der Kläger und Berufungskläger hält an seinem Auskunftsbegehren fest, welcher bisher Gegenstand des Antrages zu 1 a) war, Er meint, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei der Auskunftsanspruch keineswegs erfüllt, weder durch die Angabe des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) sei „in hiesiger Kanzlei“ beschäftigt worden, noch durch die Protokollerklärung aus der Sitzung vom 11.07.2012, wonach „die Beklagte zu 1) während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet“ habe. Er, der Kläger habe einen Anspruch darauf zu wissen, ob die Beklagte zu 1) während der sechsmonatigen Verbundphase tatsächlich nur für die Anwaltssozietät L und T tätig geworden sei, da andernfalls ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides vorläge, welcher zu dessen Zurücknahme führen könne.
15Auch hält der Kläger daran fest, dass er einen Anspruch auf einen schriftlichen Bericht des Beklagten zu 2) über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei verlangen könne. Es treffe zwar zu, dass ihm die Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Dauer der Verbundphase vorlägen. Diese seien aber nur von der Beklagten zu 1) unterschrieben und nicht vom Beklagten zu 2)
16Der Kläger hält auch daran fest, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Geldbetrag zurückzuerstatten, den er, der Kläger, in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 an Ausbildungsvergütung für die Beklagte zu 1) aufgewandt habe. Nach Abzug einer auf den Zeitraum der Verbundphase entfallenden Rückerstattung seitens der Krankenkasse in Höhe von 591,73 € handele es sich um einen Betrag in Höhe von 2.984,74 €. Dieser ergebe zuzüglich der 19 %-igen MwSt. den jetzt neu formulierten Zahlungsantrag zu 3) über 3.551,84 €. Die Anspruchsgrundlage sei in dem Rechtsgedanken des
17§ 426 BGB zu sehen; denn während der Verbundphase sei gemäß § 17 BBiG auch der Beklagte zu 2) der Beklagen zu 1) gegenüber vergütungspflichtig gewesen.
18Außerdem sei es Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Ausbildungskosten in der Verbundphase gewesen, dass die Verbundphase in der Kanzlei des Beklagten zu 2) auf sechs Monate begrenzt sei. Es habe nämlich erkennbar nicht seiner, des Klägers, Intention entsprochen, den Beklagten zu 2) durch die Vereinbarung der Freistellung von der Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu bereichern. Gegen diese Argumentation könne auch nicht eingewandt werden, dass es ja der Beklagten zu 1) auch freigestanden hätte, z. B. die Ausbildung nach dem Abschluss der Verbundphase gänzlich abzubrechen; denn in diesem Fall wäre eine Bereicherung des Beklagten zu 2) nicht eingetreten.
19Von der Beklagten zu 1) verlangt der Kläger die Erstattung des für sie für März 2011 noch aufgewandten Betrages in Höhe von 71,80 € netto.
20Schließlich hält der Kläger auch an seinem gegen beide Beklagten gerichteten Feststellungsanspruch fest, wonach die Beklagten Schäden, die ihm infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung zukünftig noch entstehen könnten, insbesondere aus einer Rückforderung der für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder, zu erstatten seien.
21Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
22unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 2544/11 vom 11.07.2012, wie folgt zu erkennen:
23- 24
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den in der Klageschrift vom 28.03.2011 aufgelisteten Streitverkündeten zu 4) – 8) tätig?
26- 27
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Berufungsantrag Ziffer 1, zu erteilen.
- 29
3. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger aus dessen Rechnung Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 3.551,84 € brutto (incl. 19 % MwSt.) zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
- 33
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) zukünftig noch entsteht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht.
Die Beklagten beantragen,
35die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36Die Beklagten halten das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigen dessen Entscheidungsgründe. Für einen Anspruch des Berufungsklägers auf Erstattung der während der Verbundphase von ihm aufgewandten Ausbildungsvergütungen bestehe keine Anspruchsgrundlage. Eine solche ergebe sich weder aus § 313 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch der Fortbestand des zugunsten des Berufungsklägers ergangenen Subventionsbescheides stelle keine Geschäftsgrundlage für die von ihm eingegangene Verpflichtung dar, während der Verbundphase die Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu übernehmen. Selbst wenn dem aber so wäre und es bei der jetzt von der Bezirksregierung verfügten Rücknahme des Förderbescheides bleibe, könne er, der Beklagte zu 2) nicht zur Zahlung herangezogen werden; denn nach der Risikoverteilung des Kooperationsvertrages falle das Schicksal der Subvention allein in die Sphäre des Berufungsklägers. Dies gelte umso mehr, als der jetzt erlassene Rückforderungsbescheid ausschließlich darauf gestützt werde, dass der Kläger bei der Beantragung der Fördergelder falsche Angaben gemacht habe.
37Den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten, nunmehr bezifferten Zahlungsantrag halten die Beklagten in dieser Form für verspätet. Sie halten daran fest, dass die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011 gerechtfertigt gewesen sei und machen geltend, dass der Kläger sich die Beträge bei K und Sozialversicherung habe erstatten lassen können.
38Auch der Feststellungsantrag sei zurückzuweisen. Er, der Beklagte zu 2), habe keine Pflichtverletzung in der Verbundausbildung begangen, die dazu führen könne, dass der Kläger die erhaltene Subvention zurückzahlen müsse. Die Bezirksregierung beabsichtige auch nicht, die Subvention etwa wegen der Kündigung vom 01.03.2011 zurückzuverlangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Kläger bei den Subventionsanträgen falsche Angaben gemacht habe.
39Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Berufungsklägers, der Berufungserwiderungsschrift der Berufungsbeklagten nebst ihren sämtlichen Analgen sowie die sonstigen in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Auch soweit sich die Berufung gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist die notwendige Beschwer von 600,- € erreicht, da die Beklagte zu 1) nicht nur mit dem Zahlungsantrag zu 4), sondern auch mit dem Feststellungsantrag zu 5) in Anspruch genommen werden soll.
42Der Berufungskläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
43II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur insoweit erfolgreich sein, als der Berufungskläger nunmehr die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 71,80 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt. Im Übrigen können die Ausführungen des Berufungsklägers jedoch nicht zu einer Abänderung des zutreffenden erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2012 führen.
44A. Der Berufungskläger kann von der Beklagten zu 1) entsprechend seinem nunmehr gestellten Zahlungsantrag zu 4) 71,80 € netto zzgl. eingeklagter Prozesszinsen verlangen.
451. Der erstmals in der Berufungsinstanz bezifferte Zahlungsantrag ist zulässig. Der Kläger versteht ihn als Teilkonkretisierung des erstinstanzlichen Feststellungsantrages, soweit dieser gegen die Beklagte zu 1) gerichtet war. Dem kann gefolgt werden, da es sich um einen Anspruch handelt, der zumindest im weiteren Sinne aus der von der Beklagten zu 1) zum 01.03.2011 vorgenommen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dieser Parteien resultiert, auch wenn es sich im rechtstechnischen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.
462. Der Kläger hat durch seine Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Vergütungsabrechnung der Beklagten zu 1) für den Monat März 2011 dokumentiert, dass sich der jetzige Klagebetrag zusammensetzt aus einem Auszahlungsbetrag von 11,90 €, der sich auf die anteilige Ausbildungsvergütung für den Monat März 2011 bezieht, sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 59,90 €, den der Kläger für ein Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat verauslagt hat. Die Beklagte zu 1) war durch den Auszahlungsbetrag für März 2011 ungerechtfertigt bereichert. Die Auslagen für das Jobticket hat sie dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.
47a. Die Beklagte zu 1) hat das Ausbildungsverhältnis zum Kläger bekanntlich mit Schreiben vom 01.03.2011, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgekündigt. Die im Laufe des 01.03.2011 zugestellte Kündigung kann das Ausbildungsverhältnis, unterstellt man einmal ihre Wirksamkeit, frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beendet haben. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1) am 01.03.2011 keinerlei vertragliche Leistungen gegenüber dem Kläger mehr erbracht. Sie war an diesem Tag gegenüber dem Kläger weder arbeitsbereit noch arbeitswillig; denn sie hat am selben Tag bereits ihre Ausbildung beim Beklagten zu 2) aufgenommen.
48b. Die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch der Beklagten zu 1) auf Vergütung ohne Arbeitsleistung liegen nicht vor. Weder hatte die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf einen bezahlten Urlaubstag, noch befand sich der Kläger in Annahmeverzug.
49c. Da der Kläger vor Beginn des Monats März 2011 auch nicht wissen konnte, dass die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis alsbald beenden würde, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er die Kosten für das Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat aufgewandt hat.
50d. Die Behauptung der Beklagten zu 1), der Kläger hätte sich die Kosten für das Jobticket bei der K teilrückerstatten lassen können (in welcher Höhe?), ist schon wegen ihrer fehlenden Substantiierung unerheblich.
51e. Bei dem Restbetrag von 11,90 € handelt es sich nicht um eine Erstattung zu Unrecht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen Auszahlungsbetrag an die Beklagte zu1).
52B. Ansonsten ist die Berufung des Klägers jedoch in Gänze unbegründet.
531. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den jetzigen Auskunftsantrag zu 1) zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Auskunftsanspruch, so er denn ursprünglich bestanden hat, vom Beklagten zu 2) erfüllt wurde und zwar gleich mehrfach.
54a. So hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 28.03.2011 unter dem Briefkopf „Rechtsanwälte L T “ ausgeführt:
55„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. R ,
56ich darf Ihnen bestätigen, dass ich die Auszubildende J W im Rahmen der Verbundausbildung in der Zeit vom 01.09.2010 bis einschließlich 28.02.2011 in hiesiger Kanzlei [Hervorhebung nur hier] ausgebildet habe“ (Bl. 241 d. A.).
57Die Namen weiterer Anwälte finden sich auf dem fraglichen Briefbogen nicht. Das Bestätigungsschreiben enthält somit zum einen die Aussage, dass der Beklagte zu 2) in eigener Person („ich habe …. ausgebildet“) die Beklagte zu 1) ausgebildet hat und zum zweiten die Aussage, dass dies in der Kanzlei „L - T “ geschehen ist. Bekanntlich befand sich der Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt mit der Rechtsanwältin T in einer Sozietät und mit einigen weiteren Rechtsanwälten in einer Bürogemeinschaft. Bezeichnenderweise spricht auch der Kläger selbst in seiner Antragsformulierung – formalrechtlich korrekt – die nur in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwälte jeweils als „Rechtsanwaltskanzlei“ an.
58b. Selbst wenn man die Aussage des Beklagten zu 2) in seinem Bestätigungsschreiben vom 28.03.2011 aber noch für zu ungenau hielte, so gilt dies nicht für die Protokollerklärung, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) für diesen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 11.07.2012 abgegeben hat. Dort heißt es:
59„Die Beklagte zu 1) hat während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet.“
60Wer einem Auszubildenden Weisungen erteilt, also das Ob, Was und Wie seiner Tätigkeiten bestimmt, geriert sich als der Ausbildungsverantwortliche. Dies entspricht auch den dem Zuwendungsbescheid der B zugrundegelegten Verhältnissen; denn in dem Vermerk der B vom 29.10.2009 heißt es, dass die fehlenden Ausbildungsinhalte, die der antragstellende Betrieb nicht alleine vermitteln kann, „von der Rechtsanwaltskanzlei L /T übernommen“ wird (Anlage K 18, Bl. 265 d. A.).
61c. Der gegen die Relevanz der Protokollerklärung des Beklagten zu 2) vom 11.07.2012 gerichtete Einwand des Klägers, es entspreche nicht den Verträgen über die Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) und demnach auch nicht dem Zuwendungsbescheid, wenn die Beklagte zu 1) während der Verbundphase auf Veranlassung des Beklagten zu 2) für andere Anwaltskanzleien gearbeitet hätte, geht fehl. Es ist nicht dasselbe, wenn eine Auszubildende auf Veranlassung ihres Verbundausbilders teilweise von anderen Anwaltskanzleien ausgebildet wird, also die Ausbildungsinhalte betreffende Weisungen erhält, oder ob – so der Erklärungswert der Protokollerklärung vom 11.07.2012 – der verantwortliche Verbundausbilder der Auszubildenden die Weisungen zu ausbildungsrelevanten Tätigkeiten selbst erteilt, mag auch in dem einen oder anderen Fall das Ergebnis der Tätigkeiten auch dritten, mit dem Verbundausbilder nur in Bürogemeinschaft stehenden Kanzleien zugutekommen, wie dies etwa bei der Entgegennahme von Anrufen auf einem gemeinsam betriebenen Telefon der Fall sein kann.
62d. Die vom Kläger angesprochenen „Problemfälle“ bei der Förderung von Verbundausbildungen in der Vergangenheit betrafen die Konstellation, dass der Stammausbilder/Antragsteller der Förderung mit dem vorgesehenen Verbundausbilder eine Bürogemeinschaft bildete, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist.
632. Auch die Forderung des Berufungsklägers, vom Beklagten zu 2) einen schriftlichen Bericht über dessen Ausbildungstätigkeit während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 zu erhalten, hat das Arbeitsgericht richtigerweise abschlägig beschieden.
64a. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Ansinnen des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ist nicht erkennbar. Zwar wird man dem Kläger als dem ursprünglichen Hauptvertragspartner des Ausbildungsverhältnisses und ‚Stammausbilder‘ der Auszubildenden ein berechtigtes Interesse daran nicht absprechen können zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte der Auszubildenden während der Verbundphase der Ausbildung vermittelt worden sind. Diesem berechtigten Interesse des Klägers ist aber bereits dadurch genüge getan, dass sich der Kläger im Besitz des vollständigen Textes aller Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Zeit von 01.09.2010 bis 28.02.2011 befindet. Ausführlicher als anhand solcher Berichtshefte kann der Kläger nicht über den Verlauf der Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) unterrichtet werden.
65b. Der Einwand des Klägers, dass die ihm vorliegenden Berichtshefte nur die Unterschrift der Beklagten zu 1), nicht aber die Unterschrift des Beklagten zu 2) aufwiesen, ist für das hier geltend gemachte Informationsinteresse des Klägers unerheblich. Indem sich der Beklagte zu 2) im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits mehrfach gegenüber dem Kläger darauf berufen hat, dass sich dieser ja im Besitz der Informationen aus den Berichtsheften der Beklagten zu 1) befindet, hat er sich dem Kläger gegenüber den informatorischen Gehalt dieser von der Beklagten zu 1) stammenden Aufzeichnungen zu Eigen gemacht. Ergänzend tritt hierneben noch die Information des Beklagten zu 2) aus seinem Schreiben vom 28.03.2011 an den Kläger über den Ausbildungsinhalt.
663. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz etwaigen zukünftigen Schadens „infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung“ abgewiesen.
67a. Unter „vorzeitigem Abbruch der Verbundausbildung der Beklagten zu 1)“ versteht der Kläger die einseitige Beendigung des zwischen ihm und der Beklagten zu1) begründeten Ausbildungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011.
68b. Der Berufungskläger hat nicht plausibel machen können, dass ihm aus diesem Tatbestand – abgesehen von dem im Antrag zu 4) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) – ein weiterer Anspruch oder ‚Schaden‘ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen könnte. Der Kläger hat die Prognose eines möglichen zukünftigen Schadens insbesondere auf die Befürchtung gestützt, dass die Beendigung des Verbundausbildungsverhältnisses zum 01.03.2011 durch die Beklagte zu 1) dazu führen könne, dass der Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder angeordnet werden könnte. Diese Befürchtung des Klägers ist jedoch obsolet. Die B hat zwar mittlerweile durch ihren Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid tatsächlich zurückgenommen und die Rückzahlung des dem Kläger zugeflossenen Fördergeldes angeordnet. Diese Rückzahlungsforderung wird von der Bezirksregierung aber in keiner Weise mit einem vorzeitigen Abbruch der Verbundausbildung begründet, sondern damit, dass aufgrund falscher Angaben des Klägers die Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördergelder von vorneherein nicht vorgelegen hätten.
69c. Die B hätte im Übrigen auch keinen Anlass gehabt, die zugewandte Subvention wegen einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zurückzufordern. Zum einen konnte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011, ihre Rechtswirksamkeit einmal unterstellt, den Ausbildungsvertrag frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beenden. Damit wäre die Beendigung in jedem Fall erst in der zweiten Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Gesamtausbildungszeitraums erfolgt. Zum anderen ist die während des Bestands des Verbundausbildungsvertrages in der Zeit vom 01.09.2009 bis 01.03.2011 aufgebrachte Mühewaltung an der Ausbildung der Beklagten zu 1), auch nicht fehlgeschlagen; denn die Beklagte zu 1) hat ihre Ausbildung bei einem anderen Rechtsanwalt, dem Beklagten zu 2), fortgesetzt und zu Ende geführt.
704. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der von ihm während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*1) an die Beklagte zu 1) gezahlten Ausbildungsvergütung. Auch diesen Anspruch hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.
71a. Der Kläger hat in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) über die Verbundausbildung ausdrücklich die alleinige „vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende“ auch für die Dauer der Verbundphase übernommen. Damit traf den Kläger – und wie die Verwendung des Begriffes „ausschließlich“ im Text des Kooperationsvertrages bestimmt, nur diesen – unstreitig die Verpflichtung, auch in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*2) die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) zu zahlen.
72b. Der Kläger hat durch die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) während dieser Zeit somit nur seine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt.
735. Eine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung dieser Beträge vom Beklagten zu 2) besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nicht aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 426 BGB.
74a. Dies scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche des Beklagten zu 1) auf Zahlung der Ausbildungsvergütung im Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2011 kein Gesamtschuldverhältnis vorlag. Die aus § 17 Abs.1 S. 1 BBiG folgende Verpflichtung eines Ausbildenden, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren, traf im vorliegenden Fall auch während der Verbundphase der Berufsausbildung nur den Kläger. Der Kläger übersieht, dass der zwischen ihm und der Beklagten zu 1) begründete Berufsausbildungsvertrag auch während der Zeit, in der die Beklagte zu 1) ihre Verbundausbildung beim Beklagten zu 2) absolvierte, fortbestand. Wie aus § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) hervorgeht, hatte aus der Sicht dieses Vertrages die Verbundausbildungsphase bei dem Beklagten zu 2) den Stellenwert einer „Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte“. Hierzu nimmt § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich auf den Verbundausbildungsvertrag Bezug, den der Kläger mit dem Beklagten zu 2) geschlossen hat. Die in diesem Verbundausbildungsvertrag der beiden Anwälte getroffene Vereinbarung, dass „die finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei Rechtsanwalt Dr. R “ liegt, gilt somit unmittelbar auch im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1).
75b. Zudem heißt es ergänzend in § 5 Ziffer 2 des Berufsausbildungsvertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1) unter der Überschrift „Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte“ :
76„Für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, die … in § 3 Nr. 12 vereinbart sind, trägt der Ausbildende die notwendigen Kosten, soweit der Auszubildende nicht einen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat.“
77„Ausbildender“ im Sinne dieses Vertrages ist ausweislich der Eintragung bei Buchstabe b) vor § 1 des Ausbildungsvertrages der Kläger.
78c. Dass sich der Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) gesondert verpflichtet hätte, dieser für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 ebenfalls – zusätzlich oder alternativ zum Kläger – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
79d. Die Beklagte zu 1) hätte somit in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 ihre Ansprüche auf Ausbildungsvergütung nicht mit Aussicht auf Erfolg gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend machen können. Von einer gleichrangigen Alternativschuld, wie sie Voraussetzung eines Gesamtschuldverhältnisses ist, kann somit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) keine Rede sein.
806. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers kann auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB hergeleitet werden.
81a. In der Berufungsbegründung führt der Kläger aus, Geschäftsgrundlage dafür, dass er auch während der Verbundphase der Berufsausbildung der Beklagten zu 1) die Verpflichtung übernommen habe, deren Ausbildungsvergütung weiter zu zahlen, sei die zeitliche Begrenzung der Verbundphase auf sechs Monate gewesen. Dies erweist sich schon aufgrund der vorgelegten Verträge als unzutreffend. Die „voraussichtliche Dauer“ des in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu absolvierenden Verbundausbildungsabschnittes von sechs Monaten war nicht Geschäftsgrundlage, sondern unmittelbarer Vertragsinhalt. Zwischen Vertragsinhalt und Geschäftsgrundlage ist streng zu unterscheiden (BGH NJW 83, 2036). Was nach dem Vertragstext bereits Vertragsinhalt ist, kann nicht Geschäftsgrundlage sein (BGHZ 91, 1600; Palandt/Grüneberg, § 313 Rdnr. 10).
82b. Unabhängig davon hat sich an der vertraglich vorgesehenen Dauer der Verbundausbildungsphase von sechs Monaten aber auch nachträglich nichts geändert. Die auf der Basis des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) absolvierte Verbundausbildungsphase war am 28.02.2011 beendet.
83c. Zwar ist die Beklagte zu 1) bekanntlich über den 01.03.2011 hinaus in der Kanzlei des Beklagten zu 2) verblieben und wurde dort weiter ausgebildet. Dies geschah jedoch gerade nicht auf der Grundlage des vom Kläger mit den Beklagten abgeschlossenen Verbundausbildungsvertrages, sondern auf der Grundlage eines neuen Berufsausbildungsvertrages, den die Beklagte zu 1) für die Zeit ab 01.03.2011 mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte.
847. An anderer Stelle führt der Kläger sinngemäß aus, als Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs.1 BGB für seine Kostenübernahmeverpflichtung in dem Kooperationsvertrag sei es anzusehen, dass die Beklagte zu 1) nach Abschluss der sechsmonatigen, in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu verbringenden Verbundphase in seine eigene Kanzlei zurückkehrt und ihre Ausbildung hier fortsetzt. In diese Richtung führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus: „Eine junge Dame im ersten Lehrjahr aufzubauen und in das Berufsbild einzuführen, kostet bezogen auf den Gesamtzeitraum der Ausbildung die meisten Anstrengungen… Ich wollte danach schon auch noch etwas von ihr haben, nachdem sie aus Köln zurückkommen sollte. So war es allseits besprochen und wurde es zur Vertragsgrundlage“.
85a. Zu dieser Argumentation hat das Arbeitsgericht bereits unter Abschnitt III seiner Entscheidungsgründe Zutreffendes eingewandt. Unter anderem hat es ausgeführt: „Es versteht sich von selbst, dass bei Begründung des als befristetes Dauerschuldverhältnis begründeten Ausbildungsverhältnisses keiner der Beteiligten verbindlich davon ausgehen oder auch nur prognostizieren konnte, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Ausbildung beim Kläger fortgeführt werden würde“.
86b. Der Kläger erkennt, dass das Arbeitsgericht mit dieser Aussage u. a. die jederzeit gegebene Möglichkeit eines Auszubildenden anspricht, nach eigenem Gutdünken den Ausbildungsberuf zu wechseln oder die Berufsausbildung gänzlich abzubrechen. Der Kläger versucht, dieses Argument des Arbeitsgerichts dadurch zu entkräften, dass er meint, ein solcher Fall wäre mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn „dann wäre eine Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte, nicht erfolgt“ (Berufungsbegründung Seite 13).
87c. An anderer Stelle der Berufungsbegründung räumt der Kläger der Beklagten zu 1) sogar die – gesetzlich eigentlich nicht vorgesehene – Möglichkeit ein, das Ausbildungsverhältnis mit ihm „unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden; in diesem Fall … wäre mir jedoch auch kein Schaden entstanden“.
88d. Mit den unter b. und c. behandelten Aussagen widerspricht der Kläger seinem eigenen Ansatz, Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages sei es gewesen, dass die Beklagte zu 1) nach einer sechsmonatigen Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in seine Kanzlei zurückkehre; denn hätte die Beklagte zu 1) die Ausbildung abgebrochen, den Ausbildungsberuf gewechselt, oder hätte sie eine – vom Kläger als jederzeit berechtigt eingestufte – ordentliche Kündigung ausgesprochen, wäre sie ebenfalls nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft zu ihm zurückgekehrt.
89e. Ausschlaggebend scheint für den Kläger vielmehr eine „Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte“ (Berufungsbegründung S.13), zu sein, die aus Sicht des Klägers gerade dadurch eingetreten sein soll, dass die Beklagte zu 1) ihre Ausbildung nach Abschluss der Verbundphase beim Beklagten zu 2) fortgesetzt hat.
90aa. Eine Geschäftsgrundlage, die darin bestanden haben sollte, dass die Beklagte zu 1) nach der Verbundphase ihre Ausbildung jedenfalls nicht beim Beklagten zu 2) fortsetzt, wäre für diesen schlechterdings nicht erkennbar gewesen.
91bb. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) aus objektiver Sicht auch nicht den Schluss ziehen musste, dass er sich durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) für die Zeit ab dem 1.3.2011 auf Kosten des Klägers bereichern würde.
92aaa. Zum einen ist der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 seiner im Kooperationsvertrag übernommenen Pflicht, die Beklagte zu 1) auszubilden, nachgekommen.
93bbb. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass der Kläger die von ihm für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.20111 gezahlte Ausbildungsvergütung zweckentsprechend aus den von ihm beantragten Fördermitteln begleichen würde.
94ccc. Für die Zeit ab 1.3.2011 hat er schließlich sämtliche Pflichten eines Ausbilders gegenüber der Beklagten zu 1) einschließlich der Vergütungspflicht in vollem Umfang selbst übernommen.
958. Das Berufungsgericht hat ferner in Erwägung gezogen, ob eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB in dem Umstand gelegen haben könnte, dass der Kläger die von ihm beantragten Mittel des Landesarbeitsministeriums und des Europäischen Sozialfonds zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ erhalten würde und behalten darf mit der Folge, dass der nunmehr drohende Entzug dieser Fördermittel zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage und einem Anspruch des Klägers auf Anpassung des Kooperationsvertrages führen würde. Nach nochmaliger näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Berufungsgericht jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch des Klägers auf die im Klageantrag zu 3) geforderte Leistung hergeleitet werden kann.
96a. Unter einer Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB versteht man nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG NZA 2010, 465; BGH NJW-RR 2006, 1037 f.; BGH NJW 2001, 1204; BGH NJW 1995, 592 f.; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 3).
97b. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, er habe bei der – unstreitig allein auf seine Initiative zurückgehenden – Vertragsanbahnung dem Beklagten zu 2) den Abschluss des Kooperationsvertrages zur Verbundausbildung dadurch schmackhaft gemacht, dass er ihm eröffnet habe, er habe die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, daher sei die Angelegenheit für den Beklagten zu 2) kostenfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung des Klägers so oder ähnlich wörtlich gefallen ist. Unstreitig war der Beklagte zu 2) jedenfalls bei den Vertragsgesprächen darüber informiert, dass der Kläger eine entsprechende Förderung beantragt hat, bzw. beantragen wollte. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung sogar dahin eingelassen, dass er bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Förderung schon erhalten habe.
98c. Bei dieser Sachlage musste sich dem Beklagten zu 2) objektiv betrachtet der Eindruck aufdrängen, dass gerade der Erhalt der Fördergelder ausschlaggebend dafür war, dass der Kläger sich zur Übernahme der Ausbildungsvergütung auch während der Verbundphase bereiterklärte, dass diese Bereitschaft des Klägers aber auch mit dem Erhalt der Fördergelder ‚stehen oder fallen würde‘.
99d. Zwar ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss von Verträgen, in denen sich eine Partei zu Geldleistungen verpflichtet, Vorstellungen dieser Partei darüber, wie sie ihre Geldzahlungsverpflichtungen zu finanzieren gedenkt, gemeinhin nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages werden, auch wenn die Vorstellungen dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Kenntnis gebracht werden (BGH NJW 1983, 1490). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt allerdings darin, dass der Kläger sich mit der von ihm in dem Kooperationsvertrag eingegangenen finanziellen Verpflichtung anders als z. B. bei einem typischen Kaufvertrag keine Gegenleistung erkaufen wollte, die für ihn selbst einen unmittelbaren eigenen Vorteil bedeutet hätte. Aus der Sicht des Vertragspartners musste es vielmehr naheliegen, dass der Kläger nur die Möglichkeit, Fördergelder erhalten zu können, dazu nutzen wollte, das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) allgemein zu fördern. Wenn der Beklagte zu 2) sich sodann in Kenntnis der genannten Umstände auf den Kooperationsvertrag einlässt, könnte dies nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der geschilderten Erwartung des Klägers in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten sein (hierzu vgl. Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 9).
100e. Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der Erhalt und das Behaltendürfen der Fördermittel ursprünglich zur Geschäftsgrundlage seiner Kostenübernahmepflicht in dem Kooperationsvertrag geworden sind, kommt ein Anpassungsanspruch des Klägers nach § 313 Abs. 1 BGB, der ganz oder teilweise die im Klageantrag zu 3) begehrte Leistung zum Inhalt hätte, dennoch nicht in Betracht. Dies steht bereits jetzt fest.
101aa. Eine in dem Behaltendürfen der staatlichen Fördermittel bestehende Geschäftsgrundlage droht wegzufallen; denn die Bezirksregierung hat mit Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Fördermittel vom Kläger zurückgefordert.
102bb. Nach der rein formalrechtlichen Betrachtungsweise des BAG (vgl. BAG vom 23.05.2013, 2 AZR 991/11) wäre der Wegfall der Geschäftsgrundlage derzeit aber noch nicht eingetreten; denn der Kläger hat bekanntlich gegen den Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage hat, wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, aufschiebende Wirkung. Damit ist der Rückforderungsbescheid noch nicht bestandskräftig und somit in dem Rechtsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander noch nicht zugrundezulegen. Dies müsste zur Zurückweisung des Klageantrags zu 3) des Klägers als zumindest derzeit unbegründet führen.
103f. Ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses des vor dem Verwaltungsgericht betriebenen Anfechtungsprozesses steht aber bereits jetzt endgültig fest, dass der Kläger eine Anpassung des Kooperationsvertrages hinsichtlich der Verpflichtung zur Übernahme der Ausbildungskosten der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2012 (*3) nicht verlangen kann. Auch bei dem nachträglichen Wegfall einer Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts allein der Kläger das Risiko zu tragen, ob er die von ihm beantragten und auch zunächst erhaltenen staatlichen Fördergelder endgültig behalten darf oder zurückzahlen muss. Ihm muss zugemutet werden, an dem Vertrag festgehalten zu werden, auch wenn der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung hinsichtlich der dem Kläger bewilligten Fördergelder rechtskräftig wird.
104aa. Für die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht bereits, dass allein der Kläger Antragsteller und Empfänger der staatlichen Förderleistungen war. Der Beklagte zu 2) hat hieran weder mitgewirkt noch irgendeinen Einfluss darauf genommen.
105bb. Für die Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht ferner der Umstand, dass die Verbundausbildung und der Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) auf alleinige Initiative des Klägers zustande gekommen sind. Der Beklagte zu 2) seinerseits war dem Kläger bis dahin völlig unbekannt. Nach eigener Angabe des Klägers hat dieser sich die Anschrift des Beklagten aus dem Branchenbuch herausgesucht und sodann mit dem Beklagten Kontakt aufgenommen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Beklagten zu 2) hatte dieser bis dahin keinerlei Erfahrungen mit einer Verbundausbildung und hätte sich zur Mitwirkung an einer solchen nicht bereit erklärt, wenn dies für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre.
106g. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger hätte erkennen müssen, aber die Augen davor verschlossen hat, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der von ihm beantragten staatlichen Fördergelder von vorneherein nicht erfüllt waren.
107aa. Sinn und Zweck der Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ durch das Landesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfond besteht nach dem Verständnis des Berufungsgerichts darin, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, insbesondere in Kleinbetrieben, bei selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberuflern. Es gibt ausbildungswillige Betriebe, die nicht in der Lage sind, eigenständig Ausbildungsplätze vorzuhalten, weil nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nach den Ausbildungsverordnungen in bestimmten Ausbildungsberufen vermittelt werden müssen, im eigenen Betrieb vermittelt werden können. Dies kann z.B. daran liegen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Arbeitsaufgaben im eigenen Betrieb nicht vorkommen, dass es an geeignetem Ausbildungspersonal oder sonstigen notwendigen Ressourcen wie Maschinenanlagen o. ä. fehlt. Solchen Betrieben soll es durch die staatliche Förderung ermöglicht werden, sich zum Zwecke der Berufsausbildung mit anderen Betrieben zusammen zu tun, die die im Stammbetrieb fehlenden, nach der Ausbildungsordnung aber notwendigen Ausbildungsinhalte ergänzend vermitteln können.
108bb. Dagegen liegt der Zweck der vom Kläger beantragten staatlichen Fördergelder ersichtlich nicht etwa darin, eine wie auch immer geartete – und wie zu messende? – ‚pädagogische Qualität‘ bei bereits vorhandenen Ausbildungsplätzen zu steigern oder gar, wie die Bezirksregierung in ihrem Bescheid vom 13.02.2013 zutreffend ausführt, dem Auszubildenden durch die Möglichkeit, in verschiedenen Ausbildungsbetrieben eingesetzt zu werden, „eine Abwechslung zu verschaffen“. Ebenso wenig stellt es den Zweck der staatlichen Förderung dar, für eigenständig ausbildungsfähige, aber tatsächlich eher ausbildungsunwillige Betriebe einen finanziellen Anreiz zu schaffen, sich dennoch mit der Berufsausbildung zu befassen.
109cc. Der skizzierte Zweck der vom Kläger in Anspruch genommenen staatlichen Fördermittel spiegelt sich in Fragestellungen wieder, die der Antragsteller im Rahmen der Antragsunterlagen beantworten muss. Geht aus den Antragsunterlagen nicht hervor, dass der Antragsteller „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“, so scheidet eine Förderung aus. Dasselbe gilt, wenn angegeben wird, dass er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermittelt“.
110dd. Der Antragsteller hat sich bei der Beantragung der Fördermittel von der Rechtsanwaltskammer bestätigen lassen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“. Wie der Kläger im Rahmen seiner Selbstanzeige gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses zutreffend ausführt, ist diese Angabe objektiv falsch. Grundsätzlich ist nämlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine eigene Kanzlei mit Büroorganisation betreibt, sehr wohl in der Lage, alle nach der Ausbildungsverordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang zu vermitteln. Anders, als dies etwa bei Rechtsreferendaren der Fall ist, sieht die Ausbildungsordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte gerade nicht vor, dass diese im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit unterschiedliche materiellrechtliche Fachgebiete wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht usw. durchlaufen müssten. Vielmehr ist es ohne Weiteres möglich, dass eine Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ihre gesamte praktische Ausbildung in einer Rechtsanwaltskanzlei absolviert, die auf nur wenige oder gar ein einziges Rechtsgebiet spezialisiert ist, z. B. Strafverteidigung, Medizinrecht, Verwaltungsrecht o. ä.. Der vorliegende Fall verdeutlicht beispielhaft, dass eine Azubi zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei wie derjenigen des Beklagten zu 2) mit ganz ähnlichen Tätigkeiten betraut ist, wie es zuvor in der Allgemeinkanzlei des Klägers der Fall war. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Berichtshefte der Beklagten zu 1) aus der Zeit ihrer Ausbildung beim Kläger einerseits, aus der Zeit der Phase vom 01.09.2010 bis 2802.2011 beim Beklagten zu 2) andererseits.
111ee. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beantragung der Fördermittel für die Beklagte zu 1) bereits seit über einem Jahr allein und selbstständig mit der Ausbildung einer anderen Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten befasst. Gleichwohl hat er sich in seinem Förderantrag auf die Bestätigung der Rechtsanwaltskammer bezogen, in welcher die formularmäßig vorgegebene Frage, ob der Antragsteller „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, gerade nicht bejaht wird.
112ff. Der Kläger gibt an, die Verbundausbildung aus ‚pädagogischen Gründen‘ initiiert zu haben. Wäre es hingegen darum gegangen, dass er in eigener Person nicht alle geforderten Ausbildungsinhalte hätte vermitteln können, so hätte er sich gezielt einen Verbundpartner aussuchen müssen, welcher gewährleistete, dass er die beim Kläger bzw. dessen Kanzlei vorhandenen Defizite zuverlässig würde ausgleichen können. Der Kläger kannte jedoch nach eigenem Bekunden weder den Beklagten zu 2) noch dessen Kanzlei und hat sich seinen Verbundpartner aus dem Branchenbuch herausgesucht.
113h. Ob die Falschangaben des Klägers bei der Beantragung der Fördermittel dazu führen werden, dass der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung rechtskräftig werden wird, hängt noch von weiteren, auch verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen ab, deren Beurteilung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überlassen bleiben muss. In jedem Fall hat der Kläger jedoch das hohe Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung durch verantwortliches Handeln selbst herbeigeführt. Soweit dieses Risiko auch die von ihm eingegangene finanzielle Verpflichtung in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) berührt, ist es ihm daher verwehrt, dieses Risiko ganz oder teilweise auf den Beklagten zu 2) abzuwälzen. Eine entsprechende Anpassung des Kooperationsvertrages scheidet aus. Nach Lage der Dinge ist es dem Kläger zuzumuten, an seiner in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtung, die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 zu zahlen, auch dann festgehalten zu werden, wenn er die Fördergelder zurückzahlen muss.
114i. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Beklagte zu 2) als erfahrener Rechtsanwalt ebenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Förderung der Verbundausbildung tatsächlich nicht gegeben waren, ohne dass es hierfür einer näheren Kenntnis der persönlichen oder betrieblichen Verhältnisse des Klägers bedurft hätte.
115aa. Hierzu hätte sich der Beklagte zu 2) jedoch zunächst einmal mit den Einzelheiten des Subventionsantrages des Klägers sowie den einschlägigen Subventionsvoraussetzungen beschäftigen müssen. Der Kläger gibt lediglich – vom Beklagten zu 2) bestritten – an, dass er diesem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Antragsunterlagen vorgelegt habe. Es ist aber nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Beklagte zu 2) sich tatsächlich mit den Förderungsvoraussetzungen und der Antragstellung des Klägers näher befasst hätte.
116bb. Hierzu hatte der Beklagte zu 2) auch keinen Anlass. Der Beklagte zu 2) war nicht der Initiator der Vertragsverhandlungen über eine Verbundausbildung der Beklagten zu 1). Erst recht war der Beklagte zu 2) nicht der Antragsteller oder Empfänger der von der Bezirksregierung zugeteilten Leistungen.
117k. Schließlich kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 2) auch nicht damit entlasten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln die objektiv falschen Angaben bei der Beantragung der Fördergelder der Bezirksregierung gegenüber ausdrücklich bestätigt hat.
118aa. Allerdings erscheint es auch aus der Sicht des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehbar, dass die Rechtsanwaltskammer Köln eine solche Bestätigung abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, wenn es zutrifft, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben in dem Bestätigungsformular nicht näher überprüft hat. Da, wie vom Kläger zutreffend ausgeführt wird, grundsätzlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine Kanzlei mit eigener Büroorganisation betreibt, in der Lage ist, einer Auszubildenden für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten sämtliche Ausbildungsinhalte vollständig zu vermitteln, kann sich das Berufungsgericht, wenn überhaupt, allenfalls auf besonderen Konstellationen beruhende Ausnahmefälle vorstellen, in denen die fraglichen Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördermittel erfüllt sein könnten. Gerade wenn eine nähere Prüfung der individuellen Verhältnisse eines Antragstellers unterbleibt, wäre somit zu erwarten gewesen, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben im Zweifel nicht bestätigt.
119bb. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger der Initiator der Antragstellung war, die Rechtsanwaltskammer ihm eben nur eine „Bestätigung“ zur Verfügung gestellt hat und der Kläger sich diese inhaltlich falsche Bestätigung dadurch zu Eigen gemacht hat, dass er sie im Rahmen seiner Antragstellung bei der Bezirksregierung eingereicht bzw. sich dieser gegenüber auf die Bestätigung berufen hat.
120III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
121Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.
122R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
123Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
124Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
125(*1), (*2) und (*3)
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
127In dem Rechtsstreit
128wird der Urteilstext wegen offensichtlicher Schreibfehler bei der Reinschrift des Urteils vom 03.04.2014 von Amts wegen wie folgt berichtigt:
129- auf Seite 16 in der 18. und 25. Textzeile werden die dort wiedergegebenen fehlerhaften Daten „28.11.2011“ durch das jeweils richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt;
130- auf Seite 24 in der 16. Textzeile wird das fehlerhafte Datum „28.11.2012“ durch das richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt.
131Köln, den 20.10.2014
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Auskunfts- und (Rück-)Zahlungsansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem von ihnen praktizierten sog. Verbundausbildungsverhältnis.
3Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und betreibt seit dem Jahre 2007 eine eigene Einzelanwaltskanzlei in B . Zum 01.09.2009 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beklagten zu 1) zur Rechtsanwaltsfachangestellten (Bl. 52 – 55 d. A.). Der Berufsausbildungsvertrag war für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 befristet. Gemäß § 3 Ziffer 12 sollte er als Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt werden.
4Zu diesem Zweck hatte der Kläger zuvor mit dem ihm bis dahin nicht bekannten Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und mit diesem einen „Kooperationsvertrag über eine Ausbildung im Verbund“ abgeschlossen, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d. A.). In dem Kooperationsvertrag ist festgelegt, dass die voraussichtliche Dauer des von der Beklagten zu 1) beim Beklagten zu 2) zu absolvierenden Ausbildungsabschnittes 6 Monate betragen sollte, „voraussichtlich beginnend ab dem 2. Lehrjahr“. Zugleich vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2) in dem Kooperationsvertrag, dass die vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei dem Kläger liegen solle.
5Der Beklagte zu 2) betreibt zusammen mit anderen Rechtsanwälten, mit denen er teils in einer Sozietät, teils in Bürogemeinschaft verbunden ist, in der K Innenstadt eine Anwaltskanzlei, die auf Strafrecht spezialisiert ist.
6Wie dem Beklagten zu 2) beim Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Kläger bekannt war, wollte der Kläger öffentliche Fördergelder für die Verbundausbildung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck stellte der Kläger bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des M für A , G und S des L N und des E S E zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“. Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist u.a., dass der den Antrag stellende, den Ausbildungsvertrag abschließende Betrieb die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vollständig allein vermitteln kann. Dementsprechend ließ sich der Kläger von der Rechtsanwaltskammer Köln bestätigen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermitteln kann“. Zugleich wurde die weitere Formularfrage, ob er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, nicht bejaht (vgl. Bl. 901 d.A.). Mit Bescheid vom 29.10.2009 wurde dem Kläger daraufhin die beantragte Zuwendung mit dem Höchstsatz von 4.500,- € bewilligt.
7Im Zeitpunkt des Abschlusses des Berufsausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) und des Kooperationsvertrages mit dem Beklagten zu 2) sowie der Beantragung der Fördermittel für die Verbundausbildung beschäftigte der Kläger in seiner Kanzlei bereits seit August des Vorjahres eine andere Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten.
8Die Beklagte zu 1) wurde sodann in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 in der Kanzlei des Klägers ausgebildet und wechselte mit dem 01.09.2010 zum Zwecke der vorgesehenen sechsmonatigen Verbundausbildungsphase in die Kanzlei des Beklagten zu 2). Der Kläger zahlte wie mit dem Beklagten zu 2) vereinbart über den 01.09.2010 hinaus die monatliche Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1).
9Die Beklagte zu 1) entschloss sich dann jedoch, nach Ablauf der sechsmonatigen Verbundausbildungsphase nicht mehr in die Kanzlei des Klägers zurückzukehren, sondern – im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2) – ihre Berufungsausbildung in der Kanzlei des Beklagten zu 2) fortzusetzen. Nachdem eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) über die Modalitäten des Übergangs des Berufsausbildungsverhältnisses gescheitert war, kündigte die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2011, dem Kläger zugegangen am selben Tage, fristlos und schloss mit dem Beklagten zu 2) für die Zeit ab dem 01.03.2011 einen neuen Berufsausbildungsvertrag ab.
10Für den Monat März 2011 wandte der Kläger noch für die Beklagte zu 1) anteilige Ausbildungsvergütung und Gebühren für ein Jobticket in Höhe von insgesamt 71,80 € auf.
11In einer Selbstanzeige vom 12.08.2012 an die Generalstaatsanwaltschaft Köln räumte der Kläger ein, dass er alle nach der Ausbildungsverordnung für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang auch allein vermitteln könne und auch bereits tatsächlich alleine ausgebildet habe. Im Anschluss hieran nahm die B K mit Bescheid vom 13.02.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2009, die Verbundausbildung der Beklagten zu 1) betreffend, zurück und forderte den Kläger auf, den Subventionsbetrag in voller Höhe zurückzuzahlen. Auf den vollständigen Inhalt des Bescheids vom 13.02.2013 (Bl. 753 – 766 d. A.) wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage ist noch in erster Instanz anhängig.
12Wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge, wegen der von den Parteien hierzu gegebenen Begründungen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 Bezug genommen.
13Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 02.08.2012 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 08.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.11.2012 am 02.11.2012 begründet.
14Der Kläger und Berufungskläger hält an seinem Auskunftsbegehren fest, welcher bisher Gegenstand des Antrages zu 1 a) war, Er meint, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei der Auskunftsanspruch keineswegs erfüllt, weder durch die Angabe des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) sei „in hiesiger Kanzlei“ beschäftigt worden, noch durch die Protokollerklärung aus der Sitzung vom 11.07.2012, wonach „die Beklagte zu 1) während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet“ habe. Er, der Kläger habe einen Anspruch darauf zu wissen, ob die Beklagte zu 1) während der sechsmonatigen Verbundphase tatsächlich nur für die Anwaltssozietät L und T tätig geworden sei, da andernfalls ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides vorläge, welcher zu dessen Zurücknahme führen könne.
15Auch hält der Kläger daran fest, dass er einen Anspruch auf einen schriftlichen Bericht des Beklagten zu 2) über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei verlangen könne. Es treffe zwar zu, dass ihm die Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Dauer der Verbundphase vorlägen. Diese seien aber nur von der Beklagten zu 1) unterschrieben und nicht vom Beklagten zu 2)
16Der Kläger hält auch daran fest, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Geldbetrag zurückzuerstatten, den er, der Kläger, in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 an Ausbildungsvergütung für die Beklagte zu 1) aufgewandt habe. Nach Abzug einer auf den Zeitraum der Verbundphase entfallenden Rückerstattung seitens der Krankenkasse in Höhe von 591,73 € handele es sich um einen Betrag in Höhe von 2.984,74 €. Dieser ergebe zuzüglich der 19 %-igen MwSt. den jetzt neu formulierten Zahlungsantrag zu 3) über 3.551,84 €. Die Anspruchsgrundlage sei in dem Rechtsgedanken des
17§ 426 BGB zu sehen; denn während der Verbundphase sei gemäß § 17 BBiG auch der Beklagte zu 2) der Beklagen zu 1) gegenüber vergütungspflichtig gewesen.
18Außerdem sei es Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Ausbildungskosten in der Verbundphase gewesen, dass die Verbundphase in der Kanzlei des Beklagten zu 2) auf sechs Monate begrenzt sei. Es habe nämlich erkennbar nicht seiner, des Klägers, Intention entsprochen, den Beklagten zu 2) durch die Vereinbarung der Freistellung von der Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu bereichern. Gegen diese Argumentation könne auch nicht eingewandt werden, dass es ja der Beklagten zu 1) auch freigestanden hätte, z. B. die Ausbildung nach dem Abschluss der Verbundphase gänzlich abzubrechen; denn in diesem Fall wäre eine Bereicherung des Beklagten zu 2) nicht eingetreten.
19Von der Beklagten zu 1) verlangt der Kläger die Erstattung des für sie für März 2011 noch aufgewandten Betrages in Höhe von 71,80 € netto.
20Schließlich hält der Kläger auch an seinem gegen beide Beklagten gerichteten Feststellungsanspruch fest, wonach die Beklagten Schäden, die ihm infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung zukünftig noch entstehen könnten, insbesondere aus einer Rückforderung der für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder, zu erstatten seien.
21Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
22unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 2544/11 vom 11.07.2012, wie folgt zu erkennen:
23- 24
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den in der Klageschrift vom 28.03.2011 aufgelisteten Streitverkündeten zu 4) – 8) tätig?
26- 27
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Berufungsantrag Ziffer 1, zu erteilen.
- 29
3. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger aus dessen Rechnung Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 3.551,84 € brutto (incl. 19 % MwSt.) zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
- 33
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) zukünftig noch entsteht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht.
Die Beklagten beantragen,
35die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36Die Beklagten halten das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigen dessen Entscheidungsgründe. Für einen Anspruch des Berufungsklägers auf Erstattung der während der Verbundphase von ihm aufgewandten Ausbildungsvergütungen bestehe keine Anspruchsgrundlage. Eine solche ergebe sich weder aus § 313 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch der Fortbestand des zugunsten des Berufungsklägers ergangenen Subventionsbescheides stelle keine Geschäftsgrundlage für die von ihm eingegangene Verpflichtung dar, während der Verbundphase die Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu übernehmen. Selbst wenn dem aber so wäre und es bei der jetzt von der Bezirksregierung verfügten Rücknahme des Förderbescheides bleibe, könne er, der Beklagte zu 2) nicht zur Zahlung herangezogen werden; denn nach der Risikoverteilung des Kooperationsvertrages falle das Schicksal der Subvention allein in die Sphäre des Berufungsklägers. Dies gelte umso mehr, als der jetzt erlassene Rückforderungsbescheid ausschließlich darauf gestützt werde, dass der Kläger bei der Beantragung der Fördergelder falsche Angaben gemacht habe.
37Den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten, nunmehr bezifferten Zahlungsantrag halten die Beklagten in dieser Form für verspätet. Sie halten daran fest, dass die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011 gerechtfertigt gewesen sei und machen geltend, dass der Kläger sich die Beträge bei K und Sozialversicherung habe erstatten lassen können.
38Auch der Feststellungsantrag sei zurückzuweisen. Er, der Beklagte zu 2), habe keine Pflichtverletzung in der Verbundausbildung begangen, die dazu führen könne, dass der Kläger die erhaltene Subvention zurückzahlen müsse. Die Bezirksregierung beabsichtige auch nicht, die Subvention etwa wegen der Kündigung vom 01.03.2011 zurückzuverlangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Kläger bei den Subventionsanträgen falsche Angaben gemacht habe.
39Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Berufungsklägers, der Berufungserwiderungsschrift der Berufungsbeklagten nebst ihren sämtlichen Analgen sowie die sonstigen in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Auch soweit sich die Berufung gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist die notwendige Beschwer von 600,- € erreicht, da die Beklagte zu 1) nicht nur mit dem Zahlungsantrag zu 4), sondern auch mit dem Feststellungsantrag zu 5) in Anspruch genommen werden soll.
42Der Berufungskläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
43II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur insoweit erfolgreich sein, als der Berufungskläger nunmehr die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 71,80 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt. Im Übrigen können die Ausführungen des Berufungsklägers jedoch nicht zu einer Abänderung des zutreffenden erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2012 führen.
44A. Der Berufungskläger kann von der Beklagten zu 1) entsprechend seinem nunmehr gestellten Zahlungsantrag zu 4) 71,80 € netto zzgl. eingeklagter Prozesszinsen verlangen.
451. Der erstmals in der Berufungsinstanz bezifferte Zahlungsantrag ist zulässig. Der Kläger versteht ihn als Teilkonkretisierung des erstinstanzlichen Feststellungsantrages, soweit dieser gegen die Beklagte zu 1) gerichtet war. Dem kann gefolgt werden, da es sich um einen Anspruch handelt, der zumindest im weiteren Sinne aus der von der Beklagten zu 1) zum 01.03.2011 vorgenommen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dieser Parteien resultiert, auch wenn es sich im rechtstechnischen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.
462. Der Kläger hat durch seine Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Vergütungsabrechnung der Beklagten zu 1) für den Monat März 2011 dokumentiert, dass sich der jetzige Klagebetrag zusammensetzt aus einem Auszahlungsbetrag von 11,90 €, der sich auf die anteilige Ausbildungsvergütung für den Monat März 2011 bezieht, sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 59,90 €, den der Kläger für ein Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat verauslagt hat. Die Beklagte zu 1) war durch den Auszahlungsbetrag für März 2011 ungerechtfertigt bereichert. Die Auslagen für das Jobticket hat sie dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.
47a. Die Beklagte zu 1) hat das Ausbildungsverhältnis zum Kläger bekanntlich mit Schreiben vom 01.03.2011, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgekündigt. Die im Laufe des 01.03.2011 zugestellte Kündigung kann das Ausbildungsverhältnis, unterstellt man einmal ihre Wirksamkeit, frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beendet haben. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1) am 01.03.2011 keinerlei vertragliche Leistungen gegenüber dem Kläger mehr erbracht. Sie war an diesem Tag gegenüber dem Kläger weder arbeitsbereit noch arbeitswillig; denn sie hat am selben Tag bereits ihre Ausbildung beim Beklagten zu 2) aufgenommen.
48b. Die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch der Beklagten zu 1) auf Vergütung ohne Arbeitsleistung liegen nicht vor. Weder hatte die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf einen bezahlten Urlaubstag, noch befand sich der Kläger in Annahmeverzug.
49c. Da der Kläger vor Beginn des Monats März 2011 auch nicht wissen konnte, dass die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis alsbald beenden würde, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er die Kosten für das Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat aufgewandt hat.
50d. Die Behauptung der Beklagten zu 1), der Kläger hätte sich die Kosten für das Jobticket bei der K teilrückerstatten lassen können (in welcher Höhe?), ist schon wegen ihrer fehlenden Substantiierung unerheblich.
51e. Bei dem Restbetrag von 11,90 € handelt es sich nicht um eine Erstattung zu Unrecht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen Auszahlungsbetrag an die Beklagte zu1).
52B. Ansonsten ist die Berufung des Klägers jedoch in Gänze unbegründet.
531. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den jetzigen Auskunftsantrag zu 1) zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Auskunftsanspruch, so er denn ursprünglich bestanden hat, vom Beklagten zu 2) erfüllt wurde und zwar gleich mehrfach.
54a. So hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 28.03.2011 unter dem Briefkopf „Rechtsanwälte L T “ ausgeführt:
55„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. R ,
56ich darf Ihnen bestätigen, dass ich die Auszubildende J W im Rahmen der Verbundausbildung in der Zeit vom 01.09.2010 bis einschließlich 28.02.2011 in hiesiger Kanzlei [Hervorhebung nur hier] ausgebildet habe“ (Bl. 241 d. A.).
57Die Namen weiterer Anwälte finden sich auf dem fraglichen Briefbogen nicht. Das Bestätigungsschreiben enthält somit zum einen die Aussage, dass der Beklagte zu 2) in eigener Person („ich habe …. ausgebildet“) die Beklagte zu 1) ausgebildet hat und zum zweiten die Aussage, dass dies in der Kanzlei „L - T “ geschehen ist. Bekanntlich befand sich der Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt mit der Rechtsanwältin T in einer Sozietät und mit einigen weiteren Rechtsanwälten in einer Bürogemeinschaft. Bezeichnenderweise spricht auch der Kläger selbst in seiner Antragsformulierung – formalrechtlich korrekt – die nur in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwälte jeweils als „Rechtsanwaltskanzlei“ an.
58b. Selbst wenn man die Aussage des Beklagten zu 2) in seinem Bestätigungsschreiben vom 28.03.2011 aber noch für zu ungenau hielte, so gilt dies nicht für die Protokollerklärung, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) für diesen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 11.07.2012 abgegeben hat. Dort heißt es:
59„Die Beklagte zu 1) hat während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet.“
60Wer einem Auszubildenden Weisungen erteilt, also das Ob, Was und Wie seiner Tätigkeiten bestimmt, geriert sich als der Ausbildungsverantwortliche. Dies entspricht auch den dem Zuwendungsbescheid der B zugrundegelegten Verhältnissen; denn in dem Vermerk der B vom 29.10.2009 heißt es, dass die fehlenden Ausbildungsinhalte, die der antragstellende Betrieb nicht alleine vermitteln kann, „von der Rechtsanwaltskanzlei L /T übernommen“ wird (Anlage K 18, Bl. 265 d. A.).
61c. Der gegen die Relevanz der Protokollerklärung des Beklagten zu 2) vom 11.07.2012 gerichtete Einwand des Klägers, es entspreche nicht den Verträgen über die Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) und demnach auch nicht dem Zuwendungsbescheid, wenn die Beklagte zu 1) während der Verbundphase auf Veranlassung des Beklagten zu 2) für andere Anwaltskanzleien gearbeitet hätte, geht fehl. Es ist nicht dasselbe, wenn eine Auszubildende auf Veranlassung ihres Verbundausbilders teilweise von anderen Anwaltskanzleien ausgebildet wird, also die Ausbildungsinhalte betreffende Weisungen erhält, oder ob – so der Erklärungswert der Protokollerklärung vom 11.07.2012 – der verantwortliche Verbundausbilder der Auszubildenden die Weisungen zu ausbildungsrelevanten Tätigkeiten selbst erteilt, mag auch in dem einen oder anderen Fall das Ergebnis der Tätigkeiten auch dritten, mit dem Verbundausbilder nur in Bürogemeinschaft stehenden Kanzleien zugutekommen, wie dies etwa bei der Entgegennahme von Anrufen auf einem gemeinsam betriebenen Telefon der Fall sein kann.
62d. Die vom Kläger angesprochenen „Problemfälle“ bei der Förderung von Verbundausbildungen in der Vergangenheit betrafen die Konstellation, dass der Stammausbilder/Antragsteller der Förderung mit dem vorgesehenen Verbundausbilder eine Bürogemeinschaft bildete, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist.
632. Auch die Forderung des Berufungsklägers, vom Beklagten zu 2) einen schriftlichen Bericht über dessen Ausbildungstätigkeit während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 zu erhalten, hat das Arbeitsgericht richtigerweise abschlägig beschieden.
64a. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Ansinnen des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ist nicht erkennbar. Zwar wird man dem Kläger als dem ursprünglichen Hauptvertragspartner des Ausbildungsverhältnisses und ‚Stammausbilder‘ der Auszubildenden ein berechtigtes Interesse daran nicht absprechen können zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte der Auszubildenden während der Verbundphase der Ausbildung vermittelt worden sind. Diesem berechtigten Interesse des Klägers ist aber bereits dadurch genüge getan, dass sich der Kläger im Besitz des vollständigen Textes aller Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Zeit von 01.09.2010 bis 28.02.2011 befindet. Ausführlicher als anhand solcher Berichtshefte kann der Kläger nicht über den Verlauf der Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) unterrichtet werden.
65b. Der Einwand des Klägers, dass die ihm vorliegenden Berichtshefte nur die Unterschrift der Beklagten zu 1), nicht aber die Unterschrift des Beklagten zu 2) aufwiesen, ist für das hier geltend gemachte Informationsinteresse des Klägers unerheblich. Indem sich der Beklagte zu 2) im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits mehrfach gegenüber dem Kläger darauf berufen hat, dass sich dieser ja im Besitz der Informationen aus den Berichtsheften der Beklagten zu 1) befindet, hat er sich dem Kläger gegenüber den informatorischen Gehalt dieser von der Beklagten zu 1) stammenden Aufzeichnungen zu Eigen gemacht. Ergänzend tritt hierneben noch die Information des Beklagten zu 2) aus seinem Schreiben vom 28.03.2011 an den Kläger über den Ausbildungsinhalt.
663. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz etwaigen zukünftigen Schadens „infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung“ abgewiesen.
67a. Unter „vorzeitigem Abbruch der Verbundausbildung der Beklagten zu 1)“ versteht der Kläger die einseitige Beendigung des zwischen ihm und der Beklagten zu1) begründeten Ausbildungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011.
68b. Der Berufungskläger hat nicht plausibel machen können, dass ihm aus diesem Tatbestand – abgesehen von dem im Antrag zu 4) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) – ein weiterer Anspruch oder ‚Schaden‘ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen könnte. Der Kläger hat die Prognose eines möglichen zukünftigen Schadens insbesondere auf die Befürchtung gestützt, dass die Beendigung des Verbundausbildungsverhältnisses zum 01.03.2011 durch die Beklagte zu 1) dazu führen könne, dass der Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder angeordnet werden könnte. Diese Befürchtung des Klägers ist jedoch obsolet. Die B hat zwar mittlerweile durch ihren Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid tatsächlich zurückgenommen und die Rückzahlung des dem Kläger zugeflossenen Fördergeldes angeordnet. Diese Rückzahlungsforderung wird von der Bezirksregierung aber in keiner Weise mit einem vorzeitigen Abbruch der Verbundausbildung begründet, sondern damit, dass aufgrund falscher Angaben des Klägers die Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördergelder von vorneherein nicht vorgelegen hätten.
69c. Die B hätte im Übrigen auch keinen Anlass gehabt, die zugewandte Subvention wegen einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zurückzufordern. Zum einen konnte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011, ihre Rechtswirksamkeit einmal unterstellt, den Ausbildungsvertrag frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beenden. Damit wäre die Beendigung in jedem Fall erst in der zweiten Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Gesamtausbildungszeitraums erfolgt. Zum anderen ist die während des Bestands des Verbundausbildungsvertrages in der Zeit vom 01.09.2009 bis 01.03.2011 aufgebrachte Mühewaltung an der Ausbildung der Beklagten zu 1), auch nicht fehlgeschlagen; denn die Beklagte zu 1) hat ihre Ausbildung bei einem anderen Rechtsanwalt, dem Beklagten zu 2), fortgesetzt und zu Ende geführt.
704. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der von ihm während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*1) an die Beklagte zu 1) gezahlten Ausbildungsvergütung. Auch diesen Anspruch hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.
71a. Der Kläger hat in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) über die Verbundausbildung ausdrücklich die alleinige „vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende“ auch für die Dauer der Verbundphase übernommen. Damit traf den Kläger – und wie die Verwendung des Begriffes „ausschließlich“ im Text des Kooperationsvertrages bestimmt, nur diesen – unstreitig die Verpflichtung, auch in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*2) die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) zu zahlen.
72b. Der Kläger hat durch die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) während dieser Zeit somit nur seine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt.
735. Eine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung dieser Beträge vom Beklagten zu 2) besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nicht aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 426 BGB.
74a. Dies scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche des Beklagten zu 1) auf Zahlung der Ausbildungsvergütung im Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2011 kein Gesamtschuldverhältnis vorlag. Die aus § 17 Abs.1 S. 1 BBiG folgende Verpflichtung eines Ausbildenden, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren, traf im vorliegenden Fall auch während der Verbundphase der Berufsausbildung nur den Kläger. Der Kläger übersieht, dass der zwischen ihm und der Beklagten zu 1) begründete Berufsausbildungsvertrag auch während der Zeit, in der die Beklagte zu 1) ihre Verbundausbildung beim Beklagten zu 2) absolvierte, fortbestand. Wie aus § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) hervorgeht, hatte aus der Sicht dieses Vertrages die Verbundausbildungsphase bei dem Beklagten zu 2) den Stellenwert einer „Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte“. Hierzu nimmt § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich auf den Verbundausbildungsvertrag Bezug, den der Kläger mit dem Beklagten zu 2) geschlossen hat. Die in diesem Verbundausbildungsvertrag der beiden Anwälte getroffene Vereinbarung, dass „die finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei Rechtsanwalt Dr. R “ liegt, gilt somit unmittelbar auch im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1).
75b. Zudem heißt es ergänzend in § 5 Ziffer 2 des Berufsausbildungsvertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1) unter der Überschrift „Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte“ :
76„Für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, die … in § 3 Nr. 12 vereinbart sind, trägt der Ausbildende die notwendigen Kosten, soweit der Auszubildende nicht einen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat.“
77„Ausbildender“ im Sinne dieses Vertrages ist ausweislich der Eintragung bei Buchstabe b) vor § 1 des Ausbildungsvertrages der Kläger.
78c. Dass sich der Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) gesondert verpflichtet hätte, dieser für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 ebenfalls – zusätzlich oder alternativ zum Kläger – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
79d. Die Beklagte zu 1) hätte somit in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 ihre Ansprüche auf Ausbildungsvergütung nicht mit Aussicht auf Erfolg gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend machen können. Von einer gleichrangigen Alternativschuld, wie sie Voraussetzung eines Gesamtschuldverhältnisses ist, kann somit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) keine Rede sein.
806. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers kann auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB hergeleitet werden.
81a. In der Berufungsbegründung führt der Kläger aus, Geschäftsgrundlage dafür, dass er auch während der Verbundphase der Berufsausbildung der Beklagten zu 1) die Verpflichtung übernommen habe, deren Ausbildungsvergütung weiter zu zahlen, sei die zeitliche Begrenzung der Verbundphase auf sechs Monate gewesen. Dies erweist sich schon aufgrund der vorgelegten Verträge als unzutreffend. Die „voraussichtliche Dauer“ des in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu absolvierenden Verbundausbildungsabschnittes von sechs Monaten war nicht Geschäftsgrundlage, sondern unmittelbarer Vertragsinhalt. Zwischen Vertragsinhalt und Geschäftsgrundlage ist streng zu unterscheiden (BGH NJW 83, 2036). Was nach dem Vertragstext bereits Vertragsinhalt ist, kann nicht Geschäftsgrundlage sein (BGHZ 91, 1600; Palandt/Grüneberg, § 313 Rdnr. 10).
82b. Unabhängig davon hat sich an der vertraglich vorgesehenen Dauer der Verbundausbildungsphase von sechs Monaten aber auch nachträglich nichts geändert. Die auf der Basis des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) absolvierte Verbundausbildungsphase war am 28.02.2011 beendet.
83c. Zwar ist die Beklagte zu 1) bekanntlich über den 01.03.2011 hinaus in der Kanzlei des Beklagten zu 2) verblieben und wurde dort weiter ausgebildet. Dies geschah jedoch gerade nicht auf der Grundlage des vom Kläger mit den Beklagten abgeschlossenen Verbundausbildungsvertrages, sondern auf der Grundlage eines neuen Berufsausbildungsvertrages, den die Beklagte zu 1) für die Zeit ab 01.03.2011 mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte.
847. An anderer Stelle führt der Kläger sinngemäß aus, als Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs.1 BGB für seine Kostenübernahmeverpflichtung in dem Kooperationsvertrag sei es anzusehen, dass die Beklagte zu 1) nach Abschluss der sechsmonatigen, in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu verbringenden Verbundphase in seine eigene Kanzlei zurückkehrt und ihre Ausbildung hier fortsetzt. In diese Richtung führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus: „Eine junge Dame im ersten Lehrjahr aufzubauen und in das Berufsbild einzuführen, kostet bezogen auf den Gesamtzeitraum der Ausbildung die meisten Anstrengungen… Ich wollte danach schon auch noch etwas von ihr haben, nachdem sie aus Köln zurückkommen sollte. So war es allseits besprochen und wurde es zur Vertragsgrundlage“.
85a. Zu dieser Argumentation hat das Arbeitsgericht bereits unter Abschnitt III seiner Entscheidungsgründe Zutreffendes eingewandt. Unter anderem hat es ausgeführt: „Es versteht sich von selbst, dass bei Begründung des als befristetes Dauerschuldverhältnis begründeten Ausbildungsverhältnisses keiner der Beteiligten verbindlich davon ausgehen oder auch nur prognostizieren konnte, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Ausbildung beim Kläger fortgeführt werden würde“.
86b. Der Kläger erkennt, dass das Arbeitsgericht mit dieser Aussage u. a. die jederzeit gegebene Möglichkeit eines Auszubildenden anspricht, nach eigenem Gutdünken den Ausbildungsberuf zu wechseln oder die Berufsausbildung gänzlich abzubrechen. Der Kläger versucht, dieses Argument des Arbeitsgerichts dadurch zu entkräften, dass er meint, ein solcher Fall wäre mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn „dann wäre eine Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte, nicht erfolgt“ (Berufungsbegründung Seite 13).
87c. An anderer Stelle der Berufungsbegründung räumt der Kläger der Beklagten zu 1) sogar die – gesetzlich eigentlich nicht vorgesehene – Möglichkeit ein, das Ausbildungsverhältnis mit ihm „unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden; in diesem Fall … wäre mir jedoch auch kein Schaden entstanden“.
88d. Mit den unter b. und c. behandelten Aussagen widerspricht der Kläger seinem eigenen Ansatz, Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages sei es gewesen, dass die Beklagte zu 1) nach einer sechsmonatigen Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in seine Kanzlei zurückkehre; denn hätte die Beklagte zu 1) die Ausbildung abgebrochen, den Ausbildungsberuf gewechselt, oder hätte sie eine – vom Kläger als jederzeit berechtigt eingestufte – ordentliche Kündigung ausgesprochen, wäre sie ebenfalls nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft zu ihm zurückgekehrt.
89e. Ausschlaggebend scheint für den Kläger vielmehr eine „Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte“ (Berufungsbegründung S.13), zu sein, die aus Sicht des Klägers gerade dadurch eingetreten sein soll, dass die Beklagte zu 1) ihre Ausbildung nach Abschluss der Verbundphase beim Beklagten zu 2) fortgesetzt hat.
90aa. Eine Geschäftsgrundlage, die darin bestanden haben sollte, dass die Beklagte zu 1) nach der Verbundphase ihre Ausbildung jedenfalls nicht beim Beklagten zu 2) fortsetzt, wäre für diesen schlechterdings nicht erkennbar gewesen.
91bb. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) aus objektiver Sicht auch nicht den Schluss ziehen musste, dass er sich durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) für die Zeit ab dem 1.3.2011 auf Kosten des Klägers bereichern würde.
92aaa. Zum einen ist der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 seiner im Kooperationsvertrag übernommenen Pflicht, die Beklagte zu 1) auszubilden, nachgekommen.
93bbb. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass der Kläger die von ihm für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.20111 gezahlte Ausbildungsvergütung zweckentsprechend aus den von ihm beantragten Fördermitteln begleichen würde.
94ccc. Für die Zeit ab 1.3.2011 hat er schließlich sämtliche Pflichten eines Ausbilders gegenüber der Beklagten zu 1) einschließlich der Vergütungspflicht in vollem Umfang selbst übernommen.
958. Das Berufungsgericht hat ferner in Erwägung gezogen, ob eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB in dem Umstand gelegen haben könnte, dass der Kläger die von ihm beantragten Mittel des Landesarbeitsministeriums und des Europäischen Sozialfonds zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ erhalten würde und behalten darf mit der Folge, dass der nunmehr drohende Entzug dieser Fördermittel zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage und einem Anspruch des Klägers auf Anpassung des Kooperationsvertrages führen würde. Nach nochmaliger näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Berufungsgericht jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch des Klägers auf die im Klageantrag zu 3) geforderte Leistung hergeleitet werden kann.
96a. Unter einer Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB versteht man nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG NZA 2010, 465; BGH NJW-RR 2006, 1037 f.; BGH NJW 2001, 1204; BGH NJW 1995, 592 f.; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 3).
97b. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, er habe bei der – unstreitig allein auf seine Initiative zurückgehenden – Vertragsanbahnung dem Beklagten zu 2) den Abschluss des Kooperationsvertrages zur Verbundausbildung dadurch schmackhaft gemacht, dass er ihm eröffnet habe, er habe die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, daher sei die Angelegenheit für den Beklagten zu 2) kostenfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung des Klägers so oder ähnlich wörtlich gefallen ist. Unstreitig war der Beklagte zu 2) jedenfalls bei den Vertragsgesprächen darüber informiert, dass der Kläger eine entsprechende Förderung beantragt hat, bzw. beantragen wollte. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung sogar dahin eingelassen, dass er bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Förderung schon erhalten habe.
98c. Bei dieser Sachlage musste sich dem Beklagten zu 2) objektiv betrachtet der Eindruck aufdrängen, dass gerade der Erhalt der Fördergelder ausschlaggebend dafür war, dass der Kläger sich zur Übernahme der Ausbildungsvergütung auch während der Verbundphase bereiterklärte, dass diese Bereitschaft des Klägers aber auch mit dem Erhalt der Fördergelder ‚stehen oder fallen würde‘.
99d. Zwar ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss von Verträgen, in denen sich eine Partei zu Geldleistungen verpflichtet, Vorstellungen dieser Partei darüber, wie sie ihre Geldzahlungsverpflichtungen zu finanzieren gedenkt, gemeinhin nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages werden, auch wenn die Vorstellungen dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Kenntnis gebracht werden (BGH NJW 1983, 1490). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt allerdings darin, dass der Kläger sich mit der von ihm in dem Kooperationsvertrag eingegangenen finanziellen Verpflichtung anders als z. B. bei einem typischen Kaufvertrag keine Gegenleistung erkaufen wollte, die für ihn selbst einen unmittelbaren eigenen Vorteil bedeutet hätte. Aus der Sicht des Vertragspartners musste es vielmehr naheliegen, dass der Kläger nur die Möglichkeit, Fördergelder erhalten zu können, dazu nutzen wollte, das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) allgemein zu fördern. Wenn der Beklagte zu 2) sich sodann in Kenntnis der genannten Umstände auf den Kooperationsvertrag einlässt, könnte dies nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der geschilderten Erwartung des Klägers in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten sein (hierzu vgl. Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 9).
100e. Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der Erhalt und das Behaltendürfen der Fördermittel ursprünglich zur Geschäftsgrundlage seiner Kostenübernahmepflicht in dem Kooperationsvertrag geworden sind, kommt ein Anpassungsanspruch des Klägers nach § 313 Abs. 1 BGB, der ganz oder teilweise die im Klageantrag zu 3) begehrte Leistung zum Inhalt hätte, dennoch nicht in Betracht. Dies steht bereits jetzt fest.
101aa. Eine in dem Behaltendürfen der staatlichen Fördermittel bestehende Geschäftsgrundlage droht wegzufallen; denn die Bezirksregierung hat mit Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Fördermittel vom Kläger zurückgefordert.
102bb. Nach der rein formalrechtlichen Betrachtungsweise des BAG (vgl. BAG vom 23.05.2013, 2 AZR 991/11) wäre der Wegfall der Geschäftsgrundlage derzeit aber noch nicht eingetreten; denn der Kläger hat bekanntlich gegen den Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage hat, wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, aufschiebende Wirkung. Damit ist der Rückforderungsbescheid noch nicht bestandskräftig und somit in dem Rechtsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander noch nicht zugrundezulegen. Dies müsste zur Zurückweisung des Klageantrags zu 3) des Klägers als zumindest derzeit unbegründet führen.
103f. Ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses des vor dem Verwaltungsgericht betriebenen Anfechtungsprozesses steht aber bereits jetzt endgültig fest, dass der Kläger eine Anpassung des Kooperationsvertrages hinsichtlich der Verpflichtung zur Übernahme der Ausbildungskosten der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2012 (*3) nicht verlangen kann. Auch bei dem nachträglichen Wegfall einer Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts allein der Kläger das Risiko zu tragen, ob er die von ihm beantragten und auch zunächst erhaltenen staatlichen Fördergelder endgültig behalten darf oder zurückzahlen muss. Ihm muss zugemutet werden, an dem Vertrag festgehalten zu werden, auch wenn der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung hinsichtlich der dem Kläger bewilligten Fördergelder rechtskräftig wird.
104aa. Für die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht bereits, dass allein der Kläger Antragsteller und Empfänger der staatlichen Förderleistungen war. Der Beklagte zu 2) hat hieran weder mitgewirkt noch irgendeinen Einfluss darauf genommen.
105bb. Für die Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht ferner der Umstand, dass die Verbundausbildung und der Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) auf alleinige Initiative des Klägers zustande gekommen sind. Der Beklagte zu 2) seinerseits war dem Kläger bis dahin völlig unbekannt. Nach eigener Angabe des Klägers hat dieser sich die Anschrift des Beklagten aus dem Branchenbuch herausgesucht und sodann mit dem Beklagten Kontakt aufgenommen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Beklagten zu 2) hatte dieser bis dahin keinerlei Erfahrungen mit einer Verbundausbildung und hätte sich zur Mitwirkung an einer solchen nicht bereit erklärt, wenn dies für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre.
106g. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger hätte erkennen müssen, aber die Augen davor verschlossen hat, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der von ihm beantragten staatlichen Fördergelder von vorneherein nicht erfüllt waren.
107aa. Sinn und Zweck der Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ durch das Landesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfond besteht nach dem Verständnis des Berufungsgerichts darin, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, insbesondere in Kleinbetrieben, bei selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberuflern. Es gibt ausbildungswillige Betriebe, die nicht in der Lage sind, eigenständig Ausbildungsplätze vorzuhalten, weil nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nach den Ausbildungsverordnungen in bestimmten Ausbildungsberufen vermittelt werden müssen, im eigenen Betrieb vermittelt werden können. Dies kann z.B. daran liegen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Arbeitsaufgaben im eigenen Betrieb nicht vorkommen, dass es an geeignetem Ausbildungspersonal oder sonstigen notwendigen Ressourcen wie Maschinenanlagen o. ä. fehlt. Solchen Betrieben soll es durch die staatliche Förderung ermöglicht werden, sich zum Zwecke der Berufsausbildung mit anderen Betrieben zusammen zu tun, die die im Stammbetrieb fehlenden, nach der Ausbildungsordnung aber notwendigen Ausbildungsinhalte ergänzend vermitteln können.
108bb. Dagegen liegt der Zweck der vom Kläger beantragten staatlichen Fördergelder ersichtlich nicht etwa darin, eine wie auch immer geartete – und wie zu messende? – ‚pädagogische Qualität‘ bei bereits vorhandenen Ausbildungsplätzen zu steigern oder gar, wie die Bezirksregierung in ihrem Bescheid vom 13.02.2013 zutreffend ausführt, dem Auszubildenden durch die Möglichkeit, in verschiedenen Ausbildungsbetrieben eingesetzt zu werden, „eine Abwechslung zu verschaffen“. Ebenso wenig stellt es den Zweck der staatlichen Förderung dar, für eigenständig ausbildungsfähige, aber tatsächlich eher ausbildungsunwillige Betriebe einen finanziellen Anreiz zu schaffen, sich dennoch mit der Berufsausbildung zu befassen.
109cc. Der skizzierte Zweck der vom Kläger in Anspruch genommenen staatlichen Fördermittel spiegelt sich in Fragestellungen wieder, die der Antragsteller im Rahmen der Antragsunterlagen beantworten muss. Geht aus den Antragsunterlagen nicht hervor, dass der Antragsteller „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“, so scheidet eine Förderung aus. Dasselbe gilt, wenn angegeben wird, dass er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermittelt“.
110dd. Der Antragsteller hat sich bei der Beantragung der Fördermittel von der Rechtsanwaltskammer bestätigen lassen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“. Wie der Kläger im Rahmen seiner Selbstanzeige gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses zutreffend ausführt, ist diese Angabe objektiv falsch. Grundsätzlich ist nämlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine eigene Kanzlei mit Büroorganisation betreibt, sehr wohl in der Lage, alle nach der Ausbildungsverordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang zu vermitteln. Anders, als dies etwa bei Rechtsreferendaren der Fall ist, sieht die Ausbildungsordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte gerade nicht vor, dass diese im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit unterschiedliche materiellrechtliche Fachgebiete wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht usw. durchlaufen müssten. Vielmehr ist es ohne Weiteres möglich, dass eine Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ihre gesamte praktische Ausbildung in einer Rechtsanwaltskanzlei absolviert, die auf nur wenige oder gar ein einziges Rechtsgebiet spezialisiert ist, z. B. Strafverteidigung, Medizinrecht, Verwaltungsrecht o. ä.. Der vorliegende Fall verdeutlicht beispielhaft, dass eine Azubi zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei wie derjenigen des Beklagten zu 2) mit ganz ähnlichen Tätigkeiten betraut ist, wie es zuvor in der Allgemeinkanzlei des Klägers der Fall war. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Berichtshefte der Beklagten zu 1) aus der Zeit ihrer Ausbildung beim Kläger einerseits, aus der Zeit der Phase vom 01.09.2010 bis 2802.2011 beim Beklagten zu 2) andererseits.
111ee. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beantragung der Fördermittel für die Beklagte zu 1) bereits seit über einem Jahr allein und selbstständig mit der Ausbildung einer anderen Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten befasst. Gleichwohl hat er sich in seinem Förderantrag auf die Bestätigung der Rechtsanwaltskammer bezogen, in welcher die formularmäßig vorgegebene Frage, ob der Antragsteller „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, gerade nicht bejaht wird.
112ff. Der Kläger gibt an, die Verbundausbildung aus ‚pädagogischen Gründen‘ initiiert zu haben. Wäre es hingegen darum gegangen, dass er in eigener Person nicht alle geforderten Ausbildungsinhalte hätte vermitteln können, so hätte er sich gezielt einen Verbundpartner aussuchen müssen, welcher gewährleistete, dass er die beim Kläger bzw. dessen Kanzlei vorhandenen Defizite zuverlässig würde ausgleichen können. Der Kläger kannte jedoch nach eigenem Bekunden weder den Beklagten zu 2) noch dessen Kanzlei und hat sich seinen Verbundpartner aus dem Branchenbuch herausgesucht.
113h. Ob die Falschangaben des Klägers bei der Beantragung der Fördermittel dazu führen werden, dass der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung rechtskräftig werden wird, hängt noch von weiteren, auch verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen ab, deren Beurteilung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überlassen bleiben muss. In jedem Fall hat der Kläger jedoch das hohe Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung durch verantwortliches Handeln selbst herbeigeführt. Soweit dieses Risiko auch die von ihm eingegangene finanzielle Verpflichtung in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) berührt, ist es ihm daher verwehrt, dieses Risiko ganz oder teilweise auf den Beklagten zu 2) abzuwälzen. Eine entsprechende Anpassung des Kooperationsvertrages scheidet aus. Nach Lage der Dinge ist es dem Kläger zuzumuten, an seiner in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtung, die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 zu zahlen, auch dann festgehalten zu werden, wenn er die Fördergelder zurückzahlen muss.
114i. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Beklagte zu 2) als erfahrener Rechtsanwalt ebenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Förderung der Verbundausbildung tatsächlich nicht gegeben waren, ohne dass es hierfür einer näheren Kenntnis der persönlichen oder betrieblichen Verhältnisse des Klägers bedurft hätte.
115aa. Hierzu hätte sich der Beklagte zu 2) jedoch zunächst einmal mit den Einzelheiten des Subventionsantrages des Klägers sowie den einschlägigen Subventionsvoraussetzungen beschäftigen müssen. Der Kläger gibt lediglich – vom Beklagten zu 2) bestritten – an, dass er diesem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Antragsunterlagen vorgelegt habe. Es ist aber nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Beklagte zu 2) sich tatsächlich mit den Förderungsvoraussetzungen und der Antragstellung des Klägers näher befasst hätte.
116bb. Hierzu hatte der Beklagte zu 2) auch keinen Anlass. Der Beklagte zu 2) war nicht der Initiator der Vertragsverhandlungen über eine Verbundausbildung der Beklagten zu 1). Erst recht war der Beklagte zu 2) nicht der Antragsteller oder Empfänger der von der Bezirksregierung zugeteilten Leistungen.
117k. Schließlich kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 2) auch nicht damit entlasten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln die objektiv falschen Angaben bei der Beantragung der Fördergelder der Bezirksregierung gegenüber ausdrücklich bestätigt hat.
118aa. Allerdings erscheint es auch aus der Sicht des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehbar, dass die Rechtsanwaltskammer Köln eine solche Bestätigung abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, wenn es zutrifft, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben in dem Bestätigungsformular nicht näher überprüft hat. Da, wie vom Kläger zutreffend ausgeführt wird, grundsätzlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine Kanzlei mit eigener Büroorganisation betreibt, in der Lage ist, einer Auszubildenden für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten sämtliche Ausbildungsinhalte vollständig zu vermitteln, kann sich das Berufungsgericht, wenn überhaupt, allenfalls auf besonderen Konstellationen beruhende Ausnahmefälle vorstellen, in denen die fraglichen Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördermittel erfüllt sein könnten. Gerade wenn eine nähere Prüfung der individuellen Verhältnisse eines Antragstellers unterbleibt, wäre somit zu erwarten gewesen, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben im Zweifel nicht bestätigt.
119bb. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger der Initiator der Antragstellung war, die Rechtsanwaltskammer ihm eben nur eine „Bestätigung“ zur Verfügung gestellt hat und der Kläger sich diese inhaltlich falsche Bestätigung dadurch zu Eigen gemacht hat, dass er sie im Rahmen seiner Antragstellung bei der Bezirksregierung eingereicht bzw. sich dieser gegenüber auf die Bestätigung berufen hat.
120III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
121Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.
122R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
123Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
124Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
125(*1), (*2) und (*3)
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
127In dem Rechtsstreit
128wird der Urteilstext wegen offensichtlicher Schreibfehler bei der Reinschrift des Urteils vom 03.04.2014 von Amts wegen wie folgt berichtigt:
129- auf Seite 16 in der 18. und 25. Textzeile werden die dort wiedergegebenen fehlerhaften Daten „28.11.2011“ durch das jeweils richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt;
130- auf Seite 24 in der 16. Textzeile wird das fehlerhafte Datum „28.11.2012“ durch das richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt.
131Köln, den 20.10.2014
(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.
(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.
(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.
(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.
(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.
(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.
(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.
(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.
(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.
(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.
(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.
(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.
(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Auskunfts- und (Rück-)Zahlungsansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem von ihnen praktizierten sog. Verbundausbildungsverhältnis.
3Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und betreibt seit dem Jahre 2007 eine eigene Einzelanwaltskanzlei in B . Zum 01.09.2009 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beklagten zu 1) zur Rechtsanwaltsfachangestellten (Bl. 52 – 55 d. A.). Der Berufsausbildungsvertrag war für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 befristet. Gemäß § 3 Ziffer 12 sollte er als Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt werden.
4Zu diesem Zweck hatte der Kläger zuvor mit dem ihm bis dahin nicht bekannten Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und mit diesem einen „Kooperationsvertrag über eine Ausbildung im Verbund“ abgeschlossen, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d. A.). In dem Kooperationsvertrag ist festgelegt, dass die voraussichtliche Dauer des von der Beklagten zu 1) beim Beklagten zu 2) zu absolvierenden Ausbildungsabschnittes 6 Monate betragen sollte, „voraussichtlich beginnend ab dem 2. Lehrjahr“. Zugleich vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2) in dem Kooperationsvertrag, dass die vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei dem Kläger liegen solle.
5Der Beklagte zu 2) betreibt zusammen mit anderen Rechtsanwälten, mit denen er teils in einer Sozietät, teils in Bürogemeinschaft verbunden ist, in der K Innenstadt eine Anwaltskanzlei, die auf Strafrecht spezialisiert ist.
6Wie dem Beklagten zu 2) beim Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Kläger bekannt war, wollte der Kläger öffentliche Fördergelder für die Verbundausbildung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck stellte der Kläger bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des M für A , G und S des L N und des E S E zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“. Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist u.a., dass der den Antrag stellende, den Ausbildungsvertrag abschließende Betrieb die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vollständig allein vermitteln kann. Dementsprechend ließ sich der Kläger von der Rechtsanwaltskammer Köln bestätigen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermitteln kann“. Zugleich wurde die weitere Formularfrage, ob er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, nicht bejaht (vgl. Bl. 901 d.A.). Mit Bescheid vom 29.10.2009 wurde dem Kläger daraufhin die beantragte Zuwendung mit dem Höchstsatz von 4.500,- € bewilligt.
7Im Zeitpunkt des Abschlusses des Berufsausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) und des Kooperationsvertrages mit dem Beklagten zu 2) sowie der Beantragung der Fördermittel für die Verbundausbildung beschäftigte der Kläger in seiner Kanzlei bereits seit August des Vorjahres eine andere Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten.
8Die Beklagte zu 1) wurde sodann in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 in der Kanzlei des Klägers ausgebildet und wechselte mit dem 01.09.2010 zum Zwecke der vorgesehenen sechsmonatigen Verbundausbildungsphase in die Kanzlei des Beklagten zu 2). Der Kläger zahlte wie mit dem Beklagten zu 2) vereinbart über den 01.09.2010 hinaus die monatliche Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1).
9Die Beklagte zu 1) entschloss sich dann jedoch, nach Ablauf der sechsmonatigen Verbundausbildungsphase nicht mehr in die Kanzlei des Klägers zurückzukehren, sondern – im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2) – ihre Berufungsausbildung in der Kanzlei des Beklagten zu 2) fortzusetzen. Nachdem eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) über die Modalitäten des Übergangs des Berufsausbildungsverhältnisses gescheitert war, kündigte die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2011, dem Kläger zugegangen am selben Tage, fristlos und schloss mit dem Beklagten zu 2) für die Zeit ab dem 01.03.2011 einen neuen Berufsausbildungsvertrag ab.
10Für den Monat März 2011 wandte der Kläger noch für die Beklagte zu 1) anteilige Ausbildungsvergütung und Gebühren für ein Jobticket in Höhe von insgesamt 71,80 € auf.
11In einer Selbstanzeige vom 12.08.2012 an die Generalstaatsanwaltschaft Köln räumte der Kläger ein, dass er alle nach der Ausbildungsverordnung für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang auch allein vermitteln könne und auch bereits tatsächlich alleine ausgebildet habe. Im Anschluss hieran nahm die B K mit Bescheid vom 13.02.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2009, die Verbundausbildung der Beklagten zu 1) betreffend, zurück und forderte den Kläger auf, den Subventionsbetrag in voller Höhe zurückzuzahlen. Auf den vollständigen Inhalt des Bescheids vom 13.02.2013 (Bl. 753 – 766 d. A.) wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage ist noch in erster Instanz anhängig.
12Wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge, wegen der von den Parteien hierzu gegebenen Begründungen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 Bezug genommen.
13Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 02.08.2012 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 08.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.11.2012 am 02.11.2012 begründet.
14Der Kläger und Berufungskläger hält an seinem Auskunftsbegehren fest, welcher bisher Gegenstand des Antrages zu 1 a) war, Er meint, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei der Auskunftsanspruch keineswegs erfüllt, weder durch die Angabe des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) sei „in hiesiger Kanzlei“ beschäftigt worden, noch durch die Protokollerklärung aus der Sitzung vom 11.07.2012, wonach „die Beklagte zu 1) während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet“ habe. Er, der Kläger habe einen Anspruch darauf zu wissen, ob die Beklagte zu 1) während der sechsmonatigen Verbundphase tatsächlich nur für die Anwaltssozietät L und T tätig geworden sei, da andernfalls ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides vorläge, welcher zu dessen Zurücknahme führen könne.
15Auch hält der Kläger daran fest, dass er einen Anspruch auf einen schriftlichen Bericht des Beklagten zu 2) über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei verlangen könne. Es treffe zwar zu, dass ihm die Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Dauer der Verbundphase vorlägen. Diese seien aber nur von der Beklagten zu 1) unterschrieben und nicht vom Beklagten zu 2)
16Der Kläger hält auch daran fest, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Geldbetrag zurückzuerstatten, den er, der Kläger, in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 an Ausbildungsvergütung für die Beklagte zu 1) aufgewandt habe. Nach Abzug einer auf den Zeitraum der Verbundphase entfallenden Rückerstattung seitens der Krankenkasse in Höhe von 591,73 € handele es sich um einen Betrag in Höhe von 2.984,74 €. Dieser ergebe zuzüglich der 19 %-igen MwSt. den jetzt neu formulierten Zahlungsantrag zu 3) über 3.551,84 €. Die Anspruchsgrundlage sei in dem Rechtsgedanken des
17§ 426 BGB zu sehen; denn während der Verbundphase sei gemäß § 17 BBiG auch der Beklagte zu 2) der Beklagen zu 1) gegenüber vergütungspflichtig gewesen.
18Außerdem sei es Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Ausbildungskosten in der Verbundphase gewesen, dass die Verbundphase in der Kanzlei des Beklagten zu 2) auf sechs Monate begrenzt sei. Es habe nämlich erkennbar nicht seiner, des Klägers, Intention entsprochen, den Beklagten zu 2) durch die Vereinbarung der Freistellung von der Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu bereichern. Gegen diese Argumentation könne auch nicht eingewandt werden, dass es ja der Beklagten zu 1) auch freigestanden hätte, z. B. die Ausbildung nach dem Abschluss der Verbundphase gänzlich abzubrechen; denn in diesem Fall wäre eine Bereicherung des Beklagten zu 2) nicht eingetreten.
19Von der Beklagten zu 1) verlangt der Kläger die Erstattung des für sie für März 2011 noch aufgewandten Betrages in Höhe von 71,80 € netto.
20Schließlich hält der Kläger auch an seinem gegen beide Beklagten gerichteten Feststellungsanspruch fest, wonach die Beklagten Schäden, die ihm infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung zukünftig noch entstehen könnten, insbesondere aus einer Rückforderung der für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder, zu erstatten seien.
21Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
22unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 2544/11 vom 11.07.2012, wie folgt zu erkennen:
23- 24
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den in der Klageschrift vom 28.03.2011 aufgelisteten Streitverkündeten zu 4) – 8) tätig?
26- 27
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Berufungsantrag Ziffer 1, zu erteilen.
- 29
3. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger aus dessen Rechnung Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 3.551,84 € brutto (incl. 19 % MwSt.) zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
- 33
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) zukünftig noch entsteht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht.
Die Beklagten beantragen,
35die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36Die Beklagten halten das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigen dessen Entscheidungsgründe. Für einen Anspruch des Berufungsklägers auf Erstattung der während der Verbundphase von ihm aufgewandten Ausbildungsvergütungen bestehe keine Anspruchsgrundlage. Eine solche ergebe sich weder aus § 313 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch der Fortbestand des zugunsten des Berufungsklägers ergangenen Subventionsbescheides stelle keine Geschäftsgrundlage für die von ihm eingegangene Verpflichtung dar, während der Verbundphase die Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu übernehmen. Selbst wenn dem aber so wäre und es bei der jetzt von der Bezirksregierung verfügten Rücknahme des Förderbescheides bleibe, könne er, der Beklagte zu 2) nicht zur Zahlung herangezogen werden; denn nach der Risikoverteilung des Kooperationsvertrages falle das Schicksal der Subvention allein in die Sphäre des Berufungsklägers. Dies gelte umso mehr, als der jetzt erlassene Rückforderungsbescheid ausschließlich darauf gestützt werde, dass der Kläger bei der Beantragung der Fördergelder falsche Angaben gemacht habe.
37Den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten, nunmehr bezifferten Zahlungsantrag halten die Beklagten in dieser Form für verspätet. Sie halten daran fest, dass die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011 gerechtfertigt gewesen sei und machen geltend, dass der Kläger sich die Beträge bei K und Sozialversicherung habe erstatten lassen können.
38Auch der Feststellungsantrag sei zurückzuweisen. Er, der Beklagte zu 2), habe keine Pflichtverletzung in der Verbundausbildung begangen, die dazu führen könne, dass der Kläger die erhaltene Subvention zurückzahlen müsse. Die Bezirksregierung beabsichtige auch nicht, die Subvention etwa wegen der Kündigung vom 01.03.2011 zurückzuverlangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Kläger bei den Subventionsanträgen falsche Angaben gemacht habe.
39Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Berufungsklägers, der Berufungserwiderungsschrift der Berufungsbeklagten nebst ihren sämtlichen Analgen sowie die sonstigen in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Auch soweit sich die Berufung gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist die notwendige Beschwer von 600,- € erreicht, da die Beklagte zu 1) nicht nur mit dem Zahlungsantrag zu 4), sondern auch mit dem Feststellungsantrag zu 5) in Anspruch genommen werden soll.
42Der Berufungskläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
43II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur insoweit erfolgreich sein, als der Berufungskläger nunmehr die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 71,80 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt. Im Übrigen können die Ausführungen des Berufungsklägers jedoch nicht zu einer Abänderung des zutreffenden erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2012 führen.
44A. Der Berufungskläger kann von der Beklagten zu 1) entsprechend seinem nunmehr gestellten Zahlungsantrag zu 4) 71,80 € netto zzgl. eingeklagter Prozesszinsen verlangen.
451. Der erstmals in der Berufungsinstanz bezifferte Zahlungsantrag ist zulässig. Der Kläger versteht ihn als Teilkonkretisierung des erstinstanzlichen Feststellungsantrages, soweit dieser gegen die Beklagte zu 1) gerichtet war. Dem kann gefolgt werden, da es sich um einen Anspruch handelt, der zumindest im weiteren Sinne aus der von der Beklagten zu 1) zum 01.03.2011 vorgenommen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dieser Parteien resultiert, auch wenn es sich im rechtstechnischen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.
462. Der Kläger hat durch seine Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Vergütungsabrechnung der Beklagten zu 1) für den Monat März 2011 dokumentiert, dass sich der jetzige Klagebetrag zusammensetzt aus einem Auszahlungsbetrag von 11,90 €, der sich auf die anteilige Ausbildungsvergütung für den Monat März 2011 bezieht, sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 59,90 €, den der Kläger für ein Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat verauslagt hat. Die Beklagte zu 1) war durch den Auszahlungsbetrag für März 2011 ungerechtfertigt bereichert. Die Auslagen für das Jobticket hat sie dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.
47a. Die Beklagte zu 1) hat das Ausbildungsverhältnis zum Kläger bekanntlich mit Schreiben vom 01.03.2011, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgekündigt. Die im Laufe des 01.03.2011 zugestellte Kündigung kann das Ausbildungsverhältnis, unterstellt man einmal ihre Wirksamkeit, frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beendet haben. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1) am 01.03.2011 keinerlei vertragliche Leistungen gegenüber dem Kläger mehr erbracht. Sie war an diesem Tag gegenüber dem Kläger weder arbeitsbereit noch arbeitswillig; denn sie hat am selben Tag bereits ihre Ausbildung beim Beklagten zu 2) aufgenommen.
48b. Die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch der Beklagten zu 1) auf Vergütung ohne Arbeitsleistung liegen nicht vor. Weder hatte die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf einen bezahlten Urlaubstag, noch befand sich der Kläger in Annahmeverzug.
49c. Da der Kläger vor Beginn des Monats März 2011 auch nicht wissen konnte, dass die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis alsbald beenden würde, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er die Kosten für das Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat aufgewandt hat.
50d. Die Behauptung der Beklagten zu 1), der Kläger hätte sich die Kosten für das Jobticket bei der K teilrückerstatten lassen können (in welcher Höhe?), ist schon wegen ihrer fehlenden Substantiierung unerheblich.
51e. Bei dem Restbetrag von 11,90 € handelt es sich nicht um eine Erstattung zu Unrecht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen Auszahlungsbetrag an die Beklagte zu1).
52B. Ansonsten ist die Berufung des Klägers jedoch in Gänze unbegründet.
531. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den jetzigen Auskunftsantrag zu 1) zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Auskunftsanspruch, so er denn ursprünglich bestanden hat, vom Beklagten zu 2) erfüllt wurde und zwar gleich mehrfach.
54a. So hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 28.03.2011 unter dem Briefkopf „Rechtsanwälte L T “ ausgeführt:
55„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. R ,
56ich darf Ihnen bestätigen, dass ich die Auszubildende J W im Rahmen der Verbundausbildung in der Zeit vom 01.09.2010 bis einschließlich 28.02.2011 in hiesiger Kanzlei [Hervorhebung nur hier] ausgebildet habe“ (Bl. 241 d. A.).
57Die Namen weiterer Anwälte finden sich auf dem fraglichen Briefbogen nicht. Das Bestätigungsschreiben enthält somit zum einen die Aussage, dass der Beklagte zu 2) in eigener Person („ich habe …. ausgebildet“) die Beklagte zu 1) ausgebildet hat und zum zweiten die Aussage, dass dies in der Kanzlei „L - T “ geschehen ist. Bekanntlich befand sich der Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt mit der Rechtsanwältin T in einer Sozietät und mit einigen weiteren Rechtsanwälten in einer Bürogemeinschaft. Bezeichnenderweise spricht auch der Kläger selbst in seiner Antragsformulierung – formalrechtlich korrekt – die nur in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwälte jeweils als „Rechtsanwaltskanzlei“ an.
58b. Selbst wenn man die Aussage des Beklagten zu 2) in seinem Bestätigungsschreiben vom 28.03.2011 aber noch für zu ungenau hielte, so gilt dies nicht für die Protokollerklärung, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) für diesen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 11.07.2012 abgegeben hat. Dort heißt es:
59„Die Beklagte zu 1) hat während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet.“
60Wer einem Auszubildenden Weisungen erteilt, also das Ob, Was und Wie seiner Tätigkeiten bestimmt, geriert sich als der Ausbildungsverantwortliche. Dies entspricht auch den dem Zuwendungsbescheid der B zugrundegelegten Verhältnissen; denn in dem Vermerk der B vom 29.10.2009 heißt es, dass die fehlenden Ausbildungsinhalte, die der antragstellende Betrieb nicht alleine vermitteln kann, „von der Rechtsanwaltskanzlei L /T übernommen“ wird (Anlage K 18, Bl. 265 d. A.).
61c. Der gegen die Relevanz der Protokollerklärung des Beklagten zu 2) vom 11.07.2012 gerichtete Einwand des Klägers, es entspreche nicht den Verträgen über die Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) und demnach auch nicht dem Zuwendungsbescheid, wenn die Beklagte zu 1) während der Verbundphase auf Veranlassung des Beklagten zu 2) für andere Anwaltskanzleien gearbeitet hätte, geht fehl. Es ist nicht dasselbe, wenn eine Auszubildende auf Veranlassung ihres Verbundausbilders teilweise von anderen Anwaltskanzleien ausgebildet wird, also die Ausbildungsinhalte betreffende Weisungen erhält, oder ob – so der Erklärungswert der Protokollerklärung vom 11.07.2012 – der verantwortliche Verbundausbilder der Auszubildenden die Weisungen zu ausbildungsrelevanten Tätigkeiten selbst erteilt, mag auch in dem einen oder anderen Fall das Ergebnis der Tätigkeiten auch dritten, mit dem Verbundausbilder nur in Bürogemeinschaft stehenden Kanzleien zugutekommen, wie dies etwa bei der Entgegennahme von Anrufen auf einem gemeinsam betriebenen Telefon der Fall sein kann.
62d. Die vom Kläger angesprochenen „Problemfälle“ bei der Förderung von Verbundausbildungen in der Vergangenheit betrafen die Konstellation, dass der Stammausbilder/Antragsteller der Förderung mit dem vorgesehenen Verbundausbilder eine Bürogemeinschaft bildete, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist.
632. Auch die Forderung des Berufungsklägers, vom Beklagten zu 2) einen schriftlichen Bericht über dessen Ausbildungstätigkeit während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 zu erhalten, hat das Arbeitsgericht richtigerweise abschlägig beschieden.
64a. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Ansinnen des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ist nicht erkennbar. Zwar wird man dem Kläger als dem ursprünglichen Hauptvertragspartner des Ausbildungsverhältnisses und ‚Stammausbilder‘ der Auszubildenden ein berechtigtes Interesse daran nicht absprechen können zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte der Auszubildenden während der Verbundphase der Ausbildung vermittelt worden sind. Diesem berechtigten Interesse des Klägers ist aber bereits dadurch genüge getan, dass sich der Kläger im Besitz des vollständigen Textes aller Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Zeit von 01.09.2010 bis 28.02.2011 befindet. Ausführlicher als anhand solcher Berichtshefte kann der Kläger nicht über den Verlauf der Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) unterrichtet werden.
65b. Der Einwand des Klägers, dass die ihm vorliegenden Berichtshefte nur die Unterschrift der Beklagten zu 1), nicht aber die Unterschrift des Beklagten zu 2) aufwiesen, ist für das hier geltend gemachte Informationsinteresse des Klägers unerheblich. Indem sich der Beklagte zu 2) im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits mehrfach gegenüber dem Kläger darauf berufen hat, dass sich dieser ja im Besitz der Informationen aus den Berichtsheften der Beklagten zu 1) befindet, hat er sich dem Kläger gegenüber den informatorischen Gehalt dieser von der Beklagten zu 1) stammenden Aufzeichnungen zu Eigen gemacht. Ergänzend tritt hierneben noch die Information des Beklagten zu 2) aus seinem Schreiben vom 28.03.2011 an den Kläger über den Ausbildungsinhalt.
663. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz etwaigen zukünftigen Schadens „infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung“ abgewiesen.
67a. Unter „vorzeitigem Abbruch der Verbundausbildung der Beklagten zu 1)“ versteht der Kläger die einseitige Beendigung des zwischen ihm und der Beklagten zu1) begründeten Ausbildungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011.
68b. Der Berufungskläger hat nicht plausibel machen können, dass ihm aus diesem Tatbestand – abgesehen von dem im Antrag zu 4) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) – ein weiterer Anspruch oder ‚Schaden‘ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen könnte. Der Kläger hat die Prognose eines möglichen zukünftigen Schadens insbesondere auf die Befürchtung gestützt, dass die Beendigung des Verbundausbildungsverhältnisses zum 01.03.2011 durch die Beklagte zu 1) dazu führen könne, dass der Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder angeordnet werden könnte. Diese Befürchtung des Klägers ist jedoch obsolet. Die B hat zwar mittlerweile durch ihren Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid tatsächlich zurückgenommen und die Rückzahlung des dem Kläger zugeflossenen Fördergeldes angeordnet. Diese Rückzahlungsforderung wird von der Bezirksregierung aber in keiner Weise mit einem vorzeitigen Abbruch der Verbundausbildung begründet, sondern damit, dass aufgrund falscher Angaben des Klägers die Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördergelder von vorneherein nicht vorgelegen hätten.
69c. Die B hätte im Übrigen auch keinen Anlass gehabt, die zugewandte Subvention wegen einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zurückzufordern. Zum einen konnte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011, ihre Rechtswirksamkeit einmal unterstellt, den Ausbildungsvertrag frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beenden. Damit wäre die Beendigung in jedem Fall erst in der zweiten Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Gesamtausbildungszeitraums erfolgt. Zum anderen ist die während des Bestands des Verbundausbildungsvertrages in der Zeit vom 01.09.2009 bis 01.03.2011 aufgebrachte Mühewaltung an der Ausbildung der Beklagten zu 1), auch nicht fehlgeschlagen; denn die Beklagte zu 1) hat ihre Ausbildung bei einem anderen Rechtsanwalt, dem Beklagten zu 2), fortgesetzt und zu Ende geführt.
704. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der von ihm während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*1) an die Beklagte zu 1) gezahlten Ausbildungsvergütung. Auch diesen Anspruch hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.
71a. Der Kläger hat in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) über die Verbundausbildung ausdrücklich die alleinige „vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende“ auch für die Dauer der Verbundphase übernommen. Damit traf den Kläger – und wie die Verwendung des Begriffes „ausschließlich“ im Text des Kooperationsvertrages bestimmt, nur diesen – unstreitig die Verpflichtung, auch in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*2) die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) zu zahlen.
72b. Der Kläger hat durch die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) während dieser Zeit somit nur seine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt.
735. Eine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung dieser Beträge vom Beklagten zu 2) besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nicht aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 426 BGB.
74a. Dies scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche des Beklagten zu 1) auf Zahlung der Ausbildungsvergütung im Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2011 kein Gesamtschuldverhältnis vorlag. Die aus § 17 Abs.1 S. 1 BBiG folgende Verpflichtung eines Ausbildenden, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren, traf im vorliegenden Fall auch während der Verbundphase der Berufsausbildung nur den Kläger. Der Kläger übersieht, dass der zwischen ihm und der Beklagten zu 1) begründete Berufsausbildungsvertrag auch während der Zeit, in der die Beklagte zu 1) ihre Verbundausbildung beim Beklagten zu 2) absolvierte, fortbestand. Wie aus § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) hervorgeht, hatte aus der Sicht dieses Vertrages die Verbundausbildungsphase bei dem Beklagten zu 2) den Stellenwert einer „Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte“. Hierzu nimmt § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich auf den Verbundausbildungsvertrag Bezug, den der Kläger mit dem Beklagten zu 2) geschlossen hat. Die in diesem Verbundausbildungsvertrag der beiden Anwälte getroffene Vereinbarung, dass „die finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei Rechtsanwalt Dr. R “ liegt, gilt somit unmittelbar auch im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1).
75b. Zudem heißt es ergänzend in § 5 Ziffer 2 des Berufsausbildungsvertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1) unter der Überschrift „Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte“ :
76„Für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, die … in § 3 Nr. 12 vereinbart sind, trägt der Ausbildende die notwendigen Kosten, soweit der Auszubildende nicht einen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat.“
77„Ausbildender“ im Sinne dieses Vertrages ist ausweislich der Eintragung bei Buchstabe b) vor § 1 des Ausbildungsvertrages der Kläger.
78c. Dass sich der Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) gesondert verpflichtet hätte, dieser für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 ebenfalls – zusätzlich oder alternativ zum Kläger – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
79d. Die Beklagte zu 1) hätte somit in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 ihre Ansprüche auf Ausbildungsvergütung nicht mit Aussicht auf Erfolg gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend machen können. Von einer gleichrangigen Alternativschuld, wie sie Voraussetzung eines Gesamtschuldverhältnisses ist, kann somit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) keine Rede sein.
806. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers kann auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB hergeleitet werden.
81a. In der Berufungsbegründung führt der Kläger aus, Geschäftsgrundlage dafür, dass er auch während der Verbundphase der Berufsausbildung der Beklagten zu 1) die Verpflichtung übernommen habe, deren Ausbildungsvergütung weiter zu zahlen, sei die zeitliche Begrenzung der Verbundphase auf sechs Monate gewesen. Dies erweist sich schon aufgrund der vorgelegten Verträge als unzutreffend. Die „voraussichtliche Dauer“ des in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu absolvierenden Verbundausbildungsabschnittes von sechs Monaten war nicht Geschäftsgrundlage, sondern unmittelbarer Vertragsinhalt. Zwischen Vertragsinhalt und Geschäftsgrundlage ist streng zu unterscheiden (BGH NJW 83, 2036). Was nach dem Vertragstext bereits Vertragsinhalt ist, kann nicht Geschäftsgrundlage sein (BGHZ 91, 1600; Palandt/Grüneberg, § 313 Rdnr. 10).
82b. Unabhängig davon hat sich an der vertraglich vorgesehenen Dauer der Verbundausbildungsphase von sechs Monaten aber auch nachträglich nichts geändert. Die auf der Basis des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) absolvierte Verbundausbildungsphase war am 28.02.2011 beendet.
83c. Zwar ist die Beklagte zu 1) bekanntlich über den 01.03.2011 hinaus in der Kanzlei des Beklagten zu 2) verblieben und wurde dort weiter ausgebildet. Dies geschah jedoch gerade nicht auf der Grundlage des vom Kläger mit den Beklagten abgeschlossenen Verbundausbildungsvertrages, sondern auf der Grundlage eines neuen Berufsausbildungsvertrages, den die Beklagte zu 1) für die Zeit ab 01.03.2011 mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte.
847. An anderer Stelle führt der Kläger sinngemäß aus, als Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs.1 BGB für seine Kostenübernahmeverpflichtung in dem Kooperationsvertrag sei es anzusehen, dass die Beklagte zu 1) nach Abschluss der sechsmonatigen, in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu verbringenden Verbundphase in seine eigene Kanzlei zurückkehrt und ihre Ausbildung hier fortsetzt. In diese Richtung führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus: „Eine junge Dame im ersten Lehrjahr aufzubauen und in das Berufsbild einzuführen, kostet bezogen auf den Gesamtzeitraum der Ausbildung die meisten Anstrengungen… Ich wollte danach schon auch noch etwas von ihr haben, nachdem sie aus Köln zurückkommen sollte. So war es allseits besprochen und wurde es zur Vertragsgrundlage“.
85a. Zu dieser Argumentation hat das Arbeitsgericht bereits unter Abschnitt III seiner Entscheidungsgründe Zutreffendes eingewandt. Unter anderem hat es ausgeführt: „Es versteht sich von selbst, dass bei Begründung des als befristetes Dauerschuldverhältnis begründeten Ausbildungsverhältnisses keiner der Beteiligten verbindlich davon ausgehen oder auch nur prognostizieren konnte, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Ausbildung beim Kläger fortgeführt werden würde“.
86b. Der Kläger erkennt, dass das Arbeitsgericht mit dieser Aussage u. a. die jederzeit gegebene Möglichkeit eines Auszubildenden anspricht, nach eigenem Gutdünken den Ausbildungsberuf zu wechseln oder die Berufsausbildung gänzlich abzubrechen. Der Kläger versucht, dieses Argument des Arbeitsgerichts dadurch zu entkräften, dass er meint, ein solcher Fall wäre mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn „dann wäre eine Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte, nicht erfolgt“ (Berufungsbegründung Seite 13).
87c. An anderer Stelle der Berufungsbegründung räumt der Kläger der Beklagten zu 1) sogar die – gesetzlich eigentlich nicht vorgesehene – Möglichkeit ein, das Ausbildungsverhältnis mit ihm „unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden; in diesem Fall … wäre mir jedoch auch kein Schaden entstanden“.
88d. Mit den unter b. und c. behandelten Aussagen widerspricht der Kläger seinem eigenen Ansatz, Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages sei es gewesen, dass die Beklagte zu 1) nach einer sechsmonatigen Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in seine Kanzlei zurückkehre; denn hätte die Beklagte zu 1) die Ausbildung abgebrochen, den Ausbildungsberuf gewechselt, oder hätte sie eine – vom Kläger als jederzeit berechtigt eingestufte – ordentliche Kündigung ausgesprochen, wäre sie ebenfalls nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft zu ihm zurückgekehrt.
89e. Ausschlaggebend scheint für den Kläger vielmehr eine „Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte“ (Berufungsbegründung S.13), zu sein, die aus Sicht des Klägers gerade dadurch eingetreten sein soll, dass die Beklagte zu 1) ihre Ausbildung nach Abschluss der Verbundphase beim Beklagten zu 2) fortgesetzt hat.
90aa. Eine Geschäftsgrundlage, die darin bestanden haben sollte, dass die Beklagte zu 1) nach der Verbundphase ihre Ausbildung jedenfalls nicht beim Beklagten zu 2) fortsetzt, wäre für diesen schlechterdings nicht erkennbar gewesen.
91bb. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) aus objektiver Sicht auch nicht den Schluss ziehen musste, dass er sich durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) für die Zeit ab dem 1.3.2011 auf Kosten des Klägers bereichern würde.
92aaa. Zum einen ist der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 seiner im Kooperationsvertrag übernommenen Pflicht, die Beklagte zu 1) auszubilden, nachgekommen.
93bbb. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass der Kläger die von ihm für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.20111 gezahlte Ausbildungsvergütung zweckentsprechend aus den von ihm beantragten Fördermitteln begleichen würde.
94ccc. Für die Zeit ab 1.3.2011 hat er schließlich sämtliche Pflichten eines Ausbilders gegenüber der Beklagten zu 1) einschließlich der Vergütungspflicht in vollem Umfang selbst übernommen.
958. Das Berufungsgericht hat ferner in Erwägung gezogen, ob eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB in dem Umstand gelegen haben könnte, dass der Kläger die von ihm beantragten Mittel des Landesarbeitsministeriums und des Europäischen Sozialfonds zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ erhalten würde und behalten darf mit der Folge, dass der nunmehr drohende Entzug dieser Fördermittel zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage und einem Anspruch des Klägers auf Anpassung des Kooperationsvertrages führen würde. Nach nochmaliger näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Berufungsgericht jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch des Klägers auf die im Klageantrag zu 3) geforderte Leistung hergeleitet werden kann.
96a. Unter einer Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB versteht man nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG NZA 2010, 465; BGH NJW-RR 2006, 1037 f.; BGH NJW 2001, 1204; BGH NJW 1995, 592 f.; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 3).
97b. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, er habe bei der – unstreitig allein auf seine Initiative zurückgehenden – Vertragsanbahnung dem Beklagten zu 2) den Abschluss des Kooperationsvertrages zur Verbundausbildung dadurch schmackhaft gemacht, dass er ihm eröffnet habe, er habe die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, daher sei die Angelegenheit für den Beklagten zu 2) kostenfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung des Klägers so oder ähnlich wörtlich gefallen ist. Unstreitig war der Beklagte zu 2) jedenfalls bei den Vertragsgesprächen darüber informiert, dass der Kläger eine entsprechende Förderung beantragt hat, bzw. beantragen wollte. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung sogar dahin eingelassen, dass er bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Förderung schon erhalten habe.
98c. Bei dieser Sachlage musste sich dem Beklagten zu 2) objektiv betrachtet der Eindruck aufdrängen, dass gerade der Erhalt der Fördergelder ausschlaggebend dafür war, dass der Kläger sich zur Übernahme der Ausbildungsvergütung auch während der Verbundphase bereiterklärte, dass diese Bereitschaft des Klägers aber auch mit dem Erhalt der Fördergelder ‚stehen oder fallen würde‘.
99d. Zwar ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss von Verträgen, in denen sich eine Partei zu Geldleistungen verpflichtet, Vorstellungen dieser Partei darüber, wie sie ihre Geldzahlungsverpflichtungen zu finanzieren gedenkt, gemeinhin nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages werden, auch wenn die Vorstellungen dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Kenntnis gebracht werden (BGH NJW 1983, 1490). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt allerdings darin, dass der Kläger sich mit der von ihm in dem Kooperationsvertrag eingegangenen finanziellen Verpflichtung anders als z. B. bei einem typischen Kaufvertrag keine Gegenleistung erkaufen wollte, die für ihn selbst einen unmittelbaren eigenen Vorteil bedeutet hätte. Aus der Sicht des Vertragspartners musste es vielmehr naheliegen, dass der Kläger nur die Möglichkeit, Fördergelder erhalten zu können, dazu nutzen wollte, das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) allgemein zu fördern. Wenn der Beklagte zu 2) sich sodann in Kenntnis der genannten Umstände auf den Kooperationsvertrag einlässt, könnte dies nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der geschilderten Erwartung des Klägers in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten sein (hierzu vgl. Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 9).
100e. Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der Erhalt und das Behaltendürfen der Fördermittel ursprünglich zur Geschäftsgrundlage seiner Kostenübernahmepflicht in dem Kooperationsvertrag geworden sind, kommt ein Anpassungsanspruch des Klägers nach § 313 Abs. 1 BGB, der ganz oder teilweise die im Klageantrag zu 3) begehrte Leistung zum Inhalt hätte, dennoch nicht in Betracht. Dies steht bereits jetzt fest.
101aa. Eine in dem Behaltendürfen der staatlichen Fördermittel bestehende Geschäftsgrundlage droht wegzufallen; denn die Bezirksregierung hat mit Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Fördermittel vom Kläger zurückgefordert.
102bb. Nach der rein formalrechtlichen Betrachtungsweise des BAG (vgl. BAG vom 23.05.2013, 2 AZR 991/11) wäre der Wegfall der Geschäftsgrundlage derzeit aber noch nicht eingetreten; denn der Kläger hat bekanntlich gegen den Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage hat, wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, aufschiebende Wirkung. Damit ist der Rückforderungsbescheid noch nicht bestandskräftig und somit in dem Rechtsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander noch nicht zugrundezulegen. Dies müsste zur Zurückweisung des Klageantrags zu 3) des Klägers als zumindest derzeit unbegründet führen.
103f. Ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses des vor dem Verwaltungsgericht betriebenen Anfechtungsprozesses steht aber bereits jetzt endgültig fest, dass der Kläger eine Anpassung des Kooperationsvertrages hinsichtlich der Verpflichtung zur Übernahme der Ausbildungskosten der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2012 (*3) nicht verlangen kann. Auch bei dem nachträglichen Wegfall einer Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts allein der Kläger das Risiko zu tragen, ob er die von ihm beantragten und auch zunächst erhaltenen staatlichen Fördergelder endgültig behalten darf oder zurückzahlen muss. Ihm muss zugemutet werden, an dem Vertrag festgehalten zu werden, auch wenn der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung hinsichtlich der dem Kläger bewilligten Fördergelder rechtskräftig wird.
104aa. Für die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht bereits, dass allein der Kläger Antragsteller und Empfänger der staatlichen Förderleistungen war. Der Beklagte zu 2) hat hieran weder mitgewirkt noch irgendeinen Einfluss darauf genommen.
105bb. Für die Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht ferner der Umstand, dass die Verbundausbildung und der Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) auf alleinige Initiative des Klägers zustande gekommen sind. Der Beklagte zu 2) seinerseits war dem Kläger bis dahin völlig unbekannt. Nach eigener Angabe des Klägers hat dieser sich die Anschrift des Beklagten aus dem Branchenbuch herausgesucht und sodann mit dem Beklagten Kontakt aufgenommen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Beklagten zu 2) hatte dieser bis dahin keinerlei Erfahrungen mit einer Verbundausbildung und hätte sich zur Mitwirkung an einer solchen nicht bereit erklärt, wenn dies für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre.
106g. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger hätte erkennen müssen, aber die Augen davor verschlossen hat, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der von ihm beantragten staatlichen Fördergelder von vorneherein nicht erfüllt waren.
107aa. Sinn und Zweck der Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ durch das Landesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfond besteht nach dem Verständnis des Berufungsgerichts darin, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, insbesondere in Kleinbetrieben, bei selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberuflern. Es gibt ausbildungswillige Betriebe, die nicht in der Lage sind, eigenständig Ausbildungsplätze vorzuhalten, weil nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nach den Ausbildungsverordnungen in bestimmten Ausbildungsberufen vermittelt werden müssen, im eigenen Betrieb vermittelt werden können. Dies kann z.B. daran liegen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Arbeitsaufgaben im eigenen Betrieb nicht vorkommen, dass es an geeignetem Ausbildungspersonal oder sonstigen notwendigen Ressourcen wie Maschinenanlagen o. ä. fehlt. Solchen Betrieben soll es durch die staatliche Förderung ermöglicht werden, sich zum Zwecke der Berufsausbildung mit anderen Betrieben zusammen zu tun, die die im Stammbetrieb fehlenden, nach der Ausbildungsordnung aber notwendigen Ausbildungsinhalte ergänzend vermitteln können.
108bb. Dagegen liegt der Zweck der vom Kläger beantragten staatlichen Fördergelder ersichtlich nicht etwa darin, eine wie auch immer geartete – und wie zu messende? – ‚pädagogische Qualität‘ bei bereits vorhandenen Ausbildungsplätzen zu steigern oder gar, wie die Bezirksregierung in ihrem Bescheid vom 13.02.2013 zutreffend ausführt, dem Auszubildenden durch die Möglichkeit, in verschiedenen Ausbildungsbetrieben eingesetzt zu werden, „eine Abwechslung zu verschaffen“. Ebenso wenig stellt es den Zweck der staatlichen Förderung dar, für eigenständig ausbildungsfähige, aber tatsächlich eher ausbildungsunwillige Betriebe einen finanziellen Anreiz zu schaffen, sich dennoch mit der Berufsausbildung zu befassen.
109cc. Der skizzierte Zweck der vom Kläger in Anspruch genommenen staatlichen Fördermittel spiegelt sich in Fragestellungen wieder, die der Antragsteller im Rahmen der Antragsunterlagen beantworten muss. Geht aus den Antragsunterlagen nicht hervor, dass der Antragsteller „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“, so scheidet eine Förderung aus. Dasselbe gilt, wenn angegeben wird, dass er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermittelt“.
110dd. Der Antragsteller hat sich bei der Beantragung der Fördermittel von der Rechtsanwaltskammer bestätigen lassen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“. Wie der Kläger im Rahmen seiner Selbstanzeige gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses zutreffend ausführt, ist diese Angabe objektiv falsch. Grundsätzlich ist nämlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine eigene Kanzlei mit Büroorganisation betreibt, sehr wohl in der Lage, alle nach der Ausbildungsverordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang zu vermitteln. Anders, als dies etwa bei Rechtsreferendaren der Fall ist, sieht die Ausbildungsordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte gerade nicht vor, dass diese im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit unterschiedliche materiellrechtliche Fachgebiete wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht usw. durchlaufen müssten. Vielmehr ist es ohne Weiteres möglich, dass eine Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ihre gesamte praktische Ausbildung in einer Rechtsanwaltskanzlei absolviert, die auf nur wenige oder gar ein einziges Rechtsgebiet spezialisiert ist, z. B. Strafverteidigung, Medizinrecht, Verwaltungsrecht o. ä.. Der vorliegende Fall verdeutlicht beispielhaft, dass eine Azubi zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei wie derjenigen des Beklagten zu 2) mit ganz ähnlichen Tätigkeiten betraut ist, wie es zuvor in der Allgemeinkanzlei des Klägers der Fall war. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Berichtshefte der Beklagten zu 1) aus der Zeit ihrer Ausbildung beim Kläger einerseits, aus der Zeit der Phase vom 01.09.2010 bis 2802.2011 beim Beklagten zu 2) andererseits.
111ee. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beantragung der Fördermittel für die Beklagte zu 1) bereits seit über einem Jahr allein und selbstständig mit der Ausbildung einer anderen Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten befasst. Gleichwohl hat er sich in seinem Förderantrag auf die Bestätigung der Rechtsanwaltskammer bezogen, in welcher die formularmäßig vorgegebene Frage, ob der Antragsteller „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, gerade nicht bejaht wird.
112ff. Der Kläger gibt an, die Verbundausbildung aus ‚pädagogischen Gründen‘ initiiert zu haben. Wäre es hingegen darum gegangen, dass er in eigener Person nicht alle geforderten Ausbildungsinhalte hätte vermitteln können, so hätte er sich gezielt einen Verbundpartner aussuchen müssen, welcher gewährleistete, dass er die beim Kläger bzw. dessen Kanzlei vorhandenen Defizite zuverlässig würde ausgleichen können. Der Kläger kannte jedoch nach eigenem Bekunden weder den Beklagten zu 2) noch dessen Kanzlei und hat sich seinen Verbundpartner aus dem Branchenbuch herausgesucht.
113h. Ob die Falschangaben des Klägers bei der Beantragung der Fördermittel dazu führen werden, dass der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung rechtskräftig werden wird, hängt noch von weiteren, auch verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen ab, deren Beurteilung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überlassen bleiben muss. In jedem Fall hat der Kläger jedoch das hohe Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung durch verantwortliches Handeln selbst herbeigeführt. Soweit dieses Risiko auch die von ihm eingegangene finanzielle Verpflichtung in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) berührt, ist es ihm daher verwehrt, dieses Risiko ganz oder teilweise auf den Beklagten zu 2) abzuwälzen. Eine entsprechende Anpassung des Kooperationsvertrages scheidet aus. Nach Lage der Dinge ist es dem Kläger zuzumuten, an seiner in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtung, die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 zu zahlen, auch dann festgehalten zu werden, wenn er die Fördergelder zurückzahlen muss.
114i. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Beklagte zu 2) als erfahrener Rechtsanwalt ebenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Förderung der Verbundausbildung tatsächlich nicht gegeben waren, ohne dass es hierfür einer näheren Kenntnis der persönlichen oder betrieblichen Verhältnisse des Klägers bedurft hätte.
115aa. Hierzu hätte sich der Beklagte zu 2) jedoch zunächst einmal mit den Einzelheiten des Subventionsantrages des Klägers sowie den einschlägigen Subventionsvoraussetzungen beschäftigen müssen. Der Kläger gibt lediglich – vom Beklagten zu 2) bestritten – an, dass er diesem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Antragsunterlagen vorgelegt habe. Es ist aber nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Beklagte zu 2) sich tatsächlich mit den Förderungsvoraussetzungen und der Antragstellung des Klägers näher befasst hätte.
116bb. Hierzu hatte der Beklagte zu 2) auch keinen Anlass. Der Beklagte zu 2) war nicht der Initiator der Vertragsverhandlungen über eine Verbundausbildung der Beklagten zu 1). Erst recht war der Beklagte zu 2) nicht der Antragsteller oder Empfänger der von der Bezirksregierung zugeteilten Leistungen.
117k. Schließlich kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 2) auch nicht damit entlasten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln die objektiv falschen Angaben bei der Beantragung der Fördergelder der Bezirksregierung gegenüber ausdrücklich bestätigt hat.
118aa. Allerdings erscheint es auch aus der Sicht des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehbar, dass die Rechtsanwaltskammer Köln eine solche Bestätigung abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, wenn es zutrifft, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben in dem Bestätigungsformular nicht näher überprüft hat. Da, wie vom Kläger zutreffend ausgeführt wird, grundsätzlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine Kanzlei mit eigener Büroorganisation betreibt, in der Lage ist, einer Auszubildenden für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten sämtliche Ausbildungsinhalte vollständig zu vermitteln, kann sich das Berufungsgericht, wenn überhaupt, allenfalls auf besonderen Konstellationen beruhende Ausnahmefälle vorstellen, in denen die fraglichen Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördermittel erfüllt sein könnten. Gerade wenn eine nähere Prüfung der individuellen Verhältnisse eines Antragstellers unterbleibt, wäre somit zu erwarten gewesen, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben im Zweifel nicht bestätigt.
119bb. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger der Initiator der Antragstellung war, die Rechtsanwaltskammer ihm eben nur eine „Bestätigung“ zur Verfügung gestellt hat und der Kläger sich diese inhaltlich falsche Bestätigung dadurch zu Eigen gemacht hat, dass er sie im Rahmen seiner Antragstellung bei der Bezirksregierung eingereicht bzw. sich dieser gegenüber auf die Bestätigung berufen hat.
120III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
121Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.
122R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
123Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
124Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
125(*1), (*2) und (*3)
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
127In dem Rechtsstreit
128wird der Urteilstext wegen offensichtlicher Schreibfehler bei der Reinschrift des Urteils vom 03.04.2014 von Amts wegen wie folgt berichtigt:
129- auf Seite 16 in der 18. und 25. Textzeile werden die dort wiedergegebenen fehlerhaften Daten „28.11.2011“ durch das jeweils richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt;
130- auf Seite 24 in der 16. Textzeile wird das fehlerhafte Datum „28.11.2012“ durch das richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt.
131Köln, den 20.10.2014
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.
- 2
-
Die Klägerin ist Polizeiobermeisterin und leistete ihren Dienst in der Revierstation B. S. Wegen des Vorwurfs der unrichtigen Abrechnung privater Telefonate wurde sie an die Revierstation G. umgesetzt. Ein erster Verwaltungsprozess wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin Ende 2008 wieder in ihre frühere Revierstation umzusetzen, für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte entgegen dieser Ankündigung die Umsetzung aus dienstlichen Gründen verlängerte, erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 8. Juni 2009 erneut Klage. Dieses zweite Klageverfahren endete etwa zwei Jahre später am 22. Juni 2011 damit, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die streitgegenständlichen Bescheide aufhob.
- 3
-
Am 22. Dezember 2011 hat die Klägerin Entschädigung wegen unangemessener Dauer des zweiten Klageverfahrens begehrt. Das Oberwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2012 teilweise stattgegeben. Die Klägerin habe infolge unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens materielle und immaterielle Nachteile erlitten, die zu entschädigen seien. Ein Gerichtsverfahren sei als unangemessen lang anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergebe, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abzuschließen, verletzt sei. Im vorliegenden Fall ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass das Verfahren in zwölf Monaten erledigt werden konnte. Der Fall sei nicht sonderlich komplex gewesen und als eher einfach einzustufen. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Arbeitnehmerin ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Sie habe den Rechtsstreit in keiner Weise verzögert. Das Verfahren habe in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden können. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als grober Anhaltspunkt, dass eine Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei. Das am 8. Juni 2009 eingeleitete Verfahren sei nach drei Monaten "ausgeschrieben" gewesen. Spätestens am 25. Oktober 2009 hätte Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern. Der nächste Bearbeitungsgang sei aber erst am 16. September 2010 erfolgt. Der Umstand, dass der Verhandlungstermin am 24. November 2010 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden sei, sei zwar nicht zu beanstanden. Dass nach der Rückkehr des Vorsitzenden die Akte erneut auf Abruf gelegt worden sei, habe indes wiederum zu einer vermeidbaren Verzögerung vom 16. Februar bis 12. April 2011 geführt. Mithin sei das Verfahren für etwas mehr als 12 Monate nicht ausreichend gefördert worden. Für diesen Zeitraum stehe der Klägerin wegen der zusätzlichen Fahrt- und Wartungskosten ein Betrag von 1 864,87 € sowie wegen der immateriellen Nachteile ein Ausgleich in Höhe von 1 200 € zu.
- 4
-
Mit seiner Revision rügt der Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einjährige Bearbeitungsdauer als im Allgemeinen ausreichend angesehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Faustregel von einem Jahr pro Instanz nur vereinzelt und eher beiläufig ins Spiel gebracht. Dies spiegele dessen sonstige Rechtsprechung nicht zutreffend wider. Eine Verfahrensdauer von zwei Jahren pro Instanz käme der Lösung näher. Außerdem habe der Gesetzgeber bewusst auf feste Richtwerte für die Fallerledigung verzichtet. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei im konkreten Einzelfall der Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 nicht unangemessen gewesen. Die Verfügung "Wiedervorlage 3 Monate" sei am 10. September 2009 vertretbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe für die Klägerin nicht bestanden. Sie sei auch nicht im Hinblick auf eine Beschleunigung aktiv geworden. Für den Zeitraum nach der Erkrankung des Vorsitzenden sei ebenfalls keine unangemessene Verzögerung erkennbar. Die Annahme sei unrealistisch, dass nach der Rückkehr aus dem Krankenstand alle Prozessakten gleichzeitig bearbeitet werden könnten. Daher sei die angeordnete "Wiedervorlage auf Abruf" ebenfalls nicht zu beanstanden. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass ein immaterieller Schadensausgleich durch eine reine Feststellungsentscheidung ausreichend sei und dass die Schätzung der Fahrtkosten auf einer unrichtigen Ermittlung der Diensttage und Kraftstoffpreise beruhe.
- 5
-
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Beklagten bei, dass der Gesetzgeber keinen Richtwert für die Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz vorgegeben habe.
Entscheidungsgründe
- 6
-
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 3 064,87 € hat. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).
- 7
-
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 1 200 €.
- 8
-
Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil wird nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG entschädigt.
- 9
-
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat sie einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihr geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).
- 10
-
a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer das Widerspruchsverfahren nicht einzubeziehen ist.
- 11
-
Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
- 12
-
Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.
- 13
-
Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).
- 14
-
Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.
- 15
-
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C 78/31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 m.w.N.).
- 16
-
Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜblVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47
). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).
- 17
-
b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.
- 18
-
Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).
- 19
-
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Recht weder von festen Zeitvorgaben ((1)) noch von Orientierungs- oder Anhaltswerten ((2)) leiten lassen.
- 20
-
(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemeingültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).
- 21
-
(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).
- 22
-
Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160
und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).
- 23
-
Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.
- 24
-
Gemessen daran ist das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das Oberverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der "Faustformel", nach der eine Verfahrenslaufzeit von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei, in Bezug. Es stützt hingegen seine Annahme, die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht erweise sich als unangemessen, nicht tragend auf eine Überschreitung jenes Jahreszeitraumes.
- 25
-
Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die statistischen Durchschnittslaufzeiten für amtsgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Sachsen-Anhalt nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden können (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.
- 26
-
Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.
- 27
-
Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt würde (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).
- 28
-
Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.
- 29
-
bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.
- 30
-
(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).
- 31
-
(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).
- 32
-
(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.
- 33
-
Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).
- 34
-
Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrenrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).
- 35
-
Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kud³a/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).
- 36
-
cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.
- 37
-
(1) Mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen handelte es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr einfach gelagerten Fall.
- 38
-
Streitgegenstand war der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, im Einklang mit einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost der Revierstation B. S. zugewiesen zu werden. Die damit einhergehenden rechtlichen Fragen waren bereits für sich genommen nicht besonders komplex. Sie erwiesen sich hier insbesondere deshalb als einfach, weil die dem Rechtsstreit vorgelagerte Frage, ob die Umsetzung von der Revierstation B. S. nach derjenigen in G. rechtswidrig war, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 in dem Verfahren 1 L 165/07 bejaht worden war. Dem hier im Streit stehenden Folgeverfahren lag eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht war keine Beweisaufnahme, sondern nur eine Würdigung der vorhandenen Akten und der im vorangegangenen Verfahren von Seiten der Beklagten abgegebenen Zusage, die Umsetzung zu beenden, erforderlich. Dass der Rechtsstreit nicht durch Urteil entschieden und in einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zur Erledigung gebracht wurde, bestätigt den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Prozesses.
- 39
-
(2) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Klägerin ein berechtigtes erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte.
- 40
-
Zwar ist zweifelhaft, ob dies - wie das Oberverwaltungsgericht meint - bereits aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur besonders hohen subjektiven Bedeutung bei Streitigkeiten über ein Dienstverhältnis folgt (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - Nr. 30979/96, Frydlender/Frankreich - Rn. 45 und vom 23. April 2009 - Nr. 1479/08, Ballhausen/ Deutschland - Rn. 65). Diese Rechtsprechung dürfte sich auf Fallgestaltungen beschränken, bei denen - wie bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses - die wirtschaftliche Grundlage des Betroffenen berührt ist. Im vorliegenden Fall muss ein hohes Interesse der Klägerin an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits insbesondere deswegen angenommen werden, weil sie sich bereits in einem vorangegangenen Prozess gegen die Umsetzung erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte und im vorliegenden Prozess letztlich nur die Einlösung der gegebenen Zusage einer Rückgängigmachung der Umsetzung begehrte. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass die zusätzliche Wegstrecke zum Dienstort und zurück für die Klägerin eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung darstellte. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Klägerin aufgrund eines angenommenen dienstlichen Fehlverhaltens nach den tatrichterlichen Feststellungen eine belastende Wirkung hatte.
- 41
-
(3) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hat. Vielmehr hat sie sich zu Beginn des Rechtsstreits zur Beschleunigung des Verfahrens mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte im weiteren Verlauf des Prozesses nachdrücklicher auf eine Beschleunigung hinarbeiten müssen, kann dies ihr aus Rechtsgründen nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich - wie aufgezeigt - unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Daher bedarf es grundsätzlich keines entsprechenden Hinweises der Prozessbeteiligten. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung einer Verzögerungsrüge bestand bei Abschluss des Verfahrens im Juni 2011 nicht. Nach Art. 23 Satz 5 ÜblVfRSchG gilt bei abgeschlossenen Verfahren das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG nicht.
- 42
-
(4) Das Oberwaltungsgericht hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass das Verfahren im Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 und vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 - zusammengerechnet mehr als 12 Monate - ohne rechtfertigenden Grund nicht gefördert worden ist.
- 43
-
Die Revision stellt hinsichtlich des ersten Zeitraums nicht infrage, dass die am 8. Juni 2009 eingegangene Klage am 18. September 2009 "ausgeschrieben" war. Klagebegründung, Klageerwiderung und Replik der Klägerin lagen vor. Die Revision meint jedoch, dass der Vorsitzende weitere drei Monate auf den Eingang einer Duplik der Beklagten habe warten dürfen. Eine solche Entscheidung sei vertretbar gewesen. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zutreffend ausgeführt, dass der Vorsitzende auf die ungewisse und tatsächlich auch nicht eingegangene weitere Erwiderung des Beklagten zwar einen Monat habe warten dürfen. Insbesondere mit Blick auf den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin war ein weiteres Zuwarten hingegen nicht gerechtfertigt. Eine Förderung im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses ist nach Ablauf dieses Monats nicht mehr erkennbar. Da die Akte vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unbearbeitet blieb, muss für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden.
- 44
-
Das Gleiche gilt für den rund zweimonatigen Zeitraum nach Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Krankenstand. Zwar ist eine unvorhersehbare Erkrankung des berichterstattenden Vorsitzenden als ein Fall höherer Gewalt anzusehen, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 53). Das Oberverwaltungsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung eines Richters im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen könne. Erkrankt ein Richter, sind grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat das Verfahren in den drei Monaten, in denen der Vorsitzende krankheitsbedingt abwesend gewesen ist, keine Förderung erfahren. Selbst wenn dies nicht als unangemessene Verzögerung angesehen wird, war es nicht angemessen, dass der Vorsitzende nach seiner Rückkehr am 16. Februar 2011 die Akte erneut auf Abruf gelegt und bis zum 12. April 2011 nicht bearbeitet hat. Hierfür sind vom Tatsachengericht keine rechtfertigenden Gründe festgestellt worden. Solche sind auch nicht erkennbar. Auch in diesem Zusammenhang ist von Gewicht, dass das Verfahren einfach gelagert war und Bedeutung für die Klägerin hatte. Deshalb ist dem Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass dem Vorsitzenden nach der Rückkehr aus dem Krankenstand eine mehrwöchige Übergangsfrist für die Dezernatsaufarbeitung nach Prioritätsgesichtspunkten eingeräumt werden müsse. Mithin kann auch bei Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 kein Rechtfertigungsgrund für die erneute Zurückstellung des bereits vor der Erkrankung geladenen und damit priorisierten Verfahrens festgestellt werden.
- 45
-
Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, die hohe subjektive Bedeutung, das zu keiner Verzögerung führende Verhalten der Klägerin und die gerichtliche Prozessleitung, dann erweist sich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts als überzeugend, dass der Rechtsstreit in einem Jahr hätte erledigt werden müssen und die zweijährige Prozessdauer nicht angemessen war.
- 46
-
c) Die Klägerin hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.
- 47
-
Dass die Klägerin Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.
- 48
-
Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregel gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57). Unabhängig von einer Vermutungs- oder Vorrangregel ergibt hier eine Einzelabwägung, dass eine bloße Feststellung der unangemessenen Dauer nicht ausreicht.
- 49
-
Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass ihr durch die Hintergründe der Umsetzung und durch den höheren Zeitaufwand für die Fahrten von und zum Dienstort (täglich eine Stunde) eine zusätzliche immaterielle Belastung entstanden ist. Diese weiteren und spürbaren immateriellen Nachteile werden durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht aufgewogen.
- 50
-
Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils unabhängig davon, ob die Klägerin auch Entschädigung für einen materiellen Nachteil beanspruchen kann. Die Entschädigung für materielle und diejenige für immaterielle Nachteile stehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19) und können nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung gleichsam gegeneinander aufgerechnet werden.
- 51
-
d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 200 €.
- 52
-
Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung etwa ein Jahr betrug, steht der Klägerin ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 1 200 € zu.
- 53
-
2. Die Klägerin hat für den ihr durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil einen Entschädigungsanspruch in der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Höhe.
- 54
-
Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen - wie hier - gebietet, (auch) für einen vermögensrechtlichen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Mit dieser Entschädigung wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewährt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen geleistet (BTDrucks 17/3802 S. 34). Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - BGHZ 147, 45 <53> und vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 - BGHZ 157, 33 <47>).
- 55
-
Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat der Klägerin für die mit den zusätzlichen Wegekosten konkret verbundenen Vermögenseinbußen (zusätzlicher Kraftstoff, erhöhte Wartungskosten und wegebedingter Wertverlust) einen Nachteilsausgleich gewährt. Ferner hat es entsprechend dem in der Enteignungsentschädigung anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs den im Wege der Einkommensteuerrückerstattung für die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) erlangten Vorteil abgezogen. Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Soweit der Beklagte einwendet, dass für die Entschädigung der Fahrtkosten die im Sozialhilferecht oder im Zeugenentschädigungsrecht maßgeblichen Bestimmungen entsprechend heranzuziehen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze.
- 56
-
Die Entschädigungssumme beläuft sich auf 1 864,87 €. Der vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Mehraufwandes für Fahrtkosten angesetzte Betrag hält einer revisionsgerichtlichen Kontrolle Stand. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Grundlagen der Berechnung, insbesondere die Anzahl der bei der Fahrtkostenberechnung zugrunde gelegten Diensttage und die Höhe des angesetzten Kraftstoffpreises angreift, sind diese Tatsachenfeststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend.
- 57
-
Soweit das Oberverwaltungsgericht den für die Wertminderung des Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag im Wege der Schätzung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt hat, erweist sich dies als fehlerfrei. Gegen die Anwendung dieser Vorschriften bei der Ermittlung der Höhe der nach § 198 Abs. 1 GVG geschuldeten Entschädigung bestehen keine Bedenken, weil die Schätzvorschriften auch ansonsten bei Entschädigungsansprüchen Anwendung finden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10). Auch hinsichtlich der Höhe der geschätzten wegebedingten Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestehen keine begründeten Zweifel. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Grundlagen seiner Schätzung nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist das Revisionsgericht regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob die vorinstanzliche Schätzung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Rechtsvorschriften oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind (Urteile vom 1. März 1995 - BVerwG 8 C 36.92 - Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3 S. 11 und vom 20. Januar 2005 a.a.O.). Solche Mängel liegen nicht vor.
- 58
-
Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Höhe der Wartungskosten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.
- 59
-
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
- 2
- Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
- 3
- Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
- 4
- Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
- 5
- Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
- 6
- Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
- 7
- Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.
- 8
- Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
- 9
- Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
- 10
- Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
- 11
- Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
- 12
- Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
- 13
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 14
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 15
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 16
- Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.
- 17
- Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
- 18
- In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
- 19
- Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
- 20
- Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.
II.
- 21
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
- 22
- 1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
- 23
- 2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
- 24
- a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
- 25
- Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
- 26
- Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
- 28
- c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
- 29
- d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
- 30
- September 2008 bis Februar 2010
- 31
- Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
- 32
- Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
- 33
- Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
- 34
- Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
- 35
- September 2011 bis Dezember 2012
- 36
- Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
- 37
- 3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
- 38
- Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
- 39
- a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
- 40
- Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
- 41
- Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
- 42
- b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
- 43
- Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
- 44
- Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
- 2
- Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
- 3
- Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
- 4
- Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
- 5
- Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
- 6
- Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
- 7
- Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.
- 8
- Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
- 9
- Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
- 10
- Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
- 11
- Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
- 12
- Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
- 13
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 14
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 15
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 16
- Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.
- 17
- Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
- 18
- In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
- 19
- Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
- 20
- Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.
II.
- 21
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
- 22
- 1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
- 23
- 2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
- 24
- a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
- 25
- Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
- 26
- Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
- 28
- c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
- 29
- d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
- 30
- September 2008 bis Februar 2010
- 31
- Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
- 32
- Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
- 33
- Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
- 34
- Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
- 35
- September 2011 bis Dezember 2012
- 36
- Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
- 37
- 3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
- 38
- Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
- 39
- a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
- 40
- Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
- 41
- Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
- 42
- b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
- 43
- Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
- 44
- Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zweck das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann er alle Handlungen vornehmen, die sofort erfolgen können. Eidliche Vernehmungen sind jedoch ausgeschlossen. Der Vorsitzende kann die Güteverhandlung mit Zustimmung der Parteien in einem weiteren Termin, der alsbald stattzufinden hat, fortsetzen.
(2) Die Klage kann bis zum Stellen der Anträge ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden. In der Güteverhandlung erklärte gerichtliche Geständnisse nach § 288 der Zivilprozeßordnung haben nur dann bindende Wirkung, wenn sie zu Protokoll erklärt worden sind. § 39 Satz 1 und § 282 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.
(3) Das Ergebnis der Güteverhandlung, insbesondere der Abschluß eines Vergleichs, ist in das Protokoll aufzunehmen.
(4) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, schließt sich die weitere Verhandlung unmittelbar an oder es ist, falls der weiteren Verhandlung Hinderungsgründe entgegenstehen, Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen; diese hat alsbald stattzufinden.
(5) Erscheinen oder verhandeln beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Auf Antrag einer Partei ist Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden. Nach Ablauf der Frist ist § 269 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(6) Der Vorsitzende kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.
(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt Entschädigung wegen überlanger Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
3Dieses steht im Zusammenhang mit dem Bemühen des 1953 geborenen Klägers, im Land Nordrhein-Westfalen die Zweite juristische Staatsprüfung abzulegen. Damit ist er bisher in allen Versuchen bereits im schriftlichen Teil gescheitert, weil jeweils sechs von seinen acht Klausuren mit „mangelhaft“ bewertet wurden. Aufgrund dessen stellte das zuständige Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (LJPA) in entsprechenden Bescheiden zum jeweiligen Prüfungsversuch das Nichtbestehen des Klägers fest; zu einer mündlichen Prüfung kam es nicht.
4Nach jeweils erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens beim LJPA unter Beteiligung der entsprechenden Prüfer erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht zu jedem der Prüfungsversuche eine auf Neubewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten gerichtete Klage gegen den Beklagten. Dahinter stand die Absicht, bei erfolgreicher Klage zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Zu jeder dieser Klagen stellte er nach einer gewissen Zeit beim Verwaltungsgericht Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ihn vorläufig zur mündlichen Prüfung zuzulassen und zum nächstmöglichen Prüfungstermin zu laden.
5Zu dem jeweiligen Prüfungsversuch waren die folgenden Verfahren beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig:
6 Zum 1. Versuch das Klageverfahren 4 K 3173/12 und das Eilverfahren 4 L 1520/12;
7 zum 1. Wiederholungsversuch das Klageverfahren 4 K 5374/12 und das Eilverfahren 4 L 1371/13;
8 zum 2. Wiederholungsversuch das Klageverfahren 4 K 2916/13 und das Eilverfahren 4 L 566/14.
9Gegenstand dieser Entschädigungsklage ist das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
10Der Kläger stellte am 8. Oktober 2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beklagten. Den Antrag, für den er zugleich Prozesskostenhilfe beantragte, bezog er nach der Begründung auf den 1. Wiederholungsversuch und das Klageverfahren 4 K 5374/12 sowie den 2. Wiederholungsversuch und das Klageverfahren 4 K 2916/13. Die einstweilige Anordnung sei geboten, da es nicht unwahrscheinlich sei, dass ihm bei einer Neubewertung der schriftlichen Arbeiten die fehlenden zwei Punkte zur Zulassung zur mündlichen Prüfung zuerkannt würden, und es nicht zumutbar sei, sein Prüfungswissen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.
11Zu der am 16. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht vorliegenden Erwiderung des LJPA nahm der Kläger am 30. Oktober 2013 Stellung.
12Nach einer Akteneinsicht an Gerichtsstelle drängte der Kläger mit an das Verwaltungsgericht gerichtetem Schreiben vom 28. November 2013 auf Entscheidung.
13Unter dem 10. Dezember 2013 machte er gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend, das LJPA solle sich zu der Anregung des Verwaltungsgerichts äußern, ihm die Teilnahme an einer mündlichen Prüfung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zu ermöglichen; sollte das LJPA dies ablehnen, solle das Gericht entscheiden. Hierauf teilte der Berichterstatter unter dem 12. Dezember 2013 mit, sein Begehren stütze sich auf sämtliche Einwendungen aus zwei Prüfungsverfahren, weshalb alle Einwendungen aus den Verfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 zu prüfen seien; diese umfangreiche Prüfung sei aufgrund des derzeitigen Anhangs noch nicht abgeschlossen und werde zumindest noch den Monat Januar 2014 benötigen.
14Am 8. Januar 2014 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht gemäß § 198 Abs. 3 GVG Verzögerungsrüge und machte im Wesentlichen geltend: Ihm entstehe durch die Verzögerung materieller Schaden dadurch, dass Kosten für die Auffrischung und Aktualisierung des Prüfungswissen z. B. durch den Besuch von Repetitorien anfielen, und sich als immaterieller Schaden seine Zeit und Mühe für die Auffrischung und Aktualisierung des Prüfungswissens ergebe. Nach seinem Schriftsatz vom 30. Oktober 2013 sei die Sache nach einer Äußerungsfrist von zwei Wochen spätestens ab dem 15. November 2013 entscheidungsreif, zumal die Gerichts- und Behördenakten in den Klageverfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 seit sechs bzw. zwölf Monaten vorlägen. Er erinnerte an die Intervention des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren 4 L 1520/12, die nach 8 ½ Monaten zur Entscheidung der Eilrechtssache geführt habe.
15Nach Übermittlung der Verzögerungsrüge an das LJPA lag die Eilsache dem Berichterstatter – abgesehen von einer weiteren Akteneinsicht durch den Kläger Ende Januar 2014 – im Wesentlichen von Mitte Januar bis Ende März 2014 vor.
16Am 31. März 2014 ging beim Verwaltungsgericht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2014 – 1 BvQ 9/14 – ein, mit dem dieses den auf einstweilige Zulassung zur mündlichen Prüfung gerichteten Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte, weil ein schwerer und unabwendbarer Nachteil des Klägers durch weiteres Zuwarten auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ersichtlich sei.
17Am selben Tage erhob der Kläger beim Präsidenten des Verwaltungsgerichts eine „Beschwerde wegen Untätigkeit der 4. Kammer“ im Eilverfahren 4 L 1371/13, die er im Wesentlichen damit begründete, dass die Kammer es seit sechs Monaten unterlasse, geeignete Maßnahmen zu einer Entscheidung in angemessener Frist zu treffen; bisher sei jegliche inhaltliche Bearbeitung der Sache unterblieben. Diese Beschwerde ergänzte er am 7. April 2014 und erhob insbesondere gegen den Berichterstatter Vorwürfe wegen unterbliebener inhaltlicher Bearbeitung der Eilsache sowie der Klageverfahren 4 K 5374/13 und 4 K 2916/13, ferner wegen vorsätzlicher Falschauskunft über den Sachstand der Bearbeitung und disziplinarrelevanter Arbeitsverweigerung.
18Mit Beschluss vom 8. April 2014 trennte die 4. Kammer das Begehren des Klägers auf vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung ab und führte es unter dem Aktenzeichen 4 L 556/14 fort, soweit es sich auf den zweiten Wiederholungsversuch (Klageverfahren 4 K 2916/13) bezog.
19Am 9. April 2014 erhob der Kläger erneut Verzögerungsrüge, die er mit der Verfahrensdauer von jetzt sechs Monaten begründete. Bei seiner Einsicht in die Gerichtsakte am 7. April 2014 habe er keinerlei Hinweise richterlicher Bearbeitung in der Sache gefunden, was als Rechtsschutzverweigerung gerügt werde.
20Am 12. April 2014 lehnte der Kläger den Berichterstatter, der auch für alle seine sonstigen Eil- und Klageverfahren zur Zweiten juristischen Staatsprüfung zuständig war, wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass dieser in allen Gerichtsverfahren, insbesondere den Eilsachen, die inhaltliche Bearbeitung unterlassen habe. Die 4. Kammer wies dieses Befangenheitsgesuch am 14. April 2014, einem Montag, zurück.
21Mit Schreiben vom 13. April 2014 trug der Kläger ergänzend vor und verwies für den Fall, dass der Umfang der Sache und der daraus folgende Zeitbedarf für eine inhaltliche Prüfung einer schnellen Entscheidung entgegenstünden, auf die Möglichkeit einer Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung.
22Mit Beschluss vom 7. Mai 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einschließlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Dieser dem Kläger am 9. Mai 2014 zugestellte Beschluss fiel kurz aus, weil die Kammer inhaltlich auf den Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe vom selben Tage im Klageverfahren 4 K 5374/12 verwies.
23Am 13. Mai 2014 erhob der Kläger hiergegen mit einem 25-seitigen Schriftsatz nebst zehn Seiten Anlagen Beschwerde in Bezug auf die Ablehnung von Prozesskostenhilfe und beantragte Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung.
24Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die PKH-Ablehnung mit Beschluss vom 17. Juni 2014 – 14 E 577/14 – zurück und lehnte den PKH-Antrag für eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom selben Tage – 14 B 592/14 - ab. Die gegen diese Beschlüsse gerichteten Anhörungsrügen vom 30. Juni 2014 wies das Gericht mit Beschlüssen vom 10. Juli 2014 zurück (14 B 762/14 und 14 E 737/14).
25Der zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Kläger hat am 4. November 2014 beim erkennenden Gericht für dieses beabsichtigte Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines zur Übernahme bereiten Rechtsanwalts beantragt. Das Entschädigungsklageverfahren solle auf eine Entschädigung i.H.v. 700 Euro nebst Zinsen gerichtet sein. Er hat dies auf die Dauer des Eilverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 bezogen, bei dem er von einer pflichtwidrigen Untätigkeit des Verwaltungsgerichts von sieben Monaten ausgegangen ist.
26Am 8. Juni 2015 hat der Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben.
27Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2015 hat der Bevollmächtigte des Klägers am 21. Juli 2015 diese Klage erhoben und die Begründung des Klägers zum PKH-Antrag inhaltlich wiederholt. Wegen der weiteren Einzelheiten der eingehenden Begründung der Klage wird auf die Klageschrift vom 21. Juli 2015 verwiesen.
28Der Kläger beantragt,
29den Beklagten zu verurteilen, an ihn - den Kläger ‑ 700,00 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Zur Begründung führt er aus, die Klage sei jedenfalls nicht begründet, weil die Verfahrensdauer nicht überlang sei, und verweist auf seinen Schriftsatz im Verfahren gleichen Rubrums 13 D 77/14 vom 25. Juli 2014. Dort hat der Beklagte ausgeführt: Das Verfahren habe einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen und sei von ganz erheblicher Komplexität gewesen. Das gelte allgemein für die Überprüfung berufsbezogener Prüfungsentscheidungen in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht. Auch der spezifisch prüfungsrechtliche Beurteilungsmaßstab des Gerichts begründe Besonderheiten. Zusätzlich sei diese Überprüfung durch den außergewöhnlich großen Umfang des Streitstoffs erschwert. Das umfangreicht Vorbringen des Klägers, auch im Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12, sei zu berücksichtigen gewesen. Angesichts dessen liege es auf der Hand, dass der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine nicht unerhebliche Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit vorausgegangen sei, ohne die eine durch das Rechtsstaatsprinzip gebotene eingehende Durchdringung des Streitstoffes nicht möglich gewesen wäre. Dies spiegele sich in dem 61-seitigen Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12 wider, auf den der Beschluss im Eilverfahren verweise.
33Eine besonders hohe Bedeutung der begehrten einstweiligen Anordnung für den Kläger sei deshalb nicht festzustellen, weil seine vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung und ein eventuelles erfolgreiches Abschneiden in dieser Prüfung für ihn noch keinen Zugang zu den durch die Prüfung eröffneten Berufen ermöglicht hätten. Denn sie hätte noch unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren gestanden.
34Keinesfalls könne der Kläger für die Verfahrensdauer in der ersten Instanz, die nur sieben Monate betragen habe, eine Entschädigung für sieben Monate Verzögerung erhalten.
35Der Kläger hat seine Rüge gegen die ordnungsmäßige Vertretung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts NRW durch die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. , wozu der Senat im Beschluss über die Prozesskostenhilfe bereits Stellung genommen hatte, aufrechterhalten.
36Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 13 D 77/14 sowie des Ausgangsverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 und des entsprechenden Hauptsacheverfahrens 4 K 5374/12 (nebst Verwaltungsvorgängen) sowie den Verwaltungsvorgang des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen über die dortigen Eingaben des Klägers (Az. 3133 E; Beiakte 3) Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. , die die Prozessvertretung des Beklagten wahrnimmt, ist nicht gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen, wie der Senat bereits im Beschluss vom 14. Juli 2015 zur Prozesskostenhilfe dargelegt hat. Die Prozessvertretung durch sie verstößt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. September 2015 nicht gegen § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Im Beschluss vom 14. Juli 2015 hat der Senat ausgeführt:
39„Die Prozessvertreterin der den Beklagten endvertretenden Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts NRW – Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. – war nicht gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen. Weil sie dem erkennenden Gericht gegenwärtig nicht „als Richter“ im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO „angehört“, ist sie nicht von der Prozessvertretung ausgeschlossen.
40Der Senat konkretisiert insofern seine Rechtsprechung aus dem Beschluss vom 25. März 2015 – 13 D 27/14 – (NVwZ 2015, 680 f. = juris).
41Auf der Grundlage der dortigen Ausführungen, besonders zu den mit § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO verfolgten Zwecken, der Erwägungen des 8. Senats in dessen Beschluss vom 29. Oktober 2014 – 8 A 1943/13 – (NVwZ-RR 2015, 358 f. = juris) und insbesondere der Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren ist nur diejenige Person gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der Prozessvertretung vor einem bestimmten Gericht ausgeschlossen, die diesem Gericht als Richter gemäß Geschäftsverteilungsplanfür die Rechtsprechung gegenwärtig angehört. (Vgl. dazu nur BT-Drs. 16/3655, S. 90, 98.)
42Dies ist in Bezug auf die Prozessvertreterin des Beklagten nicht der Fall. Denn Richterin am VG Dr. G. ist – wie der Kläger richtig erkennt – an das erkennende Gericht allein zum Zwecke der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zeitweilig abgeordnet und – wie andere Beamte oder Beschäftigte der Gerichtsverwaltung – in die Verwaltung der Behörde „Oberverwaltungsgericht NRW“ integriert. Aufgaben der Rechtsprechung nimmt sie nicht wahr, was der Geschäftsverteilungsplan für die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts verdeutlicht, in dem sie nicht aufgeführt ist. Ihre Amtsbezeichnung „Richterin am Verwaltungsgericht“ bezeichnet lediglich ihr Amt im statusrechtlichen Sinne; im funktionalen Sinne hat sie derzeit kein Richteramt inne, weil sie – wie ein Beamter des höheren Dienstes – in der Verwaltung der Behörde „Oberverwaltungsgericht“ verwendet wird. Der Anschein einer Voreingenommenheit des Gerichts sowie von möglichen Interessenkollisionen, den § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO vermeiden will, besteht in Bezug auf sie damit nicht. Dies wäre bei einem z.B. zum Zwecke der Erprobung abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht, welcher nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts erkennbar in der Rechtsprechung verwendet wird, anders.“
43Dem ist auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin nichts hinzuzufügen.
44Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (A.), aber nicht begründet (B.).
45A. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
46I. Der Senat ist gemäß § 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG zur Entscheidung berufen, da es um ein aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit stammendes Ausgangsverfahren geht, dessen unangemessene Verfahrensdauer der Kläger rügt.
47Die auf Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung gerichtete allgemeine Leistungsklage ist statthaft. Der Kläger hat einen bezifferten und damit bestimmten Antrag gestellt.
48II. Es steht der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen, dass der Kläger eine angemessene Entschädigung beim Beklagten nicht vorgerichtlich geltend gemacht hat. Ein solcher Antrag ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht erforderlich; dies lässt sich schon der Begründung zum Gesetzentwurf entnehmen.
49Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. November 2010 zu einem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, Zu Abs. 5, Zu Satz 1, S. 22; BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 5 B 3/14 D –, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R –, Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 4. September 2014 – 21 F 1/13 –, DVBl. 2014, 1477 ff. = juris Rn. 27.
50III. Die Entschädigungsklage ist nicht wegen Versäumung der Klagefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG unzulässig. Zwar hat der Kläger diese Frist nicht gewahrt. Er hat jedoch den entscheidungsreifen PKH-Antrag innerhalb dieser Frist bei Gericht gestellt und nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine unverzügliche Klageerhebung durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt gesorgt.
51Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Eilverfahren des Klägers VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 ist mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014 – 14 B 762/14 –, mit dem die Anhörungsrüge des Klägers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht zurückgewiesen worden ist, unanfechtbar abgeschlossen. Die Entschädigungsklage hat der Bevollmächtigte des Klägers am 21. Juli 2015 und damit nach Ablauf der Frist erhoben.
52Jedoch wahrt der vom Kläger persönlich innerhalb der 6-Monats-Frist am 4. November 2014 gestellte PKH-Antrag, der mit einer eingehenden Begründung versehen war und dem die entsprechenden PKH-Unterlagen (PKH-Erklärung, Belege usw.) beigefügt waren, die Klagefrist.
53Dies ergibt sich zwar nicht aus einer der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie es üblicherweise bei versäumter Klagefrist im Verwaltungsprozess nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschieht, weil die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist ist. Unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wahrt der vollständige PKH-Antrag nach Treu und Glauben die Klagefrist, soweit die Klage unmittelbar bzw. alsbald nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben worden ist.
54Vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. Dezember 2014 ‑ 6 S 2231/14 ‑, juris Rn. 5 m. w. N.; zu den Anforderungen an die Begründung eines PKH-Antrages OVG M.-V., Beschluss vom 9. August 2012 – 2 K 11/12 –, juris Rn. 3; ähnlich Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 Rn. 258.
55Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt.
56IV. Der Zulässigkeit steht ferner nicht das Erfordernis einer Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG entgegen. Seit der ersten Verzögerungsrüge vom 8. Januar 2014 sind bis zur die Klageerhebung ersetzenden Stellung des PKH-Antrages am 4. November 2014 mehr als sechs Monate verstrichen.
57B. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung oder sonstige Wiedergutmachung in Bezug auf die Dauer des Eilverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
58Allein mögliche Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.
59Die Voraussetzungen jedweden Anspruchs auf Wiedergutmachung gemäß § 198 Abs. 1 GVG – insbesondere Entschädigung – liegen nicht vor, weil die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (I.) nicht unangemessen war (II.).
60I. Die Dauer des Gerichtsverfahrens, welches der Kläger hier zur Überprüfung des Gerichts stellt, erstreckte sich von der Antragstellung am 8. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht bis zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014 – 14 B 762/14 –, im Anhörungsrügeverfahren. Es dauerte damit rund neun Monate.
61Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Die Vorschrift erwähnt ausdrücklich Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Solche Eilverfahren können deshalb, unabhängig davon, ob daneben oder danach ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird, zum Gegenstand einer Entschädigungsklage gemacht werden.
62Vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a. a. O., § 198 Rn. 41, 59.
63„Dasselbe" Gerichtsverfahren liegt nämlich nur bei demselben Streitgegenstand vor; dieser wird durch den mit der Klage bzw. dem Antrag geltend gemachten prozessualen Anspruch aufgrund eines bestimmten Sachverhalts und eines bestimmten rechtlichen Begehrens bestimmt. Klageverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind – wie auch Verfahren zur Vollzugsfolgenbeseitigung – auf unterschiedliche Begehren gerichtet und haben deshalb auch dann, wenn ihnen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, nicht denselben Streitgegenstand. Auch daraus, dass die Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbs. 1 GVG angeführt worden sind, folgt nicht, dass Klage- und Eilverfahren als ein einheitliches Verfahren im Sinne dieser Regelung anzusehen sind. Die ausdrückliche Erwähnung der Eilrechtsschutzverfahren soll vielmehr verdeutlichen, dass auch Verfahren dieser Art Gegenstand einer Entschädigungsklage sein können.
64Vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 22; Hess. VGH, Urteil vom 11. Februar 2015 – 29 C 1241/12.E –, juris Rn. 18.
65Bezugsrahmen des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren, auch in mehreren Instanzen, vom Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Antragstellung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft, nicht aber das dem Verwaltungsprozess vorangegangene behördliche Vorverfahren.
66Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 16 ff., - 5 C 27.12 D –, BayVBl. 2014, 149 ff. = juris Rn. 10 ff.; BFH, Urteil vom 19. März 2014 – X K 3/13 –, BFH/NV 2014, 1053 ff. = juris Rn. 28 m. w. N.; BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, juris Rn. 27.
67Auch das Verfahren über die Anhörungsrüge gegen den abschließenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Eilverfahren gehört zu dem (entschädigungsrechtlich) einheitlichen entschädigungspflichtigen Gerichtsverfahren. Dieses ist dem zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert und dient ausschließlich dem Zweck, das vorangegangene Verfahren auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu überprüfen.
68Vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 ‑ II ZR 355/13 ‑, juris Rn. 12 (zur Gehörsrüge nach § 44 FamFG); Hess. VGH, Urteil vom 11. Februar 2015 – 29 C 1241/12.E –, juris Rn. 20.
69Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Begründung seines Entschädigungsanspruchs allein auf die Überlänge des Verfahrens bis zum Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2014 abstellt. Dies sind allein Begründungselemente. Sein auf Entschädigung i.H.v. 700 Euro gerichteter Klageantrag enthält keine prozessuale Beschränkung auf die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht. Den materiell-rechtlichen Bezugsrahmen könnte dies ohnehin nicht beeinflussen.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 17 f.
71Das gleichwohl nach der Begründung des Klägers primär zu betrachtende Verfahren I. Instanz dauerte von der Stellung des Eilantrags am 8. Oktober 2013 bis zur Erhebung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 L 1371/13 –, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einschließlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ziemlich genau sieben Monate. Die Gesamtverfahrensdauer bleibt insoweit von Bedeutung, als eventuelle Verzögerungen beim Verwaltungsgericht durch eine besonders schnelle Sachbehandlung beim Oberverwaltungsgericht ausgeglichen werden können.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 44.
73II. Die Dauer des Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht von sieben Monaten (oder die Gesamtverfahrensdauer von neun Monaten) war nicht unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.
741. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt.
75Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 17/3802, S. 18.
76Damit ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar, noch lässt es § 198 Abs. 1 GVG grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungswerten oder Regelfristen für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen. Der Gesetzgeber hat bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Damit sind schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen. Denn angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Verfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Auch statistisch ermittelte Durchschnittslaufzeiten für Verwaltungsgerichtsverfahren in einem bestimmten Land oder im Bund können nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden, weil ansonsten der – nach den Maßstäben des Grundgesetzes oder der EMRK möglicherweise unzureichende – gegenwärtige Zustand als Maßstab des Zulässigen herangezogen würde. Gegenwärtige Zustände sind jedoch stets auch Ausdruck der den Gerichten zur Verfügung stehenden Ressourcen. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 27 ff.
78Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. Wegen dieser Rückbindung des Entschädigungsanspruchs an die Verletzung von Grund- und Menschenrechten ist eine gewisse Schwere der Belastung erforderlich; es reicht deshalb nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus. Diese muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung oder Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 37 ff.
80Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind. Maßgeblich ist insoweit ‑ ebenso wie in Bezug auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände des Einzelfalls –, wie das Gericht die Lage aus seiner ex-ante-Sicht einschätzen durfte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 Abs. 1 GG und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen. Neben der zügigen Erledigung eines Rechtsstreits verlangt das Rechtsstaatsprinzip auch die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt. Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehenden Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen. Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung dieser verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht – auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit – ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie – auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums – sachlich nicht zu rechtfertigen sind.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 40 ff.
82Hervorzuheben ist der Grundsatz, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Eine entschädigungspflichtige Verfahrensverzögerung kommt insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben ist, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat. Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat. Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 43.
842. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war die Verfahrensdauer hier nicht unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, weil eine an den Merkmalen des § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles – insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens (a.), seiner Bedeutung für den Kläger (b.) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten (c.) und der Verfahrensführung des Gerichts (d.) – ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
85a. In Bezug auf die Schwierigkeit des Verfahrens ist festzustellen, dass es sich um ein überdurchschnittlich schwieriges und von der Bearbeitung her sehr aufwändiges verwaltungsgerichtliches Eilverfahren handelte.
86Die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen, zumal bei Berufszugangsprüfungen wie der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, stellt hohe Anforderungen an den Richter. Er muss die Prüfungsleistungen des Betroffenen einerseits sowie die Bewertung durch den Prüfer unter Wahrung dessen Wertungsspielraums andererseits überprüfen.
87Das klägerische Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem es um eine vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung nach dem ersten Wiederholungsversuch der Zweiten juristischen Staatsprüfung ging, stellte sich als besonders schwierig dar. Im seit November 2012 anhängigen Klageverfahren VG Gelsenkirchen 4 K 5374/12 griff der Kläger die Bewertung aller acht Klausuren an. Durch Bezugnahmen ist das gesamte Vorbringen des Klägers aus dem Widerspruchsverfahren und auch aus dem Hauptsacheverfahren zum Gegenstand des Eilverfahrens gemacht. Das Vorbringen des Klägers (einschließlich Anlagen) aus dem Klageverfahren 4 K 5374/12 umfasst bei grober Aktendurchsicht im Zeitraum von der Klageerhebung bis Ende 2013, welcher für das Eilverfahren jedenfalls von Bedeutung war, über 300 Blatt in der Gerichtsakte. Hinzu kam das auch zu sichtende Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
88Im Anfangsstadium des Eilverfahrens, bevor erkannt wurde, dass das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 556/14 abzutrennen war, soweit es um die einstweilige Zulassung zur mündlichen Prüfung nach dem 2. Wiederholungsversuch ging, also bis Anfang April 2014, waren auch die gesamten Einwendungen zum 2. Wiederholungsversuch Gegenstand. Das im entsprechenden Klageverfahren 4 K 2916/13 enthaltene Vorbringen hat ähnlichen Umfang, da auch dort immerhin die Bewertung von sieben von acht Klausuren eingehend angegriffen wurde. Die Stellungnahme der Vorsitzenden der 4. Kammer vom 3. April 2014an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts anlässlich einer Eingabe des Klägers vom 31. März 2014 benennt insofern 318 Seiten Einwendungen zu den Klausuren, zuzüglich allgemeiner Einwendungen (z.B. zur Prüferqualifikation und zu den Anforderungen an ein Bewertungsgutachten) auf etwa 50 Seiten sowie 43 teilweise mehrseitige Anlagen.
89Diese Fülle an Stoff zu verarbeiten, erfordert erheblichen Zeitaufwand für den Richter, auch wenn jede zu beantwortende Frage für sich allein von handhabbarer Bedeutung sein mag. Dies schlägt sich, auch bedingt durch den Umfang des Vorbringens des Klägers, im Umfang der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nieder. Der die erste Instanz im hier entschädigungsrelevanten Eilverfahren 4 L 1371/13 abschließende Beschluss vom 7. Mai 2014 ist zwar kurz, jedoch nur durch die Verweisung auf den am selben Tage ergangenen Beschluss über Prozesskostenhilfe im zugehörigen Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12. Dessen Umfang von 61 Seiten beruht keinesfalls auf der individuellen Arbeitsweise des Berichterstatters.
90Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass dieser Aufwand auf einen Bruchteil hätte reduziert werden können, wenn auf der Grundlage einer Folgenabwägung ohne Betrachtung der Erfolgsaussichten der Hauptsache entschieden worden wäre. Es ist Sache des Gerichts, über den Prüfungsmaßstab zu entscheiden. Da für den Kläger kein termingebundener Zeitdruck in der Weise bestand, dass nach Ablauf eines bestimmten Tages schlechthin unzumutbare Schäden eintraten oder sich das Begehren gar erledigte, drängte sich eine Folgenabwägung jedenfalls nicht auf.
91b. Der Senat schätzt die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger als hoch, wenn auch nicht als existenziell, ein.
92Prüfungsrechtliche Angelegenheiten haben für die Betroffenen grundsätzlich eine hohe Bedeutung. Dies gilt für Berufszugangsprüfungen und insbesondere die für den weiteren beruflichen Lebensweg grundlegenden Staatsprüfungen in besonderer Weise, weil davon die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, hier als „Volljurist“, abhängt.
93Es kann offen bleiben, ob diese hohe Bedeutung um ein wenig vermindert ist durch den Umstand, dass der 1953 geborene Kläger im Zeitraum 2013/2014 nicht als junger Mensch um den unmittelbaren Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer langen Ausbildung stritt. Denn unabhängig davon ist die Bedeutung des Eilverfahrens als hoch zu bewerten.
94Dies folgt schon aus dem Charakter als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der einstweiligen Zulassung zur mündlichen Prüfung. Dieser Streitgegenstand bedarf zügiger Bearbeitung. Hintergrund dieses Begehrens ist die Unzumutbarkeit einer Situation, in der ein Prüfling während eines anhängigen Gerichtsverfahrens für ungewisse Zeit sein Prüfungswissen aktuell halten muss.
95Auch individuell betrachtet ist erkennbar, dass die subjektive Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger noch höher ist. Das Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung dürfte in seiner Lebensgestaltung nach dem sich aus den Akten ergebenden Eindruck einen ausgesprochen hohen Stellenwert einnehmen.
96c. Das Verhalten des Klägers war (mit-)ursächlich für die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht. Der Beklagte hat nicht negativ auf die Verfahrensdauer eingewirkt.
97Insofern ist nicht allein auf den Umfang des Vorbringens des Klägers abzustellen, welcher starken Einfluss auf die Schwierigkeit der Sache und damit auf die Verfahrensdauer hatte, weil dies schon zuvor berücksichtigt wurde. Jedoch ist in den Blick zu nehmen, dass das Vorbringen des Klägers sich nicht nur durch seinen Umfang auszeichnete, sondern auch dadurch, dass es nicht immer strukturiert war und in erheblichem Umfang Wiederholungen des im Wesentlichen „immer Gleichen“ enthielt. Zudem trug der Kläger nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt umfassend und im Wesentlichen abschließend vor, sondern bei Gericht gingen häufig und immer wieder viele verschiedene Schreiben nebst Anlagen ein. Ein Verfahrensbeteiligter darf keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen, dass er unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze bei Gericht einreicht oder Anträge stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Verfahrensförderung beiträgt.
98Vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, juris Rn. 40.
99Der Kläger hat keine ihm gesetzten Fristen versäumt oder sonst wie verzögerlich gehandelt. Er hat stets unaufgefordert und binnen kurzer Frist schriftlich Stellung genommen. Zugleich hat er die für ihn bestehende hohe Bedeutung der Sache und auch die zeitliche Dringlichkeit unmissverständlich verdeutlicht, indem er sich mit entsprechenden dieses betonenden Schreiben vom 28. November 2013 und vom 10. Dezember 2013 schon frühzeitig an das Gericht gewandt hat. Bereits am 8. Januar 2014 hat er erstmals und am 9. April 2014 erneut Verzögerungsrüge erhoben. Dies ließ keinen Zweifel an der für ihn bestehenden Dringlichkeit.
100Jedoch hat er zugleich durch Nutzung der ihm zustehenden prozessualen und sonstigen Rechtsbehelfe zur Verlängerung der Verfahrensdauer beigetragen. Seine „Beschwerde wegen Untätigkeit der 4. Kammer“ im Klageverfahren 4 K 3173/12 vom 11. Januar 2014 (die als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt worden ist), die weitere Dienstaufsichtsbeschwerde vom 31. März 2014 wegen der Verfahrensdauer im Eilverfahren 4 L 1371/13 sowie der Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter vom 12. April 2014 erzeugen für den Berichterstatter und/oder den betroffenen Spruchkörper Aufwand, der zulasten der Sachbearbeitung geht und damit unabweisbar die Verfahrensdauer verlängert. Dabei kommt es auf eine „Prozessverschleppungsabsicht“ oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, wird nicht dem Staat zugerechnet.
101Vgl. hierzu BSG, Urteil vom 3. September 2014 ‑ B 10 ÜG 12/13 R ‑, juris Rn. 39 m. w. N.; BGH, Urteil vom 13. März 2014 – III ZR 91/13 –, NJW 2014, 1816 ff. = juris Rn. 43.
102Durch einen Ablehnungsantrag ist der abgelehnte Richter von der Bearbeitung der Sache bis zu dessen Zurückweisung ausgeschlossen. Dienstaufsichtsbeschwerden oder andere Eingaben an den Präsidenten des Gerichts führen regelmäßig dazu, dass (häufig alle in einem Zusammenhang stehenden) Verfahrensakten des Beteiligten dem Präsidenten zuzuleiten sind, gegebenenfalls mit einer auf die Eingabe bezogenen Stellungnahme des Vorsitzenden des Spruchkörpers oder auch des zuständigen Berichterstatters. Die Stellungnahmen kosten Zeit und die Akten stehen bis zur Beantwortung der Eingabe für einen gewissen Zeitraum dem Spruchkörper nicht zur Verfügung.
103d. Aus der Verfahrensführung des Gerichts ergibt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte keine unangemessene Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
104Es ist erkennbar, dass dem Berichterstatter die hohe Bedeutung der Sache für den Kläger und deren Dringlichkeit bewusst war. Demgemäß hat er sich die Akte nach Eingang von Schriftsätzen der Beteiligten nach deren Übermittlung an die jeweilige Gegenseite fast immer sofort wiedervorlegen lassen. Die Gerichtsakte der Eilsache befand sich mithin mit den Gerichtsakten des zugehörigen Klageverfahrens, soweit verfügbar, mit Ausnahme der durch die Eingaben und Rechtsbehelfe des Klägers verursachten Zeiten fast ständig im Dienstzimmer des Berichterstatters. Es kann unterstellt werden, dass diese dort in Abwägung mit Bedeutung und Dringlichkeit anderer eiliger Prüfungs-Streitigkeiten wann immer möglich bei Gelegenheit bearbeitet wurde. Solche Bearbeitung ist – anders als der Kläger anscheinend meint - der Gerichtsakte nicht zu entnehmen, weil sie auf Papier oder mittels EDV außerhalb der Gerichtsakte stattfindet und dort regelmäßig keinen Niederschlag findet.
105Die Entscheidungsreife trat im Verlauf des Monats November 2013 – etwa in der zweiten Monatshälfte – ein. Nach der Stellungnahme des Klägers vom 30. Oktober 2013 zur Antragserwiderung des LJPA war dem Antragsgegner ein gewisser Zeitraum für eine Reaktion hierauf einzuräumen, den der Kläger selbst mit zwei Wochen ansetzt. Der Senat hält hier auch einen Zeitraum bis vier Wochen im Hinblick auf die Schwierigkeit und Bedeutung der Sache für noch angemessen. Im Dezember 2013 und Januar 2014 sind in der fast permanent dem Berichterstatter vorliegenden Akte keine Bearbeitungsschritte des Gerichts ersichtlich. Dabei war die Akte für den Berichterstatter im Januar 2014 ungefähr die Hälfte des Monats nicht verfügbar, weil sie aufgrund der Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 11. Januar 2014 zum Verfahren 4 K 3173/12 mit allen Verfahren des Klägers in der 4. Kammer dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts vorgelegt worden sein dürfte.
106In den Monaten Februar und März 2014 ist davon auszugehen, dass von den zahlreichen Verfahren des Klägers die im Klageverfahren 4 K 3173/12 auf den 19. März 2014 terminierte mündliche Verhandlung mit beabsichtigtem Verfahrensabschluss – jedenfalls seit der Ladung vom 3. Februar 2014 – im Vordergrund der Bearbeitung des Berichterstatters gestanden hat. Diese Verhandlung und die abschließende Entscheidung der Klage in Bezug auf den 1. Prüfungs-versuch des Klägers zum II. Staatsexamen dürfte den Berichterstatter – neben den sonstigen im Dezernat anhängigen Eil- und Klageverfahren – im Wesent-lichen gebunden haben. Dieses Klageverfahren verfügte ebenfalls über einen hohen Schwierigkeitsgrad, der sich in dem 42 Seiten umfassenden Endurteil teilweise niederschlägt, und hatte als Prüfungssache entsprechend hohe Bedeutung und Dringlichkeit. Nach etwa 20 Monaten Verfahrensdauer bis zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, mehreren Verzögerungsrügen sowie der Intervention des Bundesverfassungsgerichts im zugehörigen Eilverfahren 4 L 1520/12 im Juli 2013 bedurfte dies dringend der Bearbeitung und Entscheidung. Es hatte aufgrund dieser Umstände eine Bedeutung, die es vertretbar erscheinen lässt, dieses Klageverfahren dem Eilverfahren 4 L 1371/13 zum 1. Wiederholungsversuch vorzuziehen. Dies gilt besonders deshalb, weil die Entscheidung über die Klage zum 1. Prüfungsversuch des Zweiten Staatsexamens des Klägers im Erfolgsfall nach seinem Begehren auf eine Zulassung zur mündlichen Prüfung gerichtet war und (jedenfalls über das Zwischenziel der hilfsweise begehrten Neubewertung) hierzu auch führen konnte. Insofern bestand auch inhaltlich kein Nachrang gegenüber dem Eilverfahren 4 L 1371/13. Mit der Abfassung des entsprechenden Kammerurteils vom 19. März 2014 war der Berichterstatter wohl noch bis Ende März befasst, wie die Anfang April 2014 erfolgte Zustellung an die Beteiligten zeigt. In der 1. Aprilwoche war der Berichterstatter anscheinend, wie die Stellungnahme der Kammervorsitzenden an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2014 zur Eingabe des Klägers vom 31. März 2014 erkennen lässt (Beiakte 3, Bl. 5), im Urlaub. In den darauf folgenden ungefähr vier Wochen ab der 2. Aprilwoche bis zum Entscheidungszeitpunkt am 7. Mai 2014 dürften die Bearbeitung der Sache und entsprechende Vorbereitung der Entscheidung erfolgt sein, nachdem die Trennung der Eilverfahren 4 L 1371/13 und 4 L 556/14 (jeweils zum 1. und 2. Wiederholungsversuch) mit Beschluss vom 8. April 2014 erfolgte. Beeinträchtigungen lagen vor durch die jetzt zum Verfahren 4 L 1371/13 erhobene Eingabe des Klägers vom 31. März 2014, ergänzt mit Schreiben vom 7. April 2014, an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts, die wiederum als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt wurde. Insofern nahm die Kammervorsitzende unter dem 3. April 2014 gegenüber dem Präsidenten Stellung, dem für die Zwischenmitteilung vom 9. April 2014 an den Kläger jedenfalls die Verfahrensakte 4 L 1371/13 vorlag. Sodann war über den Befangenheitsantrag des Klägers vom 12. April 2014 zu entscheiden. Nach dessen Ablehnung mit Beschluss der Kammer vom 14. April 2014 stand die Eilsache mit der zugehörigen Klage 4 K 5374/12 dem Berichterstatter zur Bearbeitung zur Verfügung, was in die Beschlüsse vom 7. Mai 2014 mündete (Eilbeschluss einschließlich PKH in 4 L 1371/13 sowie PKH-Beschluss in 4 K 5374/12).
107Bei dieser den Verfahrensablauf im Ausgangsverfahren im Einzelnen in den Blick nehmenden Betrachtungsweise wird erkennbar, dass allein der Zeitraum von etwa Ende November 2013 bis ungefähr Mitte Januar 2014 feststellbar ist, in dem eine frühere Bearbeitung dieses Eilverfahrens in Betracht hätte kommen können. Zu diesem Zeitpunkt stand das Verfahren, das inhaltlich vor der Abtrennung noch alle Einwendungen zum 1. und 2. Wiederholungsversuch der Staatsprüfung aus den Klageverfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 umfasste, eventuell im Hinblick auf andere vorrangig zu bearbeitende Verfahren noch nicht zur Bearbeitung an.
108Auch wenn der Kläger sein Entschädigungsbegehren inhaltlich mit der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht begründet, so ist nach dem Maßstab des § 198 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 Nr. 1 GVG auch das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen. Dieses ist ab der Erhebung der Beschwerde des Klägers vom 13. Mai 2014 im Eilverfahren 4 L 1371/13 (PKH-Beschwerde und PKH-Antrag für Eilbeschwerde), die dem Oberverwaltungsgericht ab dem 22. Mai 2014 vorlag, in den Verfahren 14 B 592/14 und 14 E 577/14 durch die Beschlüsse vom 17. Juni 2014 ausgesprochen zügig entschieden worden. Auch über die Anhörungsrügen des Klägers gegen diese Sachentscheidungen (14 B 762/14 und 14 E 737/14) entschied das Oberverwaltungsgericht binnen kurzer Zeit am 10. Juli 2014.
109e. Insgesamt lässt sich für das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 ‑ auch unter Berücksichtigung der Gesamt-Verfahrensdauer – eine unangemessene Dauer nicht feststellen.
110Nach den obigen Ausführungen kommt für eine nicht zu rechtfertigende Nichtbearbeitung – also Verzögerung – allein ein Zeitraum von etwa sechs bis acht Wochen bzw. zwei Monaten in Betracht: Entscheidungsreife trat nach der „Anfangsphase“ des Eilverfahrens erst Mitte bis Ende November 2013 ein. Etwa der halbe Januar 2014 – nach den typischen Beschränkungen der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit vor und um den Jahreswechsel – entfiel wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde aus dem Januar 2014. Februar und März 2014 standen im Zeichen der mündlichen Verhandlung und des die Instanz abschließenden Urteils im Klageverfahren 4 K 3173/12. Die ersten zwei April Wochen waren mit Urlaub des Berichterstatters, der Abtrennung des Eilverfahrens 4 L 556/14 zum 2. Wiederholungsversuch sowie „Geplänkel“ (Befangenheitsantrag, weitere Dienstaufsichtsbeschwerde) belegt. In den folgenden drei Wochen bis zu den Beschlüssen vom 7. Mai 2014 – 4 L 1371/13 und 4 K 5374/12 – diese nach dem Grad der inhaltlichen Durchdringung die Entscheidung in der Hauptsache 4 K 5374/12 stark präjudizierenden Sachentscheidungen vorzubereiten und abzufassen bedeutete – neben dem Tagesgeschäft und anderen (Eil-)Verfahren – intensive richterliche Arbeit.
111Der danach für eine Verzögerung überhaupt in Betracht kommende Zeitraum von max. zwei Monaten von Mitte/Ende November 2013 bis Mitte Januar 2014 führt nicht zu einer Feststellung unangemessener Verfahrensdauer. Dieser Zeitraum wird durch die ausgesprochen kurze Verfahrensdauer beim 14. Senat des Oberverwaltungsgerichts einerseits und die dem Gericht auch in jenem Eilverfahren zuzugestehende Bearbeitungs- und Bedenkzeit gerechtfertigt.
112Die Verfahrensdauer in der II. Instanz belief sich von der Erhebung der Beschwerde am 13. Mai 2014 bis zu den Beschlüssen über die Anhörungsrügen vom 10. Juli 2014 auf rund zwei Monate. Das ist für die dort zu treffenden Entscheidungen in der hier vorliegenden, nach den obigen Ausführungen schwierigen und vor allem sehr aufwändigen Sache derart schnell, dass es Verfahrensdauer in der Vorinstanz ausgleichen kann. Die Zeit von rund einem Monat bis zu den Entscheidungen des 14. Senats vom 17. Juni 2014 ist extrem kurz, besonders wenn man bedenkt, dass die Akten zunächst einmal vom Verwaltungsgericht zum Oberverwaltungsgericht gelangen müssen und dort regelmäßig auch noch ein Zeitraum bis zur Entscheidungsreife durch die dem Antragsgegner einzuräumende Gelegenheit zur Erwiderung vergeht. Ab der Eingangsverfügung des erkennenden Gerichts am 26. Mai 2014 bis zur Entscheidung vom 17. Juni 2014 vergingen nur etwa drei Wochen. Dies war nur durch den Verzicht des Senatsvorsitzenden auf eine Antragserwiderung des Antragsgegners möglich. Hier wäre es in keiner Weise unangemessen gewesen, das LJPA zu einer Stellungnahme, z.B. mit einer Frist von zwei Wochen, aufzufordern. Hierzu hätte, abhängig von deren Inhalt, dem Kläger wiederum rechtliches Gehör gegeben werden können. Dies verdeutlicht, dass sich der Zeitraum bis zu einer Entscheidung über die PKH-Beschwerde und den PKH-Antrag des Klägers ohne weiteres allein hierdurch um etwa drei bis vier Wochen hätte verlängern können. Auch der sehr kurze Zeitraum bis zur Entscheidung hätte länger ausfallen können, was auch für die Anhörungsrügeverfahren gilt. Eine Gesamtdauer des Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht einschließlich der Anhörungsrügeverfahren wäre üblicherweise sicher mit etwa vier Monaten zu erwarten gewesen. Dementsprechend kann das sehr kurze Verfahren II. Instanz die Verfahrensdauer in der I. Instanz für etwa sechs bis acht Wochen ausgleichen.
113Zudem ist auch noch ein gewisser Zeitraum als Bearbeitungs- und Bedenkzeit zuzugestehen. Als konkrete Bearbeitungs- und Bedenkzeit im Hinblick auf die Sachentscheidung vom 7. Mai 2014 sind bisher nur etwa drei Wochen vor dieser Entscheidung berücksichtigt worden. Angesichts des sehr hohen Aufwands und der Schwierigkeit dieses Verfahrens wäre auch ein Zeitraum von bis zu sechs Wochen – besonders weil zugleich die PKH-Entscheidung in der Hauptsache-Klage 4 K 5374/12 vorbereitet wurde – angemessen gewesen. Darüber hinaus ist dem Verwaltungsgericht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch ein der richterlichen Gestaltungsfreiheit entsprechender Freiraum bei der Führung des Dezernats unter Berücksichtigung von Art. 97 GG zuzugestehen, der auch erforderlich ist, um bei gleichzeitig zu bearbeitenden Verfahren eine Reihenfolge der Bearbeitung zu bilden. Dieser ist im Eilverfahren eher kurz anzusetzen, hier mit zwei Wochen. Daraus ergibt sich – teils konkret verfahrensbezogen, teils abstrakt – in diesem Einzelfall eine Bearbeitungs- und Bedenkzeit für das Eilverfahren 4 L 1371/13 von etwa acht Wochen bzw. zwei Monaten. Über die etwa drei Wochen vor dem Beschluss vom 7. Mai 2014 hinaus decken damit etwa fünf Wochen eventuelle Verzögerungszeiten in diesem Verfahren – insbesondere zwischen Ende November 2013 und Ende Januar 2014 – ab.
114Die etwaige Verzögerung im streitigen Eilverfahren ist durch diese 11 bis 13 Wochen Spielraum, durch die sehr kurze Verfahrensdauer II. Instanz und verbleibende Bearbeitungs- und Bedenkzeit in der I. Instanz, jedenfalls gerechtfertigt. Dies lässt auch noch erheblichen Raum, soweit bei der Bewertung des Verfahrensablaufs vor dem Verwaltungsgericht in Einzelpunkten strengere Maßstäbe angelegt werden sollten.
115III. Entfällt ein Entschädigungsanspruch schon, weil die Verfahrensdauer nicht unangemessen war, scheidet auch eine Feststellung unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 GVG aus. Auch für den Zinsanspruch ist mangels Verurteilung zur Zahlung kein Raum.
116C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
117Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
118Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
- 2
- Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
- 3
- Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
- 4
- Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
- 5
- Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
- 6
- Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
- 7
- Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.
- 8
- Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
- 9
- Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
- 10
- Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
- 11
- Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
- 12
- Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
- 13
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 14
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 15
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 16
- Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.
- 17
- Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
- 18
- In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
- 19
- Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
- 20
- Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.
II.
- 21
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
- 22
- 1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
- 23
- 2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
- 24
- a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
- 25
- Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
- 26
- Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
- 28
- c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
- 29
- d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
- 30
- September 2008 bis Februar 2010
- 31
- Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
- 32
- Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
- 33
- Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
- 34
- Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
- 35
- September 2011 bis Dezember 2012
- 36
- Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
- 37
- 3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
- 38
- Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
- 39
- a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
- 40
- Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
- 41
- Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
- 42
- b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
- 43
- Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
- 44
- Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -
(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.
(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.
(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.
(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, für die unabhängig von der erfolgten Verweisung des Verfahrens durch Beschluss des Oberlandesgerichts D. - vom 28. Februar 2013 (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 201 Abs. 1 Satz 2 GVG die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gegeben ist, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
- 2
- Welche Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18; vgl. hierzu BVerfG, NVwZ 2004, 334, 335; EGMR, NVwZ 2008, 289, 291).
- 3
- Nach diesen Maßstäben ist vorliegend noch keine unangemessene Verfahrensdauer gegeben. Zwar sind im Anschluss an die Übernahme des straf- rechtlichen Ermittlungsverfahrens am 11. November 2010 durch die Bußgeldund Strafsachenstelle der Familienkasse D. etwa ein Jahr und zehn Monate verstrichen, bis die Familienkasse das bei ihr anhängige Verfahren am 12. September 2012 durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zum Abschluss brachte. Dies beruhte indes im Wesentlichen auf der Aussetzung des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des vom Antragsteller anhängig gemachten finanzgerichtlichen Verfahrens. Dabei ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Behörde die Schreiben des Antragstellers und seiner Verteidigerin vom 1. Oktober 2011 und 24. November 2011 dahin verstanden hat und auch dahin verstehen durfte, dass der Antragsteller mit einer Aussetzung des Ermittlungsverfahrens nach § 396 Abs. 1 AO einverstanden ist.
- 4
- Es kommt hinzu, dass die absehbare deutliche Verzögerung des Strafverfahrens für den Antragsteller keine wesentliche Beschwer bedeutete. Dem Tatvorwurf kam bei objektiver Betrachtung von Anfang an nur eine mindere Bedeutung zu. Für den Fall der Erweislichkeit ließ er von vornherein keine schärfere Sanktion als eine Geldstrafe im unteren Bereich erwarten. Besondere, über die mit einem Strafverfahren stets verbundene Betroffenheit hinausgehende persönliche Belastungen, Beeinträchtigungen in der privaten Lebensführung oder Behinderungen im beruflichen Fortkommen durch die Art des Vorwurfs oder durch die Dauer des Verfahrens sind nicht ersichtlich.
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.02.2013 - I-18 SchH 1/13 -
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Auskunfts- und (Rück-)Zahlungsansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem von ihnen praktizierten sog. Verbundausbildungsverhältnis.
3Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und betreibt seit dem Jahre 2007 eine eigene Einzelanwaltskanzlei in B . Zum 01.09.2009 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beklagten zu 1) zur Rechtsanwaltsfachangestellten (Bl. 52 – 55 d. A.). Der Berufsausbildungsvertrag war für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2012 befristet. Gemäß § 3 Ziffer 12 sollte er als Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt werden.
4Zu diesem Zweck hatte der Kläger zuvor mit dem ihm bis dahin nicht bekannten Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen und mit diesem einen „Kooperationsvertrag über eine Ausbildung im Verbund“ abgeschlossen, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 56 f. d. A.). In dem Kooperationsvertrag ist festgelegt, dass die voraussichtliche Dauer des von der Beklagten zu 1) beim Beklagten zu 2) zu absolvierenden Ausbildungsabschnittes 6 Monate betragen sollte, „voraussichtlich beginnend ab dem 2. Lehrjahr“. Zugleich vereinbarten der Kläger und der Beklagte zu 2) in dem Kooperationsvertrag, dass die vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei dem Kläger liegen solle.
5Der Beklagte zu 2) betreibt zusammen mit anderen Rechtsanwälten, mit denen er teils in einer Sozietät, teils in Bürogemeinschaft verbunden ist, in der K Innenstadt eine Anwaltskanzlei, die auf Strafrecht spezialisiert ist.
6Wie dem Beklagten zu 2) beim Abschluss des Kooperationsvertrages mit dem Kläger bekannt war, wollte der Kläger öffentliche Fördergelder für die Verbundausbildung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck stellte der Kläger bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des M für A , G und S des L N und des E S E zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“. Voraussetzung für die Subventionsgewährung ist u.a., dass der den Antrag stellende, den Ausbildungsvertrag abschließende Betrieb die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zu vermittelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht vollständig allein vermitteln kann. Dementsprechend ließ sich der Kläger von der Rechtsanwaltskammer Köln bestätigen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermitteln kann“. Zugleich wurde die weitere Formularfrage, ob er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, nicht bejaht (vgl. Bl. 901 d.A.). Mit Bescheid vom 29.10.2009 wurde dem Kläger daraufhin die beantragte Zuwendung mit dem Höchstsatz von 4.500,- € bewilligt.
7Im Zeitpunkt des Abschlusses des Berufsausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) und des Kooperationsvertrages mit dem Beklagten zu 2) sowie der Beantragung der Fördermittel für die Verbundausbildung beschäftigte der Kläger in seiner Kanzlei bereits seit August des Vorjahres eine andere Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten.
8Die Beklagte zu 1) wurde sodann in der Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2010 in der Kanzlei des Klägers ausgebildet und wechselte mit dem 01.09.2010 zum Zwecke der vorgesehenen sechsmonatigen Verbundausbildungsphase in die Kanzlei des Beklagten zu 2). Der Kläger zahlte wie mit dem Beklagten zu 2) vereinbart über den 01.09.2010 hinaus die monatliche Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1).
9Die Beklagte zu 1) entschloss sich dann jedoch, nach Ablauf der sechsmonatigen Verbundausbildungsphase nicht mehr in die Kanzlei des Klägers zurückzukehren, sondern – im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2) – ihre Berufungsausbildung in der Kanzlei des Beklagten zu 2) fortzusetzen. Nachdem eine einvernehmliche Regelung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) über die Modalitäten des Übergangs des Berufsausbildungsverhältnisses gescheitert war, kündigte die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.03.2011, dem Kläger zugegangen am selben Tage, fristlos und schloss mit dem Beklagten zu 2) für die Zeit ab dem 01.03.2011 einen neuen Berufsausbildungsvertrag ab.
10Für den Monat März 2011 wandte der Kläger noch für die Beklagte zu 1) anteilige Ausbildungsvergütung und Gebühren für ein Jobticket in Höhe von insgesamt 71,80 € auf.
11In einer Selbstanzeige vom 12.08.2012 an die Generalstaatsanwaltschaft Köln räumte der Kläger ein, dass er alle nach der Ausbildungsverordnung für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang auch allein vermitteln könne und auch bereits tatsächlich alleine ausgebildet habe. Im Anschluss hieran nahm die B K mit Bescheid vom 13.02.2013 den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2009, die Verbundausbildung der Beklagten zu 1) betreffend, zurück und forderte den Kläger auf, den Subventionsbetrag in voller Höhe zurückzuzahlen. Auf den vollständigen Inhalt des Bescheids vom 13.02.2013 (Bl. 753 – 766 d. A.) wird Bezug genommen. Der Kläger hat gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage ist noch in erster Instanz anhängig.
12Wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge, wegen der von den Parteien hierzu gegebenen Begründungen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 Bezug genommen.
13Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 02.08.2012 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 08.08.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 02.11.2012 am 02.11.2012 begründet.
14Der Kläger und Berufungskläger hält an seinem Auskunftsbegehren fest, welcher bisher Gegenstand des Antrages zu 1 a) war, Er meint, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei der Auskunftsanspruch keineswegs erfüllt, weder durch die Angabe des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) sei „in hiesiger Kanzlei“ beschäftigt worden, noch durch die Protokollerklärung aus der Sitzung vom 11.07.2012, wonach „die Beklagte zu 1) während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet“ habe. Er, der Kläger habe einen Anspruch darauf zu wissen, ob die Beklagte zu 1) während der sechsmonatigen Verbundphase tatsächlich nur für die Anwaltssozietät L und T tätig geworden sei, da andernfalls ein Verstoß gegen die Auflagen des Zuwendungsbescheides vorläge, welcher zu dessen Zurücknahme führen könne.
15Auch hält der Kläger daran fest, dass er einen Anspruch auf einen schriftlichen Bericht des Beklagten zu 2) über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) in seiner Kanzlei verlangen könne. Es treffe zwar zu, dass ihm die Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Dauer der Verbundphase vorlägen. Diese seien aber nur von der Beklagten zu 1) unterschrieben und nicht vom Beklagten zu 2)
16Der Kläger hält auch daran fest, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Geldbetrag zurückzuerstatten, den er, der Kläger, in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 an Ausbildungsvergütung für die Beklagte zu 1) aufgewandt habe. Nach Abzug einer auf den Zeitraum der Verbundphase entfallenden Rückerstattung seitens der Krankenkasse in Höhe von 591,73 € handele es sich um einen Betrag in Höhe von 2.984,74 €. Dieser ergebe zuzüglich der 19 %-igen MwSt. den jetzt neu formulierten Zahlungsantrag zu 3) über 3.551,84 €. Die Anspruchsgrundlage sei in dem Rechtsgedanken des
17§ 426 BGB zu sehen; denn während der Verbundphase sei gemäß § 17 BBiG auch der Beklagte zu 2) der Beklagen zu 1) gegenüber vergütungspflichtig gewesen.
18Außerdem sei es Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Ausbildungskosten in der Verbundphase gewesen, dass die Verbundphase in der Kanzlei des Beklagten zu 2) auf sechs Monate begrenzt sei. Es habe nämlich erkennbar nicht seiner, des Klägers, Intention entsprochen, den Beklagten zu 2) durch die Vereinbarung der Freistellung von der Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu bereichern. Gegen diese Argumentation könne auch nicht eingewandt werden, dass es ja der Beklagten zu 1) auch freigestanden hätte, z. B. die Ausbildung nach dem Abschluss der Verbundphase gänzlich abzubrechen; denn in diesem Fall wäre eine Bereicherung des Beklagten zu 2) nicht eingetreten.
19Von der Beklagten zu 1) verlangt der Kläger die Erstattung des für sie für März 2011 noch aufgewandten Betrages in Höhe von 71,80 € netto.
20Schließlich hält der Kläger auch an seinem gegen beide Beklagten gerichteten Feststellungsanspruch fest, wonach die Beklagten Schäden, die ihm infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung zukünftig noch entstehen könnten, insbesondere aus einer Rückforderung der für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder, zu erstatten seien.
21Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
22unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln, 9 Ca 2544/11 vom 11.07.2012, wie folgt zu erkennen:
23- 24
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger Auskunft zu folgender Frage zu erteilen:
Für welche Rechtsanwaltskanzleien war die Beklagte zu 1) im Zeitraum der Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in der anwaltlichen Bürogemeinschaft des Beklagten zu 2) und der Streitverkündeten zu 3) mit den in der Klageschrift vom 28.03.2011 aufgelisteten Streitverkündeten zu 4) – 8) tätig?
26- 27
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger zur Vorlage bei der Streitverkündeten zu 1) bezogen auf den Verbundausbildungsvertrag vom 28.08.2009 einen schriftlichen Bericht über die inhaltliche Durchführung der Verbundausbildung der Beklagten zu 1), in Übereinstimmung mit den Antworten zum Berufungsantrag Ziffer 1, zu erteilen.
- 29
3. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger aus dessen Rechnung Nr. 00008/2011 vom 07.02.2011 3.551,84 € brutto (incl. 19 % MwSt.) zzgl. 8 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 31
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Berufungsbegründung zu zahlen.
- 33
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren Schaden zu ersetzen, der diesem infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung der Beklagten zu 1) zukünftig noch entsteht, insbesondere soweit sich der Kläger als Subventionsempfänger der von der Streitverkündeten zu 1) für die Verbundausbildung zur Verfügung gestellten Fördergelder einer Rückforderung durch die Streitverkündeten zu 1), 10) oder 11) ausgesetzt sieht.
Die Beklagten beantragen,
35die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36Die Beklagten halten das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und verteidigen dessen Entscheidungsgründe. Für einen Anspruch des Berufungsklägers auf Erstattung der während der Verbundphase von ihm aufgewandten Ausbildungsvergütungen bestehe keine Anspruchsgrundlage. Eine solche ergebe sich weder aus § 313 BGB, noch aus § 280 Abs. 1 BGB. Auch der Fortbestand des zugunsten des Berufungsklägers ergangenen Subventionsbescheides stelle keine Geschäftsgrundlage für die von ihm eingegangene Verpflichtung dar, während der Verbundphase die Ausbildungsvergütung der Beklagten zu 1) zu übernehmen. Selbst wenn dem aber so wäre und es bei der jetzt von der Bezirksregierung verfügten Rücknahme des Förderbescheides bleibe, könne er, der Beklagte zu 2) nicht zur Zahlung herangezogen werden; denn nach der Risikoverteilung des Kooperationsvertrages falle das Schicksal der Subvention allein in die Sphäre des Berufungsklägers. Dies gelte umso mehr, als der jetzt erlassene Rückforderungsbescheid ausschließlich darauf gestützt werde, dass der Kläger bei der Beantragung der Fördergelder falsche Angaben gemacht habe.
37Den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten, nunmehr bezifferten Zahlungsantrag halten die Beklagten in dieser Form für verspätet. Sie halten daran fest, dass die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011 gerechtfertigt gewesen sei und machen geltend, dass der Kläger sich die Beträge bei K und Sozialversicherung habe erstatten lassen können.
38Auch der Feststellungsantrag sei zurückzuweisen. Er, der Beklagte zu 2), habe keine Pflichtverletzung in der Verbundausbildung begangen, die dazu führen könne, dass der Kläger die erhaltene Subvention zurückzahlen müsse. Die Bezirksregierung beabsichtige auch nicht, die Subvention etwa wegen der Kündigung vom 01.03.2011 zurückzuverlangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Kläger bei den Subventionsanträgen falsche Angaben gemacht habe.
39Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Berufungsklägers, der Berufungserwiderungsschrift der Berufungsbeklagten nebst ihren sämtlichen Analgen sowie die sonstigen in der Berufungsinstanz zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
40E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Auch soweit sich die Berufung gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist die notwendige Beschwer von 600,- € erreicht, da die Beklagte zu 1) nicht nur mit dem Zahlungsantrag zu 4), sondern auch mit dem Feststellungsantrag zu 5) in Anspruch genommen werden soll.
42Der Berufungskläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
43II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur insoweit erfolgreich sein, als der Berufungskläger nunmehr die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 71,80 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt. Im Übrigen können die Ausführungen des Berufungsklägers jedoch nicht zu einer Abänderung des zutreffenden erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2012 führen.
44A. Der Berufungskläger kann von der Beklagten zu 1) entsprechend seinem nunmehr gestellten Zahlungsantrag zu 4) 71,80 € netto zzgl. eingeklagter Prozesszinsen verlangen.
451. Der erstmals in der Berufungsinstanz bezifferte Zahlungsantrag ist zulässig. Der Kläger versteht ihn als Teilkonkretisierung des erstinstanzlichen Feststellungsantrages, soweit dieser gegen die Beklagte zu 1) gerichtet war. Dem kann gefolgt werden, da es sich um einen Anspruch handelt, der zumindest im weiteren Sinne aus der von der Beklagten zu 1) zum 01.03.2011 vorgenommen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dieser Parteien resultiert, auch wenn es sich im rechtstechnischen Sinne nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.
462. Der Kläger hat durch seine Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Vergütungsabrechnung der Beklagten zu 1) für den Monat März 2011 dokumentiert, dass sich der jetzige Klagebetrag zusammensetzt aus einem Auszahlungsbetrag von 11,90 €, der sich auf die anteilige Ausbildungsvergütung für den Monat März 2011 bezieht, sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 59,90 €, den der Kläger für ein Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat verauslagt hat. Die Beklagte zu 1) war durch den Auszahlungsbetrag für März 2011 ungerechtfertigt bereichert. Die Auslagen für das Jobticket hat sie dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 670 BGB zu erstatten.
47a. Die Beklagte zu 1) hat das Ausbildungsverhältnis zum Kläger bekanntlich mit Schreiben vom 01.03.2011, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, fristlos aufgekündigt. Die im Laufe des 01.03.2011 zugestellte Kündigung kann das Ausbildungsverhältnis, unterstellt man einmal ihre Wirksamkeit, frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beendet haben. Gleichwohl hat die Beklagte zu 1) am 01.03.2011 keinerlei vertragliche Leistungen gegenüber dem Kläger mehr erbracht. Sie war an diesem Tag gegenüber dem Kläger weder arbeitsbereit noch arbeitswillig; denn sie hat am selben Tag bereits ihre Ausbildung beim Beklagten zu 2) aufgenommen.
48b. Die Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch der Beklagten zu 1) auf Vergütung ohne Arbeitsleistung liegen nicht vor. Weder hatte die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf einen bezahlten Urlaubstag, noch befand sich der Kläger in Annahmeverzug.
49c. Da der Kläger vor Beginn des Monats März 2011 auch nicht wissen konnte, dass die Beklagte zu 1) das Ausbildungsverhältnis alsbald beenden würde, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn er die Kosten für das Jobticket der Beklagten zu 1) für diesen Monat aufgewandt hat.
50d. Die Behauptung der Beklagten zu 1), der Kläger hätte sich die Kosten für das Jobticket bei der K teilrückerstatten lassen können (in welcher Höhe?), ist schon wegen ihrer fehlenden Substantiierung unerheblich.
51e. Bei dem Restbetrag von 11,90 € handelt es sich nicht um eine Erstattung zu Unrecht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen Auszahlungsbetrag an die Beklagte zu1).
52B. Ansonsten ist die Berufung des Klägers jedoch in Gänze unbegründet.
531. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den jetzigen Auskunftsantrag zu 1) zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Auskunftsanspruch, so er denn ursprünglich bestanden hat, vom Beklagten zu 2) erfüllt wurde und zwar gleich mehrfach.
54a. So hat der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 28.03.2011 unter dem Briefkopf „Rechtsanwälte L T “ ausgeführt:
55„Sehr geehrter Herr Kollege Dr. R ,
56ich darf Ihnen bestätigen, dass ich die Auszubildende J W im Rahmen der Verbundausbildung in der Zeit vom 01.09.2010 bis einschließlich 28.02.2011 in hiesiger Kanzlei [Hervorhebung nur hier] ausgebildet habe“ (Bl. 241 d. A.).
57Die Namen weiterer Anwälte finden sich auf dem fraglichen Briefbogen nicht. Das Bestätigungsschreiben enthält somit zum einen die Aussage, dass der Beklagte zu 2) in eigener Person („ich habe …. ausgebildet“) die Beklagte zu 1) ausgebildet hat und zum zweiten die Aussage, dass dies in der Kanzlei „L - T “ geschehen ist. Bekanntlich befand sich der Beklagte zu 2) zum damaligen Zeitpunkt mit der Rechtsanwältin T in einer Sozietät und mit einigen weiteren Rechtsanwälten in einer Bürogemeinschaft. Bezeichnenderweise spricht auch der Kläger selbst in seiner Antragsformulierung – formalrechtlich korrekt – die nur in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwälte jeweils als „Rechtsanwaltskanzlei“ an.
58b. Selbst wenn man die Aussage des Beklagten zu 2) in seinem Bestätigungsschreiben vom 28.03.2011 aber noch für zu ungenau hielte, so gilt dies nicht für die Protokollerklärung, die der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2) für diesen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 11.07.2012 abgegeben hat. Dort heißt es:
59„Die Beklagte zu 1) hat während der Phase der Ausbildung beim Beklagten zu 2) ausschließlich Tätigkeiten auf dessen Weisung verrichtet.“
60Wer einem Auszubildenden Weisungen erteilt, also das Ob, Was und Wie seiner Tätigkeiten bestimmt, geriert sich als der Ausbildungsverantwortliche. Dies entspricht auch den dem Zuwendungsbescheid der B zugrundegelegten Verhältnissen; denn in dem Vermerk der B vom 29.10.2009 heißt es, dass die fehlenden Ausbildungsinhalte, die der antragstellende Betrieb nicht alleine vermitteln kann, „von der Rechtsanwaltskanzlei L /T übernommen“ wird (Anlage K 18, Bl. 265 d. A.).
61c. Der gegen die Relevanz der Protokollerklärung des Beklagten zu 2) vom 11.07.2012 gerichtete Einwand des Klägers, es entspreche nicht den Verträgen über die Verbundausbildung mit dem Beklagten zu 2) und demnach auch nicht dem Zuwendungsbescheid, wenn die Beklagte zu 1) während der Verbundphase auf Veranlassung des Beklagten zu 2) für andere Anwaltskanzleien gearbeitet hätte, geht fehl. Es ist nicht dasselbe, wenn eine Auszubildende auf Veranlassung ihres Verbundausbilders teilweise von anderen Anwaltskanzleien ausgebildet wird, also die Ausbildungsinhalte betreffende Weisungen erhält, oder ob – so der Erklärungswert der Protokollerklärung vom 11.07.2012 – der verantwortliche Verbundausbilder der Auszubildenden die Weisungen zu ausbildungsrelevanten Tätigkeiten selbst erteilt, mag auch in dem einen oder anderen Fall das Ergebnis der Tätigkeiten auch dritten, mit dem Verbundausbilder nur in Bürogemeinschaft stehenden Kanzleien zugutekommen, wie dies etwa bei der Entgegennahme von Anrufen auf einem gemeinsam betriebenen Telefon der Fall sein kann.
62d. Die vom Kläger angesprochenen „Problemfälle“ bei der Förderung von Verbundausbildungen in der Vergangenheit betrafen die Konstellation, dass der Stammausbilder/Antragsteller der Förderung mit dem vorgesehenen Verbundausbilder eine Bürogemeinschaft bildete, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist.
632. Auch die Forderung des Berufungsklägers, vom Beklagten zu 2) einen schriftlichen Bericht über dessen Ausbildungstätigkeit während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 zu erhalten, hat das Arbeitsgericht richtigerweise abschlägig beschieden.
64a. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Ansinnen des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ist nicht erkennbar. Zwar wird man dem Kläger als dem ursprünglichen Hauptvertragspartner des Ausbildungsverhältnisses und ‚Stammausbilder‘ der Auszubildenden ein berechtigtes Interesse daran nicht absprechen können zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte der Auszubildenden während der Verbundphase der Ausbildung vermittelt worden sind. Diesem berechtigten Interesse des Klägers ist aber bereits dadurch genüge getan, dass sich der Kläger im Besitz des vollständigen Textes aller Berichtshefte der Beklagten zu 1) auch für die Zeit von 01.09.2010 bis 28.02.2011 befindet. Ausführlicher als anhand solcher Berichtshefte kann der Kläger nicht über den Verlauf der Verbundausbildungsphase der Beklagten zu 1) unterrichtet werden.
65b. Der Einwand des Klägers, dass die ihm vorliegenden Berichtshefte nur die Unterschrift der Beklagten zu 1), nicht aber die Unterschrift des Beklagten zu 2) aufwiesen, ist für das hier geltend gemachte Informationsinteresse des Klägers unerheblich. Indem sich der Beklagte zu 2) im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits mehrfach gegenüber dem Kläger darauf berufen hat, dass sich dieser ja im Besitz der Informationen aus den Berichtsheften der Beklagten zu 1) befindet, hat er sich dem Kläger gegenüber den informatorischen Gehalt dieser von der Beklagten zu 1) stammenden Aufzeichnungen zu Eigen gemacht. Ergänzend tritt hierneben noch die Information des Beklagten zu 2) aus seinem Schreiben vom 28.03.2011 an den Kläger über den Ausbildungsinhalt.
663. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz etwaigen zukünftigen Schadens „infolge des vorzeitigen Abbruchs der Verbundausbildung“ abgewiesen.
67a. Unter „vorzeitigem Abbruch der Verbundausbildung der Beklagten zu 1)“ versteht der Kläger die einseitige Beendigung des zwischen ihm und der Beklagten zu1) begründeten Ausbildungsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011.
68b. Der Berufungskläger hat nicht plausibel machen können, dass ihm aus diesem Tatbestand – abgesehen von dem im Antrag zu 4) geltend gemachten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) – ein weiterer Anspruch oder ‚Schaden‘ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen könnte. Der Kläger hat die Prognose eines möglichen zukünftigen Schadens insbesondere auf die Befürchtung gestützt, dass die Beendigung des Verbundausbildungsverhältnisses zum 01.03.2011 durch die Beklagte zu 1) dazu führen könne, dass der Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Rückzahlung der erhaltenen Fördergelder angeordnet werden könnte. Diese Befürchtung des Klägers ist jedoch obsolet. Die B hat zwar mittlerweile durch ihren Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid tatsächlich zurückgenommen und die Rückzahlung des dem Kläger zugeflossenen Fördergeldes angeordnet. Diese Rückzahlungsforderung wird von der Bezirksregierung aber in keiner Weise mit einem vorzeitigen Abbruch der Verbundausbildung begründet, sondern damit, dass aufgrund falscher Angaben des Klägers die Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördergelder von vorneherein nicht vorgelegen hätten.
69c. Die B hätte im Übrigen auch keinen Anlass gehabt, die zugewandte Subvention wegen einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zurückzufordern. Zum einen konnte die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 01.03.2011, ihre Rechtswirksamkeit einmal unterstellt, den Ausbildungsvertrag frühestens zum 01.03.2011, 24.00 Uhr beenden. Damit wäre die Beendigung in jedem Fall erst in der zweiten Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Gesamtausbildungszeitraums erfolgt. Zum anderen ist die während des Bestands des Verbundausbildungsvertrages in der Zeit vom 01.09.2009 bis 01.03.2011 aufgebrachte Mühewaltung an der Ausbildung der Beklagten zu 1), auch nicht fehlgeschlagen; denn die Beklagte zu 1) hat ihre Ausbildung bei einem anderen Rechtsanwalt, dem Beklagten zu 2), fortgesetzt und zu Ende geführt.
704. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Erstattung der von ihm während der Verbundphase vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*1) an die Beklagte zu 1) gezahlten Ausbildungsvergütung. Auch diesen Anspruch hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen.
71a. Der Kläger hat in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) über die Verbundausbildung ausdrücklich die alleinige „vertragliche und finanzielle Verantwortung für die Auszubildende“ auch für die Dauer der Verbundphase übernommen. Damit traf den Kläger – und wie die Verwendung des Begriffes „ausschließlich“ im Text des Kooperationsvertrages bestimmt, nur diesen – unstreitig die Verpflichtung, auch in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 (*2) die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) zu zahlen.
72b. Der Kläger hat durch die Zahlung der Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) während dieser Zeit somit nur seine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt.
735. Eine Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung dieser Beträge vom Beklagten zu 2) besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt ein solcher Anspruch nicht aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 426 BGB.
74a. Dies scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hinsichtlich der Ansprüche des Beklagten zu 1) auf Zahlung der Ausbildungsvergütung im Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2011 kein Gesamtschuldverhältnis vorlag. Die aus § 17 Abs.1 S. 1 BBiG folgende Verpflichtung eines Ausbildenden, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren, traf im vorliegenden Fall auch während der Verbundphase der Berufsausbildung nur den Kläger. Der Kläger übersieht, dass der zwischen ihm und der Beklagten zu 1) begründete Berufsausbildungsvertrag auch während der Zeit, in der die Beklagte zu 1) ihre Verbundausbildung beim Beklagten zu 2) absolvierte, fortbestand. Wie aus § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) hervorgeht, hatte aus der Sicht dieses Vertrages die Verbundausbildungsphase bei dem Beklagten zu 2) den Stellenwert einer „Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte“. Hierzu nimmt § 3 Ziffer 12 des Berufsausbildungsvertrages ausdrücklich auf den Verbundausbildungsvertrag Bezug, den der Kläger mit dem Beklagten zu 2) geschlossen hat. Die in diesem Verbundausbildungsvertrag der beiden Anwälte getroffene Vereinbarung, dass „die finanzielle Verantwortung für die Auszubildende ausschließlich bei Rechtsanwalt Dr. R “ liegt, gilt somit unmittelbar auch im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1).
75b. Zudem heißt es ergänzend in § 5 Ziffer 2 des Berufsausbildungsvertrages des Klägers mit der Beklagten zu 1) unter der Überschrift „Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte“ :
76„Für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, die … in § 3 Nr. 12 vereinbart sind, trägt der Ausbildende die notwendigen Kosten, soweit der Auszubildende nicht einen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat.“
77„Ausbildender“ im Sinne dieses Vertrages ist ausweislich der Eintragung bei Buchstabe b) vor § 1 des Ausbildungsvertrages der Kläger.
78c. Dass sich der Beklagte zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) gesondert verpflichtet hätte, dieser für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2011 ebenfalls – zusätzlich oder alternativ zum Kläger – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
79d. Die Beklagte zu 1) hätte somit in der Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 ihre Ansprüche auf Ausbildungsvergütung nicht mit Aussicht auf Erfolg gegenüber dem Beklagten zu 2) geltend machen können. Von einer gleichrangigen Alternativschuld, wie sie Voraussetzung eines Gesamtschuldverhältnisses ist, kann somit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) keine Rede sein.
806. Der mit dem Klageantrag zu 3) geltend gemachte Erstattungsanspruch des Klägers kann auch nicht aus § 313 Abs. 1 BGB hergeleitet werden.
81a. In der Berufungsbegründung führt der Kläger aus, Geschäftsgrundlage dafür, dass er auch während der Verbundphase der Berufsausbildung der Beklagten zu 1) die Verpflichtung übernommen habe, deren Ausbildungsvergütung weiter zu zahlen, sei die zeitliche Begrenzung der Verbundphase auf sechs Monate gewesen. Dies erweist sich schon aufgrund der vorgelegten Verträge als unzutreffend. Die „voraussichtliche Dauer“ des in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu absolvierenden Verbundausbildungsabschnittes von sechs Monaten war nicht Geschäftsgrundlage, sondern unmittelbarer Vertragsinhalt. Zwischen Vertragsinhalt und Geschäftsgrundlage ist streng zu unterscheiden (BGH NJW 83, 2036). Was nach dem Vertragstext bereits Vertragsinhalt ist, kann nicht Geschäftsgrundlage sein (BGHZ 91, 1600; Palandt/Grüneberg, § 313 Rdnr. 10).
82b. Unabhängig davon hat sich an der vertraglich vorgesehenen Dauer der Verbundausbildungsphase von sechs Monaten aber auch nachträglich nichts geändert. Die auf der Basis des Berufsausbildungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von der Beklagten zu 1) absolvierte Verbundausbildungsphase war am 28.02.2011 beendet.
83c. Zwar ist die Beklagte zu 1) bekanntlich über den 01.03.2011 hinaus in der Kanzlei des Beklagten zu 2) verblieben und wurde dort weiter ausgebildet. Dies geschah jedoch gerade nicht auf der Grundlage des vom Kläger mit den Beklagten abgeschlossenen Verbundausbildungsvertrages, sondern auf der Grundlage eines neuen Berufsausbildungsvertrages, den die Beklagte zu 1) für die Zeit ab 01.03.2011 mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte.
847. An anderer Stelle führt der Kläger sinngemäß aus, als Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs.1 BGB für seine Kostenübernahmeverpflichtung in dem Kooperationsvertrag sei es anzusehen, dass die Beklagte zu 1) nach Abschluss der sechsmonatigen, in der Kanzlei des Beklagten zu 2) zu verbringenden Verbundphase in seine eigene Kanzlei zurückkehrt und ihre Ausbildung hier fortsetzt. In diese Richtung führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus: „Eine junge Dame im ersten Lehrjahr aufzubauen und in das Berufsbild einzuführen, kostet bezogen auf den Gesamtzeitraum der Ausbildung die meisten Anstrengungen… Ich wollte danach schon auch noch etwas von ihr haben, nachdem sie aus Köln zurückkommen sollte. So war es allseits besprochen und wurde es zur Vertragsgrundlage“.
85a. Zu dieser Argumentation hat das Arbeitsgericht bereits unter Abschnitt III seiner Entscheidungsgründe Zutreffendes eingewandt. Unter anderem hat es ausgeführt: „Es versteht sich von selbst, dass bei Begründung des als befristetes Dauerschuldverhältnis begründeten Ausbildungsverhältnisses keiner der Beteiligten verbindlich davon ausgehen oder auch nur prognostizieren konnte, dass das Ausbildungsverhältnis bis zum Abschluss der Ausbildung beim Kläger fortgeführt werden würde“.
86b. Der Kläger erkennt, dass das Arbeitsgericht mit dieser Aussage u. a. die jederzeit gegebene Möglichkeit eines Auszubildenden anspricht, nach eigenem Gutdünken den Ausbildungsberuf zu wechseln oder die Berufsausbildung gänzlich abzubrechen. Der Kläger versucht, dieses Argument des Arbeitsgerichts dadurch zu entkräften, dass er meint, ein solcher Fall wäre mit dem vorliegenden nicht vergleichbar; denn „dann wäre eine Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte, nicht erfolgt“ (Berufungsbegründung Seite 13).
87c. An anderer Stelle der Berufungsbegründung räumt der Kläger der Beklagten zu 1) sogar die – gesetzlich eigentlich nicht vorgesehene – Möglichkeit ein, das Ausbildungsverhältnis mit ihm „unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden; in diesem Fall … wäre mir jedoch auch kein Schaden entstanden“.
88d. Mit den unter b. und c. behandelten Aussagen widerspricht der Kläger seinem eigenen Ansatz, Geschäftsgrundlage des Kooperationsvertrages sei es gewesen, dass die Beklagte zu 1) nach einer sechsmonatigen Verbundausbildungsphase beim Beklagten zu 2) in seine Kanzlei zurückkehre; denn hätte die Beklagte zu 1) die Ausbildung abgebrochen, den Ausbildungsberuf gewechselt, oder hätte sie eine – vom Kläger als jederzeit berechtigt eingestufte – ordentliche Kündigung ausgesprochen, wäre sie ebenfalls nicht oder jedenfalls nicht dauerhaft zu ihm zurückgekehrt.
89e. Ausschlaggebend scheint für den Kläger vielmehr eine „Bereicherung, die ich dem Beklagten zu 2) an mir vorhalte“ (Berufungsbegründung S.13), zu sein, die aus Sicht des Klägers gerade dadurch eingetreten sein soll, dass die Beklagte zu 1) ihre Ausbildung nach Abschluss der Verbundphase beim Beklagten zu 2) fortgesetzt hat.
90aa. Eine Geschäftsgrundlage, die darin bestanden haben sollte, dass die Beklagte zu 1) nach der Verbundphase ihre Ausbildung jedenfalls nicht beim Beklagten zu 2) fortsetzt, wäre für diesen schlechterdings nicht erkennbar gewesen.
91bb. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) aus objektiver Sicht auch nicht den Schluss ziehen musste, dass er sich durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit der Beklagten zu 1) für die Zeit ab dem 1.3.2011 auf Kosten des Klägers bereichern würde.
92aaa. Zum einen ist der Beklagte zu 2) in der Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 seiner im Kooperationsvertrag übernommenen Pflicht, die Beklagte zu 1) auszubilden, nachgekommen.
93bbb. Zum anderen konnte er davon ausgehen, dass der Kläger die von ihm für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.20111 gezahlte Ausbildungsvergütung zweckentsprechend aus den von ihm beantragten Fördermitteln begleichen würde.
94ccc. Für die Zeit ab 1.3.2011 hat er schließlich sämtliche Pflichten eines Ausbilders gegenüber der Beklagten zu 1) einschließlich der Vergütungspflicht in vollem Umfang selbst übernommen.
958. Das Berufungsgericht hat ferner in Erwägung gezogen, ob eine Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB in dem Umstand gelegen haben könnte, dass der Kläger die von ihm beantragten Mittel des Landesarbeitsministeriums und des Europäischen Sozialfonds zur Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ erhalten würde und behalten darf mit der Folge, dass der nunmehr drohende Entzug dieser Fördermittel zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage und einem Anspruch des Klägers auf Anpassung des Kooperationsvertrages führen würde. Nach nochmaliger näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist das Berufungsgericht jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch des Klägers auf die im Klageantrag zu 3) geforderte Leistung hergeleitet werden kann.
96a. Unter einer Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB versteht man nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG NZA 2010, 465; BGH NJW-RR 2006, 1037 f.; BGH NJW 2001, 1204; BGH NJW 1995, 592 f.; Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 3).
97b. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, er habe bei der – unstreitig allein auf seine Initiative zurückgehenden – Vertragsanbahnung dem Beklagten zu 2) den Abschluss des Kooperationsvertrages zur Verbundausbildung dadurch schmackhaft gemacht, dass er ihm eröffnet habe, er habe die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, daher sei die Angelegenheit für den Beklagten zu 2) kostenfrei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung des Klägers so oder ähnlich wörtlich gefallen ist. Unstreitig war der Beklagte zu 2) jedenfalls bei den Vertragsgesprächen darüber informiert, dass der Kläger eine entsprechende Förderung beantragt hat, bzw. beantragen wollte. Der Beklagte zu 2) hat sich in der mündlichen Verhandlung sogar dahin eingelassen, dass er bei den Vertragsverhandlungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Förderung schon erhalten habe.
98c. Bei dieser Sachlage musste sich dem Beklagten zu 2) objektiv betrachtet der Eindruck aufdrängen, dass gerade der Erhalt der Fördergelder ausschlaggebend dafür war, dass der Kläger sich zur Übernahme der Ausbildungsvergütung auch während der Verbundphase bereiterklärte, dass diese Bereitschaft des Klägers aber auch mit dem Erhalt der Fördergelder ‚stehen oder fallen würde‘.
99d. Zwar ist anerkannt, dass bei Verhandlungen über den Abschluss von Verträgen, in denen sich eine Partei zu Geldleistungen verpflichtet, Vorstellungen dieser Partei darüber, wie sie ihre Geldzahlungsverpflichtungen zu finanzieren gedenkt, gemeinhin nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages werden, auch wenn die Vorstellungen dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Kenntnis gebracht werden (BGH NJW 1983, 1490). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt allerdings darin, dass der Kläger sich mit der von ihm in dem Kooperationsvertrag eingegangenen finanziellen Verpflichtung anders als z. B. bei einem typischen Kaufvertrag keine Gegenleistung erkaufen wollte, die für ihn selbst einen unmittelbaren eigenen Vorteil bedeutet hätte. Aus der Sicht des Vertragspartners musste es vielmehr naheliegen, dass der Kläger nur die Möglichkeit, Fördergelder erhalten zu können, dazu nutzen wollte, das Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten zu 1) allgemein zu fördern. Wenn der Beklagte zu 2) sich sodann in Kenntnis der genannten Umstände auf den Kooperationsvertrag einlässt, könnte dies nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der geschilderten Erwartung des Klägers in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten sein (hierzu vgl. Palandt/Grüneberg, § 313 BGB, Rdnr. 9).
100e. Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben. Auch wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass der Erhalt und das Behaltendürfen der Fördermittel ursprünglich zur Geschäftsgrundlage seiner Kostenübernahmepflicht in dem Kooperationsvertrag geworden sind, kommt ein Anpassungsanspruch des Klägers nach § 313 Abs. 1 BGB, der ganz oder teilweise die im Klageantrag zu 3) begehrte Leistung zum Inhalt hätte, dennoch nicht in Betracht. Dies steht bereits jetzt fest.
101aa. Eine in dem Behaltendürfen der staatlichen Fördermittel bestehende Geschäftsgrundlage droht wegzufallen; denn die Bezirksregierung hat mit Bescheid vom 13.02.2013 den Zuwendungsbescheid aufgehoben und die Fördermittel vom Kläger zurückgefordert.
102bb. Nach der rein formalrechtlichen Betrachtungsweise des BAG (vgl. BAG vom 23.05.2013, 2 AZR 991/11) wäre der Wegfall der Geschäftsgrundlage derzeit aber noch nicht eingetreten; denn der Kläger hat bekanntlich gegen den Rückforderungsbescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Anfechtungsklage hat, wie der Beklagte zu 2) zutreffend ausführt, aufschiebende Wirkung. Damit ist der Rückforderungsbescheid noch nicht bestandskräftig und somit in dem Rechtsverhältnis der hiesigen Parteien zueinander noch nicht zugrundezulegen. Dies müsste zur Zurückweisung des Klageantrags zu 3) des Klägers als zumindest derzeit unbegründet führen.
103f. Ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses des vor dem Verwaltungsgericht betriebenen Anfechtungsprozesses steht aber bereits jetzt endgültig fest, dass der Kläger eine Anpassung des Kooperationsvertrages hinsichtlich der Verpflichtung zur Übernahme der Ausbildungskosten der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.11.2012 (*3) nicht verlangen kann. Auch bei dem nachträglichen Wegfall einer Geschäftsgrundlage kann eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts allein der Kläger das Risiko zu tragen, ob er die von ihm beantragten und auch zunächst erhaltenen staatlichen Fördergelder endgültig behalten darf oder zurückzahlen muss. Ihm muss zugemutet werden, an dem Vertrag festgehalten zu werden, auch wenn der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung hinsichtlich der dem Kläger bewilligten Fördergelder rechtskräftig wird.
104aa. Für die vertragliche Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht bereits, dass allein der Kläger Antragsteller und Empfänger der staatlichen Förderleistungen war. Der Beklagte zu 2) hat hieran weder mitgewirkt noch irgendeinen Einfluss darauf genommen.
105bb. Für die Risikoverteilung zu Lasten des Klägers spricht ferner der Umstand, dass die Verbundausbildung und der Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) auf alleinige Initiative des Klägers zustande gekommen sind. Der Beklagte zu 2) seinerseits war dem Kläger bis dahin völlig unbekannt. Nach eigener Angabe des Klägers hat dieser sich die Anschrift des Beklagten aus dem Branchenbuch herausgesucht und sodann mit dem Beklagten Kontakt aufgenommen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Beklagten zu 2) hatte dieser bis dahin keinerlei Erfahrungen mit einer Verbundausbildung und hätte sich zur Mitwirkung an einer solchen nicht bereit erklärt, wenn dies für ihn mit Kosten verbunden gewesen wäre.
106g. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass der Kläger hätte erkennen müssen, aber die Augen davor verschlossen hat, dass die Voraussetzungen für den Erhalt der von ihm beantragten staatlichen Fördergelder von vorneherein nicht erfüllt waren.
107aa. Sinn und Zweck der Förderung der „Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund“ durch das Landesarbeitsministerium und den Europäischen Sozialfond besteht nach dem Verständnis des Berufungsgerichts darin, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, insbesondere in Kleinbetrieben, bei selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberuflern. Es gibt ausbildungswillige Betriebe, die nicht in der Lage sind, eigenständig Ausbildungsplätze vorzuhalten, weil nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die nach den Ausbildungsverordnungen in bestimmten Ausbildungsberufen vermittelt werden müssen, im eigenen Betrieb vermittelt werden können. Dies kann z.B. daran liegen, dass bestimmte ausbildungsrelevante Arbeitsaufgaben im eigenen Betrieb nicht vorkommen, dass es an geeignetem Ausbildungspersonal oder sonstigen notwendigen Ressourcen wie Maschinenanlagen o. ä. fehlt. Solchen Betrieben soll es durch die staatliche Förderung ermöglicht werden, sich zum Zwecke der Berufsausbildung mit anderen Betrieben zusammen zu tun, die die im Stammbetrieb fehlenden, nach der Ausbildungsordnung aber notwendigen Ausbildungsinhalte ergänzend vermitteln können.
108bb. Dagegen liegt der Zweck der vom Kläger beantragten staatlichen Fördergelder ersichtlich nicht etwa darin, eine wie auch immer geartete – und wie zu messende? – ‚pädagogische Qualität‘ bei bereits vorhandenen Ausbildungsplätzen zu steigern oder gar, wie die Bezirksregierung in ihrem Bescheid vom 13.02.2013 zutreffend ausführt, dem Auszubildenden durch die Möglichkeit, in verschiedenen Ausbildungsbetrieben eingesetzt zu werden, „eine Abwechslung zu verschaffen“. Ebenso wenig stellt es den Zweck der staatlichen Förderung dar, für eigenständig ausbildungsfähige, aber tatsächlich eher ausbildungsunwillige Betriebe einen finanziellen Anreiz zu schaffen, sich dennoch mit der Berufsausbildung zu befassen.
109cc. Der skizzierte Zweck der vom Kläger in Anspruch genommenen staatlichen Fördermittel spiegelt sich in Fragestellungen wieder, die der Antragsteller im Rahmen der Antragsunterlagen beantworten muss. Geht aus den Antragsunterlagen nicht hervor, dass der Antragsteller „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“, so scheidet eine Förderung aus. Dasselbe gilt, wenn angegeben wird, dass er „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermittelt“.
110dd. Der Antragsteller hat sich bei der Beantragung der Fördermittel von der Rechtsanwaltskammer bestätigen lassen, dass er „nicht alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang vermitteln kann“. Wie der Kläger im Rahmen seiner Selbstanzeige gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft und auch im Rahmen des vorliegenden Prozesses zutreffend ausführt, ist diese Angabe objektiv falsch. Grundsätzlich ist nämlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine eigene Kanzlei mit Büroorganisation betreibt, sehr wohl in der Lage, alle nach der Ausbildungsverordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vollen Umfang zu vermitteln. Anders, als dies etwa bei Rechtsreferendaren der Fall ist, sieht die Ausbildungsordnung für Rechtsanwaltsfachangestellte gerade nicht vor, dass diese im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit unterschiedliche materiellrechtliche Fachgebiete wie z.B. Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht usw. durchlaufen müssten. Vielmehr ist es ohne Weiteres möglich, dass eine Auszubildende für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten ihre gesamte praktische Ausbildung in einer Rechtsanwaltskanzlei absolviert, die auf nur wenige oder gar ein einziges Rechtsgebiet spezialisiert ist, z. B. Strafverteidigung, Medizinrecht, Verwaltungsrecht o. ä.. Der vorliegende Fall verdeutlicht beispielhaft, dass eine Azubi zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei wie derjenigen des Beklagten zu 2) mit ganz ähnlichen Tätigkeiten betraut ist, wie es zuvor in der Allgemeinkanzlei des Klägers der Fall war. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der Berichtshefte der Beklagten zu 1) aus der Zeit ihrer Ausbildung beim Kläger einerseits, aus der Zeit der Phase vom 01.09.2010 bis 2802.2011 beim Beklagten zu 2) andererseits.
111ee. Der Kläger war im Zeitpunkt der Beantragung der Fördermittel für die Beklagte zu 1) bereits seit über einem Jahr allein und selbstständig mit der Ausbildung einer anderen Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten befasst. Gleichwohl hat er sich in seinem Förderantrag auf die Bestätigung der Rechtsanwaltskammer bezogen, in welcher die formularmäßig vorgegebene Frage, ob der Antragsteller „derzeit im angegebenen Ausbildungsberuf selbstständig ausbildet und alle nach der Ausbildungsverordnung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in vollem Umfang vermittelt“, gerade nicht bejaht wird.
112ff. Der Kläger gibt an, die Verbundausbildung aus ‚pädagogischen Gründen‘ initiiert zu haben. Wäre es hingegen darum gegangen, dass er in eigener Person nicht alle geforderten Ausbildungsinhalte hätte vermitteln können, so hätte er sich gezielt einen Verbundpartner aussuchen müssen, welcher gewährleistete, dass er die beim Kläger bzw. dessen Kanzlei vorhandenen Defizite zuverlässig würde ausgleichen können. Der Kläger kannte jedoch nach eigenem Bekunden weder den Beklagten zu 2) noch dessen Kanzlei und hat sich seinen Verbundpartner aus dem Branchenbuch herausgesucht.
113h. Ob die Falschangaben des Klägers bei der Beantragung der Fördermittel dazu führen werden, dass der Rückforderungsbescheid der Bezirksregierung rechtskräftig werden wird, hängt noch von weiteren, auch verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen ab, deren Beurteilung der Verwaltungsgerichtsbarkeit überlassen bleiben muss. In jedem Fall hat der Kläger jedoch das hohe Risiko einer Rückzahlungsverpflichtung durch verantwortliches Handeln selbst herbeigeführt. Soweit dieses Risiko auch die von ihm eingegangene finanzielle Verpflichtung in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) berührt, ist es ihm daher verwehrt, dieses Risiko ganz oder teilweise auf den Beklagten zu 2) abzuwälzen. Eine entsprechende Anpassung des Kooperationsvertrages scheidet aus. Nach Lage der Dinge ist es dem Kläger zuzumuten, an seiner in dem Kooperationsvertrag mit dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtung, die Ausbildungsvergütung an die Beklagte zu 1) für die Zeit vom 1.9.2010 bis 28.2.2011 zu zahlen, auch dann festgehalten zu werden, wenn er die Fördergelder zurückzahlen muss.
114i. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der Beklagte zu 2) als erfahrener Rechtsanwalt ebenfalls ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Förderung der Verbundausbildung tatsächlich nicht gegeben waren, ohne dass es hierfür einer näheren Kenntnis der persönlichen oder betrieblichen Verhältnisse des Klägers bedurft hätte.
115aa. Hierzu hätte sich der Beklagte zu 2) jedoch zunächst einmal mit den Einzelheiten des Subventionsantrages des Klägers sowie den einschlägigen Subventionsvoraussetzungen beschäftigen müssen. Der Kläger gibt lediglich – vom Beklagten zu 2) bestritten – an, dass er diesem im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Antragsunterlagen vorgelegt habe. Es ist aber nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht behauptet, dass der Beklagte zu 2) sich tatsächlich mit den Förderungsvoraussetzungen und der Antragstellung des Klägers näher befasst hätte.
116bb. Hierzu hatte der Beklagte zu 2) auch keinen Anlass. Der Beklagte zu 2) war nicht der Initiator der Vertragsverhandlungen über eine Verbundausbildung der Beklagten zu 1). Erst recht war der Beklagte zu 2) nicht der Antragsteller oder Empfänger der von der Bezirksregierung zugeteilten Leistungen.
117k. Schließlich kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten zu 2) auch nicht damit entlasten, dass die Rechtsanwaltskammer Köln die objektiv falschen Angaben bei der Beantragung der Fördergelder der Bezirksregierung gegenüber ausdrücklich bestätigt hat.
118aa. Allerdings erscheint es auch aus der Sicht des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehbar, dass die Rechtsanwaltskammer Köln eine solche Bestätigung abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, wenn es zutrifft, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben in dem Bestätigungsformular nicht näher überprüft hat. Da, wie vom Kläger zutreffend ausgeführt wird, grundsätzlich jeder zugelassene Rechtsanwalt, der eine Kanzlei mit eigener Büroorganisation betreibt, in der Lage ist, einer Auszubildenden für den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten sämtliche Ausbildungsinhalte vollständig zu vermitteln, kann sich das Berufungsgericht, wenn überhaupt, allenfalls auf besonderen Konstellationen beruhende Ausnahmefälle vorstellen, in denen die fraglichen Voraussetzungen für die Zuwendung der Fördermittel erfüllt sein könnten. Gerade wenn eine nähere Prüfung der individuellen Verhältnisse eines Antragstellers unterbleibt, wäre somit zu erwarten gewesen, dass die Rechtsanwaltskammer die Angaben im Zweifel nicht bestätigt.
119bb. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger der Initiator der Antragstellung war, die Rechtsanwaltskammer ihm eben nur eine „Bestätigung“ zur Verfügung gestellt hat und der Kläger sich diese inhaltlich falsche Bestätigung dadurch zu Eigen gemacht hat, dass er sie im Rahmen seiner Antragstellung bei der Bezirksregierung eingereicht bzw. sich dieser gegenüber auf die Bestätigung berufen hat.
120III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
121Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.
122R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
123Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
124Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
125(*1), (*2) und (*3)
126LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
BERICHTIGUNGSBESCHLUSS
127In dem Rechtsstreit
128wird der Urteilstext wegen offensichtlicher Schreibfehler bei der Reinschrift des Urteils vom 03.04.2014 von Amts wegen wie folgt berichtigt:
129- auf Seite 16 in der 18. und 25. Textzeile werden die dort wiedergegebenen fehlerhaften Daten „28.11.2011“ durch das jeweils richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt;
130- auf Seite 24 in der 16. Textzeile wird das fehlerhafte Datum „28.11.2012“ durch das richtige Datum „28.02.2011“ ersetzt.
131Köln, den 20.10.2014
(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.
(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.
(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.
(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
- 2
- Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3
- Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
- 4
- Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
- 5
- Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
- 6
- Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
- 7
- Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
- 8
- Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
- 9
- In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 10
- Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
- 11
- Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
- 12
- Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
- 13
- Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
- 14
- Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
- Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
- 16
- Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 17
- Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
- 18
- Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
II.
- 19
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
- 20
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
- 21
- Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
- 22
- Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
- 23
- Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits
).
- 24
- Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
- 26
- a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
- 27
- b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
- 28
- Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
- 29
- Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
- 30
- c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
- 31
- Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
- 32
- d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
- 33
- Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
- 34
- Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 35
- aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
- 36
- Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
- 37
- Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
- 38
- Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 39
- Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
- 40
- bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
- 41
- cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
- 42
- Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
- 43
- Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
- 44
- Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
- 45
- dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 46
- Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
- 47
- Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
- 48
- Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 49
- Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
- 50
- ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -
Tenor
Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 23.10.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe:
1I.
2Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage wegen einer seiner Auffassung nach unangemessenen Verzögerung der Bearbeitung des Verfahrens 8 O 305/08 Landgericht Bielefeld, vormals 2 C 112/08 Amtsgericht Halle (Westfalen). Wegen des bisherigen Verfahrensablaufs und des Standes des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens wird auf S. 1 bis 6 der Stellungnahme des Antragsgegners vom 06.03.2015 (= Bl. 37 – 42 GA) verwiesen.
3Der Antragsteller meint, angesichts der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer seien die Grenzen des für einen Prozessbeteiligten unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes noch Hinnehmbaren deutlich überschritten. Ihm könne dabei nicht angelastet werden, dass er von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen Gebrauch mache. Die Fachgerichte hätten das Verfahren erheblich beschleunigen können, wenn sie während der beiden Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren die Hauptsache durch Rückverweisung gemäß den Anträgen vom 16.04.2009 und 05.06.2014 weiterbetrieben hätten. Die von den Gerichten behauptete Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Halle vom 24.06.2008 bestehe nicht; daher könne das Landgericht Bielefeld mangels Zuständigkeit diesen Rechtsstreit nicht wirksam beenden; vielmehr habe es das Hauptsacheverfahren durch Rückverweisung zu fördern.
4Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Antragstellers wird auf den Inhalt seiner Schriftsätze vom 23.10.2014 und 27.03.2015 verwiesen.
5II.
6Der Prozesskostenhilfeantrag ist unbegründet. Der beabsichtigten Klage fehlen hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO.
71.
8Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gem. § 198 Abs. 1 GVG liegen nicht vor.
9a.
10Ein Entschädigungsanspruch für etwaige Verfahrensverzögerungen, die bis zu der mit Schriftsatz des Rechtsanwalts C vom 16.04.2014 erhobenen Verzögerungsrüge eingetreten sein mögen, kommt gem. Art. 23 Satz 2 und 3 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (ÜGRG) nicht in Betracht. Nach diesen Regelungen setzen Entschädigungsansprüche in bei Inkrafttreten des Gesetzes am 03.12.2011 bereits verzögerten und noch nicht abgeschlossenen Verfahren die unverzügliche Erhebung einer Verzögerungsrüge voraus. Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist die Unverzüglichkeit in diesem Sinne nur gegeben, wenn die Rüge innerhalb von 3 Monaten erhoben worden ist (BGH, Urteil v. 10.04.2014 – III ZR 335/13 – Rn. 25, juris). Fehlt es an einer unverzüglich erhobenen Rüge, sind Entschädigungsansprüche bis zur erstmaligen Erhebung der Verzögerungsrüge präkludiert (BGH, a.a.O., Rn. 27 ff, juris). Es ist vorliegend weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller vor der im Anwaltsschriftsatz vom 16.04.2014 angebrachten Rüge eine Verzögerungsrüge erhoben hat.
11b.
12Für die Zeit nach Anbringung der Verzögerungsrüge vom 16.04.2014 hat der Antragsteller eine die Zubilligung einer Entschädigung rechtfertigende Verfahrensverzögerung im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG nicht dargelegt. Dem insoweit vom Antragsgegner auf S. 4 – 6 der Stellungnahme vom 06.03.2015 dargelegten Verfahrensablauf zwischen dem 16.04.2015 und dem 03.02.2015 lassen sich jedenfalls durch die Verfahrensführung des Gerichts verursachte relevante Lücken in der Bearbeitung nicht entnehmen.
13Soweit der Antragsteller die Verzögerung darin sieht, dass seinem Begehren nach Rückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht bislang nicht entsprochen worden sei, stellt er die Richtigkeit des richterlichen Handelns und der daran ausgerichteten Verfahrensführung in Frage. Darauf kann aber ein Entschädigungsanspruch wegen zögerlicher Verfahrensführung nicht gestützt werden. Denn im Entschädigungsprozess ist die Verfahrensführung nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen, wobei letztere nur verneint werden darf, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. BGH, Urteil v. 13.02.2104 – III ZR 311/13 – Rn. 30, juris). Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen (Vgl. BSG, Urteil v. 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 43 juris). Anhaltspunkte für eine willkürliche Annahme der sachlichen Zuständigkeit durch das Landgericht sind indes nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Antragsteller – auch unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH vom 09.07.2014 - anderer Auffassung ist.
14c.
15Selbst wenn man entgegen den Ausführungen zu a. und b. eine relevante Verfahrensverzögerung annehmen wollte, würde eine Entschädigungsklage jedenfalls derzeit keine Aussicht auf Erfolg haben. Denn eine solche Klage wäre mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Ausgangsverfahren verfrüht erhoben und müsste deshalb als derzeit unbegründet abgewiesen werden. Bezugspunkt für die Beurteilung der Unangemessenheit ist stets die Gesamtverfahrensdauer (vgl. BGH, Urteil v. 14.11.2013 – III ZR 376/12, Rn. 31, juris). Vor Abschluss des Verfahrens kann nicht beurteilt werden, ob etwa bereits eingetretene Verzögerungen durch eine besonders beschleunigte Bearbeitung in nachfolgenden Phasen kompensiert worden sind. Insoweit ist zu beachten, dass gem. § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG eine Entschädigung nur beansprucht werden kann, soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 nicht ausreichend ist. Ob das der Fall ist, kann erst bei Abschluss des Verfahrens beurteilt werden und hängt maßgeblich vom weiteren Verfahrensverlauf ab, insbesondere von der künftigen Verfahrensförderung durch das Ausgangsgericht und dem Prozessverhalten des Antragstellers sowie der sonstigen Verfahrensbeteiligten.
16Etwas anderes kommt nur in Fällen in Betracht, in denen es bereits zu einer unangemessenen und unumkehrbaren Verzögerung der Verfahrensdauer gekommen ist und auch der Eintritt eines endgültigen Nachteils feststeht (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2014 – III ZR 37/13 – Rn. 28, 32, juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich, so dass auch für die Feststellungsanträge keine Erfolgsaussicht besteht.
172.
18Soweit der Antragsteller sein Klagebegehren auch auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG stützen möchte, kommt eine Prozesskostenhilfebewillgung durch das angerufene Gericht nicht in Betracht, weil insoweit ausschließlich das Landgericht zuständig ist, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil v. 27.02.2014 – III ZR 253/13 – Rn. 4, juris).
193.
20Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO liegen nicht vor.
(1) Die Verhandlung ist möglichst in einem Termin zu Ende zu führen. Ist das nicht durchführbar, insbesondere weil eine Beweisaufnahme nicht sofort stattfinden kann, so ist der Termin zur weiteren Verhandlung, die sich alsbald anschließen soll, sofort zu verkünden.
(2) Die gütliche Erledigung des Rechtsstreits soll während des ganzen Verfahrens angestrebt werden.
Tenor
Der Antrag, Herrn Rechtsanwalt N. M. , I.-----------ring 00-00, 00000, beizuladen, wird abgelehnt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des seine Beiladung begehrenden Rechtsanwalts N. M. , ihn zum Verfahren beizuladen, über den nach § 87a Abs. 3 i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 6 VwGO der Berichterstatter zu entscheiden hat, war abzulehnen.
3Die Voraussetzungen für eine hier allenfalls in Betracht kommende sog. einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO liegen hinsichtlich Herrn Rechtsanwalt M. . Seine rechtlichen Interessen werden durch die im vorliegenden Verfahren zu erwartende Entscheidung nicht berührt. Denn das das Landgericht Köln hat inzwischen von der zunächst erfolgten Aussetzung des Verfahrens Abstand genommen und mit Beschluss vom 8.01.2014 eine eigene „erneute Bewertung der Rechtslage“ als erforderlich angesehen und einen Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 3.04.2014 bestimmt.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.
(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.
(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.
(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Tenor
-
1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2014 - 4 Ta 248/13 (9) - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
-
3. Der Streitwert wird auf 8.137,02 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
-
I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin für die Monate Juni 2012 bis Mai 2013 in Höhe von 60.000,00 Euro brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 19.314,90 Euro.
- 2
-
Die Beklagte hatte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 23. April 2012 zum 31. Mai 2012 gekündigt. Mit Urteil vom 5. Dezember 2012 hat das Arbeitsgericht Dresden der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist durch das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 5. April 2013 (- 6 Sa 13/13 -) ohne Zulassung der Revisionsbeschwerde als unzulässig verworfen worden. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2013 (- 6 Sa 265/13 -) zurück. Die Beklagte erhob daraufhin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts und die Beschlüsse des Sächsischen Landesarbeitsgerichts beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde (- 1 BvR 1954/13 -), über die noch nicht entschieden ist.
- 3
-
Mit Beschluss vom 27. September 2013 hat das Arbeitsgericht Dresden den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 29. Januar 2014 diese Entscheidung aufgehoben und den Aussetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
- 4
-
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die erhobene Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht kommt.
- 5
-
1. Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Das Gesetz stellt die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Eine Aussetzung muss nur dann erfolgen, wenn sich das Ermessen des Gerichts auf null reduziert hat (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 106, 293). Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung - einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern - sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die dabei entstehenden Folgen für die Parteien abzuwägen (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 c der Gründe, aaO). Dabei ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer(§ 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 198 ff. GVG).
- 6
-
2. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach es wegen der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden über die Kündigung bereits an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis, das Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits ist, fehlt.
- 7
-
a) Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit zutreffend an, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden nach Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 ZPO) und (spätestens) nach der Entscheidung über deren Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) rechtskräftig geworden ist. Hieran ändert die erhobene Verfassungsbeschwerde nichts. Bei ihr handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der die Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht hemmt und die Pflicht des Unterlegenen, das Urteil zu befolgen, nicht beseitigt (BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C III 2 a aa der Gründe, BVerfGE 107, 395; 18. Januar 1996 - 1 BvR 2116/94 - zu B der Gründe, BVerfGE 93, 381). Damit steht (zunächst) rechtskräftig fest, dass die Kündigung vom 23. April 2012 unwirksam war.
- 8
-
b) Kommt allerdings das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der erhobenen Verfassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, dass das Recht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt wurde und hebt es die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG auf, stünde die Wirksamkeit der Kündigung erneut im Streit. Deshalb spricht manches dafür, dass trotz des anderen Streitgegenstandes der Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu Zuck Das Recht der Verfassungsbeschwerde 4. Aufl. Rn. 19) die Annahme des Bestehens eines vorgreiflichen Rechtsstreits und eine entsprechende Anwendung des § 148 ZPO im Einzelfall nicht ausgeschlossen sind(vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerfG 11. Januar 2000 - 1 BvR 1392/99 - zu II 2 der Gründe; BAG 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - zu II 3 a der Gründe; BGH 17. Juli 2013 - IV ZR 150/12 - [jeweils zu anhängigen Verfassungsbeschwerden über ein entscheidungserhebliches Gesetz]; BAG 27. Januar 1998 - 3 AZR 430/96 - zu A der Gründe [zu Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen in Parallelfällen]).
- 9
-
3. Unabhängig hiervon ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht durfte den Rechtsstreit über die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche (§ 615 BGB) nicht aussetzen. Auch unter Berücksichtigung der - was die Ermessensausübung angeht - eingeschränkten Überprüfungskompetenz im Beschwerderechtszug (vgl. dazu BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - Rn. 7 ff.; BGH 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 - Rn. 6) hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts einer Überprüfung nicht stand. Es hat die Grenzen seines Ermessens deutlich überschritten und wesentliche Aspekte verkannt.
- 10
-
a) Die Vorgreiflichkeit eines Rechtsstreits ist kein Ermessenskriterium, sondern eine Voraussetzung des § 148 ZPO, die erfüllt sein muss, damit das Ermessen des Gerichts überhaupt eröffnet ist(BVerfG 22. September 2008 - 1 BvR 1707/08 - Rn. 19, BVerfGK 14, 270).
- 11
-
b) Führen Parteien einen Rechtsstreit über Entgeltansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, über die bereits eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers vorliegt, kommt eine Aussetzung dieses Rechtsstreits regelmäßig nicht in Betracht. Dem steht der Umstand entgegen, dass der Arbeitnehmer typischerweise auf seine Vergütung angewiesen ist und sich nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verweisen lassen muss, wenn ein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Der arbeitsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) verbietet in solchen Fällen regelmäßig, eine Aussetzung vorzunehmen (vgl. zB LAG Köln 19. Juni 2006 - 3 Ta 60/06 -; LAG Schleswig-Holstein 24. November 2006 - 2 Ta 268/06 -; Hessisches LAG 3. Juli 2002 - 12 Ta 213/02 -; Thüringer LAG 27. Juni 2001 - 6/9 Ta 160/00 -; Düwell/Lipke/Kloppenburg ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 25; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2013 § 55 Rn. 48; GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 29; Schwab/Weth/Korinth ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 43; vgl. auch BVerfG 22. September 2008 - 1 BvR 1707/08 - Rn. 20, BVerfGK 14, 270). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen in einem solchen Fall besondere Gründe des Einzelfalls vorliegen, die das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer auch vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegen (LAG Köln 14. Dezember 1992 - 11 Ta 234/92 -). Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, nämlich den Rechtsstreit über die Vergütung ggf. deutlich zu vereinfachen, kann dabei keine Rolle spielen. Diese Erwägungen gelten erst recht, wenn das zunächst vorgreifliche Verfahren über die Wirksamkeit einer Kündigung rechtskräftig abgeschlossen und lediglich ein außerordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. Solche besonderen Gründe hat das Arbeitsgericht weder erwogen noch hat die Beklagte diese vorgetragen. Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf die Vorgreiflichkeit ihrer Verfassungsbeschwerde berufen. Allein die Gefahr widersprechender Entscheidungen bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde und einem Erfolg der Beklagten im dann fortzusetzenden Kündigungsschutzprozess führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Arbeitgeberin bleibt auch im Fall einer Ablehnung der Aussetzung nicht schutzlos. Sollte es nach einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde im Ergebnis zur Abweisung der Kündigungsschutzklage kommen, stünde ihr, falls der Vergütungsklage rechtskräftig stattgegeben worden ist, die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO zur Verfügung(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 6 der Gründe, BAGE 103, 290; vgl. auch BGH 23. November 2006 - IX ZR 141/04 - zu I 2 b der Gründe). Ob in Fällen, in denen erkennbar eine Überschreitung der 5-Jahres-Frist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO droht, etwas anderes gilt, kann dahinstehen. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.
- 12
-
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
-
Mikosch
Schmitz-Scholemann
W. Reinfelder
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt Entschädigung wegen überlanger Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
3Dieses steht im Zusammenhang mit dem Bemühen des 1953 geborenen Klägers, im Land Nordrhein-Westfalen die Zweite juristische Staatsprüfung abzulegen. Damit ist er bisher in allen Versuchen bereits im schriftlichen Teil gescheitert, weil jeweils sechs von seinen acht Klausuren mit „mangelhaft“ bewertet wurden. Aufgrund dessen stellte das zuständige Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (LJPA) in entsprechenden Bescheiden zum jeweiligen Prüfungsversuch das Nichtbestehen des Klägers fest; zu einer mündlichen Prüfung kam es nicht.
4Nach jeweils erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens beim LJPA unter Beteiligung der entsprechenden Prüfer erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht zu jedem der Prüfungsversuche eine auf Neubewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten gerichtete Klage gegen den Beklagten. Dahinter stand die Absicht, bei erfolgreicher Klage zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Zu jeder dieser Klagen stellte er nach einer gewissen Zeit beim Verwaltungsgericht Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, ihn vorläufig zur mündlichen Prüfung zuzulassen und zum nächstmöglichen Prüfungstermin zu laden.
5Zu dem jeweiligen Prüfungsversuch waren die folgenden Verfahren beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig:
6 Zum 1. Versuch das Klageverfahren 4 K 3173/12 und das Eilverfahren 4 L 1520/12;
7 zum 1. Wiederholungsversuch das Klageverfahren 4 K 5374/12 und das Eilverfahren 4 L 1371/13;
8 zum 2. Wiederholungsversuch das Klageverfahren 4 K 2916/13 und das Eilverfahren 4 L 566/14.
9Gegenstand dieser Entschädigungsklage ist das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
10Der Kläger stellte am 8. Oktober 2013 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beklagten. Den Antrag, für den er zugleich Prozesskostenhilfe beantragte, bezog er nach der Begründung auf den 1. Wiederholungsversuch und das Klageverfahren 4 K 5374/12 sowie den 2. Wiederholungsversuch und das Klageverfahren 4 K 2916/13. Die einstweilige Anordnung sei geboten, da es nicht unwahrscheinlich sei, dass ihm bei einer Neubewertung der schriftlichen Arbeiten die fehlenden zwei Punkte zur Zulassung zur mündlichen Prüfung zuerkannt würden, und es nicht zumutbar sei, sein Prüfungswissen über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.
11Zu der am 16. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht vorliegenden Erwiderung des LJPA nahm der Kläger am 30. Oktober 2013 Stellung.
12Nach einer Akteneinsicht an Gerichtsstelle drängte der Kläger mit an das Verwaltungsgericht gerichtetem Schreiben vom 28. November 2013 auf Entscheidung.
13Unter dem 10. Dezember 2013 machte er gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend, das LJPA solle sich zu der Anregung des Verwaltungsgerichts äußern, ihm die Teilnahme an einer mündlichen Prüfung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zu ermöglichen; sollte das LJPA dies ablehnen, solle das Gericht entscheiden. Hierauf teilte der Berichterstatter unter dem 12. Dezember 2013 mit, sein Begehren stütze sich auf sämtliche Einwendungen aus zwei Prüfungsverfahren, weshalb alle Einwendungen aus den Verfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 zu prüfen seien; diese umfangreiche Prüfung sei aufgrund des derzeitigen Anhangs noch nicht abgeschlossen und werde zumindest noch den Monat Januar 2014 benötigen.
14Am 8. Januar 2014 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht gemäß § 198 Abs. 3 GVG Verzögerungsrüge und machte im Wesentlichen geltend: Ihm entstehe durch die Verzögerung materieller Schaden dadurch, dass Kosten für die Auffrischung und Aktualisierung des Prüfungswissen z. B. durch den Besuch von Repetitorien anfielen, und sich als immaterieller Schaden seine Zeit und Mühe für die Auffrischung und Aktualisierung des Prüfungswissens ergebe. Nach seinem Schriftsatz vom 30. Oktober 2013 sei die Sache nach einer Äußerungsfrist von zwei Wochen spätestens ab dem 15. November 2013 entscheidungsreif, zumal die Gerichts- und Behördenakten in den Klageverfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 seit sechs bzw. zwölf Monaten vorlägen. Er erinnerte an die Intervention des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren 4 L 1520/12, die nach 8 ½ Monaten zur Entscheidung der Eilrechtssache geführt habe.
15Nach Übermittlung der Verzögerungsrüge an das LJPA lag die Eilsache dem Berichterstatter – abgesehen von einer weiteren Akteneinsicht durch den Kläger Ende Januar 2014 – im Wesentlichen von Mitte Januar bis Ende März 2014 vor.
16Am 31. März 2014 ging beim Verwaltungsgericht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2014 – 1 BvQ 9/14 – ein, mit dem dieses den auf einstweilige Zulassung zur mündlichen Prüfung gerichteten Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte, weil ein schwerer und unabwendbarer Nachteil des Klägers durch weiteres Zuwarten auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ersichtlich sei.
17Am selben Tage erhob der Kläger beim Präsidenten des Verwaltungsgerichts eine „Beschwerde wegen Untätigkeit der 4. Kammer“ im Eilverfahren 4 L 1371/13, die er im Wesentlichen damit begründete, dass die Kammer es seit sechs Monaten unterlasse, geeignete Maßnahmen zu einer Entscheidung in angemessener Frist zu treffen; bisher sei jegliche inhaltliche Bearbeitung der Sache unterblieben. Diese Beschwerde ergänzte er am 7. April 2014 und erhob insbesondere gegen den Berichterstatter Vorwürfe wegen unterbliebener inhaltlicher Bearbeitung der Eilsache sowie der Klageverfahren 4 K 5374/13 und 4 K 2916/13, ferner wegen vorsätzlicher Falschauskunft über den Sachstand der Bearbeitung und disziplinarrelevanter Arbeitsverweigerung.
18Mit Beschluss vom 8. April 2014 trennte die 4. Kammer das Begehren des Klägers auf vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung ab und führte es unter dem Aktenzeichen 4 L 556/14 fort, soweit es sich auf den zweiten Wiederholungsversuch (Klageverfahren 4 K 2916/13) bezog.
19Am 9. April 2014 erhob der Kläger erneut Verzögerungsrüge, die er mit der Verfahrensdauer von jetzt sechs Monaten begründete. Bei seiner Einsicht in die Gerichtsakte am 7. April 2014 habe er keinerlei Hinweise richterlicher Bearbeitung in der Sache gefunden, was als Rechtsschutzverweigerung gerügt werde.
20Am 12. April 2014 lehnte der Kläger den Berichterstatter, der auch für alle seine sonstigen Eil- und Klageverfahren zur Zweiten juristischen Staatsprüfung zuständig war, wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass dieser in allen Gerichtsverfahren, insbesondere den Eilsachen, die inhaltliche Bearbeitung unterlassen habe. Die 4. Kammer wies dieses Befangenheitsgesuch am 14. April 2014, einem Montag, zurück.
21Mit Schreiben vom 13. April 2014 trug der Kläger ergänzend vor und verwies für den Fall, dass der Umfang der Sache und der daraus folgende Zeitbedarf für eine inhaltliche Prüfung einer schnellen Entscheidung entgegenstünden, auf die Möglichkeit einer Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung.
22Mit Beschluss vom 7. Mai 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einschließlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Dieser dem Kläger am 9. Mai 2014 zugestellte Beschluss fiel kurz aus, weil die Kammer inhaltlich auf den Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe vom selben Tage im Klageverfahren 4 K 5374/12 verwies.
23Am 13. Mai 2014 erhob der Kläger hiergegen mit einem 25-seitigen Schriftsatz nebst zehn Seiten Anlagen Beschwerde in Bezug auf die Ablehnung von Prozesskostenhilfe und beantragte Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung.
24Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen die PKH-Ablehnung mit Beschluss vom 17. Juni 2014 – 14 E 577/14 – zurück und lehnte den PKH-Antrag für eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom selben Tage – 14 B 592/14 - ab. Die gegen diese Beschlüsse gerichteten Anhörungsrügen vom 30. Juni 2014 wies das Gericht mit Beschlüssen vom 10. Juli 2014 zurück (14 B 762/14 und 14 E 737/14).
25Der zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Kläger hat am 4. November 2014 beim erkennenden Gericht für dieses beabsichtigte Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines zur Übernahme bereiten Rechtsanwalts beantragt. Das Entschädigungsklageverfahren solle auf eine Entschädigung i.H.v. 700 Euro nebst Zinsen gerichtet sein. Er hat dies auf die Dauer des Eilverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 bezogen, bei dem er von einer pflichtwidrigen Untätigkeit des Verwaltungsgerichts von sieben Monaten ausgegangen ist.
26Am 8. Juni 2015 hat der Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben.
27Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Senatsbeschluss vom 14. Juli 2015 hat der Bevollmächtigte des Klägers am 21. Juli 2015 diese Klage erhoben und die Begründung des Klägers zum PKH-Antrag inhaltlich wiederholt. Wegen der weiteren Einzelheiten der eingehenden Begründung der Klage wird auf die Klageschrift vom 21. Juli 2015 verwiesen.
28Der Kläger beantragt,
29den Beklagten zu verurteilen, an ihn - den Kläger ‑ 700,00 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Zur Begründung führt er aus, die Klage sei jedenfalls nicht begründet, weil die Verfahrensdauer nicht überlang sei, und verweist auf seinen Schriftsatz im Verfahren gleichen Rubrums 13 D 77/14 vom 25. Juli 2014. Dort hat der Beklagte ausgeführt: Das Verfahren habe einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen und sei von ganz erheblicher Komplexität gewesen. Das gelte allgemein für die Überprüfung berufsbezogener Prüfungsentscheidungen in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht. Auch der spezifisch prüfungsrechtliche Beurteilungsmaßstab des Gerichts begründe Besonderheiten. Zusätzlich sei diese Überprüfung durch den außergewöhnlich großen Umfang des Streitstoffs erschwert. Das umfangreicht Vorbringen des Klägers, auch im Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12, sei zu berücksichtigen gewesen. Angesichts dessen liege es auf der Hand, dass der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine nicht unerhebliche Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit vorausgegangen sei, ohne die eine durch das Rechtsstaatsprinzip gebotene eingehende Durchdringung des Streitstoffes nicht möglich gewesen wäre. Dies spiegele sich in dem 61-seitigen Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12 wider, auf den der Beschluss im Eilverfahren verweise.
33Eine besonders hohe Bedeutung der begehrten einstweiligen Anordnung für den Kläger sei deshalb nicht festzustellen, weil seine vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung und ein eventuelles erfolgreiches Abschneiden in dieser Prüfung für ihn noch keinen Zugang zu den durch die Prüfung eröffneten Berufen ermöglicht hätten. Denn sie hätte noch unter dem Vorbehalt der endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren gestanden.
34Keinesfalls könne der Kläger für die Verfahrensdauer in der ersten Instanz, die nur sieben Monate betragen habe, eine Entschädigung für sieben Monate Verzögerung erhalten.
35Der Kläger hat seine Rüge gegen die ordnungsmäßige Vertretung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts NRW durch die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. , wozu der Senat im Beschluss über die Prozesskostenhilfe bereits Stellung genommen hatte, aufrechterhalten.
36Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens 13 D 77/14 sowie des Ausgangsverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 und des entsprechenden Hauptsacheverfahrens 4 K 5374/12 (nebst Verwaltungsvorgängen) sowie den Verwaltungsvorgang des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen über die dortigen Eingaben des Klägers (Az. 3133 E; Beiakte 3) Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. , die die Prozessvertretung des Beklagten wahrnimmt, ist nicht gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen, wie der Senat bereits im Beschluss vom 14. Juli 2015 zur Prozesskostenhilfe dargelegt hat. Die Prozessvertretung durch sie verstößt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. September 2015 nicht gegen § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Im Beschluss vom 14. Juli 2015 hat der Senat ausgeführt:
39„Die Prozessvertreterin der den Beklagten endvertretenden Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts NRW – Richterin am Verwaltungsgericht Dr. G. – war nicht gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen. Weil sie dem erkennenden Gericht gegenwärtig nicht „als Richter“ im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO „angehört“, ist sie nicht von der Prozessvertretung ausgeschlossen.
40Der Senat konkretisiert insofern seine Rechtsprechung aus dem Beschluss vom 25. März 2015 – 13 D 27/14 – (NVwZ 2015, 680 f. = juris).
41Auf der Grundlage der dortigen Ausführungen, besonders zu den mit § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO verfolgten Zwecken, der Erwägungen des 8. Senats in dessen Beschluss vom 29. Oktober 2014 – 8 A 1943/13 – (NVwZ-RR 2015, 358 f. = juris) und insbesondere der Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren ist nur diejenige Person gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der Prozessvertretung vor einem bestimmten Gericht ausgeschlossen, die diesem Gericht als Richter gemäß Geschäftsverteilungsplanfür die Rechtsprechung gegenwärtig angehört. (Vgl. dazu nur BT-Drs. 16/3655, S. 90, 98.)
42Dies ist in Bezug auf die Prozessvertreterin des Beklagten nicht der Fall. Denn Richterin am VG Dr. G. ist – wie der Kläger richtig erkennt – an das erkennende Gericht allein zum Zwecke der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zeitweilig abgeordnet und – wie andere Beamte oder Beschäftigte der Gerichtsverwaltung – in die Verwaltung der Behörde „Oberverwaltungsgericht NRW“ integriert. Aufgaben der Rechtsprechung nimmt sie nicht wahr, was der Geschäftsverteilungsplan für die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts verdeutlicht, in dem sie nicht aufgeführt ist. Ihre Amtsbezeichnung „Richterin am Verwaltungsgericht“ bezeichnet lediglich ihr Amt im statusrechtlichen Sinne; im funktionalen Sinne hat sie derzeit kein Richteramt inne, weil sie – wie ein Beamter des höheren Dienstes – in der Verwaltung der Behörde „Oberverwaltungsgericht“ verwendet wird. Der Anschein einer Voreingenommenheit des Gerichts sowie von möglichen Interessenkollisionen, den § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO vermeiden will, besteht in Bezug auf sie damit nicht. Dies wäre bei einem z.B. zum Zwecke der Erprobung abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht, welcher nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts erkennbar in der Rechtsprechung verwendet wird, anders.“
43Dem ist auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerin nichts hinzuzufügen.
44Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (A.), aber nicht begründet (B.).
45A. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
46I. Der Senat ist gemäß § 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG zur Entscheidung berufen, da es um ein aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit stammendes Ausgangsverfahren geht, dessen unangemessene Verfahrensdauer der Kläger rügt.
47Die auf Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung gerichtete allgemeine Leistungsklage ist statthaft. Der Kläger hat einen bezifferten und damit bestimmten Antrag gestellt.
48II. Es steht der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen, dass der Kläger eine angemessene Entschädigung beim Beklagten nicht vorgerichtlich geltend gemacht hat. Ein solcher Antrag ist zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht erforderlich; dies lässt sich schon der Begründung zum Gesetzentwurf entnehmen.
49Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. November 2010 zu einem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drs. 17/3802, Zu Abs. 5, Zu Satz 1, S. 22; BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 5 B 3/14 D –, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R –, Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 4. September 2014 – 21 F 1/13 –, DVBl. 2014, 1477 ff. = juris Rn. 27.
50III. Die Entschädigungsklage ist nicht wegen Versäumung der Klagefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG unzulässig. Zwar hat der Kläger diese Frist nicht gewahrt. Er hat jedoch den entscheidungsreifen PKH-Antrag innerhalb dieser Frist bei Gericht gestellt und nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine unverzügliche Klageerhebung durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt gesorgt.
51Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Eilverfahren des Klägers VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 ist mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014 – 14 B 762/14 –, mit dem die Anhörungsrüge des Klägers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht zurückgewiesen worden ist, unanfechtbar abgeschlossen. Die Entschädigungsklage hat der Bevollmächtigte des Klägers am 21. Juli 2015 und damit nach Ablauf der Frist erhoben.
52Jedoch wahrt der vom Kläger persönlich innerhalb der 6-Monats-Frist am 4. November 2014 gestellte PKH-Antrag, der mit einer eingehenden Begründung versehen war und dem die entsprechenden PKH-Unterlagen (PKH-Erklärung, Belege usw.) beigefügt waren, die Klagefrist.
53Dies ergibt sich zwar nicht aus einer der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie es üblicherweise bei versäumter Klagefrist im Verwaltungsprozess nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschieht, weil die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist ist. Unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB wahrt der vollständige PKH-Antrag nach Treu und Glauben die Klagefrist, soweit die Klage unmittelbar bzw. alsbald nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben worden ist.
54Vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17. Dezember 2014 ‑ 6 S 2231/14 ‑, juris Rn. 5 m. w. N.; zu den Anforderungen an die Begründung eines PKH-Antrages OVG M.-V., Beschluss vom 9. August 2012 – 2 K 11/12 –, juris Rn. 3; ähnlich Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 Rn. 258.
55Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt.
56IV. Der Zulässigkeit steht ferner nicht das Erfordernis einer Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG entgegen. Seit der ersten Verzögerungsrüge vom 8. Januar 2014 sind bis zur die Klageerhebung ersetzenden Stellung des PKH-Antrages am 4. November 2014 mehr als sechs Monate verstrichen.
57B. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung oder sonstige Wiedergutmachung in Bezug auf die Dauer des Eilverfahrens VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13.
58Allein mögliche Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.
59Die Voraussetzungen jedweden Anspruchs auf Wiedergutmachung gemäß § 198 Abs. 1 GVG – insbesondere Entschädigung – liegen nicht vor, weil die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (I.) nicht unangemessen war (II.).
60I. Die Dauer des Gerichtsverfahrens, welches der Kläger hier zur Überprüfung des Gerichts stellt, erstreckte sich von der Antragstellung am 8. Oktober 2013 beim Verwaltungsgericht bis zum Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014 – 14 B 762/14 –, im Anhörungsrügeverfahren. Es dauerte damit rund neun Monate.
61Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Die Vorschrift erwähnt ausdrücklich Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Solche Eilverfahren können deshalb, unabhängig davon, ob daneben oder danach ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird, zum Gegenstand einer Entschädigungsklage gemacht werden.
62Vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a. a. O., § 198 Rn. 41, 59.
63„Dasselbe" Gerichtsverfahren liegt nämlich nur bei demselben Streitgegenstand vor; dieser wird durch den mit der Klage bzw. dem Antrag geltend gemachten prozessualen Anspruch aufgrund eines bestimmten Sachverhalts und eines bestimmten rechtlichen Begehrens bestimmt. Klageverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind – wie auch Verfahren zur Vollzugsfolgenbeseitigung – auf unterschiedliche Begehren gerichtet und haben deshalb auch dann, wenn ihnen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, nicht denselben Streitgegenstand. Auch daraus, dass die Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbs. 1 GVG angeführt worden sind, folgt nicht, dass Klage- und Eilverfahren als ein einheitliches Verfahren im Sinne dieser Regelung anzusehen sind. Die ausdrückliche Erwähnung der Eilrechtsschutzverfahren soll vielmehr verdeutlichen, dass auch Verfahren dieser Art Gegenstand einer Entschädigungsklage sein können.
64Vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 22; Hess. VGH, Urteil vom 11. Februar 2015 – 29 C 1241/12.E –, juris Rn. 18.
65Bezugsrahmen des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren, auch in mehreren Instanzen, vom Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Antragstellung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft, nicht aber das dem Verwaltungsprozess vorangegangene behördliche Vorverfahren.
66Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 16 ff., - 5 C 27.12 D –, BayVBl. 2014, 149 ff. = juris Rn. 10 ff.; BFH, Urteil vom 19. März 2014 – X K 3/13 –, BFH/NV 2014, 1053 ff. = juris Rn. 28 m. w. N.; BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, juris Rn. 27.
67Auch das Verfahren über die Anhörungsrüge gegen den abschließenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Eilverfahren gehört zu dem (entschädigungsrechtlich) einheitlichen entschädigungspflichtigen Gerichtsverfahren. Dieses ist dem zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert und dient ausschließlich dem Zweck, das vorangegangene Verfahren auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu überprüfen.
68Vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 ‑ II ZR 355/13 ‑, juris Rn. 12 (zur Gehörsrüge nach § 44 FamFG); Hess. VGH, Urteil vom 11. Februar 2015 – 29 C 1241/12.E –, juris Rn. 20.
69Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Begründung seines Entschädigungsanspruchs allein auf die Überlänge des Verfahrens bis zum Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2014 abstellt. Dies sind allein Begründungselemente. Sein auf Entschädigung i.H.v. 700 Euro gerichteter Klageantrag enthält keine prozessuale Beschränkung auf die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht. Den materiell-rechtlichen Bezugsrahmen könnte dies ohnehin nicht beeinflussen.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 17 f.
71Das gleichwohl nach der Begründung des Klägers primär zu betrachtende Verfahren I. Instanz dauerte von der Stellung des Eilantrags am 8. Oktober 2013 bis zur Erhebung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 L 1371/13 –, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einschließlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ziemlich genau sieben Monate. Die Gesamtverfahrensdauer bleibt insoweit von Bedeutung, als eventuelle Verzögerungen beim Verwaltungsgericht durch eine besonders schnelle Sachbehandlung beim Oberverwaltungsgericht ausgeglichen werden können.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 44.
73II. Die Dauer des Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht von sieben Monaten (oder die Gesamtverfahrensdauer von neun Monaten) war nicht unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.
741. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt.
75Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 17/3802, S. 18.
76Damit ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar, noch lässt es § 198 Abs. 1 GVG grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungswerten oder Regelfristen für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen. Der Gesetzgeber hat bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Damit sind schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen. Denn angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Verfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Auch statistisch ermittelte Durchschnittslaufzeiten für Verwaltungsgerichtsverfahren in einem bestimmten Land oder im Bund können nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden, weil ansonsten der – nach den Maßstäben des Grundgesetzes oder der EMRK möglicherweise unzureichende – gegenwärtige Zustand als Maßstab des Zulässigen herangezogen würde. Gegenwärtige Zustände sind jedoch stets auch Ausdruck der den Gerichten zur Verfügung stehenden Ressourcen. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 27 ff.
78Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. Wegen dieser Rückbindung des Entschädigungsanspruchs an die Verletzung von Grund- und Menschenrechten ist eine gewisse Schwere der Belastung erforderlich; es reicht deshalb nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus. Diese muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung oder Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 37 ff.
80Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind. Maßgeblich ist insoweit ‑ ebenso wie in Bezug auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände des Einzelfalls –, wie das Gericht die Lage aus seiner ex-ante-Sicht einschätzen durfte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97 Abs. 1 GG und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen. Neben der zügigen Erledigung eines Rechtsstreits verlangt das Rechtsstaatsprinzip auch die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt. Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehenden Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen. Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung dieser verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht – auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit – ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie – auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums – sachlich nicht zu rechtfertigen sind.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 40 ff.
82Hervorzuheben ist der Grundsatz, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Eine entschädigungspflichtige Verfahrensverzögerung kommt insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben ist, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat. Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat. Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 5 C 23.12 D –, BVerwGE 147, 146 ff. = juris Rn. 43.
842. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war die Verfahrensdauer hier nicht unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, weil eine an den Merkmalen des § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles – insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens (a.), seiner Bedeutung für den Kläger (b.) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten (c.) und der Verfahrensführung des Gerichts (d.) – ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
85a. In Bezug auf die Schwierigkeit des Verfahrens ist festzustellen, dass es sich um ein überdurchschnittlich schwieriges und von der Bearbeitung her sehr aufwändiges verwaltungsgerichtliches Eilverfahren handelte.
86Die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen, zumal bei Berufszugangsprüfungen wie der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, stellt hohe Anforderungen an den Richter. Er muss die Prüfungsleistungen des Betroffenen einerseits sowie die Bewertung durch den Prüfer unter Wahrung dessen Wertungsspielraums andererseits überprüfen.
87Das klägerische Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, bei dem es um eine vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung nach dem ersten Wiederholungsversuch der Zweiten juristischen Staatsprüfung ging, stellte sich als besonders schwierig dar. Im seit November 2012 anhängigen Klageverfahren VG Gelsenkirchen 4 K 5374/12 griff der Kläger die Bewertung aller acht Klausuren an. Durch Bezugnahmen ist das gesamte Vorbringen des Klägers aus dem Widerspruchsverfahren und auch aus dem Hauptsacheverfahren zum Gegenstand des Eilverfahrens gemacht. Das Vorbringen des Klägers (einschließlich Anlagen) aus dem Klageverfahren 4 K 5374/12 umfasst bei grober Aktendurchsicht im Zeitraum von der Klageerhebung bis Ende 2013, welcher für das Eilverfahren jedenfalls von Bedeutung war, über 300 Blatt in der Gerichtsakte. Hinzu kam das auch zu sichtende Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
88Im Anfangsstadium des Eilverfahrens, bevor erkannt wurde, dass das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 556/14 abzutrennen war, soweit es um die einstweilige Zulassung zur mündlichen Prüfung nach dem 2. Wiederholungsversuch ging, also bis Anfang April 2014, waren auch die gesamten Einwendungen zum 2. Wiederholungsversuch Gegenstand. Das im entsprechenden Klageverfahren 4 K 2916/13 enthaltene Vorbringen hat ähnlichen Umfang, da auch dort immerhin die Bewertung von sieben von acht Klausuren eingehend angegriffen wurde. Die Stellungnahme der Vorsitzenden der 4. Kammer vom 3. April 2014an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts anlässlich einer Eingabe des Klägers vom 31. März 2014 benennt insofern 318 Seiten Einwendungen zu den Klausuren, zuzüglich allgemeiner Einwendungen (z.B. zur Prüferqualifikation und zu den Anforderungen an ein Bewertungsgutachten) auf etwa 50 Seiten sowie 43 teilweise mehrseitige Anlagen.
89Diese Fülle an Stoff zu verarbeiten, erfordert erheblichen Zeitaufwand für den Richter, auch wenn jede zu beantwortende Frage für sich allein von handhabbarer Bedeutung sein mag. Dies schlägt sich, auch bedingt durch den Umfang des Vorbringens des Klägers, im Umfang der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nieder. Der die erste Instanz im hier entschädigungsrelevanten Eilverfahren 4 L 1371/13 abschließende Beschluss vom 7. Mai 2014 ist zwar kurz, jedoch nur durch die Verweisung auf den am selben Tage ergangenen Beschluss über Prozesskostenhilfe im zugehörigen Hauptsacheverfahren 4 K 5374/12. Dessen Umfang von 61 Seiten beruht keinesfalls auf der individuellen Arbeitsweise des Berichterstatters.
90Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass dieser Aufwand auf einen Bruchteil hätte reduziert werden können, wenn auf der Grundlage einer Folgenabwägung ohne Betrachtung der Erfolgsaussichten der Hauptsache entschieden worden wäre. Es ist Sache des Gerichts, über den Prüfungsmaßstab zu entscheiden. Da für den Kläger kein termingebundener Zeitdruck in der Weise bestand, dass nach Ablauf eines bestimmten Tages schlechthin unzumutbare Schäden eintraten oder sich das Begehren gar erledigte, drängte sich eine Folgenabwägung jedenfalls nicht auf.
91b. Der Senat schätzt die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger als hoch, wenn auch nicht als existenziell, ein.
92Prüfungsrechtliche Angelegenheiten haben für die Betroffenen grundsätzlich eine hohe Bedeutung. Dies gilt für Berufszugangsprüfungen und insbesondere die für den weiteren beruflichen Lebensweg grundlegenden Staatsprüfungen in besonderer Weise, weil davon die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, hier als „Volljurist“, abhängt.
93Es kann offen bleiben, ob diese hohe Bedeutung um ein wenig vermindert ist durch den Umstand, dass der 1953 geborene Kläger im Zeitraum 2013/2014 nicht als junger Mensch um den unmittelbaren Eintritt in den Arbeitsmarkt nach Abschluss einer langen Ausbildung stritt. Denn unabhängig davon ist die Bedeutung des Eilverfahrens als hoch zu bewerten.
94Dies folgt schon aus dem Charakter als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der einstweiligen Zulassung zur mündlichen Prüfung. Dieser Streitgegenstand bedarf zügiger Bearbeitung. Hintergrund dieses Begehrens ist die Unzumutbarkeit einer Situation, in der ein Prüfling während eines anhängigen Gerichtsverfahrens für ungewisse Zeit sein Prüfungswissen aktuell halten muss.
95Auch individuell betrachtet ist erkennbar, dass die subjektive Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger noch höher ist. Das Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung dürfte in seiner Lebensgestaltung nach dem sich aus den Akten ergebenden Eindruck einen ausgesprochen hohen Stellenwert einnehmen.
96c. Das Verhalten des Klägers war (mit-)ursächlich für die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht. Der Beklagte hat nicht negativ auf die Verfahrensdauer eingewirkt.
97Insofern ist nicht allein auf den Umfang des Vorbringens des Klägers abzustellen, welcher starken Einfluss auf die Schwierigkeit der Sache und damit auf die Verfahrensdauer hatte, weil dies schon zuvor berücksichtigt wurde. Jedoch ist in den Blick zu nehmen, dass das Vorbringen des Klägers sich nicht nur durch seinen Umfang auszeichnete, sondern auch dadurch, dass es nicht immer strukturiert war und in erheblichem Umfang Wiederholungen des im Wesentlichen „immer Gleichen“ enthielt. Zudem trug der Kläger nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt umfassend und im Wesentlichen abschließend vor, sondern bei Gericht gingen häufig und immer wieder viele verschiedene Schreiben nebst Anlagen ein. Ein Verfahrensbeteiligter darf keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen, dass er unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze bei Gericht einreicht oder Anträge stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Verfahrensförderung beiträgt.
98Vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, juris Rn. 40.
99Der Kläger hat keine ihm gesetzten Fristen versäumt oder sonst wie verzögerlich gehandelt. Er hat stets unaufgefordert und binnen kurzer Frist schriftlich Stellung genommen. Zugleich hat er die für ihn bestehende hohe Bedeutung der Sache und auch die zeitliche Dringlichkeit unmissverständlich verdeutlicht, indem er sich mit entsprechenden dieses betonenden Schreiben vom 28. November 2013 und vom 10. Dezember 2013 schon frühzeitig an das Gericht gewandt hat. Bereits am 8. Januar 2014 hat er erstmals und am 9. April 2014 erneut Verzögerungsrüge erhoben. Dies ließ keinen Zweifel an der für ihn bestehenden Dringlichkeit.
100Jedoch hat er zugleich durch Nutzung der ihm zustehenden prozessualen und sonstigen Rechtsbehelfe zur Verlängerung der Verfahrensdauer beigetragen. Seine „Beschwerde wegen Untätigkeit der 4. Kammer“ im Klageverfahren 4 K 3173/12 vom 11. Januar 2014 (die als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt worden ist), die weitere Dienstaufsichtsbeschwerde vom 31. März 2014 wegen der Verfahrensdauer im Eilverfahren 4 L 1371/13 sowie der Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter vom 12. April 2014 erzeugen für den Berichterstatter und/oder den betroffenen Spruchkörper Aufwand, der zulasten der Sachbearbeitung geht und damit unabweisbar die Verfahrensdauer verlängert. Dabei kommt es auf eine „Prozessverschleppungsabsicht“ oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, wird nicht dem Staat zugerechnet.
101Vgl. hierzu BSG, Urteil vom 3. September 2014 ‑ B 10 ÜG 12/13 R ‑, juris Rn. 39 m. w. N.; BGH, Urteil vom 13. März 2014 – III ZR 91/13 –, NJW 2014, 1816 ff. = juris Rn. 43.
102Durch einen Ablehnungsantrag ist der abgelehnte Richter von der Bearbeitung der Sache bis zu dessen Zurückweisung ausgeschlossen. Dienstaufsichtsbeschwerden oder andere Eingaben an den Präsidenten des Gerichts führen regelmäßig dazu, dass (häufig alle in einem Zusammenhang stehenden) Verfahrensakten des Beteiligten dem Präsidenten zuzuleiten sind, gegebenenfalls mit einer auf die Eingabe bezogenen Stellungnahme des Vorsitzenden des Spruchkörpers oder auch des zuständigen Berichterstatters. Die Stellungnahmen kosten Zeit und die Akten stehen bis zur Beantwortung der Eingabe für einen gewissen Zeitraum dem Spruchkörper nicht zur Verfügung.
103d. Aus der Verfahrensführung des Gerichts ergibt sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte keine unangemessene Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
104Es ist erkennbar, dass dem Berichterstatter die hohe Bedeutung der Sache für den Kläger und deren Dringlichkeit bewusst war. Demgemäß hat er sich die Akte nach Eingang von Schriftsätzen der Beteiligten nach deren Übermittlung an die jeweilige Gegenseite fast immer sofort wiedervorlegen lassen. Die Gerichtsakte der Eilsache befand sich mithin mit den Gerichtsakten des zugehörigen Klageverfahrens, soweit verfügbar, mit Ausnahme der durch die Eingaben und Rechtsbehelfe des Klägers verursachten Zeiten fast ständig im Dienstzimmer des Berichterstatters. Es kann unterstellt werden, dass diese dort in Abwägung mit Bedeutung und Dringlichkeit anderer eiliger Prüfungs-Streitigkeiten wann immer möglich bei Gelegenheit bearbeitet wurde. Solche Bearbeitung ist – anders als der Kläger anscheinend meint - der Gerichtsakte nicht zu entnehmen, weil sie auf Papier oder mittels EDV außerhalb der Gerichtsakte stattfindet und dort regelmäßig keinen Niederschlag findet.
105Die Entscheidungsreife trat im Verlauf des Monats November 2013 – etwa in der zweiten Monatshälfte – ein. Nach der Stellungnahme des Klägers vom 30. Oktober 2013 zur Antragserwiderung des LJPA war dem Antragsgegner ein gewisser Zeitraum für eine Reaktion hierauf einzuräumen, den der Kläger selbst mit zwei Wochen ansetzt. Der Senat hält hier auch einen Zeitraum bis vier Wochen im Hinblick auf die Schwierigkeit und Bedeutung der Sache für noch angemessen. Im Dezember 2013 und Januar 2014 sind in der fast permanent dem Berichterstatter vorliegenden Akte keine Bearbeitungsschritte des Gerichts ersichtlich. Dabei war die Akte für den Berichterstatter im Januar 2014 ungefähr die Hälfte des Monats nicht verfügbar, weil sie aufgrund der Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 11. Januar 2014 zum Verfahren 4 K 3173/12 mit allen Verfahren des Klägers in der 4. Kammer dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts vorgelegt worden sein dürfte.
106In den Monaten Februar und März 2014 ist davon auszugehen, dass von den zahlreichen Verfahren des Klägers die im Klageverfahren 4 K 3173/12 auf den 19. März 2014 terminierte mündliche Verhandlung mit beabsichtigtem Verfahrensabschluss – jedenfalls seit der Ladung vom 3. Februar 2014 – im Vordergrund der Bearbeitung des Berichterstatters gestanden hat. Diese Verhandlung und die abschließende Entscheidung der Klage in Bezug auf den 1. Prüfungs-versuch des Klägers zum II. Staatsexamen dürfte den Berichterstatter – neben den sonstigen im Dezernat anhängigen Eil- und Klageverfahren – im Wesent-lichen gebunden haben. Dieses Klageverfahren verfügte ebenfalls über einen hohen Schwierigkeitsgrad, der sich in dem 42 Seiten umfassenden Endurteil teilweise niederschlägt, und hatte als Prüfungssache entsprechend hohe Bedeutung und Dringlichkeit. Nach etwa 20 Monaten Verfahrensdauer bis zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, mehreren Verzögerungsrügen sowie der Intervention des Bundesverfassungsgerichts im zugehörigen Eilverfahren 4 L 1520/12 im Juli 2013 bedurfte dies dringend der Bearbeitung und Entscheidung. Es hatte aufgrund dieser Umstände eine Bedeutung, die es vertretbar erscheinen lässt, dieses Klageverfahren dem Eilverfahren 4 L 1371/13 zum 1. Wiederholungsversuch vorzuziehen. Dies gilt besonders deshalb, weil die Entscheidung über die Klage zum 1. Prüfungsversuch des Zweiten Staatsexamens des Klägers im Erfolgsfall nach seinem Begehren auf eine Zulassung zur mündlichen Prüfung gerichtet war und (jedenfalls über das Zwischenziel der hilfsweise begehrten Neubewertung) hierzu auch führen konnte. Insofern bestand auch inhaltlich kein Nachrang gegenüber dem Eilverfahren 4 L 1371/13. Mit der Abfassung des entsprechenden Kammerurteils vom 19. März 2014 war der Berichterstatter wohl noch bis Ende März befasst, wie die Anfang April 2014 erfolgte Zustellung an die Beteiligten zeigt. In der 1. Aprilwoche war der Berichterstatter anscheinend, wie die Stellungnahme der Kammervorsitzenden an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2014 zur Eingabe des Klägers vom 31. März 2014 erkennen lässt (Beiakte 3, Bl. 5), im Urlaub. In den darauf folgenden ungefähr vier Wochen ab der 2. Aprilwoche bis zum Entscheidungszeitpunkt am 7. Mai 2014 dürften die Bearbeitung der Sache und entsprechende Vorbereitung der Entscheidung erfolgt sein, nachdem die Trennung der Eilverfahren 4 L 1371/13 und 4 L 556/14 (jeweils zum 1. und 2. Wiederholungsversuch) mit Beschluss vom 8. April 2014 erfolgte. Beeinträchtigungen lagen vor durch die jetzt zum Verfahren 4 L 1371/13 erhobene Eingabe des Klägers vom 31. März 2014, ergänzt mit Schreiben vom 7. April 2014, an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts, die wiederum als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt wurde. Insofern nahm die Kammervorsitzende unter dem 3. April 2014 gegenüber dem Präsidenten Stellung, dem für die Zwischenmitteilung vom 9. April 2014 an den Kläger jedenfalls die Verfahrensakte 4 L 1371/13 vorlag. Sodann war über den Befangenheitsantrag des Klägers vom 12. April 2014 zu entscheiden. Nach dessen Ablehnung mit Beschluss der Kammer vom 14. April 2014 stand die Eilsache mit der zugehörigen Klage 4 K 5374/12 dem Berichterstatter zur Bearbeitung zur Verfügung, was in die Beschlüsse vom 7. Mai 2014 mündete (Eilbeschluss einschließlich PKH in 4 L 1371/13 sowie PKH-Beschluss in 4 K 5374/12).
107Bei dieser den Verfahrensablauf im Ausgangsverfahren im Einzelnen in den Blick nehmenden Betrachtungsweise wird erkennbar, dass allein der Zeitraum von etwa Ende November 2013 bis ungefähr Mitte Januar 2014 feststellbar ist, in dem eine frühere Bearbeitung dieses Eilverfahrens in Betracht hätte kommen können. Zu diesem Zeitpunkt stand das Verfahren, das inhaltlich vor der Abtrennung noch alle Einwendungen zum 1. und 2. Wiederholungsversuch der Staatsprüfung aus den Klageverfahren 4 K 5374/12 und 4 K 2916/13 umfasste, eventuell im Hinblick auf andere vorrangig zu bearbeitende Verfahren noch nicht zur Bearbeitung an.
108Auch wenn der Kläger sein Entschädigungsbegehren inhaltlich mit der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht begründet, so ist nach dem Maßstab des § 198 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 Nr. 1 GVG auch das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen. Dieses ist ab der Erhebung der Beschwerde des Klägers vom 13. Mai 2014 im Eilverfahren 4 L 1371/13 (PKH-Beschwerde und PKH-Antrag für Eilbeschwerde), die dem Oberverwaltungsgericht ab dem 22. Mai 2014 vorlag, in den Verfahren 14 B 592/14 und 14 E 577/14 durch die Beschlüsse vom 17. Juni 2014 ausgesprochen zügig entschieden worden. Auch über die Anhörungsrügen des Klägers gegen diese Sachentscheidungen (14 B 762/14 und 14 E 737/14) entschied das Oberverwaltungsgericht binnen kurzer Zeit am 10. Juli 2014.
109e. Insgesamt lässt sich für das Eilverfahren VG Gelsenkirchen 4 L 1371/13 ‑ auch unter Berücksichtigung der Gesamt-Verfahrensdauer – eine unangemessene Dauer nicht feststellen.
110Nach den obigen Ausführungen kommt für eine nicht zu rechtfertigende Nichtbearbeitung – also Verzögerung – allein ein Zeitraum von etwa sechs bis acht Wochen bzw. zwei Monaten in Betracht: Entscheidungsreife trat nach der „Anfangsphase“ des Eilverfahrens erst Mitte bis Ende November 2013 ein. Etwa der halbe Januar 2014 – nach den typischen Beschränkungen der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit vor und um den Jahreswechsel – entfiel wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde aus dem Januar 2014. Februar und März 2014 standen im Zeichen der mündlichen Verhandlung und des die Instanz abschließenden Urteils im Klageverfahren 4 K 3173/12. Die ersten zwei April Wochen waren mit Urlaub des Berichterstatters, der Abtrennung des Eilverfahrens 4 L 556/14 zum 2. Wiederholungsversuch sowie „Geplänkel“ (Befangenheitsantrag, weitere Dienstaufsichtsbeschwerde) belegt. In den folgenden drei Wochen bis zu den Beschlüssen vom 7. Mai 2014 – 4 L 1371/13 und 4 K 5374/12 – diese nach dem Grad der inhaltlichen Durchdringung die Entscheidung in der Hauptsache 4 K 5374/12 stark präjudizierenden Sachentscheidungen vorzubereiten und abzufassen bedeutete – neben dem Tagesgeschäft und anderen (Eil-)Verfahren – intensive richterliche Arbeit.
111Der danach für eine Verzögerung überhaupt in Betracht kommende Zeitraum von max. zwei Monaten von Mitte/Ende November 2013 bis Mitte Januar 2014 führt nicht zu einer Feststellung unangemessener Verfahrensdauer. Dieser Zeitraum wird durch die ausgesprochen kurze Verfahrensdauer beim 14. Senat des Oberverwaltungsgerichts einerseits und die dem Gericht auch in jenem Eilverfahren zuzugestehende Bearbeitungs- und Bedenkzeit gerechtfertigt.
112Die Verfahrensdauer in der II. Instanz belief sich von der Erhebung der Beschwerde am 13. Mai 2014 bis zu den Beschlüssen über die Anhörungsrügen vom 10. Juli 2014 auf rund zwei Monate. Das ist für die dort zu treffenden Entscheidungen in der hier vorliegenden, nach den obigen Ausführungen schwierigen und vor allem sehr aufwändigen Sache derart schnell, dass es Verfahrensdauer in der Vorinstanz ausgleichen kann. Die Zeit von rund einem Monat bis zu den Entscheidungen des 14. Senats vom 17. Juni 2014 ist extrem kurz, besonders wenn man bedenkt, dass die Akten zunächst einmal vom Verwaltungsgericht zum Oberverwaltungsgericht gelangen müssen und dort regelmäßig auch noch ein Zeitraum bis zur Entscheidungsreife durch die dem Antragsgegner einzuräumende Gelegenheit zur Erwiderung vergeht. Ab der Eingangsverfügung des erkennenden Gerichts am 26. Mai 2014 bis zur Entscheidung vom 17. Juni 2014 vergingen nur etwa drei Wochen. Dies war nur durch den Verzicht des Senatsvorsitzenden auf eine Antragserwiderung des Antragsgegners möglich. Hier wäre es in keiner Weise unangemessen gewesen, das LJPA zu einer Stellungnahme, z.B. mit einer Frist von zwei Wochen, aufzufordern. Hierzu hätte, abhängig von deren Inhalt, dem Kläger wiederum rechtliches Gehör gegeben werden können. Dies verdeutlicht, dass sich der Zeitraum bis zu einer Entscheidung über die PKH-Beschwerde und den PKH-Antrag des Klägers ohne weiteres allein hierdurch um etwa drei bis vier Wochen hätte verlängern können. Auch der sehr kurze Zeitraum bis zur Entscheidung hätte länger ausfallen können, was auch für die Anhörungsrügeverfahren gilt. Eine Gesamtdauer des Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht einschließlich der Anhörungsrügeverfahren wäre üblicherweise sicher mit etwa vier Monaten zu erwarten gewesen. Dementsprechend kann das sehr kurze Verfahren II. Instanz die Verfahrensdauer in der I. Instanz für etwa sechs bis acht Wochen ausgleichen.
113Zudem ist auch noch ein gewisser Zeitraum als Bearbeitungs- und Bedenkzeit zuzugestehen. Als konkrete Bearbeitungs- und Bedenkzeit im Hinblick auf die Sachentscheidung vom 7. Mai 2014 sind bisher nur etwa drei Wochen vor dieser Entscheidung berücksichtigt worden. Angesichts des sehr hohen Aufwands und der Schwierigkeit dieses Verfahrens wäre auch ein Zeitraum von bis zu sechs Wochen – besonders weil zugleich die PKH-Entscheidung in der Hauptsache-Klage 4 K 5374/12 vorbereitet wurde – angemessen gewesen. Darüber hinaus ist dem Verwaltungsgericht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch ein der richterlichen Gestaltungsfreiheit entsprechender Freiraum bei der Führung des Dezernats unter Berücksichtigung von Art. 97 GG zuzugestehen, der auch erforderlich ist, um bei gleichzeitig zu bearbeitenden Verfahren eine Reihenfolge der Bearbeitung zu bilden. Dieser ist im Eilverfahren eher kurz anzusetzen, hier mit zwei Wochen. Daraus ergibt sich – teils konkret verfahrensbezogen, teils abstrakt – in diesem Einzelfall eine Bearbeitungs- und Bedenkzeit für das Eilverfahren 4 L 1371/13 von etwa acht Wochen bzw. zwei Monaten. Über die etwa drei Wochen vor dem Beschluss vom 7. Mai 2014 hinaus decken damit etwa fünf Wochen eventuelle Verzögerungszeiten in diesem Verfahren – insbesondere zwischen Ende November 2013 und Ende Januar 2014 – ab.
114Die etwaige Verzögerung im streitigen Eilverfahren ist durch diese 11 bis 13 Wochen Spielraum, durch die sehr kurze Verfahrensdauer II. Instanz und verbleibende Bearbeitungs- und Bedenkzeit in der I. Instanz, jedenfalls gerechtfertigt. Dies lässt auch noch erheblichen Raum, soweit bei der Bewertung des Verfahrensablaufs vor dem Verwaltungsgericht in Einzelpunkten strengere Maßstäbe angelegt werden sollten.
115III. Entfällt ein Entschädigungsanspruch schon, weil die Verfahrensdauer nicht unangemessen war, scheidet auch eine Feststellung unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 GVG aus. Auch für den Zinsanspruch ist mangels Verurteilung zur Zahlung kein Raum.
116C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
117Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
118Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.
(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.
(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.