Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. März 2010 - 2 Sa 674/09

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2010:0304.2SA674.09.0A
bei uns veröffentlicht am04.03.2010

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.09.2009 - 4 Ca 463/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung.

2

Der Kläger ist am 11.09.1943 geboren. Er war niedergelassener Facharzt für Kardiologie mit eigener Praxis in C-Stadt. Er verkaufte die Praxis einschließlich Gerätschaft und Goodwill an den eingetragenen Verein A. A. A-Stadt. Dieser Verein hält die Anteile der beklagten Gesellschaft zu 100 Prozent. Der Kläger gab seine vertragsärztliche Zulassung zugunsten des von der Beklagten betriebenen medizinischen Versorgungszentrums auf.

3

Am 14.08.2008 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Dienstvertrag, wonach er ab 01.01.2009 in seiner Eigenschaft als Facharzt für Kardiologie angestellt wurde. Der Dienstvertrag war zunächst zeitlich befristet bis 30.06.2009. Im Praxiskaufvertrag hatte der Kläger vereinbart, dass er in den ersten drei Monaten Vollzeit tätig und in den folgenden drei Monaten in Teilzeit tätig ist. Ferner ist dort vereinbart, dass der Kläger die Möglichkeit hat, das Teilzeitarbeitsverhältnis für weitere sechs Monate fortzuführen, sofern er dies bis zum 15.05.2009 schriftlich erklärt. Diese Option übte der Kläger mit Schreiben vom 16.03.2009 aus. Seine Vergütung während der Vollzeitbeschäftigung betrug 7.300,00 EUR, während der Teilzeitbeschäftigung 4.050,00 EUR.

4

Der Kläger ist seit Jahren Mitglied im Zulassungsausschuss für Ärzte/Psychotherapeuten für den Zulassungsbezirk A.-Stadt der Kassenärztlichen Vereinigung. Dieses Gremium beschließt unter anderem über die Zulassung und die Ermächtigung von Ärzten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.

5

Nachdem der Kardiologe Dr. P. einen Antrag auf Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gestellt hatte, wurden betroffene Ärzte des Bezirkes A-Stadt von der Kassenärztlichen Vereinigung angefragt, ob ein lokaler Versorgungsbedarf und somit die Notwendigkeit für die Sonderbedarfszulassung eines Kardiologen in A-Stadt gesehen werde. In diesem Schreiben wurde der Grad der Überversorgung mit 226,9 Prozent bezeichnet. Dieses Schreiben beantwortete der ärztliche Leiter Dr. M. M. am 08.03.2009 dahingehend, dass aus seiner Sicht ein lokaler Versorgungsbedarf und damit die Notwendigkeit einer Sonderbedarfszulassung nicht bestehe. Er gab die Wartezeit für kardiologische Patienten mit acht Wochen an.

6

Am 25.03.2009 tagte der Zulassungsausschuss für Ärzte/Psychotherapeuten für den Zulassungsbezirk A-Stadt. An dieser Sitzung nahm der Kläger teil. Der Zulassungsausschuss gab dem Antrag des Dr. P. einstimmig statt.

7

Ebenfalls am 25.03.2009 tagte ohne Mitwirkung des Klägers der Ausschuss über den Antrag zur Genehmigung zur Anstellung des Dr. med. M. M. ohne Leistungsbegrenzung und die Genehmigung zur Anstellung des Klägers mit Leistungsbegrenzung ab dem 01.04.2009.

8

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 01.04.2009 das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

9

Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit am 03.04.2009 eingegangener Klage Kündigungsschutzklage erhoben.

10

Er hat vorgetragen, seine Teilnahme an der Sitzung des Zulassungsausschusses und seine Abstimmung zugunsten des Dr. P. stellten keinen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Er habe im Vorfeld der Sitzung dem ärztlichen Leiter Dr. M. mitgeteilt, dass er an der Sitzung des Zulassungsausschusses teilnehmen werde. In diesem Zusammenhang habe er auch darauf gedrängt, dass die Beklagte auf die Anfrage der Kassenärztlichen Vereinigung zur Beurteilung des Sonderbedarfs wahrheitsgemäße Angaben zu den Wartezeiten der Patienten mache.

11

Hätte die Beklagte ein entsprechendes Abstimmungsergebnis gewünscht, hätte sie mit ihm ein Vorgespräch führen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

12

Er habe nicht mit Schädigungsabsicht gehandelt, sondern allein nach objektiven Kriterien entschieden mit dem Ziel einer besseren Patientenversorgung. Die dargestellte Überversorgung von 226,9 Prozent beziehe sich auf die niedergelassenen Internisten und sage nichts über die Situation spezieller kardiologischen Versorgung aus. Wesentliches Kriterium hier sei die Wartezeit der Patienten in kardiologisch ausgerichteten Fachpraxen, diese betrage nach Erhebung des Zulassungsausschusses im Zulassungsbezirk drei bis zwölf Monate mit steigender Tendenz.

13

Die Sonderzulassung sei einstimmig erteilt worden. An dem Ergebnis hätte sich auch nichts geändert, wenn er anders abgestimmt hätte. Auch habe er nicht etwa den gesamten Ausschuss umgestimmt.

14

Wenn er sich im Jahre 2004 gegen eine Sonderbedarfszulassung ausgesprochen habe, hätte damals eine bessere Versorgungssituation bestanden.

15

Dr. C., Arbeitnehmer der A. A. e. V. und Chefarzt des A-Krankenhauses, nehme seit Jahren an den Abstimmungen des Zulassungsausschusses teil, dies auch über Ermächtigungen von Ärzten des A-Krankenhauses selbst, ohne dass jemals von einer möglichen Befangenheit die Rede gewesen sei.

16

Der Kläger hat beantragt,

17

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 01.04.2009, zugegangen am 01.04.2009, nicht aufgelöst worden ist.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie hat vorgetragen, die Teilnahme des Klägers an der Abstimmung des Zulassungsausschusses stelle eine nachhaltige und schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit dar. Der Kläger sei durch den ärztlichen Leiter der Beklagten darüber informiert worden, dass die Beklagte beabsichtige, den Sonderbedarf nicht anzuerkennen. Pflichtwidrig habe der Kläger insbesondere dadurch gehandelt, dass er in der Diskussion vor der Abstimmung aktiv sich für die Sonderzulassung ausgesprochen und auf diese Weise das Meinungsbild des Gremiums maßgeblich beeinflusst habe. Dadurch habe er die Interessen des Arbeitgebers vorsätzlich nachhaltig geschädigt. Dass er mit Schädigungsabsicht gehandelt habe, belege auch der Umstand, dass er im Jahr 2004 im Zulassungsausschuss noch gegen die Erteilung einer Sonderzulassung für einen Herr Dr. F. gestimmt habe, wohingegen er nun als angestellter Arzt einen Sonderbedarf bejahe. Offensichtlich aus Verärgerung über die Situation als angestellter Arzt unter Leitung eines jüngeren Kollegen habe er gegen die Interessen seines Arbeitgebers votiert. An der Abstimmung hätte er wegen Befangenheit nicht teilnehmen dürfen. Dr. C. demgegenüber habe am 25.03.2009 bewusst auf eine Teilnahme an der Abstimmung des Zulassungsausschusses verzichtet, um auch nur den Schein einer möglichen Interessenkollision zu vermeiden.

21

Eine Abmahnung des Klägers sei entbehrlich gewesen, weil dem Kläger bekannt gewesen sei, dass die Beklagte sich im Verfahren der Sonderbedarfszulassung ablehnend äußern würde und weil der Kläger vorsätzlich gehandelt habe. Er habe seine Loyalitätspflicht nachhaltig verletzt, weil er die Niederlassung eines Konkurrenten der Beklagten unterstützt habe.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.09.2009 verwiesen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet sei, sich jeder Konkurrenztätigkeit gegenüber seinem Arbeitgeber im selben Handelszweig zu enthalten. Verletze der Arbeitnehmer dieses Wettbewerbsverbot, sei eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt, sofern nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigten.

24

Der Kläger habe zwar nicht selbst eine Konkurrenztätigkeit aufgenommen, es jedoch ermöglicht und gefördert, dass ein Konkurrent der Beklagten den Zutritt zur Kassenärztlichen Versorgung und damit zum "Markt" erhalte und damit die Erwerbschancen der Beklagten schmälere. Dies stehe der Aufnahme einer unmittelbaren Konkurrenztätigkeit gleich. Unter Berücksichtigung aller Umstände gehe die Kammer jedoch davon aus, dass der Beklagten unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur Beendigung am 31.12.2009 zumutbar sei, weil sie es vor Ausspruch der Kündigung unterlassen habe, den Kläger wegen seiner Nebenpflichtverletzung abzumahnen und weil eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich sei. Der Kläger habe aus vertretbaren Gründen annahmen dürfen, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen. Unstreitig habe Dr. C., der im Unternehmensverbund auf Beklagtenseite beschäftigt sei, in der Vergangenheit an Sitzungen des Zulassungsausschusses teilgenommen, ohne dass dies auf Arbeitgeberseite arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Das Auftreten sei auch dann geduldet worden, wenn die Belange der Beklagten (Ermächtigung eigener Krankenhausärzte) berührt waren. Die Beklagte mache dem Kläger nicht sein unbestritten sachgerechtes Abstimmungsverhalten zum Vorwurf, sondern die Teilnahme an der Abstimmung als solche. Hierbei handele es sich aber um ein Verhalten, dass die Beklagte bzw. deren hundertprozentiger Anteilseigner in der Person des Dr. C. ohne Weiteres geduldet haben. Die Duldung der Teilnahme ihrer Arbeitnehmerinnen an Abstimmungen im Zulassungsausschuss können nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Abstimmungsverhalten wohlgefällig sein werde. Der Interessenkonflikt des Arbeitnehmers bestehe in jedem Fall. Unerheblich sei deshalb der Einwand der Beklagten, der Kläger habe auf die Entscheidung des Zulassungsausschusses zugunsten von Dr. P. maßgeblich Einfluss genommen. Duldete die Beklagte bzw. ihr Anteilseigner bislang die Teilnahme ihrer Arbeitnehmer an den Abstimmungen im Zulassungsausschuss, hätte dem Kläger eine Änderung dieser Haltung rechtzeitig vor der Abstimmung mitgeteilt werden müssen.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

26

Das Urteil wurde der Beklagten am 07.10.2009 zugestellt. Sie legte am Montag, den 09.11.2009 Berufung ein und begründete die Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis zum 07.01.20010 verlängert worden war, mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz.

27

Die Beklagte beanstandet, das Arbeitsgericht habe die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers nicht hinreichend gewürdigt. Die Pflichtverletzung sei deshalb besonders gravierend, weil die Beklagte durch ihren ärztlichen Leiter gegenüber dem Kläger eindeutig zu erkennen gegeben habe, wie die Anfrage beantwortet werde. Der Kläger habe nach diesem Gespräch gewusst, dass die Beklagte keinen Bedarf für die Zulassung eines Kardiologen zur vertragsärztlichen Versorgung befürwortete. Ungeachtet dieser Information habe der Kläger nicht nur an der Sitzung des Zulassungsausschusses als Mitglied teilgenommen, sondern ganz entscheidend daran mitgewirkt, dass sich die übrigen Ausschussmitglieder seiner Auffassung im Sinne einer Bejahung eines Sonderbedarfs angeschlossen haben. Das Arbeitsgericht hätten den Beweisanträgen auf Vernehmung der Ausschussmitglieder nachkommen müssen. Wenn die Ausschussmitglieder bestätigten, dass ausschließlich der Kläger darauf hingewirkt habe, dem Antrag auf Sonderbedarf stattzugeben, würde dies die besondere Schwere des Fehlverhaltens des Klägers bestätigen. Dem Kläger sei besondere Schädigungsabsicht zu unterstellen, durch Hinzutritt eines weiteren Konkurrenten im Wege des Sonderbedarfes werde die Vergütung der bisher an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte vermindert. Der Kläger habe durch Mitwirkung an der Genehmigung des Antrages auf Sonderbedarf dem Antragsteller Dr. P. eine "kostenlose" Möglichkeit verschafft, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen und damit in Konkurrenz zu der Beklagten zu treten. Eine Abmahnung sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht erforderlich gewesen. Soweit das Arbeitsgericht vortrage, der Kläger habe nicht annehmen dürfen, dass sein Verhalten zur fristlosen Kündigung führen werde, sei dies ebenfalls nicht zutreffend. Der Kläger war die Haltung der Beklagten bekannt. Durch den Zutritt eines weiteren Kardiologen in das System der gesetzlichen Krankenversicherung werde ein Punktwertverfall eintreten und damit die Reduzierung des Honorars für die bereits niedergelassenen Vertragsärzte. Der Kläger könne auch nicht damit gehört werden, dass sich Herr Dr. C. als Chefarzt der Abteilung Kardiologie des alleinigen Gesellschafters der Beklagten zu vormaligen Zeiten an Sitzungen des Zulassungsausschusses beteilt habe. Dr. C. habe sich nur an solchen Verfahren beteiligt, die eine Verlängerung von Ermächtigungen zum Gegenstand hatten. Dieser Sachverhalt sei grundsätzlich zu unterscheiden von dem streitgegenständlichen Sachverhalt.

28

Die Beklagte beantragt,

29

auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.09.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

30

Der Kläger beantragt,

31

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

32

Er verteidigt das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung. Fehlerhaft sei bereits aber der Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts, wonach der Kläger gegen ein Wettbewerbsverbot oder ein Konkurrenzverbot verstoßen habe. Er habe mit der Teilnahme an der Sitzung des Zulassungsausschusses weder mittelbar noch unmittelbar Wettbewerb betrieben. Er sei seit 20 Jahren gewähltes ärztliches Mitglied des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung in A-Stadt. Bei dem Zulassungsausschuss handele es sich um ein gesetzlich vorgeschriebenes Gremium der ärztlichen Selbstverwaltung. Der Ausschuss sei unabhängig, Sitzungen des Zulassungsausschusses seien nicht öffentlich, Stimmenthaltungen der Mitglieder des Zulassungsausschusses seien unzulässig, über den Hergang der Beratungen sei Stillschweigen zu bewahren. Das Mitglied des Zulassungsausschusses habe allein aufgrund sachlich begründbarer und objektivierbarer Kriterien zu entscheiden. Wäre die Annahme des Arbeitsgerichts zutreffend, dass der Kläger durch seine Teilnahme an der Sitzung des Zulassungsausschusses und durch sein Stimmverhalten seine Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten verletzt hätte, würde hierdurch das gesamte Regelwerk der ärztlichen Selbstverwaltung konterkariert und auf den Kopf gestellt. Niemals könne es bei den Abstimmungen um die wirtschaftlichen Interessen einzelner Ärzte, eines einzelnen Krankenhauses oder eines medizinischen Versorgungszentrums gehen. Der Beklagten sei die Mitgliedschaft im Zulassungsausschuss bekannt gewesen, als sie die Praxis des Klägers erworben habe. Nach diesem Praxiserwerb habe sie zu keinem Zeitpunkt verlangt oder auch nur den Wunsch geäußert, dass der Kläger sein Ehrenamt im Zulassungsausschuss niederlegen sollte. Sie habe auch Kenntnis gehabt, dass anlässlich der Sitzung des Zulassungsausschusses über den Antrag des Dr. P. auf Anerkennung eines Sonderbedarfs entscheiden werde. Ein Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht sei also nicht festzustellen. Im Übrigen bestreitet der Kläger, dass ihm ein bestimmtes Abstimmungsverhalten seitens der Beklagten nahegelegt worden sein soll. Als Mitglied des Zulassungsausschusses sei er eigenverantwortlich gewesen und keinerlei Weisungen unterworfen.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 04.03.2010.

Entscheidungsgründe

34

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist form- und fristgereicht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

35

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch keinen Erfolg.

36

II. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist richtig, das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Es fehlt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

37

III. Dabei teilt die Berufungskammer nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe überhaupt einen Vertragsverstoß begangen. Mit seiner Teilnahme an der Sitzung des Zulassungsausschusses und seinem Abstimmungsverhalten hat der Kläger insbesondere nicht gegen gesetzliche Verbote des Konkurrenzschutzes oder gegen vertraglich übernommene Vereinbarungen verstoßen.

38

Die Auffassung des Arbeitsgerichts, es läge hier ein dem Verbot von Konkurrenztätigkeit entsprechendes Verhaltens des Klägers vor, ist nicht mit den gesetzlichen Aufgaben des Zulassungsausschusses in Einklang zu bringen.

39

Gesetzliche Regelung der Zulassungsausschüsse finden sich im Sozialgesetzbuch Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Nach § 96 SGB V sind zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen durch die Kassenärztliche Vereinigungen für den Bezirk jeder Kassenärztlichen Vereinigung Zulassungsausschüsse für Ärzte zu bilden. § 96 Abs. 2 SGB V lautet wörtlich:

40

"Die Zulassungsausschüsse bestehen aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl. Die Vertreter der Ärzte und ihre Stellvertreter werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen, die Vertreter der Krankenkassen und ihre Stellvertreter von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestellt. Die Mitglieder der Zulassungsausschüsse führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen. Die Zulassungsausschüsse beschließen mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt."

41

Nach der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) können die Zulassungsausschüsse über den Kreis der zugelassenen Ärzte weitere Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten, sofern dies unter anderem notwendig ist, um eine besehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden (vgl. § 31 Ärzte-ZV). Der Zulassungsausschuss beschließt in Sitzungen, zu den der Vorsitzende unter Angabe der Tagesordnung einlädt, über die Zulassung und über die Entziehung von Zulassungen beschließt der Ausschuss nach mündlicher Verhandlung. Der Zulassungsausschuss erhebt erforderlich erscheinende Beweise, die Sitzung ist nicht öffentlich. Beschlüsse können nur bei vollständiger Besetzung des Zulassungsausschusses gefasst werden, Stimmenthaltung ist unzulässig. Über den Hergang der Beratungen und über das Stimmenverhältnis ist Stillschweigen zu bewahren.

42

Ohne dass die Kammer abschließend entscheiden muss, ob es der Beklagten aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben bereits verwehrt ist, Ablauf und Inhalt der Sitzung nicht am Verfahren Beteiligten zur Kenntnis zu bringen, zeigt die Regelung der Rechtsstellung der Mitglieder über ihr Ehrenamt und über die Weisungsfreiheit, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von dem Kläger entweder ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu erwarten oder zu verlangen, dass er sich an der Abstimmung nicht beteilige.

43

Der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung gegebene Hinweis auf Befangenheitsgründe im Verwaltungsverfahrensgesetz ist ebenfalls nicht durchschlagend. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelungen darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter, Angehöriger eines Beteiligten ist, einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt, Angehöriger einer Person ist, die einen Beteiligten in diesem Verfahren vertritt oder bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist.

44

Beteiligter des Antragsverfahrens des Dr. P. im Antrag auf Zulassung zur Teilhabe an der vertragsärztlichen Versorgung war nicht die Beklagte. Die Beklagte ist auch nicht als Beteiligter anzusehen, weil durch die Tätigkeit oder die Entscheidung im Zulassungsverfahren ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil erwachsen wird. Die einschlägigen Vorschriften stellen auf den unmittelbaren Vorteil oder Nachteil ab.

45

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob durch die Zulassung eines weiteren Facharztes für Kardiologie ein unmittelbarer Nachteil bei der Beklagten entstehen könnte, oder ob dieser Nachteil nur mittelbar eintritt. Die Beteiligtenstellung wird aber nicht fingiert, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. Die Beklagte gehört der Berufsgruppe der niedergelassenen Kardiologen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, an. Nur die gemeinsamen Interessen dieser Berufsgruppe werden durch eine Entscheidung, einen Sonderbedarf anzuerkennen, berührt. Somit beruht der Vor- oder Nachteil der Angehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe.

46

Die Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte sich bei bekannt gewesener Auffassung der Beklagten, einen Sonderbedarf nicht anzuerkennen, bei seiner Entscheidung anschließen müssen oder gar erklären müssen, er halte sich für befangen, ist mit der gesetzlichen Konstellation nicht vereinbar. Wie dargestellt sind die Mitglieder der Zulassungsausschüsse, bestellt durch die Kassenärztliche Vereinigung, ehrenamtlich tätig und an Weisungen nicht gebunden. Dieser Weisungsfreiheit würde es widersprechen, wenn mittelbar über mögliche Sanktionen aus dem Arbeitsverhältnis einem Mitglied des Zulassungsausschusses Vorgaben gemacht werden können, in welcher Hinsicht er sein Abstimmungsverhalten auszurichten hätte.

47

Im Übrigen macht die Beklagte auch nicht geltend, dass die Entscheidung des Zulassungsausschusses gegen Recht und Gesetz verstoßen hätte, hier hätte sie ja auch die Möglichkeit gehabt, die Zulassungsentscheidung im gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

48

War somit der Kläger weisungsfrei, sowohl hinsichtlich der Frage, ob er an der Abstimmung teilnehmen durfte, als auch hinsichtlich der Frage, wie er sich in der Abstimmung verhalten durfte, liegt ein die Kündigung begründender Vertragsverstoß nicht vor. Arbeitsvertragliche Regelungen sind insbesondere nicht dazu da, rechtswidriges Verhalten von einem Arbeitnehmer abzufordern.

49

Erweist sich somit bereits dem Grunde nach ein vertragswidriges Verhalten als nicht feststellbar, kam es auf die im Übrigen vom Arbeitsgericht zutreffend entschiedene Frage, dass der Kläger vor Ausspruch der Kündigung vorher vergeblich hätte abgemahnt werden müssen, entscheidungserheblich nicht mehr an.

50

IV. Die Berufung der Beklagten war nach allem mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

51

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. März 2010 - 2 Sa 674/09

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Zur Beschlußfassung und Entscheidung in Zulassungssachen errichten die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen für den Bezirk jeder Kassenärztlichen Vereinigung oder für Teile dieses Bezirks (Zulassungsbezirk) einen Zulassungsausschuß für Ärzte und einen Zulassungsausschuß für Zahnärzte.

(2) Die Zulassungsausschüsse bestehen aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl. Die Vertreter der Ärzte und ihre Stellvertreter werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen, die Vertreter der Krankenkassen und ihre Stellvertreter von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestellt. Die Mitglieder der Zulassungsausschüsse führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen. Die Zulassungsausschüsse beschließen mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt.

(2a) Die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden haben in den Verfahren, in denen der Zulassungsausschuss für Ärzte eine der folgenden Entscheidungen trifft, ein Mitberatungsrecht:

1.
ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze nach § 101 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3,
2.
Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a,
3.
Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze auf Grundlage der Entscheidungen der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden nach § 103 Absatz 2 Satz 4,
4.
Ablehnung einer Nachbesetzung nach § 103 Absatz 4 Satz 10,
5.
Ermächtigung von Ärzten und Einrichtungen,
6.
Befristung einer Zulassung nach § 19 Absatz 4 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und
7.
Verlegung eines Vertragsarztsitzes oder einer genehmigten Anstellung nach § 24 Absatz 7 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte.
Das Mitberatungsrecht umfasst auch das Recht auf frühzeitige Information über die Verfahrensgegenstände, das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen einschließlich des Rechts zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung sowie das Recht zur Stellung verfahrensleitender Anträge.

(3) Die Geschäfte der Zulassungsausschüsse werden bei den Kassenärztlichen Vereinigungen geführt. Die Kosten der Zulassungsausschüsse werden, soweit sie nicht durch Gebühren gedeckt sind, je zur Hälfte von den Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen andererseits getragen.

(4) Gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse können die am Verfahren beteiligten Ärzte und Einrichtungen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen den Berufungsausschuß anrufen. Die Anrufung hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Zulassungsausschüsse können über den Kreis der zugelassenen Ärzte hinaus weitere Ärzte, insbesondere in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, stationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation oder in besonderen Fällen Einrichtungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, ermächtigen, sofern dies notwendig ist, um

1.
eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung nach § 100 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch abzuwenden oder einen nach § 100 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch festgestellten zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf zu decken oder
2.
einen begrenzten Personenkreis zu versorgen, beispielsweise Rehabilitanden in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation oder Beschäftigte eines abgelegenen oder vorübergehenden Betriebes.
Ärzte mit einer für die Behandlung erforderlichen abgeschlossenen Weiterbildung sowie psychosoziale Einrichtungen mit einer fachlich-medizinischen ständigen ärztlichen Leitung sind vom Zulassungsausschuss auf Antrag zur ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, zu ermächtigen.

(2) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können im Bundesmantelvertrag Regelungen treffen, die über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vorsehen.

(3) Die Kassenärztlichen Vereinigungen können unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch Ärzte, die eine Approbation nach deutschen Rechtsvorschriften nicht besitzen, zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit ihnen von der zuständigen deutschen Behörde eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt worden ist.

(4) (weggefallen)

(5) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben im Bundesmantelvertrag Regelungen über die Ermächtigung von Ärzten zu treffen, die als Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, den ärztlichen Beruf im Inland zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder des Artikels 37 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausüben dürfen.

(6) Der Antrag auf Ermächtigung ist schriftlich an den Zulassungsausschuß zu richten. Ihm sind die Approbationsurkunde sowie die in § 18 Absatz 2 Nummer 5 und 6 genannten Erklärungen und Bescheinigungen beizufügen. § 18 Abs. 3 gilt entsprechend.

(7) Die Ermächtigung ist zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. In dem Ermächtigungsbeschluß ist auch auszusprechen, ob der ermächtigte Arzt unmittelbar oder auf Überweisung in Anspruch genommen werden kann. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Ermächtigungen nach § 119b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.

(8) Ein Arzt darf nicht ermächtigt werden, wenn die in § 21 genannten Gründe ihn für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erscheinen lassen. Die Ermächtigung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, daß bei ihrer Erteilung Versagungsgründe im Sinne des Satzes 1 vorgelegen haben. Sie ist zu widerrufen, wenn nachträglich durch einen in der Person des Arztes liegenden Grund der mit der Ermächtigung verfolgte Zweck nicht erreicht wird oder die Voraussetzungen des § 95e Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erfüllt sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn Einrichtungen ermächtigt werden.

(9) (weggefallen)

(10) Über die Ermächtigungen führt die Kassenärztliche Vereinigung (Registerstelle) ein besonderes Verzeichnis.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.