Landgericht Düsseldorf Urteil, 24. Feb. 2016 - 12 S 2/15
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 09.12.2014, Az. 57 C 422/14, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz gemäß Lizenzanalogie sowie Ersatz von Ermittlungs- und Abmahnkosten wegen der Verbreitung eines Computerspiels mittels einer Filesharing-Software.
4Wegen des tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
5Mit dem am 09.12.2014 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, der Beklagte hafte nicht nach § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz. Da sein Sohn M mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, sei die Vermutung einer Alleinnutzung des Internetanschlusses durch den Beklagten widerlegt. Die Klägerin treffe die volle Beweislast für die Täterschaft des Beklagten. Dass der von der Klägerin als Zeuge benannte Sohn des Beklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch gemacht habe, dürfe nicht zu dessen Nachteil gewertet werden. Der Beklagte hafte auch nicht als Störer. Weder als Anschlussinhaber, noch wegen der familiären Verbundenheit mit seinem Sohn träfen ihn Aufsichts- und Überwachungspflichten, die er verletzt haben könnte.
6Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung der Klage und verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
7Wegen der Anträge erster Instanz und des ergänzenden Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
8II.
9Die Berufung der Klägerin ist zulässig, Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und begründet worden, § 520 ZPO.
10In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
11I.
12Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin beruht die Entscheidung des Amtsgerichts nicht auf einer Verletzung zivilprozessualer Darlegungs- und Beweislastregeln. Das Amtsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Feststellung gelangt, die Klägerin hat eine Täterschaft des Beklagten nicht nachgewiesen.
131.
14Nach der ungeschriebenen Grundregel der Beweislast hat der Anspruchsteller im Zivilrechtsstreit die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen (Musielak/Forste, ZPO, 12. Aufl., § 286, Rn. 35). Bei der Partei, die die Beweislast trägt, liegt grundsätzlich auch die Darlegungslast (Vorwerk/Wolf/Bacher, BeckOK-ZPO, 19. Ed., § 284, Rn. 84).
15Diese Grundsätze gelten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für die Fälle urheberrechtswidrigen Verbreitens von Software, Filmen und Spielen im Internet mittels einer Filesharing-Software. Allerdings trifft den in Anspruch genommenen Beklagten, will er einer Haftung entgehen, eine sekundäre Darlegungslast im Rahmen der es dem Beklagten obliegt, Umstände vorzutragen, aus denen sich die Möglichkeit der Nutzung seines Internetanschlusses durch Dritte ergibt, und in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis von ihm durchgeführter Befragungen mitzuteilen (vgl. zuletzt BGH WRP 2016, 57 – Tauschbörse I; WRP 2016, 66 – Tauschbörse II; WRP 2016, 73 – Tauschbörse III). Die sekundäre Darlegungslast trägt dem Umstand Rechnung, dass der Rechteinhaber regelmäßig keine Kenntnisse über die engere häusliche Sphäre eines Internet-Anschlussinhabers hat, diesem jedoch Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. BGH NJW 2014, 2360 – BearShare). Dabei hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen jeweils ausgeführt, dass die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer echten Beweislast verkehrt werden darf. Die Beweislastverteilung wird durch die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers nicht umgekehrt und der Anschlussinhaber ist auch nicht über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) hinausgehend verpflichtet, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Vielmehr genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast bereits dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH a.a.O.).
16Die Entscheidung „Tauschbörse III“ besagt im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nichts Abweichendes. Der Beklagte hatte dort gerade nicht behauptet, seine Familienmitglieder hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt Zugriff auf seinen Anschluss gehabt, sondern seine Behauptung ging dahin, er und seine Familie seien in Urlaub gefahren und keines seiner Familienmitglieder sei zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen. Der durch die Vorinstanzen erhobene Beweis in dem Rechtsstreit diente entgegen der Darstellung der Klägerin daher nicht dazu, die in Ausfüllung der sekundären Darlegungslast durch den dortigen Beklagten vorgetragene Tatsachen dem Beweis zuzuführen; vielmehr wollte die Klägerin den Nachweis führen, die Behauptung der Beklagtenabwesenheit sei unzutreffend.
172.
18Das Amtsgericht hat die Darlegungs- und Beweislastregeln, wie sie sich aus vorgenannter Rechtsprechung ergeben, in der angegriffenen Entscheidung beachtet und zutreffend angewandt.
19Es hat die qualifizierte Behauptung des Beklagten als erheblich eingeordnet, sein erwachsener Sohn habe Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, und sodann die Last, die Täterschaft des Beklagten nachzuweisen, bei der Klägerin gesehen.
203.
21Allerdings hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen nicht nur den Umfang und die prozessuale Wirkung der sekundären Darlegungslast herausgearbeitet, sondern zugleich angeführt, dass in den sog. Filesharing-Fällen eine tatsächliche Vermutung bestehe, wonach bei einem Internet-Anschlussinhaber grundsätzlich davon auszugehen sei, dass dieser den Internetanschluss alleine nutze und daher auch für einen über seinen Anschluss durchgeführten Down- bzw. Upload verantwortlich sei.
22Nach allgemeinen Grundsätzen müssen zur Entkräftung einer solchen tatsächlichen Vermutung, die nach der Rechtsprechung des BGH den Regeln des Anscheinsbeweis folgt, Tatsachen dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Die nicht auszuschließende bloße Denkmöglichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis auch anders abgelaufen sein kann, reicht nicht aus, um eine tatsächliche Vermutung zu erschüttern. Vielmehr muss hierzu die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Verlaufs feststehen (BGH NJW 1991, 230).
23In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist vor diesem Hintergrund vereinzelt entschieden worden, die Umstände, die ein Beklagter in einem Filesharing-Prozess im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vortrage, seien von diesem auch zu beweisen; ansonsten sei seine Verteidigung unerheblich bzw. die Vermutung seiner Täterschaft sei nicht widerlegt (vgl. die Nachweise bei Hohlweck, GRUR 2014, 940). Die gerade genannte Literaturstimme stellt hingegen heraus, auf Grund bisherigen Rechtsprechung sei die genaue Grenze zwischen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers einerseits und der sekundären Darlegungslast andererseits offengeblieben. Auf ihr liege die Frage, ob die Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten feststehen muss oder ob die einfache Behauptung dieser Möglichkeit genügt (vgl. Hohweck, a.a.O.). Die Unklarheiten ergäben sich unter zwei Gesichtspunkten: Die Möglichkeit der Nutzung des Internetanschlusses Dritter soll nach der Entscheidung ‚Tauschbörse III‘ (WRP 2016, 73, Tz. 37) die tatsächliche Vermutung „ausschließen“ bzw. nach der Entscheidung ‚Morpheus‘ (NJW 2013, 1441) diese „entkräften“, während es in der Entscheidung „BearShare“ (GRUR 2014, 657) heißt, die Vermutung sei bei der Möglichkeit der Nutzung durch Dritte schon nicht „begründet“. Nicht ohne Zweifel bleibt hiernach, ob der Anspruchsteller die zur Anwendung der ihm günstigen Vermutung die für deren Anwendung vorauszusetzenden Tatsachen im Streitfall auch beweisen muss, einschließlich des Negativbeweises, dass keine Nutzungsmöglichkeit eines Dritten bestand (hierfür spricht die Entscheidung ‚BearShare‘; so auch: OLG München BeckRS 2016, 01186), oder ob es Sache des in Anspruch genommenen ist, die bereits durch die Anschlussinhaberschaft begründete Vermutung durch Beweis der Tatsache zu entkräften, dass ein Dritter Nutzungsmöglichkeit hatte (hierfür spricht die Entscheidung ‚Morpheus‘; so auch: LG München BeckRS 2015, 12287). Aus den Entscheidungen des BGH ergibt sich weiterhin nicht zweifelsfrei, ob die Grundsätze der sekundären Darlegungslast neben jenen der Vermutung stehen und somit erst dann zur Anwendung gelangen, wenn die Vermutung nicht begründet bzw. entkräftet ist. Hiernach wäre dann, und nur dann, wenn die Vermutung widerlegt ist, weitergehender Tatsachenvortrag durch den Anschlussinhaber erforderlich, bevor die allgemeine Darlegungs- und Beweislast wieder zu dem Anspruchsteller „wandert“ (so wohl: LG München, a.a.O.). Dem gegenüber steht die Sichtweise des OLG München a.a.O., wonach die sekundäre Darlegungslast in Filesharing-Fällen die für eine tatsächliche Vermutung entwickelten Grundsätze dahingehend modifiziert, dass bereits zur Widerlegung der Vermutung (oder bereits zu deren Nichteinschlägigkeit) der Anschlussinhaber zwar umfassend zur Nutzungsmöglichkeit Dritter (einschließlich des Ergebnisses durchgeführter Recherchen) vortragen muss, diese Umstände jedoch nicht von ihm zu beweisen sind, sondern vielmehr der Anspruchsteller, will er sich gleichwohl auf die Vermutung berufen, den Beweis zu führen hat, dass entgegen des substantiieren Vorbringens des Anschlussinhabers doch kein Dritter Zugriff auf den Anschluss hatte. Hiernach findet die Vermutung entweder dann Anwendung, wenn der Anschlussinhaber seiner qualifizierten Darlegungspflicht nicht genügt oder wenn der Anspruchsteller nach qualifizierter Darlegung durch den Anschlussinhaber nicht den Beweis führen kann, dass die qualifizierte Darlegung unzutreffend ist. Nur dann müsse der Anschlussinhaber zur Entkräftung der Vermutung den Beweis führen, dass auch andere als Täter in Betracht kämen (vgl. OLG München a.a.O.).
24Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung zwischen der Anwendbarkeit der Vermutung einerseits und der sekundären Darlegungslast unterschieden. Hiervon ausgehend hat es die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers auch ohne Durchführung einer Beweisaufnahme als widerlegt bzw. nicht anwendbar betrachtet. Das Amtsgericht hat hierfür zunächst als unstreitig behandelt, dass der volljährige Sohn des Beklagten, M, zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Beklagtenhaushalt lebte. Die Einordnung des Vortrags als unstreitig erfolgte zutreffend, denn die Klägerin – die zuvor sogar die Existenz des Sohnes mit Nichtwissen bestritten hatte – hat nach Vorlage der Meldebescheinigung an ihrem Bestreiten, der Sohn existiere und habe im Haushalt des Beklagten gelebt, nicht mehr festgehalten. Im Schriftsatz vom 11.11.2014 hat sie lediglich noch bestritten, dass der Sohn des Beklagten den Internetanschluss zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nutzen durfte. Sodann hat das Amtsgericht die unstreitige Tatsache genügen lassen, um bereits von einer Entkräftung der Vermutung der Alleintäterschaft des Anschlussinhabers auszugehen. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Grundlage der Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers ist der Satz der Lebenserfahrung, dass ein Anschlussinhaber seinen Internet-Anschluss grundsätzlich alleine nutzt. Mit der Berufung nicht ausdrücklich angegriffen wird die Annahme des Amtsgerichts, diese empirische Grundlage träfe schon dann nicht zu, wenn der Anschlussinhaber gemeinsam mit einem erwachsenen Kind in einem Haushalt lebe. In der Tat entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein im Haushalt eines Elternteils lebender volljähriger Familienangehöriger jedenfalls dann, wenn wie hier ein WLAN-Anschluss vorhanden war, diesen selbständig mitnutzen darf.
25Dass das Amtsgericht das Beweisergebnis in Folge der fehlenden Aussage des Sohnes des Beklagten sodann zulasten der Klägerin gewertet hat, lässt ebenfalls keine Fehler erkennen. Denn der Beklagte hatte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast alles Notwendige, einschließlich des Ergebnisses einer von ihm durchgeführten Befragung, vorgetragen, so dass entsprechend den vorausgeführten Ansichten entweder die weitere Voraussetzung zur Widerlegung der Vermutung, nämlich der qualifizierte Vortrag des Beklagten, erfüllt oder der Beklagte jedenfalls der Behauptung der Klägerin, er sei Täter der Rechtsverletzung, wirksam entgegengetreten ist. Mit der Berufung wird auch nicht angegriffen, der Beklagte habe seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt.
26Die Berufung ist vielmehr allein auf die Rechtsansicht gestützt, dass sämtliche Umstände, die für Zugriffsmöglichkeit eines volljährigen Familienmitglieds auf den häuslichen Internetanschluss im konkreten Zeitpunkt sprechen, von dem Anschlussinhaber zu beweisen seien, um die tatsächliche Vermutung zu widerlegen. Diese Sichtweise verkennt, dass es sich bei der sekundären Darlegungslast – wie ausgeführt – lediglich um eine gesteigerte Substantiierungslast aufgrund eines Informationsgefälles handelt (vgl. Prütting, in: MüKo-ZPO, 4. Aufl., § 286, Rn. 103), dass aber umgekehrt die tatsächliche Vermutung eine Rechtswohltat zugunsten des Anspruchstellers bildet, die ihre Rechtfertigung in der Typisierung bestimmter Lebenssachverhalte findet. Von dem Anspruchsgegner den Vollbeweis für die von ihm ohnehin über die normalen Grundsätze hinaus darzulegenden Umstände zu verlangen, um zur Erschütterung der Vermutung zu gelangen, würde den durch die tatsächliche Vermutung und die gesteigerte Darlegungslast bereits doppelt prozessual benachteiligten Prozessgegner in unzulässiger Weise weiter schlechter stellen. Die korrespondierende Besserstellung des Anspruchstellers ist weder durch das Gesetz vorgesehen, noch durch die Besonderheit der Filesharing-Sachverhalte, nämlich die expotentielle Vielzahl potentieller Verletzer und die Beweisschwierigkeiten auf Anspruchstellerseite, gerechtfertigt.
27II.
28Soweit die Berufung meint, das Amtsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO durch den Hinweis vom 29.07.2014 verletzt, wonach der Beklagte die Beweislast für die Mitbenutzung des Anschlusses durch den Sohn tragen dürfte, hat die Klägerin nicht vorgetragen, inwieweit hierauf die Entscheidung beruht. Insofern ist zu berücksichtigten, dass der Hinweis unter Nennung der BGH-Entscheidung vom 08.01.2014 (BearShare) erfolgte, aus der sich die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung ergeben. Auch ist in der Verfügung klargestellt, dass die Ladung des Sohnes zu dem Beweisaufnahmetermin allein aufgrund der Benennung durch die Klägerseite erfolgte, diese vorschusspflichtig war, und das Gericht daher die Klägerin beweisbelastet sah.
29Welches prozessuale Verhalten die Parteien bei einem abweichend erteilten Hinweis gezeigt hätten, ist nicht vorgetragen. Wie ausgeführt, hätte auch bei zutreffendem Hinweis der Sache nach keine andere Entscheidung ergehen dürfen.
30III.
31Auch nach Grundsätzen der Beweisvereitelung war der Rechtsstreit nicht zu Gunsten der Klägerin zu entscheiden.
32Die Auffassung des Amtsgerichts, die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch den volljährigen Sohn des Beklagten könne nicht zu dessen Lasten gewertet werden, hält sich im Rahmen der durch § 286 ZPO vorgegebenen Grenzen der freien Beweiswürdigung.
33Auch der Umstand, dass der Sohn des Beklagten durch dessen Prozessbevollmächtigte instruiert wurde, er solle von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, musste das Amtsgericht nicht veranlassen, eine Beweisvereitelung durch den Beklagten anzunehmen. Zwar ist das Vorbringen über die Instruktion des Zeugen als unstreitig zu betrachten, nachdem die Klägerin bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 11.11.2014 entsprechend vorgetragen und der Beklagte den Vortrag nicht streitig gestellt hat, zudem keine Gründe ersichtlich sind, die das Bestreiten durch den Beklagten erst in der Berufungsinstanz rechtfertigen könnten.
34Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin ergibt sich – unabhängig davon, dass dieser Umstand ohnehin keine Selbstbindung bedeutete – nicht schon aus früheren Entscheidungen des Amtsgerichts, dass das unstreitige Verhalten bereits eine Beweisvereitelung darstellt. Das Zitat aus der Entscheidung des AG Düsseldorf vom 19.11.2013, Az. 57 C 3144/13, ist mit einer Beweisvereitelung nicht befasst, sondern beschäftigt sich mit den Folgen einer fehlenden Namhaftmachung weiterer Anschlussnutzer durch den darlegungspflichtigen Beklagten. Der Pflicht zur Namhaftmachung ist der Beklagte hier jedoch nachgekommen. Auch liegt nicht die im zitierten Urteil vom 14.10.2014, Az. 57 C 4661/13, angesprochene Konstellation, wonach die im Prozess gehörten Mitnutzer als Alleintäter unter Ausschluss des Beklagten nicht in Betracht kommen, vor, sondern es ist vielmehr offen, ob die Nutzung des Anschlusses durch den Sohn oder einen Dritten, dem der Sohn die Nutzung ermöglichte, stattfand. Ebenso hat der Beklagte – anders als im zitierten Fall – nicht die ladungsfähige Anschrift des Mitnutzers verschwiegen.
35Der Beklagte hat auch nicht der Klägerin die Beweisführung schuldhaft erschwert oder verunmöglicht. Die Klägerin, die noch in erster Instanz das Verhalten des Beklagten lediglich als eine „Prozessstrategie“ verstanden wissen wollte, hat schon nicht behauptet, dass dessen Sohn allein wegen oder auch wegen der Intervention der Prozessbevollmächtigten des Beklagten von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, er ohne die so erfolgte Einwirkung zur Aussage bereitgewesen wäre. Der Sohn des Beklagten ist vom Gericht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden. Es erscheint hiernach ebenso gut möglich, dass seine Aussageverweigerung nicht wegen oder in Folge der Intervention der Beklagtenanwältin erfolgte, sondern dass der Zeuge vielmehr vorrangig die Intention hatte, sich oder Familienmitglied nicht belasten zu müssen. Ist aber nicht dargelegt oder bewiesen, dass der Zeuge ohne die Intervention der Prozessbevollmächtigten des Beklagten aussagebereit gewesen wäre, so beruht die Wertung, das Verhalten des Beklagten habe die Beweisführung erschwert oder unmöglich gemacht, auf einer bloßen Mutmaßung.
36IV.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
38Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Sachverhalte von Bedeutung ist und – wie ausgeführt – die Anwendungsvoraussetzungen und die Reichweite der Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers in Filesharing-Fällen sowie die diesbezüglichen Beweislastfragen noch nicht hinreichend geklärt sind.
39Streitwert (Berufung): 467,00 EUR.
Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 24. Feb. 2016 - 12 S 2/15
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:
- 1.
der Verlobte einer Partei; - 2.
der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner einer Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
diejenigen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren; - 4.
Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist; - 5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt; - 6.
Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.
(2) Die unter Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren.
(3) Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dass ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 263,12 EUR (in Worten: zweihundertdreiundsechzig Euro und zwölf Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.03.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 93% und der Beklagte zu 7%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Gegenseite kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Unter der zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten zugeordneten IP-Adresse ######## kam es am 18.06.2009 um 16:07 Uhr zu einer Nutzung einer auf dem BitTorrent-Protokoll beruhenden Filesharingsoftware, wobei das Musikdoppelalbum „H“, bestehend aus 13 Einzeltiteln, von der Musikgruppe „N“, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte für das Inland zustehen, zum Upload zur Verfügung gestellt worden ist.
3Nach Ermittlung der IP-Adresse sandte die Klägerin an den Beklagten unter Angabe der konkreten vom Filesharing umfassten Werke ein Abmahnschreiben vom 08.07.2009, mit dem sie ihn aufforderte es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Klägerin im Internet verfügbar zu machen. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K3 der Klageschrift Bezug genommen.
4Die Klägerin behauptet,
5der Beklagte habe zu dem oben genannten Zeitpunkt das dort genannte Werk unter Nutzung seines Internetanschlusses über das Filesharing-Netzwerk Bittorrent verbreitet.
6Die Klägerin beantragt,
7den Beklagten zu verurteilen an sie angemessenen Schadenersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von 2‘500 Euro zu zahlen sowie weitere 1‘379, 80 Euro Kosten der Abmahnung nach einem Streitwert von 50‘000 Euro.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Das Gericht hat hinsichtlich der Nutzungsverhältnisse am Internetanschluss Beweis durch Vernehmung mehrerer Zeugen erhoben.
11Entscheidungsgründe:
121
13Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
141.1 Zur Haftung dem Grunde nach
151.1.1 Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie nach § 97 Abs. 2 UrhG zu, weil die insoweit beweispflichtige Klägerin beweisen konnte, dass der Beklagte täterschaftlich für die Verbreitung des Musikalbums „H“ über ein Filesharing-Netzwerk verantwortlich ist. Insoweit der Beklagte bestreitet, dass die in das Filesharing-Netzwerk eingestellte Datei tatsächlich das streitgegenständliche Werk beinhaltet (S. 9f. des Schriftsatzes vom 29.10.2013, Bl. 199f. der Akte), kann er hiermit nicht mehr gehört werden, denn sein Schreiben vom 21.07.2009 an die Klägerin, Anlage K4 (Bl. 69 der Akte), stellt diesbezüglich ein Anerkenntnis dar. Die Äußerung eines juristischen Laien dahingehend, dass es sich um sein erstes und letztes Fehlverhalten handelt, kann zwar nicht dahingehend verstanden werden, dass der Beklagte die persönliche Täterschaft einräumt, weil ebenso denkbar ist, dass er von der irrigen Rechtsansicht ausgeht, den Anschlussinhaber träfen umfangreiche Aufsichtspflichten, die hier als verletzt angesehen werden; jedoch ist die Erklärung als Zugeständnis dahingehend zu verstehen, dass die Verbreitung des in der Erklärung namentlich genannten Werkes „H“ vom Anschluss des Beklagten aus erfolgt ist.
161.1.2 Nach den in BGH GRUR 2014, 657 („Bearshare“) aufgestellten Grundsätzen soll zunächst eine tatsächliche Vermutung für die tatherrschaftliche Nutzung des Internetanschlusses durch den Anschlussinhaber bestehen, die dadurch zu widerlegen ist, dass der Anschlussinhaber die Mitnutzung durch weitere Personen darlegt und auch beweist. Auf einer zweiten Ebene trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, Umstände vorzutragen, die ernsthaft die Täterschaft eines anderen Anschlussnutzers für möglich erscheinen lassen. Nachdem Voraussetzung für eine tatsächliche Vermutung ein gesicherter Erfahrungssatz diesbezüglich ist, erscheint es jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt trotz zitierter Entscheidung des Bundesgerichtshofs fragwürdig, eine tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlussinhabers zu konstruieren (vgl. hierzu eingehend AG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013, Az. 57 C 3144/13, BeckRS 2013, 21170). Angesichts der massiven Verbreitung von Smartphones und anderen mobilen internetfähigen Geräten ist es inzwischen derart üblich geworden, auch Gästen Zugang zum eigenen W-LAN zu gewähren, dass selbst bei einem Alleinhaushalt nicht mehr davon ausgegangen werden, dass typischerweise der Anschlussinhaber der einzige Nutzer ist. Trotzdem mag die vom BGH postulierte tatsächliche Vermutung im hiesigen Fall noch Anwendung finden, weil Vorgänge aus dem Jahr 2009 streitgegenständlich sind und zu dieser Zeit mobile internetfähige Geräte noch nicht so verbreitet waren wie heute. Letztlich ist die Berechtigung dieser tatsächlichen Vermutung auch nicht entscheidungserheblich, weil die umfangreiche Beweisaufnahme vom 25.03.2014 ergeben hat, dass weitere Personen Zugriff auf den Internetanschluss hatten, denn sämtliche gehörten Zeugen haben dieses eingeräumt.
171.1.3 Nachdem der Beklagte auch seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, indem er detailliert geschildert hat, dass die im Einzelnen namentlich genannten Zeugen für einen zur Installation und Bedienung eines Filesharingprogramms ausreichenden Zeitraum unbeaufsichtigt Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten, trifft den Kläger die volle Beweislast für die Täterschaft des Beklagten. Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Klägerin durch das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.03.2014 erbracht, den die dort gehörten Zeugen – die weiteren Mitnutzer des Anschlusses – kommen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ernsthaft als Täter in Betracht. Die Zeugin I2 hat bekundet, ein Bittorrent-Netzwerk nicht genutzt zu haben, insbesondere sage ihr auch dieser Begriff nichts, ebenso der Zeuge E2. Die Angaben des Zeugen E gehen ebenfalls dahin, Filesharing-Programme nicht genutzt zu haben, der Zeuge L2 hat erläutert nicht zu wissen, wie man Tauschbörsenprogramme bediene, gleiches gilt für den Zeugen T3. Auch die Angaben des Zeugen T4 reichen nicht, um dessen Täterschaft ernsthaft in Betracht zu ziehen. Der Zeuge hat bekundet, definitiv auszuschließen zu können, selbst einen Bittorrent-Client auf dem PC des Beklagten installiert zu haben, wollte aber nicht gänzlich ausschließen, „beiläufig“ Downloads (und damit automatisch verbunden der Upload) getätigt zu haben. Als Täter für die Urheberrechtsverletzung am hier streitgegenständlichen Album kommt er jedoch ebenfalls nicht in Betracht, weil der Zeuge auch angegeben hat, die Band N nicht zu hören. Zudem hat der Zeuge bekundet, nie allein vor dem PC gesessen zu haben, vielmehr habe der Beklagte mit einer Gruppe weiterer Freunde im Raum gesessen und hin und wieder habe man dann den PC benutzt. Allenfalls mag also denkbar sein, dass der Filesharing-Client bereits auf dem PC des Beklagten installiert war, während der Zeuge diesen dann in Gegenwart des Beklagten genutzt hat. Dies würde aber zur Haftung des Beklagten aus Unterlassung führen, weil er durch Installation und freie Zugänglichmachung des Filesharing-Clients für Gäste eine Gefahrenquelle geschaffen hat, die zur Handlungsverpflichtung seinerseits führt, die Nutzung durch Gäste zu verhindern – dies jedenfalls dann, wenn er sich im selben Raum befindet und die Nutzung daher unmittelbar wahrgenommen haben muss.
181.1.4 Nachdem somit sämtliche gehörten Mitnutzer als Alleintäter unter Ausschluss des Beklagten nicht in Betracht kommen, ist die Täterschaft des Beklagten bewiesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist ein solcher Schluss im Zivilprozess auch nicht unzulässig. Benennt die Beklagtenseite im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast bestimmte Personen als Mitnutzer des Anschlusses, so steht es der Klägerseite frei unter Angabe der Mitnutzer als Zeugen zu behaupten, dass diese als Täter nicht in Betracht kommen. Gelingt ihr dann – wie hier – dieser Beweis, ist der Schluss auf die Alleintäterschaft des beklagten Anschlussinhabers zulässig, weil ein anderer Geschehensablauf dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmöglich ist. Hieran ändert sich nichts im Hinblick auf die von der Klägerseite weiter angegebene Zeugin I, eine laut Angaben des Beklagten weitere Mitnutzerin, die sich zurzeit auf Weltreise im südpazifischen Raum befindet, ohne dass der Beklagte nähere Angaben zum Aufenthaltsort macht. Ist ein Zeuge nur einer Partei näher bekannt, so trifft diese Partei die Verpflichtung, die ladungsfähige Anschrift des Zeugen anzugeben, wenn er von der Gegenseite als Beweismittel angeboten wird. Kommt die Partei dieser Verpflichtung nicht nach, so ist nach den Grundsätzen der Beweisvereitelungslehre zu verfahren (BGH NJW 2008, 982). Eine Beweisvereitelung ist dabei dann gegeben, wenn eine Partei der beweispflichtigen anderen die Beweisführung schuldhaft erschwert oder verunmöglicht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, die den Zugriff auf das Beweismittel verunmöglichen (BGH NJW 2006, 434). Hier fällt dem Beklagten hinsichtlich der Zeugin I eine fahrlässige Beweisvereitelung zur Last. Dem Beklagten war bereits seit Erhalt der Abmahnung bekannt, dass er mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hat und es im Zusammenhang damit darauf ankommen kann, ob etwaige Mitnutzer des Anschlusses als Täter in Betracht kommen. Ihm oblag daher die Verpflichtung, zumindest zu versuchen, dass die Zeugin I als Beweismittel erreichbar bleibt. Denkbar wäre hier die Beibehaltung des Kontaktes per Email während ihres Auslandsaufenthaltes oder die Benennung einer inländischen Person, die ihrerseits in der Lage ist, mit der Zeugin Kontakt aufzunehmen. Dass entsprechende Bemühungen des Beklagten vergeblich erfolgt sind, ist nicht ersichtlich. Rechtsfolge der Beweisvereitelung ist, dass die Beweisbehauptung in entsprechender Anwendung von §§ 427, 441 Abs. 3 ZPO als erwiesen zu betrachten ist, wobei diese Folge im Hinblick auf die Bandbreite unterschiedlicher Formen der Beweisverteilung nicht stets eintritt, sondern vielmehr eine Abwägung vorzunehmen ist, in die neben dem Grad der Beweisvereitelung auch die Wahrscheinlichkeit des Erwiesenseins der Beweisfrage nach dem Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme einzubeziehen ist (MüKo-Prütting ZPO § 286 Rn. 92). Hier verhält es sich so, dass die übrigen Zeugen nahezu sämtlich bekundet haben, kein Filesharing betrieben zu haben, zudem ergibt sich aus der Aussage des Zeugen T4, dass die gemeinsamen Treffen so stattgefunden haben, dass sämtliche Gäste unter Anwesenheit des Beklagten gemeinsam zusammen gesessen haben und dabei gelegentlich den Computer genutzt haben. Dies lässt die Alleintäterschaft einer der weiteren anwesenden Personen, einschließlich der Zeugin I, äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Aus dem Vortrag des Beklagten gemäß Schriftsatz vom 19.11.2012, dort Seite 2 (Bl. 212 der Akte) ergibt sich nichts, was auf eine herausgehobene Stellung der Zeugin I hin deutet, vielmehr wird sie – ebenso wie die übrigen vernommenen Zeugen – als Teil der gemeinsamen Studien- und Spielegruppe angeführt. Unter Berücksichtigung sowohl dieses Umstands als auch der Tatsache, dass angesichts der knappen Angaben zu ihrer Person dieses Beweismittel niemandem anders als dem Beklagten auch nur im Ansatz zugänglich ist, erscheint es in entsprechender Anwendung von §§ 427, 441 Abs. 3 ZPO angemessen, auch ohne Vernehmung der Zeugin I die Beweisbehauptung der Alleintäterschaft des Beklagten als erwiesen anzusehen. Soweit der Beklagte nunmehr im Termin vom März 2014, nach Abschluss der Beweisaufnahme, erstmals vorträgt, die Zeugin I habe im Jahr 2009 in seiner Wohnung gewohnt, so ändert auch dies – ohne dass es auf eine mögliche Verspätung dieses Vortrages ankommt – nichts an dieser Bewertung, denn der Kläger konnte im sich an die Termine anschließenden schriftlichen Verfahren nichts näher darlegen, was die Täterschaft der Zeugin I nunmehr erhöht wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Angabe, dass ihre Täterschaft sich daraus ergeben „könnte“, dass die Zeugin den Internetanschluss über einen eigenen Laptop genutzt hat, genügt angesichts des Ergebnisses der vorhergehenden Beweisaufnahme, wonach es sich bei der Wohnung des Beklagten um eine Einzimmerwohnung handelt und eine eigenständige Laptopnutzung der Zeugin I keine Erwähnung gefunden hat, hierfür nicht. Insbesondere mangelt es trotz Hinweis an näherem Vortrag dazu, auf welche Art und Weise in den beengten Räumlichkeiten eine eigenständige Internetnutzung der Zeugin I erfolgt sein soll.
191.2 Zur Haftung der Höhe nach
20Nachdem somit die Alleintäterschaft des Beklagten zur Überzeugung des Gerichts feststeht, ist zur Höhe des Schadenersatzes zu befinden. Die Schadenshöhe ist dabei in Abwesenheit konkreter Umstande gemäß § 287 ZPO nach Ermessen des Gerichts zu schätzen, wobei hinzunehmen ist, dass das Ergebnis der Schätzung nicht unbedingt mit der Wirklichkeit übereinstimmt (OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105).
211.2.1 Unzutreffend ist es, bei der Bemessung des Schadenersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie einen privaten Filesharer mit einem kommerziellen Lizenznehmer gleichzusetzen. Unerheblich ist auch, dass der Beklagte sich zur Berechnung der Schadenshöhe nicht geäußert hat, denn unstreitig feststehen können lediglich Tatsachen, nicht aber Rechtsauffassungen. Als unstreitig anzusehen sind damit die Ausführungen der Klägerseite zur Marktüblichkeit der Gewährung kommerzieller Lizenzen; nicht jedoch, dass diese Lizenzen als Vergleichslizenz im Rahmen der Lizenzanalogie herangezogen werden können, denn hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage. Der Schadenersatz nach Lizenzanalogie ist danach zu berechnen, was ein vernünftiger Lizenzgeber verlangt und ein vernünftiger Lizenznehmer gezahlt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (BGH GRUR 1990, 1008). Die Tatsache, dass Lizenzen zum Filesharing auf dem Markt nicht angeboten werden, führt zwar nicht zur Unanwendbarkeit der Berechnung des Schadenersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, darf aber auch nicht dazu führen, dass eine ungeeignete Vergleichslizenz herangezogen wird. Es besteht daher keine ausreichende Grundlage, unabhängig von der Dauer der Filesharing-Nutzung einen hohen Pauschalbetrag mit der Begründung festzusetzen, dass Lizenzen zur Verbreitung in geringem Umfang nicht marktüblich seien, vielmehr mit hohen Mindestbeträgen operiert würde. Das Betreiben von Filesharing durch eine Privatperson kann wegen der Andersartigkeit der Verbreitung als auch wegen dem fehlenden kommerziellen Interesse – eigentlicher Zweck der Nutzung des Filesharings ist die Versorgung mit Mediendateien zur Eigennutzung – nicht mit der Verbreitung durch einen kommerziellen Lizenznehmer verglichen werden. Hierin unterscheidet sich die Berechnung des Lizenzschadenersatzes im Rahmen von Filesharing wesentlich von dem der Entscheidung BGH GRUR 1990, 1008 zu Grunde liegenden Sachverhalt. Die dortigen Ausführungen des Bundesgerichtshofs, wonach der Schädiger das Risiko der nicht vollständigen Verwertung marktüblicher Pauschallizenzen trage, setzen voraus, dass solche marktüblichen Lizenzen existieren. Indes ist dies aber nicht der Fall, denn eine solche Lizenz wäre wegen der Unentgeltlichkeit des Filesharing nicht marktgängig und würde von keinem vernünftigen Lizenznehmer gezahlt werden. Das fehlende kommerzielle Interesse des im Grunde als Verbraucher handelnden Filesharers – Hauptzweck seines Handelns ist die Eigennutzung – unterscheidet Filesharing ganz wesentlich von der typischen Situation im Urheberrecht, dass ein kommerzieller Marktteilnehmer in eigener Gewinnerzielungsabsicht unerlaubt in fremde Urheber- oder ausschließliche Nutzungsrechte eingreift. Dieser gewichtige Unterschied hat letztlich auch zur Folge, dass die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze nicht unkritisch auf Filesharing übertragen werden dürfen. Das Postulat, dass ein Schädiger das Risiko für die Nichtausnutzung marktüblicher Pauschallizenzen trage, passt nur auf den kommerziell handelnden Schädiger, angewendet auf eine Privatperson, die lediglich in dem Interesse handelt, den eigenen Kaufpreis zu ersparen, an der Weiterverbreitung an Dritte aber keinerlei finanzielles Interesse hat, führt es dagegen zu völlig unangemessenen Ergebnissen. Dies zeigt sich daran, dass unter Anwendung der Berechnungsmethode der Klägerseite, wonach schon für ein einzelnes Werk einer vergleichsweise unbedeutenden Künstlerin ein Pauschalbetrag von 5‘000 Euro für bis zu 7‘000 Downloads anzunehmen sei, die Klägerin hier nicht nur 200 Euro, sondern Beträge von über 5‘000 Euro pro Titel verlangen könnte. Allein die Möglichkeit, ohne Auswechslung der rechtlichen Begründung auch diesen ersichtlich unangemessenen Betrag begehren zu können, zeigt, wie unpassend dieser Ansatz im Verhältnis zu einem privaten Filesharer ist. Der Anwendung eines pauschalen Schadenersatzes steht zudem der Rechtsgedanke des § 309 Nr. 5 BGB entgegen. Ein Filesharer, für den die Verbreitung ihn wirtschaftlich nicht interessierende Nebenfolge des Downloads zu eigenen Konsumzwecken ist, befindet sich in einer einem Verbraucher ähnlichen Position. Auf ihn ist daher der Rechtsgedanke anzuwenden, dass die Höhe des Schadenersatzes am tatsächlich von ihm verursachten Schaden auszurichten ist. Nachdem der Schadenersatz nach Lizenzanalogie sich aber gerade losgelöst von einem konkreten Schaden berechnet, vielmehr dem Schädiger dessen Nachweis gerade ersparen soll (Wandtke / Bullinger-v. Wolff UrhG § 97 Rn. 73), begegnet diese Berechnungsgrundlage gegenüber einer in verbraucherähnlicher Stellung stehenden Privatperson schon grundsätzlichen Bedenken. Die Lizenzanalogie ist im Urheberrecht seit sehr langer Zeit gewohnheitsrechtlich anerkannt, jedoch ist bei ihrer Anwendung zu bedenken, dass bis vor wenigen Jahren urheberrechtliche Streitigkeiten typischerweise zwischen kommerziellen Marktteilnehmern geführt worden sind, die zunehmende Beteiligung von verbraucherähnlich handelnden Privatpersonen ist eine neue Entwicklung der letzten Jahre, die im Zusammenhang mit der rasanten Verbreitung der Nutzung des Internets steht. Die Berechnung des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie ist in einem solchen Fall zwar nicht unzulässig, denn diese Berechnungsmethode wurde durch den modernen Gesetzgeber in Kenntnis dieser Entwicklung in § 97 Abs. 2 S.3 UrhG ausdrücklich normiert, jedoch gebietet ihre Anwendung Zurückhaltung dahingehend, dass gegenüber verbraucherähnlich handelnden Personen keine Pauschallizenzen als Vergleichsmaßstab in Betracht kommen dürfen, sondern der Schadenersatz nach Lizenzanalogie für Filesharing sich an der auf dem Markt erzielbaren Lizenzeinnahme für einen Einzeldownload über einen legalen Anbieter zu orientieren hat (Einsatzbetrag) und abschließend eine Angemessenheitsprüfung des Ergebnisses zu erfolgen hat. Der Einsatzbetrag entspricht dagegen nicht dem Verkaufspreis des Musikalbums, weil dieser sich aus weiteren Kostenfaktoren zusammensetzt als lediglich der angemessenen Lizenzgebühr. Sodann ist eine Multiplikation mit der Anzahl der zu erwartenden berücksichtigungsfähigen Downloads (also solchen, die den Rechteinhaber beeinträchtigen) vorzunehmen, nachfolgend ist die besondere Eingriffsintensität des Filesharing durch einen Aufschlag zu berücksichtigen. Schlussendlich ist eine Überprüfung vorzunehmen, ob das so gefundene Ergebnis auch bei einer Vielzahl von Titeln noch angemessen ist (so im Grundsatz auch OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105 vom 07.11.2013).
221.2.2 Der Einsatzbetrag beträgt hier 0,92 Euro pro Titel entsprechend dem Klägervortrag, dass es sich hierbei um einen angemessenen Lizenzpreis für einen einzigen Download handelt (Bl. 29 Schriftsatz vom 22.07.2013, Bl. 135 der Akte, sowie Anlage K15, Bl. 350 der Akte), wobei sich bereits aus der allgemeinen Bekanntheit der Künstlergruppe und des Albums ergibt, dass das Werk der höchsten Kategorie der Lizenzpreise zuzurechnen ist.
231.2.3 Der Anzahl der möglichen Vervielfältigungen darf sodann nicht durch einen pauschalen Multiplikationsfaktor Rechnung getragen werden, vielmehr ist sich am Einzelfall zu orientieren, wieviel direkte Downloads anderer Teilnehmer des Filesharing-Netzwerkes unter Verwendung von Chunks der Beklagtenseite möglich erscheinen. Der Multiplikationsfaktor hängt damit also wesentlich davon ab, über welchen Zeitraum das Werk durch die Beklagtenseite dem Filesharing-Netzwerk zur Verfügung gestellt worden ist. Ist, wie hier, lediglich zu einem einzigen Zeitpunkt eine IP-Adresse der Beklagtenseite zugeordnet, so ist davon auszugehen, dass das Werk lediglich für die Dauer der Downloadzeit für das vollständige Werk anderen zur Verfügung gestellt worden ist, denn im Bittorrent-Netzwerk ist der Upload von Dateiteilen bereits möglich, bevor das vollständige Werk vom Teilnehmer heruntergeladen ist. Ohne anderweitigen substantiierten Vortrag der Beklagtenseite kann also nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass das Werk vollständig heruntergeladen werden sollte, also während der Downloadzeit eine Verbreitung stattgefunden hat. Eine längere Verbreitungsdauer kann ohne entsprechende Anhaltspunkte aber nicht unterstellt werden, weil dies nach der Lebenserfahrung kein typischer Geschehensablauf ist. Zwar kann es sein, dass der Downloader das Werk im Filesharing-Verzeichnis stehen lässt, so dass eine fortlaufende Veröffentlichung jedesmal gegeben ist, wenn der Filesharingclient gestartet wird; ebenso ist es aber auch denkbar, dass das Werk nach Abschluss des Downloads gerade zur Verhinderung der weiteren Verbreitung in einen Bereich des Datenträgers kopiert wird, der keinen Zugriff des Filesharingclients mehr ermöglicht. Dies liegt auch nahe, weil der eigentliche Zweck der Nutzung des Filesharings mit dem vollständigen Download der Datei erreicht ist, so dass es auch nicht überzeugend erscheint, im Hinblick darauf, dass man einen Filesharing-Client üblicherweise nicht nur für den Download eines einzigen Werkes installiere, eine längere Dauer der Zurverfügungstellung eines bestimmten Werkes zu unterstellen (verfehlt daher OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105 vom 07.11.2013 insoweit als hier ohne nähere Begründung davon ausgegangen wird, dass wegen der Vielzahl an Teilnehmern der Tauschbörse auch bei lediglich einem festgestellten Zeitpunkt der Veröffentlichung jedenfalls von 400 Kopien auszugehen sei). Durch eine solch einschränkende Annahme hinsichtlich des Verbreitungszeitraums, werden die Rechteinhaber nicht unzumutbar in der Wahrnehmung ihrer Rechte eingeschränkt. Es gehört zu den allgemeinen Grundregeln des Zivilprozesses, dass der Geschädigte die Schadenshöhe jedenfalls insoweit zu beweisen hat als sie über den üblicherweise zu erwartenden Mindestschaden hinausreicht. Dies ist dem Rechteinhaber im Fall der Rechtsverletzung durch Filesharing-Netzwerke auch möglich und zumutbar, denn eine längere Überwachung nebst Zuordnung mehrerer IP-Adressen zum Anschluss der Beklagtenseite über einen Zeitraum mehrerer Tage oder Wochen ist technisch möglich und es ist gerichtsbekannt, dass hiervon auch Gebrauch gemacht wird. Dem Gericht sind mehrere Parallelverfahren – gerade auch dieselbe Klägerin betreffend - bekannt, in denen dem Anschlussinhaber diverse IP-Adressen über den Zeitraum mehrerer Wochen hinsichtlich der Verbreitung desselben Werkes zugeordnet worden sind.
241.2.4 Legt man hier allein die Downloadzeit als Nutzungszeit des Filesharings zu Grunde, so ergibt sich durchaus die Möglichkeit, dass ein Download durch Dritte unter Verwendung von Chunks der Beklagtenseite gar nicht stattgefunden hat:
25Ein üblicher DSL6000-Anschluss ermöglicht den Download mit bis zu 6016 kbit/s. Dies entspricht 752 KB/s. Eine Musikdatei entspricht etwa einer Größe von 4 MB, somit ergeben sich für das gesamte Album etwa 60 MB, demnach 61‘440 KB. Mithin beträgt unter optimalen Bedingungen die Downloadzeit ca. 82 Sekunden. Uploads sind über den DSL6000-Anschluss lediglich mit einer Geschwindigkeit von 384 kbit/s, also 48 KB/s, möglich. Innerhalb eines Zeitraums von 82 Sekunden können demnach theoretisch maximal 3,8 MB (1 MB = 1024 KB) an andere Nutzer des Filesharing-Netzwerkes verbreitet werden. Gemäß FAQ (bittorrent-faq.de) beträgt die Größe eines einzelnen Chunks, also einer kleinsten Einheit, aus denen sich die gesamte heruntergeladene Datei zusammensetzt, 9 MB. Das Filesharing erfolgt hier nach dem Bittorrent-Protokoll weil der von der Klägerseite als Azureus bezeichnete Client (aktuelle Bezeichnung Vuze) nach diesem Protokoll arbeitet (http://de.wikipedia.org/wiki/Vuze; Beschreibung des Programms unter http://www.vuze.com/). Innerhalb des eigenen Downloadzeitraums ist somit der Download eines vollständigen Chunks durch Dritte gar nicht möglich, obwohl bei dieser Berechnung schon Reaktionszeiten und ein langsamer als mit der maximalen Geschwindigkeit des Anschlusses stattfindender Download nicht berücksichtigt sind, da davon ausgegangen wird, dass es sich hierbei um Faktoren handelt, die im Risikobereich des Nutzers des Filesharings liegen. Auch die Berechnung unter Annahme eines schnelleren DSL-Anschlusses führt zu keinem grundsätzlich anderen Ergebnis, weil das Verhältnis der Uploadgeschwindigkeit zur Downloadgeschwindigkeit stets ähnlich ist.
26Hier ist jedoch durch die Klägerseite der Beweis erbracht, dass das Werk länger als nur für die eigene Downloadzeit zur Verfügung gestanden hat, da eine Ermittlung der IP-Adresse als Uploader stattgefunden hat, mithin eine Verbreitung erfolgt sein muss. Gerade im Hinblick darauf, dass – gerade anders als in anderen Verfahren derselben Klägerin – nur eine IP-Adresse zugeordnet worden ist, ist aber die Verbreitung lediglich an einem einzigen Tag bewiesen. Da die Lebenserfahrung es nahe legt, dass es sich bei dem seitens des ermittelnden Softwareuntenehmens stattgefundenen Download nicht um den einzigen stattgefundenen handelt, ist als Zeitraum der Verbreitung bei nur einer festgestellten IP-Adresse die durchschnittliche zu erwartende Nutzungszeit des Filesharing-Netzwerkes an einem Tag anzusetzen. Angesichts üblicher Arbeits-, Schlaf- und Abwesenheitszeiten erscheint eine Schätzung dahingehend angemessen, dass pro Tag eine Verbindung mit dem Filesharing-Netzwerk für die Dauer von 3 Stunden erfolgt ist. In diesem Zeitraum ist unter Zugrundelegung der Geschwindigkeit eines DSL6000-Anschlusses ein Download durch Dritte bei einer Uploadgeschwindigkeit von 48 KB/s im Umfang von 506 MB möglich, mithin bei einer Chunkgröße von 9 MB können theoretisch 56 Kopien des Albums unter Beteiligung von Chunks des Beklagten gezogen werden. Die Annahme eines DSL6000-Anschlusses ist gerechtfertigt, da schnellere Anschlüsse im Jahr 2009 noch nicht so verbreitet waren. Im Hinblick auf das weltumspannende Filesharing-Netzwerk kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass in diesem Zeitraum tatsächlich eine solche Anzahl von Kopien gezogen worden ist, die das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerseite beeinträchtigen, denn der Klägerin steht dieses nur für das Gebiet der BR Deutschland zu. Das hier streitgegenständliche Album beinhaltet jedoch ausschließlich englischsprachige Titel, die weltweit von Interesse sind. Der deutschsprachige Raum macht hier nur einen geringen Anteil aus, so dass lediglich 20% der rechnerisch angenommenen 56 Kopien zu berücksichtigen sind, mithin 11 Kopien. Ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, sei bemerkt, dass ein ähnlicher Abschlag auch bei deutschsprachigen Titeln im Hinblick darauf vorzunehmen sein wird, dass die Zahl der Interessenten aus dem Inland hieran nicht höher anzusetzen ist als bei im Inland beliebten englischsprachigen Interpreten. Es ergibt sich somit ein Betrag von 0,92 Euro * 11 = 10,12 Euro pro Werk.
271.2.5 Der so errechnete Betrag ist nun wiederum zu erhöhen, weil die bisherige Berechnung dem Wesen des Filesharing noch nicht hinreichend Rechnung trägt. Bei der Bildung der Lizenzanalogie wurde der Filesharer bislang so behandelt als würde er das Werk lediglich an diejenigen Personen verbreiten, die bei ihm bereits angekommene Chunks der Datei downloaden. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Filesharer mit dazu beiträgt, dass während der andere Nutzer, der Chunks des Filesharers herunterlädt, auf die Zusammenstellung des gesamten Werks aus verschiedenen Quellen wartet, dieser von ihm zur Verfügung gestellte Chunk durch den Herunterladenden wiederum an weitere Nutzer verbreitet wird. Indes würde es aber zu weit gehen, den einzelnen Filesharer letztlich für jede lauffähig erzeugte Kopie täterschaftlich haften zu lassen, an deren Entstehen er über die Verbreitungskette an irgendeiner Stelle beteiligt ist. Würde man dies tun, hätte dies zur Folge, dass die Teilnehmer am Filesharing-Netzwerk in ihrer Gesamtheit als Mittäter mit der Folge gesamtschuldnersicher Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB anzusehen wären. Dies würde aber zu weit gehen, denn es erscheint im Hinblick auf die Anonymität und die fehlende hierarchische Organisation eines Filesharingnetzwerks unangemessen, jeden einzelnen Nutzer im Ergebnis für die Rechtsverletzungen des gesamten Netzwerkes haften zu lassen. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass die gesamtschuldnerische Haftung sich auch daraus rechtfertigt, dass der einzelne Schädiger, der auf den vollen Betrag in Anspruch genommen wird, gemäß § 426 Abs. 1 S.1 BGB von den übrigen Schädigern Ausgleich verlangen kann. Dem einzelnen Filesharer ist es aber von Anfang an unmöglich, Ausgleichsansprüche gegen die ihm dauerhaft unbekannt bleibenden weiteren Nutzer geltend zu machen; ebenso ist es unmöglich zu ermitteln, in welcher Höhe die Forderung des Rechtsinhabers bereits durch Zahlung anderer Filesharer an ihn erfüllt ist. Bereits diese Überlegungen zeigen, dass der Begriff der Mittäterschaft überdehnt würde, wenn diese über die hier ermittelten lauffähigen Kopien, die unter unmittelbarer Beteiligung von Chunks des Beklagten zu Stande kommen können, ausgedehnt würde. Nur hinsichtlich dieses direkten Downloads von beim Beklagten bereits gespeicherten Werkteilen liegt Mittäterschaft der einzelnen unbekannten Filesharingnutzer vor, so dass der Beklagte gemäß § 840 Abs. 1 S.1 BGB auf den vollen lizenzanalogen Schadenersatz haftet, obwohl er lediglich für die Verbreitung eines Teils des Werkes verantwortlich ist.
28Da somit also eine mittäterschaftliche Haftung des einzelnen Filesharers für die sich anschließende Weiterverbreitung nicht gegeben ist, ist diese durch eine angemessene Erhöhung des errechneten Betrages zu berücksichtigen, die sich daraus rechtfertigt, dass die bislang zum Vergleich angenommene Lizenz zur Ermöglichung des Downloads durch Dritte eingriffsärmer ist als das vorgenommene Filesharing, dem eine weitergehende Verbreitung immanent ist. Bei der angemessenen Erhöhung ist zu berücksichtigen, dass die theoretisch errechnete Anzahl von Downloads unter Beteiligung von Chunks des Beklagten so tatsächlich nicht zu erwarten ist, weil Leerlaufzeiten mangels Nachfrage und Reaktionszeiten des Netzwerkes nicht berücksichtigt sind. Bei der Erhöhung des errechneten lizenzanalogen Schadenersatzes ist weiter zu berücksichtigen, dass der Verursachungsanteil des einzelnen Nutzers im Laufe der Weiterverbreitungskette immer mehr zurücktritt und auch bei der Weiterverbreitung zu berücksichtigen ist, dass diese überwiegend an Nutzer erfolgen wird, die nicht im Inland leben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass gerichtsbekannt die Rechteinhaber sehr umfangreich gegen Nutzer von Filesharing-Netzwerken vorgehen, mithin also bei einer deutlichen Erhöhung des Einsatzbetrages die Gefahr der Überkompensation durch Zugriff auf mehrere Stellen des Netzwerkes besteht. Insgesamt erscheint dem Gericht im Hinblick auf diese Erwägungen eine Verdoppelung des oben errechneten Betrages zur Berücksichtigung der besonderen Eingriffsintensität des Filesharings angemessen und im Hinblick auf den geringen Verursachungsbeitrag des Einzelnen auch ausreichend. Damit ergibt sich nunmehr ein zu leistender Betrag von 20,24 Euro pro Werk. Angesichts der 13 Titel, die das Album aufweist, ergibt sich damit ein Gesamtbetrag von 263,12 Euro. Dieses Ergebnis bedarf keiner abschließenden Billigkeitskorrektur, weil er sich der Höhe nach in einem Bereich hält, der für den Beklagten zumutbar ist. Bei einer längeren Zurverfügungstellung von Musikalben, die rechnerisch einen Schadenersatz in Höhe von 200 Euro pro Titel ergeben können, wird eine Billigkeitskorrektur jedoch wohl vorzunehmen sein (so auch OLG Hamburg BeckRS 2013, 20105 für den Fall der Verbreitung nicht nur einzelner Werke, sondern eines vollständigen Musikalbums). Diese Billigkeitskorrektur rechtfertigt sich daraus, dass mit der Berechnung des Schadenersatzes nach der Methode der Lizenzanalogie eine Berechnungsart gewählt ist, der die Gefahr der Überkompensation immanent ist, da sie nicht auf den tatsächlich nachgewiesenen wirtschaftlichen Schaden abstellt. Zu dem bereits erläuterten Gebot, diese Berechnungsart gegenüber einer in verbraucherähnlicher Stellung handelnden Person zurückhaltend anzuwenden, gehört auch eine Billigkeitsüberprüfung dahingehend vorzunehmen, ob die Berechnungsart zu einem Schadenersatz in einer Höhe führt, die angesichts des Grades des persönlichen Verschuldens und dem gewonnen persönlichen Nutzen, der sich auf die einzige zur Eigennutzung gezogene Kopie beschränkt (so auch der zutreffende Gedanke von AG Köln 125 C 495/13 vom 10.03.2014, das allerdings unzutreffend den Schadenersatz am Wert der Einräumung eines Rechtes zur Eigennutzung bemisst und damit die Verbreitung gar nicht berücksichtigt), angemessen ist
291.3 Der Streitwert der Abmahnung, aus dem die Rechtsanwaltsgebühren zu berechnen sind, ist hier mit 1‘315 Euro anzusetzen, jedoch hat die Beklagtenseite die Kosten der Abmahnung wegen deren Unbrauchbarkeit letztlich nicht zu tragen.
301.3.1 Streitwerte von 10‘000 Euro und mehr erscheinen nicht gerechtfertigt. Sie stehen außer Verhältnis zur Höhe des zu leistenden lizenzanalogen Schadenersatzes und berücksichtigen auch nicht hinreichend, dass durch die abmahnende Vorgehensweise gegen den Einzelnen das Filesharing in seiner Gesamtheit nur wenig berührt wird. Die Annahme eines hohen Streitwertes zum Zwecke der Generalprävention, also im Hinblick auf eine möglicherweise abschreckende Wirkung gegenüber Dritten, ist dem Zivilrecht wesensfremd und daher unzulässig (OLG Celle BeckRS 2011, 28345). Die Höhe des Streitwertes des Unterlassungsanspruchs ist gegenüber Privatpersonen zurückhaltend zu bestimmen und beträgt im Hauptsacheverfahren das Dreifache der Lizenzgebühr im Fall eines Fotos bei einer Ebay-Versteigerung (OLG Nürnberg NJOZ 2013, 1035). Das OLG Düsseldorf nimmt jedenfalls dann, wenn der Schadenersatz nach Lizenzanalogie sich aus einer hohen Jahreslizenz bemisst, selbst im Fall einer Verbreitung einer öffentlichen Fußball-Übertragung durch einen Gastwirt unter Verletzung der ausschließen Nutzungsrechte des Rechteinhabers, also bei einer Verletzung im kommerziellen Bereich, lediglich eine Verdreifachung des Schadenersatzes zur Bemessung des Streitwertes der Unterlassung vor (OLG Düsseldorf I 20 W 81/12 vom 19.12.2013). Geht es um Schadenersatz wegen Filesharings ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsschwere im Hinblick auf die Weiterverbreitungsmöglichkeit tiefer ist als bei einer zeitlich eng begrenzten privaten Ebay-Auktion. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die dem Filesharing immanente Möglichkeit unendlicher Weiterverbreitung bereits bei der Höhe des Schadenersatzes berücksichtigt ist und daher wenig Anlass besteht, aus diesem Grund nochmals den Streitwert massiv zu erhöhen. Insgesamt erscheint dem Gericht gegenüber einer Privatperson, die Filesharing betreibt, ein Streitwert in Höhe des Fünffachen des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie, hier also 1‘315 Euro, angemessen.
311.3.2 Indes sind die Abmahnkosten hier gar nicht durch die Beklagtenseite zu tragen, weil es sich bei der Abmahnung um eine gänzlich unbrauchbare Leistung handelt. Das OLG Düsseldorf hat eine Abmahnung, in der weder das einzelne Werk, das Gegenstand der Rechtsverletzung war, bezeichnet worden ist, noch eine hinreichend konkrete Unterlassungsverpflichtung deutlich wird, als derart unbrauchbar angesehen, dass eine Erstattung der Abmahnkosten mangels Verpflichtung des Auftraggebers zur Tragung derselben nicht in Betracht kommt. Das OLG Düsseldorf hat dabei weiter dahingehend formuliert, dass vorformulierte Unterlassungserklärungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen seien und das Verlangen einer Unterlassungsverpflichtung bezogen auf das gesamte Repertoire ohne Nennung konkreter Titel gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, weil hierdurch der Schuldner dadurch unangemessen benachteiligt werde, dass ihn das Risiko dafür treffe, ob ein bestimmtes Werk zum Repertoire der Klägerin gehört oder nicht (OLG Düsseldorf MMR 2012, 253). Dem ist beizupflichten. Das hier zur Anwendung gekommene Abmahnschreiben vom 08.07.2009 unterscheidet sich von dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Grunde liegenden dadurch, dass zwar das Musikalbum, das Gegenstand der Verletzungshandlung ist, konkret bezeichnet ist, jedoch wird der Beklagte sodann auch hier aufgefordert, es zu unterlassen, jegliches Musikrepertoire der Klägerin im Internet verfügbar zu machen oder auf sonstige Weise auszuwerten, zudem ist eine gleichlautende Unterlassungserklärung zur Unterschrift beigegeben. Mindestmaß für eine ordnungsgemäße Abmahnung ist ihre Fähigkeit, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden (OLG München NJW-WettbR 1998, 65). Dies ist bei der verwendeten Formulierung der Abmahnung indes weiterhin nicht der Fall. Eine Filesharing-Abmahnung ist an den Empfängerhorizont einer nicht rechtlich erfahrenen verbraucherähnlich handelnden Person auszurichten; sie muss damit eine solche Person in die Lage versetzen, die Unterlassungserklärung, die nicht vorformuliert werden muss – jedoch wenn sie vorformuliert ist, brauchbar sein muss - so zu formulieren, dass sie rechtliche Wirksamkeit für sich beanspruchen kann. Eine rechtlich unerfahrene Person wird die Abmahnung aber zum Anlass nehmen, eine Unterlassungserklärung so abzugeben wie sie in der Unterlassungsaufforderung formuliert ist, nämlich bezogen auf das gesamte Musikrepertoire ohne Nennung eines konkreten Titels. Eine solche Unterlassungserklärung wäre aber nicht geeignet, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden, weil sie aus den von OLG Düsseldorf MMR 2012, 253, dargestellten Gründen unwirksam ist und zwar auch dann, wenn eine gleichlautende Unterlassungserklärung nicht beigegeben ist, denn es macht keinen Unterschied, ob die Unterlassungserklärung als separates Dokument beiliegt oder dem Empfänger der Abmahnung durch die dort gewählte Formulierung nahegelegt wird, welche Formulierung der Abmahnende erwartet. In beiden Fällen ist dem Empfänger vorformuliert, welche Reaktion von ihm erwartet wird, so dass in beiden Fällen Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen.
32Die von der Klägerin verwendete Formulierung des Unterlassungsbegehrens unterscheidet sich wesentlich von der vielfach in anderen Abmahnungen sinngemäß verwendeten „… es zu unterlassen, geschütztes Repertoire, insbesondere das Werk XXX…, zu verbreiten…“ Würde eine dieser Aufforderung entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben, wäre diese zwar hinsichtlich des überschießenden Teiles unwirksam, würde aber für den Titel, der konkret Anlass der Abmahnung war, dennoch Geltung beanspruchen können und damit in der Lage sein, einen Unterlassungsprozess zu vermeiden. Von einer Privatperson als Empfänger einer Abmahnung kann nicht erwartet werden, dass diese selbstständig die in der Abmahnung formulierte Unterlassungsaufforderung bei Abgabe der Unterlassungserklärung dahingehend einschränkt, dass diese auf ein bestimmtes Werk bezogen wird. Auch wenn dies im Einzelfall so sein mag, dient die Formulierung der Standardabmahnung nebst Beigabe der wortgleichen Unterlassungserklärung ersichtlich dem Zweck, den Empfänger zu veranlassen, die vorformulierte gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB jedoch unwirksame Unterlassungserklärung abzugeben. Dies genügt im Hinblick auf die damit verbundene Gefährdung des Ziels, außergerichtlich eine wirksame Unterlassungserklärung zu erhalten, für die Annahme einer unbrauchbaren anwaltlichen Dienstleistung. In einem gedachten Prozess zwischen Auftraggeber und abmahnendem Rechtsanwalt würde daher auch für jede so formulierte Abmahnung nebst Unterlassungserklärung der Vergütungsanspruch unabhängig davon entfallen, wie die Empfängerseite sich konkret auf die Abmahnung hin verhalten hat.
331.4 Die Zinsforderung ergibt sich aus § 291 BGB. Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ist nicht derjenige der Zustellung des Mahnbescheids, weil die Rückwirkung gemäß § 696 Abs. 3 ZPO nur eintritt, wenn die Abgabe an das Streitgericht alsbald erfolgt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Klägerseite durch zügige Zahlung der weiteren Gerichtsgebühren innerhalb von 14 Tagen die Voraussetzungen der Abgabe schafft (BGH NJW 2009, 1213). Bei der Anforderung der Kosten am 10.01.2013 ist dies bei einem Zahlungseingang am 14.03.2013 auch unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten nicht mehr der Fall. Rechtshängigkeit tritt damit mit Eingang beim Streitgericht am 25.03.2013 ein (BGH aaO), so dass gemäß § 187 Abs. 1 BGB Prozesszinsen ab dem Folgetag zu leisten sind.
341.5 Auch wenn es für den konkreten Fall jedenfalls in dieser Instanz hierauf nicht ankommt, sieht sich das Gericht noch zu folgender Bemerkung veranlasst: Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg, BeckRS 2013, 20105, dürfte es sich bei der Berechnung der Höhe des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie bei Filesharing-Fällen nicht lediglich um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall handeln. Vielmehr stellen sich aus Sicht des Amtsgerichts hierbei durchaus grundlegende Rechtsfragen, nämlich in welchem Umfang die bisher von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Lizenzanalogie auf in verbraucherähnlicher Stellung handelnde Privatpersonen übertragbar sind und wie genau die Berechnung der Höhe des Schadenersatzes vorzunehmen ist, insbesondere von welchem Vervielfältigungsfaktor bei lediglich punktuell festgestellten Zeitpunkten einer Rechtsverletzung auszugehen ist. Angesichts des Massenanfalls von Filesharing-Fällen erscheint eine Zersplitterung der Rechtsprechung in Einzelansichten verschiedener Amts-, Land- und Oberlandesgerichte der Gerechtigkeit nicht zuträglich. Daher dürfte nach Auffassung des Amtsgerichts sowohl eine grundsätzliche Bedeutung der Sache gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben sein als auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung der Einheit der Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Filesharing-Fällen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich machen.
352 Die Kostenentscheidung folgt §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
363 Der Streitwert beträgt 3‘879,80 Euro.
37Rechtsbehelfsbelehrung:
38Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
39a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
40b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
41Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
42Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
43Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
44Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)