Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 12. Juni 2018 - 2 Sa 224/17

bei uns veröffentlicht am12.06.2018

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund Kammern Neubrandenburg vom 15.11.2017 (11 Ca 94/17) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach der fristlosen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten, welche mit einem Schreiben der Beklagten vom 27.04.2017 erklärt wurde.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, welche Käse produziert, verpackt und vertreibt, seit dem 01.11.1997 beschäftigt. Die Klägerin wurde zuletzt vollschichtig, d.h. 40 Stunden die Woche auf Basis eines Gehaltes von 13,30 € je Stunde zuzüglich einer Besitzstandszulage in Höhe von 1,58 € je Stunde, insgesamt also zu einem Bruttogehalt von rund 2.460,00 € im Monat beschäftigt und zuletzt in der Regel als Gabelstaplerfahrerin eingesetzt. Bei der Beklagten wird im Schichtdienst gearbeitet. Zum Ende der Frühschicht der Klägerin am 13.04.2017 erklärte der von der Beklagten als stellvertretender Teamleiter eingesetzte Herr O. B. gegenüber der Klägerin und weiteren Mitarbeitern, dass diese aus einem vor dem Teamleiterbüro stehenden Karton jeweils eine Käsepackung (125 g), gefüllt mit fünf Scheiben „Milram Küstenkäse“ entnehmen und mit nach Hause nehmen könnten. Der Ladenverkaufspreis dieses Käses beträgt pro Packung im Lebensmitteleinzelhandel nach Angaben der Beklagten 1,99 €. Die Klägerin nahm eine Käsepackung, ebenso wie andere Mitarbeiter, an sich und steckte diesen in die von ihr mitgeführte Tasche. Sodann begab sich die Klägerin zum Werkstor, um das Werksgelände zu verlassen. Am Werkstor wurde eine stichprobenartige Taschenkontrolle, welche mit dem Betriebsrat abgestimmt worden war, durchgeführt. Die Klägerin bemerkte diese Taschenkontrolle, setzte ihren Weg zum Werksausgang nicht weiter fort, sondern kehrte um. Sie kehrte ins Werksgebäude zurück und entledigte sich dort der mitgeführten Käsepackung. Auf ihr Verhalten, das Umkehren vor der Werkspforte, angesprochen, teilte die Klägerin zunächst mit, ihren Schlüssel im Werksgebäude vergessen zu haben. Sodann räumte sie ein, eine Käsepackung mitgeführt zu haben.

3

Der stellvertretende Schichtleiter, Herr O. B., wurde wegen seines Verhaltens, Mitarbeitern zu ermöglichen, Käse mitzunehmen, abgemahnt. Neben der Klägerin führte zumindest ein weiterer Mitarbeiter, der ebenso wie die Klägerin auf die Erlaubnis des Herrn B. verwies, Käse mit sich. Der weitere Mitarbeiter wurde im Rahmen der Taschenkontrolle am Tor festgestellt, bezog sich ebenfalls auf das Einverständnis des stellvertretenden Teamleiters, Herrn B., und wurde sodann im Nachgang, da es sich bei diesem Mitarbeiter um einen Leiharbeitnehmer handelte, von der Beklagten bei seinem Arbeitgeber für den weiteren Einsatz bei der Beklagten „abgemeldet“.

4

Mit Schreiben vom 27.04.2017, welches der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß. Vor Ausspruch der Kündigung hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit einem formalisiertem Schreiben vom 24.04.2017 zur beabsichtigten Kündigung angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten der Betriebsratsanhörung wird auf Blatt 59 der Akte verwiesen. Der Betriebsratsanhörung ist im Weiteren folgender Sachvortrag zu entnehmen:

5

„Frau A. hat nach Schichtende das Gebäude verlassen. Als sie Frau O. und Herrn K. bei der Taschenkontrolle eines/einer anderen Mitarbeiters/Mitarbeiterin entdeckte kehrte sie plötzlich um und ging zurück ins Gebäude. Nach kurzer Zeit verließ Frau A. dann erneut das Gebäude und wollte das Werksgelände verlassen. Hier wurde sie nun von Frau O. und Herrn K. angehalten und auf die Durchführung der Taschenkontrolle hingewiesen. Dies kann auch von den beiden Mitarbeitern der Wachdienstfirma S. bezeugt werden, die am 13.04.2017 als Pförtner am Standort C-Stadt eingesetzt waren.

6

Des Weiteren fragte Frau O., warum sie noch einmal zurückgegangen sei. Daraufhin sagte Frau A., dass sie ihren Schlüssel vergessen habe und dann noch einmal zurück musste. Frau O. fragte darauf hin, wie sie denn ohne Schlüssel ins Gebäude gekommen sei. Frau A. errötete plötzlich und Frau O. fragte, ob sie die Wahrheit gesagt hätte. Daraufhin gestand Frau A., dass sie Küstenkäse (in Scheiben abgepackt) in ihrer Tasche hatte und aufgrund der gesehenen Taschenkontrolle zurück ins Gebäude gegangen ist, um diesen zu entsorgen. Hierbei handelt es sich um versuchten Diebstahl.

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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.04.2017 beendet wird.

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Zudem hat die Klägerin beantragt,

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sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte trägt vor, dass infolge des Verhaltens der Klägerin das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien durch die Mitnahme der Käsepackung durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört worden sei. Es handele sich, so meint die Beklagte, um einen Diebstahl zu Lasten des Eigentums und Vermögens der Beklagten. Die Beklagte führt aus, dass der Klägerin, die bereits als Teamleiterin gearbeitet habe, bewusst gewesen sei, dass der stellvertretende Teamleiter nicht berechtigt gewesen sei, den Mitarbeitern zu erlauben, Käse mitzunehmen. Zudem habe die Klägerin ihr Verhalten vertuscht. Aus Sicht der Beklagten sei die langjährige Betriebszugehörigkeit der Klägerin zu ihren Lasten zu berücksichtigen, da ihr bewusst gewesen sei, nicht zur Mitnahme des Käses berechtigt zu sein.

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Das Arbeitsgericht Stralsund, Kammern Neubrandenburg, hat mit Urteil vom 15.11.2017 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam sei. Zwar liege eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin vor, da sich die Klägerin eines vorsätzlichen und rechtswidrigen Vermögensdelikts zu Lasten der Beklagten strafbar gemacht habe. Die Klägerin habe einen Diebstahl begangen. Im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass aufgrund des Vermögensdeliktes der Klägerin nachvollziehbar das Vertrauensverhältnis erschüttert sei. Von einer unwiederbringlichen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sei jedoch nicht auszugehen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien über viele Jahre lang ungestört verlief und es sich vorliegend um die erste Vertrauensenttäuschung gehandelt habe. Darüber hinaus sei die Handlung der Klägerin nicht auf Heimlichkeit ausgelegt, sondern im Gegenteil im Ursprung durch die Erlaubnis des Vorgesetzten veranlasst. Diese Erlaubnis des Vorgesetzten mindere den Unrechtsgehalt der Handlung der Klägerin. Zudem handele es sich nicht um eine Verkaufsware, so dass ein wirtschaftlicher Schaden der Beklagten nicht zu erkennen sei. Weiterhin würdigte das Arbeitsgericht den Umstand, dass der stellvertretende Teamleiter lediglich eine Abmahnung erhielt. Es liege insoweit ein Wertungswiderspruch vor.

15

Diese Entscheidung des Arbeitsgerichtes Stralsund, die der Beklagten am 24.11.2017 zugestellt wurde, greift die Beklagte mit der rechtzeitig eingelegten Berufung an. Die Beklagte hat die Berufung ebenfalls rechtzeitig, eingehend vorab per Fax beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 23.01.2018, begründet. Die Ankündigung eines formalen Sachantrags enthalten weder Berufungsschrift, noch Berufungsbegründung.

16

Unter Beibehaltung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages führt die Beklagte aus, dass die Handlung der Klägerin, anders als vom Arbeitsgericht angenommen, auf Heimlichkeit ausgelegt gewesen sei. Die Klägerin habe, als sie die Taschenkontrolle bemerkt habe, kehrtgemacht und den entwendeten Käse sodann entsorgt. Sie sei sich dabei gerade bewusst gewesen, dass der Vorgesetzte eine solche Erlaubnis zur Mitnahme des Käses hätte nicht erteilen dürfen. Die Beklagte führt weiter aus, dass die Klägerin, als sie die Taschenkontrolle und damit die Gefahr des Entdecktwerdens bemerkte, festgestellt habe, dass ihr die vermeintliche Erlaubnis zur Mitnahme des Käses nicht helfen werde. Dieses Verhalten sei also auf Heimlichkeit angelegt und habe gerade verhindern sollen, dass die Beklagte vom Pflichtverstoß Kenntnis erlangte. Durch dieses Verheimlichen sei das Vertrauensverhältnis zur Klägerin unwiederbringlich zerstört. Die Klägerin hätte ohne Probleme, so meint die Beklagte, die Möglichkeit gehabt, unter Berufung auf den Vorgesetzten den Käse vorzuzeigen. Dies habe die Klägerin aber unterlassen. Die Beklagte führt weiter aus, dass es, soweit es sich bei dem Käse um Rückstellproben gehandelt habe, der Schaden der Beklagten auch darin liege, dass die Klägerin aufgrund ihrer Kenntnis als ehemalige Teamleiterin auch in Kenntnis des Beweiswertes dieser Rückstellproben eine solche Probe mitgenommen habe. Die Beklagte führt weiter aus, dass der Klägerin bereits aufgrund der langjährigen Betriebszugehörigkeit bekannt sei, dass sie nicht berechtigt sei, produzierte Ware mitzunehmen. Sie hätte vor diesem Hintergrund aus Sicht der Beklagten den Vorgesetzten über sein Fehlverhalten informieren müssen.

17

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt im Kammertermin zuletzt,

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das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund, Aktenzeichen 11 Ca 94/17 vom 15. November 2017, der Beklagten und Berufungsklägerin zugestellt am 24. November 2017, abzuändern und die Klage abzuweisen.

19

Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,

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die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

21

Die Klägerin rügt zunächst, dass weder die Berufungs- noch die Berufungsbegründung einen formalen Sachantrag enthielten. Die Klägerin meint, dass die erstinstanzliche Entscheidung in ganz wesentlichen Teilen und im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Abweichend vom Urteil des Arbeitsgerichts ist die Klägerin der Ansicht, dass bereits kein Diebstahl oder versuchter Diebstahl im Sinne von § 242 StGB vorliege. Die Klägerin sei davon ausgegangen bzw. habe davon ausgehen können, dass die Mitnahme der streitgegenständlichen Packung Käse im Einverständnis des Vorgesetzten erfolgte und damit gerechtfertigt sei. Weiterhin führt die Klägerin aus, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass der Vorgesetzte nicht habe eine solche Erlaubnis erteilen dürfen. Die Tätigkeit der Klägerin als Teamleiterin liege mehrere Jahre zurück. Im Übrigen stützt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Stralsund auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Schaden und die Interessenabwägung, welche zugunsten der Klägerin auszufallen habe.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

24

Der Umstand, dass die Beklagte in der Berufungsschrift und in der Berufungsbegründung keinen formalen Antrag angekündigt hat, steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen. Zwar unterliegen nach § 528 ZPO der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichtes nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, wie eine Abänderung beantragt ist. Dieses Antragserfordernis trägt der Notwendigkeit Rechnung, den Gegenstand des Prozesses konkret zu bestimmen. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was diese nicht beantragt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsbegehren der Beklagten ist aber erkennbar.

25

Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO sind die Anträge in der Regel aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einen dem Protokoll als Anlage beigefügten Schriftsatz verlesen werden. Der Vorsitzende kann aber auch gestatten, dass die Anträge zur Protokoll erklärt werden. Vorliegend hat die Berufungsklägerin und Beklagte zwar in den Berufungsschriftsätzen keine Anträge gestellt oder angekündigt. Es wurde aber – nach Gestattung durch den Vorsitzenden und nach entsprechendem Hinweis des Vorsitzenden – auf die Rüge der Klägerin hin zu Protokoll ein Antrag gestellt.

26

Der Berufungsklägerin und Beklagten war zu gestatten, zum Zwecke der Klarstellung einen entsprechenden Antrag zu stellen. Auch wenn der Berufungsschrift oder der Berufungsbegründung kein konkreter Sachantrag zu entnehmen ist, ist zumindest der Berufungsbegründung zu entnehmen, dass die Beklagte sich gegen das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang wendet. Da die Berufungsanträge grundsätzlich auszulegen sind (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 1. Dezember 2004, 5 AZR 121/04, Rn. 11), ist die Gestattung der formalen Antragstellung zu Protokoll im vorliegenden Fall zu gestatten. Der Berufungsbegründung lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Beklagte die arbeitsgerichtliche Entscheidung in vollem Umfang mit dem Ziel der Klagabweisung nach Maßgabe der erstinstanzlich gestellten Anträge anfechten will (vgl. hierzu auch Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 25. Oktober 2007, 15 Sa 845/07, Rn. 34 unter Verweis auf BGH, NJW 2006, 2705 mit weiteren Nachweisen).

II.

27

Der Sache nach hat die Berufung der Beklagten aber keinen Erfolg. Die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 27.04.2017 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder außerordentlich noch hilfsweise ordentlich beendet. Es fehlt an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.

28

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Seiten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

29

a. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht geht auch das Landesarbeitsgericht grundsätzlich davon aus, dass die Entwendung von Gegenständen oder Produkten, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, eine besonders schwere Pflichtverletzung durch einen Arbeitnehmer darstellen können, die es erlaubt, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung zu ziehen. In diesem Sinne gehört es schon seit jeher zu den anerkannten Grundpflichten des Arbeitnehmers, die im Eigentum verkörperten Vermögenswerte des Arbeitgebers zu achten. Hieraus erfolgt die arbeitsrechtliche Pflicht, Straftaten zu Lasten des Eigentums oder zu Lasten des Vermögens des Arbeitgebers zu unterlassen (ebenso LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27. Januar 2015, 2 Sa 170/14, Rn. 31).

30

b. Abweichend vom Arbeitsgericht kann bei rechtlich zutreffender Einordnung des Verhaltens der Klägerin jedoch wohl bereits tatbestandlich nicht von einem (versuchten) Diebstahl im Sinne von §§ 242, 22, 23 StGB ausgegangen werden. Einem solchen Diebstahl, der den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung eigenen Gewahrsams entgegen dem Willen des Sachherrschaftsberechtigten voraussetzt, liegt vorliegend infolge des vom stellvertretenden Teamleiter erklärten Einverständnisses nicht vor. Dieses Einverständnis des Teamleiters ist unstreitig erteilt worden. Den tatbestandlichen Feststellungen des Arbeitsgerichtes im mit der Berufung angegriffenen Urteil ist die Berufungsklägerin und Beklagte nicht entgegengetreten. Ebenso unstreitig ist der stellvertretende Teamleiter, der den Mitarbeitern und auch der Klägerin gegenüber erklärt hat, diese könnten eine Käsepackung aus einem vor dem Teamleiterbüro stehenden Karton entnehmen und mit nach Hause nehmen, zur Abgabe einer derartigen Erklärung nicht berechtigt gewesen.

31

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe diese Nichtberechtigung des stellvertretenden Teamleiters aufgrund ihrer – einige Jahre zurückliegenden – Teamleiterstellung erkennen müssen. Die Klägerin trägt vor, dass sie jedenfalls keine positive Kenntnis von der Nichtberechtigung des stellvertretenden Teamleiters gehabt habe. Ihre eigene Teamleiterfunktion habe mehrere Jahre zurückgelegen. Sie habe sich, als sie den Käse offen und für jedermann sichtbar mitgenommen habe, keine Gedanken um Berechtigung oder Nichtberechtigung gemacht.

32

Das unstreitig vom stellvertretenden Teamleiter erklärte Einverständnis wirkt bei der Klägerin ebenso wie bei den weiteren Mitarbeitern, die Käse mitgenommen haben mögen, bei zutreffender rechtlicher Subsumtion als sogenannter Erlaubnistatbestandsirrtum, welcher den Diebstahls- oder Unterschlagungsvorsatz ausschließt (Laufhütte im Leipziger Kommentar zum StGB Band 8 § 246 StGB Rn. 57). Ein fahrlässiger Diebstahl oder eine fahrlässige Unterschlagung sind jedoch, auch wenn die Klägerin die Nichtberechtigung des Teamleiters hätte erkennen können, jedenfalls nicht strafbar. Ungeachtet dessen kann eine (fahrlässige) Pflichtverletzung der arbeitsvertraglichen (Neben-) Pflichten gegeben sein.

33

c. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Will der Arbeitnehmer einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für sein Verhalten geltend machen, muss er dazu substantiiert vortragen. Hierauf hat der Arbeitgeber substantiiert einzugehen. Gegebenenfalls ist Beweis zu erheben, wobei die objektive Beweislast beim Arbeitgeber verbleibt (ebenso Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27. Januar 2015, 2 Sa 170/14, Rn. 39).

34

Wenn man also den Umstand, dass sich nach Darstellung der Klägerin der Teamleiter mit der Mitnahme des Käses einverstanden erklärt habe, als entlastenden Umstand ansehen mag, gilt dieser Vortrag prozessual als unbestritten. Wenn man dann zugrunde legt, dass die Klägerin sich im Irrtum über das Einverständnis des Vorgesetzten bzw. dessen Wirkung zu Gunsten bzw. zu Lasten der Beklagten gewesen war, ist die ausgesprochene Kündigung unverhältnismäßig, denn es hätte ausgereicht, der Klägerin durch Erteilung einer Abmahnung klarzumachen, dass die Beklagte auch eine solche Pflichtverletzung als so schwerwiegend ansieht, dass sie geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. hierzu nachfolgend Ziffer 3.).

35

d. Ein etwaiges Verhalten der Klägerin nach dem Bemerken der Torkontrolle ist strafrechtlich ebenfalls nicht relevant. Unstreitig hat die Klägerin die Käsepackung offen sichtbar aus dem Karton entnommen und in ihre Tasche gesteckt. Ein etwaiger Diebstahl, d.h. eine Wegnahme ohne entgegen den Willen des Berechtigten, wäre – läge kein tatsächliches Einverständnis des Gewahrsamsinhabers in Form des stellvertretenden Teamleiters vor - mit dem Einstecken der Ware in die Tasche vollendet. Das „vertuschende“ Verhalten, welches die Klägerin im Rahmen der Torkontrolle an den Tag legte, ist strafrechtlich betrachtet irrelevant. Die Klägerin hatte sich die Käseverpackung bereits durch „Einstecken“ zugeeignet. Geht aber die Klägerin davon aus, den Käse im Einverständnis mit der Beklagten mitnehmen zu können, liegt dieses Einverständnis aber nicht vor, gilt nichts anderes. Mit dem Einstecken des Käses begründet die Klägerin neuen, eigenen Gewahrsam und eignet sich die Sache zu. Eine etwaige strafrechtlich relevante Tat wäre mit dem Einstecken vollendet. Es verbleibt kein Raum mehr für einen „Versuch“. Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, selbst der Versuch, sind daher nicht gegeben.

36

2. Selbst wenn man mit der Beklagten annähme, dass das Verhalten der Klägerin den Tatbestand des versuchten Diebstahls oder einer ähnlich gelagerten Straftaterfüllen würde, wenn also die Klägerin in schwerwiegender Weise ihre schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt hätte, ergibt sich aus einer solchen Pflichtverletzung nicht automatisch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, welcher die Beklagte zur Kündigung rechtfertigte. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts treffen insoweit vollumfänglich zu.

37

a. Grundsätzlich kann zwar ein Diebstahl oder ein versuchter Diebstahl auch dann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder sie zu einem nur geringfügigen oder gar keinem Schaden geführt hat (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 10. Juni 2010, 2 AZR 541/09, Rn. 26 f). Der vom Arbeitsgericht geäußerten Rechtsauffassung ist insoweit vollumfänglich zuzustimmen. Eine Pflichtverletzung in diesem Sinne, auch dies nimmt das Arbeitsgericht zutreffend an, scheidet nicht bereits wegen der Geringfügigkeit des Vermögensschadens aus, denn ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung infrage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste Erschütterung der für die Vertragsbeziehungen notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihr verbunden sind. In diesem Sinne käme es auch nicht alleine auf die Frage, ob und zu welchem Preis die Käseverpackung verkauft werden könnte, an.

38

b. Selbst wenn man aber mit der Beklagten eine Strafbarkeit der Klägerin und damit eine Störung des Vertragsverhältnisses gegeben sieht, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Eine Kündigung ist unverhältnismäßig, wenn es mildere Mittel gibt, die eine Vertragsstörung zukünftig beseitigen können. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder wenn es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – und für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2007, 2 AZR 180/06, Rn. 48 m.w.N.). . Beruht die Vertragspflichtverletzung – wie vorliegend – auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das zukünftige Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht.

39

Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störung des Vertrauensbereiches durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 27. April 2006, 2 AZR 415/05, Rn. 19). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung zukünftig wieder vertragstreu verhalten.

40

c. Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe wäre im vorliegenden Fall jedenfalls eine vorangehende, einschlägige Abmahnung erforderlich gewesen, um die Kündigung zu rechtfertigen. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung über annähernd zwei Jahrzehnte beanstandungsfrei ihre Tätigkeit erfüllte. Zeitweise wurde der Klägerin als stellvertretende Teamleiterin eine höhere Verantwortung, auch im Sinne einer „Vertrauensstellung“ zugesprochen. Auch diese höhere Verantwortung erfüllt die Klägerin nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien beanstandungsfrei.

41

In der zuletzt von der Klägerin ausgeübten Position als Gabelstaplerfahrerin kam es ebenfalls aktenkundig zu keinen Beanstandungen.

42

Diese langjährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit der Klägerin ist im Rahmen der Interessenabwägung dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzusetzen. Die Betriebszugehörigkeit und die langjährige, beanstandungsfreie Tätigkeit erfordern es, dass die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung mildere Mittel hätte wählen müssen, d.h. zumindest eine Abmahnung hätte aussprechen müssen.

43

Von Relevanz ist in diesem Zusammenhang auch, dass positive Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Verhaltensänderung der Klägerin bereits unmittelbar nach dem Vorfall unstreitig eingetreten sind. Die Beklagte trägt insofern selbst vor, dass das Verhalten der Klägerin bei Bemerken der Torkontrolle von einem „Schuldbewusstsein“ geprägt war. Die Klägerin hatte offenbar bereits zuvor – vor dem Verlassen des Werksgeländes – selbst erkannt, dass ihr eigenes Verhalten oder auch das Verhalten des stellvertretenden Teamleiters nicht „in Ordnung“ war, was sie zum Umkehren und letztlich zum Zurücklassen der Käsepackung veranlasste. Anders als die Beklagte meint, spricht das „Nachtatverhalten“ nicht gegen, sondern vielmehr für die Klägerin, die offenbar eine Pflichtwidrigkeit – sei es eine eigene oder eine des stellvertretenden Teamleiters – durchaus als solche wahrnahm. Da zudem der Klägerin infolge des tatsächlich erklärten, allerdings die Beklagte nicht rechtlich bindenden Einverständnisses, wegen des „Erlaubnistatbestandsirrtums“ allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre, liegt jedenfalls keine derart schwerwiegende Pflichtverletzung vor, dass eine Abmahnung entbehrlich wäre. Jedenfalls musste die Klägerin nicht davon ausgehen oder erkennen, dass ihr Verhalten auch ohne entsprechende Abmahnung eine Kündigung nach sich ziehen würde.

44

d. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der stellvertretende Teamleiter, der unstreitig mit der Mitnahme des Käses einverstanden war, wegen seines Verhaltens lediglich eine Abmahnung erhielt. Rechtfertigungsgründe dafür, weshalb die Beklagte bei der Klägerin, die zudem als Gabelstaplerfahrerin keine gesteigerte Vertrauensstellung genießt, davon ausgehen konnte, dass eine Abmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung geführt hätte, bei deren Vorgesetzten, der eine Vertrauensstellung inne hatte, jedoch eine Abmahnung genügen ließ, sind nicht erkennbar.

45

Die Feststellung des Arbeitsgerichtes, dass infolge der Langjährigkeit der Vertragsbeziehungen, welche ungestört bestand, ein Vorrat an Vertrauen „erarbeitet“ wurde, welches durch einen einmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt werden könne, trifft damit zu.

46

e. Jedenfalls wäre das Verhalten der Klägerin ebenso wie das Verhalten des Vorgesetzten mit einer Abmahnung zu bedenken gewesen. Dies gilt umso mehr, als für die Erfüllung des strafrechtlichen Vorwurfes des Diebstahls oder der Unterschlagung die Drittzueignungsabsicht genügt. In diesem Sinne mag das Verhalten des Vorgesetzten möglicherweise anders einzustufen sein, als dies von der Beklagten vorgenommen wurde. Wenn aber die Beklagte das Verhalten des Vorgesetzten lediglich als abmahnungswürdig ansah, während sie das auf dem Einverständnis aufbauende Verhalten der Klägerin, die lediglich eine Packung des Käses mitnahm und hierbei auf ein vermeintliches Einverständnis des Vorgesetzten Bezug nehmen konnte, mit der Konsequenz der (sofortigen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses ahndet, entspricht dieses dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht.

47

f. Vor diesem Hintergrund ist für die Kammer auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte einen generellen Vertrauensverlust zur Klägerin beklagt. Das Fehlverhalten beschränkt sich auf einen Versuch, ein wirtschaftlich geringwertiges Gut des Arbeitgebers, nachdem ein Vorgesetzter sein Einverständnis mit der Mitnahme erklärt hat, diesem Einverständnis entsprechend mit nach Hause zu nehmen. Von diesem Versuch hat die Klägerin aus freien Stücken heraus Abstand genommen. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, die Klägerin neige generell dazu, ihre Arbeitgeberin durch Diebstahl oder ähnliche Verhaltensweisen zu schädigen.

48

3. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 27.04.2017 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Eine soziale Rechtfertigung dieser Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG kann nicht festgestellt werden. Wenn schon die außerordentliche Kündigung vorliegend nicht begründet ist, weil es ausgereicht hätte, die Klägerin abzumahnen, gilt dies erst recht für eine ordentliche Kündigung. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen werden.

III.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 12. Juni 2018 - 2 Sa 224/17

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Jan. 2015 - 2 Sa 170/14

bei uns veröffentlicht am 27.01.2015

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 7. Juli 2014 abgeändert (4 Ca 290/14). 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche und hilfsweise orden

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09

bei uns veröffentlicht am 10.06.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 7. Juli 2014 abgeändert (4 Ca 290/14).

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. März 2014 nicht beendet wurde.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtkräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Betriebsschlosser/Schlosser weiterzubeschäftigen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach der fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 13. März 2014.

2

Der 1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die einen landwirtschaftlichen Rinderhof betreibt, als Betriebsschlosser beschäftigt. Der Kläger arbeitet – unter wechselnden Arbeitgebern – seit 1986 auf diesem Rinderhof. In dem ersten Arbeitsvertrag – seinerzeit abgeschlossen mit dem VEG (P) F. – vom 6. Dezember 1985 ist zusätzlich eine Betriebszugehörigkeit seit 1977 anerkannt worden (Kopie dieses Arbeitsvertrags hier Blatt 34 f). Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 40 Stunden und er hat zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.711,00 EUR bezogen.

3

Am 7. März 2014 hat die Beklagte beim Kläger nach Hinweisen aus dem Kreis der Kollegen zum Feierabend hin, als der Kläger das Betriebsgelände verlassen wollte, eine Rucksackkontrolle durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger in dem Rucksack einen 5-Liter-Kanister bei sich geführt hat, der mit Heizöl gefüllt war. Es ist unstreitig, dass das Heizöl aus einem der Heizölfässer der Beklagten stammt, die diese auf dem Rinderhof einsetzt.

4

Das Heizöl wird von der Beklagten zum Befeuern mobiler Heizgeräte benötigt, die zur Beheizung der Stallungen eingesetzt werden, vorrangig dann, wenn sich dort kein Vieh befindet und die Stallungen gesäubert werden. Auf dem Hof sind im Regelfall zwei Heizgeräte im Einsatz, es gibt zusätzlich Ersatzgeräte. Zum Betreiben der mobilen Heizungen gibt es auf dem Hof mehrere 200-Liter-Blech-Fässer (Tanks), an die bei Bedarf das Heizgerät angeschlossen wird. Die genaue Anzahl der vorhandenen Fässer konnte nicht geklärt werden, unstreitig gibt es jedenfalls mindestens doppelt so viele Fässer wie Heizgeräte auf dem Hof. Die Fässer werden im Regelfall in einer Garage gelagert.

5

Das Anschließen und Bewegen der Heizungen und der dazu gehörenden Fässer gehört zu den Arbeitsaufgaben des Klägers. In Ergänzung seines schriftlichen Vortrags hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht mitgeteilt, dass sich in den Heizöl-Fässern bei längerer Lagerhaltung Kondenswasser bilde, das sich unten im Fass absetze. Beim Einrichten der Heizung müsse man daher darauf achten, den Ansaugschlauch des Heizgerätes nie ganz bis zum Boden des Tanks zu führen, damit das Wasser nicht mit angesaugt werde. Werde versehentlich das Wasser mit angesaugt, führe das immer zu einem schnellen und vollständigen Verstopfen der Filter und Ventile und damit zu einem Ausfall der Heizgeräte. Der danach notwendige Säuberungsvorgang sei aufwendig. Aufgrund dieser Vorgehensweise hätten sich auf dem Hof einige Fässer gesammelt, die nicht mehr zum Heizen benutzt worden seien, da sich darin nur noch "verdorbenes" Heizöl, also mit Wasser zersetztes Heizöl, befunden habe. Dem ist der in der mündlichen Verhandlung anwesende Prokurist der Beklagten, der mit den betrieblichen Verhältnissen vor Ort vertraut ist, nicht entgegengetreten.

6

Am 13. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 2014 (wegen der Einzelheiten wird auf das in Kopie zur Akte gereichte Kündigungsschreiben Bezug genommen, hier Blatt 8).

7

Die hiergegen vom Kläger angestrengte Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag für die Laufzeit des hiesigen Rechtsstreits verbunden hat, ist am 25. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangen.

8

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat die Klage mit Urteil vom 7. Juli 2014 als unbegründet abgewiesen (4 Ca 290/14). Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

9

Mit der Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

10

Der Kläger meint, ein Grund zur Kündigung liege nicht vor.

11

Der Kläger behauptet, er habe sich lediglich "verdorbenes" Heizöl, also mit Wasser zersetztes Heizöl, in den Kanister gefüllt. Er habe das Heizöl als "Brennhilfe" benötigt, um das Holz, das beim Frühjahrsschnitt der Gehölze und Bäume entstanden sei, besser verbrennen zu können. Er sei sich sicher gewesen, dass es sich um "verdorbenes" Heizöl gehandelt habe, da es in der Garage, wo die Fässer lagern, zwei Fässer gegeben habe, die nicht mehr in Benutzung waren, da sich darin nur "verdorbenes" Heizöl befunden habe.

12

Es sei zwar richtig, dass er in der Anhörung durch den Arbeitgeber am 7. März 2014 zugegeben habe, dass er bereits früher einmal Heizöl des Arbeitgebers für private Zwecke mitgenommen habe. Dazu müsse allerdings beachtet werden, dass der Vorfall schon etwa 20 Jahre zurückliege und daher für die hier streitige Kündigung keine Bedeutung mehr haben könne. Außerdem sei die Mitnahme von Heizöl seinerzeit durch Herrn R. genehmigt gewesen.

13

Eine Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung komme für den vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht. Es wäre für die Beklagte ein Leichtes gewesen, ihn zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass sie auch die Mitnahme von an sich wertlosen Gegenständen nicht wünsche. Allein dieser Hinweis hätte ausgereicht, um die hier vorliegende Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

14

Für die Bewertung seines Verhaltens sei es auch ohne Bedeutung, dass es in jüngerer Vergangenheit angeblich schon einen ähnlichen Vorfall mit Diebstahl von Diesel gegeben habe. Er sei über die maßgeblichen Einzelheiten des seinerzeitigen Vorfalls nicht unterrichtet worden, weshalb man ihm keinen Vorwurf daraus machen könne, dass er sich die Folgen des Diebstahls für den Kollegen nicht habe zur Warnung gereichen lassen.

15

Im Rahmen der Interessenabwägung müsse mindestens seine Beschäftigungsdauer seit 1986 in der betriebsorganisatorischen Einheit berücksichtigt werden. Eigentlich müsste man sogar von einer Betriebszugehörigkeit bereits seit 1977 ausgehen, wie ihm dies Ende 1985 vertraglich zugesichert wurde. Während des gesamten Zeitraums seiner Beschäftigung bei der Beklagten hätte er sich niemals etwas zu Schulden kommen lassen. Selbst wenn man in seinem Verhalten einen Pflichtverstoß sehen würde, könne daher angesichts der Dauer der beiderseitigen Zusammenarbeit daraus nicht auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils,

18

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2014 beendet wird;

19

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Betriebsschlosser/Schlosser weiterzubeschäftigen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte verteidigt das ergangene Urteil. Der Kläger habe versucht, der Beklagten Heizöl zu stehlen und er habe in der Anhörung eingeräumt, dies zum wiederholten Male getan zu haben. Damit liege ein Grund zur Kündigung vor. Es sei eine Schutzbehauptung, dass es sich bei dem Heizöl im Kanister um "verdorbenes" Heizöl gehandelt habe. In der Garage, in der er das Heizöl abgefüllt haben will, seien auch Fässer mit gutem Heizöl gelagert. Außerdem sei es eine Schutzbehauptung, wenn sich der Kläger im Rechtsstreit dahin einlasse, dass der in der Anhörung eingeräumte weitere Vorfall bereits 20 Jahre zurückliege, davon sei in der Anhörung keine Rede gewesen. Das gelte auch für die ergänzende Behauptung, die seinerzeitige Mitnahme von Heizöl sei von Herrn R. auf Seiten der Beklagten genehmigt gewesen.

23

Einer vorherigen Abmahnung hätte es nicht bedurft. Dies gelte im vorliegenden Fall schon deshalb, weil es einige Monate zuvor im Betrieb einen Vorfall wegen Diebstahl von Diesel gegeben habe, der mit einer Kündigung eines Kollegen des Klägers geendet habe (als Vorgang in dieser Allgemeinheit unstreitig). Der Vorfall sei auch vergleichbar gewesen, denn seinerzeit sei es um den Diebstahl von 20 Liter Diesel in einem Kanister gegangen. Ergänzend behauptet die Beklagte dazu, über den seinerzeitigen Vorfall sei im Betrieb viel geredet worden, so dass man davon ausgehen könne, dass auch der Kläger registriert habe, dass die Beklagte auf derartige Vorgänge mit einer Kündigung reagiere.

24

Bei der notwendigen Abwägung der beteiligten Interessen sei die sehr lange Betriebszugehörigkeit des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt worden. Die Beklagte habe sich dennoch zur Kündigung entschlossen, da das Tatgeschehen auf ein planvolles Vorgehen des Klägers hindeute, denn er müsse den leeren Kanister von zu Hause mitgebracht haben. Damit scheide die Annahme einer Gelegenheitstat aus. Dieser Umstand in Verbindung mit dem auch dem Kläger bekannten nur wenige Monate zurückliegenden Vorfall wegen des Diesel-Diebstahls zeige, mit welcher kriminellen Energie sich der Kläger über die Gesetze zum Schutz des Eigentums der Beklagten hinwegsetze. Damit sei das notwendige Vertrauen für die weitere Zusammenarbeit zerstört.

25

Ergänzend habe die Beklagte berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits seit mehr als zwei Jahren nicht mehr unbelastet gewesen sei. Denn dem Kläger sei vor mehr als zwei Jahren der Führerschein wegen Fahrens unter Alkoholeinwirkung entzogen worden und der Kläger habe die Fahrerlaubnis bis heute nicht wieder zurückerhalten (insoweit unstreitig). Damit sei es nicht mehr möglich gewesen, den Kläger bei Not am Mann im Straßenverkehr einzusetzen. Ein Einsatz auf dem Feld wäre rechtlich zwar noch möglich gewesen, sei aber nur umständlich zu organisieren gewesen, da er dazu immer von weiteren Personen zum Feld und zum Feierabend von dort zurück habe transportiert werden müssen.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die klägerische Berufung ist begründet. Es liegt weder ein Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 BGB vor noch ein Grund zur ordentlichen Kündigung im Sinne von § 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Damit ist auch der ergänzend gestellte Antrag auf Weiterbeschäftigung während des Laufs des Kündigungsschutzprozesses begründet.

I.

28

Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 13. März 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Es fehlt an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB.

29

Nach § 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Seiten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

1.

30

Mit dem Arbeitsgericht geht auch das Landesarbeitsgericht davon aus, dass die Entwendung von Heizöl, das im Eigentum des Arbeitgebers steht, eine besonders schwere Pflichtverletzung durch einen Arbeitnehmer darstellt, die es erlaubt, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung zu ziehen.

31

Durch die Schaffung eines Betriebes und durch die Einstellung von Arbeitnehmern für den Betrieb, schafft der Arbeitgeber zwangsläufig zahlreiche Gelegenheiten, sein Eigentum zu zerstören oder zu entwenden. Es gehört daher schon seit jeher zu den anerkannten Grundpflichten des Arbeitnehmers, die im Eigentum verkörperten Vermögenswerte des Arbeitgebers zu achten. Daraus folgt die arbeitsrechtliche Pflicht, Straftaten zu Lasten des Eigentums oder zu Lasten des Vermögens des Arbeitgebers zu unterlassen.

32

Gegen diese Pflicht hat der Kläger verstoßen. Am 7. März 2014 wurde er angetroffen, als er im Begriff war, das Betriebsgelände zum Feierabend hin mit dem Kanister Heizöl, das im Eigentum der Beklagten steht, im Rucksack zu verlassen. Damit hat er – auch im strafrechtlichen Sinne – versucht, einen Diebstahl zu Lasten seines Arbeitgebers zu begehen. Damit hat der Kläger zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Absatz 2 BGB) verletzt. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder sie zu einem nur geringfügigen oder gar keinem Schaden geführt hat (vgl. nur BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – BAGE 134, 349 = AP Nr. 229 zu § 626 BGB = DB 2010, 2395).

2.

33

Bezieht man allerdings Art und Ausmaß des klägerischen Fehlverhaltens in die Betrachtung mit ein, kann ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht erkannt werden. Zumindest ist die Beklagte in einem entscheidenden Punkt beweisfällig geblieben.

a)

34

Das Berufungsgericht muss im Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon ausgehen, dass der Kläger versucht hat, "verdorbenes" Heizöl zu entwenden.

35

Der Kläger hat sich schon schriftsätzlich immer darauf bezogen, dass das von ihm zur privaten Verwendung vorgesehene Heizöl für die betrieblichen Zwecke nicht mehr brauchbar gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu auf den physikalischen Zusammenhang (Bildung von Kondenswasser im Tank) und auf den betrieblichen Umgang mit dem Problem (Nichtnutzung des letzten Rest Heizöls in jedem Fass) hingewiesen. Dem ist der in der mündlichen Verhandlung anwesende und mit den betrieblichen Verhältnissen vor Ort vertraute Prokurist der Beklagten nicht entgegengetreten. Damit sind diese Zusammenhänge unstreitig.

36

Zwischen den Parteien ist es außerdem unstreitig geblieben, dass diese fast leeren und für den Betrieb unbrauchbaren Heizölfässer nicht alle zeitnah fachgerecht entsorgt werden, sondern sich stets eine gewisse Anzahl von ihnen auf dem Betriebsgelände befindet. Schließlich ist unstreitig, dass in der Garage, in der der Kläger nach Beobachtung seiner Kollegen das Heizöl abgezapft hat, sowohl Fässer mit verwendbarem Heizöl befinden, wie auch Fässer mit nicht mehr verwendbarem Heizöl.

37

Die Beklagte hat für ihre Behauptung, der Kläger habe versucht, noch unverdorbenes Heizöl zu entwenden, keinen Beweis angetreten. Nach dem Stand der Aufklärung des Sachverhalts, wie er sich in der Gerichtsakte widerspiegelt, ist von Seiten der Beklagten auch nie versucht worden, der Frage näher nachzugehen, welche Qualität das Heizöl hatte, das sich in dem beim Kläger aufgefundenen Kanister befunden hatte.

38

Die Beweislast für den Umstand, dass der Kläger gebrauchsfähiges Heizöl zu entwenden versucht hat, liegt bei der Beklagten. Die Beklagte als Arbeitgeberin trägt die Beweislast für die Darlegung des Kündigungsgrundes. Dies ist für die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers in § 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG ausdrücklich so geregelt. Diese Beweislastregel gilt aber auch gleichermaßen für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - AP Nr. 240 zu § 626 BGB).

39

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Will der Arbeitnehmer einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für sein Verhalten geltend machen, muss er dazu substantiiert vortragen. Darauf hat der Arbeitgeber substantiiert einzugehen. Gegebenenfalls ist Beweis zu erheben, wobei die objektive Beweislast beim Arbeitgeber verbleibt (vgl. nur BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = DB 2012, 926 und BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = DB 1992, 2446). Diese Regeln gelten gleichermaßen für sonstige entlastende Umstände, die der Arbeitnehmer vorträgt, die nicht das Gewicht von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen erreichen.

40

Wenn man den Umstand, dass es sich – nach Darstellung des Klägers – bei dem Heizöl in dem aufgefundenen Kanister um "verdorbenes" Heizöl gehandelt hat, hier einmal als einen entlastenden Umstand ansehen mag (Näheres dazu unten), gilt dieser Vortrag prozessual als unbestritten, denn die Beklagte hat dem nur die Behauptung des Gegenteils entgegengesetzt und hat keine ergänzenden Umstände vorgetragen, die das klägerische Vorbringen erschüttern. Zudem fehlt es an einem Beweisantritt der Beklagten für diese strittige Behauptung.

b)

41

Wenn man aufgrund des Sach- und Streitstandes davon ausgehen muss, dass der Kläger versucht hat, betrieblich nicht mehr nutzbares Heizöl zu entwenden, ist die ausgesprochene Kündigung unverhältnismäßig, denn es hätte ausgereicht, den Kläger durch Erteilung einer Abmahnung klar zu machen, dass die Beklagte auch eine solche Pflichtverletzung als so schwerwiegend ansieht, dass sie geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen.

42

Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nur dann mit Kündigung beenden, wenn es keine milderen Alternativen gibt, mit denen das entstandene Problem behoben werden kann. Es ist daher stets zu prüfen, ob das entstandenen Problem auch durch eine Abmahnung hätte beseitigt werden können. Beruht die Vertragspflichtverletzung – wie vorliegend – auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das künftige Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 aaO).

43

Es kann nicht festgestellt werden, dass vorliegend der Ausspruch einer Abmahnung sinnlos gewesen wäre, weil feststeht, dass eine Verhaltensänderung auf Seiten des Klägers nicht zu erwarten steht. Positive Anhaltspunkte dafür sind nicht vorgetragen. Die Reaktion der Beklagten auf den Diesel-Diebstahl wenige Monate vor dem hier streitigen Vorfall macht die Abmahnung im vorliegenden Falle nicht überflüssig. Zum einen ist es spekulativ geblieben, in welchem Umfang der Kläger über die tatsächlichen Hintergründe der seinerzeitigen Kündigung des Kollegen überhaupt unterrichtet war. Zum anderen sieht das Gericht auch objektiv erhebliche Unterschiede zwischen beiden Vorfällen, so dass selbst bei unterstellter vollständiger Kenntnis des Klägers von den Umständen des Diesel-Diebstahls, aus der Pflichtverletzung des Klägers nicht auf dessen Unbelehrbarkeit geschlossen werden kann. Zum einen war der Diesel für die Beklagte im Gegensatz zum hier betroffenen verdorbenen Heizöl noch verwertbar. Zum andern hat der Diebstahl von Landwirtschafts-Diesel immer auch eine steuerstrafrechtliche Dimension, weshalb es verständlich ist, dass die Beklagte in diesen Dingen einen besonders strengen Maßstab anlegt.

44

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die hier streitige Pflichtverletzung so schwer ist, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Wirtschaftlich betrachtet war das Heizöl, dass der Kläger entwenden wollte, nicht nur für die Beklagte wertlos, da es im Betrieb nicht mehr verwendet werden könnte, es hatte sogar einen negativen Wert, denn es hätte nur unter Kostenaufwand fachgerecht entsorgt werden können. In einer solchen Situation ist es nicht vorhersehbar, dass der Arbeitgeber die formale Verletzung seines Eigentumsrechts gleich zum Anlass einer Kündigung nehmen würde. Vielmehr liegt es näher anzunehmen, den Arbeitnehmer im Rahmen einer Abmahnung – oder auch nur auf sonstige Weise – klar zu machen, dass man als Arbeitgeber trotz der wirtschaftlichen Wertlosigkeit des entwendeten Gutes, auch die formale Verletzung der Eigentümerrechte an sich als zur Kündigung geeigneten Vorfall ansehe.

45

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte einen generellen Vertrauensverlust zum Kläger beklagt. Das Fehlverhalten beschränkt sich auf den Versuch, ein wirtschaftlich wertloses Gut des Arbeitgebers zu entwenden. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, der Kläger neige generell dazu, seinen Arbeitgeber durch Diebstahl oder ähnliche Verhaltensweisen zu schädigen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Rahmen der Anhörung vor Ausspruch der Kündigung eingeräumt haben soll, dass er bereits früher einmal Heizöl mitgenommen habe. Die Beklagte hat diesen vorangegangenen Pflichtenverstoß des Klägers nicht weiter aufgeklärt und in den Rechtsstreit eingeführt, so dass mögliche Spekulationen zu diesem Vorfall auf sich beruhen können.

3.

46

Auch die Belastung, die das Arbeitsverhältnis in den letzten Jahren durch den alkoholbedingten Führerscheinentzug des Klägers – und seine sich andeutende Alkoholabhängigkeit - erlitten hat, macht für die Beklagte das weitere Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht unzumutbar.

47

Die Beklagte hat zu diesem Themenkomplex keine weiteren Einzelheiten vorgetragen, so dass nicht festgestellt werden kann, dass die Alkoholprobleme des Klägers und die betrieblichen Probleme, die aus der fehlenden Fahrerlaubnis resultieren, die Kündigung auch ohne den Vorfall mit dem Heizöl rechtfertigen könnten. Wenn aber weder der Heizölvorfall noch die Alkoholprobleme für sich geeignet sind, die Kündigung zu rechtfertigen, können sie diese auch bei gemeinsamer Betrachtung nicht rechtfertigen.

II.

48

Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. März 2014 zum 31. Oktober 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Denn es kann die soziale Rechtfertigung dieser Kündigung im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG nicht festgestellt werden.

49

Wenn schon die außerordentliche Kündigung vorliegend nicht begründet ist, weil es ausgereicht hätte, den Kläger abzumahnen, gilt dies erst Recht für die ordentliche Kündigung. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Ausführungen oben zu I. verwiesen werden.

III.

50

Da der Kläger mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegt hat, hat er auch einen Anspruch auf weitere Beschäftigung gegen die Beklagte für die weitere Laufzeit des Kündigungsschutzprozesses.

IV.

51

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, da der Kläger obsiegt hat (§ 91 ZPO).

52

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 7. Juli 2014 abgeändert (4 Ca 290/14).

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. März 2014 nicht beendet wurde.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtkräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Betriebsschlosser/Schlosser weiterzubeschäftigen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach der fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 13. März 2014.

2

Der 1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die einen landwirtschaftlichen Rinderhof betreibt, als Betriebsschlosser beschäftigt. Der Kläger arbeitet – unter wechselnden Arbeitgebern – seit 1986 auf diesem Rinderhof. In dem ersten Arbeitsvertrag – seinerzeit abgeschlossen mit dem VEG (P) F. – vom 6. Dezember 1985 ist zusätzlich eine Betriebszugehörigkeit seit 1977 anerkannt worden (Kopie dieses Arbeitsvertrags hier Blatt 34 f). Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 40 Stunden und er hat zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.711,00 EUR bezogen.

3

Am 7. März 2014 hat die Beklagte beim Kläger nach Hinweisen aus dem Kreis der Kollegen zum Feierabend hin, als der Kläger das Betriebsgelände verlassen wollte, eine Rucksackkontrolle durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger in dem Rucksack einen 5-Liter-Kanister bei sich geführt hat, der mit Heizöl gefüllt war. Es ist unstreitig, dass das Heizöl aus einem der Heizölfässer der Beklagten stammt, die diese auf dem Rinderhof einsetzt.

4

Das Heizöl wird von der Beklagten zum Befeuern mobiler Heizgeräte benötigt, die zur Beheizung der Stallungen eingesetzt werden, vorrangig dann, wenn sich dort kein Vieh befindet und die Stallungen gesäubert werden. Auf dem Hof sind im Regelfall zwei Heizgeräte im Einsatz, es gibt zusätzlich Ersatzgeräte. Zum Betreiben der mobilen Heizungen gibt es auf dem Hof mehrere 200-Liter-Blech-Fässer (Tanks), an die bei Bedarf das Heizgerät angeschlossen wird. Die genaue Anzahl der vorhandenen Fässer konnte nicht geklärt werden, unstreitig gibt es jedenfalls mindestens doppelt so viele Fässer wie Heizgeräte auf dem Hof. Die Fässer werden im Regelfall in einer Garage gelagert.

5

Das Anschließen und Bewegen der Heizungen und der dazu gehörenden Fässer gehört zu den Arbeitsaufgaben des Klägers. In Ergänzung seines schriftlichen Vortrags hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht mitgeteilt, dass sich in den Heizöl-Fässern bei längerer Lagerhaltung Kondenswasser bilde, das sich unten im Fass absetze. Beim Einrichten der Heizung müsse man daher darauf achten, den Ansaugschlauch des Heizgerätes nie ganz bis zum Boden des Tanks zu führen, damit das Wasser nicht mit angesaugt werde. Werde versehentlich das Wasser mit angesaugt, führe das immer zu einem schnellen und vollständigen Verstopfen der Filter und Ventile und damit zu einem Ausfall der Heizgeräte. Der danach notwendige Säuberungsvorgang sei aufwendig. Aufgrund dieser Vorgehensweise hätten sich auf dem Hof einige Fässer gesammelt, die nicht mehr zum Heizen benutzt worden seien, da sich darin nur noch "verdorbenes" Heizöl, also mit Wasser zersetztes Heizöl, befunden habe. Dem ist der in der mündlichen Verhandlung anwesende Prokurist der Beklagten, der mit den betrieblichen Verhältnissen vor Ort vertraut ist, nicht entgegengetreten.

6

Am 13. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 2014 (wegen der Einzelheiten wird auf das in Kopie zur Akte gereichte Kündigungsschreiben Bezug genommen, hier Blatt 8).

7

Die hiergegen vom Kläger angestrengte Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag für die Laufzeit des hiesigen Rechtsstreits verbunden hat, ist am 25. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangen.

8

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat die Klage mit Urteil vom 7. Juli 2014 als unbegründet abgewiesen (4 Ca 290/14). Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

9

Mit der Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

10

Der Kläger meint, ein Grund zur Kündigung liege nicht vor.

11

Der Kläger behauptet, er habe sich lediglich "verdorbenes" Heizöl, also mit Wasser zersetztes Heizöl, in den Kanister gefüllt. Er habe das Heizöl als "Brennhilfe" benötigt, um das Holz, das beim Frühjahrsschnitt der Gehölze und Bäume entstanden sei, besser verbrennen zu können. Er sei sich sicher gewesen, dass es sich um "verdorbenes" Heizöl gehandelt habe, da es in der Garage, wo die Fässer lagern, zwei Fässer gegeben habe, die nicht mehr in Benutzung waren, da sich darin nur "verdorbenes" Heizöl befunden habe.

12

Es sei zwar richtig, dass er in der Anhörung durch den Arbeitgeber am 7. März 2014 zugegeben habe, dass er bereits früher einmal Heizöl des Arbeitgebers für private Zwecke mitgenommen habe. Dazu müsse allerdings beachtet werden, dass der Vorfall schon etwa 20 Jahre zurückliege und daher für die hier streitige Kündigung keine Bedeutung mehr haben könne. Außerdem sei die Mitnahme von Heizöl seinerzeit durch Herrn R. genehmigt gewesen.

13

Eine Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung komme für den vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht. Es wäre für die Beklagte ein Leichtes gewesen, ihn zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass sie auch die Mitnahme von an sich wertlosen Gegenständen nicht wünsche. Allein dieser Hinweis hätte ausgereicht, um die hier vorliegende Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

14

Für die Bewertung seines Verhaltens sei es auch ohne Bedeutung, dass es in jüngerer Vergangenheit angeblich schon einen ähnlichen Vorfall mit Diebstahl von Diesel gegeben habe. Er sei über die maßgeblichen Einzelheiten des seinerzeitigen Vorfalls nicht unterrichtet worden, weshalb man ihm keinen Vorwurf daraus machen könne, dass er sich die Folgen des Diebstahls für den Kollegen nicht habe zur Warnung gereichen lassen.

15

Im Rahmen der Interessenabwägung müsse mindestens seine Beschäftigungsdauer seit 1986 in der betriebsorganisatorischen Einheit berücksichtigt werden. Eigentlich müsste man sogar von einer Betriebszugehörigkeit bereits seit 1977 ausgehen, wie ihm dies Ende 1985 vertraglich zugesichert wurde. Während des gesamten Zeitraums seiner Beschäftigung bei der Beklagten hätte er sich niemals etwas zu Schulden kommen lassen. Selbst wenn man in seinem Verhalten einen Pflichtverstoß sehen würde, könne daher angesichts der Dauer der beiderseitigen Zusammenarbeit daraus nicht auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils,

18

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2014 beendet wird;

19

2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Betriebsschlosser/Schlosser weiterzubeschäftigen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte verteidigt das ergangene Urteil. Der Kläger habe versucht, der Beklagten Heizöl zu stehlen und er habe in der Anhörung eingeräumt, dies zum wiederholten Male getan zu haben. Damit liege ein Grund zur Kündigung vor. Es sei eine Schutzbehauptung, dass es sich bei dem Heizöl im Kanister um "verdorbenes" Heizöl gehandelt habe. In der Garage, in der er das Heizöl abgefüllt haben will, seien auch Fässer mit gutem Heizöl gelagert. Außerdem sei es eine Schutzbehauptung, wenn sich der Kläger im Rechtsstreit dahin einlasse, dass der in der Anhörung eingeräumte weitere Vorfall bereits 20 Jahre zurückliege, davon sei in der Anhörung keine Rede gewesen. Das gelte auch für die ergänzende Behauptung, die seinerzeitige Mitnahme von Heizöl sei von Herrn R. auf Seiten der Beklagten genehmigt gewesen.

23

Einer vorherigen Abmahnung hätte es nicht bedurft. Dies gelte im vorliegenden Fall schon deshalb, weil es einige Monate zuvor im Betrieb einen Vorfall wegen Diebstahl von Diesel gegeben habe, der mit einer Kündigung eines Kollegen des Klägers geendet habe (als Vorgang in dieser Allgemeinheit unstreitig). Der Vorfall sei auch vergleichbar gewesen, denn seinerzeit sei es um den Diebstahl von 20 Liter Diesel in einem Kanister gegangen. Ergänzend behauptet die Beklagte dazu, über den seinerzeitigen Vorfall sei im Betrieb viel geredet worden, so dass man davon ausgehen könne, dass auch der Kläger registriert habe, dass die Beklagte auf derartige Vorgänge mit einer Kündigung reagiere.

24

Bei der notwendigen Abwägung der beteiligten Interessen sei die sehr lange Betriebszugehörigkeit des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt worden. Die Beklagte habe sich dennoch zur Kündigung entschlossen, da das Tatgeschehen auf ein planvolles Vorgehen des Klägers hindeute, denn er müsse den leeren Kanister von zu Hause mitgebracht haben. Damit scheide die Annahme einer Gelegenheitstat aus. Dieser Umstand in Verbindung mit dem auch dem Kläger bekannten nur wenige Monate zurückliegenden Vorfall wegen des Diesel-Diebstahls zeige, mit welcher kriminellen Energie sich der Kläger über die Gesetze zum Schutz des Eigentums der Beklagten hinwegsetze. Damit sei das notwendige Vertrauen für die weitere Zusammenarbeit zerstört.

25

Ergänzend habe die Beklagte berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits seit mehr als zwei Jahren nicht mehr unbelastet gewesen sei. Denn dem Kläger sei vor mehr als zwei Jahren der Führerschein wegen Fahrens unter Alkoholeinwirkung entzogen worden und der Kläger habe die Fahrerlaubnis bis heute nicht wieder zurückerhalten (insoweit unstreitig). Damit sei es nicht mehr möglich gewesen, den Kläger bei Not am Mann im Straßenverkehr einzusetzen. Ein Einsatz auf dem Feld wäre rechtlich zwar noch möglich gewesen, sei aber nur umständlich zu organisieren gewesen, da er dazu immer von weiteren Personen zum Feld und zum Feierabend von dort zurück habe transportiert werden müssen.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die klägerische Berufung ist begründet. Es liegt weder ein Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 BGB vor noch ein Grund zur ordentlichen Kündigung im Sinne von § 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Damit ist auch der ergänzend gestellte Antrag auf Weiterbeschäftigung während des Laufs des Kündigungsschutzprozesses begründet.

I.

28

Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 13. März 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Es fehlt an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB.

29

Nach § 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Seiten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

1.

30

Mit dem Arbeitsgericht geht auch das Landesarbeitsgericht davon aus, dass die Entwendung von Heizöl, das im Eigentum des Arbeitgebers steht, eine besonders schwere Pflichtverletzung durch einen Arbeitnehmer darstellt, die es erlaubt, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung zu ziehen.

31

Durch die Schaffung eines Betriebes und durch die Einstellung von Arbeitnehmern für den Betrieb, schafft der Arbeitgeber zwangsläufig zahlreiche Gelegenheiten, sein Eigentum zu zerstören oder zu entwenden. Es gehört daher schon seit jeher zu den anerkannten Grundpflichten des Arbeitnehmers, die im Eigentum verkörperten Vermögenswerte des Arbeitgebers zu achten. Daraus folgt die arbeitsrechtliche Pflicht, Straftaten zu Lasten des Eigentums oder zu Lasten des Vermögens des Arbeitgebers zu unterlassen.

32

Gegen diese Pflicht hat der Kläger verstoßen. Am 7. März 2014 wurde er angetroffen, als er im Begriff war, das Betriebsgelände zum Feierabend hin mit dem Kanister Heizöl, das im Eigentum der Beklagten steht, im Rucksack zu verlassen. Damit hat er – auch im strafrechtlichen Sinne – versucht, einen Diebstahl zu Lasten seines Arbeitgebers zu begehen. Damit hat der Kläger zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Absatz 2 BGB) verletzt. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder sie zu einem nur geringfügigen oder gar keinem Schaden geführt hat (vgl. nur BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – BAGE 134, 349 = AP Nr. 229 zu § 626 BGB = DB 2010, 2395).

2.

33

Bezieht man allerdings Art und Ausmaß des klägerischen Fehlverhaltens in die Betrachtung mit ein, kann ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht erkannt werden. Zumindest ist die Beklagte in einem entscheidenden Punkt beweisfällig geblieben.

a)

34

Das Berufungsgericht muss im Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon ausgehen, dass der Kläger versucht hat, "verdorbenes" Heizöl zu entwenden.

35

Der Kläger hat sich schon schriftsätzlich immer darauf bezogen, dass das von ihm zur privaten Verwendung vorgesehene Heizöl für die betrieblichen Zwecke nicht mehr brauchbar gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu auf den physikalischen Zusammenhang (Bildung von Kondenswasser im Tank) und auf den betrieblichen Umgang mit dem Problem (Nichtnutzung des letzten Rest Heizöls in jedem Fass) hingewiesen. Dem ist der in der mündlichen Verhandlung anwesende und mit den betrieblichen Verhältnissen vor Ort vertraute Prokurist der Beklagten nicht entgegengetreten. Damit sind diese Zusammenhänge unstreitig.

36

Zwischen den Parteien ist es außerdem unstreitig geblieben, dass diese fast leeren und für den Betrieb unbrauchbaren Heizölfässer nicht alle zeitnah fachgerecht entsorgt werden, sondern sich stets eine gewisse Anzahl von ihnen auf dem Betriebsgelände befindet. Schließlich ist unstreitig, dass in der Garage, in der der Kläger nach Beobachtung seiner Kollegen das Heizöl abgezapft hat, sowohl Fässer mit verwendbarem Heizöl befinden, wie auch Fässer mit nicht mehr verwendbarem Heizöl.

37

Die Beklagte hat für ihre Behauptung, der Kläger habe versucht, noch unverdorbenes Heizöl zu entwenden, keinen Beweis angetreten. Nach dem Stand der Aufklärung des Sachverhalts, wie er sich in der Gerichtsakte widerspiegelt, ist von Seiten der Beklagten auch nie versucht worden, der Frage näher nachzugehen, welche Qualität das Heizöl hatte, das sich in dem beim Kläger aufgefundenen Kanister befunden hatte.

38

Die Beweislast für den Umstand, dass der Kläger gebrauchsfähiges Heizöl zu entwenden versucht hat, liegt bei der Beklagten. Die Beklagte als Arbeitgeberin trägt die Beweislast für die Darlegung des Kündigungsgrundes. Dies ist für die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers in § 1 Absatz 2 Satz 4 KSchG ausdrücklich so geregelt. Diese Beweislastregel gilt aber auch gleichermaßen für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - AP Nr. 240 zu § 626 BGB).

39

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Will der Arbeitnehmer einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für sein Verhalten geltend machen, muss er dazu substantiiert vortragen. Darauf hat der Arbeitgeber substantiiert einzugehen. Gegebenenfalls ist Beweis zu erheben, wobei die objektive Beweislast beim Arbeitgeber verbleibt (vgl. nur BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = DB 2012, 926 und BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262 = AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = DB 1992, 2446). Diese Regeln gelten gleichermaßen für sonstige entlastende Umstände, die der Arbeitnehmer vorträgt, die nicht das Gewicht von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen erreichen.

40

Wenn man den Umstand, dass es sich – nach Darstellung des Klägers – bei dem Heizöl in dem aufgefundenen Kanister um "verdorbenes" Heizöl gehandelt hat, hier einmal als einen entlastenden Umstand ansehen mag (Näheres dazu unten), gilt dieser Vortrag prozessual als unbestritten, denn die Beklagte hat dem nur die Behauptung des Gegenteils entgegengesetzt und hat keine ergänzenden Umstände vorgetragen, die das klägerische Vorbringen erschüttern. Zudem fehlt es an einem Beweisantritt der Beklagten für diese strittige Behauptung.

b)

41

Wenn man aufgrund des Sach- und Streitstandes davon ausgehen muss, dass der Kläger versucht hat, betrieblich nicht mehr nutzbares Heizöl zu entwenden, ist die ausgesprochene Kündigung unverhältnismäßig, denn es hätte ausgereicht, den Kläger durch Erteilung einer Abmahnung klar zu machen, dass die Beklagte auch eine solche Pflichtverletzung als so schwerwiegend ansieht, dass sie geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen.

42

Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nur dann mit Kündigung beenden, wenn es keine milderen Alternativen gibt, mit denen das entstandene Problem behoben werden kann. Es ist daher stets zu prüfen, ob das entstandenen Problem auch durch eine Abmahnung hätte beseitigt werden können. Beruht die Vertragspflichtverletzung – wie vorliegend – auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das künftige Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 aaO).

43

Es kann nicht festgestellt werden, dass vorliegend der Ausspruch einer Abmahnung sinnlos gewesen wäre, weil feststeht, dass eine Verhaltensänderung auf Seiten des Klägers nicht zu erwarten steht. Positive Anhaltspunkte dafür sind nicht vorgetragen. Die Reaktion der Beklagten auf den Diesel-Diebstahl wenige Monate vor dem hier streitigen Vorfall macht die Abmahnung im vorliegenden Falle nicht überflüssig. Zum einen ist es spekulativ geblieben, in welchem Umfang der Kläger über die tatsächlichen Hintergründe der seinerzeitigen Kündigung des Kollegen überhaupt unterrichtet war. Zum anderen sieht das Gericht auch objektiv erhebliche Unterschiede zwischen beiden Vorfällen, so dass selbst bei unterstellter vollständiger Kenntnis des Klägers von den Umständen des Diesel-Diebstahls, aus der Pflichtverletzung des Klägers nicht auf dessen Unbelehrbarkeit geschlossen werden kann. Zum einen war der Diesel für die Beklagte im Gegensatz zum hier betroffenen verdorbenen Heizöl noch verwertbar. Zum andern hat der Diebstahl von Landwirtschafts-Diesel immer auch eine steuerstrafrechtliche Dimension, weshalb es verständlich ist, dass die Beklagte in diesen Dingen einen besonders strengen Maßstab anlegt.

44

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die hier streitige Pflichtverletzung so schwer ist, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Wirtschaftlich betrachtet war das Heizöl, dass der Kläger entwenden wollte, nicht nur für die Beklagte wertlos, da es im Betrieb nicht mehr verwendet werden könnte, es hatte sogar einen negativen Wert, denn es hätte nur unter Kostenaufwand fachgerecht entsorgt werden können. In einer solchen Situation ist es nicht vorhersehbar, dass der Arbeitgeber die formale Verletzung seines Eigentumsrechts gleich zum Anlass einer Kündigung nehmen würde. Vielmehr liegt es näher anzunehmen, den Arbeitnehmer im Rahmen einer Abmahnung – oder auch nur auf sonstige Weise – klar zu machen, dass man als Arbeitgeber trotz der wirtschaftlichen Wertlosigkeit des entwendeten Gutes, auch die formale Verletzung der Eigentümerrechte an sich als zur Kündigung geeigneten Vorfall ansehe.

45

Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte einen generellen Vertrauensverlust zum Kläger beklagt. Das Fehlverhalten beschränkt sich auf den Versuch, ein wirtschaftlich wertloses Gut des Arbeitgebers zu entwenden. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, der Kläger neige generell dazu, seinen Arbeitgeber durch Diebstahl oder ähnliche Verhaltensweisen zu schädigen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Rahmen der Anhörung vor Ausspruch der Kündigung eingeräumt haben soll, dass er bereits früher einmal Heizöl mitgenommen habe. Die Beklagte hat diesen vorangegangenen Pflichtenverstoß des Klägers nicht weiter aufgeklärt und in den Rechtsstreit eingeführt, so dass mögliche Spekulationen zu diesem Vorfall auf sich beruhen können.

3.

46

Auch die Belastung, die das Arbeitsverhältnis in den letzten Jahren durch den alkoholbedingten Führerscheinentzug des Klägers – und seine sich andeutende Alkoholabhängigkeit - erlitten hat, macht für die Beklagte das weitere Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht unzumutbar.

47

Die Beklagte hat zu diesem Themenkomplex keine weiteren Einzelheiten vorgetragen, so dass nicht festgestellt werden kann, dass die Alkoholprobleme des Klägers und die betrieblichen Probleme, die aus der fehlenden Fahrerlaubnis resultieren, die Kündigung auch ohne den Vorfall mit dem Heizöl rechtfertigen könnten. Wenn aber weder der Heizölvorfall noch die Alkoholprobleme für sich geeignet sind, die Kündigung zu rechtfertigen, können sie diese auch bei gemeinsamer Betrachtung nicht rechtfertigen.

II.

48

Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. März 2014 zum 31. Oktober 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Denn es kann die soziale Rechtfertigung dieser Kündigung im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG nicht festgestellt werden.

49

Wenn schon die außerordentliche Kündigung vorliegend nicht begründet ist, weil es ausgereicht hätte, den Kläger abzumahnen, gilt dies erst Recht für die ordentliche Kündigung. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Ausführungen oben zu I. verwiesen werden.

III.

50

Da der Kläger mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegt hat, hat er auch einen Anspruch auf weitere Beschäftigung gegen die Beklagte für die weitere Laufzeit des Kündigungsschutzprozesses.

IV.

51

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, da der Kläger obsiegt hat (§ 91 ZPO).

52

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

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(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

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(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

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(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

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(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.