Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2016:0219.7OA1.15.00
bei uns veröffentlicht am19.02.2016

Tenor

1.              Die Klage wird abgewiesen.

2.              Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3.              Die Revision wird nicht zugelassen.


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Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15

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Referenzen - Gesetze

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2016 - 7 Oa 1/15 zitiert 15 §§.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

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(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen. (2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die W

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(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zweck das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigun

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(1) Die Verhandlung ist möglichst in einem Termin zu Ende zu führen. Ist das nicht durchführbar, insbesondere weil eine Beweisaufnahme nicht sofort stattfinden kann, so ist der Termin zur weiteren Verhandlung, die sich alsbald anschließen soll, sofor

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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 03. Apr. 2014 - 7 Sa 764/12

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Tenor Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert: Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem B

Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 20. Feb. 2014 - 16 K 1278/13

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Tenor Der Antrag, Herrn Rechtsanwalt N.      M.       , I.-----------ring 00-00, 00000, beizuladen, wird abgelehnt. 1G r ü n d e 2Der Antrag des seine Beiladung begehrenden Rechtsanwalts N.      M.       , ihn zum Verfahren beizuladen, über den nac

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. 2

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Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

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(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

127 128 129 130 131

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Die Klägerin ist Polizeiobermeisterin und leistete ihren Dienst in der Revierstation B. S. Wegen des Vorwurfs der unrichtigen Abrechnung privater Telefonate wurde sie an die Revierstation G. umgesetzt. Ein erster Verwaltungsprozess wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin Ende 2008 wieder in ihre frühere Revierstation umzusetzen, für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte entgegen dieser Ankündigung die Umsetzung aus dienstlichen Gründen verlängerte, erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 8. Juni 2009 erneut Klage. Dieses zweite Klageverfahren endete etwa zwei Jahre später am 22. Juni 2011 damit, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die streitgegenständlichen Bescheide aufhob.

3

Am 22. Dezember 2011 hat die Klägerin Entschädigung wegen unangemessener Dauer des zweiten Klageverfahrens begehrt. Das Oberwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2012 teilweise stattgegeben. Die Klägerin habe infolge unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens materielle und immaterielle Nachteile erlitten, die zu entschädigen seien. Ein Gerichtsverfahren sei als unangemessen lang anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergebe, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abzuschließen, verletzt sei. Im vorliegenden Fall ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass das Verfahren in zwölf Monaten erledigt werden konnte. Der Fall sei nicht sonderlich komplex gewesen und als eher einfach einzustufen. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Arbeitnehmerin ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Sie habe den Rechtsstreit in keiner Weise verzögert. Das Verfahren habe in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden können. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als grober Anhaltspunkt, dass eine Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei. Das am 8. Juni 2009 eingeleitete Verfahren sei nach drei Monaten "ausgeschrieben" gewesen. Spätestens am 25. Oktober 2009 hätte Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern. Der nächste Bearbeitungsgang sei aber erst am 16. September 2010 erfolgt. Der Umstand, dass der Verhandlungstermin am 24. November 2010 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden sei, sei zwar nicht zu beanstanden. Dass nach der Rückkehr des Vorsitzenden die Akte erneut auf Abruf gelegt worden sei, habe indes wiederum zu einer vermeidbaren Verzögerung vom 16. Februar bis 12. April 2011 geführt. Mithin sei das Verfahren für etwas mehr als 12 Monate nicht ausreichend gefördert worden. Für diesen Zeitraum stehe der Klägerin wegen der zusätzlichen Fahrt- und Wartungskosten ein Betrag von 1 864,87 € sowie wegen der immateriellen Nachteile ein Ausgleich in Höhe von 1 200 € zu.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einjährige Bearbeitungsdauer als im Allgemeinen ausreichend angesehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Faustregel von einem Jahr pro Instanz nur vereinzelt und eher beiläufig ins Spiel gebracht. Dies spiegele dessen sonstige Rechtsprechung nicht zutreffend wider. Eine Verfahrensdauer von zwei Jahren pro Instanz käme der Lösung näher. Außerdem habe der Gesetzgeber bewusst auf feste Richtwerte für die Fallerledigung verzichtet. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei im konkreten Einzelfall der Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 nicht unangemessen gewesen. Die Verfügung "Wiedervorlage 3 Monate" sei am 10. September 2009 vertretbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe für die Klägerin nicht bestanden. Sie sei auch nicht im Hinblick auf eine Beschleunigung aktiv geworden. Für den Zeitraum nach der Erkrankung des Vorsitzenden sei ebenfalls keine unangemessene Verzögerung erkennbar. Die Annahme sei unrealistisch, dass nach der Rückkehr aus dem Krankenstand alle Prozessakten gleichzeitig bearbeitet werden könnten. Daher sei die angeordnete "Wiedervorlage auf Abruf" ebenfalls nicht zu beanstanden. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass ein immaterieller Schadensausgleich durch eine reine Feststellungsentscheidung ausreichend sei und dass die Schätzung der Fahrtkosten auf einer unrichtigen Ermittlung der Diensttage und Kraftstoffpreise beruhe.

5

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Beklagten bei, dass der Gesetzgeber keinen Richtwert für die Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz vorgegeben habe.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 3 064,87 € hat. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

7

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 1 200 €.

8

Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil wird nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG entschädigt.

9

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat sie einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihr geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).

10

a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer das Widerspruchsverfahren nicht einzubeziehen ist.

11

Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

12

Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.

13

Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).

14

Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.

15

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C 78/31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 m.w.N.).

16

Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜblVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47 ). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).

17

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).

19

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Recht weder von festen Zeitvorgaben ((1)) noch von Orientierungs- oder Anhaltswerten ((2)) leiten lassen.

20

(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemeingültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).

21

(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).

22

Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160 und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).

23

Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.

24

Gemessen daran ist das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das Oberverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der "Faustformel", nach der eine Verfahrenslaufzeit von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei, in Bezug. Es stützt hingegen seine Annahme, die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht erweise sich als unangemessen, nicht tragend auf eine Überschreitung jenes Jahreszeitraumes.

25

Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die statistischen Durchschnittslaufzeiten für amtsgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Sachsen-Anhalt nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden können (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.

26

Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.

27

Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt würde (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).

28

Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.

29

bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

30

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

31

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

32

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

33

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

34

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrenrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

35

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kud³a/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

36

cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.

37

(1) Mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen handelte es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr einfach gelagerten Fall.

38

Streitgegenstand war der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, im Einklang mit einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost der Revierstation B. S. zugewiesen zu werden. Die damit einhergehenden rechtlichen Fragen waren bereits für sich genommen nicht besonders komplex. Sie erwiesen sich hier insbesondere deshalb als einfach, weil die dem Rechtsstreit vorgelagerte Frage, ob die Umsetzung von der Revierstation B. S. nach derjenigen in G. rechtswidrig war, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 in dem Verfahren 1 L 165/07 bejaht worden war. Dem hier im Streit stehenden Folgeverfahren lag eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht war keine Beweisaufnahme, sondern nur eine Würdigung der vorhandenen Akten und der im vorangegangenen Verfahren von Seiten der Beklagten abgegebenen Zusage, die Umsetzung zu beenden, erforderlich. Dass der Rechtsstreit nicht durch Urteil entschieden und in einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zur Erledigung gebracht wurde, bestätigt den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Prozesses.

39

(2) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Klägerin ein berechtigtes erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte.

40

Zwar ist zweifelhaft, ob dies - wie das Oberverwaltungsgericht meint - bereits aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur besonders hohen subjektiven Bedeutung bei Streitigkeiten über ein Dienstverhältnis folgt (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - Nr. 30979/96, Frydlender/Frankreich - Rn. 45 und vom 23. April 2009 - Nr. 1479/08, Ballhausen/ Deutschland - Rn. 65). Diese Rechtsprechung dürfte sich auf Fallgestaltungen beschränken, bei denen - wie bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses - die wirtschaftliche Grundlage des Betroffenen berührt ist. Im vorliegenden Fall muss ein hohes Interesse der Klägerin an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits insbesondere deswegen angenommen werden, weil sie sich bereits in einem vorangegangenen Prozess gegen die Umsetzung erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte und im vorliegenden Prozess letztlich nur die Einlösung der gegebenen Zusage einer Rückgängigmachung der Umsetzung begehrte. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass die zusätzliche Wegstrecke zum Dienstort und zurück für die Klägerin eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung darstellte. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Klägerin aufgrund eines angenommenen dienstlichen Fehlverhaltens nach den tatrichterlichen Feststellungen eine belastende Wirkung hatte.

41

(3) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hat. Vielmehr hat sie sich zu Beginn des Rechtsstreits zur Beschleunigung des Verfahrens mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte im weiteren Verlauf des Prozesses nachdrücklicher auf eine Beschleunigung hinarbeiten müssen, kann dies ihr aus Rechtsgründen nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich - wie aufgezeigt - unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Daher bedarf es grundsätzlich keines entsprechenden Hinweises der Prozessbeteiligten. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung einer Verzögerungsrüge bestand bei Abschluss des Verfahrens im Juni 2011 nicht. Nach Art. 23 Satz 5 ÜblVfRSchG gilt bei abgeschlossenen Verfahren das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG nicht.

42

(4) Das Oberwaltungsgericht hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass das Verfahren im Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 und vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 - zusammengerechnet mehr als 12 Monate - ohne rechtfertigenden Grund nicht gefördert worden ist.

43

Die Revision stellt hinsichtlich des ersten Zeitraums nicht infrage, dass die am 8. Juni 2009 eingegangene Klage am 18. September 2009 "ausgeschrieben" war. Klagebegründung, Klageerwiderung und Replik der Klägerin lagen vor. Die Revision meint jedoch, dass der Vorsitzende weitere drei Monate auf den Eingang einer Duplik der Beklagten habe warten dürfen. Eine solche Entscheidung sei vertretbar gewesen. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zutreffend ausgeführt, dass der Vorsitzende auf die ungewisse und tatsächlich auch nicht eingegangene weitere Erwiderung des Beklagten zwar einen Monat habe warten dürfen. Insbesondere mit Blick auf den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin war ein weiteres Zuwarten hingegen nicht gerechtfertigt. Eine Förderung im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses ist nach Ablauf dieses Monats nicht mehr erkennbar. Da die Akte vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unbearbeitet blieb, muss für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden.

44

Das Gleiche gilt für den rund zweimonatigen Zeitraum nach Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Krankenstand. Zwar ist eine unvorhersehbare Erkrankung des berichterstattenden Vorsitzenden als ein Fall höherer Gewalt anzusehen, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 53). Das Oberverwaltungsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung eines Richters im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen könne. Erkrankt ein Richter, sind grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat das Verfahren in den drei Monaten, in denen der Vorsitzende krankheitsbedingt abwesend gewesen ist, keine Förderung erfahren. Selbst wenn dies nicht als unangemessene Verzögerung angesehen wird, war es nicht angemessen, dass der Vorsitzende nach seiner Rückkehr am 16. Februar 2011 die Akte erneut auf Abruf gelegt und bis zum 12. April 2011 nicht bearbeitet hat. Hierfür sind vom Tatsachengericht keine rechtfertigenden Gründe festgestellt worden. Solche sind auch nicht erkennbar. Auch in diesem Zusammenhang ist von Gewicht, dass das Verfahren einfach gelagert war und Bedeutung für die Klägerin hatte. Deshalb ist dem Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass dem Vorsitzenden nach der Rückkehr aus dem Krankenstand eine mehrwöchige Übergangsfrist für die Dezernatsaufarbeitung nach Prioritätsgesichtspunkten eingeräumt werden müsse. Mithin kann auch bei Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 kein Rechtfertigungsgrund für die erneute Zurückstellung des bereits vor der Erkrankung geladenen und damit priorisierten Verfahrens festgestellt werden.

45

Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, die hohe subjektive Bedeutung, das zu keiner Verzögerung führende Verhalten der Klägerin und die gerichtliche Prozessleitung, dann erweist sich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts als überzeugend, dass der Rechtsstreit in einem Jahr hätte erledigt werden müssen und die zweijährige Prozessdauer nicht angemessen war.

46

c) Die Klägerin hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.

47

Dass die Klägerin Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

48

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregel gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57). Unabhängig von einer Vermutungs- oder Vorrangregel ergibt hier eine Einzelabwägung, dass eine bloße Feststellung der unangemessenen Dauer nicht ausreicht.

49

Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass ihr durch die Hintergründe der Umsetzung und durch den höheren Zeitaufwand für die Fahrten von und zum Dienstort (täglich eine Stunde) eine zusätzliche immaterielle Belastung entstanden ist. Diese weiteren und spürbaren immateriellen Nachteile werden durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht aufgewogen.

50

Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils unabhängig davon, ob die Klägerin auch Entschädigung für einen materiellen Nachteil beanspruchen kann. Die Entschädigung für materielle und diejenige für immaterielle Nachteile stehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19) und können nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung gleichsam gegeneinander aufgerechnet werden.

51

d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 200 €.

52

Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung etwa ein Jahr betrug, steht der Klägerin ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 1 200 € zu.

53

2. Die Klägerin hat für den ihr durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil einen Entschädigungsanspruch in der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Höhe.

54

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen - wie hier - gebietet, (auch) für einen vermögensrechtlichen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Mit dieser Entschädigung wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewährt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen geleistet (BTDrucks 17/3802 S. 34). Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - BGHZ 147, 45 <53> und vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 - BGHZ 157, 33 <47>).

55

Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat der Klägerin für die mit den zusätzlichen Wegekosten konkret verbundenen Vermögenseinbußen (zusätzlicher Kraftstoff, erhöhte Wartungskosten und wegebedingter Wertverlust) einen Nachteilsausgleich gewährt. Ferner hat es entsprechend dem in der Enteignungsentschädigung anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs den im Wege der Einkommensteuerrückerstattung für die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) erlangten Vorteil abgezogen. Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Soweit der Beklagte einwendet, dass für die Entschädigung der Fahrtkosten die im Sozialhilferecht oder im Zeugenentschädigungsrecht maßgeblichen Bestimmungen entsprechend heranzuziehen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze.

56

Die Entschädigungssumme beläuft sich auf 1 864,87 €. Der vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Mehraufwandes für Fahrtkosten angesetzte Betrag hält einer revisionsgerichtlichen Kontrolle Stand. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Grundlagen der Berechnung, insbesondere die Anzahl der bei der Fahrtkostenberechnung zugrunde gelegten Diensttage und die Höhe des angesetzten Kraftstoffpreises angreift, sind diese Tatsachenfeststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend.

57

Soweit das Oberverwaltungsgericht den für die Wertminderung des Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag im Wege der Schätzung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt hat, erweist sich dies als fehlerfrei. Gegen die Anwendung dieser Vorschriften bei der Ermittlung der Höhe der nach § 198 Abs. 1 GVG geschuldeten Entschädigung bestehen keine Bedenken, weil die Schätzvorschriften auch ansonsten bei Entschädigungsansprüchen Anwendung finden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10). Auch hinsichtlich der Höhe der geschätzten wegebedingten Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestehen keine begründeten Zweifel. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Grundlagen seiner Schätzung nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist das Revisionsgericht regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob die vorinstanzliche Schätzung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Rechtsvorschriften oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind (Urteile vom 1. März 1995 - BVerwG 8 C 36.92 - Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3 S. 11 und vom 20. Januar 2005 a.a.O.). Solche Mängel liegen nicht vor.

58

Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Höhe der Wartungskosten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.

59

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 141/14
Verkündet am:
12. Februar 2015
B o t t
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Zur unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1
GVG, wenn das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren
zu einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten ("Massen"
)Verfahren gehört (hier: mehr als 4.000 Kläger), das deshalb einstweilen
zurückgestellt wird, weil das Ausgangsgericht "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren"
, die die ganze "Fallbreite" ausschöpfen, auswählt und vorrangig
betreibt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt
es dabei nicht an.

b) Zur Frage, inwieweit einer Partei, gegen die eine Vielzahl von Verfahren
betrieben wird, ein fühlbarer immaterieller Nachteil dadurch entsteht, dass
einzelne dieser Verfahren nicht in angemessener Zeit erledigt
werden (Widerlegung der Vermutung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
2
Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
3
Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
4
Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
5
Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
6
Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
7
Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.

8
Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
9
Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
10
Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
11
Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
12
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
13
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


14
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


15
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.

17
Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
18
In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
19
Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
20
Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.

II.


21
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
22
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
23
2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
24
a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
25
Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
26
Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
28
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
29
d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
30
September 2008 bis Februar 2010
31
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
32
Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
33
Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
34
Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
35
September 2011 bis Dezember 2012
36
Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
37
3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
38
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
39
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
40
Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
41
Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
42
b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
43
Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
44
Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 141/14
Verkündet am:
12. Februar 2015
B o t t
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Zur unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1
GVG, wenn das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren
zu einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten ("Massen"
)Verfahren gehört (hier: mehr als 4.000 Kläger), das deshalb einstweilen
zurückgestellt wird, weil das Ausgangsgericht "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren"
, die die ganze "Fallbreite" ausschöpfen, auswählt und vorrangig
betreibt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt
es dabei nicht an.

b) Zur Frage, inwieweit einer Partei, gegen die eine Vielzahl von Verfahren
betrieben wird, ein fühlbarer immaterieller Nachteil dadurch entsteht, dass
einzelne dieser Verfahren nicht in angemessener Zeit erledigt
werden (Widerlegung der Vermutung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
2
Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
3
Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
4
Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
5
Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
6
Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
7
Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.

8
Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
9
Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
10
Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
11
Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
12
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
13
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


14
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


15
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.

17
Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
18
In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
19
Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
20
Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.

II.


21
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
22
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
23
2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
24
a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
25
Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
26
Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
28
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
29
d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
30
September 2008 bis Februar 2010
31
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
32
Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
33
Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
34
Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
35
September 2011 bis Dezember 2012
36
Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
37
3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
38
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
39
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
40
Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
41
Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
42
b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
43
Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
44
Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zweck das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann er alle Handlungen vornehmen, die sofort erfolgen können. Eidliche Vernehmungen sind jedoch ausgeschlossen. Der Vorsitzende kann die Güteverhandlung mit Zustimmung der Parteien in einem weiteren Termin, der alsbald stattzufinden hat, fortsetzen.

(2) Die Klage kann bis zum Stellen der Anträge ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden. In der Güteverhandlung erklärte gerichtliche Geständnisse nach § 288 der Zivilprozeßordnung haben nur dann bindende Wirkung, wenn sie zu Protokoll erklärt worden sind. § 39 Satz 1 und § 282 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.

(3) Das Ergebnis der Güteverhandlung, insbesondere der Abschluß eines Vergleichs, ist in das Protokoll aufzunehmen.

(4) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, schließt sich die weitere Verhandlung unmittelbar an oder es ist, falls der weiteren Verhandlung Hinderungsgründe entgegenstehen, Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen; diese hat alsbald stattzufinden.

(5) Erscheinen oder verhandeln beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Auf Antrag einer Partei ist Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden. Nach Ablauf der Frist ist § 269 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(6) Der Vorsitzende kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 141/14
Verkündet am:
12. Februar 2015
B o t t
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Zur unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1
GVG, wenn das der Entschädigungsklage zugrunde liegende Ausgangsverfahren
zu einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten ("Massen"
)Verfahren gehört (hier: mehr als 4.000 Kläger), das deshalb einstweilen
zurückgestellt wird, weil das Ausgangsgericht "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren"
, die die ganze "Fallbreite" ausschöpfen, auswählt und vorrangig
betreibt. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt
es dabei nicht an.

b) Zur Frage, inwieweit einer Partei, gegen die eine Vielzahl von Verfahren
betrieben wird, ein fühlbarer immaterieller Nachteil dadurch entsteht, dass
einzelne dieser Verfahren nicht in angemessener Zeit erledigt
werden (Widerlegung der Vermutung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von zehn Schadensersatzprozessen, die gegen ihn bei dem Landgericht G. parallel geführt werden und Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen sind, die gegen den Kläger seit 2007 erhoben wurden.
2
Die der Entschädigungsklage zugrunde liegenden Ausgangsverfahren betreffen jeweils Schadensersatzansprüche, die von Kapitalanlegern gegen den Kläger geltend gemacht werden. Dieser wird als Verantwortlicher ("Konzeptant" ) des Unternehmensverbundes der sogenannten "G. Gruppe" per- sönlich in Anspruch genommen. In den Jahren 2007 und 2008 sind beim Landgericht G. insgesamt 2.441 Klagen gegen den Kläger eingereicht worden. Ab dem Jahr 2009 kamen sukzessive nochmals etwa 1.600 Klagen hinzu. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren sind unerledigt und noch in der ersten Instanz anhängig. Dies gilt nahezu ausschließlich auch für die übrigen Prozesse. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. bearbeitet. Zu Beginn des Jahres 2012 übernahm die neu eingerichtete 14. Zivilkammer einen Teil der Prozesse, darunter auch sämtliche Ausgangsverfahren.
3
Bei Zustellung der Klagen in den Ausgangsverfahren am 17. und 18. Januar 2008 waren bereits 386 Schadensersatzklagen mit einer Gesamtforderungshöhe von 10.777.752,53 € rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger, der sich zudem Steuerforderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro ausgesetzt sah, über kein nennenswertes Vermögen. Seine Vermögensverhältnisse haben sich auch in der Folgezeit nicht verbessert.
4
Im April 2008 bestimmte die damals allein zuständige 2. Zivilkammer in acht exemplarisch ausgewählten Verfahren, die sich sowohl gegen den (jetzigen ) Kläger als auch gegen einen weiteren Verantwortlichen der "G. Gruppe", den Zeugen S. , richteten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 7. August 2008. Zugleich traf sie die Entscheidung, (unter anderem) die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren vorübergehend nicht weiter zu betreiben.
5
Nach Durchführung des Verhandlungstermins wies die Kammer am 8. August 2008 in allen acht vorgezogenen Verfahren die Schadensersatzklagen gegen den (jetzigen) Kläger durch (nicht rechtskräftige) Versäumnisurteile ab, da die klagenden Anleger keine Anträge gestellt hatten. Soweit sich die Klagen gegen den Zeugen S. richteten, ergingen lediglich in zwei Fällen klageabweisende Versäumnisurteile. Im Übrigen wies die Kammer die Klagen am 21. August 2008 durch Teilurteile, die nach Lage der Akten ergingen, ab. Da sämtliche Teilurteile mit der Berufung angefochten wurden, wartete die Kammer sodann den Ausgang der Berufungsverfahren ab. Sie versprach sich hiervon Erkenntnisse auch für die gegen den Kläger gerichteten Ansprüche, weil dem Kläger und dem Zeugen S. in allen Verfahren und im Wesentlichen gleichlautend vorgeworfen wurde, als Verantwortliche eine falsche Emissionskostenquote in den Prospekten ausgewiesen und gegen Investitionsgrundsätze verstoßen zu haben, so dass das gesamte Geschäftsmodell von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei.
6
Nachdem das Oberlandesgericht B. in einem der Berufungsverfahren am 20. August 2009 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt hatte , nahm dies der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts G. zum Anlass, mit Verfügung vom 11. November 2009 den Parteien der streitgegenständlichen Ausgangsverfahren seinerseits Hinweise "zur Vorbereitung weiterer durchzuführender mündlicher Verhandlungen und auch im Hinblick auf weitere Schriftsätze" zu geben. In dieser Verfügung nahm die Kammer auf die im Berufungsrechtszug anhängigen "Pilotverfahren" Bezug und machte sich die Auffassung des Oberlandesgerichts zu Eigen. Unter anderem wies sie auf die Unschlüssigkeit der Klage hin.
7
Im September 2011 beantragte der Kläger in sämtlichen Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2011 wurden sämtliche Klagen dahingehend erweitert, die Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftig noch entstehende Schäden festzustellen.

8
Mit Beschlüssen vom 2. und 9. Februar 2012 wies die nunmehr zuständige 14. Zivilkammer des Landgerichts G. die Prozesskostenhilfegesuche zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers bewilligte das Oberlandesgericht B. in sämtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe, wobei in den streitgegenständlichen Ausgangsverfahren die Entscheidungen am 15. und 21. Mai 2012 sowie am 8. und 11. Juni 2012 ergingen.
9
Der von der 14. Zivilkammer zunächst auf den 29. Februar 2012 bestimmte Verhandlungstermin wurde nach Eingang von Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger aufgehoben. Am 11. Juli 2012 beziehungsweise 15. August 2012 wurde sodann in sämtlichen Ausgangsverfahren mündlich verhandelt. Die Kammer ging nunmehr von der Schlüssigkeit des Klagevorbringens aus und erließ Auflagen- und Beweisbeschlüsse. Unter anderem ordnete sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
10
Der Kläger, der im April 2009 einen Herzinfarkt erlitten hatte, hatte in den Ausgangsverfahren bereits am 8. Dezember 2011, wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verzögerungsrügen erhoben. Schon zuvor hatte er sich in 1.415 Verfahren mit einer Individualbeschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, die der Gerichtshof im Jahr 2012 im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtschutzmöglichkeit nach §§ 198 ff GVG für unzulässig erklärte.
11
Der Kläger hat geltend gemacht, die zehn Ausgangsverfahren seien in einem Fall um 47 Monate (1. September 2008 bis 1. August 2012) und im Übrigen um 48 Monate (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) verzögert. Die Ver- zögerungen beträfen nicht nur den Zeitraum, in dem allein die 2. Zivilkammer zuständig gewesen sei, sondern hätten sich auch nach dem 1. Januar 2012 unter der Zuständigkeit der 14. Zivilkammer fortgesetzt. Das Gericht hätte keine Beweisaufnahme anordnen dürfen. Die dem Kläger zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes insgesamt 47.900 €. Außerdem sei die Unangemessenheit der Verfahrensdau- er auszusprechen.
12
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
13
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe


14
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


15
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
16
Hinsichtlich der Zeiträume von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 sei die Klage schon deshalb abzuweisen , weil es an der Anspruchsvoraussetzung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) fehle.

17
Die Justizverwaltung sei zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, und könne sich im Regelfall nicht auf fehlendes Personal berufen. Im Streitfall spreche jedoch einiges dafür, dem beklagten Land eine bis Ende 2009 währende (erhebliche) Übergangsfrist zuzubilligen , um der in den Jahren 2007 und 2008 beim Landgericht G. eingegangenen "Klageflut" zu begegnen. Es hätten außergewöhnliche Umstände vorgelegen, weil der schnellen personellen Aufstockung eines kleinen Gerichts wie des Landgerichts G. Grenzen gesetzt seien. Bis zum Jahresende 2009 sei die Verfahrensdauer zudem schon deshalb nicht unangemessen, weil das Landgericht G. unechte Musterverfahren geführt habe. Die streitgegenständlichen Ausgangsverfahren hätten zurückgestellt werden dürfen. Dass die Musterverfahren den Zeugen S. betroffen hätten, sei nicht relevant. Es hätten sich aus der maßgebenden ex-ante-Sicht Rechtsfragen gestellt, die auch den Kläger betroffen hätten. Nach der Hinweisverfügung des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer vom 11. November 2009 habe dem Landgericht wegen der Vielzahl der Verfahren noch eine Bearbeitungszeit bis Ende Februar 2010 zur Verfügung gestanden.
18
In den folgenden achtzehn Monaten von Anfang März 2010 bis Ende August 2011 hätten die Ausgangsverfahren eine unangemessene Dauer aufgewiesen. Die 2. Zivilkammer habe nicht untätig bleiben dürfen. Der Umstand, dass sie in 229 weiteren Schadensersatzprozessen Verhandlungstermine bestimmt habe, die sie nach Ablehnungsgesuchen der klagenden Anleger wieder aufgehoben habe, ändere daran nichts. Hypothetische Kausalverläufe seien bei Ansprüchen nach § 198 GVG unbeachtlich. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen die Schadensersatzkläger in den Ausgangsverfahren ergriffen hät- ten, wenn das Gericht die Verfahren gefördert hätte, sei offen. Ob es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, sei unklar.
19
Ab September 2011 sei die Verfahrensdauer nicht mehr unangemessen. In dieser Zeit seien die in sämtlichen Verfahren eingegangenen Prozesskostenhilfegesuche des Klägers bearbeitet worden, was angesichts der Vielzahl der zu bewältigenden Anträge einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert habe. Durch die Erweiterung der Klagen im Dezember 2011 habe sich der Bearbeitungsaufwand zusätzlich erhöht. Über die Beschwerden des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren habe das Oberlandesgericht im Mai und Juni 2012 zügig entschieden. Es entspreche weiterhin straffer Verhandlungsführung, dass die (nunmehr zuständige) 14. Zivilkammer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Prozesskostenhilfebewilligung am 11. Juli 2012 und 15. August 2012 mündlich verhandelt habe. Eine Entschädigung nach § 198 GVG scheide auch für den Zeitraum nach Durchführung der Verhandlungstermine aus. Im Entschädigungsprozess sei nicht zu untersuchen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht angeordnet worden sei.
20
Soweit die Verfahrensdauer in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG anzusehen sei, scheide ein Entschädigungsanspruch aus, weil dem Kläger hierdurch in den zehn streitgegenständlichen Ausgangsverfahren kein immaterieller Nachteil entstanden sei. Die Tatsachenvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt , weil der überschuldete Kläger zu dem Zeitpunkt, als die Klagen in den Ausgangsverfahren zugestellt worden seien, bereits Schadensersatzforderun- gen von Anlegern im Gesamtumfang von 10.777.752,53 € und Steuerforderun- gen des Landes B. in einer vergleichbaren Größenordnung ausgesetzt gewesen sei. Die Geltendmachung weiterer Schadensersatzforderungen habe zu keiner messbaren Mehrbelastung des Klägers geführt, zumal bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen aus demselben Komplex mit jedem Folgeverfahren die Belastung degressiv abnehme. In den vorliegenden Ausgangsverfahren erschöpfe sich der Nachteil in der bloßen Ungewissheit über den Verfahrensausgang, ohne dass weitere Nachteile erkennbar seien. Es fehle somit eine entschädigungspflichtige immaterielle Beeinträchtigung. Der im April 2009 erlittene Herzinfarkt des Klägers müsse außer Betracht bleiben, weil zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Verfahrensverzögerung vorgelegen habe.

II.


21
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zu Recht abgelehnt.
22
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren , die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die seit Januar 2008 rechtshängigen Ausgangsverfahren sind weiterhin unerledigt.
23
2. Die Verfahrensführung in den Ausgangsverfahren war sowohl in dem Zeitraum von September 2008 bis Februar 2010 als auch in dem Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2012 sachlich gerechtfertigt. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass insoweit keine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, ist somit zutreffend.
24
a) Der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als Tatbestandsmerkmal voraus. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 GVG explizit genannten Kriterien sind zwar besonders bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und keinesfalls abschließend zu verstehen. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen in Bezug zu setzen ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87 Rn. 25, 32).
25
Bei der Würdigung der Verfahrensführung durch das Gericht muss stets beachtet werden, dass die Verfahrensbeschleunigung keinen Selbstzweck darstellt und gegenläufige Rechtsgüter gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Dazu zählen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
26
Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 32 f; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 Rn. 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 39).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN). Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42; und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28). Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37).
28
c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das Oberlandesgericht den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 34).
29
d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Ausgangsverfahren seien jedenfalls in den Zeiträumen von September 2008 bis Februar 2010 und von September 2011 bis Dezember 2012 hinreichend gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
30
September 2008 bis Februar 2010
31
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war das Landgericht ab dem Jahr 2007 mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Schadensersatzklagen gegen den jetzigen Kläger und den Zeugen S. befasst. Bis Ende 2007 waren 386 Klagen eingegangen. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der Verfahren auf 2.441 an und ab dem Jahr 2009 kamen zahlreiche weitere Verfahren hinzu, so dass der offene Bestand schließlich mehr als 4.000 Verfahren betrug.
32
Unter Berücksichtigung eines angemessenen Prüfungs- und Bearbeitungszeitraums sowie des den Gerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums ist eine unangemessene Verfahrensdauer nicht feststellbar. Die zunächst allein zuständige 2. Zivilkammer musste in dem sowohl tatsächlich wie auch rechtlich komplexen zivilrechtlichen Kapitalanlagerechtsstreit die ständig zunehmende Zahl an Klagen und Klägern nicht nur verfahrenstechnisch bewältigen (Aktenanlage, Zustellung der Klageschriften und Klageerwiderungen, Fristsetzungen etc.), sondern auch eine Gesamtplanung des Komplexes "G. Gruppe" entwickeln. Das Gericht musste insbesondere die zahllosen Verfahren sichten, das jeweilige Klagevorbringen auf Schlüssigkeit prüfen und einen Weg finden, der es ermöglichte, in einigen wenigen Verfahren über die ganze "Fallbreite" zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Es war daher sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt blieben (siehe auch Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - III ZA 28/13, NJOZ 2014, 987 Rn. 9). Dadurch konnten Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise geklärt werden. Da- rauf, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts aus der Sicht ex ante vernünftig und zweckmäßig war (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).
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Der Einwand der Revision, es sei einem Gericht nicht gestattet, aus mehreren Verfahren einige als "Musterverfahren" herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern, verkennt zum einen die Besonderheiten sogenannter Massenverfahren, die ohne die Durchführung von Pilotverfahren regelmäßig nicht sachgerecht bewältigt werden können, und steht zum anderen im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist dem Gericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht , dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. So ist jedes Gericht berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen oder rechtlichen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als vordringlich anzusehen , auch wenn ein solches "Vorziehen" einzelner Verfahren naturgemäß zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört nach alledem zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen. Es kann deshalb offen bleiben, ob § 148 ZPO bei Massenverfahren anwendbar ist, wenn das Gericht mit einer nicht mehr zu bewältigenden Zahl von Verfahren befasst ist (dazu BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 36/04, BGHZ 162, 373, 376 f und vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 8).
34
Der Revision ist zuzugeben, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle oder schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Bund und Ländermüssen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende materielle und personelle Ausstattung der Gerichte sorgen. Verfahrensverzögerungen, die auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen sind, stellen grundsätzlich strukturelle Mängel dar, für die der Staat einstehen muss (BVerfG, NJW 2000, 797; NZS 2013, 21 Rn. 19; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1243 mwN). Davon abgesehen , dass das Landgericht die Verfahren in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (bis Februar 2010) - wie dargelegt - angemessen gefördert hat, zeigt der vorliegende Fall auch keine Strukturmängel im Bereich der Justiz auf. Die über das Landgericht hereinbrechende "Klageflut" war weder vorhersehbar noch kurzfristig aufzufangen. Sie ist vielmehr einem unvorhersehbaren Zufall beziehungsweise einem schicksalhaften Ereignis gleichzuachten.
35
September 2011 bis Dezember 2012
36
Die Ausgangsverfahren wurden jedenfalls ab September 2011 zügig betrieben. Nach vorrangiger Erledigung der in allen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeanträge des Klägers fanden im Juli und August 2012 mündliche Verhandlungen statt, die in Auflagen- und Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens) mündeten. Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, im Entschädigungsprozess die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung sind entschädigungslos hinzunehmen (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um das Konzept der "G. Gruppe" zu überprüfen, schlechthin unverständlich war, werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht erkennbar.
37
3. Es kann dahinstehen, ob die Ausgangsverfahren, wie das Oberlandesgericht meint, in dem Zeitraum von März 2010 bis August 2011 als unangemessen verzögert anzusehen sind, obwohl das Landgericht in insgesamt 229 Parallelsachen Verhandlungstermine bestimmt hat, die klagenden Anleger eine - dem Gericht nicht zurechenbare - Verzögerungsstrategie verfolgten und die streitgegenständlichen Verfahren für den überschuldeten Kläger angesichts der bereits anhängigen zahllosen Schadensersatzklagen keine besondere Bedeutung hatten. Der Kläger hat durch eine etwaige Verfahrensverzögerung jedenfalls keinen entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt.
38
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Gegenrüge des Beklagten, das Oberlandesgericht habe die Angemessenheit der Verfahrensdauer rechtsfehlerhaft verkannt, nicht mehr an.
39
a) Grundlage eines Entschädigungsanspruchs für einen durch überlange Verfahrensdauer verursachten immateriellen Nachteil ist § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Als derartige Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (BT-Drucks. 17/3802 S. 19; siehe auch Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 150; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren , § 198 GVG Rn. 79; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren , Rn. 143).
40
Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Falle unangemessener Dauer vermutet. Dabei handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO, die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BT-Drucks. 17/3802 S. 19, 41; siehe auch BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 1273; Ott aaO § 198 GVG Rn. 152, 154). Diese Vermutungsregel entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser nimmt eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür an, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat. Er erkennt aber auch an, dass der Nichtvermögensschaden in bestimmten Fällen sehr gering sein oder gar nicht entstehen kann. In diesem Fall müsse der staatliche Richter seine Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung rechtfertigen (EGMR, NJW 2007, 1259 Rn. 204).
41
Im Entschädigungsprozess ist die Vermutung widerlegt, wenn der Beklagte (Bund oder Land) das Fehlen eines immateriellen Nachteils darlegt und beweist, wobei ihm, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Behauptungslast zugutekommen können (Hk-ZPO/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 286 Rn. 93 und § 292 Rn. 10; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 und § 292 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass der EGMR lediglich eine "ausreichende Begründung" zur Widerlegung verlangt, dürfen an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils ist dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (vgl. BFHE 243, 151 Rn. 26 ff).
42
b) Das angefochtene Urteil wird diesen Grundsätzen gerecht. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Fallumstände die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger durch die Dauer der Ausgangsverfahren kein ausgleichspflichtiger immaterieller Nachteil entstanden ist.
43
Das Gericht hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass die streitgegenständlichen Verfahren für den Kläger ohne besondere Bedeutung waren. Zum Zeitpunkt der Klagezustellung sah sich der Kläger im Rahmen des Gesamtkomplexes "G. Gruppe" bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtscha- densersatzforderung von 10.777.752, 53 € ausgesetzt. Es kommt hinzu, dass seine Vermögensverhältnisse zu diesem Zeitpunkt auf Grund nicht beglichener Steuerforderungen in Millionenhöhe desolat waren. Es stand mithin von vornherein fest, dass es auf die Vermögenslage des Klägers ohne spürbare Auswirkungen bleiben wird, ob er in den von ihm konkret "gegriffenen" zehn Verfahren obsiegen oder unterliegen wird. Der Kläger hat auch keine konkreten (psychischen oder physischen) Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen waren. Seine Ausführungen in der Klageschrift erschöpfen sich darin, die durch den Gesamtkomplex "G. Gruppe" angeblich hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Macht der Betroffene - wie hier - Entschädigung für einzelne Verfahren aus einem umfangreichen Verfahrenskomplex geltend, muss er jedoch die konkreten Nachteile, die gerade durch die Dauer dieser Verfahren verursacht worden sein sollen, positiv behaupten. Nur dann kann der Anspruchsgegner den ihm obliegenden Beweis der Unrichtigkeit der aufgestellten Behauptungen führen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 19 f).
44
Wie das Oberlandesgericht ferner zutreffend gesehen hat, kann sich der Kläger auf den im April 2009 erlittenen Herzinfarkt als immaterielle Folge schon deshalb nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Verfahren überhaupt nicht verzögert waren. Hinsichtlich dieses Nachteils fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal der "unangemessenen Dauer" eines Gerichtsverfahrens.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.04.2014 - 6 SchH 1/13 -

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZA 16/13
vom
19. September 2013
in dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2013 durch
den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Wöstmann, Mayer, Tombrink
und Reiter

beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, ihm für eine Entschädigungsklage nach §§ 198 ff GVG gegen die Bundesagentur für Arbeit Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, für die unabhängig von der erfolgten Verweisung des Verfahrens durch Beschluss des Oberlandesgerichts D. - vom 28. Februar 2013 (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 201 Abs. 1 Satz 2 GVG die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gegeben ist, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
2
Welche Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18; vgl. hierzu BVerfG, NVwZ 2004, 334, 335; EGMR, NVwZ 2008, 289, 291).
3
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend noch keine unangemessene Verfahrensdauer gegeben. Zwar sind im Anschluss an die Übernahme des straf- rechtlichen Ermittlungsverfahrens am 11. November 2010 durch die Bußgeldund Strafsachenstelle der Familienkasse D. etwa ein Jahr und zehn Monate verstrichen, bis die Familienkasse das bei ihr anhängige Verfahren am 12. September 2012 durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zum Abschluss brachte. Dies beruhte indes im Wesentlichen auf der Aussetzung des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des vom Antragsteller anhängig gemachten finanzgerichtlichen Verfahrens. Dabei ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Behörde die Schreiben des Antragstellers und seiner Verteidigerin vom 1. Oktober 2011 und 24. November 2011 dahin verstanden hat und auch dahin verstehen durfte, dass der Antragsteller mit einer Aussetzung des Ermittlungsverfahrens nach § 396 Abs. 1 AO einverstanden ist.
4
Es kommt hinzu, dass die absehbare deutliche Verzögerung des Strafverfahrens für den Antragsteller keine wesentliche Beschwer bedeutete. Dem Tatvorwurf kam bei objektiver Betrachtung von Anfang an nur eine mindere Bedeutung zu. Für den Fall der Erweislichkeit ließ er von vornherein keine schärfere Sanktion als eine Geldstrafe im unteren Bereich erwarten. Besondere, über die mit einem Strafverfahren stets verbundene Betroffenheit hinausgehende persönliche Belastungen, Beeinträchtigungen in der privaten Lebensführung oder Behinderungen im beruflichen Fortkommen durch die Art des Vorwurfs oder durch die Dauer des Verfahrens sind nicht ersichtlich.
Schlick Mayer

Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.02.2013 - I-18 SchH 1/13 -

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.07.2012 in Sachen 9 Ca 2544/11 teilweise abgeändert:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 71,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 25 26 28 30 32 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126

BERICHTIGUNGSBESCHLUSS

127 128 129 130 131

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.

b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger
im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens
nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H. betrieb er zunächst als Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H. dem Kläger mit, dass die ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009 beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B. die zeitnahe Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den Internetseiten der Fernuniversität H. . Daraufhin erhielt er vom pädagogischen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt B. wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Studiums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G. - 2. Strafvollstreckungskammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G. - 2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B. zu verpflichten , ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H. einzurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B. schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung", da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am 20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG, mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte , wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November 2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben, für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe, und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G. die Justizvollzugsanstalt B. , dem Kläger die Nutzung eines eingeschränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H. zu ermöglichen und ihm einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für im- materielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B. vom 5. Oktober 2010 sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher - trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.

II.


19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß -Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs- prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1; Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits

).


24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108 Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).

25
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen , verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen , die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes- sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40; BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten, den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten) Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1 HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG /Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen , ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).

39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni 2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November 2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen , die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52; Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat, einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli 2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt , dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15 Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt B. vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 127).
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen , übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41; Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012 für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden , wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
50
ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An- nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -

Tenor

Der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers vom 23.10.2014 wird zurückgewiesen.


Gründe:

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(1) Die Verhandlung ist möglichst in einem Termin zu Ende zu führen. Ist das nicht durchführbar, insbesondere weil eine Beweisaufnahme nicht sofort stattfinden kann, so ist der Termin zur weiteren Verhandlung, die sich alsbald anschließen soll, sofort zu verkünden.

(2) Die gütliche Erledigung des Rechtsstreits soll während des ganzen Verfahrens angestrebt werden.

Tenor

Der Antrag, Herrn Rechtsanwalt N.      M.       , I.-----------ring 00-00, 00000, beizuladen, wird abgelehnt.


1 2 3

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2014 - 4 Ta 248/13 (9) - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 8.137,02 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin für die Monate Juni 2012 bis Mai 2013 in Höhe von 60.000,00 Euro brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 19.314,90 Euro.

2

Die Beklagte hatte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 23. April 2012 zum 31. Mai 2012 gekündigt. Mit Urteil vom 5. Dezember 2012 hat das Arbeitsgericht Dresden der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist durch das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 5. April 2013 (- 6 Sa 13/13 -) ohne Zulassung der Revisionsbeschwerde als unzulässig verworfen worden. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2013 (- 6 Sa 265/13 -) zurück. Die Beklagte erhob daraufhin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts und die Beschlüsse des Sächsischen Landesarbeitsgerichts beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde (- 1 BvR 1954/13 -), über die noch nicht entschieden ist.

3

Mit Beschluss vom 27. September 2013 hat das Arbeitsgericht Dresden den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Sächsische Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 29. Januar 2014 diese Entscheidung aufgehoben und den Aussetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

4

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits im Hinblick auf die erhobene Verfassungsbeschwerde nicht in Betracht kommt.

5

1. Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Das Gesetz stellt die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Eine Aussetzung muss nur dann erfolgen, wenn sich das Ermessen des Gerichts auf null reduziert hat (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 106, 293). Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung - einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern - sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die dabei entstehenden Folgen für die Parteien abzuwägen (BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 245/02 - zu B II 2 c der Gründe, aaO). Dabei ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer(§ 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 198 ff. GVG).

6

2. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach es wegen der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden über die Kündigung bereits an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis, das Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits ist, fehlt.

7

a) Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit zutreffend an, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Dresden nach Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 ZPO) und (spätestens) nach der Entscheidung über deren Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) rechtskräftig geworden ist. Hieran ändert die erhobene Verfassungsbeschwerde nichts. Bei ihr handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der die Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht hemmt und die Pflicht des Unterlegenen, das Urteil zu befolgen, nicht beseitigt (BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C III 2 a aa der Gründe, BVerfGE 107, 395; 18. Januar 1996 - 1 BvR 2116/94 - zu B der Gründe, BVerfGE 93, 381). Damit steht (zunächst) rechtskräftig fest, dass die Kündigung vom 23. April 2012 unwirksam war.

8

b) Kommt allerdings das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der erhobenen Verfassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, dass das Recht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt wurde und hebt es die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG auf, stünde die Wirksamkeit der Kündigung erneut im Streit. Deshalb spricht manches dafür, dass trotz des anderen Streitgegenstandes der Verfassungsbeschwerde (vgl. dazu Zuck Das Recht der Verfassungsbeschwerde 4. Aufl. Rn. 19) die Annahme des Bestehens eines vorgreiflichen Rechtsstreits und eine entsprechende Anwendung des § 148 ZPO im Einzelfall nicht ausgeschlossen sind(vgl. zu dieser Möglichkeit: BVerfG 11. Januar 2000 - 1 BvR 1392/99 - zu II 2 der Gründe; BAG 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - zu II 3 a der Gründe; BGH 17. Juli 2013 - IV ZR 150/12 - [jeweils zu anhängigen Verfassungsbeschwerden über ein entscheidungserhebliches Gesetz]; BAG 27. Januar 1998 - 3 AZR 430/96 - zu A der Gründe [zu Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen in Parallelfällen]).

9

3. Unabhängig hiervon ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht durfte den Rechtsstreit über die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche (§ 615 BGB) nicht aussetzen. Auch unter Berücksichtigung der - was die Ermessensausübung angeht - eingeschränkten Überprüfungskompetenz im Beschwerderechtszug (vgl. dazu BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - Rn. 7 ff.; BGH 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 - Rn. 6) hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts einer Überprüfung nicht stand. Es hat die Grenzen seines Ermessens deutlich überschritten und wesentliche Aspekte verkannt.

10

a) Die Vorgreiflichkeit eines Rechtsstreits ist kein Ermessenskriterium, sondern eine Voraussetzung des § 148 ZPO, die erfüllt sein muss, damit das Ermessen des Gerichts überhaupt eröffnet ist(BVerfG 22. September 2008  - 1 BvR 1707/08 - Rn. 19, BVerfGK 14, 270).

11

b) Führen Parteien einen Rechtsstreit über Entgeltansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, über die bereits eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers vorliegt, kommt eine Aussetzung dieses Rechtsstreits regelmäßig nicht in Betracht. Dem steht der Umstand entgegen, dass der Arbeitnehmer typischerweise auf seine Vergütung angewiesen ist und sich nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verweisen lassen muss, wenn ein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Der arbeitsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) verbietet in solchen Fällen regelmäßig, eine Aussetzung vorzunehmen (vgl. zB LAG Köln 19. Juni 2006 - 3 Ta 60/06 -; LAG Schleswig-Holstein 24. November 2006 - 2 Ta 268/06 -; Hessisches LAG 3. Juli 2002 - 12 Ta 213/02 -; Thüringer LAG 27. Juni 2001 - 6/9 Ta 160/00 -; Düwell/Lipke/Kloppenburg ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 25; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2013 § 55 Rn. 48; GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 29; Schwab/Weth/Korinth ArbGG 3. Aufl. § 55 Rn. 43; vgl. auch BVerfG 22. September 2008 - 1 BvR 1707/08 - Rn. 20, BVerfGK 14, 270). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen in einem solchen Fall besondere Gründe des Einzelfalls vorliegen, die das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer auch vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegen (LAG Köln 14. Dezember 1992 - 11 Ta 234/92 -). Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, nämlich den Rechtsstreit über die Vergütung ggf. deutlich zu vereinfachen, kann dabei keine Rolle spielen. Diese Erwägungen gelten erst recht, wenn das zunächst vorgreifliche Verfahren über die Wirksamkeit einer Kündigung rechtskräftig abgeschlossen und lediglich ein außerordentlicher Rechtsbehelf eingelegt ist. Solche besonderen Gründe hat das Arbeitsgericht weder erwogen noch hat die Beklagte diese vorgetragen. Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf die Vorgreiflichkeit ihrer Verfassungsbeschwerde berufen. Allein die Gefahr widersprechender Entscheidungen bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde und einem Erfolg der Beklagten im dann fortzusetzenden Kündigungsschutzprozess führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Arbeitgeberin bleibt auch im Fall einer Ablehnung der Aussetzung nicht schutzlos. Sollte es nach einem Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerde im Ergebnis zur Abweisung der Kündigungsschutzklage kommen, stünde ihr, falls der Vergütungsklage rechtskräftig stattgegeben worden ist, die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO zur Verfügung(vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 6 der Gründe, BAGE 103, 290; vgl. auch BGH 23. November 2006 - IX ZR 141/04 - zu I 2 b der Gründe). Ob in Fällen, in denen erkennbar eine Überschreitung der 5-Jahres-Frist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO droht, etwas anderes gilt, kann dahinstehen. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.

12

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.