Landgericht Bochum Beschluss, 01. Okt. 2014 - 9 S 108/14
Tenor
Die Kammer weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nach einstimmiger Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten.
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.
Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den vorstehenden Hinweisen Stellung zu nehmen.
1
Gründe
2Die zulässige Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung der Kammer aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
4Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.
5Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
6Die Klage ist zulässig, da die Klägerin insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis auf die Feststellung hat, dass die Beklagte für das Verfahren vor dem Landgericht Bochum, Az. 4 O 390/13, Rechtsschutzdeckung erteilen muss. (wird ausgeführt) Die Klage ist zudem begründet. Denn zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass ein solcher Anspruch besteht.
7Dieser folgt aus §§ 100, 101 Abs. 1 S. 1 VVG. Nach § 100 VVG ist bei der Haftpflichtversicherung der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Nach § 101 Abs. 1 S. 1 VVG umfasst die Versicherung auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Dabei sind die Rechtsschutzverpflichtung und die Pflicht zur Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche gleichrangige Hauptleistungsverpflichtungen des Haftpflichtversicherers. (BGH, Urteil vom 15.9.2010, Az. IV ZR 107/09)
81)
9Der im Haftpflichtprozess vor dem Landgericht Bochum, Az. 4 O 390/13, mit der Beauftragung eines eigenen Anwalts für die Klägerin (dortige Beklagte zu 1)) verbundende Kostenaufwand ist vorliegend geboten. Daran ändert nichts, dass die Beklagte (dortige Beklagte zu 2)) sich dahingehend einlässt, es liege ein manipulierter Unfall vor. Zwar würde sie in einem solchen Fall nach § 103 VVG leistungsfrei sein. Dies ist jedoch im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Gleichermaßen kommt es nicht darauf an, dass die hiesige Beklagte im Haftpflichtprozess vor dem Landgericht der Klägerin (dortigen Beklagte zu 1)) als Nebenintervenientin beigetreten und in dieser Eigenschaft auch für die Klägerin Klageabweisung beantragt hat.
10a)
11Der Bundesgerichtshof hat in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2010 herausgestellt, dass im Haftpflichtprozess grundsätzlich der Haftpflichtversicherer selbst in Erfüllung seiner Rechtsschutzverpflichtung die Interessen des Versicherten so zu wahren hat, wie das ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt tun würde. Das ist im Regelfall unproblematisch, weil sich die Abwehrinteressen des Versicherers und des Versicherten meist entsprechen werden. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision der Interessen des Versicherers und des Versicherten auftritt. Selbst in diesem Fall bleibt der Versicherer grundsätzlich verpflichtet, seine eigenen Interessen hintanzustellen. Nur diese weite Auslegung des Leistungsversprechens kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleisten. Eine besondere Interessenkollision entsteht dann, wenn – wie vorliegend - im Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall neben dem Fahrer und Halter des versicherten Fahrzeugs gestützt auf den gesetzlichen Direktanspruch zugleich der Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und letzterer sich mit der Behauptung verteidigen will, der behauptete Unfall sei in Wahrheit von den vorgeblich Unfallbeteiligten verabredet worden. In diesem Fall steht der Haftpflichtversicherer in einem unauflösbaren Konflikt. Er kann sich zwar dafür entscheiden, sein Ziel, eine Unfallverabredung gerichtlich feststellen zu lassen, nicht weiterzuverfolgen, um stattdessen allein das Rechtsschutzbegehren der Versicherten zu unterstützen und damit seiner nach dem Versicherungsvertrag geschuldeten Rechtsschutzverpflichtung zu genügen. Wird er aber auch selbst unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommen, kann es ihm nicht verwehrt werden, sich dagegen umfassend zu verteidigen, und zwar auch mit der Behauptung, das schadenbegründende Ereignis sei nicht - wie vom Geschädigten behauptet - unfreiwillig erlitten, sondern von den angeblich Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden. (BGH, Urteil vom 15.9.2010, Az. IV ZR 107/09)
12In der geschilderten Situation ist weder der Haftpflichtversicherer noch ein von ihm beauftragter Rechtsanwalt in der Lage, beide Ziele gleichzeitig zu verfolgen, ohne dabei die vom Versicherungsvertrag geschützten Interessen der Versicherten zu verletzen. Vielmehr stehen sowohl der Haftpflichtversicherer als auch der von ihm beauftragte Rechtsanwalt in einem unlösbaren Interessenkonflikt, der es ihnen verbietet, im Haftpflichtprozess zugleich das eigene Anliegen und das des Versicherten zu vertreten. Soll Letzterem der im Versicherungsvertrag versprochene Rechtsschutz dennoch ungeschmälert zuteilwerden, ist er darauf angewiesen, dass der Haftpflichtversicherer seine Rechtsverteidigung im Haftpflichtprozess in andere Hände legt und deshalb die Kosten eines eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalts übernimmt, denn nur damit kann gewährleistet werden, dass sowohl der Versicherer als auch der Versicherte ihre unterschiedlichen Standpunkte im Haftpflichtprozess gleichermaßen Erfolg versprechend vertreten können. (BGH, Urteil vom 15.9.2010, Az. IV ZR 107/09)
13b)
14Soweit die Beklagte einwendet, die Entscheidung des BGH beziehe sich auf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt, da es darin um die nachträgliche Kostentragungs- bzw. Freistellungsverpflichtung von Rechtsanwaltsgebühren gehe, dringt sie damit nicht durch. Denn es macht vor dem Hintergrund der Interessenlage der Parteien und der gesetzlichen Regelung keinen Unterschied, ob vorab Vorschuss auf die Rechtsverteidigungskosten oder nachträglich Kostenerstattung begehrt wird.
15Im Gegenteil hat der Versicherungsnehmer, dem eine Unfallmanipulation vorgeworfen wird, ein besonderes Interesse daran, sich bereits im Haftpflichtprozess gegen diesen Vorwurf effektiv verteidigen zu können. Dazu gehört auch, dass er ihn nicht ohne eigene anwaltliche Vertretung hinnehmen und sich auf eventuelle Nachfolgeprozesse verweisen lassen muss. (vgl. auch BGH, Urteil vom 6.7.2010, Az. VI ZB 31/08) § 101 Abs. 1 S. 3 VVG legt der Versicherung das Risiko auf, den geforderten Prozesskostenvorschuss zu leisten und ihn ggf. zurückfordern zu müssen, wenn sich im Haftpflichtprozess doch eine Unfallmanipulation ergeben sollte.
16Aus diesem Grund besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Feststellungsklage. Der Versicherungsnehmer ist nicht ausreichend dadurch geschützt, dass der Haftpflichtprozess Bindungswirkung für einen späteren Deckungsprozess entfaltet. Vielmehr muss er sich gerade aufgrund dieser Bindungswirkung bereits im vorausgehenden Haftpflichtprozess bestmöglich verteidigen können. Demzufolge darf das Verfahren auch nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Haftpflichtprozess ausgesetzt bzw. eine dortige Entscheidung abgewartet werden. Der Verweis der Beklagten auf die Entscheidung des OLG Naumburg vom 25.3.2013, Az. 2 U 23/13, geht – worauf die Klägerseite zutreffend hingewiesen hat – fehl. Denn in diesem Verfahren war zu entscheiden, ob der Geschädigte im vorweggenommenen Deckungsprozess direkt gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne vorherige Abtretung auf Feststellung, dass Freistellung gewährt werden wird, klagen kann. Dem lag aber ein Sachverhalt zugrunde, in dem es – anders als hier - keinen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung nach § 115 Abs. 1 VVG gab.
17Ebenso wenig kann die Klägerin darauf verwiesen werden, die insoweit entstehenden Prozesskosten (zunächst) aus eigenen Mitteln vorstrecken zu müssen. Auf diese Weise würde der durch § 101 VVG bezweckte Rechtsschutz im Haftpflichtverfahren konterkariert. Die Beklagte wendet auch zu Unrecht ein, dass Prozesskostenhilfe beantragt werden könne. Denn besteht Deckungsschutz durch eine Rechtsschutz- oder Haftpflichtversicherung ist der Antragsteller nicht hilfsbedürftig. (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.3.2011, Az. 1 U 19/11) Überdies kann es für die Frage, ob die Haftpflichtversicherung die Kosten der Rechtsverteidigung tragen muss, keinen Unterschied machen, ob ein bedürftiger Versicherungsnehmer beteiligt ist, oder ob nicht.
182)
19Ferner hat das Amtsgericht zutreffend keine Beweisaufnahme über die Behauptung, es liege eine Unfallmanipulation vor, durchgeführt, sondern auf den Vortrag des Dritten im Parallelverfahren abgestellt. Insoweit ist nämlich zu differenzieren. Vorliegend geht es nicht darum, ob die Beklagte als Versicherer der Klägerin als Versicherungsnehmerin Versicherungsschutz insoweit zu leisten hat, wie sie von dem Geschädigten in Anspruch genommen wird. Vielmehr geht es lediglich um die Feststellung, dass sie für einen solchen Haftpflichtprozess Rechtsschutz gewähren muss. Es geht demnach um eine vorgelagerte Frage, bei der es nur darauf ankommen kann, ob für den Vorwurf des Dritten, aus dem dieser seine Rechte herleitet, eine Deckung gemäß des Versicherungsvertrages besteht. Der Schädiger hat als Versicherungsnehmer Anspruch auf eine eindeutige Auskunft darüber, ob der Versicherer im Haftpflichtprozess den Rechtsschutz übernimmt. In diesem vorweggenommenen Deckungsprozess findet eine Prüfung des Haftpflichtanspruchs und der damit zusammenhängenden Tatfragen im Übrigen nicht statt, sondern es ist grundsätzlich die Richtigkeit der Behauptung des Geschädigten zu unterstellen. (vgl. OLG Naumburg vom 25.3.2013, Az. 2 U 23/13)
20Nach dem Vortrag des Dritten, Kläger im Verfahren vor dem Landgericht Bochum, soll es sich bei dem Unfallereignis um einen von der Klägerin (dortige Beklagte zu 1)) verursachten Unfall handeln. Ein manipulierter Unfall und damit eine vorsätzliche Begehungsweise der hiesigen Klägerin werden von dem Dritten nicht behauptet. Ausgehend von dem Vortrag des Dritten würde keine vorsätzliche und widerrechtliche Herbeiführung eines Versicherungsfalles, sondern ein Schadensereignis vorliegen, das einen Versicherungsfall darstellt mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin des hiesigen Verfahrens den begehrten Vorschuss gemäß § 101 Abs. 1 Satz 3 VVG zu zahlen. (vgl. auch AG Ulm, Urteil vom 2.3.2012, Az. 4 C 18381/11; AG Wipperfürth, Urteil vom 4.4.2014, Az. 1 C 168/13)
21Hinreichende Anzeichen dafür, dass die Behauptung des geschädigten Dritten im Haftpflichtprozess wahrheitswidrig ist, liegen nicht vor. Denn in diesem Verfahren vor dem LG Bochum, Az. 4 O 390/13, ist noch keine Entscheidung ergangen. Insbesondere ist noch nicht rechtskräftig festgestellt, dass eine Unfallmanipulation vorliegt. Im Gegenteil ergibt sich aus der beigezogenen Akte und dem Hinweisbeschluss vom 12.6.2014, dass die dortige Kammer derzeit nicht von einer Beteiligung der dortigen Beklagten zu 1) (hiesige Klägerin) an einer Manipulation ausgeht.
22Die Gefahr widerstreitender Ergebnisse in zwei unterschiedlichen Rechtsstreiten besteht überdies nicht. Denn aus obigen Erwägungen wird im hiesigen Verfahren gerade keine Aussage darüber getroffen, ob der von der Beklagten vorgebrachte Einwand der Unfallmanipulation zutreffend ist oder nicht.
Urteilsbesprechung zu Landgericht Bochum Beschluss, 01. Okt. 2014 - 9 S 108/14
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Landgericht Bochum Beschluss, 01. Okt. 2014 - 9 S 108/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.
(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.
(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.
(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.
(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.
(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.
(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
BUNDESGERICHTSHOF
2. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Borken vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten der Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, am 8. Dezember 2005 Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW, fordert als Versicherungsleistung die Er- stattung der Kosten für einen von ihm im Haftpflichtprozess beauftragten Rechtsanwalt.
- 2
- Gegen 23.30 Uhr des genannten Tages fuhr der Kläger mit dem versicherten Fahrzeug in B. auf ein anderes Fahrzeug auf, welches dabei einen Totalschaden erlitt.
- 3
- Dessen Halter verklagte daraufhin vor dem Landgericht den Kläger als Fahrer, ferner den Halter des vom Kläger gesteuerten PKW und die Beklagte als dessen Kfz-Haftpflichtversicherer auf Zahlung von 7.844 € Schadensersatz und vorgerichtlicher Nebenkosten. Die Beklagte, die der Auffassung war, der Unfall sei gestellt worden, lehnte eine Schadenregulierung ab, trat jedoch sowohl dem Kläger als auch dem Fahrzeughalter und Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess als Nebenintervenientin bei. Der Kläger beauftragte einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. In der Beweisaufnahme bestätigte sich der Verdacht einer Unfallmanipulation nicht. In erster Instanz wurden die drei dortigen Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 7.384 € Schadensersatz verurteilt. Unter Zurückweisung der von der Beklagten auch namens des Klägers und des Versicherungsnehmers eingelegten Berufung im Übrigen setzte das Berufungsgericht die Schadensersatzforderung auf 5.928,82 € herab.
- 4
- ImvorliegendenDeckungsrechtsstre it streiten die Parteien nur um die Kosten des vom Kläger im Haftpflichtprozess beauftragten Rechtsanwalts. Der Kläger meint, die Beklagte müsse ihn von diesen Kosten im Rahmen ihrer Rechtsschutzverpflichtung freihalten. Wegen des von ihr erhobenen Manipulationsvorwurfs habe die Beklagte in einem Interessenkonflikt gestanden, der es ihm unzumutbar gemacht habe, sich im Haftpflichtprozess allein von der Beklagten und dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Die Beklagte habe ihn, den Kläger, mit ihrem Vorwurf der Gefahr einer späteren strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt.
- 5
- Die Beklagte meint, der Kläger sei im Haftpflichtprozess infolge ihrer Nebenintervention ausreichend vertreten gewesen; der Beauftragung eines eigenen Anwalts habe es nicht bedurft.
- 6
- Amtsgericht Das hat die Beklagte verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.176,98 € freizustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 8
- I.DasBerufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe im Haftpflichtprozess mit ihrer Nebenintervention auf Seiten des Klägers ihre Rechtsschutzverpflichtung erfüllt und insbesondere sichergestellt, dass keine Verurteilung aufgrund eines Versäumnisurteils oder sonst als unbestritten angesehener Tatsachenbehauptungen des Geschädigten habe erfolgen können. Sie habe zudem erreicht, dass der Sachverhalt mittels einer Beweisaufnahme geklärt und damit alles zur Abwehr des Haftpflichtanspruchs Erforderliche unternommen worden sei. Die Inte- ressenkollision zwischen der Beklagten und dem Kläger sei hier "systembedingt" und habe auch nicht durch die Beauftragung eines eigenen Klägeranwalts beseitigt werden können; denn auch damit habe der Kläger nicht verhindern können, dass der im Haftpflichtprozess auch direkt beklagte Haftpflichtversicherer sich durch seine Anwälte selbst verteidigt habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Klägers auszuräumen. Der Haftpflichtversicherungsschutz umfasse nicht den Schutz der versicherten Person vor strafrechtlichen Ermittlungen wegen Verdachts des Versicherungsbetruges. Auch der drohende Regress der Beklagten beim Kläger verpflichte sie nicht dazu, die Kosten für eine eigenständige Vertretung des Klägers im Haftpflichtprozess zu tragen. Dass die Beklagte grundlos und ins Blaue hinein Vorwürfe gegen ihn erhoben habe, mache der Kläger nicht geltend.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte ist infolge ihres Leistungsversprechens i.V. mit § 150 Abs. 1 Satz 1 VVG (in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) verpflichtet, den Kläger von den ihm im Haftpflichtprozess entstandenen Rechtsanwaltskosten, über deren Höhe im Rechtsmittelverfahren kein Streit mehr besteht, freizustellen.
- 10
- 1. Die Rechtsschutzverpflichtung und die Pflicht zur Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche sind gleichrangige Hauptleistungsverpflichtungen des Haftpflichtversicherers (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - IV ZR 149/03 - BGHZ 171, 56 Tz. 12 m.w.N.; vom 30. September 1992 - IV ZR 314/91 - BGHZ 119, 276, 281). Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. umfasst die Versicherung auch die gerichtlichen und außerge- richtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten erhobenen Anspruch entstehen, soweit die Aufwendung dieser Kosten den Umständen nach geboten ist.
- 11
- 2. Der im Haftpflichtprozess mit der Beauftragung eines eigenen Anwalts für den Kläger verbundene Kostenaufwand war hier geboten.
- 12
- a) Im Haftpflichtprozess hat grundsätzlich der Haftpflichtversicherer selbst in Erfüllung seiner Rechtsschutzverpflichtung die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt tun würde (BGHZ aaO). Das ist im Regelfall unproblematisch , weil sich die Abwehrinteressen des Versicherers und des Versicherten meist entsprechen werden. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision der Interessen des Versicherers und des Versicherten auftritt. Selbst in diesem Fall bleibt der Versicherer grundsätzlich verpflichtet, seine eigenen Interessen hintanzustellen. Nur diese weite Auslegung des Leistungsversprechens kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleisten (BGHZ aaO).
- 13
- Eine b) besondere Interessenkollision entsteht dann, wenn im Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall neben dem Fahrer und Halter des versicherten Fahrzeugs gestützt auf den gesetzlichen Direktanspruch zugleich der Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und letzterer sich mit der Behauptung verteidigen will, der behauptete Unfall sei in Wahrheit von den vorgeblich Unfallbeteiligten verabredet worden.
- 14
- In diesem Fall steht der Haftpflichtversicherer in einem unauflösbaren Konflikt. Er kann sich zwar dafür entscheiden, sein Ziel, eine Unfallverabredung gerichtlich feststellen zu lassen, nicht weiterzuverfolgen, um stattdessen allein das Rechtsschutzbegehren der Versicherten zu unterstützen und damit seiner nach dem Versicherungsvertrag geschuldeten Rechtsschutzverpflichtung zu genügen. Wird er aber auch selbst unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommen, kann es ihm nicht verwehrt werden, sich dagegen umfassend zu verteidigen, und zwar auch mit der Behauptung, das schadenbegründende Ereignis sei nicht - wie vom Geschädigten behauptet - unfreiwillig erlitten, sondern von den angeblich Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden. Dennoch bleibt der Haftpflichtversicherer - lehnt er nicht von vornherein Deckung ab - aufgrund seines Leistungsversprechens weiter gehalten, den Versicherungsnehmer und den mitversicherten Fahrer wie ein von diesen beauftragter Anwalt zu vertreten und sie notfalls von Schadensersatzverpflichtungen freizuhalten.
- 15
- aa) In der geschilderten Situation ist weder der Haftpflichtversicherer noch ein von ihm beauftragter Rechtsanwalt in der Lage, beide Ziele gleichzeitig zu verfolgen, ohne dabei die vom Versicherungsvertrag geschützten Interessen der Versicherten zu verletzen. Vielmehr stehen sowohl der Haftpflichtversicherer als auch der von ihm beauftragte Rechtsanwalt in einem unlösbaren Interessenkonflikt, der es ihnen verbietet , im Haftpflichtprozess zugleich das eigene Anliegen und das des Versicherten zu vertreten (so auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - VI ZB 31/08 - veröffentlicht in juris, Tz. 9, 10; OLG Düsseldorf Verkehrsrecht aktuell 2009, 165 m. zust. Anm. Elsner in jurisPR-VerkR 7/2010 Anm. 4; OLG Köln VersR 1997, 597; OLG Koblenz VersR 1996, 604; LG Hagen r+s 1996, 466; Meiendresch, r+s 2005, 50 ff.). Soll Letz- terem der im Versicherungsvertrag versprochene Rechtsschutz dennoch ungeschmälert zuteil werden, ist er - wie hier der Kläger als mitversicherter Fahrer - darauf angewiesen, dass der Haftpflichtversicherer seine Rechtsverteidigung im Haftpflichtprozess in andere Hände legt und deshalb die Kosten eines eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalts übernimmt, denn nur damit kann gewährleistet werden, dass sowohl der Versicherer als auch der Versicherte ihre unterschiedlichen Standpunkte im Haftpflichtprozess gleichermaßen Erfolg versprechend vertreten können.
- 16
- bb) Zwar steht es dem Haftpflichtversicherer im Rahmen der ihm übertragenen Prozessführungsbefugnis grundsätzlich frei, im Haftpflichtprozess den versprochenen Rechtsschutz durch einen eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalt oder lediglich mittels einer Nebenintervention zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1993 - VI ZR 249/92 - VersR 1993, 625 unter 1; Freyberger, VersR 1991, 842, 845; Geyer, VersR 1989, 882, 888). Bei der hier in Rede stehenden Interessenkollision ist dieses Ermessen aber nicht mehr eröffnet, weil einerseits der Versicherer selbst nicht mehr in der Lage ist, die Interessen des Versicherten sachgerecht wahrzunehmen, ein vom Versicherer beauftragter Rechtsanwalt schon wegen der Strafdrohung des § 356 StGB gehindert wäre, zugleich die Interessen des Versicherers und des Versicherten zu vertreten (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 aaO), und andererseits der Versicherte gerade deshalb, weil gegen ihn von Seiten des Versicherers ein Betrugsvorwurf erhoben wird, in besonderem Maße des rechtlichen Beistands bedarf.
- 17
- Wie der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 6. Juli 2010 (aaO) zu der Frage, ob der Wunsch des Versicherten nach Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts in solchen Fällen mutwillig i.S. von § 114 Satz 1 ZPO erscheint, zutreffend ausgeführt hat, sind hier die Interessen des beklagten Versicherungsnehmers und des beklagten Haftpflichtversicherers nur vordergründig gleichgerichtet, auch wenn sie beide der Klage entgegentreten (vgl. OLG Köln VersR 1997, 597, 598). Für den Versicherungsnehmer ist es von besonderem Interesse, ob die Haftpflichtklage mit der Begründung abgewiesen wird, es liege ein von ihm mitmanipulierter Unfall vor, oder aus anderen Gründen. Deswegen kann weder mit Blick auf § 114 Satz 1 ZPO noch für die Frage, ob die Unterstützung des Versicherungsnehmers durch einen eigenen Rechtsanwalt notwendig erscheint, angenommen werden, eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei nähme in einem solchen Fall ihre Rechte ohne den Beistand eines eigenen Prozessbevollmächtigten wahr (BGH aaO). Denn der Haftpflichtversicherer lässt über seinen Rechtsanwalt in einem zentralen Punkt, dem der Unfallmanipulation, gerade das Gegenteil dessen vortragen, was der beklagte Versicherungsnehmer vorzutragen wünscht (OLG Düsseldorf Verkehrsrecht aktuell 2009, 165). Deshalb muss der Versicherungsnehmer, der sich im Haftpflichtprozess gegen den Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs verteidigen will, diesen Vorwurf nicht ohne eigene anwaltliche Vertretung hinnehmen und sich auf eventuelle Nachfolgeprozesse verweisen lassen (BGH aaO; OLG Düsseldorf aaO).
- 18
- cc) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung lässt sich der aufgezeigte Interessenkonflikt nicht anderweitig lösen. Zwar wird teilweise angenommen (KG VersR 2008, 1558 = NZV 2008, 519 - zur Frage der Mutwilligkeit i.S. von § 114 ZPO; AG Düsseldorf VersR 1997, 52; Freyberger, VersR 1991, 842 ff.; Geyer, VersR 1989, 882, 888), das Versicherteninteresse genieße nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag einen nur eingeschränkten Schutz. Er beschränke sich darauf zu verhindern, dass es im Haftpflichtprozess überhaupt zu einer Verurteilung, insbesondere durch ein Versäumnisurteil , komme. Das werde durch eine streitgenössische Nebenintervention des Haftpflichtversicherers auf Seiten des Versicherten in jedem Falle ausreichend gewährleistet, während es auf weitergehende - insbesondere strafrechtliche - Rechtsschutzziele, den Wunsch des Versicherten nach einer anderen Begründung der Haftpflichtentscheidung und sonstige Motive des Versicherten nicht ankomme.
- 19
- Diese Ansicht, der bereits der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem (die zitierte Entscheidung des Kammergerichts aufhebenden ) Beschluss vom 6. Juli 2010 (aaO) entgegengetreten ist, überzeugt auch deshalb nicht, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine solche Beschränkung der Rechtsschutzverpflichtung dem Leistungsversprechen des Versicherers nicht entnehmen kann, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darauf gerichtet ist, den Versicherten im Haftpflichtprozess wie ein von ihm beauftragter Anwalt zu vertreten. Von einem selbst beauftragten Rechtsanwalt kann der Versicherte aber zu Recht erwarten, dass seine Interessen in einer Weise vertreten werden, die ihn nicht der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder der Rückforderung der Versicherungsleistung und der im Haftpflichtprozess entstandenen Prozesskosten aussetzen.
Felsch Lehmann
Vorinstanzen:
AG Borken, Entscheidung vom 01.10.2008 - 15 C 176/08 -
LG Münster, Entscheidung vom 23.04.2009 - 15 S 37/08 -
Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.
BUNDESGERICHTSHOF
2. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Borken vom 1. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten der Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, am 8. Dezember 2005 Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW, fordert als Versicherungsleistung die Er- stattung der Kosten für einen von ihm im Haftpflichtprozess beauftragten Rechtsanwalt.
- 2
- Gegen 23.30 Uhr des genannten Tages fuhr der Kläger mit dem versicherten Fahrzeug in B. auf ein anderes Fahrzeug auf, welches dabei einen Totalschaden erlitt.
- 3
- Dessen Halter verklagte daraufhin vor dem Landgericht den Kläger als Fahrer, ferner den Halter des vom Kläger gesteuerten PKW und die Beklagte als dessen Kfz-Haftpflichtversicherer auf Zahlung von 7.844 € Schadensersatz und vorgerichtlicher Nebenkosten. Die Beklagte, die der Auffassung war, der Unfall sei gestellt worden, lehnte eine Schadenregulierung ab, trat jedoch sowohl dem Kläger als auch dem Fahrzeughalter und Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess als Nebenintervenientin bei. Der Kläger beauftragte einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung. In der Beweisaufnahme bestätigte sich der Verdacht einer Unfallmanipulation nicht. In erster Instanz wurden die drei dortigen Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 7.384 € Schadensersatz verurteilt. Unter Zurückweisung der von der Beklagten auch namens des Klägers und des Versicherungsnehmers eingelegten Berufung im Übrigen setzte das Berufungsgericht die Schadensersatzforderung auf 5.928,82 € herab.
- 4
- ImvorliegendenDeckungsrechtsstre it streiten die Parteien nur um die Kosten des vom Kläger im Haftpflichtprozess beauftragten Rechtsanwalts. Der Kläger meint, die Beklagte müsse ihn von diesen Kosten im Rahmen ihrer Rechtsschutzverpflichtung freihalten. Wegen des von ihr erhobenen Manipulationsvorwurfs habe die Beklagte in einem Interessenkonflikt gestanden, der es ihm unzumutbar gemacht habe, sich im Haftpflichtprozess allein von der Beklagten und dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Die Beklagte habe ihn, den Kläger, mit ihrem Vorwurf der Gefahr einer späteren strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt.
- 5
- Die Beklagte meint, der Kläger sei im Haftpflichtprozess infolge ihrer Nebenintervention ausreichend vertreten gewesen; der Beauftragung eines eigenen Anwalts habe es nicht bedurft.
- 6
- Amtsgericht Das hat die Beklagte verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.176,98 € freizustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 8
- I.DasBerufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe im Haftpflichtprozess mit ihrer Nebenintervention auf Seiten des Klägers ihre Rechtsschutzverpflichtung erfüllt und insbesondere sichergestellt, dass keine Verurteilung aufgrund eines Versäumnisurteils oder sonst als unbestritten angesehener Tatsachenbehauptungen des Geschädigten habe erfolgen können. Sie habe zudem erreicht, dass der Sachverhalt mittels einer Beweisaufnahme geklärt und damit alles zur Abwehr des Haftpflichtanspruchs Erforderliche unternommen worden sei. Die Inte- ressenkollision zwischen der Beklagten und dem Kläger sei hier "systembedingt" und habe auch nicht durch die Beauftragung eines eigenen Klägeranwalts beseitigt werden können; denn auch damit habe der Kläger nicht verhindern können, dass der im Haftpflichtprozess auch direkt beklagte Haftpflichtversicherer sich durch seine Anwälte selbst verteidigt habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Klägers auszuräumen. Der Haftpflichtversicherungsschutz umfasse nicht den Schutz der versicherten Person vor strafrechtlichen Ermittlungen wegen Verdachts des Versicherungsbetruges. Auch der drohende Regress der Beklagten beim Kläger verpflichte sie nicht dazu, die Kosten für eine eigenständige Vertretung des Klägers im Haftpflichtprozess zu tragen. Dass die Beklagte grundlos und ins Blaue hinein Vorwürfe gegen ihn erhoben habe, mache der Kläger nicht geltend.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte ist infolge ihres Leistungsversprechens i.V. mit § 150 Abs. 1 Satz 1 VVG (in der hier noch maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) verpflichtet, den Kläger von den ihm im Haftpflichtprozess entstandenen Rechtsanwaltskosten, über deren Höhe im Rechtsmittelverfahren kein Streit mehr besteht, freizustellen.
- 10
- 1. Die Rechtsschutzverpflichtung und die Pflicht zur Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche sind gleichrangige Hauptleistungsverpflichtungen des Haftpflichtversicherers (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - IV ZR 149/03 - BGHZ 171, 56 Tz. 12 m.w.N.; vom 30. September 1992 - IV ZR 314/91 - BGHZ 119, 276, 281). Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. umfasst die Versicherung auch die gerichtlichen und außerge- richtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten erhobenen Anspruch entstehen, soweit die Aufwendung dieser Kosten den Umständen nach geboten ist.
- 11
- 2. Der im Haftpflichtprozess mit der Beauftragung eines eigenen Anwalts für den Kläger verbundene Kostenaufwand war hier geboten.
- 12
- a) Im Haftpflichtprozess hat grundsätzlich der Haftpflichtversicherer selbst in Erfüllung seiner Rechtsschutzverpflichtung die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt tun würde (BGHZ aaO). Das ist im Regelfall unproblematisch , weil sich die Abwehrinteressen des Versicherers und des Versicherten meist entsprechen werden. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision der Interessen des Versicherers und des Versicherten auftritt. Selbst in diesem Fall bleibt der Versicherer grundsätzlich verpflichtet, seine eigenen Interessen hintanzustellen. Nur diese weite Auslegung des Leistungsversprechens kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleisten (BGHZ aaO).
- 13
- Eine b) besondere Interessenkollision entsteht dann, wenn im Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall neben dem Fahrer und Halter des versicherten Fahrzeugs gestützt auf den gesetzlichen Direktanspruch zugleich der Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und letzterer sich mit der Behauptung verteidigen will, der behauptete Unfall sei in Wahrheit von den vorgeblich Unfallbeteiligten verabredet worden.
- 14
- In diesem Fall steht der Haftpflichtversicherer in einem unauflösbaren Konflikt. Er kann sich zwar dafür entscheiden, sein Ziel, eine Unfallverabredung gerichtlich feststellen zu lassen, nicht weiterzuverfolgen, um stattdessen allein das Rechtsschutzbegehren der Versicherten zu unterstützen und damit seiner nach dem Versicherungsvertrag geschuldeten Rechtsschutzverpflichtung zu genügen. Wird er aber auch selbst unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommen, kann es ihm nicht verwehrt werden, sich dagegen umfassend zu verteidigen, und zwar auch mit der Behauptung, das schadenbegründende Ereignis sei nicht - wie vom Geschädigten behauptet - unfreiwillig erlitten, sondern von den angeblich Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden. Dennoch bleibt der Haftpflichtversicherer - lehnt er nicht von vornherein Deckung ab - aufgrund seines Leistungsversprechens weiter gehalten, den Versicherungsnehmer und den mitversicherten Fahrer wie ein von diesen beauftragter Anwalt zu vertreten und sie notfalls von Schadensersatzverpflichtungen freizuhalten.
- 15
- aa) In der geschilderten Situation ist weder der Haftpflichtversicherer noch ein von ihm beauftragter Rechtsanwalt in der Lage, beide Ziele gleichzeitig zu verfolgen, ohne dabei die vom Versicherungsvertrag geschützten Interessen der Versicherten zu verletzen. Vielmehr stehen sowohl der Haftpflichtversicherer als auch der von ihm beauftragte Rechtsanwalt in einem unlösbaren Interessenkonflikt, der es ihnen verbietet , im Haftpflichtprozess zugleich das eigene Anliegen und das des Versicherten zu vertreten (so auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 - VI ZB 31/08 - veröffentlicht in juris, Tz. 9, 10; OLG Düsseldorf Verkehrsrecht aktuell 2009, 165 m. zust. Anm. Elsner in jurisPR-VerkR 7/2010 Anm. 4; OLG Köln VersR 1997, 597; OLG Koblenz VersR 1996, 604; LG Hagen r+s 1996, 466; Meiendresch, r+s 2005, 50 ff.). Soll Letz- terem der im Versicherungsvertrag versprochene Rechtsschutz dennoch ungeschmälert zuteil werden, ist er - wie hier der Kläger als mitversicherter Fahrer - darauf angewiesen, dass der Haftpflichtversicherer seine Rechtsverteidigung im Haftpflichtprozess in andere Hände legt und deshalb die Kosten eines eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalts übernimmt, denn nur damit kann gewährleistet werden, dass sowohl der Versicherer als auch der Versicherte ihre unterschiedlichen Standpunkte im Haftpflichtprozess gleichermaßen Erfolg versprechend vertreten können.
- 16
- bb) Zwar steht es dem Haftpflichtversicherer im Rahmen der ihm übertragenen Prozessführungsbefugnis grundsätzlich frei, im Haftpflichtprozess den versprochenen Rechtsschutz durch einen eigens für den Versicherten beauftragten Rechtsanwalt oder lediglich mittels einer Nebenintervention zu gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1993 - VI ZR 249/92 - VersR 1993, 625 unter 1; Freyberger, VersR 1991, 842, 845; Geyer, VersR 1989, 882, 888). Bei der hier in Rede stehenden Interessenkollision ist dieses Ermessen aber nicht mehr eröffnet, weil einerseits der Versicherer selbst nicht mehr in der Lage ist, die Interessen des Versicherten sachgerecht wahrzunehmen, ein vom Versicherer beauftragter Rechtsanwalt schon wegen der Strafdrohung des § 356 StGB gehindert wäre, zugleich die Interessen des Versicherers und des Versicherten zu vertreten (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 aaO), und andererseits der Versicherte gerade deshalb, weil gegen ihn von Seiten des Versicherers ein Betrugsvorwurf erhoben wird, in besonderem Maße des rechtlichen Beistands bedarf.
- 17
- Wie der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 6. Juli 2010 (aaO) zu der Frage, ob der Wunsch des Versicherten nach Beiordnung eines eigenen Rechtsanwalts in solchen Fällen mutwillig i.S. von § 114 Satz 1 ZPO erscheint, zutreffend ausgeführt hat, sind hier die Interessen des beklagten Versicherungsnehmers und des beklagten Haftpflichtversicherers nur vordergründig gleichgerichtet, auch wenn sie beide der Klage entgegentreten (vgl. OLG Köln VersR 1997, 597, 598). Für den Versicherungsnehmer ist es von besonderem Interesse, ob die Haftpflichtklage mit der Begründung abgewiesen wird, es liege ein von ihm mitmanipulierter Unfall vor, oder aus anderen Gründen. Deswegen kann weder mit Blick auf § 114 Satz 1 ZPO noch für die Frage, ob die Unterstützung des Versicherungsnehmers durch einen eigenen Rechtsanwalt notwendig erscheint, angenommen werden, eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei nähme in einem solchen Fall ihre Rechte ohne den Beistand eines eigenen Prozessbevollmächtigten wahr (BGH aaO). Denn der Haftpflichtversicherer lässt über seinen Rechtsanwalt in einem zentralen Punkt, dem der Unfallmanipulation, gerade das Gegenteil dessen vortragen, was der beklagte Versicherungsnehmer vorzutragen wünscht (OLG Düsseldorf Verkehrsrecht aktuell 2009, 165). Deshalb muss der Versicherungsnehmer, der sich im Haftpflichtprozess gegen den Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs verteidigen will, diesen Vorwurf nicht ohne eigene anwaltliche Vertretung hinnehmen und sich auf eventuelle Nachfolgeprozesse verweisen lassen (BGH aaO; OLG Düsseldorf aaO).
- 18
- cc) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung lässt sich der aufgezeigte Interessenkonflikt nicht anderweitig lösen. Zwar wird teilweise angenommen (KG VersR 2008, 1558 = NZV 2008, 519 - zur Frage der Mutwilligkeit i.S. von § 114 ZPO; AG Düsseldorf VersR 1997, 52; Freyberger, VersR 1991, 842 ff.; Geyer, VersR 1989, 882, 888), das Versicherteninteresse genieße nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag einen nur eingeschränkten Schutz. Er beschränke sich darauf zu verhindern, dass es im Haftpflichtprozess überhaupt zu einer Verurteilung, insbesondere durch ein Versäumnisurteil , komme. Das werde durch eine streitgenössische Nebenintervention des Haftpflichtversicherers auf Seiten des Versicherten in jedem Falle ausreichend gewährleistet, während es auf weitergehende - insbesondere strafrechtliche - Rechtsschutzziele, den Wunsch des Versicherten nach einer anderen Begründung der Haftpflichtentscheidung und sonstige Motive des Versicherten nicht ankomme.
- 19
- Diese Ansicht, der bereits der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem (die zitierte Entscheidung des Kammergerichts aufhebenden ) Beschluss vom 6. Juli 2010 (aaO) entgegengetreten ist, überzeugt auch deshalb nicht, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine solche Beschränkung der Rechtsschutzverpflichtung dem Leistungsversprechen des Versicherers nicht entnehmen kann, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darauf gerichtet ist, den Versicherten im Haftpflichtprozess wie ein von ihm beauftragter Anwalt zu vertreten. Von einem selbst beauftragten Rechtsanwalt kann der Versicherte aber zu Recht erwarten, dass seine Interessen in einer Weise vertreten werden, die ihn nicht der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder der Rückforderung der Versicherungsleistung und der im Haftpflichtprozess entstandenen Prozesskosten aussetzen.
Felsch Lehmann
Vorinstanzen:
AG Borken, Entscheidung vom 01.10.2008 - 15 C 176/08 -
LG Münster, Entscheidung vom 23.04.2009 - 15 S 37/08 -
(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.
(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.
(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,
- 1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder - 2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder - 3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.
(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.
(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.
(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Dezember 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Gründe
A.
- 1
Die Klägerin beabsichtigt, die auf sie als Unfallversicherer übergegangenen Schadenersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers U. S. gegen S. H. wegen einer am 23.01.2011 eingetretenen Gesundheitsbeschädigung geltend zu machen. Die Beklagte ist der Privathaftpflichtversicherer des S. H. . Die Klägerin begehrt von ihr in einem vorweggenommenen Deckungsprozess die Feststellung der Freistellungsverpflichtung der Beklagten in Höhe ihrer behaupteten Aufwendungen.
- 2
Der Versicherungsnehmer der Beklagten verbrachte den 23.01.2011, einen Sonntag, gemeinsam mit seiner von ihm getrennt bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin wohnenden minderjährigen Tochter. Nachdem diese um ca. 17:30 Uhr abgeholt worden war, begann er nach eigenen Angaben, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Ab 19:00 Uhr wandte er sich mehrfach – offenkundig erregt und verzweifelt – an seine Nachbarin A. Hf., um sie dazu zu bewegen, zwischen ihm und seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu vermitteln und eine Rückkehr seiner Tochter zu ihm zu ermöglichen. Gegen 20:45 Uhr kündigte er in einem weiteren Telefonat ihr gegenüber an, sich selbst zu töten. Die Nachbarin informierte hierüber die Eltern des S. H. . Gegen 21:25 Uhr rief H. erneut bei seiner Nachbarin an und erklärte, dass in fünfzehn Minuten das Haus brennen werde, und bat sie, seinen Nachbarn U. S. und dessen Familie zu warnen, damit sie rechtzeitig das Haus verlassen könnten. U. S. befand sich zu diesem Zeitpunkt bei A. Hf. und deren Lebensgefährten D. K. . Alle drei begaben sich zum Haus des S. H., wo sie auch dessen Eltern vorfanden. S. H. näherte sich ihnen in aggressiver Haltung. Sie versuchten, ihn festzuhalten, was jedoch misslang. S. H. riss sich los und rannte in sein Haus. D. K. und U. S. verfolgten ihn, wobei sie im Treppenhaus einen Benzinkanister und am Treppengeländer ein Seil mit Schlinge wahrnahmen. Nachdem sie ihn eingeholt hatten, wandte sich H. zunächst dem K. zu und würgte ihn. Dabei äußerte er sinngemäß, dass er sein Gegenüber abstechen werde. Sodann rannte H. in die Küche und öffnete eine Schublade mit Besteck. U. S. folgte ihm und versuchte, den H. zu Fall zu bringen; dabei stürzten beide zu Boden. Infolge des Sturzes verletzte sich U. S. am rechten Knie. Bei dem kurz darauf erfolgenden Eintreffen der von A. Hf. gerufenen Polizei wurde eine starke Erregung des H. sowie eine Blutalkoholkonzentration von 1,96 g ‰ festgestellt. Er wurde vorübergehend in die geschlossene psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses eingewiesen.
- 3
In einem darauffolgenden Strafverfahren wurde gegen S. H. wegen Bedrohung des D. K. ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen erlassen (vgl. Strafbefehl des Amtsgerichts Eisleben vom 09.05.2011, 11 Cs 425 Js 9605/11, rechtskräftig seit dem 18.06.2011). Der Senat hat die Akte beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Das Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des U. S. wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (vgl. „Teileinstellung“ Bl. 49 BeiA).
- 4
Die Klägerin erbrachte im Rahmen der Unfallversicherung Zahlungen an die Erbringer medizinischer Leistungen für ihren Versicherungsnehmer U. S. . Sie forderte die Beklagte zur Regressleistung auf. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 23.09.2011, mit dem sie die geltend gemachten Ansprüche gegen ihren Versicherungsnehmer wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 827 Abs. 1 BGB – Deliktsunfähigkeit – zurückwies. Unter Verweis auf die vorübergehende Unterbringung des H. in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses führte die Beklagte weiter aus:
- 5
„… Zwar begründet dieser Umstand bzw. die Selbsttötungsabsicht noch nicht alleine den Ausschluss der Verantwortlichkeit gem. § 827 Abs. 1 BGB. Dass von einer solchen auszugehen ist, ergibt sich jedoch aus den Gesamtumständen, wie z. B., dass für den Selbstmord sowohl ein Seil zum Erhängen als auch ein Benzinkanister zum Abbrennen des Hauses bereit gestellt war.
- 6
Ihre Ansprüche weisen wir daher wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 827 Abs. 1 BGB zurück.
- 7
Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir für den Fall, dass diese Annahme in einem eventl. Rechtsstreit widerlegt würde, den Versicherungsschutz wegen Vorsatztat zu versagen hätten. …“
- 8
Auf nochmalige Intervention der Klägerin, dass sie die Ablehnung ihres Anspruchs so nicht hinnehmen könne, weil ein Nachweis der Deliktsunfähigkeit nicht geführt sei, Herr H. gezielt auf eine Selbsttötung und Brandstiftung hin gehandelt habe und daher auch davon auszugehen sei, dass er sehr wohl gewusst habe, was er tue, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2011:
- 9
„Falls man den Ihnen (der Klägerin – Anm. d. Senats) geschilderten Sachverhalt als zutreffend unterstellt, wäre wegen Vorsatztat der Versicherungsschutz zu versagen.
- 10
Nach wie vor halten wir jedoch an unserer Rechtslagebeurteilung gem. Schreiben vom 23.09.2011 fest und sind auch gern bereit, diese gerichtlich überprüfen zu lassen. …“
- 11
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 18.01.2012 an S. H., teilte ihm mit, dass die Beklagte ihr gegenüber „… den Versicherungsschutz vollumfänglich …“ abgelehnt habe und dass gerichtliche Schritte gegen die Beklagte geprüft würden. Dies geschehe auch im vermuteten Interesse des Adressaten. Die Klägerin bat den H. um Beantwortung von vier Fragen, darunter:
- 12
„1. Hat die … (Beklagte – Anm. d. Senats) Sie über die Ablehnung des ihr gegenüber geltend gemachten Anspruchs informiert? Wenn ja, …
- 13
2. Beabsichtigen Sie gegen die Ablehnung vorzugehen oder stehen Sie wegen der Ablehnung des Versicherungsschutzes mit der Versicherung bereits in Verhandlungen? …“
- 14
Der Versicherungsnehmer der Beklagten beantwortete diese Fragen am 06.02.2012 jeweils mit „nein“ und machte keine Angaben zu seiner telefonischen Erreichbarkeit.
- 15
Die Klägerin hat behauptet, dass ihr Versicherungsnehmer U. S. durch den Sturz u.a. einen Bruch im oberen Schienbeindrittel (Tibiakopffraktur) mit Gelenkflächenbeteiligung und einen Bruch des Wadenbeins (proximale Fibulafraktur) erlitten habe, deren Heilung in einem langwierigen und kostenintensiven Prozess erfolgt sei, und dass sie unfallbedingte Aufwendungen in Höhe von insgesamt 31.202,98 € erbracht habe.
- 16
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer Direktklage gegen die Beklagte auf Gewährung von Deckungsschutz für den S. H. habe, weil S. H. eine Verfolgung seines versicherungsrechtlichen Anspruchs gegen die Beklagte nicht beabsichtige. Ein Vorsatz des S. H., den U. S. zu Fall zu bringen und zu verletzen, sei nicht ersichtlich; dies zeige auch das Ergebnis der strafrechtlichen Verfolgung.
- 17
Die Beklagte hat die Unzulässigkeit der Klage gerügt. Sie hat bestritten, dass sie ihrem Versicherungsnehmer S. H. den Versicherungsschutz verweigert habe. Die Gefahr eines Untergangs des Deckungsanspruchs als Befriedigungsobjekt der Klägerin bestehe nicht.
- 18
Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten nicht vorlägen, weil S. H. sich z.Zt. des Vorfalls in einem Zustand der Schuldunfähigkeit befunden habe. Ihre Erklärung im Schreiben vom 28.11.2011 sei im Lichte der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass sie den Rechtsschutz unter dem Vorbehalt übernehme, die Deckung je nach Ausgang des Haftpflichtprozesses abzulehnen.
- 19
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
- 20
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO vorliege, weil die Beklagte auf die Anfrage der Klägerin, ob Versicherungsschutz bestehe, eine unklare Antwort gegeben habe, die es nicht ausschließe, dass sie sich auf eine Versagung von Versicherungsschutz wegen einer Vorsatztat berufe. Hinsichtlich der Begründetheit der Feststellungsklage sei von der Darstellung des Geschädigten vom Geschehensablauf auszugehen. Danach sei ein Vorsatz auszuschließen.
- 21
Die Beklagte hat gegen das ihr am 09.01.2013 zugestellte Urteil mit einem am 06.02.2013 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der bis zum 11.03.2013 (Montag) laufenden Berufungsbegründungsfrist auch begründet.
- 22
Mit der Berufung macht sie geltend, dass ein Feststellungsinteresse der Klägerin nicht bestehe, weil sie, die Beklagte, ihre Bereitschaft zur Abwehr des geltend gemachten Anspruchs auch im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung angekündigt habe. Die Formulierung „nach wie vor“ deute auf eine – tatsächlich beibehaltene – Rangfolge der Verteidigungsmittel hin. Gegenüber ihrem Versicherungsnehmer habe sie versicherungsrechtliche Gründe zur Versagung des Deckungsschutzes nicht herangezogen. Die Fragen der Klägerin an S. H. im Schreiben vom 18.01.2012 seien ungenau gewesen, so dass aus den Antworten keine Rückschlüsse auf eine Ungewissheit des Eintritts der Beklagten abzuleiten seien. Im Übrigen beanstandet die Beklagte die Tenorierung der erstinstanzlichen Entscheidung, weil danach Deckungsschutz unabhängig von der Frage der Schuldform – Vorsatz oder Fahrlässigkeit – und in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe zu gewähren sei. Hilfsweise meint die Beklagte, dass eine Klärung der Schuldform im Deckungsprozess auf der Grundlage einer Beweiserhebung erforderlich sei.
- 23
Die Beklagte beantragt,
- 24
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
- 25
die Klage abzuweisen.
- 26
Die Klägerin beantragt,
- 27
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- 28
Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und vertieft die Argumentation, dass sie sich ohne die begehrte Feststellung der Gefahr des Forderungsausfalls aussetze, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten den Anspruch auf Deckungsschutz gegen die Beklagte nicht geltend machte und selbst nicht in der Lage sei, im Falle eines Unterliegens im Haftpflichtprozess die Zahlungen zu leisten.
- 29
Der Senat hat am 17.07.2013 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.
B.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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Das Landgericht ist zu Unrecht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage im vorweggenommenen Deckungsprozess ausgegangen. Die Klägerin hat kein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung.
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I. Die gesetzlichen Regelungen zur Pflichtversicherung und die Rechtsprechung gehen grundsätzlich davon aus, dass der Geschädigte bzw. der an seine Stelle getretene Versicherungsträger (künftig: der Geschädigte) den Anspruch auf Schadenersatz zunächst gegenüber dem Schädiger selbst geltend macht und dadurch – ggf. unter Inanspruchnahme von Rechtsschutz – den Anspruch dem Grund und der Höhe nach feststellen lässt (sog. Haftpflichtprozess). Regelmäßig soll erst im Anschluss daran aus abgetretenem oder durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übergegangenem Recht die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch genommen werden (sog. Deckungsprozess). Die Feststellungen im vorangegangenen Haftpflichtprozess haben im nachfolgenden Deckungsprozess Bindungswirkung, soweit Voraussetzungsidentität besteht (vgl. nur BGH, Urteil v. 30.09.1992, IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276; Urteil v. 18.02.2004, IV ZR 126/02, VersR 2004, 590). Zum Umfang der Versicherungsleistungen der Haftpflichtversicherung gehört nach § 100 VVG (in der hier anwendbaren Fassung vom 23.11.2007) auch die Gewährung von Rechtsschutz im Haftpflichtprozess. Ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers ist nach § 115 Abs. 1 VVG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen begründet. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Ausweitung der Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme des Pflichtversicherers entschieden. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Direktanspruch gegen die Beklagte nach übereinstimmender und zutreffender Rechtsauffassung beider Prozessparteien nicht erfüllt: Bei der Privathaftpflicht handelt es sich nicht um eine nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehende Versicherungspflicht (Nr. 1), eine eingetretene oder drohende Insolvenz des S. H. liegt nicht vor (Nr. 2), der Aufenthaltsort des S. H. ist bekannt (Nr. 3).
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II. Dem gegenüber ist schon der vorweggenommene Deckungsprozess des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer ein Ausnahmefall, weil ein Rechtsschutzinteresse regelmäßig das Bestehen eines Haftpflichtanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger voraussetzt. Der Schädiger hat jedoch als Versicherungsnehmer Anspruch auf eine eindeutige Auskunft darüber, ob der Versicherer im Haftpflichtprozess den Rechtsschutz übernimmt (vgl. BGH, Urteil v. 07.02.2007, IV ZR 149/03, BGHZ 171, 56). In diesem vorweggenommenen Deckungsprozess findet eine Prüfung des Haftpflichtanspruchs und der damit zusammenhängenden Tatfragen im Übrigen nicht statt, sondern es ist grundsätzlich die Richtigkeit der Behauptungen des Geschädigten zu unterstellen (vgl. BGH, Urteil v. 15.11.2000, a.a.O.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 27.10.2010, 12 U 99/09; Retter in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, Praxiskomm. z. Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. 2011, § 100 Rn. 72; Betz in: Veith/ Gräfe, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 12 Rn. 76). Im Deckungsprozess wird damit nicht geprüft, ob eine Haftungslage gegeben ist, weil es Aufgabe des Haftpflichtversicherungsschutzes ist, nicht nur festzustellen, ob der Versicherer Befreiung von begründeten Ersatzansprüchen schuldet, sondern vor allem auch, dass er die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen in eigener Zuständigkeit herbeizuführen hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 24.03.2005, 12 U 432/04, VersR 2005, 781). Daher ist der Feststellungsantrag im vorweggenommenen Deckungsprozess des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auch regelmäßig auf die Gewährung „bedingungsgemäßen“ Versicherungsschutzes zu richten, d.h. dem Versicherer soll dadurch nicht das Recht genommen werden, bei Begründetheit der Haftpflichtforderung des Geschädigten zu prüfen, ob der Deckungsschutz aus anderen, aus dem Versicherungsverhältnis herrührenden Gründen zu versagen ist.
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III. Der vorweggenommene Deckungsprozess des Geschädigten direkt gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne vorherige Abtretung, wie er hier vorliegt, ist eine sehr seltene Ausnahme (vgl. Betz, a.a.O., § 12 Rn. 61 und 71). Grundsätzlich begründet das Interesse des Geschädigten, sich über die Möglichkeiten der Realisierung seines Haftpflichtanspruchs vorab zu orientieren, für sich allein kein rechtliches Interesse an einer gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers gerichteten Deckungsschutz-Feststellungsklage. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherer auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet und seinem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz nicht eindeutig entzogen hat (vgl. BGH, Beschluss v. 30.05.1984, IVa ZR 205/83, VersR 1984, 787). Dem Geschädigten wird von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen ein rechtliches Interesse an einer gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers gerichteten, dem Haftpflichtprozess vorhergehenden Feststellungsklage im Deckungsprozess zugebilligt, wobei sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwei Fallgruppen ergeben, die im Lichte des vorgenannten Grundsatzes aufzufassen sind:
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1. Ein Feststellungsinteresse i.S. von § 256 ZPO wird bejaht, wenn wegen der Untätigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr besteht, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren geht. Dies ist angenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer insolvent ist und weder der Versicherungsnehmer noch der Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter gegen eine unberechtigte Deckungsversagung vorgehen und deshalb (auch ohne Verweigerung der Übernahme des Rechtsschutzes durch den Haftpflichtversicherer) der Rechtsverlust durch Verjährung droht (vgl. BGH, Urteil v. 15.11.2000, IV ZR 223/99, VersR 2001. 90 – in juris Tz. 10 m.w.N.; OLG Celle, Urteil v. 05.07.2012, 8 U 28/12 VersR 2013, 750).
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2. Der Bundesgerichtshof hat in einer weiteren Entscheidung angenommen, dass der Geschädigte ein eigenes rechtliches Interesse i.S. von § 256 ZPO an der Feststellung, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe, auch dann haben kann, wenn der Versicherer auf seine Anfrage, ob Versicherungsschutz bestehe, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (vgl. BGH, Beschluss v. 22.07.2009, IV ZR 265/06, VersR 2009, 1485 – in juris Tz. 2). Im entschiedenen Fall hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass der Versicherer verpflichtet sei, seiner Versicherungsnehmerin im Rahmen eines bestimmten Versicherungsverhältnisses „bedingungsgemäß Deckung“ anlässlich zweier Schadensfälle zu gewähren; der Bundesgerichtshof hat die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Versicherer die Unsicherheit über sein Eintreten für den Fall der rechtskräftigen Titulierung der Haftpflichtansprüche bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten habe und daher ungewiss geblieben sei, ob er bisher nicht vorgebrachte versicherungsrechtliche Einwände nachholen werde. Dem Deckungsprozess war ein Haftpflichtprozess gegen den Schädiger vorausgegangen, der wegen der Insolvenz des Schädigers unterbrochen war (vgl. Vorinstanz: OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.09.2006, I-18 U 17/06 – zitiert nach juris).
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IV. Nach diesen Maßstäben ist hier ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht gegeben.
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1. Ein Verlust des Deckungsschutzes i.S. der ersten Fallgruppe droht hier nicht. Über das Vermögen des Schädigers ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet, welches den Schädiger etwa handlungsunfähig machen könnte. Die Beklagte hat gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, dem Schädiger, die Übernahme des Rechtsschutzes nicht verweigert. Jedenfalls hat die Klägerin eine solche Auskunft der Beklagten gegenüber S. H. schon nicht substantiiert behauptet oder gar unter Beweis gestellt. Die an den Versicherungsnehmer der Beklagten gestellte Frage nach einem Vorgehen gegen eine Verweigerung der Übernahme von Rechtsschutz unterstellte eine solche Verweigerung, so dass in der bloß verneinenden Antwort des H. keine Bestätigung dieser Unterstellung zu sehen ist. Der Adressat übersandte zudem auch keine Kopie einer entsprechenden Nachricht der Beklagten über die Ablehnung des Deckungsschutzes. In der Korrespondenz zwischen den Parteien des Rechtsstreits gab die Beklagte vielmehr jeweils zu erkennen, dass sie bei gerichtlicher Geltendmachung des Haftungsanspruches dem Schädiger Rechtsschutz gewähren werde. Ohne ausdrückliche Verweigerung der Beklagten gegenüber ihrem Versicherungsnehmer ist dessen Untätigkeit in der Sache derzeit belanglos. Insbesondere stand der Eintritt der Verjährung des Deckungsanspruches (drei Jahre nach Geltendmachung im September 2011) auch nicht etwa unmittelbar bevor.
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2. Eine dem Verlust des Deckungsanspruchs gleich stehende Ungewissheit, wie sie der zweiten Fallgruppe in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entnehmen ist, liegt hier ebenfalls nicht vor.
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a) Die Beklagte hat die Auskunft nicht verweigert. Sie hat in ihren beiden Schreiben vielmehr eine eindeutige, nachvollziehbare Auskunft erteilt.
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Sie hat sich darin zum Ersatzanspruch geäußert und diesen Anspruch – für ihren Versicherungsnehmer – mit dem Verweis auf die fehlende Deliktsfähigkeit i.S. von § 827 BGB als unbegründet abgewehrt. Auch wenn die danach offensichtliche Gewährung von Rechtsschutz zugunsten ihres Versicherungsnehmers das Interesse des Geschädigten an der Feststellung der versicherungsrechtlichen Deckungspflicht nicht zu beseitigen vermag, so liegt in dieser Auskunft zugleich eine konkludente gleichlautende Auskunft an den Versicherungsnehmer; dieser hätte mithin kein rechtlich anerkanntes Interesse mehr für eine Feststellungsklage im vorweggenommenen Deckungsprozess. Hieraus ergeben sich bereits erhebliche Bedenken, ob das Rechtsschutzinteresse des Geschädigten weiter gehen kann, als die Rechte des Versicherungsnehmers, obwohl ihm in beiden Fallgruppen das Feststellungsinteresse allein wegen der Untätigkeit des Versicherungsnehmers zugebilligt worden ist.
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b) Die Beklagte hat sich auch zu den versicherungsrechtlichen Fragen objektiv nicht missverständlich geäußert. Ihre Auskunft ist dahin auszulegen, dass sie den Deckungsschutz nur teilweise – hinsichtlich des Rechtsschutzes – und im Übrigen nur unter dem Vorbehalt der Feststellung einer vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens i.S. von § 103 VVG gewährt. Anders, als das Landgericht meint, hat die Beklagte mit dem zweiten Schreiben vom 28.11.2011 ihre vorherige Auskunft nicht abgeändert oder relativiert, sondern bekräftigt. Sie hat lediglich die Reihenfolge und Intensität des Vorbringens – in Reaktion auf die Äußerungen der Klägerin – variiert, ohne den Sinngehalt zu verändern. Auf ihr nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages bestehendes Recht, im Falle des Vorliegens eines Risikoausschlussgrundes die (weitere) Versicherungsleistung zu verweigern, musste sie auf Anfrage des Geschädigten nicht verzichten.
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c) Entscheidend gegen ein rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung spricht jedoch der Umstand, dass die Klägerin mit einer – hier nur unterstellt rechtskräftig werdenden – Feststellung, dass die Beklagte „bedingungsgemäß“ Versicherungsschutz zu gewähren habe, nichts gewonnen hätte. Entsprechend den im vorweggenommenen Deckungsprozess geltenden Grundsätzen wären die Angaben des Geschädigten, hier des Versicherungsnehmers der Klägerin, in diesem Prozess als wahr zu unterstellen, so dass der Feststellungsanspruch ohne weitere inhaltliche Prüfung als begründet anzusehen wäre. Im Falle eines erfolgreichen Haftpflichtprozesses der Klägerin gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten müsste die Klägerin u.U. mangels Bindungswirkung dieser Feststellungen erneut Deckungsklage erheben; erst in diesem – nachlaufenden – Deckungsprozess wäre dann u.U. Beweis zu erheben über die streitige Frage, ob die Voraussetzungen für einen Risikoausschluss nach § 103 VVG vorlagen oder nicht (vgl. BGH, Urteil v. 29.10.2008, IV ZR 272/06, VersR 2009, 517; OLG Frankfurt, Urteil v. 02.07.2010, 3 U 21/10, VersR 2011, 1314). Hierfür hätte die im Haftpflichtprozess zu treffende Feststellung der Deliktsfähigkeit bzw. Deliktsunfähigkeit des Schädigers wegen teilweiser Voraussetzungsidentität mit der Frage des Vorliegens einer Vorsatztat eine teilweise Bindungswirkung.
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d) Einer endgültigen Klärung der Frage der Deckungspflicht der Beklagten im vorliegenden vorweggenommenen Deckungsprozess des Geschädigten steht schließlich auch entgegen, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten am Prozess nicht beteiligt ist, eine solche Feststellung aber erheblich in seinen Rechtskreis eingreifen würde.
C.
- 45
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.
- 47
Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
(1) Die Versicherung umfasst auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen.
(2) Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Dies gilt auch für Zinsen, die der Versicherungsnehmer infolge einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung der Befriedigung des Dritten diesem schuldet.
(3) Ist dem Versicherungsnehmer nachgelassen, die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, hat der Versicherer die Sicherheitsleistung oder Hinterlegung zu bewirken. Diese Verpflichtung besteht nur bis zum Betrag der Versicherungssumme; ist der Versicherer nach Absatz 2 über diesen Betrag hinaus verpflichtet, tritt der Versicherungssumme der Mehrbetrag hinzu. Der Versicherer ist von der Verpflichtung nach Satz 1 frei, wenn er den Anspruch des Dritten dem Versicherungsnehmer gegenüber als begründet anerkennt.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1642,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1588,65 € seit dem 28.06.2013 und aus weiteren 54,03 € seit dem 25.01.2014 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger unterhält bei der Beklagten zur Versicherungsscheinnummer AS-… eine Fahrzeugversicherung (Haftpflicht- und Vollkaskoschutz) für den klägerischen PKW Volkswagen Passat mit dem amtlichen Kennzeichen ….
3Mit diesem Fahrzeug verursachte der Kläger am 28.5.2012 gegen 19:20 Uhr auf dem Parkplatz des D-Parkhauses in W einen Verkehrsunfall, wobei die Beklagte als Versicherer des Klägers von einer Schadensfreiheit nach § 103 VVG wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalles durch den Kläger im Sinne einer Unfallmanipulation ausgeht und insoweit eine Regulierung des dem Unfallgegner an seinem PKW BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … entstandenen Unfallschaden ablehnte. Daraufhin erhob der Unfallgegner gegen den Kläger und die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.9.2012 vor dem Landgericht W zum Aktenzeichen 16 O 114/12 Klage auf Zahlung von Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 28.5.2012 in Höhe von 11.111,80 €. Die Beklagte nahm den Rechtsstreit auf und ließ Verteidigungsbereitschaft für sich selbst in ihrer Eigenschaft als Haftpflichtversicherer erklären und bestellte sich für den Beklagten im Wege der Nebenintervention mit gleichlautenden Antrag. Eine erste mündliche Verhandlung fand vor dem Landgericht W am 5.3.2013 statt. Nachfolgend beauftragte der Kläger seine nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit seiner Interessenwahrnehmung.
4Hinsichtlich der im Rechtsstreit vor dem Landgericht W zu erwartenden Rechtsverfolgungskosten verlangt der Kläger von der Beklagten nunmehr die Zahlung eines Prozesskostenvorschusses für die Rechtsvertretung in diesem Prozess, ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 11.111,80 €, zuzüglich Aktenübersendungskosten in Höhe von 12,00 € und Ablichtungskosten in Höhe von 33,40 €, mithin in Gesamthöhe von insgesamt 1642,68 €.
5Der Kläger trägt vor,
6die Vorschusspflicht der Beklagten hinsichtlich der entstehenden Rechtsverfolgungskosten im Rechtsstreit vor dem Landgericht W folge aus § 101 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 9 RVG. Insoweit habe der klägerische Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Kläger bereits eine Kostenvorschussrechnung vom 29.5.2013 über 1642,68 € gestellt, was anwaltlich versichert werde. Unerheblich sei, dass der Kläger bislang im Rechtsstreit vor dem Landgericht W weder schriftsätzlich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten noch in der dortigen mündlichen Verhandlung einen Prozessantrag gestellt habe und dass auch noch nicht schriftsätzlich zum Unfallereignis vorgetragen worden sei, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer unabhängig hiervon zur Freistellung des Klägers von Ansprüchen verpflichtet sei, die von einem Dritten aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werde. Soweit die Beklagte im Haftpflichtprozess die Ansprüche des Unfallgegners nicht reguliere, ihrem eigenen Versicherungsnehmer aber zugleich keinen Verfahrensbevollmächtigten zur Seite Stelle, habe sie den Kläger von den hierdurch veranlassten Kosten freizustellen. Der Kläger habe auch ein berechtigtes Interesse daran, anwaltlichen Beistand zu erhalten, da die Beklagte ihn zu Unrecht der Unfallmanipulation bezichtige. Aus diesem Vorwurf könnten dem Kläger durchaus finanzielle Nachteile erwachsen, so dass er sich im Haftpflichtprozess gegen diesen Vorwurf unter Zuhilfenahme eines eigenen Anwalts wehren müsse.
7Dem Kläger stehe somit nach § 101 Abs. 1 S. 3 VVG ein Vorschussanspruch gegen die Beklagte zu, so dass er nicht auf ein etwaiges anschließendes Kostenfestsetzungsverfahren im Haftpflichtprozess verwiesen werden könne. Auch der Höhe nach bestehe der geltend gemachte Vorschussanspruch, insbesondere auch bezüglich der Kosten der Akteneinsicht. Denn der Kläger habe zu Anfang des Haftpflichtprozesses nicht wissen können, dass er nicht vom Anwalt seiner Versicherung vertreten werde, so dass er auch nicht gehalten gewesen sei, sämtliche Schriftstücke aller beteiligten Rechtsanwälte und des Gerichts aufzubewahren. Zudem sei bereits aus anwaltlicher Vorsicht Akteneinsicht in die Gerichtsakte des Haftpflichtprozesses zu beantragen gewesen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1642,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie trägt vor,
13das angerufene Gericht sei örtlich nicht zuständig, da ein versicherungsrechtlicher Anspruch, der die Zuständigkeit gemäß § 215 VVG begründen würde, nicht dargetan sei.
14Der Kläger könne bereits nach dem Wortlaut des § 101 Abs. 1 VVG den begehrten Kostenvorschuss nicht erhalten, da sich dieser auf gerichtliche und außergerichtliche Kosten beziehe, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen. Der Kläger wolle im Haftpflichtprozess vor dem Landgericht W aber seine Inanspruchnahme durch den dortigen Prozessgegner gar nicht abwehren. Vielmehr bestreite er eine Unfallmanipulation, mit der Folge, dass die von dem Dritten geltend gemachten Ansprüche nicht abzuwehren, sondern zuzusprechen seien. Somit werde der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter im Haftpflichtprozess unter Berücksichtigung der prozessualen Wahrheitspflicht auch keinen Antrag auf Klageabweisung stellen, so dass im Ergebnis die anwaltliche Vertretung des Klägers, für die er Vorschüsse zu erhalten gedenke, nicht auf die Abwehr von Ansprüchen abziele und somit vom Wortlaut des § 101 Abs. 1 VVG nicht gedeckt sei.
15Zudem sei der Kläger hinsichtlich der begehrten Vorschüsse auf das Kostenfestsetzungsverfahren im Haftpflichtprozess zu verweisen, da ihm durch die derzeitige Prozessführung beim Landgericht W keine finanziellen Nachteile erwachsen könnten: Sofern sich eine Unfallmanipulation bestätige, würden sämtliche Ansprüche des dortigen Klägers abgewiesen; andernfalls werde der Haftpflichtversicherer leisten müssen und insofern auch den hiesigen Kläger von etwaigen Schadensersatzansprüchen freistellen.
16Im Hinblick auf die Höhe der geltend gemachten Gebühren sei nicht zu erkennen, warum die Beklagte verpflichtet sein solle, 12,00 € Auslagen für eine Akteneinsicht zu erstatten. Der Kläger sei im Wege der Nebenintervention über sämtliche Schriftsätze in beglaubigter und einfacher Abschrift über den Verfahrensstand unterrichtet worden. Wenn er seinen Prozessbevollmächtigten hier nicht ordnungsgemäß unterrichtet habe, könne dies nicht zulasten der Beklagten gehen. Gleiches gelte für die Ablichtungen.
17Zudem werde bestritten, dass dem Kläger vor Klageerhebung eine ordnungsgemäße Rechnung zugegangen und damit Fälligkeit gemäß § 10 Abs. 1 AVG eingetreten sei.
18Schließlich könne die die Beklagte, wenn überhaupt, nur unter Vorbehalt zu einer Zahlung unter Berechtigung der Rückforderung im Falle einer rechtskräftigen Klageabweisung im Haftpflichtprozess verpflichtet werden.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
21Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich zuständig. Nach § 215 Abs. 1 VVG ist für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
22Die Klage ist auch begründet.
23Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 101 Abs. 1 Satz 3 VVG Anspruch auf Bezahlung eines Vorschusses auf die Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1642,68 €Nach § 101 Abs. 1 VVG umfasst die Versicherung auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Nach Satz 3 dieser Vorschrift hat der Versicherer die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen. Demnach ist die Beklagte zur Vorschusszahlung an den Kläger verpflichtet. Der Vorschussanspruch des Klägers im hiesigen Verfahren ist mit Zustellung der Klage im Verfahren vor dem Landgericht W fällig geworden. Er steht allerdings unter dem Vorbehalt der endgültigen Abrechnung (vgl. Prölls/Martin, 28. Auflage, § 101 Rn. 29). Die Beklagte hat demzufolge einen Rückforderungsanspruch, sofern sich im Verfahren vor dem Landgericht W herausstellen sollte, dass ein Anspruch des Klägers im dortigen Verfahren gegen die Parteien im hiesigen Rechtsstreit nicht besteht.
24Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass ein manipulierter Unfall vorliegt, würde sie nach § 103 VVG leistungsfrei sein. Dies ist jedoch im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Ob der Versicherungsnehmer dem Dritten haftet, ist grundsätzlich im Haftpflichtprozess zu entscheiden, dagegen ist die Frage, ob die Beklagte als Versicherer dem Kläger als Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu gewähren hat, im Deckungsprozess zu klären (Trennungsprinzip). Dabei entfaltet eine rechtskräftige Entscheidung im Haftpflichtprozess Bindungswirkung betreffend der Tatsachen, die für den Versicherungsschutz von Bedeutung sind. Wenn aber, wie vorliegend, eine rechtskräftige Entscheidung im Haftpflichtprozess noch nicht vorliegt, ist für die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu gewähren ist, auf die Behauptung des Dritten abzustellen (vgl. Prölls/Martin, 28. Auflage 2010, § 100 Rn. 48, Rn. 16). Maßgebend ist somit allein, ob für den Vorwurf des Dritten, aus dem dieser seine Rechte herleitet, eine Deckung gemäß des Versicherungsvertrages besteht. Ist dies der Fall, so hat die Beklagte entsprechenden Versicherungsschutz zu gewähren (Prölls/Martin, § 100 Rn. 48 m. w. N.). Nach dem Vortrag des Dritten, Kläger im Verfahren vor dem Landgericht W, soll es sich bei dem Unfallereignis um einen vom Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Unfall handeln. Ein manipulierter Unfall und damit eine vorsätzliche Begehungsweise des hiesigen Klägers wird vom Dritten nicht behauptet. Ausgehend von dem Vortrag des Dritten würde keine vorsätzliche und widerrechtliche Herbeiführung eines Versicherungsfalles, sondern ein Schadensereignis vorliegen, das einen Versicherungsfall darstellt mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger des hiesigen Verfahrens den begehrten Vorschuss gemäß § 101 Abs. 1 Satz 3 VVG zu bezahlen. Eine Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren ist somit nicht durchzuführen. Aus den gleichen Gründen war das Verfahren auch nicht auszusetzen bis zur Entscheidung des Landgerichts W über den Haftpflichtprozess.
25Unerheblich ist, ob der Kläger im Haftpflichtprozess einen Antrag auf Klageabweisung gestellt oder nicht. Obwohl in § 100 VVG neben der Verpflichtung zur Freistellung lediglich die Abwehr unbegründeter Ansprüche benannt ist, umfasst die Rechtsschutzverpflichtung des Versicherers auch den Aufwand und die Kosten für die Verhandlung über begründete Ansprüche des Dritten (vgl. Prölls/Martin, § 100 Rn. 9 ff). Aus der Gesetzesbegründung zum neuen VVG geht hervor, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, den Wortlaut des § 149 VVG a. F. an die in der Praxis aufgrund der AHB übliche Leistungspflicht des Versicherers anzupassen (BT-Drucks. 16/3945 zu § 100 VVG, S. 85). Gem. Nr. 5.1 AHB 10 umfasst der Versicherungsschutz die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung des Versicherungsnehmers von berechtigen Schadensersatzverpflichtungen. Soweit dem Versicherer die Prüfung der Haftpflichtfrage obliegt, hat dieser zu klären, ob eine Schadensersatzverpflichtung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Dritten gegeben ist. Für die mit der Prüfung verbundenen Kosten hat der Versicherer aufzukommen. Aufgrund der Verpflichtung, den Versicherungsnehmer von begründeten Ansprüchen freizustellen und unbegründete Ansprüche abzuwehren, schuldet der Versicherer auch die Bezahlung der in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten (vgl. § 101 VVG). Die Kostenzahlungspflicht des Haftpflichtversicherers nach § 101 VVG ist eine Folge der Rechtsschutzgewährungspflicht und damit wesentlicher, hauptsächlicher Bestandteil des Anspruchs (vgl. Hintz/Burkard, VersR 2011, 1373). Die Rechtsschutzverpflichtung ist nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des BGH ebenso wie die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche eine Hauptleistungspflicht des Versicherers. Beruft sich der Versicherer auf den Ausschluss nach § 103 VVG und entzieht sich damit seiner Rechtsschutzverpflichtung, lässt er dem Versicherungsnehmer damit „freie Hand“ zur Regulierung. Infolgedessen hat sich der Versicherungsnehmer auch an vertraglich vereinbarte Obliegenheiten nicht mehr zu halten. Verzichtet der Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess auf jedwede Verteidigung, weil er die Sache für aussichtslos hält, so hat der Versicherer den Versicherungsnehmer von der titulierten Forderung im Rahmen der vereinbarten Versicherungsleistung in voller Höhe freizustellen (vgl. BGH VersR 2007, 1116 ; VersR 1992, 1504 = NJW 1993, 68).
26Soweit die Beklagte bestreitet, dem Kläger vor Klageerhebung eine ordnungsgemäße Rechnung seiner Prozessbevollmächtigten zugegangen und damit Fälligkeit gemäß § 10 Abs. 1 AVG eingetreten sei, hat der Kläger den Zugang der Rechnung bereits dadurch nachgewiesen, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte dies anwaltlich versichert hat (§ 287 ZPO).
27Der geltend gemachte Vorschussanspruch besteht auch in voller Höhe einschließlich Auslagen in Höhe von 12,00 € für Akteneinsicht und die Kosten für Ablichtungen, und zwar unabhängig davon, ob dem Kläger bereits sämtliche Schriftsätze im Haftpflichtprozess zugegangen sind, da es grundsätzlich anwaltlicher Sorgfalt entspricht, sich über den Akteninhalt durch Akteneinsichtnahme Gewissheit zu verschaffen.
28Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.02.2014 den Verfall bzw. die Verwirkung des anwaltlichen Honoraranspruchs geltend macht, welcher Gegenstand des streitgegenständlichen Kostenvorschussanspruchs ist, und insoweit unter Zeugenbeweis vorträgt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe vor der mündlichen Verhandlung beim Landgericht W am 23.07.2013 auf dem Gerichtsflur mit dem Prozessbevollmächtigten des dortigen Klägers gesprochen und hierbei einen Parteiverrat im Sinne von § 43a Abs. 4 BRAO begangen, kann sie hiermit nicht durchdringen, weil dieser Sachvortrag gemäß § 296 Abs. 2 ZPO entgegen der Prozessförderungspflicht des § 282 Abs. 1 ZPO verspätet vorgebracht worden ist und die Zulassung des Sachvortrags nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, wobei zugleich die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht, mit der Folge, dass der Sachvortrag zurückzuweisen ist. Nach § 282 Abs. 1 ZPO hat jede Partei in der mündlichen Verhandlung ihre Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen und Beweismittel, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Schriftsatz vom 07.02.2014 erstmals über einen Vorfall vom 23.07.2013 berichtet, welcher somit also bereits länger als ein halbes Jahr zurücklag. Insoweit erschließt sich nicht und wird von der Beklagten auch nicht erläutert, weshalb dieser Sachvortrag erst nach diesem erheblichen Zeitablauf erstmalig vorgebracht wird, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die mündliche Verhandlung bereits geschlossen war und lediglich aus den Gründen des Beschlusses vom 10.01.2014 eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angezeigt war, so dass für die Beklagte ohnehin bereits die Gefahr bestanden hatte, dass eine Instanz abschließende Entscheidung ergeht, ohne dass dieser nunmehr erstmalig vorgebrachte Sachvortrag überhaupt erfolgt wäre. Somit ist von grober Nachlässigkeit im Sinne von § 296 Abs. 2 ZPO auszugehen. Die Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits durch Zulassung des verspäteten Vorbringens würde darauf beruhen, dass - da der Beklagte den klägerischen Sachvortrag bestreitet - hierüber Beweis durch Zeugenvernehmung in einem noch anzuberaumenden Beweisaufnahmetermin zu erheben wäre, während bei Zurückweisung des Sachvortrages eine sofortige Streitentscheidung erfolgen könnte.
29Die Beklagte war somit antragsgemäß zu verurteilen.
30Die zuerkannten Zinsen folgen dem Grunde und der Höhe nach aus Verzug.
31Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
32Streitwert: 1642,68 €