Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 7 Sa 95/18

bei uns veröffentlicht am20.11.2018
vorgehend
Arbeitsgericht Nürnberg, 16 Ca 3627/17, 01.02.2018

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 01.02.2018 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus dem AGG.

Der Beklagte betreibt u.a. eine Schule mit den Klassenstufen 1 bis 13.

Der Beklagte gab unter dem 13.06.2017 ein Stellenangebot ab. Darin suchte er

- Klassenlehrer/in (m/w)

- Fachlehrer/in Mathe/Physik (m/w) (volles Deputat und Teildeputat)

- Fachlehrer/in Englisch (Ober- und Unterstufe) (m/w) (Teildeputat)

- Fachlehrer/in Biologie/Chemie/Geographie (m/w) (Teildeputat)

- Fachlehrerin Sport (w)

- Fachlehrer/in Technologie 11. Klasse (m/w) (4 Stunden)

- Fachlehrer/in Eurythmie (m/w) (6-9 Stunden).

Der Kläger bewarb sich am 13.06.2017 auf die Stelle der Sportlehrerin.

Unter dem 19.06.2017 teilte der Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

. . .

leider suchen wir eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen der Oberstufe.

Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2017 Ansprüche des Klägers auf Entschädigung wegen Diskriminierung zurückgewiesen hatte, erhob der Kläger am 04.07.2017 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg, mit der er geltend macht, er sei wegen seines Geschlechts benachteiligt worden, und eine Entschädigung in Höhe von 13.500,00 € forderte.

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Endurteil vom 01.02.2018 ab. Das Erstgericht begründete dies u.a. damit, dass der Kläger nach den Bestimmungen des bayerischen Kultusministeriums für Sportunterricht die Aufgaben eines Sportlehrers in den Klassen 5 und 6 nur mit einer Ausnahmegenehmigung, in den Klassen 7 bis 10 im Basissportunterricht gar nicht und in der Kollegstufe in den Fächern Basketball, Fußball, Handball und Geräteturnen nur mit Ausnahmegenehmigung wahrnehmen könnte.

Das Urteil wurde dem Kläger am 08.03.2018 zugestellt.

Der Kläger legte gegen das Urteil am 15.03.2018 Berufung ein und begründete sie am 27.03.2018.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG verstoßen. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts sei nicht gemäß § 8 AGG gerechtfertigt. Die Rechtsansicht des Bayerischen Kultusministeriums laufe dem AGG zuwider. Derartige Vorgaben könnten keinen Rechtfertigungsgrund nach § 8 AGG bilden. Außerdem sie die Stelle nicht jahrgangsbezogen ausgeschrieben worden.

Der Kläger macht geltend, die Tätigkeit eines Sportlehrers sei geschlechtsneutral. So sei auch die Hilfestellung beim Sport nicht ausgeschlossen. Es gebe auch männliche Bademeister, die im Rahmen ihrer Tätigkeit weibliche Badegäste zu retten hätten. Es sei geschlechtsneutral, wer im Rahmen einer Hilfestellung einen Schüler berühre. Derartige Berührungen erfolgten auch nicht im Intimbereich, sondern im Schulter-/Armbereich. Ein mögliches Unbehagen könne sowohl bei einem Schüler als auch bei einer Schülerin auftreten, das Geschlecht der Schüler und der Lehrer spiele keine Rolle. So wäre es auch möglich, dass männliche Schüler nicht von einem männlichen Lehrer berührt werden wollten, da sie die Empfindung hätten, dass sie heterosexuell und nicht homosexuell seien. Auch der Umstand, dass ein Lehrer die Umkleideräume betreten können müsse, stelle keine Anforderung im Sinne des § 8 AGG dar. Es sei nicht einzusehen, weshalb eine Sportlehrerin kein Schamgefühl auslösen sollte, wenn sie den Umkleideraum betrete. Dies hänge unabhängig vom Geschlecht des Lehrers mit dem jeweiligen Befinden des Schülers zusammen. Dazu komme, dass es sich bei der Frage des Betretens der Umkleideräume um eine theoretische Möglichkeit handle, die in der Praxis nicht vorkomme.

Folgte man der Ansicht des Beklagten, dürfe es keinen männlichen Frauenarzt, keinen männlichen Masseur usw. geben.

Der Kläger beantragt,

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg zum Geschäftszeichen 16 Ca 3627/17 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.500,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 01.02.2018, Az: 16 Ca 3627/17 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte macht geltend, er hätte den Kläger für die ausgeschriebene Stelle nicht einstellen dürfen, weil er damit gegen geltende Recht, insbesondere gegen den Lehrplan für bayerische Schulen verstoßen hätte. Wenn er, der Beklagte, sich nicht an die Vorgaben halte, sei mit einem Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu rechnen. Er hätte den Kläger nicht einstellen können, ohne den Widerruf der Genehmigung für den Betrieb der Schule zu riskieren. Zudem hätte er keine staatlichen Zuschüsse für den Kläger erhalten. Der bayerische Landesgesetzgeber habe im Rahmen seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, zu regeln, dass der Sportunterricht geschlechtsspezifisch erteilt werde. Nach dem LehrplanPLUS für bayerische Schulen werde der Basissportunterricht in nach Geschlechtern getrennten Sportklassen unterrichtet. Mädchen würden danach von weiblichen, Jungen von männlichen Sportlehrkräften unterrichtet.

Der Beklagte führt aus, der Sportlehrer müsse nicht nur bei bestimmten sportlichen Übungen, z.B. Bockspringen oder dergleichen Hilfestellung geben und dabei die Mädchen anfassen. Er müsse auch in den Umkleideräumen für Ordnung sorgen und dazu gegebenenfalls die Umkleideräume betreten.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 2 b) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 bis 3 ArbGG.

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zu, §§ 7 Absatz 1, 15 Absatz 2 AGG.

Allerdings liegt im Sinne des § 3 Absatz 1 eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts vor.

Die Bewerbung des Klägers auf die Stelle eines Sportlehrers beim Beklagten ist nicht berücksichtigt worden, weil der Kläger männlich ist, der Beklagte für den Sportunterricht der Schülerinnen aber nur Sportlehrerinnen beschäftigt.

Es liegt indes eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen vor, § 8 Absatz 1 AGG.

Allerdings stellt allein der Umstand, dass der staatliche Lehrplan vorsieht, dass im Basissport weibliche Lehrkräfte Mädchen und männliche Lehrkräfte Jungen zu unterrichten haben, keine Anforderung im Sinne des § 8 Absatz 1 AGG dar.

Zum einen bestehen bereits Zweifel daran, dass der Beklagte verpflichtet ist, die in den staatlichen Lehrplänen enthaltenen Grundsätze zu übernehmen. Gemäß Art. 92 Absatz 5 BayEUG findet lediglich Art. 45 Absatz 1 Satz 3 BayEUG Anwendung, nicht indes die gesamte Vorschrift, insbesondere nicht Art. 45 Absatz 2 und 3 BayEUG. Vielmehr bestimmt Art. 90 Satz 2 BayEUG, dass die privaten Schulen im Rahmen der Gesetze frei in der Entscheidung über eine besondere pädagogische, religiöse oder weltanschauliche Prägung, über Lehr- und Erziehungsmethoden, über Lehrstoff und Formen der Unterrichtsorganisation sind.

Darüber hinaus ist auch der Lehrplan an § 8 Absatz 1 AGG zu messen. Das AGG ist den Lehrplänen gegenüber höherrangiges Recht.

Demgemäß ist entscheidend, ob die geforderte Gleichgeschlechtlichkeit von Lehrkräften und Schülern eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Absatz 1 AGG darstellt.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ist nach § 8 Absatz 1 AGG zulässig, wenn „dieser Grund“ wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Allerdings muss - wenn dies auch in § 8 Absatz 1 AGG nicht wortwörtlich zum Ausdruck kommt - nach der bei der Auslegung heranzuziehenden Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Das Merkmal, das im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründe steht, -oder sein Fehlen - kann nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Absatz 1 AGG sein, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 22.05.2014 - 8 AZR 622/13; juris). Abzustellen ist auf die konkret vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die sich nach dem vom Arbeitgeber festgelegten Unternehmenskonzept richtet. Das vom Arbeitgeber geforderte Merkmal muss, um wesentlich sein zu können, für die vom Arbeitgeber vorgegebene berufliche Anforderung eine prägende Bedeutung haben, wobei es nicht darauf ankommt, welcher zeitliche Anteil der Tätigkeit betroffen ist, sondern darauf, ob das Merkmal für die Erreichung des unternehmerischen Zwecks erforderlich ist. Das Differenzierungsmerkmal darf nicht nur für unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Tätigkeiten notwendig sein (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 18.03.2010 - 8 AZR 77/09; juris).

Gemessen an diesen Kriterien stellt das Geschlecht bei Sportlehrern ein Merkmal dar, von dem die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit, also vor allem des Sportunterrichts abhängt.

Dabei ist weniger darauf abzustellen, dass die Notwendigkeit eintreten kann, dass eine Lehrkraft die Umkleideräume betritt. Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, da eine Lehrkraft auch eine Aufsichtspflicht hat. Die Aufsichtspflicht ist indes im Verhältnis zur eigentlichen Lehrtätigkeit nur von untergeordneter Bedeutung.

So hat es nach dem Sachvortrag des Klägers, der seinem Bekunden nach bereits seit 13 Jahren als Sportlehrer tätig ist, keinen einzigen Fall gegeben, in dem es erforderlich war, den Umkleideraum zu betreten, um der Aufsichtspflicht nachzukommen. Aus dem Sachvortrag des Beklagten ergibt sich nicht, dass und in welchem Umfang dies anders ist.

Entscheidend für die Tätigkeit eines Sportlehrers ist vielmehr der Sportunterricht.

Anders als bei den außerhalb des Sports bestehenden Lehrfächern ist der Sportunterricht durch besondere Körperlichkeit geprägt. Dies bezieht sich zum einen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Schüler, zum anderen darauf, dass beim Sportunterricht körperliche Kontakte erforderlich sind, vor allem wenn es darum geht, beim Geräteturnen Hilfestellung zu geben. Diese beschränkt sich nicht nur auf den Schulter- und Armbereich. Vielmehr erstreckt sie sich, z.B. beim Turnen am (Stufen) Reck oder (Stufen) Barren auch auf das Gesäß. Dies kann für beide Seiten - den Schüler wie den Lehrer - unangenehm sein.

Gerade bei Mädchen prägt sich das Schamgefühl ab Beginn der Pubertät stärker aus, was einerseits dazu führt, dass körperliche Berührungen durch das andere Geschlecht schneller als unangemessen empfunden werden, andererseits solchen Berührungen eine Bedeutung zugemessen werden kann, die weder beabsichtigt ist noch objektiv über den Zweck der Hilfestellung hinausgeht.

Dazu kommt, dass körperliche hormonelle Umstellungen bzw. damit verbundene Unpässlichkeiten, z.B. Menstruationsbeschwerden, sich auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken können, was ungern mit einem männlichen Sportlehrer erörtert wird.

Aus diesen Gründen kommt das erkennende Gericht zu der Auffassung, dass ein ordnungsgemäßer Sportunterricht bei Mädchen voraussetzt, dass die Lehrkraft weiblich ist.

Die Berufung blieb deshalb erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 7 Sa 95/18

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim
Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 20. Nov. 2018 - 7 Sa 95/18 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen


(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. März 2010 - 8 AZR 77/09

bei uns veröffentlicht am 18.03.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Dezember 2008 - 16 Sa 236/08 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. Dezember 2008 - 16 Sa 236/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger ein Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei der Bewerberauswahl zusteht.

2

Die Beklagte ist eine Stadt mit ca. 53.000 Einwohnern. Mit Inserat vom 3. März 2007 schrieb sie in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten aus. Die Anzeige lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Die Stadt N sucht Sie frühestmöglich als

        

GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE

        

Ihre Aufgaben

        

-       

Mitwirkung an der Umsetzung des Verfassungsauftrages der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Stadt N und innerhalb der Stadtverwaltung. Zu diesem Zweck bietet die Gleichstellungsbeauftragte kompetente und engagierte Hilfe und Unterstützung bei sämtlichen frauen- und gleichstellungsrelevanten Fragestellungen an.

        

-       

Die Gleichstellungsbeauftragte hat einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehört die Analyse, Entwicklung von Lösungsansätzen, Beratung und Initiierung von Maßnahmen.

        

-       

Die Gleichstellungsbeauftragte unterstützt die Verwaltung und die Politik bei frauen- und gleichstellungsrelevanten Entscheidungen.

        

-       

Sie entwickelt und initiiert Maßnahmen mit dem Ziel des Abbaus von Benachteiligungen, insbesondere zu frauen- und mädchenrelevanten Themen.

        

-       

Die Gleichstellungsbeauftragte arbeitet im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages mit sämtlichen frauenrelevanten Organisationen, Initiativen und Institutionen zusammen und stellt Öffentlichkeit für die entsprechenden Fragen her. Einer der Schwerpunkte liegt in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen, sowohl in der Initiierung von Projekten und Beratung/Betreuung von Gruppen als auch in der Einzelberatung.

        

-       

Die Gleichstellungsbeauftragte berät Bürgerinnen und Bürger in Gleichstellungsfragen und bietet Unterstützung in Fällen von Frauendiskriminierung.

        

Wir erwarten

        

-       

ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium oder eine vergleichbare Ausbildung in einer pädagogischen bzw. geisteswissenschaftlichen Fachrichtung,

        

-       

nachweisbare Erfahrung in der aktiven Frauenarbeit,

        

-       

Beratungserfahrung und Methodenkompetenz,

        

-       

ein hohes Maß an Engagement, Kooperations- und Konfliktfähigkeit,

        

-       

rhetorische Stärken.

        

…“   

        
3

Wegen des hohen Anteils ausländischer, vor allem muslimischer Frauen an der Wohnbevölkerung sollte sowohl finanziell als auch zeitlich ein Schwerpunkt der Tätigkeit in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen liegen und zwar in der Initiierung von Projekten, der Beratung und Betreuung von Gruppen und in der Einzelberatung. Diese spezielle Ausrichtung der Stelle war im Rahmen der hausinternen Diskussion bei der Beklagten in den politischen Ausschüssen bereits vor der Ausschreibung deutlich geworden und Gegenstand struktureller politischer Entscheidungen. Eine Gelegenheit, bei der die Gleichstellungsbeauftragte Kontakt zu muslimischen Frauen herstellen und die sie zur Integrationsarbeit nutzen soll, ist das jährlich stattfindende Fest „türkischer Frauen“, bei dem Männer nicht zugelassen sind. Eines der von der Gleichstellungsbeauftragten zu betreuenden Projekte ist das „Frauenschwimmen“ für Musliminnen, bei dem diese in einem abgeschotteten Raum des Hallenbades unter sich bleiben und in Abwesenheit von Männern schwimmen können.

4

Mit Schreiben vom 5. März 2007 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle. Er verfügt über ein mit dem Titel Diplomkaufmann abgeschlossenes Betriebswirtschaftsstudium und ein Fernstudium der Volkswirtschaftslehre mit dem Abschluss als Diplomvolkswirt. Vom 1. August 2001 bis zum 31. Mai 2007 war er bei der R AG tätig und dort seit 13. Januar 2004 ordentliches Betriebsratsmitglied. In diesem Rahmen erfüllte der Kläger ua. die Aufgaben eines stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten.

5

Mit Schreiben vom 20. März 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine Bewerbung habe nicht berücksichtigt werden können und begründete dies ua. wie folgt:

        

„... Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden kann.

        

Die Niedersächsische Gemeindeordnung gibt vor, dass das Amt der Gleichstellungsbeauftragten nur durch eine Frau besetzt werden darf. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfordern die tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten es derzeit noch, dass die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sich überwiegend um die Belange der weiblichen Bevölkerung kümmern werden, denn sie ist es, die aufgrund der strukturellen Rahmenbedingungen nicht immer eine gleichberechtigte Stellung erlangen kann. Der in der Niedersächsischen Verfassung enthaltene Auftrag zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen erfordert unter den gegenwärtigen Gegebenheiten Maßnahmen, die überwiegend durch frauenfördernde Elemente gekennzeichnet sind.

        

Wie ich des weiteren Ihren Bewerbungsunterlagen entnehme, erfüllen Sie außerdem nicht die in der Stellenausschreibung geforderten Anforderungen.“

6

§ 5a der Niedersächsischen Gemeindeordnung(NGO) idF vom 28. Oktober 2006 lautet auszugsweise:

        

„(1)

Gemeinden, die nicht Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden sind, haben eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die Gleichstellungsbeauftragten der kreisfreien Städte, der großen selbständigen Städte, der Landeshauptstadt Hannover und der Stadt Göttingen sind hauptberuflich zu beschäftigen.

        

…       

        
        

(4)

Die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten hat das Ziel, zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern beizutragen. Sie wirkt nach Maßgabe der Absätze 6 und 7 an allen Vorhaben, Entscheidungen, Programmen und Maßnahmen mit, die Auswirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Anerkennung der gleichwertigen Stellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft haben. Zur Verwirklichung der in Satz 1 genannten Zielsetzung, insbesondere zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, kann sie Vorhaben und Maßnahmen anregen, die

                 

1.   

die Arbeitsbedingungen innerhalb der Verwaltung,

                 

2.   

personelle, wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes der Gemeinde oder

                 

3.   

Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft

                 

betreffen. Der Rat kann der Gleichstellungsbeauftragten weitere Aufgaben zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern übertragen. …

        

(5)

Die Gleichstellungsbeauftragte ist unmittelbar der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister unterstellt. …“

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. April 2007 ließ der Kläger einen Entschädigungsanspruch iHv. 8.500,00 Euro gegenüber der Beklagten wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend machen.

8

Mit seiner am 23. Mai 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung von 8.500,00 Euro verlangt. Er meint, die Beklagte habe ihn mit der geschlechtsbezogenen Ausschreibung der Stelle und der entsprechend begründeten Ablehnung seiner Bewerbung unzulässig wegen seines Geschlechts benachteiligt. Er sei für die Stelle objektiv geeignet und entspreche dem Anforderungsprofil. Insbesondere habe er mit seinen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen die geforderte geisteswissenschaftliche Ausbildung absolviert. Soweit § 5a NGO vorsehe, das Amt der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, sei dies europarechtswidrig. Die Höhe der ihm zu zahlenden Entschädigung habe sich an drei Monatsgehältern entsprechend einem Mittelwert der Entgeltstufe der Entgeltgruppe 11 des TVöD/VKA Anlage A zu orientieren.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.500,00 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. April 2007 zu zahlen, hilfsweise ab Klageerhebung.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Sie vertritt die Ansicht, die Ausschreibung der Stelle ausschließlich für eine Frau sei gerechtfertigt, weil das weibliche Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte sei. Zudem sei der Kläger für die Stelle auch deshalb objektiv nicht geeignet, weil er die in der Stellenanzeige weiter geforderten Voraussetzungen nicht erfülle. Weder könne er Erfahrungen in der aktiven Frauenarbeit vorweisen noch seien seine wirtschaftswissenschaftlichen Studienabschlüsse als geisteswissenschaftliche zu qualifizieren. Darüber hinaus verlange § 5a NGO die Bestellung einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zu.

14

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG, weil er durch die Ablehnung seiner Bewerbung nicht unzulässig wegen seines Geschlechts benachteiligt worden sei. Es fehle allerdings nicht offensichtlich an seiner fachlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle; auch sei sein Geschlecht mitursächlich für die unterbliebene Berücksichtigung seiner Bewerbung gewesen. Die Beschränkung der Bewerberauswahl für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten auf Frauen sei nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt, weil das weibliche Geschlecht hierfür keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle. Die Beschränkung des Amtes auf Frauen und damit § 5a NGO seien als positive Maßnahme nach § 5 AGG zulässig.

15

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger hat keinen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gegen die Beklagte.

16

1. Der Kläger gilt als Beschäftigter, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. Satz 2 AGG, ohne dass es hierfür darauf ankäme, ob er für die Position des Gleichstellungsbeauftragten objektiv geeignet ist. Die objektive Eignung eines Bewerbers ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(offengelassen BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis(vgl. unter II 3 a bb (1), anders noch zu § 611a BGB: BAG 12. November 1998 - 8 AZR 365/97 - BAGE 90, 170 = AP BGB § 611a Nr. 16 = EzA BGB § 611a Nr. 14; 27. April 2000 - 8 AZR 295/99 - BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2). Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (BAG 27. April 2000 - 8 AZR 295/99 - aaO), kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung des Klägers nicht ernsthaft war, bestehen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.

17

2. Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. § 15 AGG, weil sie als Gebietskörperschaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist und Arbeitnehmer beschäftigt, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 AGG.

18

3. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 AGG setzt voraus, dass der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen hat(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - mwN, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ihm eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG zuzurechnen ist, die nicht aufgrund der §§ 8 bis 10 AGG oder nach § 5 AGG zulässig ist.

19

a) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

20

aa) Der Kläger wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn seine Bewerbung wurde abgelehnt, ohne dass er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die hierin liegende Versagung der Chance auf Einstellung stellt eine ungünstige Behandlung dar unabhängig davon, ob eine Einstellung andernfalls erfolgt wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; zur Benachteiligung im Verfahren auch: BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

21

bb) Die ungünstigere Behandlung des Klägers erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

22

(1) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die Position des Gleichstellungsbeauftragten geeignet war, denn vergleichbar(nicht: gleich!) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Hinsichtlich der genauen Verortung der Frage der objektiven Eignung sind Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich. Teilweise wird sie als Voraussetzung der Aktivlegitimation des Bewerbers angesehen (LAG Rheinland-Pfalz 11. Januar 2008 - 6 Sa 522/07 - LAGE AGG § 15 Nr. 3; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3) oder dies jedenfalls erwogen (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1), teilweise im Rahmen des Begriffs der Benachteiligung bei § 3 Abs. 1 AGG geprüft(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15, 18, vgl. aber auch § 6 Rn. 10; Adomeit/Mohr NZA 2007, 179, 182; wohl auch Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; für einen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit der RL 2000/78/EG: BAG 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - NZA 2006, 1217). Jedenfalls aber wird überwiegend zu Recht für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wird (so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler aaO; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter aaO; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1, das die mangelnde Eignung im Ergebnis als Einwendung des Anspruchsgegners begreift). Könnte nämlich ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, wenn für den Arbeitgeber auch das verbotene Merkmal ein Motiv der unterbliebenen Einstellung war, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, der nicht darin besteht, eine unredliche Gesinnung des(potentiellen) Arbeitgebers zu sanktionieren, sondern vor ungerechtfertigter Benachteiligung zu schützen. Dabei ist es naheliegender, nach dem Inkrafttreten des AGG an die Legaldefinition des § 3 Abs. 1 AGG anzuknüpfen, der ausdrücklich von dem Erfordernis einer vergleichbaren Situation spricht, als die objektive Eignung als ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft zu begreifen. Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger § 3 Rn. 15, anders aber § 6 Rn. 10; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers (ebenso Bauer/Göpfert/Krieger § 3 Rn. 15, 18; ähnlich Däubler/Bertzbach-Däubler aaO), die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (ebenso mit anderem Ausgangspunkt: Schiek/Kocher § 22 Rn. 24, 25). Damit ist gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei zu entscheiden hat, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebietet(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - mwN, aaO), aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen kann (vgl. Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Däubler aaO, die deshalb ein erhebliches bzw. offenkundiges Eignungsdefizit verlangen). Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürfen des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind. Ebenfalls keinen Einfluss auf die Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situation kann aus gesetzessystematischen Erwägungen das Vorliegen des verbotenen Merkmals selbst haben. Ob an dessen Fehlen bzw. Vorliegen ausnahmsweise angeknüpft werden darf, ist nicht für den Tatbestand der Benachteiligung, sondern allein für deren mögliche Rechtfertigung nach den §§ 8 bis 10 AGG und § 5 AGG relevant.

23

(2) Soweit das Landesarbeitsgericht die objektive Eignung des Klägers bejaht, hält dies unter Beachtung der dargelegten Maßstäbe einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Zu Recht lässt das Landesarbeitsgericht dahinstehen, ob die vom Kläger abgeschlossenen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge als geisteswissenschaftlich zu qualifizieren sind. Für die Frage, ob ein Bewerber geeignet ist, die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten wahrzunehmen, mag es eine Rolle spielen, ob er überhaupt eine Ausbildung abgeschlossen und im Rahmen einer solchen gelernt hat, Probleme zu analysieren und systematische Lösungen zu erarbeiten. Auf bestimmte, im Rahmen eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums nicht vermittelte Inhalte dagegen kam es auch der Beklagten nicht an, denn sie hat mit der allgemein gehaltenen Formulierung „... in einer pädagogischen bzw. geisteswissenschaftlichen Fachrichtung“ gerade nicht konkret vorhandenes Fachwissen zur Voraussetzung gemacht, sondern höchstens rein technische Ausbildungsgänge ausgeschlossen. Der objektiven Eignung des Klägers steht auch nicht entgegen, dass er nicht über Erfahrungen in der „aktiven Frauenarbeit“ verfügte. So war er unstreitig über einen Zeitraum von über drei Jahren im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit mit Gleichstellungsfragen betraut. Dies impliziert „aktive Frauenarbeit“, weil er sich dabei zwangsläufig auch mit geschlechtsspezifischen Problemen von Frauen im Zusammenhang mit deren Erwerbstätigkeit zu befassen hatte. Im Übrigen ist die nach Ansicht der Beklagten hiermit angesprochene Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Frauengruppen für die Position der Gleichstellungsbeauftragten zwar sicher hilfreich und von ihr erwünscht. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Vorerfahrungen für die zu erbringenden Tätigkeiten so zwingend sind, dass die Beklagte die Einstellung einer nicht über sie verfügenden Bewerberin gar nicht in Betracht gezogen hätte.

24

cc) Die Benachteiligung des Klägers erfolgte ausweislich der Begründung der Beklagten im Ablehnungsschreiben und nach ihren schriftsätzlichen Darlegungen wegen seines Geschlechts. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Dies ist hier der Fall, obwohl die Beklagte davon ausging, durch § 5a NGO schon formell an der Einstellung eines Mannes gehindert zu sein. Sie hat nämlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die ihrer Ansicht nach dem § 5a NGO zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung teilt, wonach die gesellschaftlichen Bedingungen die Besetzung des Amtes mit einer Frau erfordern. Außerdem hält sie eine solche wegen der auf der ausgeschriebenen Stelle zu leistenden Integrationsarbeit für zwingend nötig. Dass sie zudem der Auffassung ist, der Kläger entspreche auch nicht den Anforderungen des Stellenprofils, ändert an der geschlechtsbezogenen Benachteiligung des Klägers nichts, weil das verbotene Merkmal für die Auswahlentscheidung lediglich mitursächlich gewesen sein muss.

25

b) Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung des Klägers wegen seines Geschlechts nach § 8 Abs. 1 AGG. Das weibliche Geschlecht ist für die zu besetzende Stelle wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung, deren Zweck rechtmäßig und die angemessen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 12. November 1998(- 8 AZR 365/97 - BAGE 90, 170 = AP BGB § 611a Nr. 16 = EzA BGB § 611a Nr. 14).

26

aa) § 8 Abs. 1 AGG stellt mit dem Erfordernis, das Merkmal nach § 1 AGG müsse eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit darstellen, nach der Rechtsprechung des Senats(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1) inhaltlich keine geringeren Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung als § 611a BGB in der bis 17. August 2006 geltenden Fassung. Dieser hat für die Zulässigkeit der Differenzierung nach dem Geschlecht verlangt, dass dieses unverzichtbare Voraussetzung für die Erbringung der Tätigkeit ist. Dementsprechend kann das Geschlecht nur dann iSd. § 8 Abs. 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bilden, wenn die Tätigkeit ohne das Merkmal jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Abzustellen ist auf die konkret vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die sich nach dem vom Arbeitgeber festgelegten Unternehmenskonzept richtet (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - aaO). Das vom Arbeitgeber geforderte Merkmal muss um wesentlich sein zu können, für die vom Arbeitgeber vorgegebene berufliche Anforderung eine prägende Bedeutung haben, wobei es nicht darauf ankommt, welcher zeitliche Anteil der Tätigkeit betroffen ist, sondern darauf, ob das Merkmal für die Erreichung des unternehmerischen Zwecks erforderlich ist. Das Differenzierungsmerkmal darf nicht nur für unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Tätigkeiten notwendig sein (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - aaO).

27

bb) Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers auch aufgrund seines Geschlechts nicht schon deshalb nach § 8 AGG zulässig ist, weil § 5a NGO die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau gebietet. § 5a NGO verwendet durchgehend die weibliche Form „Gleichstellungsbeauftragte“ und „Vertreterin“, während im Übrigen beide grammatikalische Formen Verwendung finden - etwa „der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister“ in § 5a Abs. 5 NGO. Diese gesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht des Stelleninhabers führt jedoch nicht zwingend zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme. Diese ist ihrerseits nur wirksam, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts die europarechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(Neufassung) - und damit auch des § 8 AGG - inhaltlich erfüllt sind und die Beschränkung im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verfassungsgemäß ist(v. Roetteken AGG Stand Januar 2010 § 8 Rn. 43; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 8 Rn. 6).

28

cc) Ob § 5a NGO mit Europarecht(insbesondere der RL 2006/54/EG), Art. 33 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vereinbar ist, kann aber offenbleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob das weibliche Geschlecht generell für das Amt der nach § 5a NGO zu bestellenden kommunalen Gleichstellungsbeauftragten iSd. § 8 Abs. 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt(verneinend für die nach der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens zu bestellende Gleichstellungsbeauftragte mit dem dort festgelegten Aufgabenbereich: BAG 12. November 1998 - 8 AZR 365/97 - BAGE 90, 170 = AP BGB § 611a Nr. 16 = EzA BGB § 611a Nr. 14), sondern, ob dies im Hinblick auf die konkret von der Beklagten gesuchte Gleichstellungsbeauftragte der Fall ist. Dies ist nach dem Stellenzuschnitt zu bejahen.

29

(1) Die von der Beklagten gesuchte Gleichstellungsbeauftragte soll an der Umsetzung des Verfassungsauftrages der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Stadt und in der Stadtverwaltung mitwirken. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sollen in der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen liegen. Diese Integrationsarbeit, die unstreitig insbesondere Musliminnen betrifft, soll im Rahmen der Initiierung von Projekten und der Beratung von Gruppen sowie der Einzelberatung erfolgen. Außerdem soll die Gleichstellungsbeauftragte zum Abbau von Benachteiligungen Maßnahmen insbesondere zu frauen- und mädchenrelevanten Themen entwickeln. Sie soll mit allen frauenrelevanten Organisationen, Initiativen und Institutionen zusammenarbeiten und Unterstützung bei Frauendiskriminierung bieten.

30

(2) Zur Erbringung eines Teils dieser Tätigkeiten ist das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung, weil sie von einem Mann nicht ausgeübt werden könnten, ohne den verfolgten Zweck zu gefährden. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken(so auch BAG 12. November 1998 - 8 AZR 365/97 - BAGE 90, 170 = AP BGB § 611a Nr. 16 = EzA BGB § 611a Nr. 14) und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Etwas anderes gilt aber für die Projekte und Beratungsangebote zur Integration zugewanderter Frauen. Zwar haben viele Musliminnen keine Schwierigkeiten, mit Männern zu kommunizieren. Diese Frauen bedürfen in der Regel aber auch keiner integrativen Angebote. Musliminnen dagegen, deren Alltagsleben von traditionellen Mustern und Rollenverteilungen geprägt ist und die gerade deshalb mit integrativen Angeboten erreicht werden sollen, haben zum einen aufgrund kultureller Vorverständnisse Schwierigkeiten, sich an einen Mann zu wenden und werden zum anderen häufig unter einem erhöhten Rechtfertigungsdruck seitens ihres familiären und gesellschaftlichen Umfeldes stehen, wenn sie an einem von einem Mann geleiteten Projekt teilnehmen möchten. Auch wenn die Gleichstellungsbeauftragte nicht selbst das Projekt leitet, wird sie doch häufig die erste Ansprechpartnerin für Interessentinnen sein. So wäre etwa der Erfolg des Frauenschwimmens deshalb nicht nur gefährdet, wenn der Kläger als Gleichstellungsbeauftragter es selbst betreuen würde, sondern bereits wenn er als dessen Initiator in Erscheinung träte, etwa indem er telefonisch Auskunft zu Schwimmzeiten oder Kosten erteilte. Noch deutlicher zeigt sich die Notwendigkeit des weiblichen Geschlechts der Gleichstellungsbeauftragten im Bereich der vorgesehenen Beratung. Voraussetzung für die Wahrnehmung von Beratungsangeboten ist die Kenntnis von diesen. Nach dem unstreitigen und damit dem Revisionsurteil zugrunde zu legenden Vortrag der Beklagten leistet die Gleichstellungsbeauftragte intensive Integrationsarbeit im Rahmen von Veranstaltungen türkischer Frauen, zu denen Männer keinen Zutritt haben. Schon die Kontaktaufnahme wäre also für einen männlichen Gleichstellungsbeauftragten deutlich erschwert. Zugewanderte Frauen und Mädchen, die tatsächlich der Beratung bedürfen, wird es zudem in aller Regel sehr schwer fallen, sich einem Mann zu offenbaren, zumal ihre Probleme häufig gerade mit der Vormachtstellung männlicher Familienmitglieder in traditionell ausgerichteten muslimischen Familien zusammenhängen - etwa im Hinblick auf Fragen der Selbstbestimmung bei der Wahl von Schul- und Ausbildungsplatz, des allgemeinen Lebensstils, der Eheschließung oder der Geburtenkontrolle.

31

Auch im Bereich der vorgesehenen Zusammenarbeit mit frauenrelevanten Organisationen, Initiativen und Institutionen wäre der verfolgte Zweck bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet. „Frauenrelevante Organisationen“ sind ganz überwiegend solche, deren Arbeit sich auf negative Erfahrungen von Frauen und Mädchen mit Männern gründet, etwa Frauenhäuser, Anlaufstellen für sexuell missbrauchte Mädchen, Frauennotrufe oder berufliche Frauennetzwerke. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung muss davon ausgegangen werden, dass diese Organisationen die Kooperation mit einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten nicht nur bevorzugen, sondern mit einem männlichen Gleichstellungsbeauftragten gar nicht zusammenarbeiten möchten oder können. Soweit die Gleichstellungsbeauftragte nach dem Stellenprofil konkrete Unterstützung in Fällen von Frauendiskriminierung leisten soll, ist zwar nicht für jede Fallgestaltung zwingend, dass sich eine potentiell diskriminierte Frau nicht auch an einen männlichen Gleichstellungsbeauftragten wenden würde. Solche Fallgestaltungen sind aber - etwa im Bereich sexueller Belästigungen oder aufgrund geschlechtsbezogener persönlicher Herabsetzungen - möglich und bilden einen Teil des Aufgabenbereichs.

32

(3) Das weibliche Geschlecht ist für die von der Beklagten vorgegebene berufliche Anforderung prägend und betrifft nicht nur unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Arbeiten. Auf der Integrationsarbeit liegt nach dem von der Beklagten erstellten Stellenprofil ein Schwerpunkt der Tätigkeit und der Zusammenarbeit mit frauenrelevanten Organisationen und der Unterstützung in Fällen von Frauendiskriminierung kommt jedenfalls keine nur untergeordnete Bedeutung zu.

33

(4) Der von der Beklagten vorgenommene, das weibliche Geschlecht bedingende Stellenzuschnitt begegnet keinen Bedenken. Die Bestimmung des spezifischen beruflichen Tätigkeitsbereichs und der daraus abzuleitenden beruflichen Anforderungen ist Teil der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Unternehmerfreiheit(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes obliegt es dem Dienstherrn, die Dienstposten nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten auszugestalten (BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 ua. - mwN, NVwZ 2008, 69; BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - mwN, aaO). Um die Anforderungen von Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1 AGG sicherzustellen, muss der verfolgte unternehmerische Zweck zudem rechtmäßig sein, darf also nicht gegen eine Verbotsnorm verstoßen, und die gestellte Anforderung muss angemessen sein. Dies bedingt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen dem verfolgten unternehmerischen Zweck einerseits und dem Nachteil für den Beschäftigten oder Bewerber andererseits (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 35; BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - aaO).

34

Aufgabe der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ist es, im Rahmen der gemeindlichen Tätigkeit das verfassungsrechtliche Gleichberechtigungsgebot umzusetzen. Zielgruppe dieser Tätigkeit sind deshalb vor allem die Einwohner der Gemeinde. Dementsprechend hat nach § 5a NGO die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zum Ziel. Insoweit kann diese Maßnahmen anregen, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen. Außerdem wirkt sie an allen Vorhaben, Entscheidungen und Maßnahmen mit, die Auswirkungen auf die Anerkennung der gleichwertigen Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft haben. Die konkrete Gleichstellungspolitik obliegt dabei den Gemeinden. Wegen der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG können sie die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten im Einzelnen ausgestalten und Prioritäten in deren Tätigkeit setzen, um so auf örtliche Besonderheiten zu reagieren(BVerfG 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228; VGH Nordrhein-Westfalen 15. Januar 2002 - 40/00 - NVwZ 2002, 1502). Es begegnet insofern keinen Bedenken, wenn die Beklagte aufgrund ihres hohen Anteils zugewanderter Frauen an der Bevölkerung einen Schwerpunkt in der Integrationsarbeit mit ausländischen Frauen setzt, denn diese betrifft Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (vgl. hierzu LAG Niedersachsen 3. November 2003 - 5 Sa 70/03 E - ZTR 2004, 308) und dient der Anerkennung der gleichwertigen Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft. Ebenso kann die Gemeinde die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten mit der Übertragung einer Sachbearbeitung für besondere Frauenfragen verbinden (Galette in: KVR SH-GO Stand November 2009 § 2 Rn. 43). Insofern konnte die Beklagte auch das Stellenprofil dahingehend zuschneiden, dass die Gleichstellungsbeauftragte insbesondere Maßnahmen zu frauen- und mädchenrelevanten Themen entwickeln und besonders mit frauenrelevanten Organisationen, Initiativen und Institutionen zusammenarbeiten soll.

35

Der verfolgte Zweck, die Integration zugewanderter Frauen zu fördern und diese im Rahmen von Gruppen- und Einzelberatung zu unterstützen sowie gezielt der Diskriminierung von Frauen entgegenzuwirken, ist rechtmäßig, denn er verstößt nicht gegen eine Verbotsnorm.

36

Zur Erreichung dieses Zwecks ist es angemessen, den Bewerberkreis für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten auf Frauen zu beschränken. Die Abwägung der getroffenen Grundrechte und des europäischen Primärrechts(vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1) ergibt, dass der männlichen Bewerbern damit zugefügte Nachteil im Hinblick auf den verfolgten Zweck verhältnismäßig ist. Wegen der nach Art. 12 GG geschützten Unternehmerfreiheit kann der Arbeitgeber grundsätzlich bestimmen, welchen unternehmerischen Zweck er verfolgt(BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124). Um den Schutz der Rechte des Bewerbers nach Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG zu gewährleisten, hat jedoch eine Missbrauchskontrolle stattzufinden. Deshalb kann der Arbeitgeber das Vorhandensein eines in § 1 AGG genannten Merkmals nicht verlangen, wenn er in willkürlicher Weise einen Arbeitsplatz eingerichtet hat, für dessen Besetzung gerade ein in § 1 AGG genanntes Merkmal unverzichtbar ist(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - mwN, aaO). Liegt dem Unternehmenskonzept eine bestimmte Erwartung Dritter zugrunde, darf diese nicht ihrerseits diskriminierend sein (Däubler/Bertzbach-Brors § 8 Rn. 13). Insoweit ist davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und ihnen kein diskriminierender Charakter innewohnt (Bauer/Göpfert/Krieger § 8 Rn. 29, 30; v. Roetteken § 8 Rn. 56; Adomeit/Mohr § 8 Rn. 32, 34). Gleiches gilt, wenn ein Vertrauensverhältnis zu einer bestimmten Gruppe erforderlich ist und dieses erfordert, dass der fragliche Arbeitnehmer selbst dieser Gruppe angehört (ebenso Däubler/Bertzbach-Brors aaO; Adomeit/Mohr § 8 Rn. 35, 37), wie dies der Fall ist, wenn Opfer von Diskriminierung beraten und betreut werden (v. Roetteken § 8 Rn. 65).

37

Der Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Frauen, Art. 1, 2 GG und - bezüglich zugewanderter Frauen - der Zweck diese und damit auch deren Kinder gesellschaftlich zu integrieren, überwiegen nach diesen Grundsätzen das Interesse männlicher Bewerber, die Stelle zu erhalten. Die Motivation ausländischer Frauen, die der Beratung und Integration bedürfen, von Opfern von Frauendiskriminierung und von frauenspezifischen Organisationen, eine Frau als Ansprechpartner zu wünschen, ist nicht ihrerseits diskriminierend. Sie beruht zum Teil auf Schamgefühl oder darauf, dass es den Betroffenen leichter fällt, einer Frau zu vertrauen bzw., dass sie einer Frau aufgrund deren Geschlechts ein besseres Verständnis für ihre geschlechtsspezifischen Probleme zutrauen. Diese Wertung deckt sich mit der des Senats in der Entscheidung vom 12. November 1998(- 8 AZR 365/97 - BAGE 90, 170 = AP BGB § 611a Nr. 16 = EzA BGB § 611a Nr. 14), wonach es einer Gemeinde überlassen bleibt, über die jeweilige Gemeindeordnung hinausgehende geschlechtsspezifische Voraussetzungen für die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten zu schaffen und diese insbesondere vorliegen können, wenn Betreuungssituationen im Verhältnis zu Bürgerinnen auftreten, die ausschließlich von Frauen wahrgenommen werden können.

38

Auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG bestehen keine Bedenken gegen die von der Beklagten getroffene Auswahlentscheidung. Ein dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unterfallendes Merkmal kann als Eignungsmerkmal iSd. Art. 33 Abs. 2 GG nämlich ausnahmsweise herangezogen werden, wenn aufgrund der Anforderungen des Amtes Bewerber ohne die fragliche Eigenschaft ungeeignet sind und besondere verfassungsrechtliche Gründe für die Schaffung eines solchen Amts sprechen(Dreier/Masing Grundgesetz-Kommentar 2. Aufl. Bd. 2 Art. 33 Rn. 46). Diese Voraussetzungen sind - wie oben dargelegt - erfüllt (ebenso generell für das Amt der kommunalen Frauenbeauftragten Dreier/Masing aaO).

39

dd) Der Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung nach § 8 AGG wegen der konkret zu leistenden Tätigkeit steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Ablehnung des Klägers im Schreiben vom 20. März 2007 schwerpunktmäßig nicht hiermit, sondern formal mit § 5a NGO begründet hat. Dies gölte auch dann, wenn diese Norm unwirksam sein sollte. Anders als im verwaltungsrechtlichen Verfahren ist die Verkennung eines Ermessensspielraums für die Rechtfertigung nach § 8 Abs. 1 AGG unschädlich, wenn dessen Voraussetzungen objektiv vorliegen und der öffentliche Arbeitgeber sich bei seiner Auswahlentscheidung jedenfalls auch auf den unter § 8 AGG zu subsumierenden Sachverhalt beruft. Auf die teilweise unzutreffende Begründung einer tatsächlich gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung kann ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gestützt werden.

40

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    R. Koglin    

        

    Mallmann    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)