Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13

bei uns veröffentlicht am13.11.2014

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberkündigung vom 24.04.2009 zum 30.06.2009, die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Klägerin, die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und im Berufungsverfahren zusätzlich über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2009.

Die am 16.01.1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten ab dem 20.09.2001 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14.09.2001 (Kopie Bl. 242, 243 d. A.) als kaufmännische Angestellte im Einkauf beschäftigt und bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 4.620,39 (vgl. Abrechnung für 06/2009, Kopie Bl. 1177 d. A.).

Die Klägerin fühlt sich über mehrere Jahre hinweg aufgrund ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft durch Vorgesetzte diskriminiert, worauf ein umfangreicher E-Mail-Verkehr beruht.

Mit E-Mail vom 21.09.2008 (Kopie Bl. 61-64 d. A.) wandte sich die Klägerin persönlich an den damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. P. Sie schilderte ihm ihr persönliches Profil, insbesondere das Vorhandensein von drei unterhaltspflichtigen und davon zwei studierenden Kindern, und ihre berufliche Situation. Diesbezüglich behauptete sie, schon seit einigen Jahren gegen ihre Person geführten „Guerilla-Aktionen“ von Vorgesetzten ausgesetzt zu sein, eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit“ vorgefunden zu haben und sich wegen der Brisanz des Falles deshalb direkt an den Vorstandsvorsitzenden zu wenden, weil sie es als unfair erachte, wenn er erst aus der amerikanischen Presse informiert werden würde. Sie kündigte an, sich zu Loyalität und Geheimhaltung gegenüber der Beklagten nur solange verpflichtet zu fühlen, als diese ihre Schutzpflicht gegenüber der Klägerin wahrnehme.

Mit E-Mail vom 05.02.2009 (Kopie Bl. 59, 60 d. A.) wandte sich die Klägerin erneut an den damaligen Vorstandsvorsitzenden und schilderte ihm, dass sie weiterhin unter Männerherrschaft, Männerwirtschaft und Männersolidarität zu leiden habe. Sie brachte ihre Erwartung zum Ausdruck, „dass man sich als erstes von einem Frauen- und Ausländerhasser trennt und nicht vom Opfer verlange, weiterhin mit seinem Täter zusammenarbeiten zu müssen“. In dieser E-Mail wird unter anderem ausgeführt:

„Bei dieser Gelegenheit muss ich leider feststellen, dass Sie als CEO von S. noch einsamer sind als ich es bin. Ich darf Ihnen hiermit schriftlich bestätigen, dass kein Jude in diesem Land jemals solche seelischen Qualen erleiden musste, wie ich; und das ist mein Erleben und Empfinden und kein Gesetz der Welt kann mir verbieten, darüber zu berichten. In keinem Land der Welt, in keinem Unternehmen der Welt habe ich so viele Intrigen erlebt, sei es mit Personal, sei es mit Lieferanten. Das ganze hält die Erinnerung wach an meinen Lieblingsfilm: Der Pate. Alles in allem: Was mir bis heute geboten wird - das kann ich doch nicht annehmen: Es beleidigt meine Intelligenz“.

Die Klägerin wandte sich mit E-Mail vom 30.03.2009 (Kopie Bl. 27, 28 d. A.) an ihren unmittelbaren Vorgesetzten H. unter dem Betreff: „Lebenswerk der unfähigen Führungskräfte“. In dieser E-Mail wird dem Vorgesetzten Mobbing, Bossing, unberechtigte Kritik und unsachliche und leere Bemerkungen vorgeworfen und dass er seit 2007 nur deswegen an seinem Platz installiert worden sei, um eine intellektuellen Frau das Leben zur Hölle zu machen. Sie sandte diese E-Mail an weitere 12 Mitarbeiter der Beklagten.

Die Beklagte reagierte hierauf mit Schreiben vom 03.04.2009 (Kopie Bl. 25, 26 d. A.), in der gerügt wurde, dass einzelne Formulierungen der Klägerin durch das Beschwerderecht und ihr Recht zur freien Meinungsäußerung nicht mehr abgedeckt seien, insbesondere die Bezeichnung einzelner Führungskräften als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“ bzw. „Rassist“ und die gemachten Anspielungen auf die Zeit des Nationalsozialismus. Das Schreiben endet mit der Textpassage:

„Frau W., Sie haben mit diesen Vergleichen und Behauptungen arbeitsrechtliche Kündigungsgründe geliefert. Wir fordern Sie daher auf, alle von Ihnen gemachten Vergleiche und aufgestellten Behauptungen gegenüber den von ihnen informierten Personen und der S. AG schriftlich bis zum 17. April 2009 zurückzunehmen. Des Weiteren fordern wir Sie auf, sich bei den betroffenen Personen schriftlich unter qualifizierter Zurücknahme der Behauptungen ebenfalls bis 17. April 2009 zu entschuldigen. Wir erwarten, dass Sie derartige Äußerungen künftig unterlassen.

Sollten derartige oder sinngemäße gleiche Äußerungen wiederholt werden oder sollte keine Rücknahme erfolgen, werden wir arbeitsrechtliche Maßnahmen einleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen können.

Bis zur endgültigen Klärung des Vorganges stellen wir Sie widerruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei“.

Die Klägerin nahm hierzu mit E-Mail vom 15.04.2009 Stellung, bezüglich des exakten Wortlauts der Stellungnahme wird auf die bei den Akten befindliche Kopie (Bl. 65-69 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 21.04.2009 (Kopie Bl. 23, 24 d. A.) zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung zum 30.06.2009 an. Dem Anhörungsschreiben, bestehend aus Deckblatt und Anhang waren als weitere Anlage 1 das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 und als Anlage 3 die Stellungnahme der Klägerin vom 16.04.2009 beigefügt. Welche der beanstandeten E-Mails der Klägerin als Anlage 2 beigefügt waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Betriebsrat stimmte am 24.04.2009 der Kündigung zu.

Mit Schreiben vom 24.04.2009 (Kopie Bl. 3 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus verhaltensbedingten Gründen zum 30.06.2009.

Hiergegen hat die Klägerin mit dem am 29.04.2009 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 27.04.2009 Kündigungsschutzklage erhoben.

Im Wege der Klageerweiterung begehrt die Klägerin die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und für den Fall des Obsiegens ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung.

Wegen der Anträge der Parteien und ihres näheren Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Verfahren erster Instanz ruhte aufgrund der schriftlichen Anträge der Klägerin vom 13.10.2010 (Bl. 929 d. A.), 22.03.2011 (Bl. 942, 943 d. A.) und 10.09.2011 (Bl. 944 d. A.) in der Zeit von Oktober 2010 bis September 2013.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Endurteil vom 06.11.2013 dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin stattgegeben, die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die in den beanstandeten E-Mails der Klägerin enthaltenen massiven Beschimpfungen anderer Mitarbeiter und ehrverletzenden Äußerungen würden zwar ein arbeitsvertragswidriges und kündigungsrelevantes Verhalten der Klägerin darstellen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete jedoch den Ausspruch einer Abmahnung, wenn hierdurch der Arbeitnehmer angehalten werde, sich künftig wieder vertragstreu zu verhalten. Das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 enthalte Elemente einer Abmahnung. Dadurch, dass die Beklagte der Klägerin in diesem Schreiben die Gelegenheit zur Entschuldigung bzw. zur Rücknahme der in Rede stehenden Äußerungen gegeben hat, habe sie damit zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar sei. Dies führt zu der Bewertung, dass die gerügten Äußerungen und Vergleiche der Klägerin ohne eine vorherige Abmahnung nicht geeignet seien, einen Grund für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung abzugeben.

Nach dem Zugang der streitgegenständlichen Kündigung eingetretene Umstände könnten die fehlende soziale Rechtfertigung der angegriffenen Kündigung nicht korrigieren.

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses im bestehenden Arbeitsverhältnis.

Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin berücksichtige nicht die in ihrem Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel und erweise sich deshalb als unbegründet.

Gegen das beiden Parteien am 18.11.2013 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem am selben Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 22.11.2013 und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Telefax vom 16.12.2013 Berufung eingelegt und sie innerhalb der bis 27.01. bzw. 20.02.2014 verlängerten Begründungsfrist mit Telefax vom 27.01.2014 bzw. Schriftsatz vom 20.02.2014 begründet.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in grobem Umfang gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verstoßen, dass ihre Führungskräfte H. und We. als „unterbelichteter Frauen- und Ausländerhasser“ bzw. „Rassist“ bezeichnet und in ehrverletzender Weise die Fähigkeiten des Vorgesetzten H. infrage gestellt habe. Des Weiteren habe sie einen diffamierenden Vergleich der Umstände bei der Beklagten mit dem Leid der jüdischen Mitbürger während der NS-Zeit angestellt. Darin sei eine schwerwiegende Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht zu sehen. Hierdurch sei ein irreparabler Vertrauensverlust eingetreten und die für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche negative Prognose begründet. Einer Abmahnung habe es vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurft. Eine vorherige Abmahnung sei nämlich dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handle, dass dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar sei und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen werden könne. Die Klägerin habe angesichts der zahlreichen grob ehrverletzenden und diskreditierenden Äußerungen gegenüber der Beklagten, ihren Vertretern und ihren Mitarbeitern nicht damit rechnen können, dass dies von der Beklagten hingenommen werde. Die Art der ehrverletzenden Äußerungen, mit der die betrieblichen Umstände und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen System und dem Leid der jüdischen Mitbürger verglichen würden, führe bei einem verständigen Arbeitgeber zu einem nicht mehr zu kittenden Vertrauensverlust. Diese Pflichtverletzungen seien so gravierend, dass für die Klägerin die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Ferner sei in Anbetracht der Schwere der Verstöße für sie erkennbar gewesen, dass die Hinnahme dieses Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen sei.

Der negativen Prognose stehe der Inhalt ihres Schreibens vom 03.04.2009 nicht entgegen. Das Erstgericht vertrete rechtsfehlerhaft die Auffassung, dass es ihr verwehrt sei, sich auf einen Kündigungssachverhalt zu berufen, wenn sie dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben habe, sich für die Pflichtverletzung zu entschuldigen. Das Kündigungsrecht wäre aber nur dann ausgeschlossen worden, wenn sie zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie den Pflichtverstoß als ausreichend sanktioniert und die Sache als erledigt ansehe. Hiervon könne nach dem Inhalt des Schreibens vom 03.04.2009 nicht ausgegangen werden. Sie habe hinreichend deutlich gemacht, dass das weitere Vorgehen von der Reaktion der Klägerin abhänge und sie bis zur endgültigen Klärung des Vorganges freigestellt werde. Nachdem die Klägerin nach Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 ihre Äußerungen nicht ausdrücklich zurückgenommen habe, habe sie hierdurch die in den Äußerungen liegenden Pflichtverletzungen und die daraus resultierende Zerstörung des Vertrauensverhältnisses manifestiert und verstärkt.

Die Pflichtverletzungen der Klägerin würden so schwer wiegen und das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis derart zerstören, dass selbst eine Rücknahme der Äußerungen und eine Entschuldigung der Klägerin an der negativen Prognose nichts geändert hätten und auch das Ergebnis der Interessenabwägung nicht zugunsten der Klägerin ausgefallen wäre.

Die Beklagte sei als international agierendes Unternehmen gerade in den Jahren 2008 und 2009 stark im Fokus der Öffentlichkeit gestanden und habe deshalb größten Wert darauf legen müssen, durch ihre Vertreter und Mitarbeiter unternehmensintern und in der Öffentlichkeit nicht mit ehrverletzenden oder diskreditierenden Äußerungen in Verbindung gebracht zu werden. Bei den nicht hinzunehmenden Äußerungen der Klägerin habe es sich nicht um eine einmalige Entgleisung gehandelt sondern eine fortlaufende Verhaltensweise. Dies trotz mehrfacher Maßnahmen, die zu einer Deeskalation hätte beitragen sollen. Durch diese Äußerungen sei Unruhe im Betrieb entstanden und Mitarbeiter hätten sich geäußert, künftig mit der Klägerin nicht zusammenarbeiten zu wollen.

Der bei ihr bestehende Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Im Deckblatt des Anhörungsbogens sei ihm die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder mitgeteilt worden, die sich aus den Abrechnungsunterlagen ergeben hätte. Die E-Mail der Klägerin vom 21.09.2008, in dem sie ihre persönlichen Verhältnisse geschildert habe, sei zudem als Anlage 2c dem Betriebsrat zugeleitet worden. Damit sei er über die Familienverhältnisse der Klägerin umfassend informiert worden. Da der Betriebsrat mit den Gesamtvorgängen um die Klägerin bereits zuvor immer wieder befasst worden sei, seien ihm die persönlichen Verhältnisse der Klägerin positiv bekannt gewesen. Im Übrigen komme es im Hinblick auf das Gewicht der Vertragsverstöße der Klägerin nicht darauf an, wie viele unterhaltsberechtigte Kinder zum Kündigungszeitpunkt vorhanden gewesen seien. Die in dem Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 angesprochene Anlage 2 habe aus den Anlagen 2a (E-Mail der Klägerin vom 30.03.2009), 2b (E-Mail Konvolut vom 24.09.2008) und 2c (E-Mails an den damaligen Vorstandsvorsitzenden P. vom 21.09.2008 und 05.02.2009) bestanden. Der Anlage 2c sei der vollständige Inhalt des Judenzitats zu entnehmen. Auch das vollständige Zitat enthalte eine Tatsachenbehauptung, denn ein „Erleben“ betreffe einen tatsächlichen Vorgang und keine rein subjektiv-persönliche Einschätzung. Die Klägerin habe gewusst, welchen Stellenwert ein solcher Vergleich in Deutschland habe. Dadurch dass sie diesen Tatsachenvergleich zur Charakterisierung der Zustände bei der Firma S… einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, habe sie größtmögliche Wirkung zum Nachteil der Arbeitgeberin erzielen wollen.

Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Klägerin sei nicht mehr zu erwarten. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb gemäß § 9 Abs. 2 KSchG gerichtlich aufzulösen. Die zahlreichen Spannungen die sich während des Kündigungsschutzprozesses gezeigt hätten, ließen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als sinnlos erscheinen. Die Klägerin habe die Beklagte in zahlreichen Äußerungen gegenüber der regionalen und überregionalen Presse als ein diskriminierendes, frauen- und ausländerfeindliches Unternehmen dargestellt, in dem systematisch Mobbing betrieben und keine Rücksicht auf die Gesundheit der Mitarbeiter genommen werde. Auch von ihrem Judenvergleich habe sie sich in der Öffentlichkeit nicht distanziert sondern vielmehr die Arbeitgeberin bezichtigt, ihr zu Unrecht eine strafbare Verharmlosung des Holocaust vorgeworfen zu haben. Am 24.02.2010 habe sie diesbezüglich sogar eine Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eingereicht. Zusätzlich habe sie Strafanzeigen gegen die Mitarbeiterin Se. aus der Personalabteilung und den Mitarbeiter R. aus der Presseabteilung der Beklagten wegen angeblichen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz erstattet. Die Klägerin habe die Namen der beiden Mitarbeiter auch öffentlich erwähnt und der Presse mitgeteilt, so dass deren Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt worden sei. Sie habe auch in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin das Ansehen der Firma beeinträchtigt, denn sie habe der Arbeitgeberin gegenüber den Vorwurf erhoben, auf Kosten ihrer Person die Ressentiments in der Gesellschaft gegen Menschen mit Migrationshintergrund anzuheizen und die Deutschen zum Zorn zu reizen. Ferner behaupte sie, Augenzeuge eines Selbstmords in ihrem Betrieb, Augenzeuge der Diskriminierung von behinderten und krebskranken Menschen, der Diskriminierung der Senioren und diverser Benachteiligung der Frauen, die von der Schwangerschaft zurückkämen, gewesen zu sein. Dieser offene Brief sei auf der Homepage der Klägerin veröffentlicht worden.

In einer E-Mail vom 31.08.2009 an mehrere Mitarbeiter und Mitglieder des Betriebsrats habe sie dem Betriebsrat gegenüber den Vorwurf erhoben, seit Jahren Machtmissbrauch begünstigt und offensichtliche Gesetzesverstöße ignoriert und damit gebilligt zu haben.

Wegen der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehe kein Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung egal zu welchem Inhalt. Zudem würden wegen der geschilderten Auflösungsgründe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits Gründe für eine Nichtbeschäftigung überwiegen.

Die Beklagte, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 insoweit abgeändert, als es der Klage stattgegeben hat.

2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Hilfsweise:

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufgelöst.

3. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

4. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin beantragt:

1. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

2. Das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit dort noch zum Nachteil der Klägerin entschieden wurde und insoweit nach den vorinstanzlichen Schlussanträgen der Klägerin zu erkennen,

hilfsweise hierzu,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag vom 14.09.2001 genannten Bedingungen in der derzeit geltenden Fassung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den in Ziffer 1 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellungsausspruch weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Beklagte habe sie aufgrund des gewonnenen Kündigungsrechtsstreits zu den zuletzt praktizierten arbeitsvertraglichen Bedingungen tatsächlich zu beschäftigen, hilfsweise auch zu anderen vertragskonformen Konditionen. Die Berufung der Beklagten sei bereits unzulässig, da sie sich mit der die Kündigung tragenden Prognoseentscheidung nicht substantiiert auseinandersetze.

Zur Begründung der Kündigung werde eine bewusst gekürzte und sinnentstellende Fassung des Judenvergleichs in der E-Mail vom 05.02.2009 wiedergegeben. Aus der vollständigen Wiedergabe des gesamten Satzes werde offensichtlich, dass die Klägerin lediglich ihr subjektiv-persönliches Erleben und Empfinden dem Vorstandsvorsitzenden mitgeteilt habe. Sie habe weder betriebliche Vorgänge genannt, noch Handlungen des Arbeitgebers bezeichnet und erst Recht habe sie keinen Vergleich zwischen Tatsachen und Handlungsweisen zwischen Betrieb einerseits und dem Dritten Reich andererseits angestellt. Sie habe sich lediglich über das Maß der Beeinträchtigung ihrer Gefühle geäußert. Ihre damalige Gefühlswelt sei dadurch stark geprägt gewesen, dass sie über Jahre hinweg bei der Beklagten von ihren Vorgesetzten diskriminiert, isoliert und herabgewürdigt worden sei. Es möge zwar die von der Klägerin getätigte Äußerung nicht jedermanns Wohlgefallen finden und insbesondere in Deutschland allerlei spezielle Befindlichkeiten berühren. Da sie aus Afghanistan stamme und erst im Alter von 26 Jahren nach Deutschland übersiedelt sei, habe sie nicht die gleiche spezielle Sensibilität für dieses Thema haben können, wie ein in Deutschland aufgewachsener Mitbürger, als sie diese spezifische Art der Umschreibung ihrer verletzen Gefühlswelt gewählt habe. Insofern sei die Annahme des Erstgerichts, es könne sich hierbei um einen kündigungsrelevanten Sachverhalt handeln, unzutreffend. Unzutreffend sei auch die Behauptung, sie habe eine Führungskraft als unterbelichtenden Frauen- und Ausländerhasser bezeichnet. In ihrer Stellungnahme vom 16.04.2009 habe sie diese Ausdrucksweise relativiert und ihre Ausdrucksweise durch konstruktive Selbstkritik geläutert. Zu keinem Zeitpunkt habe sie die Führungskraft We. als „Rassist“ bezeichnet.

Im Rahmen der an den Vorstand herangetragenen Beschwerde sei auch eine überspitzte und polemische Kritik zulässig und verletze nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Bei der Konkretisierung dieser Pflicht seien stets die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu beachten.

Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 03.04.2009 zum Ausdruck gebracht, dass bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses nichts im Wege stehe. Damit fehle es an der für die Kündigung erforderlichen negativen Zukunftsprognose. Da die Beklagte selbst die bisherigen Verfehlungen als durch Entschuldigung bzw. Richtigstellung reparable Vorgänge ansehe, sei eine erfolglose Abmahnung nicht entbehrlich gewesen.

Und eine so schwere Pflichtverletzung, dass ohne weiteres erkennbar gewesen sei, eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber sei offensichtlich ausgeschlossen, liege nicht vor. Sie habe keinen Mitarbeiter der Beklagten als Nazi bezeichnet und im Verhältnis zum NS-Regime keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt sondern lediglich ihre verletzte Gefühlswelt beschrieben. Auch in diesem Zusammenhang habe die Beklagte durch ihr Schreiben vom 03.04.2009 zum Ausdruck gebracht, dass das Vertrauensverhältnis nicht unwiederbringlich zerstört sei sondern die Klägerin auch aus Sicht der Beklagten wieder auf Linie gebracht werden könne.

Im Rahmen der Interessenabwägung lasse die Beklagte die jahrelangen Mobbingvorgänge völlig außer Acht. Der Betriebsfrieden werde nicht durch sie sondern durch die damaligen „Mobber“ gestört.

Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, da der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Auf dem Anhörungsbogen vom 21.04.2009 sei dem Betriebsrat wahrheitswidrig mitgeteilt worden, sie habe nur ein Kind, dem sie unterhaltsverpflichtet sei. Dabei habe die Beklagte aufgrund des Inhalts der E-Mail vom 21.09.2008 an den Vorstandsvorsitzenden gewusst, dass sie drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sei. Im Rahmen der Interessenabwägung würde die Anzahl der Kinder stets eine Rolle spielen, weshalb die Anzahl der Kinder nicht unerheblich sei. Unzutreffend sei, dass dem Betriebsrat die persönlichen Familienverhältnisse der Klägerin bekannt gewesen seien. In dem Anhörungsschreiben selbst seien keine ausreichenden Kündigungsgründe genannt und es sei nicht Aufgabe des Betriebsrats aus einem Anlagenkonvolut sich das passende herauszusuchen. Dem Betriebsrat gegenüber sei das Judenzitat zudem falsch wiedergegeben worden.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei abzuweisen, denn dieser erweise sich wegen der Unzulässigkeit der Berufung ebenfalls als unzulässig. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG könne von der Beklagten ein solcher Antrag nicht gestellt werden. Auch der Verzicht der Beklagten auf ein etwaiges Kündigungsrecht durch Schreiben vom 04.03.2009 führe rechtlich zum Ausschluss der Auflösungsmöglichkeit.

Bei einem erst in der Berufungsinstanz gestellten Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG könnten zudem nur Sachverhalte nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Berücksichtigung finden. Jahre zurückliegende Vorgänge seien nicht geeignet, den in die Zukunft zielenden Auflösungsantrag sachlich zu rechtfertigen. Dies um so mehr, wenn zwischenzeitlich betriebliche Veränderungen eingetreten seien und eine Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und früheren Führungspersonen nicht mehr stattfinden müsse. Die Fortführung des von ihr angestrengten Mobbingprozesses gegen die Beklagte bringe es mit sich, dass Vorwürfe gegen Vorgesetzte vorgebracht werden müssten. Dies könne nicht dazu führen, einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin zu rechtfertigen. Unzutreffend sei die Behauptung der Beklagten, sie hätte die Presse und Öffentlichkeit gesucht, vielmehr sei die Presse aktiv auf sie zugekommen.

Ihre Strafanzeige vom 24.02.2010 sei zu Recht erfolgt, denn die Beklagte habe ihr gegenüber im Schriftsatz vom 22.10.2009 und in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2010 den Vorwurf der Holocaust-Verharmlosung erhoben, was einen strafrechtlichen relevanten Vorgang gem. §§ 185, 186 StGB darstelle. Insoweit habe sie zur Vermeidung beruflicher Nachteile in zulässigerweise ihre staatsbürgerlichen Rechte wahrgenommen. Auch die Strafanzeige gegen zwei Mitarbeiter der Beklagten sei gerechtfertigt gewesen. Denn der Zeitschrift „Stern“ seien Informationen zugeleitet worden, die Inhalt ihrer Personalakte gewesen seien und sie selbst Reportern dieser Zeitschrift nicht mitgeteilt habe. Die Herausgabe der persönlichen Daten an die Presse habe zwangsläufig nur durch Mitarbeiter der Beklagten bewerkstelligt werden können. Sie haben den Stern-Artikel als Rufmord empfunden und im Rahmen der Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen von ihren rechtsstaatlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht.

Ihr Brief an die Bundeskanzlerin sei schon längst nicht mehr auf ihrer Homepage und könne deshalb keine aktuellen negativen Auswirkungen mehr entfalten.

Der Angriff gegen den Betriebsrat im Jahr 2009 habe auf ihrer Verärgerung beruht, dass sich dieser nicht für sie eingesetzt habe.

Dem Arbeitgeber, der auf die Beschwerde eines fortlaufend diskriminierten Mitarbeiters nicht reagiere und sogar Vergeltungsmaßnahmen einleite, sei es aufgrund europarechtlicher Vorgaben verwehrt, von einer nach einfachem nationalem Recht eröffneten Möglichkeit der Vertragsbeendigung Gebrauch zu machen. Insoweit sei eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Der als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende E. habe sich hinsichtlich der dem Betriebsrat in Anlage des Anhörungsschreibens überlassenen Unterlagen widersprüchlich geäußert. Die Anlagen 2b und 2c seien dem Betriebsrat nämlich nicht zugeleitet worden. Es sei zeitlich gar nicht möglich gewesen - wie vom Zeugen geschildert - die 29 Seiten in der Betriebsratssitzung zu verlesen. Dies sei auch nicht im Rahmen ihrer telefonischen Anhörung durch den Betriebsratsvorsitzenden erfolgt, denn das Telefonat habe lediglich etwa 15 Minuten gedauert. Das vom Zeugen geschilderte Telefonat habe am 21.04 um ca. 14.00 Uhr stattgefunden und nicht wie vom Zeugen angegeben am 23. April. Als sie am 24.04. um 8.30 Uhr den Personalreferenten Wi… der Beklagten angerufen habe, sei diesem die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung bereits vorgelegen und etwa zwei Stunden später sei das Kündigungsschreiben durch den Werkschutz der Beklagten in ihren Briefkasten eingeworfen worden Nach nochmaliger Recherche habe sie festgestellt, dass das Telefonat mit dem Betriebsratsvorsitzenden doch am 23.04.2009 stattgefunden habe.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

In den Verhandlungsterminen vom 09.07.2014 und 07.08.2014 ist Beweis erhoben worden gemäß den Beweisbeschlüssen von diesen Tagen durch uneidliche Einvernahme der Zeugen E., H. W., M. und U. sowie der Klägerin als Partei.

Hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wir auf die Sitzungsprotokolle vom 09.07.2014 (Bl. 1431 - 1437 d. A.) und vom 07.08.2014 (Bl. 1516 - 1527 d. A.) sowie den Beschluss vom 06.11.2014 (Bl. 1678 - 1680 d. A.) verwiesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Gründe

I.

Die Berufungen sind zulässig.

Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2b, und c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG 519, 520 ZPO.

Beide Berufungen setzen sich hinsichtlich des Berufungsangriffs auch in ausreichendem Umfang mit den Entscheidungsgründen des Ersturteils auseinander.

II.

Die Berufung der Beklagten erweist sich nur insoweit als sachlich begründet, als sie sich gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses richtet.

Dem erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag der Beklagten war stattzugeben. Damit bestand weder eine Verpflichtung der Beklagten der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen noch sie tatsächlich weiter zu beschäftigen, zu welchen Konditionen auch immer.

Im Übrigen erweisen sich beide Berufungen als unbegründet, denn das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin stattgegeben und die Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung abgewiesen.

1. Das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.04.2009 nicht rechtswirksam zum 30.06.2009 beendet worden ist. Dies wegen des im Kündigungsrecht zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und unter besonderer Berücksichtigung des Schreibens der Beklagten vom 03.04.2009 (Kopie Bl. 25, 26 d. A.).

a) In Bezug auf die kündigungsrechtliche Relevanz des gerügten Fehlverhaltens der Klägerin kann auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil zu ehrverletzenden und beleidigenden Äußerungen gegenüber Vorgesetzten und gegenüber der Arbeitgeberin verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung abgesehen werden. Insoweit wird die Rechtsprechung zur kündigungsrechtlichen Bewertung ehrverletzender Äußerungen zutreffend dargestellt.

b) Im Rahmen der zu prüfenden Verhältnismäßigkeit unter Beachtung des so genannten ultima-ratio-Prinzips kommt im vorliegenden Kündigungsrechtsstreit der Bedeutung des Arbeitgeberschreibens vom 03.04.2009 entscheidende Bedeutung zu. Vor Ausspruch einer Kündigung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Kündigungssachverhalts für ihn nicht mildere Mittel zur Verfügung stehen, um eine weitere Beeinträchtigung seiner Interessen zu vermeiden und damit eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit im Interesse der Erhaltung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu schaffen. Der Arbeitgeber hat im Interesse des Inhalts- und Bestandsschutzes ihm zumutbare alternative Möglichkeiten zu ergreifen, bevor er in den Bestand oder den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingreift. Falls er dies tut, darf er immer nur von dem für den Arbeitnehmer mildesten und ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen.

Danach kommt eine Beendigungskündigung, gleichgültig ob sie auf betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt wird, als äußerstes Mittel (ultima- ratio) erst in Betracht, wenn sie zur Beseitigung betrieblicher Beeinträchtigungen geeignet und erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren gleich geeigneten zumutbaren Mitteln das auswählen, das den Arbeitnehmer am wenigsten belastet. Eine Kündigung ist nur als letztes Mittel zulässig (so KR-Griebeling, 10. Aufl., § 1 KSchG Rz. 214, 215 m. w. N.).

Durch ihr Schreiben vom 03.04.2009 wollte die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit eröffnen, trotz ihrer Äußerungen in den E-Mails vom 21.09.2008 und 30.03.2009 gegenüber ihrer direkten Führungskraft Herrn H. und der behaupteten Bezeichnung der weiteren Führungskraft Herrn We. im Januar 2009 als „Rassist“ durch eine Distanzierung von gemachten Äußerungen und eine Entschuldigung bei den betroffenen Führungskräften die Basis für eine weitere Zusammenarbeit zu schaffen. Gleiches gilt in Bezug auf die von der Beklagten beanstandeten Vergleiche zwischen den Verhältnissen im Unternehmen mit denen bei der Mafia oder mit der Behandlung der Juden im NS-Unrechtsstaat (E-Mail an den Vorstandsvorsitzenden Dr. P. vom 05.02.2009 und E-Mail an den Mitarbeiter Dr. Sg. vom 12.09.2008). Auch diesbezüglich erwartete die Beklagte, dass die Klägerin derartige Äußerungen künftig unterlässt und stellte ihr im Falle einer Wiederholung solcher Äußerungen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht. Ferner forderte sie von der Klägerin auch diesbezüglich eine „qualifizierte Zurücknahme und Entschuldigung“, um damit die Basis für eine weitere Zusammenarbeit wieder herzustellen.

Der Inhalt des Schreibens vom 03.04.2009 beschränkte sich nicht auf eine bloße Abmahnung des bisherigen Verhaltens und die Inaussichtstellung einer Kündigungs im Wiederholungsfall, was zu einem rechtsverbindlichen Verzicht auf ein eventuell bereits gegebenes Kündigungsrecht führen würde (vgl. hierzu BAG vom 06.03.2003 - 2 AZR 128/02 - NZA 2003, 1388). Vielmehr wurde der Klägerin in dem Schreiben bis 17.04.2009 eine Frist gesetzt, sich von den beanstandeten Äußerungen und gezogenen Vergleichen zu distanzieren und sich bei den betroffenen Mitarbeitern zu entschuldigen. Erst dann sah die Beklagte die Basis für eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wieder für gegeben. Dementsprechend wurde die endgültige kündigungsrechtliche Bewertung ihres Verhaltens bis zum Eingang ihrer Stellungnahme zurückgestellt.

Diesen Willen hat die Beklagte in den beiden letzten Absätzen ihres Schreibens vom 03.04.2009 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht und damit nicht bereits auf ein Kündigungsrecht wirksam verzichtet.

In ihrer Stellungnahme vom 17.04.2009 (Kopie Bl. 65-69 d. A.) hat die Klägerin in Bezug auf den Vorgesetzten H., dem sie seit einigen Jahren Mobbing, Bossing und Diskriminierung vorwirft - was Gegenstand eines parallel geführten Rechtsstreites ist, zum Ausdruck gebracht, dass ihr einzelne Äußerungen, die sie aus Enttäuschung und Verärgerung gemacht habe, leid täten und sie bereit sei, im Rahmen einer Aussprache mit dem Vorgesetzten zu einer Deeskalation beizutragen. Die behauptete Äußerung „Rassist“ in Bezug auf den Vorgesetzten We. hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme bestritten und klargestellt, dass dieser Vorwurf auch nicht zuträfe. Insoweit wollte die Klägerin - der Aufforderung der Beklagten Folge leistend - das gestörte Verhältnis zu den beiden Vorgesetzten verbessern und damit die Basis für eine weitere Zusammenarbeit legen.

Demgegenüber hat sich die Klägerin nicht auch gegenüber der Firmenleitung insgesamt, dem Vorstandsvorsitzenden Dr. P. oder dem Mitarbeiter Dr. Sg. erklärt, was ihr Erleben und Empfinden anlangt und die von ihr hergestellte Nähe zum Spielfilm „Der Pate“ und dem Vergleich mit dem Schicksal der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. Nachdem gerade letzteres zum Kernpunkt der kündigungsrechtlichen Auseinandersetzung wurde, hätte es nahegelegen, dies in dem Schreiben vom 03.04.2009 auch entsprechend herauszustellen.

Nach dem Eingangssatz dieses Schreibens war nämlich der Inhalt der E-Mail vom 30.03.2009, den Vorgesetzten H. betreffend, der Anstoß für die Beklagte, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, nicht jedoch die zeitlich weiter zurückliegenden E-Mails der Klägerin vom 21.09.2008 und 05.02.2009.

Dementsprechend konnte sich die Klägerin vorrangig in der Pflicht sehen, durch eine Verbesserung ihres Verhältnisses zu den beiden Vorgesetzten H. und We. die Entscheidung der Beklagten über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses positiv zu beeinflussen.

War aus Sicht der Beklagten alleine das Zitat der Klägerin in Bezug auf ihr eigenes Erleben und Empfinden bei der Beklagten und den seelischen Qualen der Juden während der NS-Terrorherrschaft entscheidend für die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, hätte dies in dem Schreiben vom 03.04.2009 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Für die Klägerin war nicht erkennbar, welche Vorwürfe in der Reihe der im Schreiben vom 03.04.2009 aufgezeigten, den Kern einer verhaltensbedingten Kündigung bilden könnten, und bei welchen es sich lediglich um zusätzliche Belastungen im Rahmen der Interessenabwägung handelte. Es war für sie folglich nicht ausreichend transparent, welche konkreten Erklärungen von ihr erwartet wurden, um den Interessen der Beklagten zu entsprechen und zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beizutragen. Dies hätte man indes von der Beklagten erwarten können, wenn von der Mitarbeiterin unter Fristsetzung ein aktiver Beitrag erwartet wird, um die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses positiv zu beeinflussen. Diese Klarstellung ließ das Schreiben der Beklagten vom 03.04.2009 jedoch vermissen, was die konkreten Erklärungen gegenüber bestimmten Unternehmensvertretern betrifft. Damit hat die Beklagte dazu beigetragen, dass innerhalb der Frist bis 17.04.2009 von der Klägerin nicht die konkreten Erklärungen gegenüber einzelnen Vertretern oder Stellen des Unternehmens abgegeben worden sind, die sich die Beklagte erwartet hat. Dies ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeit und der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen.

2. Auf Antrag der Beklagten ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von EUR 37.600,-- aufzulösen. Es liegen nämlich Gründe vor, die von der Klägerin nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gesetzt worden sind, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen. Hierauf konnte sich die Beklagte in dem vorliegenden Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz berufen.

a) Der Auflösungsantrag konnte von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14.01.2014 erstmals in der Berufungsinstanz noch fristgerecht gestellt werden, denn § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG enthält eine gesetzliche Sonderregelung, die allgemeinen zivilprozessualen Bestimmungen der Prozessförderungspflicht, §§ 296, 530, 531 ZPO, 67 ArbGG vorgeht. Insoweit tritt keine prozessuale oder materiell-rechtliche Verwirkung ein, wenn ein Arbeitgeber trotz Vorliegens ausreichender Auflösungsgründe in erster Instanz - in Erwartung eines klageabweisenden Urteils - davon absieht, den Auflösungsantrag zu stellen und dieser erst in Verbindung mit der Berufung gegen das der Klage stattgebende Feststellungsurteil in zweiter Instanz gestellt wird (vgl. hierzu KR-Spilger, a. a. O., § 9 KSchG Rz. 20 m. w. N.).

Ebenso wenig liegt in der bloßen Untätigkeit der Arbeitgeberin in erster Instanz eine Betätigung ihres Verzichtswillens, der als ein konkludentes Vertragsangebot aufgefasst werden könnte. Vielmehr kann im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG der Arbeitgeber den Ausgang des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens abwarten, um erstmals in der Berufungsinstanz eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Fall einer erfolglosen Berufung gegen das Feststellungsurteil zu erwirken.

b) Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, da die angegriffene Kündigung vom 24.04.2009 sich nicht nur als sozial ungerechtfertigt erweist, sondern auch aufgrund eines anderen Unwirksamkeitsgrundes i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG, der dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers dient. Hierzu zählt auch die Regelung des § 102 Abs. 1 BetrVG. Es ist der Arbeitgeberin verwehrt, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erwirken, sollte sich die angegriffene Kündigung wegen der fehlenden ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG als rechtsunwirksam erweisen (vgl. BAG vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 - NZA 2010, 1123; LAG Rheinland-Pfalz vom 09.02.2012 - 10 Sa 342/11 - zitiert in juris).

Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher angehört zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (vgl. BAG vom 15.11.2001 - 2 AZR 380/00 - NZA 2002, 970).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit Schreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen den im Beschäftigungsbetrieb bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört und erst nach Vorliegen der schriftlichen Zustimmung des Betriebsrats am 24.04.2009 die Kündigungserklärung aus ihrem Machtbereich hinausgegeben.

Die Beklagte hat den bei ihr bestehenden Betriebsrat über die persönlichen Daten der Klägerin und den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst Anlagen ordnungsgemäß unterrichtet.

Die ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens durch die Überlassung des Anhörungsschreibens nebst Anlagen an den zuständigen Betriebsratsvorsitzenden E. folgt für die erkennende Kammer aus der diesbezüglich durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme - der Einvernahme der Zeugen E. am 09.07.2014, der weiteren Zeugen H. W., M. und U. am 07.08.2014, der Klägerin als Partei im selben Termin sowie der Einsichtnahme der vom Zeugen E. im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 vorgelegten Anhörungsunterlagen im Wege eines gerichtlichen Augenscheins.

Ob die in dem Anhörungsschreiben zu niedrig angegebenen Unterhaltspflichten der Klägerin im vorliegenden Fall zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates führen könnten, kann dahingestellt bleiben, denn der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat war unabhängig vom Inhalt des Anhörungsschreibens über die Unterhaltspflichten der Klägerin positiv informiert.

Er hat zudem den Umfang der Unterhaltspflichten aus der Anlage 2c) des Anhörungsschreibens entnommen.

Insoweit braucht nicht entschieden zu werden, ob es bei Einleitung der Beteiligung des Betriebsrats den subjektiven Vorstellungen der Beklagten entsprach, unabhängig von den für die Klägerin bestehenden Unterhaltsverpflichtungen das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen. In einem solchen Fall hätte die Angabe der Unterhaltspflichten nur dann eine Bedeutung für den Kündigungsgrund im Rahmen der Interessenabwägung gehabt, wenn diese persönlichen Umstände im unmittelbaren Zusammenhang mit der Pflichtverletzung gestanden hätten, was von der Klägerin indes nicht behauptet wird (vgl. BAG vom 15.11.2001, a. a. O.).

Der Zeuge E. hat in Bezug auf den Beweisbeschluss vom 09.07.2014 zu a) ausgesagt, dass bei dem Betriebsrat aufgrund der mehrfachen Vorbefassung mit der Klägerin, insbesondere auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Personalabbaumaßnahmen, eine konkrete Aktenlage bezüglich der Arbeitnehmerdaten bestand. Insoweit hat er bestätigt, dass beim Betriebsrat hinsichtlich der Familienverhältnisse der Klägerin die Informationen vorlagen.

Des weiteren hat der Zeuge ausgeführt, dass in dem Anhörungsdeckblatt von einem unterhaltsberechtigtem Kind gesprochen worden ist - diesbezüglich wurde die Angabe „1 unterhaltspflichtiges Kind“ richtig dahingehend interpretiert, dass es sich hierbei um die Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber einem Kind handelt - im weiteren Inhalt der Anhörungsunterlagen aber von einer höheren Anzahl gesprochen worden ist.

Der Zeuge gab in diesem Zusammenhang an, die Unterlagen vor dem Beweistermin nicht erneut eingesehen und sich mit deren Inhalt vertraut gemacht zu haben. Es verwundert folglich nicht, dass ihm aufgrund des mehr als fünfjährigen zeitlichen Abstands zu dem Anhörungsverfahren einzelne Details nicht mehr erinnerlich waren und sich der Zeuge diesbezüglich auch nicht festlegen konnte. Dass er deshalb zur Anzahl der angegebenen unterhaltsberechtigten Kinder keine konkreten Angaben machen konnte, entwertet die Aussage des Zeugen nicht, dies spricht vielmehr für seine Glaubwürdigkeit. Der Zeuge gab weiter an, die ihm damals übergebenen Unterlagen komplett mitgebracht zu haben.

Die vom Gericht unter Hinzuziehung der Parteivertreter vorgenommene Einsichtnahme hat ergeben, dass die von dem Zeugen vorgelegten Unterlagen inhaltlich identisch sind mit den in der Gerichtsakte befindlichen Kopien des Anhörungsschreibens (Bl. 23, 24 d. A.) und der Anlagen 1 (Bl. 25, 26 d. A.), 2a (Bl. 27 - 29 d. A.), 2b (Bl. 30 - 58 d. A.), 2c (Bl. 59-64 d. A.) und 3 (Bl. 65 - 69 d. A.).

Auch wenn sich der Zeuge im weiteren Verlauf seiner Einvernahme von Zwischenfragen des Klägerinvertreters verunsichern ließ und er beide alternative Fragen zur Vollständigkeit der Anlagen verneinte (vgl. Sitzungsprotokoll Bl. 1434 d. A.) so konnte er doch wieder sicher ausschließen, dass dem Betriebsrat nachträglich weitere Anhörungsunterlagen zugeleitet worden sind. Diese hätten auch einen weiteren Eingangsvermerk beim Betriebsrat aufgewiesen. Einen solchen von der Eingangsbestätigung 21.04.09 abweichenden Eingangsvermerk weisen die mit den Originalunterlagen identischen Kopien (Bl. 23 - 69 d. A.) indes nicht auf. Auf den Zeitaufwand, das gesamte Anhörungskonvolut den Betriebsräten in der Sitzung vorzulesen, ist nicht entscheidend abzustellen, denn nach Angaben des Zeugen war die Kündigungsangelegenheit der Klägerin Gegenstand zweier Betriebsratssitzungen am 23. und 24.04.2009.

Der Zeuge gab an, sich handschriftliche Notizen über ein mit der Klägerin geführtes Telefonat nach Erhalt des Anhörungsschreibens gemacht zu haben. Ausweislich dieses Vermerks hat der Zeuge mit der Klägerin in Anwesenheit des weiteren Betriebsratsmitglieds Ra. am 23.04. ein Telefonat geführt und ihr die Kündigungsbegründung der Beklagten eröffnet. Nach Angabe des Zeugen ist der Klägerin mitgeteilt worden, dass dem Betriebsrat diverse E-Mails, u. a. auch an den Vorstandsvorsitzenden Dr. P., vorliegen würden. Es sei auch der dort enthaltene Vergleich mit dem Leid der Juden Inhalt des Telefonats gewesen.

Nach Angabe des Zeugen LAG dem Betriebsrat im Zeitpunkt des Telefonats mit der Klägerin die Anlage 2c vor, die die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden P. vom 05.02.2009 und 21.09.2008 umfasste. In ihnen wird die Situation bei der Beklagten mit dem Leid der Juden und dem Film „Der Pate“ in Verbindung gebracht und von der Klägerin auch mitgeteilt, gegenüber drei von vier Kindern unterhaltspflichtig zu sein.

Die Angaben des Zeugen wurden nicht durch die noch im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 aufgestellten Behauptungen widerlegt, die Anlage 2c sei nicht Gegenstand des geführten Telefonats gewesen, das Telefonat habe nicht am 23.04.2009 sondern am 21.04.2009 um ca. 14.00 Uhr stattgefunden und von Seiten des S. Vorstandsbüros habe es die Anweisung gegeben, die Anlagen 2b und 2c dem Betriebsrat nicht zuzuleiten.

Dies haben nämlich die Einvernahme des Ehemannes der Klägerin sowie der Mitarbeiter M. und U. sowie die Vernehmung der Klägerin als Partei nicht ergeben.

Nach Angabe des Zeugen W. wurde der Klägerin in dem Telefonat lediglich der Inhalt des Begleitschreibens der Anhörung vorgelesen, nicht jedoch der Inhalt weiterer Anlagen. Dass sich der Zeuge nach mehr als fünf Jahren noch genau daran erinnern konnte, welche Ziffern die unterschiedlichen Anlagen des Anhörungskonvoluts trugen und inwiefern es sich bei der Anlage 2 nicht um die vorgelegten untergliederten Anlagen 2a, 2b und 2c gehandelt hat, erscheint der erkennenden Kammer wenig glaubhaft. Insoweit spricht viel dafür, dass dem Zeuge - wie von ihm auch angegeben - das Schicksal seiner Ehefrau sehr am Herzen LAG, was auch seine Anwesenheit im Verhandlungstermin vom 09.07.2014 belegt. Dem Gericht erscheinen die Angaben des Zeugen E., eines außenstehenden Dritten gerade wegen ihrer partiellen Unschärfe weit mehr glaubhaft. Sich nach so langer Zeit nicht mehr an einzelne Details erinnern zu können, entspricht allgemeiner Lebens- und Gerichtserfahrung. Seiner Aussage wird mehr Gewicht beigemessen als der des Ehegatten. Dessen angegebene Detailkenntnisse sprechen für eine vorherige Befassung mit dem Prozessstoff und der - für einen Ehepartner nicht ungewöhnlichen - Intention, die prozessuale Situation seiner Ehepartnerin zu fördern.

Er hat den noch im Schriftsatz der Klägerin vom 05.08.2014 behaupteten Zeitpunkt des Telefonats am 21.04.2009 um 14.00 Uhr nicht bestätigt. Dies hätte auch dem Inhalt der E-Mail der Klägerin vom 23.04.2009 (Anlage B 14, Bl. 1206 d. A.) widersprochen. Ausweislich dieses E-Mails hat das Telefonat nämlich am 23.04.2009 stattgefunden und es wurden in dem Telefonat die E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden Dr. P. erwähnt, die nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden E. dem Betriebsrat auch vorlagen. Insoweit spricht der Inhalt dieser E-Mail für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen E. hinsichtlich des Zeitpunkts des Telefonats mit der Klägerin und dessen Inhalt, soweit es die beiden E-Mails der Klägerin an den Vorstandsvorsitzenden Dr. P. betrifft.

Insoweit stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Betriebsrat mit dem Anhörungsschreiben jedenfalls auch die Anlage 2c zugeleitet worden ist, in dem das vollständige Judenzitat enthalten war und die Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin.

Dass es im Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin eine Weisung gegeben habe, die beiden E-Mails an den Vorstandsvorsitzenden nicht dem Betriebsrat zuzuleiten, hat die durchgeführte weitere Beweisaufnahme nicht ergeben.

Eine solche Empfehlung oder Weisung hat weder der hierzu vernommene Zeuge M. bestätigt und auch nicht der Zeuge U., der in Bezug auf die Personalangelegenheiten der Klägerin vom Vorstandsbüro beauftragt worden ist. Nach Angaben des Zeugen U. umfasste dies nicht das Betreiben der Kündigung sondern die Mobbingvorwürfe der Klägerin und ihre schriftlichen Beschwerden beim Vorstandsvorsitzenden.

Die beiden Zeugen machten in Bezug auf das hier interessierende Thema, die Zuleitung der Anlage 2c an den Betriebsrat betreffend, klare und widerspruchsfreie Angaben, hinterließen beim Gericht einen ruhigen und besonnenen Eindruck. Es bestand keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen zu zweifeln.

Auch die Parteieinvernahme der Klägerin im Verhandlungstermin vom 07.08.2014 brachte keine weiteren Erkenntnisse, was die Zuleitung der Anlage 2c an den Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung betrifft. Zwar hat die Klägerin die von ihr erstellte Zusammenfassung mehrerer E-Mails zur Anlage 2b erklärt und die hierdurch verursachten innerbetrieblichen Prüfungen der Compliance-Problematik. Zum Betreiben der Kündigungsangelegenheit durch die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten enthielt ihre Aussage keine Fakten, die den Angaben des vernommenen Betriebsratsvorsitzenden E… widersprachen.

Danach ist zur Überzeugung des Gerichts durch die Einvernahme des Zeugen E. nachgewiesen, dass dem Betriebsrat am 21.04.2009 die gesamten im vorliegenden Fall vorgelegten Anhörungsunterlagen, insbesondere die Anlage 2c) tatsächlich zugeleitet worden sind.

Nach alledem wurde seitens der Beklagten mit Anhörungsschreiben vom 21.04.2009 nebst den beigefügten Anlagen der Betriebsrat über die Personalien der Klägerin umfassend informiert. Ebenso über die der Klägerin vorgeworfenen despektierlichen Äußerungen bzw. Beleidigungen gegenüber den Vorgesetzten H. und We. sowie die Vergleiche zwischen den Zuständen bei der Beklagten und der Behandlung der Juden bzw. den Verhältnissen bei der Mafia. Der Betriebsrat konnte aus den einzelnen Absätzen der Anlage 1 die verschiedenen Kündigungskomplexe erkennen und hat der Kündigung in der Sitzung vom 24.04.2009 ausdrücklich zugestimmt.

Die Klägerin selbst hat im Schriftsatz vom 05.08.2014 unstreitig gestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats dem Personalreferenten Wi. vorlag, bevor das Kündigungsschreiben ihr durch einen Mitarbeiter des Werkschutzes am 24.04.2009 zugeleitet worden ist.

Damit ist das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG von der Beklagten ordnungsgemäß durchgeführt worden.

c) Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat eine Entwicklung genommen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lässt; auf Antrag der Beklagten ist somit das Arbeitsverhältnis gerichtlich aufzulösen.

ca) Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.

Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (vgl. BAG vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08 - NZA 2010, 1123; vom 29.08.2013 - 2 AZR 419/12 - NZA 2014, 660; jeweils m. w. N.).

cb) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist dem Auflösungsantrag der Beklagten zu entsprechen. In Anbetracht der konkreten betrieblichen und persönlichen Umstände ist eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht mehr möglich.

Die Klägerin hat sich nach Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 und der dort zitierten Passagen, in denen sie die Verhältnisse bei der Beklagten mit der Behandlung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus und mit dem Geschäftsgebaren der Mafia in Verbindung bringt, nicht veranlasst gesehen, das von ihr geschilderte Erleben und Empfinden einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dies selbst nicht, als es zum Ausspruch der verhaltensbedingten Kündigung gekommen ist.

Es hätte nahe gelegen, sich zumindest in der Folgezeit von den unhaltbaren, ehrverletzenden und die Reputation der Beklagten schädigenden vergleichenden Betrachtungen zu distanzieren.

Selbst wenn sie sich durch behauptete Mobbinghandlungen von Vorgesetzten aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt sehen durfte, was in dem Parallelverfahren zwischen den Parteien noch geprüft wird, erlaubt dies nicht die von ihr angestrengten Vergleiche.

Diese entbehren jeglicher Realitätsnähe. Hätte die Klägerin den Erhalt des Schreibens vom 03.04.2009 und den Ausspruch der Kündigung zum Anlass genommen, sich mit dem Leid der Juden während des NS-Unrechtsstaats zu befassen, wäre ihr unschwer möglich gewesen, zu erkennen, dass das von ihr empfundene Unrecht mit dem von den Juden erlittenen in keinerlei Relation steht. Die Juden wurden während der Zeit des Nationalsozialismus nämlich nicht nur wegen ihrer Rasse und ihres Glaubens verbal und schriftliche diskriminiert, erniedrigt und gedemütigt. Vielmehr wurden sie darüber hinaus unter Zerstörung familiärer Beziehungen aus ihren Wohnungen getrieben, in Viehwaggons gepfercht und auf Verladerampen selektiert, um anschließend entweder zu Tode malträtiert oder einer industriellen Massenvernichtung zugeführt zu werden.

Kein deutsches Unternehmen, das internationale Geschäftsbeziehungen pflegt, kann es sich erlauben, hinsichtlich ihres Geschäftsgebarens oder der Vorgehensweise ihres Führungspersonals mit der NS-Terrorherrschaft in Verbindung gebracht zu werden. Gerade was das Ansehen in angelsächsischen Ländern und im Land Israel anlangt, sind die hiermit verbundenen Nachteile offensichtlich.

Es hätte für die Klägerin aufgrund ihrer Bildung und ihres selbst in Anspruch genommenen internationalen Formats naheliegen müssen, zur Wiederherstellung des Vertrauens in ihre Person die von ihr getätigten Äußerungen zurückzunehmen und sich um Wiedergutmachung zu bemühen.

Stattdessen hat sie der Beklagten vorgeworfen, ihr zu Unrecht Holocaustverharmlosung zu unterstellen, und erstattet Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Beklagten. Damit schafft man keine Vertrauensbasis für eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit, denn hierdurch wird die Erkenntnis eigenen Fehlverhaltens gerade nicht zum Ausdruck gebracht.

Ebenso wenig durch den offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den die Klägerin auf ihre Homepage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte. Dort sieht sie sich im Zusammenhang mit dem Judenvergleich „von S… öffentlich verleumdet“ und betrachtet dies „seitens S… als Rufmord“, ohne zu der Erkenntnis zu gelangen, dass gerade ihr Judenvergleich selbiges zum Inhalt hat. In dem Brief befindet sich auch die Verbindung mit dem Vorwurf angeblicher Holocaustverharmlosung die Passage:

„S. hält an dem Vorwurf fest, um die Ressentiments in der Gesellschaft zum einen gegen Menschen von Migrationshintergrund noch anzuheizen, und zum anderen die Deutschen zum Zorn zu reizen und das alles auf Kosten meiner Person, um dadurch die Öffentlichkeit vom tatsächlichen Geschehen, nämlich unwirksamer Kündigung durch S. und jahrelangem Mobbing abzulenken“.

Damit erneuert die Klägerin den Vorwurf gegenüber ihrer Arbeitgeberin, Ausländerfeindlichkeit zu schüren und nationalistische Aktionen zu fördern. Dies stellt dasselbe das Ansehen der Beklagten herabwürdigende Verhalten dar, wie der Juden- und Mafiavergleich zuvor. Solche verbalen Rundumschläge sind geeignet, das letzte Vertrauen in eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zu beseitigen. Selbst wenn sie die Mobbingvorwürfe der Klägerin in den Parallelverfahren erweisen, rechtfertigt dies nicht im Rahmen der Wahrnehmung eigener Interessen die Reputation der Arbeitgeberin in der Öffentlichkeit auf derartige Weise zu schädigen. Die Mobbingvorwürfe der Klägerin beziehen sich auf regional tätige einzelne Vorgesetzte. Sie sind nicht geeignet, ohne konkreten weiteren Sachvortrag über das Verhalten von Vorstandsmitgliedern oder Repräsentanten der Beklagten, in der Öffentlichkeit solch pauschale Werturteile über die Unternehmenskultur in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Die verbal ausfallende Kritik der Klägerin schließt auch den bei der Beklagten bestehenden örtlichen Betriebsrat mit ein, dem sie in ihrer E-Mail vom 23.04.2009 „dämliches Verhalten“ vorwirft (Bl. 1206 d. A.) und in dem weiteren E-Mail vom 31.08.2009 der Begünstigung von Machtmissbrauch und der Billigung offensichtlicher Gesetzesverstöße. Letzteres E-Mail schließt die Kläger ab „mit dem Anlass entsprechenden Grüßen diesmal von Goethe mit einem Götz-Zitat“ (Bl. 1198 - 1203 d. A.).

Der Klägerin gelingt es auch in dem vorliegenden Berufungsverfahren nicht, von ihrem „Angriffsmodus“ abzukehren und bei der Beklagten den Eindruck zu fördern, die Konflikte mit Vorgesetzten in der Vergangenheit ließen sich wieder so in den Griff bekommen, dass eine Zusammenarbeit mit diesen oder anderen Vorgesetzten auf emotionsloser Basis unter Wahrung des Betriebsfriedens möglich sein wird. Diesbezüglich sieht die Beklagte zu Recht die Gefahr, dass es erneut bei irgendeiner auftretenden Konfliktsituation zu ähnlichen verbalen Überreaktionen der Klägerin kommt und sich damit die unhaltbare Situation perpetuiert, zumal hierdurch auch das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit tangiert wird.

In diesem Zusammenhang braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob es noch mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen in Einklang zu bringen ist, wenn im vorliegenden Rechtsstreit der Beklagten vorgeworfen wird, zum Nachweis der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats Unterlagen zu manipulieren und einen Prozessbetrug zu versuchen.

Das von der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung gezeigte Verhalten lässt nicht erwarten, dass künftige Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder auftreten können, in der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen werden. Das bisherige verbal nicht mehr zu akzeptierende und impulsive Verhalten der Klägerin lässt befürchten, dass eine dem Betriebszweck dienliche Fortsetzung ausgeschlossen ist und davon ausgegangen werden muss, dass es auch künftig zu vergleichbaren Verhaltensweisen der Klägerin kommen wird.

d) Die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat gemäß § 9 Abs. 2 KSchG zum 30.06.2009 zu erfolgen, dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Es bestehen auch bei einem längeren Rechtsstreit der Parteien und einer Antragstellung erst in der Berufungsinstanz keine rechtlichen Bedenken an der Rechtswirksamkeit dieser gesetzlichen Sonderregelung. Sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch das Bundesverfassungsgericht haben die Vereinbarkeit dieser gesetzlichen Sonderregelung mit Art. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 und 20 Abs. 3 GG geprüft und bejaht (vgl. KR-Spilger, § 9 KSchG Rz. 13 a, m. w. N.).

Dem erkennenden Gericht steht hinsichtlich der Festsetzung des Auflösungszeitpunktes (z. B. Bestimmung eines späteren Zeitpunktes) kein Gestaltungsspielraum zu. Es ist nicht befugt, bei der Festsetzung des Auflösungszeitpunktes Billigkeitserwägungen anzustellen (vgl. KR-Spilger, a. a. O. Rz. 31; m. w. N.)

e) Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht deshalb zurückzuweisen, da sie die Auflösungsgründe treuwidrig herbeigeführt und provoziert hat, um damit eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit als aussichtslos darstellen zu können. Insoweit stellt sich der Antrag nicht als rechtsmissbräuchlich dar.

Die Beklagte hat vielmehr durch ihr Schreiben vom 03.04.2009 der Klägerin hinreichend deutlich vor Augen geführt, dass sie einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit ihren Vorgesetzten leisten müsse und verbal überzogene Angriffe zu unterlassen habe. Ebenso deutlich wurde der Klägerin vor Augen geführt, dass es die Beklagte nicht dulden würde, dass ihr Geschäftsgebaren und ihr Umgang mit Mitarbeitern in die Nähe nationalsozialistischen Unrechts und mafiöser Verhaltensweise gerückt werden.

Die Beklagte hat der Klägerin ausreichend Gelegenheit gegeben, ihr bisheriges Verhalten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und in Zukunft Äußerungen - vor allem in der Öffentlichkeit - zu unterlassen, die darauf gerichtet sind, dem Ansehen der Beklagten schaden und den Betriebsfrieden beeinträchtigen.

Dies hat indes nicht dazu beigetragen, die Klägerin vor weiteren negativen Äußerungen in der Öffentlichkeit abzuhalten und die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Beklagten weiter zu belasten.

f) Der Auflösungsantrag verbietet sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin meint, sich mit ihren Äußerungen gegen Mobbingattacken von Vorgesetzten verteidigen zu müssen.

Selbst wenn sich die Klägerin in ihrer Geschlechterrolle, wegen ihrer Herkunft oder ihres Glaubens gemäß den §§ 1, 3, 7 AGG diskriminiert fühlen durfte, rechtfertigt dies nicht, das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit wie geschehen zu beeinträchtigen. Auch bei Beschwerden gegen behauptete Mobbinghandlungen einzelner Vorgesetzter und den angemessenen Reaktionen hierauf sind die berechtigten Belange der Arbeitgeberin zu wahren. Insoweit verbieten sich ungerechtfertigte Angriffe in der Öffentlichkeit, die darauf zielen, das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit herabzusetzen, und geeignet sind, die Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen zu zerstören.

Für die erkennende Kammer bestand insofern keine Veranlassung, in der Vorgehensweise der Klägerin eine noch berechtigte Reaktion im Rahmen der Bestimmungen des AGG und der ihm zugrunde liegenden europarechtlichen Vorgaben zu sehen. Für die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs fehlt somit jeglicher Ansatz.

g) Die Berufungskammer hält in Ausübung ihres Ermessens eine Abfindung gemäß § 10 KSchG in Höhe von EUR 37.600,-- brutto für angemessen. Dieser Betrag entspricht acht Bruttomonatseinkommen der Klägerin.

Hierbei hat die Kammer die Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses, das Lebensalter der Klägerin und ihre Unterhaltspflichten gegenüber drei Kindern berücksichtigt. Des Weiteren den Umstand, dass die Klägerin aufgrund der Konflikte am Arbeitsplatz und des mehrjährigen Rechtsstreits erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt war. Es wurde andererseits aber auch berücksichtigt, dass trotz Vorgaben der Beklagten, die einer Deeskalation dienen sollten, die Klägerin durch ihr Verhalten die wesentlichen Auflösungstatsachen geschaffen hat. Damit hat sich die Festsetzung eines höheren Abfindungsbetrages nicht gestellt und wird der gerichtlich festgesetzte Betrag als ausreichend angesehen, die Klägerin und ihre Familie angemessen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen.

Der von der Beklagten vergleichsweise angebotene Abfindungsbetrag von EUR 60.000,-- stellt keinen Mindestbetrag für die gerichtlich festzusetzende Abfindung dar. Der Klägerin ist es nämlich gerade nicht darauf angekommen, die gerichtliche Auseinandersetzung im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden.

3. Wegen der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses steht der Klägerin keine Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu.

Ein qualifiziertes Endzeugnis hat sie unter dem Datum 30.06.2009 bereits erhalten (Kopie Bl. 386, 387 d. A.).

4. Die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung ihrer Klage auf tatsächliche Weiterbeschäftigung ist sachlich nicht begründet.

Wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30.06.2009 steht der Klägerin über diesen Zeitpunkt hinaus kein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu.

III.

1. Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

2. Im Hinblick auf die erforderliche Transparenz einer Aufforderung zur Wiederherstellung der Vertrauensbasis, der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats und der Zulässigkeit und Begründetheit einer beantragten gerichtlichen Auflösung wird im vorliegenden Rechtsstreit über den Einzelfall hinausgehende rechtliche Bedeutung beigemessen und deshalb die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver
Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13 zitiert 24 §§.

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

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Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

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Strafgesetzbuch - StGB | § 186 Üble Nachrede


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 530 Verspätet vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel


Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

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Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 06.11.2013, Az.: 2 Ca 5556/13, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. 3. Die

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(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2008 - 5 Sa 174/05 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über den Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

2

Der im März 1940 geborene Kläger war seit 1. Dezember 1993 bei der Beklagten als Leiter des Rechts- und Ordnungsamts beschäftigt. Bei seinem Dienstantritt führte die Beklagte eine rechtliche Auseinandersetzung mit der R GmbH. Im Streit standen Verpflichtungen aus einem „Gestattungsvertrag“, der wechselseitige Ansprüche aus dem Betrieb von Bräunungsanlagen(Solarien) regelte, die in einem Hallenbad der Beklagten aufgestellt worden waren. Am 13. Dezember 1993 schrieben die von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte an die R GmbH, hinsichtlich des bestehenden Gestattungsvertrags sei entschieden worden, diesen unverändert bis zu seiner Beendigung fortzuführen. Eine Vertragsverlängerung komme nicht in Betracht. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1993 nahm die R GmbH „das Angebot“ an. Am selben Tag kündigte der Kläger in Unkenntnis der vorstehenden Erklärungen namens der Beklagten den Gestattungsvertrag „vorsorglich fristlos“. Die R GmbH verklagte daraufhin die Beklagte beim Landgericht Koblenz auf Zahlung von Erlösen aus dem Betrieb der Bräunungsanlagen in Höhe von knapp 68.000,00 DM. In dem Rechtsstreit ließ sich die Beklagte durch andere Rechtsanwälte vertreten. Der Kläger wurde mit der internen Bearbeitung des Vorgangs beauftragt. Mit Schreiben vom 16. August 1994 legte er gegenüber den neu beauftragten Anwälten seine Auffassung zur Rechtslage dar. Im Dezember 1994 legten diese das Mandat nieder. Zur Begründung beriefen sie sich auf divergierende Rechtsauffassungen zwischen ihnen und dem Kläger sowie die Nichtzahlung eines angeforderten Vorschusses. Der Kläger schaltete nunmehr andere Rechtsanwälte ein. Im März 1995 unterrichtete er den inzwischen neu gewählten Oberbürgermeister über den Fortgang des Verfahrens und einen zu erwartenden ungünstigen Prozessausgang in erster Instanz.

3

Am 3. August 1995 gab das Landgericht der Klage der R GmbH weitgehend statt. Das Urteil wurde den Prozessvertretern der Beklagten laut deren Empfangsbekenntnis am 7. August 1995 zugestellt. Mit „Hausbrief“ vom 30. August 1995 unterrichtete der Kläger den Oberbürgermeister über den Sachstand und empfahl unter Hinweis auf die am 7. September 1995 ablaufende Rechtsmittelfrist, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen. Mit Schreiben vom 5. September 1995 meldete er gegenüber den erstbeauftragten Rechtsanwälten, wie ebenfalls in seinem „Hausbrief“ empfohlen, Regressansprüche der Beklagten an. Außerdem fertigte er einen - vom Oberbürgermeister gebilligten - Entwurf für eine Klage gegen die als zweite beauftragten Rechtsanwälte, mit der das an diese bereits geleistete Honorar zurückgefordert werden sollte.

4

Mit Schreiben vom 11. September 1995 beanstandete der Kläger gegenüber einer Bürgerin deren Verhalten gegenüber einem Vollzugsbediensteten der Beklagten. Er kündigte an, bei erneuter Missachtung eines Halteverbots „über die Führerscheinstelle prüfen zu lassen“, ob sie die charakterliche Eignung „für die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr“ noch besitze. Auf eine Beschwerde der Betroffenen erteilte die Beklagte dem Kläger am 10. Oktober 1995 eine Ermahnung, mit der sie seine Ausführungen als überzogen beanstandete. Mit einer weiteren Ermahnung vom selben Tag hielt sie dem Kläger vor, einen ihm unterstellten Bediensteten weisungswidrig nicht als Sachgebietsleiter für Gewerbeangelegenheiten eingesetzt zu haben.

5

Am 11. Oktober 1995 erstellten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine gutachterliche Stellungnahme zu den Rechtsmittelaussichten in Sachen RML GmbH und dem Vorgehen des Klägers in dieser Angelegenheit. Sie veranlasste die Beklagte, ihre gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz eingelegte Berufung zurückzunehmen.

6

Durch „Hausbrief“ vom 12. Oktober 1995 und ergänzende mündliche Unterrichtung leitete die Beklagte gegenüber dem Personalrat das Mitwirkungsverfahren zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers ein. Am 19. Oktober 1995 äußerte der Personalrat Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 1995. Sie berief sich auf Schlechtleistungen des Klägers im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Falls R GmbH. Mit Schreiben vom 3. November 1995 entzog sie ihm mit sofortiger Wirkung seine Befugnisse als Amtsleiter und forderte ihn auf, diese Anordnung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Dienststelle bekannt zu geben.

8

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31. Dezember 1995 aufzulösen.

9

Mit Urteil vom 19. Februar 1999 hat das Arbeitsgericht der Klage ua. mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zugleich hat es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt und ihren Auflösungsantrag abgewiesen.

10

Mit ihrer Berufung hat sich die Beklagte nur noch gegen ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers und gegen die Abweisung ihres Auflösungsantrags gewandt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2000(- 10 Sa 247/99 -) der Berufung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags stattgegeben, wegen des Auflösungsantrags hat es sie zurückgewiesen. Auf die nur für die Beklagte zugelassene Revision hat der Senat am 27. September 2001 (- 2 AZR 389/00 -) dieses Urteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den Auflösungsantrag an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

11

Mit Urteil vom 4. September 2003(- 10 Sa 104/02 -) hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen hat es eine Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser ua. (erstmals) begehrt hatte festzustellen, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO unwirksam ist und(erneut) beantragt hatte, die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung zu verurteilen. Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2005 das Berufungsurteil wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

12

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Auflösungsantrags geltend gemacht, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten gewesen. Der Kläger habe bei der Bearbeitung der Sache R GmbH seine Befugnisse als Amtsleiter überschritten und sei weiterhin nicht willens, dies einzugestehen. Er vertrete selbst abstruse Rechtsansichten kompromisslos. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Dialogfähigkeit und eine objektive Würdigung gegenteiliger Rechtspositionen voraussetze, sei angesichts seiner „an Verblendung grenzenden Selbstherrlichkeit“ ausgeschlossen. Beleg für seine Uneinsichtigkeit seien auch mehrere Ablehnungsgesuche gegenüber verfahrensbeteiligten Richtern, die der Kläger stets dann angebracht habe, wenn deutlich geworden sei, dass diese seine Rechtsansichten nicht teilten. Dadurch habe er sich für die Tätigkeit eines beratenden Juristen in der öffentlichen Verwaltung als ungeeignet erwiesen. Zudem sei das Vertrauensverhältnis zur Dienststellenleitung und anderen Mitarbeitern ihrer Verwaltung irreparabel zerstört. Der Kläger habe die Weisungsbefugnis ihres früheren Oberbürgermeisters in Frage gestellt und sich illoyal verhalten, als er im November 1995 eine „Petition“ mit teils beleidigendem Inhalt unter Umgehung des Dienstwegs - unstreitig - unmittelbar einzelnen Stadträten zugeleitet habe. Außerdem habe er den Oberbürgermeister laut eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1997 öffentlich angegriffen, indem er - unstreitig - bei einer Veranstaltung geäußert habe, die Stadträte sollten sich vom Oberbürgermeister nicht „mit fünf Worten abspeisen lassen“, sondern ggf. Akteneinsicht verlangen. Mit seiner schriftsätzlichen Äußerung: „… Die Verletzung einer Verhaltensnorm der SächsGemO ist ebenso ein Bruch des geschriebenen Rechts wie die Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht oder das Entleeren von Fäkalien in ein Gewässer“ habe er den Oberbürgermeister sogar einer Straftat bezichtigt. Hinzu kämen außergerichtliche Schreiben des Klägers aus den Jahren 2005 und 2006, mit denen er versucht habe, Druck auf sie auszuüben. Sie enthielten ehrenrührige Behauptungen über ihren amtierenden Oberbürgermeister. Mit Verweis auf einen auf den 6. August 1995 datierten „Hausbrief“ habe der Kläger ferner wider besseres Wissen behauptet, den damaligen Oberbürgermeister bereits vor dem 30. August 1995 über das erstinstanzliche Obsiegen der R GmbH informiert zu haben. Er habe dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Frage stellen wollen. Dies sei als versuchter Prozessbetrug zu werten.

13

Die Beklagte hat zuletzt beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31. Dezember 1995 aufzulösen.

14

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Begehren scheitere schon daran, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam sei. Insbesondere habe die Beklagte es entgegen § 28 Abs. 3 SächsGemO versäumt, das im Fall einer Entlassung von Gemeindebediensteten zwingend erforderliche Einvernehmen mit dem Stadtrat herzustellen. Außerdem fehle es an einer objektiv ausreichenden Unterrichtung des Personalrats über die Kündigungsgründe; der Grundsatz der subjektiven Determiniertheit finde im Bereich der öffentlichen Verwaltung keine Anwendung. Die Kündigung sei zudem sittenwidrig. Ebenso wenig lägen Auflösungsgründe vor. Die ins Persönliche gehenden Beschimpfungen im Zusammenhang mit seiner beratenden Tätigkeit in Sachen R GmbH entbehrten jeder Grundlage. Mangels Rückfragen des Oberbürgermeisters zu seinen schriftlichen Ausführungen habe er davon ausgehen dürfen, dass kein weiterer Beratungsbedarf bestanden habe. Dem Hausbrief vom 30. August 1995 seien inhaltsgleiche Briefe vom 6. August 1995 an den Oberbürgermeister und an den Verwaltungsausschuss vorangegangen. Der Vorwurf des Prozessbetrugs sei unberechtigt.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Wege der Anschlussrevision hat er ferner den Antrag angekündigt, das Berufungsurteil möge „insoweit abgeändert (werden), als im Tenor der mit dem Berufungsantrag verfolgte Auflösungsantrag nach KSchG § 9 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er beantragt, den Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

17

A. Der Senat ist nicht an einer Überprüfung des Berufungsurteils gehindert. Der Einwand des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Revision zu Unrecht zugelassen, ist unbeachtlich. Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden(§ 72 Abs. 3 ArbGG).

18

B. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht zurückgewiesen. Ihr Auflösungsantrag ist unbegründet. Es liegen keine Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur mangels sozialer Rechtfertigung, sondern auch aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.

19

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

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1. Eine Auflösung scheitert nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - unstreitig - bereits beendet war.

21

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis - sollte es nicht durch eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. November 1995 schon zum 31. März 1996 aufgelöst worden sein - spätestens mit Ablauf des 31. März 2005 geendet hat. Der Kläger, der im März 2005 sein 65. Lebensjahr vollendete, ist mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand getreten und bezieht seither Regelaltersrente.

22

b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung - hier der 31. Dezember 1995 - geendet hätte. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat. Andernfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden(BAG 20. März 1997 - 8 AZR 769/95 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 85, 330). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1995 geendet.

23

c) Hat das Arbeitsverhältnis zwar erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen(BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362; Senat 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 2 a der Gründe, RzK I 11a Nr. 16). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken (BAG 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

24

d) An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat(vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 88; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. 2010 Rn. 2102; aA Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 28), hält der Senat auch in Anbetracht der im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken fest.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht meint, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einer Entscheidung über den Auflösungsantrag fehle es schon deshalb an Auflösungsgründen, weil eine Zusammenarbeit der Parteien, anders als § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorausgesetzt, in keinem Fall mehr „zu erwarten“ sei. Die Auffassung des Senats sei mit der Zukunftsbezogenheit des Auflösungsantrags nicht vereinbar und führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung. Werde über den Auflösungsantrag noch kurz vor der Beendigung entschieden, sei ein Prognosezeitraum von ggf. nur wenigen Tagen zugrunde zu legen. Demgegenüber komme es bei einer Entscheidung nach dem Beendigungszeitpunkt ggf. auf einen Zeitraum von mehreren Jahren an.

26

bb) Dieser Einwand überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass gerade der Ausschluss einer Auflösungsmöglichkeit wegen anderweitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unbilligen Ergebnissen führen kann. So bliebe der Arbeitgeber auch bei Vorliegen von Auflösungsgründen grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 615 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gehalt zu zahlen, während er andernfalls lediglich eine Abfindung in den Höchstgrenzen des § 10 KSchG zu zahlen hätte. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann der Wegfall eines berechtigten Abfindungsanspruchs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Dies könnte eine an der Vereitelung der Auflösung interessierte Partei dazu verleiten, den Prozess, soweit dies in ihrer Macht steht, über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verzögern, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen(vgl. Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - zu I 1 der Gründe, BAGE 17, 46). Dem kann durch die vom Senat bevorzugte Lösung begegnet werden. Sie trägt überdies dem gesetzlichen Sanktionszweck der nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung Rechnung(vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5) und entspricht der Methodik des Schadenersatzrechts (Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - aaO; Tschöpe FS Schwerdtner 217, 242 f.).

27

2. Gleichwohl war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner das Urteil selbstständig tragenden(Hilfs-)Begründung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, auch bei einem Prognosezeitraum vom 1. Januar 1996 (Ablauf der Kündigungsfrist) bis zum 31. März 2005 (spätestes Ende des Arbeitsverhältnisses) fehle es an Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

28

a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

29

b) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).

30

c) Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich von ihnen nicht distanziert (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).

31

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte ist auch auf der Rechtsanwendungsebene zu gewährleisten, wenn im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen grundrechtlich geschützte Positionen berührt werden(BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 2008, 2424). Deshalb sind bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - zu II 2 a aa der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 92, 266). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre(Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - mwN, aaO; BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13).

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Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör(Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO).

33

d) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat(vgl. Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

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aa) Zu Recht hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Prüfung solcher Umstände beschränkt, die bis zum 31. März 2005 eingetreten waren. Erklärungen des Klägers, die dieser nach Beginn seines Ruhestands abgegeben hat, oder ihm insoweit zuzurechnende Äußerungen seiner Ehefrau sind ungeeignet, den Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen. Das folgt daraus, dass die Begründetheit des Antrags in Fällen wie dem vorliegenden aus der Sicht des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen ist. Damit wäre eine - selbst eine nur unterstützende - Heranziehung von Vorfällen, die sich erst später ereignet haben, unvereinbar. Hinzu kommt, dass eine Verletzung nachvertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten wegen einer nach Vertragsende veränderten Pflichtenstruktur keine sicheren Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer gedeihlichen, an den Betriebszwecken orientierten Zusammenarbeit in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis zuließe.

35

bb) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die interne Bearbeitung des Rechtsstreits mit der R GmbH der Beklagten keinen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gab.

36

(1) Der Beklagten war es nicht schon verwehrt, zur Begründung ihres Auflösungsantrags auf solche Umstände zurückzugreifen, die sie zur Rechtfertigung ihrer sozial ungerechtfertigten Kündigung vom 24. Oktober 1995 angeführt hatte. Derartige Sachverhalte können jedenfalls dann zur Begründung eines Auflösungsantrags herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sich - wie hier - auch noch auf weitere Tatsachen beruft(Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 626 Nr. 218).

37

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers in Teilen als vertragswidrig angesehen. So hat es angenommen, der Kläger habe vor Kündigung des Gestattungsvertrags mit der R GmbH Rücksprache mit den bereits beauftragten Rechtsanwälten halten müssen. Außerdem habe er seine Kompetenzen überschritten, als er anschließend Rechtsanwälte selbst mandatiert habe. Ferner habe er den Oberbürgermeister verspätet über das Urteil des Landgerichts vom 3. August 1995 unterrichtet und in seinem „Hausbrief“ Bedenken des Gerichts gegen die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht hinreichend Rechnung getragen.

38

(3) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass solcherart Pflichtverletzungen einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien deshalb nicht entgegenstanden, weil sie sich durch geeignete Weisungen der Beklagten hätten steuern lassen.

39

(4) Auch der vom Kläger in Sachen R GmbH eingenommene Rechtsstandpunkt als solcher und die Konsequenz, mit der der Kläger ihn vertreten hat, sind kein Auflösungsgrund. Die von der Beklagten beauftragten Gutachter haben in ihrer Stellungnahme die Rechtslage als „kompliziert“ bezeichnet und gemeint, die Auffassung des Klägers könne jedenfalls nicht als „völlig abwegig“ bezeichnet werden. Das hat das Berufungsgericht mit nachvollziehbaren Argumenten ebenso gesehen. Die Erhebung einer Klage auf Rückzahlung von Honorar gegen die zweitbeauftragten Rechtsanwälte war nicht völlig fernliegend. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass diese bei Mandatsniederlegung ihren Vorschuss bereits erhalten hatten. Ein „überzogenes Vorgehen“ des Klägers kann ebenso wenig in der Erhebung von Schadensersatzforderungen gegenüber den ursprünglich beauftragten Rechtsanwälten gesehen werden. Immerhin war deren Schreiben vom 13. Dezember 1993 ein Grund, der aus Sicht des Landgerichts Koblenz zum Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit mit der R GmbH führte. Zudem waren die betreffenden Schritte mit dem Oberbürgermeister der Beklagten abgestimmt.

40

cc) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war nicht mit Rücksicht auf das sonstige Verhalten des Klägers geboten. Zwar hat das Berufungsgericht dieses Verhalten als teilweise unverhältnismäßig, beleidigend oder illoyal qualifiziert. Auch hat es erkannt, dass es nicht ohne jede Auswirkung auf die Zusammenarbeit der Parteien im Prognosezeitraum geblieben wäre. Dennoch durfte es davon ausgehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls - etwa des teilweise fehlenden Bezugs zur Tätigkeit des Klägers und des Umstands, dass der Konflikt durch ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Beklagten selbst mit hervorgerufen worden war - zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätten zurückfinden können.

41

(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Schreiben des Klägers vom 11. September 1995 an eine Bürgerin sei unangemessen und überzogen gewesen. Ferner sei es als Ausdruck einer illoyalen Haltung gegenüber dem Oberbürgermeister zu bewerten, dass der Kläger zwar ständig seine Verpflichtungen gegenüber Stadtrat und Gemeinde betont, bei seiner Anhörung durch den Personalrat aber erklärt habe, Weisungen des Oberbürgermeisters nur unter dem Vorbehalt ihrer gerichtlichen Prüfung befolgen zu wollen. Entsprechendes gelte für die Äußerungen des Klägers, mit denen er in einem Zeitungsartikel zitiert worden sei. Es sei überzogen und unsachlich, wenn er das Vorgehen des Oberbürgermeisters mit dem Wort „abspeisen“ würdige und durch den Hinweis auf ein Verlangen nach Akteneinsicht Misstrauen säe. Auch habe er durch die Nichtbeachtung des Verwaltungswegs bei Einreichung seiner Petition im November 1995 versucht, über die Mitglieder des Stadtrats in unlauterer Weise Druck auf die Verwaltung auszuüben. Unangemessen seien seine Ausführungen, mit denen er den dem Oberbürgermeister angelasteten Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO ohne Not mit Straftaten verglichen habe. Das belege, dass der Kläger nicht immer das rechte Maß finde, angemessen auf möglicherweise zu Recht von ihm beanstandete Situationen zu reagieren. Aus seinem Prozessverhalten, insbesondere der Begründung von Ablehnungsgesuchen gegenüber zuständigen Richtern aus dem März und Mai 2003 werde seine Eigenschaft deutlich, einem Anliegen in unverhältnismäßiger, teils aggressiver und beleidigender Art Ausdruck zu verleihen.

42

(2) Ob diese Würdigung dem Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung(Art. 5 Abs. 1 GG) und/oder seinem Petitionsrecht (Art. 17 GG und Art. 35 SächsVerf iVm. § 12 SächsGemO) ausreichend Rechnung trägt, kann dahinstehen. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, musste das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben.

43

(a) Das fragliche Schreiben vom 11. September 1995 hat die Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger eine Ermahnung auszusprechen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass dieser Vorfall aus ihrer Sicht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen steht. Äußerungen des Klägers anlässlich prozessualer Ablehnungsgesuche hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen. Das gilt ebenso für eine in der rechtlichen Argumentation des Klägers mitschwingende „Überheblichkeit“. Aus der Art und Weise der Prozessführung eines als beratender Jurist beschäftigten Arbeitnehmers in einem eigenen Kündigungsrechtsstreit lässt sich nicht ohne Weiteres auf dessen Auftreten in Rechtsstreitigkeiten schließen, die er für seinen Arbeitgeber zu führen hat. Umstände, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Das Landesarbeitsgericht hat sich - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - auch mit einem Brief des Klägers an die Prozessbevollmächtigten in Sachen R GmbH auseinandergesetzt und - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre - gemeint, ihm komme kein zu verallgemeinerndes Gewicht zu. Auch die Vielzahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten und der Vorwurf der Revision, der Kläger habe selbst in aussichtsloser Lage Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vorinstanzen eingelegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es steht dem Kläger frei, den Rechtsweg auszuschöpfen.

44

(b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, zu Lasten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass diese mit der Kündigung und den sie begleitenden Umständen maßgeblich zu den Spannungen zwischen den Parteien beigetragen habe, ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass es dem Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf von ihm selbst herbeigeführte Auflösungsgründe zu berufen(vgl. Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 234/04 - zu II 2 e aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 51; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56, 59). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung - auch im Hinblick auf die umfangreichen Unterhaltspflichten des Klägers - als „rigide“ bewertet und dies damit begründet hat, weder habe der Kläger Kritik hinsichtlich seiner beratenden und prozessbegleitenden Tätigkeit erfahren, noch sei ihm ausreichend Gelegenheit zur Verhaltensänderung gegeben worden. Auch die Würdigung, in der Entbindung des Klägers von seiner Stellung als Amtsleiter liege eine unverhältnismäßige Reaktion, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere angesichts des Verlangens, der Kläger möge seine Absetzung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Verwaltung bekannt geben. Zu Unrecht rügt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht sei hinsichtlich dieser Erwägung der Verpflichtung zur Neubewertung des Sachverhalts nach der Aufhebung seines ersten Urteils durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof nicht ausreichend gerecht geworden. Auch wenn es Passagen aus dem aufgehobenen Urteil zu großen Teilen wörtlich wiederholt und lediglich eine vom Verfassungsgerichtshof bemängelte Passage ausgelassen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es habe den Sachverhalt keiner erneuten und eigenständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Übrigen hat auch die Beklagte den Rechtsstreit nicht mit der gebotenen Sachlichkeit geführt, soweit sie dem langjährig als Rechtsanwalt tätigen Kläger die fachliche Kompetenz abgesprochen und behauptet hat, er habe im Rechtsstreit mit der R GmbH „abstruse“ Rechtsauffassungen vertreten.

45

(c) Die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auf das Verhalten des Klägers durch eindeutige Regelungen und sachliche Anweisungen steuernd einzuwirken, sei durchaus eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu erwarten gewesen, ist vertretbar. Ihr steht nicht entgegen, dass es bestimmte Verhaltensauffälligkeiten des Klägers dessen Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat. Darin läge allenfalls dann ein Widerspruch, wenn es von einer mangelnden Steuerbarkeit des beanstandeten Verhaltens ausgegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Ebenso wenig kann den Äußerungen des Klägers zum Weisungsrecht des Oberbürgermeisters entnommen werden, er sei nicht(mehr) gewillt, diese zu befolgen. Seine Äußerung, er werde künftige Weisungen ggf. gerichtlich überprüfen lassen, war erkennbar durch die unerwartete Konfrontation mit der Kündigungsabsicht der Beklagten bedingt und berechtigt nicht zu der Annahme, er werde sich auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eindeutigen Regelungen und Anweisungen verschließen. Das entsprach im Übrigen der Einschätzung des Personalrats, der die Äußerung und Begleitumstände unmittelbar wahrgenommen hatte.

46

dd) Das Landesarbeitsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen oder fehlerhaft gewichtet.

47

(1) Zu Unrecht rügt die Revision, es habe sich nicht mit der Beleidigung eines seinerzeit zuständigen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt. Die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ist nicht zu erkennen.

48

(2) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine im Schriftsatz des Klägers vom 10. April 2003 enthaltene Äußerung über ihren Oberbürgermeister übergangen, derzufolge dieser „seine Kommunalerfahrung in einem Rechtssystem erworben hatte, bei dem die sogenannte sozialistische Gesetzlichkeit eine Nachgiebigkeit des Rechts für politische Ziele erforderte“, hat sie es versäumt darzulegen, wann und wo sie diese Äußerung zum Gegenstand ihres Auflösungsbegehrens gemacht hatte.

49

(3) Auf Äußerungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. April 2006 und in einer Eingabe an den Regierungspräsidenten vermag die Beklagte ihren Auflösungsantrag schon deshalb nicht zu stützen, weil sie die Zeit nach dem 31. März 2005, dem Ende des Prognosezeitraums, betreffen.

50

(4) Das Landesarbeitsgericht hat nicht den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG als einer neben § 626 BGB bestehenden Lösungsmöglichkeit des Arbeitgebers verkannt, soweit es dem am 16. März 2005 verfassten Schreiben des Klägers wegen der alsbaldigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr beigemessen hat. Das Schreiben war unmittelbar an den amtierenden Oberbürgermeister gerichtet. Eine Außenwirkung kam ihm nicht zu. Der Kläger befasste sich darin überwiegend mit aus seiner Sicht vorliegenden Amtspflichtverletzungen des Amtsvorgängers. Eine Mitverantwortung des Adressaten stellte er allenfalls unter dem Aspekt unterbliebener Mitarbeiterverantwortung „in den Raum“. Anders als die Beklagte meint, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, das Schreiben habe sie trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes des Arbeitsverhältnisses zu einer fristlosen Kündigung berechtigt und müsse daher erst recht als Auflösungsgrund taugen.

51

Unschädlich ist, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob die Äußerungen des Klägers sein vorangegangenes Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Kläger hat das Schreiben mit dem Hinweis darauf eingeleitet, dass er „am letzten Tag, an dem mich der Arbeitsvertrag den Bürgern dieser Stadt zum Einsatz für das Gemeinwohl verpflichtet, … das Résumée ziehen (könne)“. Dies spricht dafür, dass er sich seiner Mäßigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus bewusst war und sie auch bei tatsächlicher Beschäftigung beachtet hätte.

52

(5) Ein Auflösungsgrund ergibt sich ebenso wenig aus dem Vorbringen des Klägers zur Erstellung des „Hausbriefs“ vom 30. August 1995, von dem er unter Vorlage einer bereits auf den 6. August 1995 datierten Ausfertigung behauptete, ihn schon Anfang August dem Oberbürgermeister zugeleitet zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, insoweit fehle es an hinreichenden Indiztatsachen für einen vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Klägers. Dem Gericht sei aus eigener Erfahrung bekannt, dass es seinerzeit(1995) bei der Verwendung einer bestimmten, auch von der Beklagten genutzten Software häufig zu programmtechnisch bedingten Fehlern bei Formatierungen und Datierungen gekommen sei. Dem Kläger habe - zumal sehr viel später - die (richtige) Datierung des Briefs auf den 30. August 1995 nicht mehr bewusst sein müssen. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe diesen Gesichtspunkt nur nach einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis berücksichtigen dürfen, ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Juni 2006 auf mögliche programmtechnische Fehler bei der automatischen Erzeugung des Datums im „Hausbrief“ berufen hatte, ohne dass sie dem entgegen getreten wäre. Unter diesen Umständen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Landesarbeitsgericht das klägerische Vorbringen mit eigenem Wissen vergleicht. Seine Würdigung lässt nicht erkennen, dass es dabei die ausdrückliche Behauptung des Klägers, das Dokument am 6. August 1995 und nicht erst am 30. August 1995 erstellt zu haben, übergangen hätte. Es brauchte in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens der Parteien einzugehen, zumal die Behauptung des Klägers einen Irrtum auf seiner Seite nicht ausschließt. Die Beklagte führt im Übrigen selbst an, der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 20. August 2003 „klarstellend“ erklärt, seine Angaben zu einer „vermuteten Absendung des Hausbriefs nahe bei dem 6. August 1995“ seien „ein für Jedermann erkennbarer Irrtum“ gewesen. Der späteren Modifizierung dieses Vorbringens ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Möglichkeit eines Irrtums nunmehr gänzlich ausschließen wollte.

53

II. Fehlt es an einem Auflösungsgrund iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, kann offen bleiben, ob der Beklagten ein Auflösungsantrag überhaupt zu Gebote stand. Darauf, ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 aus sonstigen Gründen unwirksam war, wie der Kläger gemeint hat, kommt es nicht an.

54

1. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist(Senat 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Dabei führt das Vorliegen eines anderen Unwirksamkeitsgrundes iSv. § 13 Abs. 3 KSchG nicht zur Unzulässigkeit des Auflösungsbegehrens wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung. Es mangelt dem Begehren vielmehr an einer materiellen Voraussetzung des § 9 Abs. 1 KSchG wie beim Fehlen von Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte gesetzlich nicht festgelegt. Liegt nur eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG nicht vor, ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet. Einer Erörterung weiterer Voraussetzungen bedarf es dann nicht.

55

2. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger beantragt hat, die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass ihr Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ abgewiesen werde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abweisung des Auflösungsantrags aus einem bestimmten rechtlichen Grund. Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt(vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). In diesem Rahmen sind die Gerichte in der rechtlichen Beurteilung frei und nicht an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung gebunden. Im Übrigen hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits entschieden, dass die von § 28 Abs. 3 SächsGemO geforderte Herstellung des Einvernehmens mit dem Stadtrat keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gegenüber einem Gemeindebediensteten darstellt(Urteil vom 27. September 2001 - 2 AZR 389/00 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13).

56

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert.

57

I. Die Anschlussrevision stellt, obwohl nicht Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, ein Angriffsmittel dar, mit dem der Anschlussrevisionskläger eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebt (BGH 11. März 1981 - GSZ 1/80 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 80, 146). Dies setzt eine Beschwer des Anschlussrevisionsklägers durch das angefochtene Berufungsurteil voraus (zB Senat 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B IV der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu I 2 der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155; BGH 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - zu II der Gründe mwN, LM ZPO § 556 Nr. 29).

58

II. Die Beschwer eines sich gegen den Auflösungsantrag des Arbeitgebers verteidigenden Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Beschwer einer beklagten Partei gelten. Es kommt darauf an, ob das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn nachteilig ist, er also mit dem Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann(vgl. BGH 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99 - zu I 3 der Gründe mwN, BGHZ 144, 242). Das bestimmt sich allein nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH 16. April 1996 - XI ZR 302/95 - zu II 3 der Gründe, NJW-RR 1996, 828). An einer Beschwer fehlt es, wenn sich das Rechtsmittel allein gegen die Urteilsbegründung wendet und die Partei dieselbe Entscheidung nur mit einer anderen Begründung erstrebt (BGH 17. Dezember 2003 - IV ZR 28/03 - zu II 1 der Gründe mwN, NJW-RR 2004, 724; 2. Dezember 1982 - IVb ZR 638/80 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 82, 246).

59

III. Danach liegt auf Seiten des Klägers eine Beschwer nicht vor.

60

1. Der Kläger strebt zwar, wie er vor dem Senat klargestellt hat, mit der begehrten Abweisung des Auflösungsantrags als „unzulässig“ nicht etwa - zu seinen eigenen Lasten - ein bloßes Prozessurteil an. Er will vielmehr erreichen, dass das Auflösungsbegehren der Beklagten aus einem bestimmten Grund - wegen „sonstiger Unwirksamkeit“ der Kündigung vom 24. Oktober 1995 und insoweit va. wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO - abgewiesen wird. Hinsichtlich der Wirkung seiner materiellen Rechtskraft unterscheidet sich das angefochtene von dem erstrebten Urteil jedoch nicht. Die Gründe für die Abweisung eines Auflösungsantrags nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil. Noch weniger sind sie etwa im Tenor des Urteils auszusprechen. Der Kläger hat mit der Abweisung des gegnerischen Auflösungsantrags durch das Landesarbeitsgericht voll obsiegt. Mehr könnte er mit seiner Revision nicht erreichen.

61

2. Der Kläger kann eine Beschwer durch das angefochtene Urteil nicht aus der Zurückweisung seiner Anschlussberufung durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2003 herleiten. Dieses Urteil ist insoweit rechtskräftig.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 iVm. § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    K. Schierle    

                 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011, Az.: 1 Ca 1255/10, abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 zum 31.12.2010 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten gerichtlich zum 31.12.2010 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 28.800,00 brutto zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 und zweitinstanzlich noch über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zum 31.12.2010.

2

Der Kläger (geb. am … 1967, verheiratet, drei unterhaltsberechtigte Kinder) ist seit dem 05.02.1992 bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt beträgt einschließlich Prämien und Zulagen ca. € 3.200,00. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie beschäftigt in ihrem Werk in C-Stadt ca. 1.200 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat.

3

Die Beklagte hatte dem Kläger bereits am 25.04.2008 fristlos, hilfsweise zum 31.10.2008 aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der damaligen Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag (Az.: 1 Ca 898/08) mit Urteil vom 21.08.2008 stattgegeben. Die Beklagte beschäftigte den Kläger deshalb ab dem 01.09.2008 weiter. Sie setzte ihn mit seinem Einverständnis (Änderungsvereinbarung vom 28.08./ 03.09.2008) nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz als CNC-Rohrbieger, sondern in der Bauteileendbearbeitung im Bereich Sitzschienenfertigung zu einem geringeren Tarifentgelt (E 5 statt E 6 ERA) ein. Im Berufungsverfahren (Az.: 3 Sa 665/08) schlossen die Parteien am 03.03.2009 den nachfolgenden Vergleich:

4

Das Arbeitsverhältnis ist durch die auf den 28.04.2008 datierte Kündigung vom 25.04.2008 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden.

5

Seit dem 01.09.2008 richtet sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien unbefristet nach den Bestimmungen der Änderungsvereinbarung vom 28.08./03.09.2008.

6

Die Beklagte ist berechtigt, den Kläger wegen der Sachverhalte, die in der Klageerwiderung vom 11.07.2008 unter I.1. und I.3. behandelt werden, jeweils Abmahnungen zu erteilen, die mit Ablauf des 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen sind.

7

Weiter ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger eine bis zum 31.03.2010 befristete Abmahnung wegen des Sachverhalts zu erteilen, der in der Klageerwiderung unter I.2. behandelt wird.
…“

8

Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin drei Abmahnungen. Die Abmahnung vom 13.03.2009 (Bl. 302 d.A.) erfolgte wegen Täuschung bei der Dokumentation von Umrüstzeiten im Leistungslohn („Arbeitszeitbetrug“). Eine Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 301 d.A.) erfolgte wegen der Aufstellung von falschen Behauptungen über seinen Vorgesetzten Z. („Üble Nachrede“). Die dritte Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 300 d.A.) erfolgte wegen Bedrohung des Arbeitskollegen Y. („Bedrohung von Mitarbeiter“).

9

Am 22.01.2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung (Bl. 69 d.A.) mit der Begründung, der Kläger habe sich beharrlich geweigert, der Aufgabenverteilung in der Gruppe Folge zu leisten und entgegen den betrieblichen Notwendigkeiten an einer Zerspanungsmaschine gearbeitet. Diese Abmahnung ist Gegenstand des Rechtsstreits 1 Ca 815/10. Das Arbeitsgericht hat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

10

Der Kläger nahm am 01.04.2010 in Begleitung eines Betriebsratsmitglieds Einsicht in seine Personalakte, um zu prüfen, ob die drei Abmahnungen aus März 2009, wie im Prozessvergleich vereinbart, zum 31.03.2010 entfernt worden sind. Sie waren nicht mehr in der Akte enthalten.

11

Mit Datum vom 17.05.2010 fertigte die Beklagte zwei weitere Abmahnungen. Die erste Abmahnung (Bl. 65-66 d.A.) enthält den Vorwurf, dass der Kläger am 30.03.2010 seine Mithilfe bei der Arbeit verweigert habe. Er habe seinen Arbeitskollegen provozierend angegrinst und geäußert: „Ich kann dich nicht verstehen, was hast du gesagt?“, ohne den Hörer seines MP3-Players aus den Ohren zu nehmen. Die zweite Abmahnung vom 17.05.2010 (Bl. 69/70 d.A.) enthält den Vorwurf, dass der Kläger am 30.03.2010 seinen Arbeitskollegen X. mit den Worten beschimpft haben soll: „Du bist eine Maus hier, du bist hier gar nichts, von dir lasse ich mir überhaupt nichts sagen!“. Außerdem soll er den Qualitätsprüfer W. U. mit den Worten: „Du hast überhaupt keine Ahnung, du kannst gar nichts!“ beleidigt haben.

12

Am 29.04.2010 rief der Kläger die Personalreferentin T. S. an und berichtete ihr folgendes (Gesprächsvermerk vom 05.05.2010, Bl. 272 d.A.):

13

Der Arbeitskollege X. sei am 26.04.2010 gegen 14:00 Uhr nach Hause gegangen, er habe jedoch gegen 19:00 Uhr die Arbeit wieder aufgenommen, einen Auftrag „eingepackt“ und etwas mit der Laufkarte gemacht. Herr R. habe mit ihm während einer kurzen Rauchpause gesprochen.

14

Der Arbeitnehmer Q. P. sei am 26.04.2010 ebenfalls im Werk gewesen, obwohl er bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit sei.

15

X. mache sich über die Meister (N. und M.) lustig, die keine Hilfe geleistet, sondern „abgehauen“ seien, als ein Arbeitnehmer der Beklagten am Fußballplatz in eine Schlägerei geraten sei.

16

X. äffe immer wieder den Arbeitnehmer L. nach, der aufgrund seiner Gehörlosigkeit eine besondere Sprechweise habe.

17

Zwei Kollegen (X. und K. J.) hätten psychische Probleme, sie müssten täglich 5-6 Tabletten einnehmen.

18

K. J. habe gegenüber seiner Arbeitsgruppe geäußert: „Irgendwann laufe ich hier Amok!“

19

X. sei mit einer Pistole beim Arzt gewesen und habe gesagt, er wisse nicht mehr weiter.

20

Am 17.05.2010 führte die Personalreferentin S. mit dem Kläger ein weiteres Gespräch (Gesprächsvermerk vom 17.05.2010, Bl. 274 d.A.). Der Kläger berichtete ihr:

21

Der Schichtplan falle für ihn ungünstiger aus, als für seine Kollegen. Er sei in zwei aufeinander folgenden Wochen zur Spätschicht eingeteilt worden. Er habe erfahren, dass die Arbeitskollegen I. und H. nicht mit ihm arbeiten wollten. Als mögliche Gründe habe er erwähnt „vielleicht wegen meiner Hautfarbe oder meiner Nase“.

22

X. besitze zwei private Handys und telefoniere damit privat viel häufiger als er.

23

Am 19.05. und am 20.05.2010 berichtet der Kläger Frau S. (Gesprächsnotiz, Bl. 276 d.A.) folgendes:

24

Auf seine Nachfrage, warum es Leute gebe, die nicht mit ihm arbeiten wollen, habe G. F. angedeutet, dass I. und H. ausländerfeindlich seien.

25

Der Arbeitnehmer R. habe mehrmals (5-mal) gegen das geltende Rauchverbot verstoßen und in der Halle vor dem Büro des Herrn U. geraucht. Es läge auch Asche auf dem Boden.

26

Am 20.05.2010 fand eine Gruppensitzung zum Thema „vergiftetes Arbeitsklima“ durch den Kläger statt. Der Gruppensprecher fertigte ein Besprechungsprotokoll (Bl. 292-293 d.A.) über die von insgesamt acht Personen geäußerte Kritik am Verhalten des Klägers.

27

Am 26.05.2010 bestellte der Personalleiter der Beklagten den Kläger zu einem Gespräch. Bei dem Gespräch waren der vorgesetzte Meister des Klägers, der Zeuge M., und auf Wunsch des Klägers ein Mitglied des Betriebsrates, der Zeuge E., anwesend. Der Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig.

28

Mit Schreiben vom 07.06.2010 (Bl. 259-262 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung zum 31.12.2010 an. Dem Schreiben fügte sie insgesamt 15 Anlagen (Bl. 263-302 d.A.) - unter anderem den Vergleich vor dem LAG vom 03.03.2009 in dem Verfahren 3 Sa 665/08 - bei. Das vierseitige Anhörungsschreiben hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

29

„…
Am 26.05.2010 versuchte Herr Zz. im Beisein des vorgesetzten Meisters, Herrn M., und des Betriebsratsmitglieds, Herrn E., ein Abmahnungsgespräch mit dem Kläger zu führen.

30

Noch bevor Herr Zz. Herrn A. zu den Vorwürfen aus den beiden Abmahnungen (Anlagen 1 und 2) befragen konnte, wurde Herr A. entschieden lauter, so dass die Lautstärke, die einer normalen Zimmerlautstärke deutlich überstieg. Dazu knackte er mit den Fingern, stand auf, beugte sich auf Herrn Zz. zu, streckte ihm seinen Zeigefinger bis auf wenige Zentimeter vor sein Gesicht und sagte: "Hören Sie auf damit!" Durch die Tonlage, die Lautstärke seiner Stimme, das bedrohliche Nichtwahren der sog. „Sozialen Distanz“, das Ballen der Fäuste und das Knacken mit den Fingern, fühlte sich Herr Zz. objektiv bedroht. Denselben Eindruck gewannen auch die anwesenden Personen Herr M. und Herr E..

31

Auf die Nachfrage von Herrn Zz., womit er aufhören solle und ob er ihm drohen wolle, antwortete Herr A.: „Mit allem“. Auf die erneute Nachfrage, was er damit meine, sagte dieser: „Mit allem, was Sie gegen mich tun.“

32

Herr Zz. entgegnete Herrn A., dass er sich nach dem gerichtlichen Vergleich (Az: 3 Sa 665/08, Anlage 3) vor ihn gestellt habe, um bei seinen ehemaligen Kollegen in H 43/44 seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchzusetzen, da sich seine alte Arbeitsgruppe am Tag nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs geweigert habe, ihn wieder aufzunehmen.

33

Ebenso erläuterte Herr Zz., dass er sich gemeinsam mit dem Betriebsrat dafür eingesetzt habe, dass er eine neue Chance in einer der reifsten und am besten geführten Gruppen in H 15, bekommt. Darüber hinaus führte Herr Zz. aus, dass er selbst, Frau S. und Herr Yz. in Summe mehrere Stunden mit den Vorwürfen befasst waren, die er in den Gesprächen mit Frau S. gegen seine Kollegen erhoben hat (Anlage 4, 5, 6, 7 und 8).

34

Herr A. unterbrach Herrn Zz. dabei mehrfach und lachte ihn lauthals aus. Auf dessen Frage, ob er ihn auslache, antwortete er: "Nein, ich habe einen Lachkrampf."

35

In der Folge forderte Herr Zz. ihn mehrfach auf, wieder Platz zu nehmen, sich die vorgeworfenen Pflichtverletzungen anzuhören und dazu Stellung zu nehmen. Herr A. war jedoch weder bereit, sich die vorgeworfenen Pflichtverletzungen anzuhören und das Gespräch sachlich fortzusetzen noch inhaltlich Stellung zu nehmen. Er sagte: „Ich rede überhaupt nicht mehr mit Ihnen, das werden wir nur noch vor dem Arbeitsgericht tun.“

36

37

Erschwerend kommt hinzu, dass das Arbeitsverhältnis von Herrn A. belastet ist. Hierzu verweisen wir vollumfänglich auf unsere Kündigungsanhörung vom 18.04.2008 (Anlage 12). Zudem beinhaltete der Vergleich vor dem LAG vom 03.03.2009 (Anlage 3) das Aussprechen von drei Abmahnungen (Anlage 13 „Bedrohung von Mitarbeiter“, 14 „Üble Nachrede“ und 15 „Arbeitszeitbetrug“).
…“

38

Der Betriebsrat teilte der Beklagten am 10.06.2010 abschließend mit, dass er zur außerordentlichen und zur ordentlichen Kündigung keine Stellungnahme abgebe. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 10.06.2010, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2010. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 01.07.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

39

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011 (dort Seite 2-6 = Bl. 169-173 d.A.) Bezug genommen.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 beendet wird,

42

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Facharbeiter in der Zerspanung weiter zu beschäftigen.

43

Die Beklagte hat beantragt,

44

die Klage abzuweisen.

45

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.03.2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei nach § 626 BGB gerechtfertigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den Personalleiter am 26.05.2010 massiv beleidigt habe. Der Kläger habe ihn durch sein gesamtes Verhalten in Gegenwart der Zeugen M. und E. verächtlich gemacht. Er habe sich von seinem Platz erhoben und sich trotz entsprechender Aufforderung geweigert, sich wieder zu setzen. Schon diese Weigerung sei geeignet, den Personalleiter herabzuwürdigen. Darüber hinaus habe der Kläger mit dem Finger auf den Personalleiter gezeigt und ihn aufgefordert "damit aufzuhören". Für den Personalleiter habe jedoch keine Veranlassung bestanden, das Personalgespräch abzubrechen. Der Kläger hätte sich in der Sache zu den Abmahnungsvorwürfen äußern können. Stattdessen sei er gegenüber dem Personalleiter massiv unsachlich aufgetreten. Selbst wenn er nervös gewesen sein sollte, hätte er seinen Standpunkt in gehöriger Form darstellen müssen. Stattdessen sei er in völlig unangemessener Weise unsachlich und beleidigend aufgetreten. Er habe den Personalleiter vor den Zeugen E. und M. der Lächerlichkeit Preis gegeben. Vor diesem Hintergrund sei die fristlose Kündigung auch bei Abwägung der Interessen beider Parteien wirksam. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 6 bis 12 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 173-179 d.A.) Bezug genommen.

46

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 01.06.2011 zugestellt worden. Er hat mit am 17.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 01.09.2011 verlängerten Begründungsfrist mit am 01.09.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.

47

Zur Begründung seiner Berufung sowie zur Verteidigung gegen den von der Beklagten im Berufungsverfahren in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2011 gestellten Auflösungsantrag macht der Kläger nach Maßgabe der Schriftsätze vom 01.09.2011 (Bl. 203-212 d.A.) und vom 24.01.2012 (Bl. 335-342 d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend: Die fristlose Kündigung sei bereits gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, weil die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt habe.

48

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB ausgegangen. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Sein Verhalten im Verlauf des Personalgesprächs vom 26.05.2010 könne nicht als grobe Beleidigung gewertet werden. Er habe die Position des Personalleiters nicht untergraben, zumal nur vier Personen an dem vertraulichen Gespräch teilgenommen haben. Er habe nicht überlegt gehandelt, sondern spontan auf die Situation reagiert. Er sei nervös gewesen und habe sich zu den vorbereiteten Abmahnungen nicht spontan äußern wollen, zumal ihm schon einmal gekündigt worden war. Seine Reaktion (Vorbeugen, Zeigefinger heben, Weigerung sich hinzusetzen) sei seiner Nervosität und Aufregung geschuldet. Er habe den Personalleiter auch nicht ausgelacht. Er habe vielmehr geäußert: „Ich habe einen Lachkrampf“, weil er unwillkürlich aufgelacht habe, als der Personalleiter ihm erklärt habe, er habe dafür gesorgt, dass er in einer anderen Abteilung eine Chance erhalte. Diese Erklärung habe für ihn einen bitteren Beigeschmack gehabt.

49

Die Kündigung sei gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe im Anhörungsschreiben mit der Einleitung „Erschwerend kommt hinzu“ auf die drei Abmahnungen vom 13.03. und 18.03.2009 wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, ohne deutlich zu machen, dass sie diese Abmahnungen am 31.03.2010 aufgrund des Prozessvergleichs vom 03.03.2009 aus der Personalakte hätte entfernen müssen. Insoweit habe sie den Betriebsrat bewusst irreführend informiert, denn sie habe ihm suggeriert, dass eine große Anzahl von Abmahnungen gegen ihn vorliege. Die Beklagte habe die drei Abmahnungen dem Betriebsrat als Anlage zum Anhörungsschreiben vorgelegt, ohne zu erläutern, warum sie diese nicht vernichtet habe. Sie habe sich Unterlagen bedient, die sie nur in einer geheimen zweiten Personalakte aufbewahrt haben könne.

50

Eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die hilfsweise ordentliche Kündigung nicht (nur) sozialwidrig, sondern wegen der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates unwirksam sei. Auflösungsgründe lägen im Übrigen nicht vor. Soweit die Beklagte behaupte, der Kündigungssachverhalt und die diversen Abmahnungen hätten dazu geführt, dass kein Mitarbeiter mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle, könne er diese pauschale Behauptung nur pauschal bestreiten.

51

Er habe auch keineswegs gezielt und ungerechtfertigt Kollegen gegenüber der Personalabteilung „angeschwärzt“, um sie verächtlich zu machen. Er habe zwischen dem 29.04. und dem 20.05.2010 insgesamt vier Gespräche mit der Personalreferentin S. geführt. Bei der Einsicht in seine Personalakte am 01.04.2010 habe er festgestellt, dass dort eine Beschwerde des Arbeitnehmers X. vom 30.03.2010 abgeheftet war. Die Vorwürfe, die X. gegen ihn erhoben habe, seien nicht wahr. Er habe deshalb den Gruppensprecher als auch den zuständigen Meister angesprochen. Er habe der Personalreferentin berichtet, dass X. am 26.04.2010 um 19:00 Uhr wieder im Betrieb erschienen sei, weil er „Bedenken gehabt habe“. Immerhin habe ihm X. berichtet, dass er mit eine Pistole beim Arzt gewesen sei. Außerdem habe sich X. über ihn beschwert. Schließlich müsse zwischen zwei Schichten eine Pause von 11 Stunden liegen. Er habe ihr von dem Besuch des Q. P. berichtet, weil es „ihm merkwürdig vorgekommen“ sei, dass ein freigestellter Kollege erst nach 19:00 Uhr ohne erkennbaren Grund in den Betrieb komme. X. habe sich über die Meister lustig gemacht, die bei einem Fußballspiel abgehauen seien, anstatt einem Kollegen zu helfen, der von Hooligans aufs Auge geschlagen worden sei. Er sei der Auffassung gewesen, dass er der Personalabteilung melden müsse, dass X. die Kollegen deswegen verächtlich gemacht habe. Gleiches gelte in Bezug auf das Nachäffen der Sprechweise des gehörlosen Arbeitnehmers L.. Er wolle nicht, dass Gehörlose im Betrieb derart verächtlich gemacht werden. Schließlich habe er der Personalreferentin berichtet, dass die Kollegen X. und J. psychische Probleme hätten und regemäßig Beruhigungstabletten nehmen. Schließlich habe ihm X. einmal gesagt, dass er mitunter gar nicht wisse, was er tue. Er habe Frau S. weiter berichtet, dass J. zweimal erklärt habe, er werde irgendwann Amok laufen und X. angegeben habe, er sei mit einer Pistole beim Arzt gewesen. Er habe darin drohende Gefahren für den Betrieb gesehen und die Beklagte deshalb frühzeitig warnen wollen. Auch im Gespräch am 17.05.2010 habe er niemanden unberechtigt in der Personalabteilung anschwärzen wollen. Nach den ihm vorliegenden Informationen sei er davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer I. und H. ausländerfeindlich seien und sein Schichtplan letztlich deswegen immer wieder geändert worden sei. Zu seinem Hinweis vom 20.05.2010 sei zu beachten, dass im Betrieb ein absolutes Rauchverbot herrsche. Ihm sei aufgefallen, dass der Gruppensprecher R., insb. bei Regen oder Kühle, in der Halle rauche. Er habe die Beklagte auf die Gefährdung hinweisen wollen. Auch insoweit sei ein Fehlverhalten nicht erkennbar.

52

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

53

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011, Az.: 1 Ca 1255/10, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 aufgelöst worden ist,
den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Berufung zurückzuweisen,
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31.12.2010 gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

56

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.10.2011 (Bl. 243-258 d.A.), auf den Bezug genommen wird, als zutreffend. Ihren in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 10.11.2011 gestellten Auflösungsantrag begründet sie damit, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten sei. Das Arbeitsverhältnis sei durch massive Vertragsverletzungen des Klägers belastet. Das kündigungsrelevante Verhalten des Klägers im Gespräch vom 26.05.2010 sei lediglich eines von vielen Arbeitsvertragsverstößen. Unabhängig davon habe sie dem Kläger am 17.05.2010 zwei Abmahnungen sowie am 22.01.2010 eine Abmahnung erklärt. Der Kläger nehme nichts und niemanden ernst, er lasse sich weder durch arbeitsrechtliche Sanktionen noch durch gutes Zureden von einem adäquaten betrieblichen Miteinander überzeugen. Überobligatorisches Engagement - insbesondere des Personalleiters - werde mit Häme quittiert. Inzwischen sei kein Mitarbeiter mehr bereit, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, zumal der Kläger gezielt Mitarbeiter gegenüber der Personalabteilung wegen vermeintlich anrüchiger Sachverhalte anschwärze. Insoweit sei auf die Gespräche des Klägers mit der Personalabteilung zu verweisen (Gesprächsnotiz vom 05.05., 11.05., 17.05., 18.05., 19. und 20.05.2010). Es sei nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen eine zukünftige Zusammenarbeit noch möglich sein soll. Wegen weiterer Einzelheiten des Auflösungsantrags wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.12.2011 (Bl. 312-320 d.A.) Bezug genommen.

57

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 1 Ca 898/08 (3 Sa 665/08), 1 Ca 815/10 und 1 Ca 846/10.

Entscheidungsgründe

A.

58

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

B.

59

In der Sache hat die Berufung des Klägers Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.12.2010 aufgelöst worden (I.). Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen ist deshalb abzuändern und der Klage stattzugeben. Auf Antrag der Beklagten war das Arbeitsverhältnis allerdings nach §§ 9, 10 KSchG gerichtlich unter Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung von € 28.800,00 zum 31.12.2010 aufzulösen (II.). Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht deshalb nicht (III.).

I.

60

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 ist gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Beklagte hat die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt. Das Personalgespräch, dessen Verlauf Anlass zur fristlosen Kündigung gab, fand am 26.05.2010 statt. Die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB begann an diesem Tag zu laufen und endete am 09.06.2010 (§§ 187 ff. BGB). Die Kündigung ging dem Kläger erst am 10.06.2010 und damit verspätet zu.

61

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 zum 31.12.2010 ist nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Das aggressive und respektlose Verhalten des Klägers gegenüber dem Personalleiter im Personalgespräch vom 26.05.2010 rechtfertigt aus Sicht der Berufungskammer aufgrund der stets notwendigen Interessenabwägung auch nicht die ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen.

62

Zwar können nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung grobe Beleidigungen oder Ehrverletzungen von Vorgesetzten die Kündigung als außerordentliche oder als ordentliche Kündigung rechtfertigen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, muss der Arbeitgeber im groben Maß unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, nicht hinnehmen (vgl. BAG Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17, AP Nr. 226 zu § 626 BGB, LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 04.05.2011 - 8 Sa 361/10, Rn. 29, Juris; jeweils m.w.N.).

63

Der Kläger hat sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme im Personalgespräch vom 26.05.2010 völlig unangemessen verhalten. Sein aggressives Auftreten gegenüber dem Personalleiter stellte einen im groben Maße unsachlichen Angriff dar. Das respektlose Verhalten beinhaltete eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Personalleiters der Beklagten in seiner Stellung als Vorgesetzter.

64

Der Personalleiter hat während seiner erstinstanzlichen Zeugenvernehmung bekundet, dass er das Personalgespräch führen wollte, um den Kläger zu den Sachverhalten anzuhören, die er zum Gegenstand zweier vorbereiteter Abmahnungen (beide mit Datum vom 17.05.2010) gemacht habe. Der Kläger sei bei Eröffnung des Gesprächs sofort aggressiv geworden, habe sich zu ihm herübergebeugt und erklärt: „Ich rede mit Ihnen überhaupt nicht mehr". Er habe ihm den Zeigefinger bis auf wenige Zentimeter vor das Gesicht gestreckt und gesagt: "Hören Sie auf damit!". Auf die Frage, womit er aufhören solle, habe er geantwortet: „Mit allem, das werden wir bei Gericht klären“. Der Kläger sei aufgestanden und habe sich an die Wand gelehnt. Er habe sich geweigert, sich wieder hinzusetzen und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auf den Hinweis des Personalleiters, dass er sich nach dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht (vom 03.03.2009 in dem Verfahren 3 Sa 665/08) für ihn eingesetzt habe, um ihm in einer anderen Arbeitsgruppe eine neue Chance zu geben, habe der Kläger begonnen, laut zu lachen. Die Frage, ob er ihn auslache, habe der Kläger mit: „Nein, ich habe einen Lachkrampf“ beantwortet. Daraufhin brach der Personalleiter das Gespräch ab.

65

Sowohl der Zeuge M., der als vorgesetzter Meister des Klägers an dem Gespräch teilgenommen hat, als auch der Zeuge E., den der Kläger als Betriebsratsmitglied beigezogen hat, haben die Aussage des Personalleiters klar und eindeutig bestätigt. Das Arbeitsgericht hat nach der umfassenden und gründlichen Beweisaufnahme zutreffend erkannt, dass die Abweichungen zwischen den einzelnen Aussagen unerheblich sind. Bei den zentralen Inhalten bestand eine hohe Übereinstimmung. Das sich der Kläger gegenüber dem Personalleiter der Beklagten aggressiv und respektlos verhalten hat, steht auch für die Berufungskammer außer Zweifel. Die Kammer stellt ausdrücklich klar, dass ein Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht sanktionslos hinnehmen muss.

66

Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert vorliegend jedoch am Ergebnis der bei jeder Kündigung durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung. Zu Gunsten des Klägers ist die lange Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren zu berücksichtigen. Zudem ist zu seinen Gunsten in die Abwägung einzustellen, dass er gegenüber seiner Ehefrau und seinen drei Kindern unterhaltspflichtig ist. Die Unterhaltspflichten und der Familienstand haben bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen zwar nur marginale Bedeutung. Sie können jedoch bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, beeinflussen sie doch das Gewicht des Arbeitnehmerinteresses an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Das Interesse der Beklagten, sich (abfindungslos) vom Kläger zu trennen, wiegt dessen Bestandsschutzinteresse nicht auf. Die zugunsten des Klägers sprechenden Umstände sind im Ergebnis höher zu bewerten als das berechtigte Interesse der Beklagten sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der sich mit seinem aggressiven und impulsiven Verhalten - nicht nur gegenüber dem Personalleiter - auf eine Ebene begeben hat, die letztlich nicht mehr hinnehmbar ist.

II.

67

Das Arbeitsverhältnis ist jedoch auf Antrag der Beklagten nach §§ 9, 10 KSchG gerichtlich zum 31.12.2010 unter Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 28.800,00 brutto aufzulösen.

68

1. Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag ist zulässig. Dieser kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Da das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, war über ihren Auflösungsantrag zu entscheiden.

69

Die Beklagte kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG verlangen, weil die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 10.06. zum 31.12.2010 allein auf der Sozialwidrigkeit beruht (vgl. BAG Urteil vom 28.05.2009 -2 AZR 949/07 - AP Nr. 59 zu § 9 KSchG 1969; BAG Urteil vom 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - NZA 2009, 275; m.w.N.). Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten zum 31.12.2010 ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

70

Die Beklagte hat im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 07.06.2010 auf Seite 4 mit dem Einleitungssatz: „Erschwerend kommt hinzu, dass das Arbeitsverhältnis von Herrn A. erheblich belastet ist“ auf die drei Abmahnungen vom 13.03. und 18.03.2009 wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, ohne ausdrücklich auszuführen, dass sie diese Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen hatte. Entgegen der Ansicht des Klägers führt dies nicht zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates.

71

An die Mitteilungspflichten im Anhörungsverfahren sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat. Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, NZA 2011, 1342, m.w.N.).

72

Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Anhörungsschreiben vom 07.06.2010 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des Verhaltens des Klägers im Personalgespräch vom 26.05.2010 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüber hinaus hat sie den Betriebsrat auf die erste verhaltensbedingte Kündigung vom 28.04.2008, den Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht vom 03.03.2009 (Az.: 3 Sa 665/08) und die drei Abmahnungen wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, die der Vergleich beinhaltete. Aus ihrer Sicht enthielt dieser Hinweis auch angesichts des Umstands, dass die drei Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen waren, keine unrichtige Information. Die Beklagte hat dem Betriebsrat sowohl die drei Abmahnungen (Anlage 13, 14 und 15) als auch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess (Az.: 3 Sa 665/08) vom 03.03.2009 als Anlage 3 zum Anhörungsschreiben vorgelegt. Der Wortlaut des Prozessvergleichs enthält die Verpflichtung, die drei Abmahnungen mit Ablauf des 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen. Damit konnte sich der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein zutreffendes Bild auch darüber verschaffen, dass die drei Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen waren.

73

Entgegen der Ansicht des Klägers, war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Betriebsrat zu erläutern, weshalb sie die drei Abmahnungen nicht vernichtet hat und ob sie eine geheime zweite Personalakte führt. Die Beklagte musste dem Betriebsrat allenfalls solche Umstände neben der Mitteilung der Kündigungsgründe zu Gehör bringen, die aus ihrer Sicht entlastend für den Kläger wirken konnten. Das entspricht der subjektiven Determinierung der Kündigungsgründe, wonach der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur die aus seiner Sicht tragenden - und ggf. auch die möglicherweise entlastenden - Umstände zu unterbreiten hat. Die Beklagte war der Ansicht, dass sie dem Kläger die drei Abmahnungen aus März 2009 noch vorhalten durfte, weil sie ihn am 22.01.2010 binnen Jahresfrist erneut abgemahnt hat. So hat ihr Personalleiter in der Sitzung vom 10.11.2011 zu Protokoll erklärt, dass er aufgrund der Regelungen in einer Betriebsordnung grundsätzlich verpflichtet sei, Abmahnungen binnen Jahresfrist aus der Personalakte zu entfernen, es sei denn das neue Pflichtverstöße vorliegen. Ein solcher Fall sei aus seiner Sicht hier gegeben gewesen. Ging aber die Beklagte davon aus, dass sie dem Kläger die drei Abmahnungen aus März 2009 noch vorhalten durfte, so brauchte sie dem Betriebsrat nicht mitzuteilen, warum sie diese nicht vernichtet hat.

74

2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (vgl. BAG Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 10, 11, AP Nr. 64 zu § 9 KSchG 1969, m.w.N.).

75

3. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist dem Auflösungsantrag der Beklagten zu entsprechen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat eine Entwicklung genommen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lässt.

76

Eine solche Zusammenarbeit setzt das Vorhandensein einer entsprechenden Vertrauensgrundlage voraus. Diese Vertrauensgrundlage besteht vorliegend nicht mehr. Der Auftritt des Klägers im Personalgespräch vom 26.05.2010 hat zwar nicht ausgereicht, die Kündigung vom 10.06.2010 als außerordentliche oder ordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Bereits der Kündigungssachverhalt ist jedoch so beschaffen, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt. Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder auftreten können, müssen mit der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen werden. Sowohl das persönliche Verhältnis des Klägers zum Personalleiter der Beklagten als auch das Verhältnis zu seinen Arbeitskollegen und unmittelbaren Vorgesetzten ist durch sein aggressives und impulsives Verhalten so belastet, dass eine dem Betriebszweck dienliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich eine Reihe von Umständen, die diese Wertung rechtfertigen.

77

Es ist davon auszugehen, dass es künftig zu vergleichbaren Vorkommnissen kommen kann, wie sie auch Gegenstand der erstinstanzlichen Beweisaufnahme waren. So hat der Zeuge X. während seiner Vernehmung bekundet, dass der Kläger am 30.03.2010 „wutentbrannt“ gewesen sei, weil er den Schlüssel zum Werkzeugschrank nicht gefunden habe. Der Kläger habe ihn mit den Worten: „Du bist eine Maus. Du hast hier nichts zu sagen. Du bist gar nichts“ beschimpft. Der Zeuge W. U. hat während seiner Vernehmung ausgesagt, dass er in seiner Eigenschaft als Qualitätsprüfer am 30.03.2010 die vom Kläger gefertigten Bauteile in der Endabnahme beanstandet und eine Nachbearbeitung gefordert habe. Im Verlauf der sich anschließenden Diskussion über diese Beanstandung habe ihm der Kläger vorgeworfen: “Wenn du keinen Ahnung hast, hältst du deinen Mund“. Der Zeuge Xz. hat die beiden Ausbrüche, wenn auch in abgeschwächter Form, bestätigt. Er hat bekundet, dass der Kläger ihm und dem Zeugen X. erklärt haben „Ich lasse mir von euch nichts sagen“. Zum Zeugen X. habe er außerdem geäußert: „Wz., du sollst nicht mit Leuten Katz und Maus spielen“. Dabei habe der Kläger geschrien. Dem Qualitätsprüfer U. habe er vorgeworfen: „Du hast keine Ahnung“.

78

Dem Personalleiter gelingt es nicht (mehr), den Kläger zu einem angemessenen und respektvollen Umgang mit seinen Arbeitskollegen zu bewegen. Seine Autorität wird vom Kläger nicht anerkannt, wie sein Verhalten im Personalgespräch vom 26.05.2010 belegt. Die Anstrengungen des Personalleiters, den Kläger in eine Arbeitsgruppe zu integrieren, werden mit Häme quittiert („Ich habe einen Lachkrampf“). Einen derartigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die durch das Verhalten des Klägers entstandenen Belastungen des Betriebsklimas, muss die Beklagte nicht mehr hinnehmen.

79

Der Konflikt des Klägers mit der Arbeitsgruppe ist so eskaliert, dass am 20.05.2010 eine Gruppensitzung zum Thema „vergiftete Arbeitsklima“ stattgefunden hat. Ausweislich des Protokolls der Sitzung haben sich insgesamt acht Arbeitnehmer über den Kläger beschwert. Mit den Beschuldigungen der Arbeitskollegen, die der Kläger in der Zeit zwischen dem 29.04. und dem 20.05.2010 in insgesamt vier Gesprächen bei der Personalreferentin S. vorgebracht hat, hat er den Konflikt mit seinen Arbeitskollegen noch angeheizt.

80

Der Kläger verfolgte mit seinen „Meldungen“ in der Personalabteilung keine uneigennützigen Zwecke, wie die Berufung glauben machen will. Dass er die Brandgefahr auf dem Werksgelände reduzieren (Meldung von Verstößen gegen das Rauchverbot), die Einhaltung der Pausenzeiten überwachen (Meldung des Erscheinens am Arbeitsplatz), die Diskriminierung gehörloser Arbeitnehmer unterbinden (Meldung des Nachäffens seiner Sprechweise) oder gar einen Schusswechsel verhindern (X. war mit einer Pistole beim Arzt) wollte, nimmt ihm die Kammer nicht ab. Es handelt sich lediglich um den Versuch, das „Anschwärzen“ mit altruistischen Motiven zu verbrämen. Der Kläger war über die schriftliche Beschwerde des Zeugen X. („Du bist eine Maus“), die er bei der Einsichtnahme in seine Personalakte am 01.04.2010 entdeckt hatte, so erbost, dass er ihn und andere Arbeitnehmer, über die er sich ebenfalls geärgert hatte, beim Arbeitgeber schlechtgemacht hat.

81

In einer Gesamtschau der vorgenannten Umstände gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger, seinen Arbeitskollegen, seinen unmittelbaren Vorgesetzten und dem Personalleiter nicht mehr zu erwarten ist.

82

4. Die Berufungskammer hält in Ausübung ihres Ermessens eine Abfindung gemäß § 10 KSchG in Höhe von € 28.800,00 brutto für angemessen. Dieser Betrag entspricht neun Monatsverdiensten.

83

Bei der Bemessung der Abfindung nach § 10 KSchG hat die Kammer die Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses, das Lebensalter des Klägers und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und den drei Kindern berücksichtigt. Der Abfindungshöhe hat die Kammer ein halbes Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr zu Grunde gelegt, so dass sich ausgehend von einem Monatsverdienst von rund € 3.200,00 brutto und einer Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren ein Abfindungsbetrag von € 28.800,00 ergibt. Dieser Betrag ist einerseits ausreichend, andererseits aber auch erforderlich, um den Kläger und seine Familie angemessen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen.

III.

84

Gemäß § 9 Abs. 2 KSchG ist als Auflösungszeitpunkt der 31.12.2010 festzusetzen. Angesichts der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin hat der Kläger keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung.

C.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

86

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2008 - 5 Sa 174/05 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über den Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

2

Der im März 1940 geborene Kläger war seit 1. Dezember 1993 bei der Beklagten als Leiter des Rechts- und Ordnungsamts beschäftigt. Bei seinem Dienstantritt führte die Beklagte eine rechtliche Auseinandersetzung mit der R GmbH. Im Streit standen Verpflichtungen aus einem „Gestattungsvertrag“, der wechselseitige Ansprüche aus dem Betrieb von Bräunungsanlagen(Solarien) regelte, die in einem Hallenbad der Beklagten aufgestellt worden waren. Am 13. Dezember 1993 schrieben die von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte an die R GmbH, hinsichtlich des bestehenden Gestattungsvertrags sei entschieden worden, diesen unverändert bis zu seiner Beendigung fortzuführen. Eine Vertragsverlängerung komme nicht in Betracht. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1993 nahm die R GmbH „das Angebot“ an. Am selben Tag kündigte der Kläger in Unkenntnis der vorstehenden Erklärungen namens der Beklagten den Gestattungsvertrag „vorsorglich fristlos“. Die R GmbH verklagte daraufhin die Beklagte beim Landgericht Koblenz auf Zahlung von Erlösen aus dem Betrieb der Bräunungsanlagen in Höhe von knapp 68.000,00 DM. In dem Rechtsstreit ließ sich die Beklagte durch andere Rechtsanwälte vertreten. Der Kläger wurde mit der internen Bearbeitung des Vorgangs beauftragt. Mit Schreiben vom 16. August 1994 legte er gegenüber den neu beauftragten Anwälten seine Auffassung zur Rechtslage dar. Im Dezember 1994 legten diese das Mandat nieder. Zur Begründung beriefen sie sich auf divergierende Rechtsauffassungen zwischen ihnen und dem Kläger sowie die Nichtzahlung eines angeforderten Vorschusses. Der Kläger schaltete nunmehr andere Rechtsanwälte ein. Im März 1995 unterrichtete er den inzwischen neu gewählten Oberbürgermeister über den Fortgang des Verfahrens und einen zu erwartenden ungünstigen Prozessausgang in erster Instanz.

3

Am 3. August 1995 gab das Landgericht der Klage der R GmbH weitgehend statt. Das Urteil wurde den Prozessvertretern der Beklagten laut deren Empfangsbekenntnis am 7. August 1995 zugestellt. Mit „Hausbrief“ vom 30. August 1995 unterrichtete der Kläger den Oberbürgermeister über den Sachstand und empfahl unter Hinweis auf die am 7. September 1995 ablaufende Rechtsmittelfrist, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen. Mit Schreiben vom 5. September 1995 meldete er gegenüber den erstbeauftragten Rechtsanwälten, wie ebenfalls in seinem „Hausbrief“ empfohlen, Regressansprüche der Beklagten an. Außerdem fertigte er einen - vom Oberbürgermeister gebilligten - Entwurf für eine Klage gegen die als zweite beauftragten Rechtsanwälte, mit der das an diese bereits geleistete Honorar zurückgefordert werden sollte.

4

Mit Schreiben vom 11. September 1995 beanstandete der Kläger gegenüber einer Bürgerin deren Verhalten gegenüber einem Vollzugsbediensteten der Beklagten. Er kündigte an, bei erneuter Missachtung eines Halteverbots „über die Führerscheinstelle prüfen zu lassen“, ob sie die charakterliche Eignung „für die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr“ noch besitze. Auf eine Beschwerde der Betroffenen erteilte die Beklagte dem Kläger am 10. Oktober 1995 eine Ermahnung, mit der sie seine Ausführungen als überzogen beanstandete. Mit einer weiteren Ermahnung vom selben Tag hielt sie dem Kläger vor, einen ihm unterstellten Bediensteten weisungswidrig nicht als Sachgebietsleiter für Gewerbeangelegenheiten eingesetzt zu haben.

5

Am 11. Oktober 1995 erstellten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine gutachterliche Stellungnahme zu den Rechtsmittelaussichten in Sachen RML GmbH und dem Vorgehen des Klägers in dieser Angelegenheit. Sie veranlasste die Beklagte, ihre gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz eingelegte Berufung zurückzunehmen.

6

Durch „Hausbrief“ vom 12. Oktober 1995 und ergänzende mündliche Unterrichtung leitete die Beklagte gegenüber dem Personalrat das Mitwirkungsverfahren zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers ein. Am 19. Oktober 1995 äußerte der Personalrat Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 1995. Sie berief sich auf Schlechtleistungen des Klägers im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Falls R GmbH. Mit Schreiben vom 3. November 1995 entzog sie ihm mit sofortiger Wirkung seine Befugnisse als Amtsleiter und forderte ihn auf, diese Anordnung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Dienststelle bekannt zu geben.

8

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31. Dezember 1995 aufzulösen.

9

Mit Urteil vom 19. Februar 1999 hat das Arbeitsgericht der Klage ua. mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zugleich hat es die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt und ihren Auflösungsantrag abgewiesen.

10

Mit ihrer Berufung hat sich die Beklagte nur noch gegen ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers und gegen die Abweisung ihres Auflösungsantrags gewandt. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2000(- 10 Sa 247/99 -) der Berufung hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags stattgegeben, wegen des Auflösungsantrags hat es sie zurückgewiesen. Auf die nur für die Beklagte zugelassene Revision hat der Senat am 27. September 2001 (- 2 AZR 389/00 -) dieses Urteil teilweise aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung über den Auflösungsantrag an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

11

Mit Urteil vom 4. September 2003(- 10 Sa 104/02 -) hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Ebenfalls zurückgewiesen hat es eine Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser ua. (erstmals) begehrt hatte festzustellen, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO unwirksam ist und(erneut) beantragt hatte, die Beklagte zu seiner Weiterbeschäftigung zu verurteilen. Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2005 das Berufungsurteil wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

12

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Auflösungsantrags geltend gemacht, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten gewesen. Der Kläger habe bei der Bearbeitung der Sache R GmbH seine Befugnisse als Amtsleiter überschritten und sei weiterhin nicht willens, dies einzugestehen. Er vertrete selbst abstruse Rechtsansichten kompromisslos. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Dialogfähigkeit und eine objektive Würdigung gegenteiliger Rechtspositionen voraussetze, sei angesichts seiner „an Verblendung grenzenden Selbstherrlichkeit“ ausgeschlossen. Beleg für seine Uneinsichtigkeit seien auch mehrere Ablehnungsgesuche gegenüber verfahrensbeteiligten Richtern, die der Kläger stets dann angebracht habe, wenn deutlich geworden sei, dass diese seine Rechtsansichten nicht teilten. Dadurch habe er sich für die Tätigkeit eines beratenden Juristen in der öffentlichen Verwaltung als ungeeignet erwiesen. Zudem sei das Vertrauensverhältnis zur Dienststellenleitung und anderen Mitarbeitern ihrer Verwaltung irreparabel zerstört. Der Kläger habe die Weisungsbefugnis ihres früheren Oberbürgermeisters in Frage gestellt und sich illoyal verhalten, als er im November 1995 eine „Petition“ mit teils beleidigendem Inhalt unter Umgehung des Dienstwegs - unstreitig - unmittelbar einzelnen Stadträten zugeleitet habe. Außerdem habe er den Oberbürgermeister laut eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1997 öffentlich angegriffen, indem er - unstreitig - bei einer Veranstaltung geäußert habe, die Stadträte sollten sich vom Oberbürgermeister nicht „mit fünf Worten abspeisen lassen“, sondern ggf. Akteneinsicht verlangen. Mit seiner schriftsätzlichen Äußerung: „… Die Verletzung einer Verhaltensnorm der SächsGemO ist ebenso ein Bruch des geschriebenen Rechts wie die Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht oder das Entleeren von Fäkalien in ein Gewässer“ habe er den Oberbürgermeister sogar einer Straftat bezichtigt. Hinzu kämen außergerichtliche Schreiben des Klägers aus den Jahren 2005 und 2006, mit denen er versucht habe, Druck auf sie auszuüben. Sie enthielten ehrenrührige Behauptungen über ihren amtierenden Oberbürgermeister. Mit Verweis auf einen auf den 6. August 1995 datierten „Hausbrief“ habe der Kläger ferner wider besseres Wissen behauptet, den damaligen Oberbürgermeister bereits vor dem 30. August 1995 über das erstinstanzliche Obsiegen der R GmbH informiert zu haben. Er habe dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Frage stellen wollen. Dies sei als versuchter Prozessbetrug zu werten.

13

Die Beklagte hat zuletzt beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31. Dezember 1995 aufzulösen.

14

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Begehren scheitere schon daran, dass die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam sei. Insbesondere habe die Beklagte es entgegen § 28 Abs. 3 SächsGemO versäumt, das im Fall einer Entlassung von Gemeindebediensteten zwingend erforderliche Einvernehmen mit dem Stadtrat herzustellen. Außerdem fehle es an einer objektiv ausreichenden Unterrichtung des Personalrats über die Kündigungsgründe; der Grundsatz der subjektiven Determiniertheit finde im Bereich der öffentlichen Verwaltung keine Anwendung. Die Kündigung sei zudem sittenwidrig. Ebenso wenig lägen Auflösungsgründe vor. Die ins Persönliche gehenden Beschimpfungen im Zusammenhang mit seiner beratenden Tätigkeit in Sachen R GmbH entbehrten jeder Grundlage. Mangels Rückfragen des Oberbürgermeisters zu seinen schriftlichen Ausführungen habe er davon ausgehen dürfen, dass kein weiterer Beratungsbedarf bestanden habe. Dem Hausbrief vom 30. August 1995 seien inhaltsgleiche Briefe vom 6. August 1995 an den Oberbürgermeister und an den Verwaltungsausschuss vorangegangen. Der Vorwurf des Prozessbetrugs sei unberechtigt.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Wege der Anschlussrevision hat er ferner den Antrag angekündigt, das Berufungsurteil möge „insoweit abgeändert (werden), als im Tenor der mit dem Berufungsantrag verfolgte Auflösungsantrag nach KSchG § 9 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wird“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er beantragt, den Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Revision und Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

17

A. Der Senat ist nicht an einer Überprüfung des Berufungsurteils gehindert. Der Einwand des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Revision zu Unrecht zugelassen, ist unbeachtlich. Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden(§ 72 Abs. 3 ArbGG).

18

B. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Recht zurückgewiesen. Ihr Auflösungsantrag ist unbegründet. Es liegen keine Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 nicht nur mangels sozialer Rechtfertigung, sondern auch aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.

19

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und diesen zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zur verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

20

1. Eine Auflösung scheitert nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - unstreitig - bereits beendet war.

21

a) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis - sollte es nicht durch eine weitere ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. November 1995 schon zum 31. März 1996 aufgelöst worden sein - spätestens mit Ablauf des 31. März 2005 geendet hat. Der Kläger, der im März 2005 sein 65. Lebensjahr vollendete, ist mit Wirkung vom 1. April 2005 in den Ruhestand getreten und bezieht seither Regelaltersrente.

22

b) Nach § 9 Abs. 2 KSchG ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung - hier der 31. Dezember 1995 - geendet hätte. Daraus folgt, dass ein Antrag auf Auflösung nicht mehr gestellt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen beendet war. Eine gerichtliche Auflösung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat. Andernfalls kann durch das Urteil nichts mehr gestaltet werden(BAG 20. März 1997 - 8 AZR 769/95 - zu B II 4 b der Gründe, BAGE 85, 330). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1995 geendet.

23

c) Hat das Arbeitsverhältnis zwar erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen(BAG 24. Mai 2005 - 8 AZR 246/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362; Senat 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 2 a der Gründe, RzK I 11a Nr. 16). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 14, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Beendigungszeitpunkt zu erstrecken (BAG 17. September 1987 - 2 AZR 2/87 - zu II 3 b der Gründe, aaO).

24

d) An dieser Rechtsprechung, die in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat(vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 88; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. 2010 Rn. 2102; aA Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 28), hält der Senat auch in Anbetracht der im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken fest.

25

aa) Das Landesarbeitsgericht meint, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor einer Entscheidung über den Auflösungsantrag fehle es schon deshalb an Auflösungsgründen, weil eine Zusammenarbeit der Parteien, anders als § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorausgesetzt, in keinem Fall mehr „zu erwarten“ sei. Die Auffassung des Senats sei mit der Zukunftsbezogenheit des Auflösungsantrags nicht vereinbar und führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung. Werde über den Auflösungsantrag noch kurz vor der Beendigung entschieden, sei ein Prognosezeitraum von ggf. nur wenigen Tagen zugrunde zu legen. Demgegenüber komme es bei einer Entscheidung nach dem Beendigungszeitpunkt ggf. auf einen Zeitraum von mehreren Jahren an.

26

bb) Dieser Einwand überzeugt nicht. Er berücksichtigt nicht, dass gerade der Ausschluss einer Auflösungsmöglichkeit wegen anderweitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unbilligen Ergebnissen führen kann. So bliebe der Arbeitgeber auch bei Vorliegen von Auflösungsgründen grundsätzlich verpflichtet, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § 615 BGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Gehalt zu zahlen, während er andernfalls lediglich eine Abfindung in den Höchstgrenzen des § 10 KSchG zu zahlen hätte. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann der Wegfall eines berechtigten Abfindungsanspruchs zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Dies könnte eine an der Vereitelung der Auflösung interessierte Partei dazu verleiten, den Prozess, soweit dies in ihrer Macht steht, über den Beendigungszeitpunkt hinaus zu verzögern, um daraus finanzielle Vorteile zu ziehen(vgl. Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - zu I 1 der Gründe, BAGE 17, 46). Dem kann durch die vom Senat bevorzugte Lösung begegnet werden. Sie trägt überdies dem gesetzlichen Sanktionszweck der nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung Rechnung(vgl. ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 5) und entspricht der Methodik des Schadenersatzrechts (Senat 21. Januar 1965 - 2 AZR 38/64 - aaO; Tschöpe FS Schwerdtner 217, 242 f.).

27

2. Gleichwohl war das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen seiner das Urteil selbstständig tragenden(Hilfs-)Begründung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, auch bei einem Prognosezeitraum vom 1. Januar 1996 (Ablauf der Kündigungsfrist) bis zum 31. März 2005 (spätestes Ende des Arbeitsverhältnisses) fehle es an Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

28

a) Das KSchG ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 13 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163). Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - aaO; 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 65, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

29

b) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist(Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (Senat 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 2 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52).

30

c) Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich von ihnen nicht distanziert (Senat 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - zu B II 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45).

31

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte ist auch auf der Rechtsanwendungsebene zu gewährleisten, wenn im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen grundrechtlich geschützte Positionen berührt werden(BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - zu II 3 der Gründe mwN, NJW 2008, 2424). Deshalb sind bei der Beurteilung, ob aufgrund von Äußerungen des Arbeitnehmers eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber nicht mehr zu erwarten steht, die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten. Der Grundrechtsschutz besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Er bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 16. Oktober 1998 - 1 BvR 1685/92 - zu II 2 a aa der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 92, 266). Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre(Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Mit diesen muss es ggf. in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 15. April 2008 - 1 BvR 1793/07 - mwN, aaO; BAG 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13).

32

Darüber hinaus ist gerade im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör(Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - aaO).

33

d) Die Würdigung, ob nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat(vgl. Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 16, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 23. Juni 2005 - 2 AZR 256/04 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52). Dem hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.

34

aa) Zu Recht hat sich das Landesarbeitsgericht auf die Prüfung solcher Umstände beschränkt, die bis zum 31. März 2005 eingetreten waren. Erklärungen des Klägers, die dieser nach Beginn seines Ruhestands abgegeben hat, oder ihm insoweit zuzurechnende Äußerungen seiner Ehefrau sind ungeeignet, den Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen. Das folgt daraus, dass die Begründetheit des Antrags in Fällen wie dem vorliegenden aus der Sicht des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen ist. Damit wäre eine - selbst eine nur unterstützende - Heranziehung von Vorfällen, die sich erst später ereignet haben, unvereinbar. Hinzu kommt, dass eine Verletzung nachvertraglicher Schutz- und Rücksichtnahmepflichten wegen einer nach Vertragsende veränderten Pflichtenstruktur keine sicheren Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer gedeihlichen, an den Betriebszwecken orientierten Zusammenarbeit in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis zuließe.

35

bb) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die interne Bearbeitung des Rechtsstreits mit der R GmbH der Beklagten keinen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gab.

36

(1) Der Beklagten war es nicht schon verwehrt, zur Begründung ihres Auflösungsantrags auf solche Umstände zurückzugreifen, die sie zur Rechtfertigung ihrer sozial ungerechtfertigten Kündigung vom 24. Oktober 1995 angeführt hatte. Derartige Sachverhalte können jedenfalls dann zur Begründung eines Auflösungsantrags herangezogen werden, wenn der Arbeitgeber sich - wie hier - auch noch auf weitere Tatsachen beruft(Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 626 Nr. 218).

37

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten des Klägers in Teilen als vertragswidrig angesehen. So hat es angenommen, der Kläger habe vor Kündigung des Gestattungsvertrags mit der R GmbH Rücksprache mit den bereits beauftragten Rechtsanwälten halten müssen. Außerdem habe er seine Kompetenzen überschritten, als er anschließend Rechtsanwälte selbst mandatiert habe. Ferner habe er den Oberbürgermeister verspätet über das Urteil des Landgerichts vom 3. August 1995 unterrichtet und in seinem „Hausbrief“ Bedenken des Gerichts gegen die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht hinreichend Rechnung getragen.

38

(3) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber angenommen, dass solcherart Pflichtverletzungen einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien deshalb nicht entgegenstanden, weil sie sich durch geeignete Weisungen der Beklagten hätten steuern lassen.

39

(4) Auch der vom Kläger in Sachen R GmbH eingenommene Rechtsstandpunkt als solcher und die Konsequenz, mit der der Kläger ihn vertreten hat, sind kein Auflösungsgrund. Die von der Beklagten beauftragten Gutachter haben in ihrer Stellungnahme die Rechtslage als „kompliziert“ bezeichnet und gemeint, die Auffassung des Klägers könne jedenfalls nicht als „völlig abwegig“ bezeichnet werden. Das hat das Berufungsgericht mit nachvollziehbaren Argumenten ebenso gesehen. Die Erhebung einer Klage auf Rückzahlung von Honorar gegen die zweitbeauftragten Rechtsanwälte war nicht völlig fernliegend. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass diese bei Mandatsniederlegung ihren Vorschuss bereits erhalten hatten. Ein „überzogenes Vorgehen“ des Klägers kann ebenso wenig in der Erhebung von Schadensersatzforderungen gegenüber den ursprünglich beauftragten Rechtsanwälten gesehen werden. Immerhin war deren Schreiben vom 13. Dezember 1993 ein Grund, der aus Sicht des Landgerichts Koblenz zum Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit mit der R GmbH führte. Zudem waren die betreffenden Schritte mit dem Oberbürgermeister der Beklagten abgestimmt.

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cc) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses war nicht mit Rücksicht auf das sonstige Verhalten des Klägers geboten. Zwar hat das Berufungsgericht dieses Verhalten als teilweise unverhältnismäßig, beleidigend oder illoyal qualifiziert. Auch hat es erkannt, dass es nicht ohne jede Auswirkung auf die Zusammenarbeit der Parteien im Prognosezeitraum geblieben wäre. Dennoch durfte es davon ausgehen, dass die Parteien aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls - etwa des teilweise fehlenden Bezugs zur Tätigkeit des Klägers und des Umstands, dass der Konflikt durch ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Beklagten selbst mit hervorgerufen worden war - zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätten zurückfinden können.

41

(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Schreiben des Klägers vom 11. September 1995 an eine Bürgerin sei unangemessen und überzogen gewesen. Ferner sei es als Ausdruck einer illoyalen Haltung gegenüber dem Oberbürgermeister zu bewerten, dass der Kläger zwar ständig seine Verpflichtungen gegenüber Stadtrat und Gemeinde betont, bei seiner Anhörung durch den Personalrat aber erklärt habe, Weisungen des Oberbürgermeisters nur unter dem Vorbehalt ihrer gerichtlichen Prüfung befolgen zu wollen. Entsprechendes gelte für die Äußerungen des Klägers, mit denen er in einem Zeitungsartikel zitiert worden sei. Es sei überzogen und unsachlich, wenn er das Vorgehen des Oberbürgermeisters mit dem Wort „abspeisen“ würdige und durch den Hinweis auf ein Verlangen nach Akteneinsicht Misstrauen säe. Auch habe er durch die Nichtbeachtung des Verwaltungswegs bei Einreichung seiner Petition im November 1995 versucht, über die Mitglieder des Stadtrats in unlauterer Weise Druck auf die Verwaltung auszuüben. Unangemessen seien seine Ausführungen, mit denen er den dem Oberbürgermeister angelasteten Verstoß gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO ohne Not mit Straftaten verglichen habe. Das belege, dass der Kläger nicht immer das rechte Maß finde, angemessen auf möglicherweise zu Recht von ihm beanstandete Situationen zu reagieren. Aus seinem Prozessverhalten, insbesondere der Begründung von Ablehnungsgesuchen gegenüber zuständigen Richtern aus dem März und Mai 2003 werde seine Eigenschaft deutlich, einem Anliegen in unverhältnismäßiger, teils aggressiver und beleidigender Art Ausdruck zu verleihen.

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(2) Ob diese Würdigung dem Recht des Klägers auf freie Meinungsäußerung(Art. 5 Abs. 1 GG) und/oder seinem Petitionsrecht (Art. 17 GG und Art. 35 SächsVerf iVm. § 12 SächsGemO) ausreichend Rechnung trägt, kann dahinstehen. Auch wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, musste das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag nicht stattgeben.

43

(a) Das fragliche Schreiben vom 11. September 1995 hat die Beklagte zum Anlass genommen, dem Kläger eine Ermahnung auszusprechen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass dieser Vorfall aus ihrer Sicht einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit nicht entgegen steht. Äußerungen des Klägers anlässlich prozessualer Ablehnungsgesuche hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen. Das gilt ebenso für eine in der rechtlichen Argumentation des Klägers mitschwingende „Überheblichkeit“. Aus der Art und Weise der Prozessführung eines als beratender Jurist beschäftigten Arbeitnehmers in einem eigenen Kündigungsrechtsstreit lässt sich nicht ohne Weiteres auf dessen Auftreten in Rechtsstreitigkeiten schließen, die er für seinen Arbeitgeber zu führen hat. Umstände, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Das Landesarbeitsgericht hat sich - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - auch mit einem Brief des Klägers an die Prozessbevollmächtigten in Sachen R GmbH auseinandergesetzt und - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre - gemeint, ihm komme kein zu verallgemeinerndes Gewicht zu. Auch die Vielzahl der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten und der Vorwurf der Revision, der Kläger habe selbst in aussichtsloser Lage Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vorinstanzen eingelegt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es steht dem Kläger frei, den Rechtsweg auszuschöpfen.

44

(b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, zu Lasten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass diese mit der Kündigung und den sie begleitenden Umständen maßgeblich zu den Spannungen zwischen den Parteien beigetragen habe, ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass es dem Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf von ihm selbst herbeigeführte Auflösungsgründe zu berufen(vgl. Senat 2. Juni 2005 - 2 AZR 234/04 - zu II 2 e aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 51; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56, 59). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht die Kündigung - auch im Hinblick auf die umfangreichen Unterhaltspflichten des Klägers - als „rigide“ bewertet und dies damit begründet hat, weder habe der Kläger Kritik hinsichtlich seiner beratenden und prozessbegleitenden Tätigkeit erfahren, noch sei ihm ausreichend Gelegenheit zur Verhaltensänderung gegeben worden. Auch die Würdigung, in der Entbindung des Klägers von seiner Stellung als Amtsleiter liege eine unverhältnismäßige Reaktion, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere angesichts des Verlangens, der Kläger möge seine Absetzung gemeinsam mit dem Oberbürgermeister in der Verwaltung bekannt geben. Zu Unrecht rügt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht sei hinsichtlich dieser Erwägung der Verpflichtung zur Neubewertung des Sachverhalts nach der Aufhebung seines ersten Urteils durch den Sächsischen Verfassungsgerichtshof nicht ausreichend gerecht geworden. Auch wenn es Passagen aus dem aufgehobenen Urteil zu großen Teilen wörtlich wiederholt und lediglich eine vom Verfassungsgerichtshof bemängelte Passage ausgelassen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme, es habe den Sachverhalt keiner erneuten und eigenständigen rechtlichen Überprüfung unterzogen. Im Übrigen hat auch die Beklagte den Rechtsstreit nicht mit der gebotenen Sachlichkeit geführt, soweit sie dem langjährig als Rechtsanwalt tätigen Kläger die fachliche Kompetenz abgesprochen und behauptet hat, er habe im Rechtsstreit mit der R GmbH „abstruse“ Rechtsauffassungen vertreten.

45

(c) Die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts, angesichts der Möglichkeit der Beklagten, auf das Verhalten des Klägers durch eindeutige Regelungen und sachliche Anweisungen steuernd einzuwirken, sei durchaus eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu erwarten gewesen, ist vertretbar. Ihr steht nicht entgegen, dass es bestimmte Verhaltensauffälligkeiten des Klägers dessen Persönlichkeitsstruktur zugeschrieben hat. Darin läge allenfalls dann ein Widerspruch, wenn es von einer mangelnden Steuerbarkeit des beanstandeten Verhaltens ausgegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Ebenso wenig kann den Äußerungen des Klägers zum Weisungsrecht des Oberbürgermeisters entnommen werden, er sei nicht(mehr) gewillt, diese zu befolgen. Seine Äußerung, er werde künftige Weisungen ggf. gerichtlich überprüfen lassen, war erkennbar durch die unerwartete Konfrontation mit der Kündigungsabsicht der Beklagten bedingt und berechtigt nicht zu der Annahme, er werde sich auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eindeutigen Regelungen und Anweisungen verschließen. Das entsprach im Übrigen der Einschätzung des Personalrats, der die Äußerung und Begleitumstände unmittelbar wahrgenommen hatte.

46

dd) Das Landesarbeitsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen oder fehlerhaft gewichtet.

47

(1) Zu Unrecht rügt die Revision, es habe sich nicht mit der Beleidigung eines seinerzeit zuständigen Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht auseinandergesetzt. Die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung ist nicht zu erkennen.

48

(2) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe eine im Schriftsatz des Klägers vom 10. April 2003 enthaltene Äußerung über ihren Oberbürgermeister übergangen, derzufolge dieser „seine Kommunalerfahrung in einem Rechtssystem erworben hatte, bei dem die sogenannte sozialistische Gesetzlichkeit eine Nachgiebigkeit des Rechts für politische Ziele erforderte“, hat sie es versäumt darzulegen, wann und wo sie diese Äußerung zum Gegenstand ihres Auflösungsbegehrens gemacht hatte.

49

(3) Auf Äußerungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. April 2006 und in einer Eingabe an den Regierungspräsidenten vermag die Beklagte ihren Auflösungsantrag schon deshalb nicht zu stützen, weil sie die Zeit nach dem 31. März 2005, dem Ende des Prognosezeitraums, betreffen.

50

(4) Das Landesarbeitsgericht hat nicht den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG als einer neben § 626 BGB bestehenden Lösungsmöglichkeit des Arbeitgebers verkannt, soweit es dem am 16. März 2005 verfassten Schreiben des Klägers wegen der alsbaldigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr beigemessen hat. Das Schreiben war unmittelbar an den amtierenden Oberbürgermeister gerichtet. Eine Außenwirkung kam ihm nicht zu. Der Kläger befasste sich darin überwiegend mit aus seiner Sicht vorliegenden Amtspflichtverletzungen des Amtsvorgängers. Eine Mitverantwortung des Adressaten stellte er allenfalls unter dem Aspekt unterbliebener Mitarbeiterverantwortung „in den Raum“. Anders als die Beklagte meint, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, das Schreiben habe sie trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes des Arbeitsverhältnisses zu einer fristlosen Kündigung berechtigt und müsse daher erst recht als Auflösungsgrund taugen.

51

Unschädlich ist, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht näher mit der Frage befasst hat, ob die Äußerungen des Klägers sein vorangegangenes Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen. Der Kläger hat das Schreiben mit dem Hinweis darauf eingeleitet, dass er „am letzten Tag, an dem mich der Arbeitsvertrag den Bürgern dieser Stadt zum Einsatz für das Gemeinwohl verpflichtet, … das Résumée ziehen (könne)“. Dies spricht dafür, dass er sich seiner Mäßigungspflicht im bestehenden Arbeitsverhältnis durchaus bewusst war und sie auch bei tatsächlicher Beschäftigung beachtet hätte.

52

(5) Ein Auflösungsgrund ergibt sich ebenso wenig aus dem Vorbringen des Klägers zur Erstellung des „Hausbriefs“ vom 30. August 1995, von dem er unter Vorlage einer bereits auf den 6. August 1995 datierten Ausfertigung behauptete, ihn schon Anfang August dem Oberbürgermeister zugeleitet zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, insoweit fehle es an hinreichenden Indiztatsachen für einen vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Klägers. Dem Gericht sei aus eigener Erfahrung bekannt, dass es seinerzeit(1995) bei der Verwendung einer bestimmten, auch von der Beklagten genutzten Software häufig zu programmtechnisch bedingten Fehlern bei Formatierungen und Datierungen gekommen sei. Dem Kläger habe - zumal sehr viel später - die (richtige) Datierung des Briefs auf den 30. August 1995 nicht mehr bewusst sein müssen. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe diesen Gesichtspunkt nur nach einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis berücksichtigen dürfen, ist unbegründet. Die Beklagte übersieht, dass sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Juni 2006 auf mögliche programmtechnische Fehler bei der automatischen Erzeugung des Datums im „Hausbrief“ berufen hatte, ohne dass sie dem entgegen getreten wäre. Unter diesen Umständen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das Landesarbeitsgericht das klägerische Vorbringen mit eigenem Wissen vergleicht. Seine Würdigung lässt nicht erkennen, dass es dabei die ausdrückliche Behauptung des Klägers, das Dokument am 6. August 1995 und nicht erst am 30. August 1995 erstellt zu haben, übergangen hätte. Es brauchte in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Einzelheiten des Vorbringens der Parteien einzugehen, zumal die Behauptung des Klägers einen Irrtum auf seiner Seite nicht ausschließt. Die Beklagte führt im Übrigen selbst an, der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 20. August 2003 „klarstellend“ erklärt, seine Angaben zu einer „vermuteten Absendung des Hausbriefs nahe bei dem 6. August 1995“ seien „ein für Jedermann erkennbarer Irrtum“ gewesen. Der späteren Modifizierung dieses Vorbringens ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Möglichkeit eines Irrtums nunmehr gänzlich ausschließen wollte.

53

II. Fehlt es an einem Auflösungsgrund iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, kann offen bleiben, ob der Beklagten ein Auflösungsantrag überhaupt zu Gebote stand. Darauf, ob die Kündigung vom 24. Oktober 1995 aus sonstigen Gründen unwirksam war, wie der Kläger gemeint hat, kommt es nicht an.

54

1. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung nicht auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist(Senat 28. Mai 2009 - 2 AZR 949/07 - Rn. 15; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Dabei führt das Vorliegen eines anderen Unwirksamkeitsgrundes iSv. § 13 Abs. 3 KSchG nicht zur Unzulässigkeit des Auflösungsbegehrens wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung. Es mangelt dem Begehren vielmehr an einer materiellen Voraussetzung des § 9 Abs. 1 KSchG wie beim Fehlen von Auflösungsgründen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch. Auf eine bestimmte Prüfungsreihenfolge sind die Gerichte gesetzlich nicht festgelegt. Liegt nur eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KSchG nicht vor, ist der Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet. Einer Erörterung weiterer Voraussetzungen bedarf es dann nicht.

55

2. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass der Kläger beantragt hat, die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass ihr Auflösungsantrag „wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung als unzulässig und unbegründet“ abgewiesen werde. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abweisung des Auflösungsantrags aus einem bestimmten rechtlichen Grund. Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt(vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1). In diesem Rahmen sind die Gerichte in der rechtlichen Beurteilung frei und nicht an die von den Parteien vorgebrachte rechtliche Begründung gebunden. Im Übrigen hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit bereits entschieden, dass die von § 28 Abs. 3 SächsGemO geforderte Herstellung des Einvernehmens mit dem Stadtrat keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gegenüber einem Gemeindebediensteten darstellt(Urteil vom 27. September 2001 - 2 AZR 389/00 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13).

56

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil nicht beschwert.

57

I. Die Anschlussrevision stellt, obwohl nicht Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, ein Angriffsmittel dar, mit dem der Anschlussrevisionskläger eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebt (BGH 11. März 1981 - GSZ 1/80 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 80, 146). Dies setzt eine Beschwer des Anschlussrevisionsklägers durch das angefochtene Berufungsurteil voraus (zB Senat 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B IV der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu I 2 der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155; BGH 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - zu II der Gründe mwN, LM ZPO § 556 Nr. 29).

58

II. Die Beschwer eines sich gegen den Auflösungsantrag des Arbeitgebers verteidigenden Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Beschwer einer beklagten Partei gelten. Es kommt darauf an, ob das angefochtene Urteil seinem Inhalt nach für ihn nachteilig ist, er also mit dem Rechtsmittel eine für ihn günstigere Entscheidung herbeiführen kann(vgl. BGH 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99 - zu I 3 der Gründe mwN, BGHZ 144, 242). Das bestimmt sich allein nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH 16. April 1996 - XI ZR 302/95 - zu II 3 der Gründe, NJW-RR 1996, 828). An einer Beschwer fehlt es, wenn sich das Rechtsmittel allein gegen die Urteilsbegründung wendet und die Partei dieselbe Entscheidung nur mit einer anderen Begründung erstrebt (BGH 17. Dezember 2003 - IV ZR 28/03 - zu II 1 der Gründe mwN, NJW-RR 2004, 724; 2. Dezember 1982 - IVb ZR 638/80 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 82, 246).

59

III. Danach liegt auf Seiten des Klägers eine Beschwer nicht vor.

60

1. Der Kläger strebt zwar, wie er vor dem Senat klargestellt hat, mit der begehrten Abweisung des Auflösungsantrags als „unzulässig“ nicht etwa - zu seinen eigenen Lasten - ein bloßes Prozessurteil an. Er will vielmehr erreichen, dass das Auflösungsbegehren der Beklagten aus einem bestimmten Grund - wegen „sonstiger Unwirksamkeit“ der Kündigung vom 24. Oktober 1995 und insoweit va. wegen eines Verstoßes gegen § 28 Abs. 3 SächsGemO - abgewiesen wird. Hinsichtlich der Wirkung seiner materiellen Rechtskraft unterscheidet sich das angefochtene von dem erstrebten Urteil jedoch nicht. Die Gründe für die Abweisung eines Auflösungsantrags nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil. Noch weniger sind sie etwa im Tenor des Urteils auszusprechen. Der Kläger hat mit der Abweisung des gegnerischen Auflösungsantrags durch das Landesarbeitsgericht voll obsiegt. Mehr könnte er mit seiner Revision nicht erreichen.

61

2. Der Kläger kann eine Beschwer durch das angefochtene Urteil nicht aus der Zurückweisung seiner Anschlussberufung durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2003 herleiten. Dieses Urteil ist insoweit rechtskräftig.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 iVm. § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    K. Schierle    

                 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. Juli 2011 - 9 Sa 1174/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. Juli 2010 - 14 Ca 17608/09 - als unbegründet zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Auflösungsantrag der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen im Bereich IT-Beratung und Systemintegration. Der Kläger ist bei ihr seit 2006 als Diplominformatiker/Softwareentwickler tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb besteht ein Betriebsrat.

3

Am 13. Mai 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, nachdem dieser die Teilnahme an einer Veranstaltung, die der Überprüfung seines Kenntnisstands in der Programmiersprache Java dienen sollte, verweigert hatte. Dagegen hat sich der Kläger - erfolglos - mit einer in einem Vorprozess erhobenen Klage gewandt.

4

Am 2. November 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung und Schlechterfüllung seiner Arbeitspflicht an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Mit Schreiben vom 12. November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich verhaltensbedingt zum 31. Dezember 2009.

5

Am 2. Dezember 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil ein am 20. November 2009 übergebenes Programmierergebnis trotz Nachbearbeitung zahlreiche Fehler aufgewiesen habe. Am 11. Dezember 2009 erteilte sie ihm eine weitere Abmahnung wegen Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen.

6

Am 7. Dezember 2009 hörte sie den Kläger zum dringenden Verdacht des Arbeitszeitbetrugs an, nachdem dieser für den 4. Dezember 2009 unterschiedliche Angaben zu seinen Arbeitszeiten gemacht hatte.

7

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen Schlechtleistung außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010. Gleichzeitig stellte sie den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit zwei Schreiben vom 28. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - ebenfalls nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats - wegen Schlechtleistung und Arbeitszeitbetrugs außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010.

8

Am 1. Februar 2010 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte ein. Dem Gesuch, mit dem er die vorläufige Zahlung von Arbeitsentgelt begehrte, fügte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung bei. Dort heißt es:

        

„Seit 12.11.2009 werde ich mit insgesamt 7 (!) Arbeitgeberkündigungen bombardiert, denen der Betriebsrat jeweils widersprochen hat, soweit er angehört wurde.“

9

Im Termin übergab der Kläger eine weitere eidesstattliche Versicherung. Darin berichtigte er seine früheren Angaben dahingehend, dass der Betriebsrat den Kündigungen vom 28. Dezember 2009 nicht widersprochen habe.

10

Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 und vom 26. Februar 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich. Unter dem 22. März 2010 kündigte sie ein weiteres Mal fristlos.

11

Der Kläger bewarb sich als Kandidat für die Betriebsratswahl am 23. April 2010. Zusammen mit den übrigen Bewerbern seiner Liste verfasste und veröffentlichte er einen Wahlaufruf folgenden Inhalts:

        

„Wir danken

        

zunächst allen, die es uns mit ihrer Unterschrift möglich gemacht haben, zu dieser Wahl anzutreten. Lange war nicht klar, ob wir die nötige Zahl an Stützunterschriften zusammenbekommen würden, weil die Geschäftsführung versucht hat, uns mit Hausverboten am Sammeln der Unterschriften zu hindern und viele angesprochene Kolleginnen und Kollegen aus Angst vor persönlichen Nachteilen nicht unterschreiben wollten.

        

…       

        

Wir fordern,

        

dass die Einschüchterungen unverzüglich aufhören.

        

…       

        

Die Mobbing-Praxis, mit Hilfe von erfundenen Sachverhalten, willkürlichen Abmahnungen, und mit deren Hilfe ebensolche Kündigungen vorzubereiten und auszusprechen, muss endlich ein Ende finden! Bei der Neuorganisation des Bereichs T wurde mehrfach so vorgegangen, das ist völlig inakzeptabel! Wer sich weigert, einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben, wird nach dem Prinzip ‚Wer nicht hört, muss fühlen‘ bestraft.

        

…       

        

Wir fordern deshalb,

        

…       

        

Schluss mit der Demütigung von Mitarbeiter/innen durch vertragsfremde Beschäftigung und untergeordnete Hilfstätigkeiten!“

12

Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde am 29. April 2010 bekannt gegeben. Der Kläger wurde nicht in den Betriebsrat gewählt.

13

Gegen die im Jahr 2009 erklärten Kündigungen hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Klage gewandt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, jedoch 7.667,00 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 31. Dezember 2009 aufzulösen.

14

Die Beklagte hat zur Begründung ihres - sich auf die ordentliche Kündigung vom 12. November 2009 beziehenden - Auflösungsantrags vorgebracht, aufgrund zahlreicher Pflichtverletzungen des Klägers sei eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien in Zukunft nicht mehr zu erwarten. Dessen falscher Vortrag im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die unzutreffende eidesstattliche Versicherung stellten einen Versuch des Prozessbetrugs dar. Der Kläger habe die Unrichtigkeit seiner Angaben zumindest billigend in Kauf genommen und dadurch das in seine Integrität gesetzte Vertrauen erheblich erschüttert. Ein weiterer Auflösungsgrund liege in den betriebsöffentlichen Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, die in dem Aufruf zur Betriebsratswahl 2010 enthalten seien. Der Kläger habe sich von den Aussagen trotz entsprechender Aufforderung nicht distanziert. Er verfüge auch nicht über die für eine gedeihliche Zusammenarbeit notwendige kritische Rollendistanz. Er werfe ihr grundlos „Mobbing“ vor, sehe selbst in einem von ihr in zweiter Instanz - erfolgreich - angebrachten Antrag auf Fristverlängerung und Verlegung eines Kammertermins einen Angriff auf seine wirtschaftliche Existenz und akzeptiere nicht einmal Weisungen, deren Berechtigung - wie im Fall der Weisung, die der Abmahnung vom 13. Mai 2009 zugrunde gelegen habe - rechtskräftig festgestellt sei.

15

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Der Auflösung des Arbeitsverhältnisses stehe bereits sein Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber entgegen. Auch seien keine Auflösungsgründe gegeben. Er sei weiterhin bereit, sich voll und ganz für das Unternehmen und die Belegschaft einzusetzen. Dies komme insbesondere durch seine Kandidatur bei der Betriebsratswahl 2010 zum Ausdruck. Der in diesem Zusammenhang verfasste Wahlaufruf stelle die Personalpolitik der Beklagten lediglich pointiert und wahrheitsgetreu dar. Im einstweiligen Verfügungsverfahren habe er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Unrichtigkeiten in seiner ursprünglichen eidesstattlichen Erklärung seien auf Missverständnisse zurückzuführen, die mit Sprachschwierigkeiten zusammenhingen.

16

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung vom 12. November 2009, noch durch die fristlosen Kündigungen vom 18. und 28. Dezember 2009 aufgelöst worden ist. Zugleich hat es das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 2009 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 20.051,46 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, den Auflösungsantrag abzuweisen. Im Übrigen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag der Beklagten nicht stattgeben. Das angefochtene Urteil war in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

18

I. Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20). An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen.

19

1. Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 21, jeweils mwN).

20

2. Die Begründetheit eines Auflösungsantrags ist grundsätzlich nach den Umständen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorlagen. Auf deren Grundlage ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, jedoch vor Erlass des (Berufungs-)Urteils bereits geendet hat. In einem solchen Fall ist das Gericht zwar nicht an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gehindert. Für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Zukunftsprognose ist aber nur der Zeitraum bis zum Eintritt der anderweitigen Beendigung zu berücksichtigen(BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 22 ff.).

21

3. Die Würdigung, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag zutreffend erkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 43, BAGE 140, 47; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 33).

22

II. Einer solchen Prüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

23

1. Das Landesarbeitsgericht nimmt mit Recht an, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger zwischenzeitlich besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG erlangt habe. Der Sonderkündigungsschutz führt, anders als die Revision meint, auch nicht dazu, dass Auflösungsgründe, die im geschützten Zeitraum entstanden sind, das Gewicht eines Kündigungsgrundes iSv. § 626 BGB erreichen müssten.

24

a) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis eines Wahlbewerbers in der Zeit von der Aufstellung des Wahlvorschlags bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur aus wichtigem Grund und zudem nur unter Einhaltung des besonderen Verfahrens nach § 103 BetrVG gekündigt werden. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG kann das Arbeitsverhältnis des nicht gewählten Bewerbers bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses weiterhin nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

25

b) Die Regelungen schließen zugleich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers im Zusammenhang mit einer Kündigung aus, die in dem geschützten Zeitraum erklärt wird. Stellt das Gericht fest, dass eine in diesem Zeitraum erklärte außerordentliche Kündigung unwirksam ist, steht die Möglichkeit, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG ohnehin ausschließlich dem Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses lediglich im Zusammenhang mit einer unwirksamen ordentlichen Kündigung und auch insoweit nur beantragen, wenn die Kündigung nicht aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit unwirksam ist (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 13; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Das wiederum ist während des Bestehens des Sonderkündigungsschutzes wegen § 15 Abs. 1, Abs. 3 KSchG stets der Fall.

26

c) Hat der Arbeitgeber vor Eintritt des Sonderkündigungsschutzes eine - sozial nicht gerechtfertigte - ordentliche Kündigung erklärt und hierauf bezogen einen Auflösungsantrag gestellt und hat der Sonderkündigungsschutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet, kommt eine - entsprechende - Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG, § 103 BetrVG nicht in Betracht. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Sonderkündigungsschutz zu dem nach § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Auflösungszeitpunkt, also bei Ablauf der Kündigungsfrist - hier dem 31. Dezember 2009 -, schon bestand, bedarf keiner Entscheidung. Dafür gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt. Zwar ist der genaue Zeitpunkt, zu dem der Wahlvorschlag für den Kläger aufgestellt war (zu den Voraussetzungen: vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 12 mwN), nicht festgestellt. Das Landesarbeitsgericht ist aber erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger erst im Jahre 2010 Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber erlangt hat. Etwas anderes hat auch keine der Parteien geltend gemacht.

27

aa) Soweit der Senat für einen Arbeitnehmer, der in den Personalrat gewählt worden war, entschieden hat, einem Auflösungsantrag, der auf einen nach der Wahl entstandenen Sachverhalt gestützt werde, könne nur stattgegeben werden, wenn dieser Sachverhalt geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben (BAG 7. Dezember 1972 - 2 AZR 235/72 - zu IX der Gründe, BAGE 24, 468; ebenso APS/Biebl 4. Aufl. § 9 KSchG Rn. 58; vHH/L/Linck 15. Aufl. § 9 Rn. 61; aA HaKo-KSchG/Fiebig 4. Aufl. § 9 Rn. 85; Hertzfeld NZA-RR 2012, 1), betraf dies - anders als hier - den Fall, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Auflösungsantrag noch Mandatsträger war. Auf eine solche Konstellation bezieht sich auch die im Schrifttum für den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes vertretene Auffassung, dass außerdem der Betriebsrat der Auflösung zugestimmt haben müsse, da andernfalls § 103 BetrVG umgangen werde(ErfK/Kiel 13. Aufl. § 9 KSchG Rn. 18; KR/Spilger 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 62; SES/Schwarze KSchG § 9 Rn. 64).

28

bb) Im Streitfall konnte eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Umgehung von § 15 Abs. 3 KSchG und § 103 BetrVG führen. Es bedurfte daher weder eines Sachverhalts, der zugleich geeignet gewesen wäre, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben, noch einer Zustimmung des Betriebsrats. Dies gilt auch, soweit der Auflösungsantrag auf während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte gestützt wird.

29

(1) Der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG soll die Unabhängigkeit von Funktionsträgern gewährleisten. Er soll sicherstellen, dass sie ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ohne Furcht vor Repressalien seitens des Arbeitgebers ausführen können. Darüber hinaus dient er der Kontinuität der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 13; KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 9, 10; vHH/L/v. Hoyningen-Huene 15. Aufl. § 15 Rn. 1). In diesem Zusammenhang soll § 15 Abs. 3 KSchG die Durchführung der Wahl erleichtern. Insbesondere sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, nicht genehme Arbeitnehmer von der Wahl auszuschließen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 13; 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 22). Die - zeitlich befristete - Ausdehnung des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses hinaus soll die „Abkühlung“ eventuell während der Wahl aufgetretener Kontroversen ermöglichen(BT-Drucks. VI/1786 S. 60).

30

(2) Hier hatte der Sonderkündigungsschutz des Klägers bei Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet. Er hatte zudem zum Zeitpunkt des möglichen Auflösungstermins noch nicht bestanden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses konnte daher weder die Tätigkeit des Klägers als Wahlbewerber noch die Kontinuität des betriebsverfassungsrechtlichen Organs beeinträchtigen.

31

(3) Der von § 15 Abs. 3 KSchG bezweckte Schutz der Unabhängigkeit des Wahlbewerbers verlangt in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht danach, während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte entweder gar nicht oder nur dann als Auflösungsgrund zu berücksichtigen, wenn sie geeignet wären, einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.

32

(a) Der Amts- bzw. Funktionsträger iSd. § 15 KSchG ist außerhalb des Schutzzeitraums in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht jedem anderen Arbeitnehmer ohne betriebsverfassungsrechtliches Mandat gleichgestellt. Nach Ablauf des Nachwirkungszeitraums kann eine ordentliche Kündigung deshalb auch auf solche Pflichtverletzungen gestützt werden, die der Arbeitnehmer während der Schutzfrist begangen hat. Das gilt uneingeschränkt jedenfalls für Handlungen, die in keinem Zusammenhang zur Wahlbewerbung stehen (vgl. BAG 13. Juni 1996 - 2 AZR 431/95 - zu II 1 e der Gründe). Für die Heranziehung entsprechender Sachverhalte als Auflösungsgrund kann nichts anderes gelten.

33

(b) Stehen die behaupteten Tatsachen, die die Auflösung begründen sollen, mit der Kandidatur in Verbindung, ist der Arbeitnehmer hinreichend geschützt, wenn dieser Aspekt bei der materiellen Bewertung des geltend gemachten Auflösungsgrundes angemessen Berücksichtigung findet. Wirkt sich der fragliche Umstand etwa - wie bei der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Wahlbewerbers - ausschließlich im kollektiven Bereich aus, liegt von vornherein kein tragfähiger Auflösungsgrund iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Im anderen Fall muss berücksichtigt werden, dass Arbeitnehmer durch die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Funktionen leichter mit ihren arbeitsvertraglichen Pflichten in Konflikt geraten können. Es bedarf deshalb im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG einer genauen Prüfung, welche Bedeutung das im geschützten Zeitraum eingetretene Ereignis nach dem Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes für die zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien tatsächlich hat.

34

2. Auch ausgehend von diesem rechtlichen Rahmen durfte das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Das gilt unabhängig von der Frage, ob das Gericht in Anbetracht der zum 31. März 2010 erklärten ordentlichen Kündigungen vom 28. Dezember 2009 und weiterer, dem Kläger nach dem in Rede stehenden Auflösungstermin zugegangener Kündigungen vom richtigen Prognosezeitraum ausgegangen ist.

35

a) Als Auflösungsgrund grundsätzlich geeignet sind Beleidigungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen. Auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen können - etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen - die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit in Frage stellen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22). Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Falsche Tatsachenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst(BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19). Äußerungen, die ein Werturteil enthalten, fallen hingegen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 18; 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21). In diesem Fall ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegen die betroffenen Grundrechte des Arbeitgebers abzuwägen und mit diesen in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen. Im Rahmen der Abwägung fällt die Richtigkeit des Tatsachengehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19; 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1). Meinungsäußerungen, die auf einer gesicherten Tatsachenbasis beruhen, hat der Arbeitgeber eher hinzunehmen, als solche, bei denen sich der Arbeitnehmer auf unzutreffende Tatsachen stützt.

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b) Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312). Die Meinungsfreiheit muss jedoch regelmäßig dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 23; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 93, 266). Das gilt auch bei der Teilnahme an einer Betriebsratswahl. Der Arbeitgeber muss nicht deshalb Beleidigungen oder Schmähungen hinnehmen, weil ein Arbeitnehmer damit Stimmen für seine Kandidatur gewinnen will (ähnlich BAG 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zu II 3 b der Gründe). Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - aaO; BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, aaO; BGH 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - zu II 4 a der Gründe).

37

c) Soweit in einem laufenden Gerichtsverfahren - etwa im Kündigungsschutzprozess - Erklärungen abgegeben werden, ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12). Parteien dürfen zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Parteien dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - aaO mwN).

38

d) Gemessen daran trägt die bisherige Begründung des Berufungsurteils die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe mit dem Wahlaufruf unzutreffende Behauptungen im Betrieb verbreitet, welche das „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ der Beklagten verletzten. Er habe damit seine gegenüber der Beklagten bestehenden Pflichten zur Rücksichtnahme in einem Umfang verletzt, der eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lasse. Bei dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt.

40

(1) Für die Frage, ob und in welcher Weise in Fällen wie diesem die betroffenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind, ist maßgebend, ob die fragliche Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist. Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert. Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21; 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - zu B II 1 b der Gründe, BVerfGE 90, 241). Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich entscheidend nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht (zum Ganzen: BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 1 BvR 527/13 - Rn. 18).

41

(2) Danach handelt es sich bei der im Wahlaufruf - sinngemäß - enthaltenen Aussage, die Beklagte betreibe „Mobbing“, indem sie auf der Grundlage erfundener Sachverhalte willkürliche Abmahnungen und Kündigungen ausspreche, nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Vorwürfe des „Mobbings“ und der „Willkür“ als solche sind erkennbar das Ergebnis einer wertenden Betrachtung. Der Hinweis, die Beklagte spreche Abmahnungen und Kündigungen „auf der Basis erfundener Sachverhalte“ aus, stellt keine - isolierte - Tatsachenbehauptung dar. Die Äußerung bildet lediglich die tatsächliche Grundlage für das Werturteil und ist daher mit der Meinungsäußerung untrennbar verbunden. Die im Wahlaufruf enthaltenen Äußerungen fallen damit sämtlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und hätten mit den ggf. betroffenen Grundrechten der Beklagten - insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG(vgl. BVerfG 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25 mwN) - in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden müssen. Dies hat das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - unterlassen.

42

(3) Die Meinungsfreiheit des Klägers muss nicht deshalb zurücktreten, weil die Inhalte des Wahlaufrufs als bloße Diffamierung anzusehen wären. Bei den Äußerungen stand nicht eine Schmähung oder Beleidigung der Beklagten oder ihrer Repräsentanten, sondern die - wenngleich überspitzte und polemische - Darstellung der betrieblichen Verhältnisse zum Zwecke des laufenden Betriebsratswahlkampfs im Vordergrund. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Kläger nach dem Ende des Wahlkampfs an seinen Äußerungen festgehalten hat. Damit hat er - anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht seine Meinungsäußerung in der Betriebsöffentlichkeit aufrechterhalten, sondern im Rahmen des Rechtsstreits seinen Standpunkt - bezogen auf ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten - verteidigt und damit berechtigte eigene Interessen wahrgenommen.

43

bb) Auch die Berücksichtigung der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Auflösungsgrund ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat den vorgetragenen Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt. Es hat die - unstreitige - Tatsache, dass der Kläger seine Versicherung bereits wenige Tage später korrigierte, nicht in seine Erwägungen einbezogen. Hätte es diesen Umstand berücksichtigt, hätte es nicht ohne Weiteres annehmen können, der Kläger werde es auch in Zukunft „mit der Wahrheit nicht so genau nehmen“.

44

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht einen Auflösungsgrund in der mangelnden Bereitschaft des Klägers erblickt hat zu akzeptieren, dass die Beklagte ihm am 13. Mai 2009 eine - wie durch rechtskräftiges Urteil bestätigt - rechtmäßige Weisung erteilt habe, ist nicht erkennbar, von welchen Tatsachen es dabei ausgegangen ist. Dass der Kläger die entsprechende Weisung auch nach Abschluss des wegen der Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte geführten Rechtsstreits nicht befolgt hätte, hat es nicht festgestellt. Aus einem möglichen Fehlen der inneren Akzeptanz auf Seiten des Klägers ergeben sich - soweit ersichtlich - keine negativen Auswirkungen für die weitere Zusammenarbeit.

45

dd) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei deshalb nicht zu erwarten, weil sich der Kläger selbst durch Terminverlegungsanträge des Prozessbevollmächtigten der Beklagten angegriffen fühle und dieser unterstelle, sie dienten nur dazu, ihn auf unzulässige Weise unter Druck zu setzen und ihn existenziell zu ruinieren, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das gilt gleichermaßen für die Annahme, der Kläger sei, wie der wiederholte Vorwurf des „Mobbings“ zeige, nicht in der Lage, „das Handeln des Arbeitgebers in einem auch nur halbwegs objektiven Licht zu sehen“. Das Landesarbeitsgericht hat außer Acht gelassen, dass die Äußerungen im Rahmen eines kontrovers geführten Rechtsstreits gefallen sind. In einem solchen „Kampf um das Recht“ war dem Kläger auch die Behauptung möglicherweise ehrverletzender Tatsachen erlaubt, soweit es aus seiner Sicht darauf ankommen konnte (vgl. BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 29). Das war hier der Fall. Der Kläger wollte auf diese Weise ersichtlich nur seine subjektive Wahrnehmung schildern, um seiner Rechtsauffassung besonderen Nachdruck zu verleihen.

46

III. Ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

47

1. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Äußerungen im Wahlaufruf keine Abwägung zwischen dem Grundrecht des Klägers auf freie Meinungsäußerung und betroffenen Grundrechten der Beklagten oder ihrer Repräsentanten vorgenommen. Dies hat es nachzuholen. Dabei wird es genau prüfen müssen, in welchen eigenen Rechtspositionen sich die Beklagte als verletzt sieht und ob diese grundrechtlichen Schutz genießen (vgl. dazu BVerfG 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25). Bei dieser Abwägung wird auch der Wahrheitsgehalt der Tatsachen zu ermitteln sein, die der Meinungsäußerung nach dem Vorbringen des Klägers zugrunde liegen. Dabei sind - anders als das Landesarbeitsgericht bislang angenommen hat - nicht nur ganze „Sachverhaltskomplexe“ zu berücksichtigen. Auch wenn sich - ggf. nach einer Beweisaufnahme - nur einzelne Tatsachen als unzutreffend herausstellen sollten, auf die die Beklagte Abmahnungen und/oder Kündigungen gestützt hat, wäre dies im Rahmen der Gesamtabwägung zugunsten des Klägers zu gewichten.

48

2. Für die Würdigung, ob die Äußerungen im Wahlaufruf geeignet sind, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, wird das Landesarbeitsgericht zudem zu prüfen haben, ob die Gefahr einer Wiederholung besteht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist eine solche nicht erkennbar. Die Betriebsratswahl ist abgeschlossen, der Kläger hat die Funktion des Wahlbewerbers nicht mehr inne. Dass künftig dennoch mit gleichen oder ähnlichen Meinungsäußerungen zu rechnen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

49

3. Sollte das Landesarbeitsgericht in der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung auch unter Berücksichtigung ihrer nachträglichen Korrektur weiterhin einen möglichen Auflösungsgrund sehen, wird es noch festzustellen haben, ob dem Kläger insoweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Diese Unterscheidung ist entscheidungserheblich. Fahrlässigkeit wird die Beklagte in diesem Zusammenhang eher hinzunehmen haben als Vorsatz.

50

4. Gelangt das Landesarbeitsgericht - ggf. unter Einbeziehung weiteren Sachvortrags der Beklagten - erneut zu dem Ergebnis, es lägen „an sich“ geeignete Auflösungsgründe vor, wird es zu prüfen haben, von welchem Prognosezeitraum auszugehen ist. Zwar steht - soweit ersichtlich - nicht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer der weiteren Kündigungen der Beklagten nach dem 31. Dezember 2009 geendet hat. Darauf kommt es aber nicht an. Ist der Eintritt einer anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar möglich, steht er aber nicht mit Gewissheit fest, muss das zur Entscheidung über den Auflösungsantrag berufene Gericht ggf. eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Eintritts treffen und daran die Prüfung nach § 9 KSchG ausrichten(vgl. BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 241/12 - Rn. 18; 27. April 2006 - 2 AZR 360/05 - Rn. 29, BAGE 118, 95). Stellt sich heraus, dass das Arbeitsverhältnis aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Termin der mündlichen Verhandlung geendet hätte, sind bei der nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorzunehmenden Gesamtabwägung auch nur die Auflösungstatsachen zu berücksichtigen, die im maßgebenden Beurteilungszeitraum eingetreten sind.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Wolf    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)