Landgericht Hamburg Urteil, 14. Aug. 2015 - 303 O 94/12

bei uns veröffentlicht am14.08.2015

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe von € 8.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19.7.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 2) € 12.489,29 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.7.2012 zu zahlen.

3. Darüber hinaus wird die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger zu 1) weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf € 8.000,- seit dem 14.2.2012 bis zum 18.7.2012 zu zahlen und an die Klägerin zu 2) weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf € 12.489,29,- seit dem 3.5.2012 bis zum 30.7.2012.

4. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

6. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Erbe und Krankenversicherung der mittlerweile verstorbenen Patientin W. R., geb. ... 1927, streiten mit dem beklagten Krankenhausträger und der dort tätigen Krankenschwester um materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche nach einer Darmverletzung infolge eines Hebe-Senk-Einlaufs.

2

Die Patientin und ehemalige Klägerin zu 1) hatte am 4.3.2011 in der H. E.-Klinik H. eine Knieendoprothese erhalten. Postoperativ kam es zur Ausbildung einer abdominellen Beschwerdesymptomatik mit Übelkeit und Erbrechen und einem Stuhlverhalt. Nach einer Gastroskopie am 8.3.2011 im D... Klinikum H. wurde die Patientin bei fortbestehender Beschwerdesymptomatik am 9.3.2011 in der Zentralen Notaufnahme der A... Klinik H.-A. vorgestellt. Im Aufnahmebogen heißt es dazu unter „Anamnese“:

3

„... Verdacht auf Ileus -> AK A.. Heute Morgen noch erbrochen und 1x harter Stuhlgang. Davor seit der OP am 5.3.2011 kein Stuhlgang“.

4

Es folgten Röntgenuntersuchungen des Abdomens und des Thorax u.a. mit dem Befund:

5

„...Zeichen des Subileus ohne Ileustypisches Vollbild“.

6

Die Ärztin in der Zentralen Notaufnahme forderte sodann unter der Fragestellung

7

Ileus. ...Hochgestellte Darmgeräusche im Oberbauch, Stuhl, diskreter Druckschmerz ... Röntgen Abdomen: Dünndarmileus (noch nicht vom Radiologen befundet).“

8

eine konsiliarische Untersuchung durch einen Chirurgen an, der u.a. folgendes dokumentierte:

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„...Abdomen weich, diskreter Druckschmerz linker Unterbauch, sonst o.B., rektal-digital o.B. (ohne Befund). Röntgen Abdomen: Subileus ... Diagnosen: Subileus / Koprostase. Procedere: Tee/Zwieback, Infusion, Abführmaßnahmen, zurzeit keine OP-Indikation.

10

Durch die Beklagte zu 2) wurde sodann gegen 15.00 Uhr ein Hebe-Senk-Einlauf durchgeführt, währenddessen es zu einer Darmverletzung der Patientin kam. Die Dokumentation enthält dazu den Eintrag:

11

Patientin soll Schwenkeinlauf bekommen, Darmrohr problemlos eingeführt, ca. 4 cm, Patientin hat gut mitgemacht, bis ich einen Widerstand spürte, Darmrohr etwas zurückgezogen, leicht versucht zu schwenken, Patientin klagte über plötzliche Bauchschmerzen „wie Zerreißen“, Schwenkeinlauf gestoppt, Darmrohr entfernt ...“.

12

Für die Patientin wurde danach ein Abdomen mit Unterbauchdruckschmerz dokumentiert. Die Dokumentation enthielt darüber hinaus u.a. den Eintrag:

13

rektal-digital Emphysem der Rectumschleimhaut ventral“.

14

Es erfolgten sodann eine Computertomographie des Abdomens mit Kontrastmittel und im Anschluss daran eine operative Therapie zur Behandlung der Rektumperforation, nämlich eine Rektoskopie mit nachfolgender explorativer Laparoskopie, Abdominallavage und Anlage eines doppelläufigen Descendostomas sowie einer Drainage. Im Rahmen der Rektoskopie zeigte sich laut Operationsbericht vom 9.3.2011 bis etwa 15 cm bei mäßiger Übersicht ein durch Stuhl verschmutztes Rektum.

15

Die Patientin wurde im Krankenhaus der Beklagten zu 1) bis zum 23.3.2011 weiterbehandelt und nach zunächst intensivmedizinischer Behandlung auf die Normalstation verlegt. Bis auf eine Motilitätsstörung des Darmes gestaltete sich der Verlauf unkompliziert. Die Patientin hielt sich danach bis zum 10.4.2011 in der Reha in D. und später zur Rückverlegung des künstlichen Darmausgangs vom 19.6.2011 bis zum 29.6.2011 im St. F.-Hospital in F. auf.

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Die Patientin hat vorgerichtlich ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) eingeholt, welches zu folgendem Ergebnis kommt:

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„... Es ist daher keine andere Erklärung vorstellbar, als das die geschehene Hohlraumperforation durch den Schwenkeinlauf verursacht wurde und hier nicht mit der notwendigen Erfahrung und der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet wurde...“.

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Für die Einzelheiten wird auf das Gutachten der Fachärztin für Chirurgie S. N. vom 28.12.2011, Anlage 1, Bezug genommen.

19

Nach dem Tod der Patientin und ehemaligen Klägerin im November 2013 ist ihr Sohn und Erbe in den Rechtsstreit auf Klägerseite eingetreten.

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Der Klägerin zu 2) sind für die Behandlung der Rektumperforation Behandlungskosten in Höhe von € 12.489,29 entstanden, Anlagen K 2 und 3. In Höhe des zunächst beantragten überschießenden Betrags von € 531,88 für den Aufnahmetag, den 9.3.2011, hat die Klägerin zu 2) die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

21

Die Klägerin zu 2) machte die ihr entstandenen Kosten vorgerichtlich bei der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 15.3.2012 mit Zahlungsfrist bis zum 13.4.2012 geltend.

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Die Kläger behaupten eine sorgfaltswidrige Durchführung des Einlaufs. Sie beziehen sich auf ein Urteil des OLG Zweibrücken vom 16.1.2007 zum Az. 5 U 48/06 und ein als Anlage eingereichtes Votum der Schlichtungsstelle, Bl. 132 d.A., in vergleichbaren Verfahren. Sie sind daher der Auffassung, es handele sich bei der Durchführung des Einlaufs um ein voll beherrschbares Risiko, welches zu Lasten der Beklagten zu einer Beweislastumkehr führe.

23

Nach Anhörung des Sachverständigen beziehen sich die Kläger zur Befundung der Röntgenaufnahme vom 9.3.2011 auf Stellungnahmen des Dr. W. M. vom 17.3.2015 sowie eine schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. P. K. vom 7.4.2015. Letztere enthält u.a. folgende Aussage:

24

„... Dieses Bild belegt eindeutig, dass die Stuhlsäule nicht bis in das distale Rektum hineinreichte. ... Insgesamt ergibt das Bild in Hinsicht auf den Enddarm keinen pathologischen Befund...“

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und die abschließende Beurteilung:

26

„... Risikofaktoren für Perforation des Rektums beim Schwenkeinlauf bestanden nicht“.

27

Für deren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlagen zu den Schriftsätzen vom 17.3.2015 und vom 13.4.2015.

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Der Kläger zu 1) beantragt,

29

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichtes gestelltes, mindestens jedoch € 8.000,- betragendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9.3.2011 zu zahlen.

30

Die Klägerin zu 2) beantragt nunmehr,

31

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 12.489,29 nebst Jahreszinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszins ab dem 3.5.2012 zu zahlen.

32

Die Beklagten beantragen,

33

die Klage abzuweisen.

34

Sie verweisen in rechtlicher Hinsicht auf eine bei der Patientin vorliegende Darmerkrankung, die die Annahme eines voll beherrschbaren Risikos ausschließe, und nehmen den Kausalzusammenhang zwischen den Kosten der häuslichen Krankenpflege und der Rektumperforation in Abrede.

35

Den Beklagten ist die Klage der - ursprünglichen - Klägerin zu 1) nach Mahnbescheid gegenüber der Beklagten zu 1) - zugestellt am 13.2.2012 - am 18.7.2012 und die Klagerweiterung auf Aktivseite durch die Klägerin zu 2) am 30.7.2012 zugestellt worden.

36

Das Gericht hat Beweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 8.4.2013 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und hat den Sachverständigen dazu angehört. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. C. K. vom 22.6.2013, Bl. 86 ff. d.A., und das Sitzungsprotokoll vom 12.12.2014, Bl. 234 ff. d.A..

Entscheidungsgründe

37

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache zur Gänze und im Zinsanspruch überwiegend begründet, da den Klägern gegen die Beklagten die jeweils geltend gemachten Ersatzansprüche aus Behandlungsvertrag gem. §§ 280, 611 (630a) bzw. §§ 823, 831 BGB - für den Kläger zu 1) nach Anspruchsübergang infolge § 1922 BGB und für die Klägerin zu 2) infolge § 116 SGB X - zustehen.

38

Nach Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte zu 2) den in Streit stehenden Hebe-Senk-Einlauf bei der mittlerweile verstorbenen - ursprünglichen - Klägerin in behandlungsfehlerhafter Weise durchgeführt hat, so dass es bei ihr zu einer Darmperforation mit operativer Versorgung und Anlage eines doppelläufigen Descendostomas, starken Schmerzen, erforderlicher Rückverlegungsoperation und bei der Klägerin zu 2) zu den geltend gemachten, in Anlage K 3 spezifizierten zusätzlichen Behandlungskosten gekommen ist.

39

Die Kammer hatte vom Vorliegen eines Behandlungsfehlers und dessen Kausalität für die bei der Patientin verursachte Verletzung auszugehen, obwohl der Sachverständige Anhaltspunkte für ein unsorgfältiges Vorgehen nicht gefunden hat, da nach übereinstimmender sachverständiger Begutachtung bei der Durchführung eines Hebe-Senk-Einlaufs von einem voll beherrschbaren Risiko auszugehen ist und den Beklagten der ihnen obliegende Beweis von Risikofaktoren, die die Patientin eingebracht hätte, nicht gelungen ist.

40

Im Einzelnen:

41

1. Für sich genommen ließ sich ein Behandlungsfehler nach den überwiegend überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K., die sich das Gericht nach eigener, sorgfältiger Prüfung in den entscheidungserheblichen Teilen zu eigen macht, nicht feststellen. Denn die Beklagte zu 2) hat die zweifelsohne indizierte Abführmaßnahme Hebe-Senk- oder Heber-Schwenk-Einlauf nach der sachverständigen Beurteilung beanstandungsfrei durchgeführt. Ein Verstoß gegen die geltenden Regeln zur Durchführung eines Hebe-Senk-Einlaufs, die der Sachverständige auf den Seiten 22 und 23 seines Gutachtens und im Einführungsteil auf Seiten 19 bis 21 ausführlich geschildert hat, liegt nicht vor (GA S. 23 Mitte, 24 und 27 oben, Bl. 108, 109 und 112 d.A.). Insbesondere ist bei Auftreten des Widerstands das Darmrohr umgehend zurückgezogen worden und der Einlauf nach Auftreten der plötzlichen Bauchschmerzen beendet worden (GA S. 26, 27, Bl. 111, 112 d.A.). Weiter wurde von der Beklagten zu 2) beachtet, dass das Darmrohr bei starker Verstopfung zunächst nur etwa 5 cm eingeführt werden darf (GA Seite 20, Bl. 105 d.A.). Insoweit konnte die bei der Patientin eingetretene Verletzung nach allgemeinen Grundsätzen nicht mit dem für eine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO erforderlichen Ausmaß an Sicherheit einem Behandlungsfehler auf Beklagtenseite zugeordnet werden.

42

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerseite aus dem Schriftsatz vom 11.7.2012, dort Seite 3 (Bl. 23 d.A.), wonach es sehr kurz nach Einführung des Darmrohres zu erheblichen Schmerzen gekommen sein soll, die die Patientin auch geäußert habe, worauf die Beklagte zu 2) jedoch geäußert habe, sie solle sich nicht so anstellen. Denn Folgen für die Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers ergeben sich daraus nicht. Auch wenn nämlich die Kammer diesen Vortrag, der zwar unbestritten ist, jedoch im Widerspruch zu der ebenso unstreitigen Dokumentation der Behandlung steht, berücksichtigt, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Auch die Kläger tragen nämlich nicht vor, dass der die Perforation anzeigende starke Schmerz „wie Zerreißen“ bereits zu Beginn der Maßnahme eingetreten sei, sondern erst beim Schwenken nach Widerstand und Zurückziehen. Gleichzeitig ist denkbar, dass Schmerzen bei der Durchführung eines Einlaufs auf eine Unvorsichtigkeit hindeuten. Jedoch kann die Kammer nicht ausschließen, dass die Patientin unter Berücksichtigung ihres Allgemeinzustands und der bestehenden Verstopfung auch bei sorgfältigem Vorgehen Schmerzen, auch starke Schmerzen, bei dieser objektiv unangenehmen Behandlung gehabt hätte, ohne dass diese von einer Perforation des Rektums herrührten. Daher kann die Kammer auch ohne Anhörung der Parteien die von der verstorbenen Patientin ex post berichtete, recht ungenaue Schilderung zugrundelegen, ohne dass sich daraus eine nach § 286 ZPO hinreichende Überzeugung von dem Vorliegen eines unvorsichtigen Vorgehens der Beklagten zu 2) ergäbe.

43

2. Etwas anders ergibt sich aber aufgrund der Anwendung der Grundsätze über das voll beherrschbare Risiko (st. Rspr. seit BGH, Urteil vom 11.10.1977 zum Az. 110/75, vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.3.2007 zum Az. VI ZR 158/06). Danach kommt, anders als im Bereich des ärztlichen Handelns, in dem grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler sowie dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden trägt, bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, der Rechtsgedanke des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Tragen, wonach die Darlegungs- und Beweislast für die Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls feststeht, dass die Darmverletzung der Patientin aus einem für die Beklagten voll beherrschbaren Bereich stammt.

44

Die Kammer folgt dazu im Anschluss an das in Bezug genommene Urteil des OLG Zweibrücken (OLGR 2007, 447; ebenso Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, 2014, V 331) der übereinstimmenden Meinung des gerichtlichen Sachverständigen und des Parteigutachtens des Prof. Dr. P. K. vom 7.4.2015, das die Klägerseite mit Schriftsatz vom 13.4.2015 eingereicht hat, wonach es sich bei der Verabreichung eines Hebe-Senk-Einlaufs um ein sog. voll beherrschbares Risiko handelt. Denn auch der gerichtliche Sachverständige, der zunächst missverständlich formuliert hatte, hat im Ausgangspunkt in seiner Anhörung eingeräumt, dass es sich bei einem Schwenkeinlauf, ist die Patientin darmgesund und ohne anatomische Besonderheiten, sehr wohl um ein voll beherrschbares Risiko handelt, dass also üblicherweise bei sorgfältigem Vorgehen Verletzungen nicht auftreten (Protokoll S. 3, Bl. 236). Diese Beurteilung entspricht den von der Klägerin in Bezug genommenen - anderweitig sachverständig beurteilten - Verfahren (vgl. etwa aus den Gründen des OLG Zweibrücken, aaO. Rn. 30 zitiert nach juris: „...Danach sind Klysmen in Apotheken und Drogerien frei käuflich und auch von Laien anwendbar. In den Gebrauchsinformationen werde lediglich davor gewarnt, die Verabreichung bei Auftreten von lokalem Widerstand fortzusetzen. Dies entspreche ärztlicher und pflegerischer Erfahrung, nach der Komplikationen nahezu nicht vorkommen und Statistiken hierüber in der Literatur nicht geführt werden. Ausnahmsweise können anatomische Verhältnisse, wie etwa ein extremer ventraler Rektumprolabs, oder lokale Entzündungen eine Verletzung der Darmwand begünstigen...“). Der Sachverständige hat damit seine möglicherweise missverständlichen Formulierungen aus dem Gutachten auf S. 24 unten (Bl. 109) und S. 25 unteres Drittel (Bl. 110) relativiert.

45

3. Lag daher grundsätzlich ein voll beherrschbares Risiko vor, hatte sich die Behandlerseite hinsichtlich der Behandlungsfehlervermutung zu entlasten (Martis/Winkhart, a. a. O., V 331), mithin nachzuweisen, dass die Patientin infolge einer Prädisposition einen Risikofaktor in das Behandlungsgeschehen eingebracht hat, der den betreffenden Gefahrenbereich vom Arzt bzw. vom Pflegepersonal nicht mehr uneingeschränkt beherrscht macht (Martis / Winkhart, V 332 m.w.N. zur st. Rspr. des BGH). Der von Behandlerseite zu führende Beweis betrifft dabei nicht die (fehlende) Kausalität von ärztlichem bzw. pflegerischem Handeln und Primärschaden des Patienten, sondern das Einbringen eines Risikofaktors infolge einer Prädisposition des Patienten in das Behandlungsgeschehen. Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts zu führen vermocht.

46

Soweit eine bei der Patientin anderweitig festgestellte Sigmadivertikulose als von der Patientin eingebrachter Risikofaktor im Raum stand, hat der gerichtliche Sachverständige diese in seinem Gutachten zwar als Möglichkeit in Bezug genommen (vgl. Gutachten Seite 25 oben; Bl. 110 d.A.), in der mündlichen Erläuterung aber gut nachvollziehbar erklärt, dass diese in keinem kausalen Zusammenhang mit der Beschädigung der Darmwand stand (vgl. Protokoll S. 8, Bl. 241 d.A.).

47

Auch Polypen als von der Patientin eingebrachter Risikofaktor erscheinen fernliegend (Protokoll S. 9, Bl. 242 d.A.).

48

Soweit der gerichtliche Sachverständige dann bereits das Vorliegen einer Verstopfung als solcher als geeignet angesehen hat, stets von einer - patientenseits verursachten, abstrakten - Verletzungsmöglichkeit bei der Durchführung eines Einlaufs auszugehen, überzeugt dies die Kammer nicht. Denn der Sachverständige hat diese - allgemeine - Annahme lediglich auf die Krankheitsdefinition in der ICD 10 bezogen und ist im Übrigen - zu recht - auf den hier konkreten Fall eingegangen. Daher kann auch der zutreffende Einwand der Klägerseite unberücksichtigt bleiben, wonach die Annahme eines nicht mehr voll beherrschbaren Risikos bei Verstopfung zu einem Zirkelschluss mit dem obigen Ausgangspunkt der Anwendbarkeit dieses Grundsatzes für darmgesunde Menschen (bei der Indikation „Verstopfung“) führe. Denn die Kammer hatte die abstrakte Frage, ob bei „Verstopfung“ die Grundsätze des voll beherrschbaren Risikos Anwendung finden, nicht zu beantworten.

49

Demgegenüber hatte der Sachverständige auf das konkret vorliegende Krankheitsbild bei der Patientin abgestellt, nämlich auf den Subileus, aber nicht allein darauf. Auf nachdrückliches Befragen hat er seine Ausführungen zur fehlenden Darmgesundheit der Patientin darauf gestützt, dass bei ihr eine Koprostase, also eine feste Stuhlsäule im Enddarm vorgelegen habe, die durch den Subileus hervorgerufen worden sei (vgl. Protokoll Seite 5, Bl. 238 d.A.). Danach war der Subileus rechtlich ebenso wenig als patientenseitig eingebrachter Risikofaktor anzusehen, sondern allein eine Koprostase - hätte sie denn vorgelegen.

50

Hierzu teilt die Kammer die von dem gerichtlichen Sachverständigen nachdrücklich vertretene Überzeugung von einer Verursachung durch eine bei der Patientin „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ vorliegende feste Stuhlsäule nicht (vgl. Protokoll S. 6, Bl. 239; „Koprostase“ S. 5, Bl. 238; S. 7, Bl. 240 unten; S. 8, Bl. 241). Die Kammer konnte eine solche anhand der Dokumentation und der sachverständigen Erläuterungen nicht in derselben Klarheit nachvollziehen.

51

Dabei mag es im Ausgangspunkt so sein, dass das Störungsbild des Subileus mit Koprostase dazu geführt hat, dass auch im Bereich der später eingetretenen Darmperforation, also etwa bei 4 cm, eine Stuhlsäule als Widerstand spürbar war, der das Darmrohr über die weichere Darmwand letztlich unglücklich auszuweichen hatte. Damit in Einklang zu bringen ist auch die klägerische Überlegung, dass es zum Durchstoßen der Darmwand einer erheblichen Kraftanstrengung bedarf. Ob dies aber tatsächlich so war, konnte die Kammer im Ergebnis nicht aufklären, was nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Beweislastverteilung zu Lasten der Beklagten geht.

52

Der Sachverständige hat verschiedene für das Vorhandensein einer Stuhlsäule im Rektum streitende Indizien zusammengetragen (vgl. Protokoll, S. 7 unten, Bl. 240 d.A.). Danach war ausweislich des Operationberichts bis 15 cm von einem durch Stuhl verschmutzten Rektum die Rede, und zwar am Abend des 9.3.2011. Der Sachverständige hat weiter aus der vor der Operation aber nach dem Einlauf stattgefundenen CT-Untersuchung mittels Kontrastmittelgabe auf eine vorher vorhandene Stuhlsäule geschlossen, da dieses üblicherweise abführende Wirkung hat. Von daher musste vor der Operation bis 15 cm „noch mehr“ Stuhl vorhanden gewesen sein, was so gewesen sein mag. Die Kammer berücksichtigt demgegenüber aber auch die vor der Durchführung des Einlaufs stattgefundene rektal-digitale Untersuchung, die ohne Befund geblieben ist, was der Annahme einer im späteren Perforationsbereich blockierenden Stuhlsäule entgegensteht. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige auf S. 8 des Protokolls (Bl. 241) darin keinen Widerspruch gesehen, da die Angaben zum Verletzungs- und/oder Untersuchungsbereich (Fingerlänge vs. ca. 4 cm) nur ungefähr seien (vgl. Protokoll S. 7, Bl. 240 d.A.) und die Patientin zum anderen zuvor gering abgeführt hatte. Die Kammer vermag sich aber zu einer - am Maßstab des § 286 ZPO zu messenden - hinreichenden Überzeugung auf dieser Basis nicht durchzuringen.

53

Denn auch die Klägerseite hat zu recht auf Widersprüche hingewiesen. Der Sachverständige hat nämlich auf die durchaus nachdrückliche Befragung auch einräumen müssen, dass alleine anhand der Dokumentation ein sicherer Rückschluss auf die Lokalisierung einer Stuhlsäule nicht gezogen werden kann (Protokoll S. 9, Bl. 242 d.A.), während in der Dokumentation und auch im röntgenologischen Befund - ohne Befunde zum Rektum - lediglich von einem Dünndarmileus die Rede ist. Soweit der gerichtliche Sachverständige auch darauf verwiesen hat, dass die Patientin am Morgen des 9.3.2011 nach mehreren Tagen ohne Stuhlgang ein wenig Stuhlgang (“harten Stuhl“) gehabt hat und dies zu einer Besserung des Druckgefühls im linken Unterbauch geführt hat, bleibt auch dies nur ein vager Hinweis auf die Lokalisierung der Stuhlsäule im Rektum. Damit verweist die Klägerseite zu Recht auf den gesicherten Befund allein im Dünndarm (“Subileus“) und die fehlenden Befunde im Rektum (“rektal-digital ohne Befund“).

54

Diese Ungewissheit läßt sich nicht mit dem von dem gerichtlichen Sachverständigen zunächst - wohl irrtümlich - in Bezug genommenen Röntgenbild aus der Welt räumen. Denn der Sachverständige hatte in seinem schriftlichen Gutachten auf S. 8 (Bl. 93 d.A.) lediglich die Befunde der in Kopie vorliegenden Krankenunterlagen zitiert, auch der Abdomenübersichtsaufnahme vom 9.3.2011, vorliegende Bilder aber nicht gekennzeichnet (Gutachten S. 2; Bl. 87 d.A.). Er hat weiter zur Indikation von rektalem Einlauf und späterem Notfalleingriff den Operationsbericht mit „Die Abdomenübersichtsaufnahme im Röntgen zeigte eine diskrete Spiegelbildung im Sinne einer Koprostase“ zitiert (Gutachten S. 16, Bl. 101 d.A.). Auch auf S. 22 des Gutachtens kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass eine Darmmotilitätsstörung nachvollziehbar im Röntgenbild dokumentiert wurde. Eine eigene Befundung dieses Bildes in Bezug auf eine bei 4 cm im Rektum vorliegende Koprostase enthält das Gutachten aber gerade nicht.

55

Soweit der Sachverständige in seiner Anhörung, gut anderthalb Jahre nach Gutachtenerstellung, eine solche dann aber als vorhanden, auf dem Röntgenbild sichtbar und für die Verletzung verantwortlich bezeichnet hatte (“sichtbare Stuhlsäule bis in den Enddarm“, Protokoll S. 9, Bl. 242 d.A.), hatte er - wenngleich nicht protokolliert - auf Nachfrage eingeräumt, das er sich nicht mehr ganz sicher war, ob das Bild tatsächlich vorgelegen hatte. Dagegen spricht, dass sich aus der Akte das Vorhandensein der Röntgenaufnahme nicht ergibt und die Nachbefundung durch die Klägerseite durch Dr. M. ebenso eindeutig ist (“keine Auffälligkeiten in Projektion auf die Rektum-Region“, Bl. 275 d.A.), wie die von ihr nachgereichte gutachterliche Stellungnahme des der Kammer als gewissenhaft bekannten Prof. Dr. P.K. vom 7.4.2015, der sich die Kammer vollumfänglich anschließt und gegen die die Beklagte substantiierte Einwendungen nicht (mehr) erhoben hat. Nach der Nachbefundung der initialen Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens der Patientin vom 9.3.2011 durch Prof. Dr. K. hat die Stuhlsäule eindeutig nicht bis in das distale Rektum hineingereicht, was gegen einen pathologischen Befund in Bezug auf den Enddarm der Patientin spricht.

56

4. Konnten die Beklagten daher den ihr obliegenden Nachweis eines von der Patientin eingebrachten Risikofaktors nicht erbringen, haben die Beklagten den Klägern entstandene Schäden zu ersetzen. In Anbetracht der Beeinträchtigungen der Patientin durch die Notfalloperation, postoperative Schmerzen, die Anlage eines Stomas, dreimonatige Stomaversorgung und anschließende Rückverlegungsoperation erscheint das von dem Kläger zu 1) geltend gemachte Schmerzensgeld in Höhe von € 8.000,- angemessen. Die Beklagten haben auch die bei der Klägerin zu 2) entstandenen zusätzlichen Behandlungskosten zu ersetzen, die - mit Ausnahme des zurückgenommenen Teils - unproblematisch auf die Perforation der Darmwand zurückzuführen sind. Soweit die Beklagten den Kausalzusammenhang zu den Kosten der häuslichen Krankenpflege bestritten haben, steht dem die ausdrücklich auf die Stomaversorgung Bezug nehmende „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ des Facharztes für Allgemeinmedizin R.W. Büchner, etwa Beleg Nr. 15 ff. zum Anlagenkonvolut K 3, entgegen (“Anleitung zur Behandlungspflege Stomaversorgung“).

57

5. Der Zinslauf beginnt gegenüber der Beklagten zu 1) für den Kläger zu 1) gem. §§ 280, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB erst mit Zustellung des Mahnbescheids am 13.2.2012, für die Klägerin zu 2) gem. § 280, 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO wie beantragt, da die Beklagte zu 1) sich aufgrund der Mahnung vom 15.3.2012, Anlage K 2, in Verzug befand. Die Beklagte zu 2) schuldet beiden Klägern wegen §§ 840, 425 Abs. 2 BGB gem. § 291 ZPO nur Rechtshängigkeitszinsen ab 19.7. bzw. 31.7.2012.

58

6. Die Beklagten haben als unterliegende Parteien gem. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4, 269 ZPO die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 14. Aug. 2015 - 303 O 94/12

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Hamburg Urteil, 14. Aug. 2015 - 303 O 94/12

Referenzen - Gesetze

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen


(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1922 Gesamtrechtsnachfolge


(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. (2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 116 Ansprüche gegen Schadenersatzpflichtige


(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 840 Haftung mehrerer


(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Sch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 425 Wirkung anderer Tatsachen


(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. (2) Dies gilt insbesondere von der Kündi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage


(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. (2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur H

Referenzen - Urteile

Landgericht Hamburg Urteil, 14. Aug. 2015 - 303 O 94/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landgericht Hamburg Urteil, 14. Aug. 2015 - 303 O 94/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2007 - VI ZR 158/06

bei uns veröffentlicht am 20.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 158/06 Verkündet am: 20. März 2007 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung.

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch

1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und
2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 158/06 Verkündet am:
20. März 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zur Darlegungs- und Beweislast des Arztes nach den Grundsätzen voll beherrschbarer
Risiken bei einem Spritzenabszess des Patienten infolge einer Infektion durch
eine als Keimträger feststehende Arzthelferin (Fortführung von Senat, Urteil vom
8. Januar 1991 - VI ZR 102/90 - VersR 1991, 467).
BGH, Urteil vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Juni 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden wegen eines Spritzenabszesses in Anspruch. Sie begab sich im Juni 1999 in die orthopädische Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 3 und 4, in der damals die Beklagten zu 1 und 2 als Vertretungsärzte tätig waren. Der Beklagte zu 1 setzte der Klägerin am 9. und 11. Juni 1999, der Beklagte zu 2 am 15. Juni 1999 jeweils eine Spritze im Nackenbereich. In der Folgezeit entwickelte sich ein Spritzenabszess, der eine zweiwöchige stationäre Behandlung erforderlich machte. Die Klägerin, die Leiterin eines Catering-Betriebes war und diese Tätigkeit zunächst wieder aufnahm, hat geltend gemacht, sie leide aufgrund des Spritzenabszesses an anhaltenden Schmerzen, Schlafstörungen und Depressivität und sei deshalb arbeitsunfähig.
2
Der Spritzenabszess beruht auf einer Staphylokokken-Infektion. Ausgangsträger der Keime war die bei den Beklagten zu 3 und 4 angestellte Arzthelferin H., die seinerzeit an Heuschnupfen litt und bei der Verabreichung der Spritzen assistierte. Gleichartige Infektionen traten zeitnah bei anderen Patienten in der Praxis auf, die ersten Fälle am 2., 8. und 10. Juni 1999. Das von den Beklagten zu 3 und 4 Mitte Juni 1999 eingeschaltete Gesundheitsamt beanstandete die Hygieneprophylaxe in der Praxis.
3
Das Landgericht hat der Klägerin durch Grund- und Teilurteil ein Schmerzensgeld von 25.000 € zuerkannt, die bezifferten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens entsprochen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen diese ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in NJW-RR 2006, 1401 veröffentlicht ist, bejaht eine Haftung aller Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F. sowie der Beklagten zu 3 und 4 hinsichtlich der materiellen Schäden aus Vertragsrecht. Es ist der Ansicht, es sei unerheblich, ob die Beklagten die Infizierung der Arzthelferin hätten erkennen können oder ob die Keimübertragung auch bei Anwendung aller zumutbaren Präventivmaßnahmen nicht hätte verhindert werden können. Die Einstandspflicht der Beklagten beruhe auf einem generell unzulänglichen Hygienemanagement, das ihnen im Sinne einer Fahr- lässigkeit zuzurechnen sei. Es komme nicht darauf an, ob die vorhandenen Versäumnisse die Schädigung der Klägerin tatsächlich ausgelöst oder begünstigt hätten, es reiche aus, dass sich dies nicht ausschließen lasse. Zumindest wenn für eine alternative Schadensentstehung keine überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche, sei es bei Vorliegen von Hygienemängeln Sache des Arztes, den Beweis dafür zu erbringen, dass der Patient gleichermaßen geschädigt worden wäre, wenn es keine Hygienemängel gegeben hätte.

II.

5
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
6
1. Das Berufungsgericht geht mit dem Landgericht zutreffend davon aus, dass die Beklagten zu 3 und 4 als Praxisinhaber nur dann nach §§ 823, 847 BGB a.F. haften, wenn ihnen ein eigenes Verschulden zur Last fällt. Eine Haftung gemäß § 831 BGB für etwaige Versäumnisse der als Vertretungsärzte tätig gewordenen Beklagten zu 1 und 2 kommt nicht in Betracht, da für eine Weisungsberechtigung ihnen gegenüber nichts festgestellt ist. Für die Ersatzpflicht der Beklagten zu 3 und 4 hinsichtlich materieller Schäden wegen positiver Forderungsverletzung wäre ihnen ein Verschulden der Beklagten zu 1 und 2 nach § 278 BGB zuzurechnen. Diese haften mangels eigener vertraglicher Bindung gegenüber der Klägerin nur deliktisch für eigenes Verschulden.
7
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagten für die materiellen und immateriellen Schäden einzustehen haben, die der Klägerin aufgrund des Spritzenabszesses entstanden sind. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es den Beklagten die Beweislast zugewiesen hat, treffen im Ergebnis zu.
8
a) Entgegen der Auffassung der Revision widerspricht die angefochtene Entscheidung nicht der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Haftung des Arztes für Hygienemängel (Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90 - VersR 1991, 467 = NJW 1991, 1541). Diese auch vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung betraf die Haftung des Krankenhausträgers bei einer Infizierung der Operationswunde durch einen Keimträger aus dem Operationsteam. Im Unterschied zu dem vorliegenden Fall zeichnete sich der dem damaligen Urteil zugrunde liegende Sachverhalt dadurch aus, dass die Identität des Keimträgers seinerzeit nicht festgestellt werden konnte. Demgegenüber steht vorliegend nach den Feststellungen des Berufungsgerichts außer Frage, dass es zu dem infektiösen Geschehen gekommen ist, weil die Arzthelferin H. Träger des Bakteriums Staphylokokkus aureus war und dieses Bakterium - auf welchem Weg auch immer - mittels einer Injektion auf die Klägerin übertragen werden konnte.
9
Damit steht im Streitfall fest, dass die Schädigung der Klägerin weder aus einer Sphäre stammt, die - wie z.B. Risiken aus dem eigenen menschlichen Organismus - dem Patienten zuzurechnen ist, noch aus dem Kernbereich des ärztlichen Handelns herrührt. Das Risiko, das sich bei der Klägerin verwirklicht hat, stammt vielmehr aus einem Bereich, dessen Gefahren ärztlicherseits objektiv voll ausgeschlossen werden können und müssen (so genannte voll beherrschbare Risiken, vgl. Senatsurteile BGHZ 89, 263, 269; vom 11. Oktober 1977 - VI ZR 110/75 - VersR 1978, 82, 83; vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77 - VersR 1978, 764; vom 3. November 1981 - VI ZR 119/80 - VersR 1982, 161, 162 und vom 25. Juni 1991 - VI ZR 320/90 - VersR 1991, 1058, 1059). Anders als im Bereich des ärztlichen Handelns, in dem grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler sowie dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden trägt (vgl. u.a. Senatsurteil vom 18. Dezember 1990 - VI ZR 169/90 - VersR 1991, 310 m.w.N.), kommt bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, der Rechtsgedanke des § 282 BGB a.F. (nunmehr § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) zum Tragen, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt.
10
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, es fehle im Streitfall an der Feststellung, dass die Infizierung der Arzthelferin H. mit dem Bakterium Staphylokokkus aureus für die Beklagten erkennbar gewesen sei. Der Revisionserwiderung ist zuzugeben, dass vieles dafür spricht, dass die akute Heuschnupfenerkrankung der Angestellten H. zumindest den mit ihr zusammen arbeitenden Beklagten zu 1 und 2 nicht unbemerkt geblieben ist. Wie die Klägerin vorgetragen hat, äußert sich eine Heuschnupfenerkrankung regelmäßig in für alle Umstehenden deutlich sichtbarem Naselaufen, häufigem Niesen, ständigem Naseputzen und tränenden Augen. Indessen ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass diese Symptome auf eine Infektion mit Staphylokokken hinweisen oder dass eine Heuschnupfenerkrankung das Risiko einer Infektion des MundRachen -Raumes mit diesem Bakterium so erhöht, dass eine Untersuchung der Erkrankten auf den Erreger oder ihr Ausschluss von der Assistenz bei der Spritzenvergabe hygienetechnisch erforderlich gewesen wäre. Wäre dies der Fall, hätten die Beklagten möglicherweise wegen eines ihnen zuzurechnenden Organisationsfehlers ohne Entlastungsmöglichkeit für die Infektion der Klägerin einzustehen. Auf diese Fragen kommt es hier aus nachfolgenden Gründen jedoch nicht an.
11
Die Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Behandlungsseite in Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB a.F. setzt nämlich nicht voraus, dass die aus dem Klinikbetrieb oder der Arztpraxis stammende objektiv gegebene Gefahr für die Behandlungsseite im konkreten Fall erkennbar war. Steht wie im Streitfall fest, dass sich ein aus diesem Bereich stammendes objektiv voll beherrschbares Risiko verwirklicht hat, ist es vielmehr Sache des Arztes oder des Klinkträgers darzulegen und zu beweisen, dass es hinsichtlich des objektiv gegebenen Pflichtenverstoßes an einem Verschulden der Behandlungsseite fehlt (Senatsurteil vom 11. Oktober 1977 - VI ZR 110/75 - aaO). So hat der erkennende Senat z.B. dem Krankenhausträger und seinen Ärzten die Beweislast für die Gewähr einwandfreier Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose Behandlung zugewiesen, wenn es etwa um Fragen ging wie den ordnungsgemäßen Zustand eines verwendeten Tubus (Senatsurteil vom 24. Juni 1975 - VI ZR 72/74 - VersR 1975, 952, 954), die Funktionstüchtigkeit des eingesetzten Narkosegeräts (Senatsurteil vom 11. Oktober 1977 - VI ZR 110/75 - aaO), die Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels (Senatsurteil vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77 - aaO) oder die Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit (Urteil vom 3. November 1981 - VI ZR 119/80 - aaO). Dasselbe gilt für die unbemerkt gebliebene Entkoppelung eines Infusionssystems (Senatsurteil BGHZ 89, 263, 269), das Zurückbleiben eines Tupfers im Operationsgebiet (Senatsurteil vom 27. Januar 1981 - VI ZR 138/79 - VersR 1981, 462, 465) oder die richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch (Senatsurteil vom 24. Januar 1984 - VI ZR 203/82 - VersR 1984, 386, 387). All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr bestand, deren Quelle jeweils festgestellt werden konnte und die deshalb objektiv beherrschbar war. Für die Gefahr, die für einen Patienten von einer mit einem Bakterium infizierten Arzthelferin ausgeht, gilt nichts anderes. Anders als in dem oben erörterten Fall (Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90 - aaO), in dem die Annahme eines voll beherrschbaren Risikos letztlich daran scheiterte, dass die Keimübertragung durch irgendein Mitglied des Operationsteams erfolgte, jedoch ungeklärt war, welches Mitglied mit dem Keim infiziert war, ist das von einer infizierten Person ausgehende Risiko in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Identität des Keimträgers feststeht, für die Behandlungsseite objektiv voll beherrschbar. Unter diesen Voraussetzungen ist es Sache der Behandlungsseite, sich für fehlendes Verschulden zu entlasten.
12
c) Diesen Entlastungsbeweis hat das Berufungsgericht vorliegend rechtsfehlerfrei als nicht geführt angesehen. Steht fest, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss, so hat der Krankenhausträger bzw. der Arzt für die Folgen der Infektion sowohl vertraglich als auch deliktisch einzustehen, sofern er sich nicht dahin gehend zu entlasten vermag, dass ihn an der Nichtbeachtung der Hygieneerfordernisse kein Verschulden trifft, er also beweist, dass alle organisatorischen und technischen Vorkehrungen gegen von dem Personal der Klinik oder der Arztpraxis ausgehende vermeidbare Keimübertragungen getroffen waren (Senatsurteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90 - aaO). Dafür würde es nicht genügen, dass die Infizierung der Arzthelferin H., wovon die Revision ausgeht, für die Beklagten subjektiv nicht erkennbar war. Der Entlastungsbeweis erfordert vielmehr auch den Nachweis, dass im Übrigen die gebotene Sorgfalt gewahrt worden ist. Dies hat das Berufungsgericht mit Rücksicht darauf verneint, dass in der Arztpraxis elementare Hygienegebote missachtet worden sind. So wurde nach den auf der Grundlage der Ermittlungen des Gesundheitsamts getroffenen Feststellungen das Hygieneverhalten der Arzthelferinnen nicht in dem erforderlichen Umfang durch die Ärzte vermittelt und nicht überprüft. Desinfektionsmittel wurden nicht in ihren Originalbehältnissen aufbewahrt, sondern umgefüllt. Zwei von vier überprüften Alkoholen waren verkeimt, und Durchstechflaschen mit Injektionssubstanzen fanden über mehrere Tage hinweg Verwendung. Des Weiteren wurden Flächendesinfektionsmittel mit einer langen Einwirkungszeit fehlerhaft zur Hautdesinfektion eingesetzt. Auch war es nicht üblich, dass Arzthelferinnen vor dem Aufziehen einer Spritze ihre Hände desinfizierten; Arbeitsflächen wurden zudem nicht, wie es geboten gewesen wäre, jeden Tag, sondern nur einmal wöchentlich desinfiziert. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , dass der den Beklagten obliegende Entlastungsbeweis angesichts der festgestellten gravierenden Hygienemängel nicht geführt sei, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
13
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 18.10.2005 - 2 O 114/02 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 22.06.2006 - 5 U 1711/05 -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.

(2) Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem Verzug, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person eines Gesamtschuldners, von der Verjährung, deren Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung, von der Vereinigung der Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen Urteil.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.