Landgericht Düsseldorf Urteil, 16. Okt. 2015 - 40 O 40/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin zu 1)
Euro 1.109,32 nebst 5 % Zinsen seit dem 28.09.2013,
Euro 277,30 nebst 5 % Zinsen seit dem 2.08.2013,
Euro 37.345,68 nebst 5 % Zinsen seit dem 27.08.2013,
2. an die Klägerin zu 2)
Euro 18.594,50 nebst 5 % Zinsen seit dem 04.09.2013,
Euro 1.462,19 nebst 5 % Zinsen seit dem 17.03.2013
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerinnen zu 1) und 2) machen als Transportversicherer verschiedener im Einzelnen noch aufzuführenden Unternehmen aus übergegangenem und abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Ersatz der noch darzulegenden Transportschäden geltend.
3Die Klägerinnen tragen vor, aufgrund der von ihnen an ihre Versicherungsnehmer geleisteten Zahlungen und der von dieser erfolgten Abtretung an sie ergebe sich ihre Aktivlegitimation. Die Abtretung ergebe sich auch konkludent aus der Übersendung sämtlicher Schadensunterlagen zu den hier streitigen Schadensfällen.
4Im Einzelnen sind folgende Sendungen Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
5Fall 1
6Die Firma A GmbH, B beauftragte die Beklagte mit der Beförderung von drei Paketen der Nummer 1096927, 1096918 und 1096936 von Balingen nach Vilnius (Litauen) zur Firma UAB. Im Gewahrsam der Beklagten gerieten die Pakete in Verlust.
7Die Klägerin zu 1) behauptet insoweit, den sich aus den Lieferrechnungen und Lieferschein ergebenden Schaden in Höhe von 1.109,32 € aufgrund des zwischen ihr und der Versicherungsnehmerin bestehenden Versicherungsvertrages reguliert zu haben. Sie forderte die Beklagte unter dem 11.11.2013 erfolglos zur Regulierung des Schadens auf.
8Fall 2
9Die Firma C, Frankenhardt beauftragte die Beklagte mit der Beförderung eines Paketes Nr. 734572 von Frankenhardt nach Tallin/Estland zur Firma D. Im Gewahrsam der Beklagten geriet das Paket in Verlust. Die Klägerin zu 1 behauptet, den sich aus den Lieferrechnung ergebenden Betrag in Höhe von 805,30 € gezahlt zu haben. Die Beklagte zahlte auf den Gesamtschaden einen Betrag von 528,00 €. Die Restzahlung ist Gegenstand dieser Klage.
10Fall 3
11Die Firma E Card GmbH, Lütjensee bauftragte die Beklagte mit der Beförderung der Pakete Nr. 270068, 259074 und 234484 von Lütjensee nach Vilnius/Litauen zur Firma F“. Die Beklagte nahm die Standardpakete am 02.07.2013 in Empfang. Im Gewahrsam der Beklagten gerieten diese in Verlust.
12Die Klägerin behauptet, den sich aus den Lieferscheinen bzw. der Schadensrechnung ergebenden Betrag von insgesamt 38.406,06 € (38.220,48 € + 185,60 € Transportkosten) gezahlt zu haben.
13Vorprozessual zahlte die Beklagte einen Betrag von 574,80 €. Den Restbetrag in Höhe von 37.345,68 € verlangt die Klägerin zu 1) mit der vorliegenden Klage.
14Fall 4
15Die Firma G Instruments GmbH beauftragte die Beklagte mit der Beförderung eines Paketes Nr. 155922 von Assamstadt nach Tallin/Estland zur Firma G AS. Die Beklagte nahm das Paket am 27.06.2013 in Empfang. Im Gewahrsam der Beklagten geriet das Paket in Verlust.
16Die Klägerin zu 2) behauptet, den sich aus der Lieferrechnung ergebenden Betrag in Höhe von 19.104,50 € gezahlt zu haben. Vorprozessual zahlte die Beklagte auf den Gesamtschaden 510,00 €. Die Restforderung in Höhe von 18.594,50 € ist Gegenstand dieses Rechtsstreits. Die Beklagte zu 2) forderte die Klägerin vergeblich zur Zahlung des Restbetrages auf.
17Fall 5
18Die Firma H GmbH, Offenbach, beauftragte die Beklagte mit der Beförderung des Paketes Nr. 559282 von Offenbach nach Riga/Lettland zur Firma I. Die Beklagte nahm die Warensendung am 28.06.2013 in Empfang. Im Gewahrsam der Beklagten geriet das Paket in Verlust.
19Die Klägerin zu 2) behauptet, auf den Schadensbetrag von 1.972,19 € entsprechend der Lieferrechnung unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes von 750,00 € einen Betrag in Höhe von 1.222,19 € gezahlt zu haben. Vorprozessual zahlte die Beklagte einen Betrag von 510,00 €. Der Restbetrag in Höhe von 1462,19 € ist Gegenstand der Klage.
20Die Klägerin zu 2) forderte die Beklagte am 16.08.2013 erfolglos zur Zahlung auf. Unter dem 22.10.2013 trat die Versicherungsnehmerin ihre etwaigen Ansprüche an die Klägerin ab.
21Die Klägerseite ist der Ansicht, die Beklagte hafte für die fünf Transporte unbegrenzt. Der Paketinhalt sei durch die Handelsrechnung und den Lieferschein (Anlage K 1 und K 2) nachgewiesen. Die Beklagte habe für den durch den Paketverlust entstandenen Schaden in voller Höhe einzustehen. Der Beklagten sei ein grobes Verschulden vorzuwerfen, weil sie ihrer Einlassungsverpflichtung zu ihrer Organisation und zum Schadensverlauf, insbesondere zur Ursache des Verlustes vorzutragen. Dieser Pflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen, weil sie mit Blick auf die unterlassenen Schnittstellenkontrollen nicht darlegen könne, in welchem Stadium des Transportes es zum Schaden gekommen sei.
22Der Klägerseite könne auch unter keinem Gesichtspunkt ein Mitverschulden vorgeworfen werden.
23Die Klägerseite beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen,
251. an die Klägerin zu 1)
26Euro 1.109,32 nebst 5 % Zinsen seit dem 28.09.2013,
27Euro 277,30 nebst 5 % Zinsen seit dem 2.08.2013,
28Euro 37.345,68 nebst 5 % Zinsen seit dem 27.08.2013,
292. an die Klägerin zu 2)
30Euro 18.594,50 nebst 5 % Zinsen seit dem 04.09.2013,
31Euro 1.462,19 nebst 5 % Zinsen seit dem 17.03.2013
32zu zahlen.
33Die Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerseite mit Nichtwissen. Ebenso erklärt sie sich mit Nichtwissen dazu, dass die Pakete den von der Klägerseite behaupteten Inhalt gehabt hätten.
36Die Beklagte beruft sich hinsichtlich aller Schadensfälle auf die Einrede der Verjährung.
37Schließlich behauptet sie, der Verlust der Pakete sei auf einen Unfall am 07.07.2013 zurückzuführen. Das Unfallereignis sei für den von ihr eingesetzten Fahrer nicht vermeidbar gewesen.
38Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf eine in ihren Beförderungsbedingungen bzw. auf die gesetzlich festgelegte Haftungsbegrenzung.
39Schließlich müsse sich die Versenderin ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie von der Möglichkeit der Angabe einer Wertdeklaration mit der Folge einer entsprechenden Beförderung keinen Gebrauch gemacht habe. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
40Entscheidungsgründe:
41Die Klage ist, worauf im Termin zur mündlichen Verhandlung im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage hingewiesen wurde, begründet.
42I.
43Die Beklagte hat für den Verlustschaden gemäß §§ 425, 435 HGB, Artt. 17, 29 CMR einzustehen, ohne sich mit Erfolg auf eine Haftungsbeschränkung berufen zu können.
441.
45Zwischen den jeweiligen Entsendern und der Beklagten ist unstreitig ein Frachtvertrag zur Beförderung der im Einzelnen bezeichneten Warensendungen in Ausland zustande gekommen, die den Regelungen des CMR unterliegen.
462.
47Die Klägerseite ist berechtigt, den hier streitigen Schaden geltend zu machen. Ihre Aktivlegitimation besteht jedenfalls aufgrund einer stillschweigenden Abtretung. Denn die Überlassung der Schadensunterlagen an den Versicherer zum Zwecke der Prozessführung, der letztlich für den Ausgleich des Schadens gegenüber dem Geschädigten verantwortlich ist, hat allein den Sinn, diesen in den Stand zu setzen, die Ansprüche erfolgreich geltend zu machen. Dazu gehört nach der Vorstellung und dem Willen wirtschaftlich denkender Parteien erfahrungsgemäß auch, dass dem Versicherer alle Ansprüche abgetreten werden. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es hierzu nicht. Es ist vielmehr von einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Verhalten auszugehen (vgl. BGH NJW 1997, 729).
48Darüber hinaus ist die Beklagte, dem Vortrag der Klägerin zu 2) im Fall 5 unter Vorlage der Abtretungserklärung nicht in ausreichender Weise entgegen getreten.
493.
50Die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung nach Art. 17 Abs.1, 29 CMR in Verbindung mit § 249 ff BGB liegen vor.
51a.
52Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Sendung im Gewahrsam der Beklagten abhanden gekommen ist. Die Beklagte hat durch die jeweiligen Schadensnachrichten selbst eingeräumt, dass sie einen Zustellnachweis zu den bezeichneten Sendungen nicht führen kann.
53b.
54Die Kammer ist unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vortrags unter Vorlage der Lieferscheine und Lieferrechnungen in freier Beweiswürdigung davon überzeugt, dass die jeweiligen Warensendungen den vorgetragenen Inhalt hatten und die aufgeführte Ware den bezeichneten Wert.
55Die Klägerseite muss substantiiert darlegen und beweisen, dass das Gut, für das sie Ersatz beansprucht, während der Obhutszeit der Beklagten abhanden gekommen und wie hoch der dadurch eingetretene Schaden ist (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 14/11, TranspR 2013,192 Rn. 13 = RdTW 2013, 201 zu Art. 17 CMR, mwN; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 425 HGB Rn. 47; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 425 Rn. 34). Dies umfasst neben dem Beweis der Übernahme von Gütern als solchen auch den Nachweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands.
56Die Frage, ob der Schadensersatz verlangende Kläger den ihm obliegenden Beweis geführt hat, ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts, insbesondere nach § 286 ZPO zu beurteilen (BGH, TranspR 2013, 192 Rn. 13; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - I ZR 115/12, TranspR 2013, 433 Rn. 30 = RdTW 2013, 447; Helm, Frachtrecht II, CMR, Art. 17 Rn. 46). Die richterliche Überzeugung davon, dass sich in den verlorengegangenen Paketen Waren in dem von der Klägerin behaupteten Umfang befanden, setzt einen Grad an Gewissheit voraus, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, NJW 2004, 777, 778 = VersR 2004,118; BGH, TranspR 2013, 433 Rn. 30).
57Der Tatrichter hat sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Umfangs einer Sendung daher anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls, insbesondere aufgrund von vorgelegten Lieferscheinen und dazu korrespondierenden Rechnungen, zu bilden.
58Die Beweiswürdigung führt im vorliegenden Rechtsstreit dazu, dass die Klägerin ausreichende Beweismittel mit den Lieferrechnungen und Lieferscheinen vorgetragen hat, die die Übergabe und den Wert der übergebenen Waren beweisen. Dabei berücksichtigt die Kammer den Umstand, dass im kaufmännischen Verkehr nicht davon auszugehen ist, dass unrichtige Lieferscheine und Rechnungen, was den Inhalt der Warensendung und deren Wert angeht, ausgestellt werden.
59c.
60Die Beklagte kann sich gegenüber dem Anspruch der Klägerin nicht mit Erfolg auf zu ihren Gunsten bestehende Haftungsbegrenzungen berufen. Die Beklagte hat den vollen Schaden zu ersetzen, da zu unterstellen ist, dass die Verluste durch qualifiziertes Verschulden ihrer Leute eingetreten sind. Zwar hat die Klägerin nicht, was grundsätzlich ihr obliegen würde, die Umstände, die auf Vorsatz oder Leichtfertigkeit der Beklagten schließen lassen, dargelegt und unter Beweis gestellt. Dies gereicht ihr aber nicht zum Nachteil. Wenn auch grundsätzlich der Anspruchsteller derartige Umstände vorzutragen hat, so trifft andererseits nach dem auch im Prozessrecht anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben den Prozessgegner eine Einlassungsobliegenheit für solche Umstände, die gänzlich außerhalb der Wahrnehmungssphäre der darlegungs- und beweisbelasteten Partei liegen, dann, wenn ihr die Darlegung möglich und zumutbar ist. Insbesondere konstatiert die Rechtsprechung im Transportrecht eine Pflicht des Frachtführers oder Spediteurs, zu seiner Organisation allgemein und zu deren Befolgung im konkreten Schadensfall vorzutragen, soweit - wie üblich - der Versender mangels Überblick hierzu nicht in der Lage ist. Soweit der Transportführer dieser Einlassungsobliegenheit nicht nachkommt, sei es, weil er Einzelheiten nicht offen legen will oder in Unkenntnis der Umstände nicht kann, spricht eine widerlegbare Vermutung für qualifiziertes Verschulden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Juni 2001, 18 U 235/00; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage 2009, Art. 29 CMR, Rz.17 ff).
61So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass die Warensendungen infolge eines Unfalls in Polen untergegangen seien, den weder sie noch der Fahrer verschuldet habe. Sie bleibt jedoch jeglichen Vortrag schuldig, aus dem sich konkret ableiten ließe, dass die hier maßgeblichen Pakete tatsächlich in den verunfallten LKW gelangt sind.
62Denn die Beklagte führt keine Schnittstellenkontrollen durch und trägt auch nicht konkret vor, dass die Pakete vor Verladen auf den LKW überprüft und organisatorisch sichergestellt worden sei, dass diese nicht bereits vorher abhanden gekommen seien.
63Die hierzu vorgelegte Liste B 2 nach dem Vortrag der Beklagten gescannten Pakete reicht zum Nachweis nicht aus. Denn die Beklagte trägt nichts zu einer Schnittstellenkontrolle oder dazu vor, dass auf der Grundlage der Liste im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beklagten davon ausgegangen werden kann, dass die dort aufgeführten Pakete vollständig an den eingesetzten Subunternehmer übergeben wurden. Der Vortrag, die gescannten Pakete würden unmittelbar verladen, reicht hierzu nicht aus. Denn es fehlt die Angabe, wer die Pakete gescannt hat, wie viel Zeit im Einzelnen zwischen dem Scanvorgang und der Verladung in die Wechselbrücke liegt und wer die gebotenen Kontrollen durchgeführt hat.
64Die Beweisantritte auf Vernehmung des Fahrers, der die schon beladene und verplombte Wechselbrücke übernommen hat, sowie des Supervisors sind ersichtlich unbehelflich.
65Kann die Beklagte jedoch zum konkreten Verbleib der Pakete nichts vorbringen, muss sie sich den Vorwurf des groben Verschuldens entgegenhalten lassen.
66d.
67Die Ansprüche der Klägerseite sind auch nicht aufgrund eines sie oder die Versenderin treffenden Mitverschuldens eingeschränkt. Ein Anspruch minderndes Mitverschulden lässt sich vor allem nicht daraus herleiten, dass die Beklagte aufgrund der unterlassenen Wertangabe nicht in die Lage versetzt wurde, die Pakete einem höheren Haftungswert entsprechend zu befördern. Die fehlende Wertdeklaration hat sich nicht ausgewirkt, da im Auslandsverkehr die Erstellung von Presheets, die eine verbesserte Aufklärungsmöglichkeit des Verlustorts ermöglichen, bei der Beklagten nicht vorgesehen ist.
68e.
69Die Ansprüche der Klägerseite sind auch nicht aufgrund eines ihr gemäß § 425 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 254 Abs. 1 BGB zurechenbaren Mitverschuldens der Versenderin eingeschränkt, weil die Versenderin die Beklagte beauftragte, obwohl sie zumindest hätte wissen müssen, dass die Beklagte keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführt. Denn die bloße Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten für sich allein reicht nicht zur Begründung eines Mitverschuldens aus (vgl. BGH, Urteil vom 11.9.2008, Az.: I ZR 118/06, OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2008, Az.: 18 U 91/08).
70f.
71Der Klägerseite ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen, weil die jeweiligen Auftraggeber den tatsächlichen Warenwert nicht angegeben haben. Denn der unterlassene Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadenseintritts hat sich nicht ausgewirkt. Die Beklagte behandelt die wertdeklarierten Pakete nach der Eingangscannung bis zur Endauslieferung nicht anders als die nicht deklarierten Pakete, wie die Kammer aus anderen Verfahren aus eigener Kenntnis weiß.
72g.
73Die Ansprüche sind auch nicht verjährt. Die mit Blick auf das grobe Verschulden der Beklagten maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren war im Zeitpunkt der Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen.
74II.
75Der Zinsanspruch folgt aus §§ 352, 353 HGB.
76III.
77Der Kostenausspruch beruht auf §§ 91, 101 ZPO.
78IV.
79Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
80Streitwert: 58.789,00 Euro.
Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 16. Okt. 2015 - 40 O 40/15
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Landgericht Düsseldorf Urteil, 16. Okt. 2015 - 40 O 40/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.
(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.
Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.
(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.
(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das genannte Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Betrag von 9.765,86 € (Summe der auf die Schadensfälle 1, 3, 7, 14 und 16 entfallenden Ersatzbeträge) nebst 5% über dem Basiszinssatz aus 2.476,70 € seit dem 10. Februar 2001, aus 2.941,80 € seit dem 30. Juni 2001 und aus 4.347,37 € seit dem 10. November 2003 hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist Assekuradeurin der Transportversicherer der T. GmbH in Oberhausen (im Folgenden: Versenderin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen des Verlusts von Transportgut in - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - 18 Fällen (Schadensfälle 1 bis 3, 5, 6, 8 bis 12, 14, 15, 19 bis 23 und 26) auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Die von der Beklagten ab November 2000 verwendeten Beförderungsbedingungen enthielten auszugsweise folgende Regelungen: … 2. Serviceumfang Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von U. angebotene Service auf Abholung, Transport , Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung. Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U. -Systemes nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.
- 3
- Die Versenderin war in den Jahren 2000 und 2001 Großkundin der Beklagten und nahm am sogenannten EDI-Verfahren teil, wobei sie die Beklagte mit dem Transport von Paketen mit Telefonkarten innerhalb Deutschlands beauftragte. In den in der Revisionsinstanz noch streitgegenständlichen Fällen erreichten die Pakete die Empfänger nicht.
- 4
- Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den Verlust des Transportgutes in voller Höhe. Darüber hinaus habe die Beklagte ihr die für die Ermittlung der Schadensursache an die C. (im Folgenden: GmbH C.-GmbH) gezahlten Kosten zu ersetzen.
- 5
- Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin zurechnen lassen, weil diese eine Wertdeklaration unterlassen habe. Die Kosten für die Ermittlung der Schadensursache seien nicht erstattungsfähig.
- 6
- Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch interessierenden Schadensfälle und der Ermittlungskosten im vollen Umfang stattgegeben.
- 7
- Das Berufungsgericht hat die Klage hinsichtlich der Ermittlungskosten abgewiesen und ist im Übrigen von einem schadensursächlich gewordenen Mitverschulden der Versenderin ausgegangen.
- 8
- Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens zugelassen. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
- 9
- Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt und mit ihr den vom Berufungsgericht abgewiesenen Anspruch auf Ersatz der an die C.-GmbH gezahlten Ermittlungskosten weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 10
- A. Das Berufungsgericht hat in den 18 Fällen, in denen der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach § 425 Abs. 1, § 435 HGB angenommen. Die Klägerin müsse sich allerdings jeweils ein Mitverschulden nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB anrechnen lassen, weil die Versenderin die Beklagte bei Abschluss der Frachtverträge nicht darauf hingewiesen habe, dass ihr ein ungewöhnlich hoher Schaden drohe, wenn die Pakete verlorengingen. Die Gefahr eines solchen Schadens bestehe, wenn der Wert der Sendung 5.000 € übersteige. Bei der Haftungsabwägung sei neben dem Wert der transportierten Ware zu berücksichtigen, dass das einem Versender anzulastende Verschulden im Fall des § 254 Abs. 2 BGB weniger schwer wiege als im Fall des § 254 Abs. 1 BGB. Das Mitverschulden könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht höher als 50% angesetzt werden. Es sei daher eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs geboten. Für die ersten 5.000 € Warenwert bleibe der Anspruch ungekürzt, für den zwischen 5.000,01 € und 10.000 € liegenden Warenwert sei eine Kürzung um 20% vorzunehmen. Bei Warenwerten über 10.000,01 € sei die Quote für jede angefangenen weiteren 5.000 € um einen Prozentpunkt zu erhöhen. Dies führe im Streitfall zwar zu Kürzungen des Schadensersatzanspruchs der Klägerin. Die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche seien aber insgesamt höher, so dass die Beklagte insoweit dem Klageantrag entsprechend zu verurteilen sei.
- 11
- Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB sei dagegen zu verneinen. Die Pakete seien im EDI-Verfahren versandt worden. Die Beklagte habe nicht dargetan, auf welche Weise sie sicherstelle, dass Wertpakete auch in diesem Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die Versenderin mangels Belehrung durch die Beklagte darauf beschränkt hätte, die Wertdeklaration nur im Rahmen der EDV in die Versanddaten aufzunehmen. Dann werde die Sendung aber weiterhin wie eine Standardsendung befördert. Nachdem die Beklagte ihren Großkunden eine Software zur Verfügung gestellt habe, die eine Rubrik für den einzutragenden Haftungswert enthalte , dürfe der EDI-Kunde davon ausgehen, mit der EDV-mäßigen Eintragung des Warenwerts alles Erforderliche getan zu haben, um eine Wertpaketbeförderung in Auftrag zu geben.
- 12
- Ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden folge ferner nicht daraus, dass die Versenderin die Transportaufträge in Kenntnis dessen erteilt habe, dass die Beklagte während des Transports keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführe. Die Nummer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten vermittele diese Kenntnis nicht.
- 13
- Ein Anspruch auf Erstattung der an die C.-GmbH gezahlten Kosten bestehe schon dem Grunde nach nicht.
- 14
- B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten in den Fällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 23 und 26 richtet. Sie führen insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen (Fälle 1, 3 und 14) ist die Revision hingegen unbegründet. Keinen Erfolg hat auch die Anschlussrevision der Klägerin.
- 15
- I. Zur Revision der Beklagten
- 16
- 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Tz. 34; Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 165/04, TranspR 2008, 122 Tz. 25).
- 17
- 2. Das Berufungsgericht hat mit Recht kein der Klägerin anzurechnendes Mitverschulden der Versenderin darin gesehen, dass diese die Transportaufträge in Kenntnis dessen erteilt hat, dass die Beklagte keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführt. Die Frage, ob sich eine derartige Kenntnis aus der Nummer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten entnehmen lässt, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden. Denn unabhängig davon reichen jedenfalls die bloße Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten durch die Versenderin für sich gesehen nicht aus, um ein Mitverschulden zu bejahen (BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 57/03, NJW-RR 2006, 1264 Tz. 35 = TranspR 2006, 250 m.w.N.). Die Revision erhebt in dieser Hinsicht auch keine Rügen.
- 18
- 3. Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration hat das Berufungsgericht mit Recht wegen fehlender Kausalität verneint.
- 19
- Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte ihren Großkunden, zu denen auch die Versenderin gehörte, eine Software zur Verfügung gestellt hat, die eine Rubrik für den einzutragenden Haftungswert enthielt. In einem solchen Fall reicht eine bloße Wertangabe aus, weil der Versender davon ausgehen kann, dass das Transportunternehmen diese Wertangabe beachten wird (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 117/04, NJW-RR 2006, 756 Tz. 17 f. = TranspR 2006, 119; Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR 2007, 28 Tz. 30 = TranspR 2006, 394). Wenn die Beklagte ihren Kunden ein derartiges Softwaresystem zur Verfügung stellt, muss sie entweder dafür Sorge tragen, dass die dort eingegebenen Werte von ihr berücksichtigt werden, oder sie muss ihren Kunden gegenüber ausdrücklich und unmissverständlich erklären, auf welchem anderen Wege Wertdeklarationen zu erfolgen haben (BGH NJW-RR 2006, 756 Tz. 18). Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan, dass sie ihre Kunden dementsprechend insbesondere darüber belehrt hat, dass auch im Falle einer Wertdeklaration mittels der zur Verfügung gestellten Software eine gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist. Es kommt hinzu, dass die Versenderin im vorliegenden Fall zwar keine Werte deklariert hat, die Pakete nach den getroffenen Feststellungen aber auch im Falle einer Wertdeklaration mittels der zur Verfügung gestellten Software wie eine Standardsendung befördert worden wären. Der Verlust der Pakete wäre daher im Falle einer Wertdeklaration ebenfalls eingetreten.
- 20
- 4. Ein Mitverschulden der Versenderin hat das Berufungsgericht dagegen mit Recht darin begründet gesehen, dass diese die Beklagte in den Schadensfällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 23 und 26 nicht auf den Wert der Pakete und den deshalb für den Fall ihres Verlusts drohenden ungewöhnlich hohen Schaden (§ 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB) hingewiesen hat. Die von ihm vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile sowie die von ihm als geboten angesehene Kürzung des Schadensersatzanspruchs nach festgelegten Prozentsätzen halten der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.
- 21
- a) Die Gefahr eines besonders hohen Schadens ist dann anzunehmen, wenn der Wert des einzelnen Pakets 5.000 € übersteigt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH TranspR 2008, 117 Tz. 40; TranspR 2008, 122 Tz. 33, jeweils m.w.N.). Dieser Betrag ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in den Fällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 22 und 26 sowie darüber hinaus auch im Fall 23 überschritten. Hier lag der Wert des Pakets bei 5.576 €. Dies hat das Berufungsgericht offensichtlich übersehen.
- 22
- b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass ein Mitverschulden wegen des Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens nicht die Feststellung voraussetzt, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Mit dem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens muss dem Frachtführer die Gelegenheit gegeben werden, im konkreten Fall Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung eines drohenden Schadens zu ergreifen oder die Durchführung des Auftrags abzulehnen. Die Kausalität des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder nicht mit einer Ablehnung des Auftrags reagiert hätte (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, NJW-RR 2006, 1108 Tz. 22 = TranspR 2006, 208). Beides ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
- 23
- c) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Tz. 28 = TranspR 2007, 164 m.w.N.). Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, TranspR 2007, 110 Tz. 32). Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht.
- 24
- aa) Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach das einem Versender anzulastende Verschulden nach § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich weniger schwer wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Verschulden, trifft nicht zu. Die zuletzt genannte Bestimmung regelt den Fall, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Nach § 254 Abs. 2 BGB kann das Mitverschulden auch darin bestehen, dass der Geschädigte es unterlässt, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Damit enthält § 254 Abs. 2 BGB lediglich - klarstellend - besondere Anwendungsfälle des § 254 Abs. 1 BGB (MünchKomm.BGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 254 Rdn. 36; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., § 254 Rdn. 53; Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, S. 163 ff.). Hinsichtlich der Rechtsfolgen trifft § 254 Abs. 1 BGB für sämtliche Fälle des Mitverschuldens eine einheitliche Regelung: Danach sind die Verursachungs - und Verschuldensanteile von Schädiger und Geschädigtem im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Eine (abstrakte) Gewichtung der verschiedenen Fälle des Mitverschuldens, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, widerspricht dieser gesetzlichen Regelung.
- 25
- bb) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Wert der transportierten Ware bei der Haftungsabwägung von Bedeutung ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 22.11.2007 - I ZR 74/05, TranspR 2008, 30 Tz. 46). Daneben kann bei entsprechendem Sachvortrag des Frachtführers auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt darstellen: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 45).
- 26
- cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, wonach der dem Versender anzurechnende Mitverursachungsbeitrag auch bei hohen Werten nicht höher als 50% angesetzt werden darf, trifft dagegen nicht zu. Zwar liegt auf Seiten der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vor, weshalb ihr Verursachungsanteil in der Regel höher zu gewichten ist. Wie der Senat zeitlich nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kann nach den Umständen des Einzelfalls aber auch ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 43/05, TranspR 2008, 113 Tz. 53; BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47). Dies gilt vor allem in Fällen, in denen das Paket aufgrund der Beförderungsbedingungen der Beklagten von einem Transport ausgeschlossen ist. In solchen Fällen kann auch ein vollständiger Wegfall der Haftung des Frachtführers gerechtfertigt sein, wenn der Versender positive Kenntnis davon hat, dass der Frachtführer bestimmte Güter nicht befördern will und sich bei der Einlieferung bewusst über den entgegenstehenden Willen des Frachtführers hinwegsetzt (BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 245/03, NJW-RR 2007, 179 Tz. 35 = TranspR 2006, 448; BGH NJW-RR 2007, 1110 Tz. 30; BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz. 33). Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, weil die Wertgrenze von 50.000 US-Dollar nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in keinem Schadensfall erreicht war. Eine höhere Quote als 50% kann aber auch dann sachgerecht sein, wenn der Wert des Pakets - unabhängig vom Überschreiten einer in den Beförderungsbedingungen gesetzten Wertgrenze - sehr deutlich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müssen (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Auch wenn dies bei den hier in Rede stehenden Schadensfällen - und zwar auch bei den Fällen 8, 9, 10, 12 und 26, bei denen der Schaden jeweils zwischen 24.000 und 28.000 € liegt - (noch) nicht angenommen werden kann, ist nicht auszuschließen , dass das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Schema das Ergebnis der von ihm vorgenommenen Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile beeinflusst hat.
- 27
- dd) Bei der Abwägung der Mitverschuldensquote muss zudem auch bei geringeren Paketwerten berücksichtigt werden, dass sie bei hohen Warenwerten nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Diesem Erfordernis wird die vom Berufungsgericht vorgenommene stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs nicht gerecht. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass nach der Tabelle des Berufungsgerichts bei Warenwerten, die dem Gegenwert von 50.000 US-Dollar entsprechen, der Schadensersatzanspruch im Ergebnis lediglich um einen Wert gekürzt wird, der unter 25% liegt. Gemäß Nummer 3 (a) (ii) ihrer Beförderungsbedingungen will die Beklagte Pakete, deren Wert den Gegenwert von 50.000 US-Dollar überschreitet, jedoch nicht befördern. Nach der oben angeführten Rechtsprechung des Senats kann in derartigen Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% bis hin zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung in Betracht kom- men. Die in der Tabelle des Berufungsgerichts vorgesehenen Quoten entsprechen dem nicht.
- 28
- II. Zur Anschlussrevision der Klägerin
- 29
- 1. Die Anschlussrevision ist statthaft, weil ihr Gegenstand in dem insoweit erforderlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptrevision steht (vgl. BGHZ 174, 244 Tz. 38 ff.). Der geltend gemachte Anspruch betrifft eine weitere Schadensposition im Rahmen der Schadensersatzansprüche , die Gegenstand der Hauptrevision sind.
- 30
- 2. In der Sache hat die Anschlussrevision aber keinen Erfolg.
- 31
- a) Im Fall des § 435 HGB haftet der Frachtführer auch für Folgeschäden unbeschränkt nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 435 HGB Rdn. 19). Er ist daher gemäß diesen Bestimmungen zum Ausgleich der Vermögensnachteile verpflichtet, die mit dem zum Ersatz verpflichtenden Ereignis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang stehen. Allerdings sind Aufwendungen, die dem Geschädigten aus von sich aus unternommenen Schritten zur Beseitigung der Störung entstehen, nur dann zu ersetzen , wenn sie aus der Sicht eines verständigen Menschen, der sich in der Lage des Geschädigten befunden hat, als erforderlich erschienen (BGHZ 111, 168, 175 m.w.N.; MünchKomm.BGB/Oetker aaO § 249 Rdn. 179; Palandt/Heinrichs aaO Vorb v § 249 Rdn. 83 und § 249 Rdn. 40).
- 32
- Von diesem Maßstab ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die an die C.-GmbH gezahlten Ermittlungskosten nicht erforderlich waren. Die Beauftragung einer Detektei zur Durchführung von Ermittlungen in einem fremden Unternehmen stellt sich von vornherein nur insoweit als sinnvoll dar, als sichergestellt ist, dass dieses Unternehmen die Ermittlungen zulässt. Dass die Beklagte dies vor der Beauftragung der C.-GmbH sichergestellt hätte, hat sie nach den getroffenen Feststellungen nicht vorgetragen.
- 33
- b) Das Berufungsgericht ist des Weiteren mit Recht davon ausgegangen, dass die Kosten für die Ermittlung der Schadensursache auch nicht gemäß § 430 HGB ersatzfähig sind.
- 34
- aa) Der durch ein i.S. des § 435 HGB qualifiziert schuldhaftes Verhalten Geschädigte kann, da er durch die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung besser gestellt werden soll als in sonstigen Schadensfällen, allerdings wahlweise auch den nach den §§ 429 bis 431 HGB zu leistenden Ersatz verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2005 - I ZR 134/02, TranspR 2005, 253, 254; Rinkler, TranspR 2005, 305, 306; a.A. Schriefers, TranspR 2007, 184 ff.).
- 35
- bb) Die Bestimmung des § 430 HGB sieht für Kosten der Schadensfeststellung eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass schadensbedingte Folgeschäden nach den §§ 425 ff. HGB außer im Fall des § 435 HGB nicht ersatzfähig sind (vgl. BGHZ 169, 187 Tz. 15; Koller aaO § 430 HGB Rdn. 1). Dies hat seinen Grund darin, dass es sich bei solchen Kosten um Aufwendungen handelt , die der Vermögenseinbuße nahestehen, die der Geschädigte infolge des Substanzschadens am Gut erlitten hat. Da durch die Schadensfeststellung der Schadensumfang ermittelt werden soll und sich hiernach auch der infolge des Substanzschadens zu leistende Ersatz bestimmt, sind die bei der Schadensfeststellung angefallenen Kosten untrennbar mit dem Schadensfall verknüpft (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 65). Dies gilt jedoch nicht für solche Kosten, die nicht der Feststellung des Schadensumfangs, sondern der Ermittlung der Schadens- ursache dienen (Koller aaO § 430 HGB Rdn. 3; ebenso wohl auch Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 430 Rdn. 3, 5; a.A. wohl Fremuth in Fremuth/ Thume, Transportrecht, § 430 HGB Rdn. 4).
- 36
- C. Danach ist das angefochtene Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufzuheben, soweit das Berufungsgericht über einen Betrag von 9.765,86 € (Summe der für die Schadensfälle 1, 3, 7, 14 und 16 zuerkannten Ersatzbeträge) hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Anschlussrevision ist demgegenüber zurückzuweisen.
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2005 - 31 O 131/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.05.2006 - I-18 U 105/05 -
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, mit Ausnahme der Verzugszinsen, ist bei beiderseitigen Handelsgeschäften fünf vom Hundert für das Jahr. Das gleiche gilt, wenn für eine Schuld aus einem solchen Handelsgeschäfte Zinsen ohne Bestimmung des Zinsfußes versprochen sind.
(2) Ist in diesem Gesetzbuche die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe ausgesprochen, so sind darunter Zinsen zu fünf vom Hundert für das Jahr zu verstehen.
Kaufleute untereinander sind berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Zinsen von Zinsen können auf Grund dieser Vorschrift nicht gefordert werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.
(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.