Landgericht Hamburg Urteil, 23. Sept. 2016 - 328 O 87/15

bei uns veröffentlicht am23.09.2016

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter die Erstattung von Zahlungen, die der Beklagte nach dem Eintritt der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin geleistet haben soll.

2

Die Firma B. I. & T. GmbH (im Folgenden: die „Schuldnerin“), deren Unternehmensgegenstand der Import und Export von Waren aller Art darstellte, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 20. April 2009 mit Sitz in H. gegründet (H. 1...). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war seit der Gründung der Schuldnerin der Beklagte.

3

Am 07. Mai 2013 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Hamburg als Anlage K1). Der Kläger wurde als Insolvenzverwalter bestellt.

4

Die Schuldnerin unterhielt eine Kasse und jeweils ein Konto bei der C... Bank AG, der P... Bank sowie der D... Bank Privat- und Geschäftskunden AG.

5

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit dem 31. Dezember 2009 überschuldet gewesen und habe nichtsdestoweniger im Zeitraum vom 11. Februar 2010 bis 20. Mai 2010 aus der Kasse bzw. den Konten der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 323.434,50 EUR getätigt; hier wird auf die Aufstellungen in der Klagschrift vom 10. Februar 2015 Seite 3ff. bzw. Bl. 3ff. d. A. bzw. Anlage K2 verwiesen. Zur Darlegung der Überschuldung bezieht sich der Kläger auf einen auf seine Veranlassung von dem Dipl.-Kfm. D. v. S. erstellten Überschuldungsstatus (Anlagen K 6), der nach Ansicht des Klägers per 31. Dezember 2009 eine Überschuldung der Schuldnerin in Höhe von 942.638,27 EUR ausweise.

6

Die Einzelansätze dieses Überschuldungsstatus entsprechen im Wesentlichen dem auf Veranlassung der Schuldnerin durch den Steuerberater M. K. am 24. Januar 2012 geprüften Jahresabschluss der Schuldnerin zum 30. Dezember 2009 (Anlage K 3), in dessen Bilanz ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 128.831,92 EUR ausgewiesen werde. Dieser Jahresabschluss sei allerdings dahingehend zu korrigieren, dass die unter „sonstige Verbindlichkeiten“ in Höhe von 688.981,37 EUR ausgewiesenen Darlehen mit 4,0% p.a. hätten verzinst werden müssen (korrigierte Bilanz als Anlage K4 und korrigierte Überschuldungsbilanz als Anlage K5).

7

Eine positive Fortführungsprognose hätte nicht mehr bestanden, da der Schuldnerin in der Folgezeit nicht gelungen sei, die Überschuldung zu beseitigen. Auch im Folgejahr habe ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 207.362,57 EUR bestanden (Jahresabschluss 2007 als Anlage K7).

8

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen, da er keinen Insolvenzantrag gestellt habe.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen der von diesem zum 31. Dezember 2009 erstellten Überschuldungsbilanzen sowie in dem erstellten Jahresabschluss unberücksichtigt gelassen, dass die Verbindlichkeit „Darl. A.-n.“ der Firma P. „A.-n.“ (im Folgenden: „P.“) in Höhe von insgesamt 688.981,37 EUR – zu Grunde lagen zwei Darlehen in Höhe von jeweils 500.000,00 USD, dessen Auszahlungsbetrag die Schuldnerin unstreitig erhalten hat (Anlage K8) – tatsächlich keine Verbindlichkeit darstelle. Vielmehr bestehe eine Rückzahlungsverpflichtung der Schuldnerin nicht, da es sich bei dem Darlehen über 1.000.000,00 USD sowie bei einem weiteren Darlehen in Höhe von 130.000,00 EUR um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Das Darlehen sollte von vorne herein nicht bei der Schuldnerin verbleiben, sondern unverzüglich an die Firma E. C. G. (im Folgenden: „E.“) in Dubai weitergeleitet werden. Hierbei habe die seinerzeitige Prokuristin der Schuldnerin zwei Zahlungen in Höhe von jeweils 350.000,00 USD (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR, Darlehensverträge vorgelegt als Anlagekonvolut B21) an die E. ohne Kenntnis des Beklagten weitergeleitet. Eine dritte Zahlung an die E. sei gescheitert. Nachdem zunächst in den Darlehensverträgen eine Laufzeit von einem Jahr vereinbart worden sei, hätten die Parteien dieses Geschäfts am selben Tag eine Zusatzvereinbarung geschlossen, denen zufolge die vereinbarte Laufzeit auf 10 Tage verkürzt worden sei (Anlagenkonvolut B23). Diese Auffassung bestätige auch ein Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Anlage B19), in dem der Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburgs, mit dem der Beklagte zu Zahlung von 1.000.000,00 USD aus den Darlehensverträgen über 500.000,00 USD verurteile worden war, stattgegeben.

14

Der Beklagte meint weiter, die P. habe die vermeintliche Darlehensforderung über die gesamten 1.000.000,00 USD an die E. abgetreten (Auszug der Darlehensvereinbarung als Anlage B24 und die Übersetzung als Anlage B25). Ihm sei zudem erzählt worden, dass das damalige Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD nicht von der P., sondern vielmehr von der Chairman der E. persönlich, ausgezahlt worden sei und die Prokuristin der Schuldnerin angewiesen worden sein soll, den Betrag nach Eingang auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin direkt auf das Konto der E. zu buchen.

15

Zudem seien Forderungen in Höhe von insgesamt 700.000,00 USD, der Betrag, den die damalige Prokuristin an die E. übermittelte, nicht in der Bilanz als Aktiva ausgewiesen. Es bestünde ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft.

16

In der Überschuldungsbilanz seien Forderungen aus dem Konto 1500 mit Null bewertet worden, obgleich sich der Beklagte bemüht habe, die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse aufzuklären.

17

Im Übrigen habe Ende 2009 eine positive Fortführungsprognose bestanden, was dadurch verdeutlicht werde, dass diverse Unternehmen der Schuldnerin verschiedene Darlehen gewährt hätten (beispielsweise Anlagenkonvolut B4 und B4a) und die Schuldnerin in der Lage gewesen sei, fällige Rechnungen zu begleichen. Auch der Beklagte selbst gewährte der Schuldnerin Ende 2010 ein Darlehen (Darlehensvertrag vom 01.11.2010 als Anlage B6), was er nicht getan hätte, wenn er nicht an die Verwirklichung seines Konzepts geglaubt hätte. Der Beklagte habe sich in 2009 und 2010 stets bemüht das Firmenkonstrukt umzusetzen und sei überzeugt gewesen, dass dies wirtschaftlich erfolgreich sein würde.

18

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

20

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf 323.434,50 EUR aus § 64 Satz 1 GmbHG.

21

Nach § 64 Satz 1 GmbHG ist grundsätzlich der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nach Satz 2 nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

1.

22

Die Schuldnerin war per 31. Dezember 2009 überschuldet.

23

Ob eine Gesellschaft überschuldet ist, bestimmt sich nach § 19 Abs. 2 InsO. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

24

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Überschuldung grundsätzlich durch Vorlage einer Überschuldungsbilanz darzulegen. Die Handelsbilanz hat dabei aber eine indizielle Bedeutung. Legt der Insolvenzverwalter eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, so hat er die Ansätze dieser Bilanz daraufhin zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte vorhanden sind (BGH, Urteil vom 16. März 2009, II ZR 280/07, Rn. 10, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, m.w.N., zitiert nach juris). Ist er diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Organmitglieds, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, in welchen Punkten stille Reserven oder sonstige für eine Überschuldungsbilanz maßgebliche Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

25

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger die Überschuldung der Schuldnerin ausreichend dargelegt. Es begegnet insofern keinen Bedanken, dass der Kläger die Überschuldungsbilanz auf der Grundlage der geprüfte Handelsbilanz der Schuldnerin vom 31. Dezember 2009 (Anlage K3) erstellt hat, denn den Bilanzansätzen einer Handelsbilanz kommt nämlich auch im Rahmen der Überschuldungsprüfung eine zumindest indizielle Bedeutung zu (vgl. oben). Der Kläger hat eine Überschuldungsbilanz zu Stichtag des 31. Dezember 2009 erstellen lassen, die eine rechnerische Überschuldung von 942.638,27 EUR ausweist (Anlage K5).

2.

26

Der Beklagte kann nur teilweise mit seinen Einwendungen gegen die maßgeblichen Werte der Überschuldungsbilanz durchdringen. Die Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 688.981,37 EUR für das „Darlehen A.-n.“ (hierzu a.) und in Höhe von 130.000,00 EUR für das „Darlehen Na.“ (hierzu b.) waren auf der Passivseite zu berücksichtigen. Die Forderungen in Höhe von 239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR gegen die E. (hierzu c.) sowie die Beträge des Kontos 1500 (hierzu d.) hätte allerdings auf der Aktivseite – wenn auch nicht zu ihrem vollen Wert – Berücksichtigung finden müssen. Nichtsdestoweniger war die Schuldnerin zum Stichtag rechnerisch mit über 800.000,00 EUR rechnerisch überschuldet.

a.

27

Das Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD bzw. 688.981,37 EUR war richtigerweise in der Handelsbilanz auf der Passivseite und somit in der Überschuldungsbilanz zum 31. Dezember 2009 unter den „Sonstigen Verbindlichkeiten“ zu berücksichtigen. Die Summe der Passiva ist demnach in der Überschuldungsbilanz korrekt mit 1.178.785,56 EUR ausgewiesen. Der Beklagte hat nicht hinreichend darlegen, dass es sich bei dem gewährten Darlehen der P. an die Schuldnerin um ein Scheingeschäft gehandelt hat (hierzu aa.) oder/und ob die Forderung der P. aufgrund einer Abtretung an die E. und deren Aufrechnung in einer anderen Weise in der Bilanz hätte Berücksichtigung finden müssen (hierzu bb.).

aa.

28

Die Voraussetzungen für ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, die das Rechtsgeschäft gemäß § 125 BGB nichtig werden lassen, sind nicht gegeben.

29

Ein Scheingeschäft im Sinne der Norm liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen (BGH, Urteil vom 25. November 2008, XI ZR 413/07, Rn. 31, zitiert nach juris BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60, Rn. 30, zitiert nach juris). Die kollusiv zusammenwirkenden Parteien haben insoweit für das Rechtsgeschäft keinen Rechtsbindungswillen.

30

Diese Anforderungen sind vorliegend allerdings nicht erfüllt. Hier haben die Parteien die Rechtsfolge – die Wirksamkeit des Darlehensvertrags und somit die Verpflichtung zur Auszahlung der Darlehenssumme – gerade gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht erreicht worden wäre. Den Parteien hat ein Scheingeschäft nicht genügt, sondern sie wollten mit ihren Willenserklärungen ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft erreichen (so auch: BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60 Rn. 30, zitiert nach juris). Es spricht gegen den Scheincharakter eines Rechtsgeschäfts, wenn der mit ihm erstrebte Zweck nur bei Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erreicht werden kann (BGH, a.a.O., Rn. 30, zitiert nach juris).

31

Selbst der Tatsachenvortrag der Beklagtenseite unterstellt, der „wahre“ Darlehensgeber war nicht die P., sondern der Geschäftsführer der E., so war nichtsdestoweniger von den jeweiligen Beteiligten gewollt, dass das Geld zunächst an die Schuldnerin ausgezahlt wird, wie es letztlich unstreitig auch passiert ist. Letztlich hätte in diesem Fall der Geschäftsführer der E. lediglich auf fremde Schuld gezahlt. Unklar bleibt bei dem Beklagtenvortrag, welche Rechtsfolge die Parteien nicht eintreten lassen wollten.

32

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich vorliegend um ein echtes Strohmanngeschäft handelt, war das Rechtsgeschäft mit dem Strohmann (hier möglicherweise der Schuldnerin) tatsächlich und ernstlich gewollt. Ein Scheingeschäft wäre nur anzunehmen, wenn der Dritte sich unmittelbar an die P. gehalten hätte und der Eintritt keiner Rechtsfolge bei der Schuldnerin gewollt gewesen wäre. Dies ist aber selbst nach dem Vortrag der Beklagtenseite nicht der Fall. Hier wollte die Schuldnerin durch die Annahme des Darlehensentgeltes die damit verbundenen Pflichten auch im Außenverhältnis übernehmen. Unerheblich ist nach Ansicht der Kammer auch der vorgebrachte Umstand, dass geplant gewesen sein soll, das die Darlehenssumme nicht bei der Schuldnerin zu belassen.

33

In diesem Zusammenhang teilt die Kammer die Auffassung der Beklagtenseite nicht, die Unwirtschaftlichkeit der Darlehensgewährung, indem das Geld – angeblich – nur kurzzeitig bei der Schuldnerin verblieb, um sodann als weiteres Darlehen ausgegeben zu werden, indiziere das Scheingeschäft. Vielmehr spricht es für das gerade benannte Argument, dass die Rechtsfolge, die der Anspruch auf Auszahlung des Geldes an die Schuldnerin durch die Parteien letztlich gewollt war. Es kann diverse Gründe geben, warum eine Gesellschaft, wenn auch nur kurzfristig, einen Geldbetrag für sich vereinnahmen möchte; denkbar sind beispielsweise kurzfristige Liquiditätsengpässe.

34

Auch der Vortrag der Beklagtenseite zu den kuriosen Umständen des Softwarevertrags vermögen das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass ein Scheingeschäft vorliegt. Auch wenn die Umstände zugegebenermaßen insgesamt dubios erscheinen, lässt dies nicht den Schluss zu, dass rechtlich gesehen die Voraussetzungen des § 117 BGB erfüllt sind. Dass in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 134 BGB erfüllt sein könnten, trägt selbst der Beklagte nicht vor.

35

Insoweit hilft auch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts dem Vortrag der Beklagtenseite nicht. Dieses befand gerade nicht über die Darlehensverbindlichkeit, sondern stützte ihrer Argumentation auf Zweifel an der Authentizität von Quittungen, die als Garantieerklärungen genutzt werden sollten. Im Übrigen ist das Gericht an die Entscheidung des Obergerichts nicht gebunden, da die Rechtskraftwirkung nur inter partes besteht.

bb.

36

Der Beklagte hat zudem nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die P. die in Rede stehende Forderung in Höhe von 1.000.000,00 USD tatsächlich an die E. abgetreten hat und diese gegenüber der Schuldnerin mit ihrer Forderungen aus den Darlehensverträgen aufgerechnet hat. Nur in diesem Fall wäre die Forderung zu einem möglicherweise geringeren Teil in der Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen gewesen.

37

Bereits die Abtretung an sich ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt, worauf das Gericht den Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinwies. Der Auszug aus dem Abtretungsvertrag hat keinen Beweiswert, da er keine Unterschriften trägt und nur teilweise vorliegt. Der Zeugenbeweis dafür, dass in einem Gespräch über das Original der Abtretungsurkunde gesprochen wurde, ist untauglich und war nicht nachzugehen, denn selbst unterstellt, eine solche Abtretung hätte es gegeben, hat der Beklagte nicht weiter dazu vorgetragen, dass die E. mit der abgetretenen Forderung gegen ihrer eigenen Verpflichtung gegen die Schuldnerin aufgerechnet hätte.

cc.

38

Da die Darlehensforderung bestand, war sie unstreitig in Höhe von 4% p.a. zu verzinsen, sodass die Forderung auf der Passivseite in der Überschuldungsbilanz um einen Betrag in Höhe von 15.725,93 EUR zu erhöhen war.

b.

39

Der Beklagte hat ebenfalls nicht hinreichend vorgetragen und mit Beweisangeboten belegt, dass das „Darlehen Na.“ nicht in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden dürfen. Dies hätte ihm allerdings aufgrund seiner sekundären Beweislast obliegen.

40

Es sind keinerlei Gründe vorgetragen worden, warum dieses Geschäft als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB anzusehen wäre. Hier kann auf die Ausführungen unter a.) verwiesen werden.

c.

41

Die Forderungen der Schuldnerin gegenüber der E. in Höhe von insgesamt 477.004,00 EUR (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR) hätte in der Überschuldungsbilanz auf Aktivseite unter dem Punkt „Sonstige Vermögensgegenstände“ Berücksichtigung finden müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers war deren Wert nicht mit Null, sondern mit 95.400,80 EUR (20% der Forderung) anzusetzen.

42

Grundsätzlich müssen sämtliche Forderungen des Schuldners zum Stichtag der Bewertung in der Überschuldungsbilanz aktiviert werden, soweit diese durchsetzbar und vollwertig sind (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 18, zitiert nach juris). Die Bewertung der Aktiva hat stets zu den Liquidationswerten zu erfolgen, also zu der Summe der Preise, die sich erzielen lassen, wenn die Gegenstände des Unternehmens im Rahmen der Unternehmensauflösung veräußert werden (Mock in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 19 Rn. 126f., zitiert nach beck-online). Die maßgeblichen Liquidationswerte entsprechen daher regelmäßig dem Wert, der für das Wirtschaftsgut bei Einzelveräußerung am Markt zu erzielen wäre (Mock, a.a.O., zitiert nach beck-online). Es gilt der Grundsatz der Vorsicht, sodass innerhalb eines Bewertungsspielraums somit eher von einem vorsichtigen Wertansatz anzugehen ist.

43

Vorliegend war aufgrund der mangelnden Werthaltigkeit des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung und der geringen Aussicht auf Durchsetzbarkeit die Forderung zwar in die Bilanz einzustellen, allerdings mit einem Wert von lediglich 20% des Forderungswertes. Bei der Bestimmung des Veräußerungswerts der Forderung sind die Umstände, die in der Strafanzeige vom 11. November 2009 (Anlage B2) dargelegt sind, zu Grunde zu legen: Der Beklagte gibt an, dass er vermute, dass es sich bei den beiden Darlehen an die E. um Scheingeschäfte gehandelt habe. Er unterstellt seiner Prokuristin dubiose Geschäftspraktiken und personelle Verflechtungen. Zudem befindet sich der Darlehensnehmer im nicht europäischen Ausland, sodass Vollstreckungsschwierigkeiten bei Nichtzahlung auftreten konnten. Mit dieser Kenntnis wäre die Veräußerlichkeit der Forderung am Markt sehr schwierig, es würde nur ein geringes Entgelt gezahlt werden.

44

Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens war vorliegend hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Forderungen nicht angezeigt, da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt.

d.

45

Der Beklagte kann zwar mit seinem Argument durchdringen, dass das Guthabensaldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden müssen. Allerdings ist aufgrund des Wertberichtigungsbedarfs lediglich ein Ansatz von 10 % (32.474.58 EUR) des Werts der Forderung angemessen.

46

Der gesamt Saldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR setzte sich ursprünglich zusammen aus Restbeträgen resultierend aus Umbuchungen von drei Konten mit den Bezeichnungen „Klärungskonto 1“ (Konto 1591, Saldo: 135.945,36 EUR), „Klärungskonto 2“ (Konto 1592, Saldo: 81.475,10 EUR) und “Fremdgeld Pin’s“ (Konto 1593, Saldo: 208.530,00 EUR). Der Beklagte stützt seine Argumentation lediglich darauf, dass das ursprüngliche Konto mit der Nummer 1593 zu Unrecht nicht als Forderung aktiviert wurde.

47

Der ursprünglich im Konto 1593 („Fremdgeld Pin’s“) eingestellte Betrag war nur zu einem geringen Teil von 10% in der Überschuldungsbilanz per 31. Dezember 2009 zu aktivieren. Aufgrund der zum Stichtag bekannten Umstände, dass eine Bestellung bei der Deutsche Telekom AG durch einen vollmachtlosen Vertreter abgegeben wurde, diese ausgeführt wurde und nunmehr die Produkte verschwunden sind, ist der Wert, den man für diese Forderung am Markt erhalten würde, als sehr gering einzuschätzen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es möglicherweise zwei potentielle Schuldner gibt. Einerseits könnte eine Forderung gegenüber der Deutsche Telekom AG bestehen, dies allerdings nur, wenn die Grundsätze der Rechtsscheinshaftung nicht greifen. Nach dem als Anlage B30 vorgelegten Briefwechsel erscheint dies höchst unwahrscheinlich. Im Übrigen richtete sich auch die Strafanzeige vom 11. November 2009 nicht gegen die Deutsche Telekom AG. Als zweiter Schuldner käme Herr A. als Schuldner in Betracht, da er ohne Vertretungsmacht Verträge abschloss und die Gegenstände für sich vereinnahmte. Allerdings wird bereits aus der Strafanzeige deutlich, dass ein Verbleib der Ware sowie des Inhabers unklar ist. Eine Inanspruchnahme erscheint nahezu unmöglich. Der Werthaltigkeit und die Wahrscheinlichkeit der Veräußerung einer solchen Forderung grenzt an Null.

3.

48

Die Fortführung des Unternehmens war nach den Umständen auch nicht überwiegend wahrscheinlich, § 19 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 InsO. Das Gegenteil konnte der Beklagte nicht darlegen.

49

Der Beklagte hat weder ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept erstellt bzw. erstellen lassen, noch auf dessen Grundlage ein Finanzplan aufstellen lassen, in dem die finanzielle Entwicklung dargestellt wird (BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2006, II ZR 303/05, Rn. 3, zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 25. Juni 2010, 11 U 133/06, Rn. 36, zitiert nach juris). Diese muss nach sachgerechten Kriterien und für sachverständige Dritte nachvollziehbar erstellt werden. Der Beklagte hat insbesondere nicht dargelegt, wie angesichts der Situation per 31. Dezember 2009 die rechnerische Überschuldung systematisch ausgeräumt werden sollte. Zwar legt er im Prozess Darlehensverträge vor, die der Schuldnerin in 2010 gewährt wurden, allerdings stellen sich diese bilanziell neutral dar, weil sie sowohl auf der Passivseite als auch der Aktivseite Berücksichtigung finden.

50

Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Großhändelvertrag (Anlage B7) beruft, so stellt dies lediglich ein Rahmenvertrag dar, der keine zugesicherten Gewinne angibt. Das Gericht kann nicht erkennen, wie dieser objektive Umstand zu dem Glauben an eine positive Fortführung der Schuldnerin hätte führen können.

51

Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich größtenteils darauf, ihren subjektiven Fortführungswillen darzulegen und zu beschreiben, wie bemüht er um die Aufklärung der Vorgänge war. Dies möchte er durch Vorlage von Darlehensverträgen bzw. weiteren Kaufverträgen erreichen. Allerding ist es für die Annahme einer positiven Fortführungsprognose nicht ausreichend, lediglich den subjektiven Fortführungswillen bestätigen zu wollen.

4.

52

Der Beklagte hat die erfolgten Vermögensabflüsse auch zu vertreten.

53

Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, Rn. 22, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 14, zitiert nach juris). Nach § 64 Satz 2 GmbHG kann der Beklagte diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Dies muss im Lichte der Interessenlage, die verteilungsfähige Masse für die Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern, betrachtet werden (BGH, a.a.O., Rn.12, zitiert nach juris).

54

Der Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, dass er seiner Pflicht zur ständigen Selbstkontrolle in einem ausreichenden Maße nachgekommen ist. Er hätte bei Anzeichen einer Krise sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen. Dies hat er selbst nach eigenem Vortrag nicht getan. Der Beklagte handelte fahrlässig, weil er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft hat, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss.

55

Die von dem Beklagten vorgelegten diversen Darlehensverträge und Kaufverträgen mit Neuunternehmen sind nicht dazu geeignet, die Vermutung des schuldhaften Verhaltens zu widerlegen. Selbst wenn er sich bemühte, die Schuldnerin weiter wirtschaftlich erfolgreich zu führen, hätte er nichtsdestoweniger in der Krise sich einen Überblick über den Vermögensstand machen müssen, was er nach unstreitig gebliebenen Vortrag nicht getan hat. Eine eigene Überschuldungsbilanz hat er ebenfalls nicht erstellen lassen.

56

Soweit der Beklagte vorträgt, er habe alles getan, um die dubiosen Vorgänge aufzuklären, so kann dies ebenfalls nicht zu einer Entlastung führen. Der Beklagte war ausweislich der schriftlichen Strafanzeige (Anlage B2) der Ansicht, dass das Darlehen über 1.000.000,00 USD und über die weiteren 700.000,00 USD Scheingeschäfte gewesen seien. Selbst wenn man diese beiden Positionen in einer Überschuldungsbilanz nicht mit berücksichtigt hätte, bestand nichtsdestoweniger eine rechnerische Überschuldung. Der Beklagte hat es allerdings unterlassen, sich die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Informationen zu beschaffen, um letztlich selbst prüfen zu können, ob Insolvenzantrag zu stellen wäre.

57

Selbst nach seinem eigenen Vortrag hat er sich ebenfalls in dieser Hinsicht keinen Expertenrat eingeholt. Der Justiziar der Schuldnerin hat ihm unbestritten lediglich bei der Aufklärung der Vorgänge in 2009 geholfen. Ebenfalls unbestritten blieb der Vortrag der Klägerseite, dass sich der Beklagte nie einen Auftrag zur Prüfung der Überschuldung – weder von Herrn H. noch Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. S. – eingeholt hat.

58

5. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB.

II.

59

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

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bei uns veröffentlicht am 18.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil II ZR 151/09 Verkündet am: 18. Oktober 2010 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Fleis

Bundesgerichtshof Urteil, 16. März 2009 - II ZR 280/07

bei uns veröffentlicht am 16.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 280/07 Verkündet am: 16. März 2009 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2001 - II ZR 88/99

bei uns veröffentlicht am 08.01.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 88/99 Verkündet am: 8. Januar 2001 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja GmbHG

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2006 - II ZR 303/05

bei uns veröffentlicht am 09.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZR 303/05 vom 9. Oktober 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 19 Abs. 2; GmbHG § 64 Abs. 2 Zur Auslegung des Begriffs der Überschuldung in § 19 Abs. 2 InsO im Hinblick auf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landgericht Hamburg Urteil, 23. Sept. 2016 - 328 O 87/15.

Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 16. März 2018 - 5 U 191/16

bei uns veröffentlicht am 16.03.2018

Tenor 1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.09.2016, Az. 328 O 87/15, wird zurückgewiesen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil und das angefochtene Urteil s

Referenzen

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

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Eine Überschuldung i.S. des § 19 Abs. 2 InsO - in der bis zum Inkrafttreten des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes vom 17. Oktober 2008 geltenden Fassung - ergibt sich aus dem vorläufigen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001. Darin ist ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 12.411.099,80 € - bei einer Bilanzsumme von 45.553.476,89 € - ausgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Überschuldung zwar grundsätzlich durch Vorlage einer Überschuldungsbilanz darzulegen. Die Handelsbilanz hat dabei aber eine indizielle Bedeutung. Legt der Insolvenzverwalter eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, so hat er die Ansätze dieser Bilanz daraufhin zu überprüfen und zu erläutern , ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte vorhanden sind (BGHZ 146, 264, 267 f.; Sen.Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 138/03, ZIP 2005, 807 m.w.Nachw.). Ist er diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Organmitglieds , im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im einzelnen vorzutragen , in welchen Punkten stille Reserven oder sonstige für eine Überschuldungsbilanz maßgebliche Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

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1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.
3
Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde, die sich hierfür auf keine Belege in Rechtsprechung und Wissenschaft berufen kann, ist die Auslegung der neuen Vorschrift des § 19 Abs. 2 InsO nicht zweifelhaft. Aus dem Aufbau der Norm des § 19 Abs. 2 InsO folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortbestehensprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen Insolvenzverschleppung nach § 64 Abs. 2 GmbHG hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO folgt außerdem zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als auch die objektive - grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan) herzuleitende - Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraussetzt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 88/99 Verkündet am:
8. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b, 64 Abs. 2

a) Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender
Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben
worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren.

b) Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i.S.v. § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers
, sondern insbesondere auch der Zweck des § 64 Abs. 2
GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte
Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.

c) Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG
zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von
BGHZ 143, 184). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch
, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte
Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung
an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende
Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an
den Geschäftsführer abzutreten.
BGH, Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und zuletzt mit einem Stammkapital von 750.000,-- DM ausgestatteten S. und B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren
ursprünglich die Beklagten zu 1 und zu 2. Unter dem 25. Oktober 1993 hat der Beklagte zu 1 sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Geschäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2, übertragen. Die Produktionsanlagen standen im wesentlichen im Eigentum der S. und B. Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3, die die Maschinen und Betriebsvorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend aus dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.
Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd 1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85.702,-- DM in der Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November 1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen i.H.v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrücktrittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Personalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernahme des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten Antrag des Beklagten zu 2 hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden.
Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unterschiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge gefordert. Nachdem das Landgericht nach § 145 ZPO verfahren ist, geht es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119.254,-- DM, den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:
Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 eine seit 1981 praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an die Beklagte zu 3 als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin erzielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3 als Organträgerin die vorgeschriebenen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprachegemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2 für die Gemeinschuldnerin einen Scheck über 119.254,-- DM aus und reichte ihn bei dem Finanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 eingelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2 nicht nur auf § 64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber
der Beklagten zu 3 lediglich i.H.v. 3.500,-- DM nebst Zinsen, gegenüber dem Beklagten zu 2 aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter), der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß der Beklagte am 20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat, die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, daß die Gemeinschuldnerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beurteilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
2. Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Beurteilung nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne daß sich allerdings deswegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember 1993 überschuldet gewesen, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen im Ergebnis als unzutreffend erweist.

a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet,
daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146; Urt. v. 12. Juli 1999 - II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt Urt. v. 18. Dezember 2000 - II ZR 191/99 z.V.b.) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden kann, sondern daß es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.

b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen Grundbesitz ist und ihre Produkte im wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen verfügen , das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfaßt worden ist, also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648) als richtig unterstellt, daß der Verkehrswert der mit einem Buchwert von gut 490.000,-- DM erfaßten Gegenstände des Anlagevermögens um mindestens 650.000,-- DM höher anzusetzen ist.

c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Überschuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang Dezember mindestens 622.053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht - allerdings nicht rechtsfehlerfrei - schon für den 31. Januar 1993 als beste-
hend angenommen hat.
aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, daß sich bei der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte ausweisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behandelten stillen Reserven hinaus mindern würden.
bb) Das Maß der Überschuldung ist - anders als die Revision meint - auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993 von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfaßt werden, so daß die Annahme , es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Überschuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschafterdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit einem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3 durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden von knapp 691.000,-- DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht geklärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere Verluste von mehr als 900.000,-- DM erwirtschaftet hat, kommt es danach
ebenso wenig an, wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.
(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. nur Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 253 ff.; Fleck, FS Döllerer S. 109, 122 ff.; Kleindiek in v.Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rdnr. 18 je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der Geltung der InsO Altmeppen, ZHR 164 [2000], 349 ff.; Rowedder, GmbHG 3. Aufl. § 63 Rdnr. 14; GK-AktG/Habersack, 4. Aufl. § 92 Rdnr. 57; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 92 Rdnr. 11; Lutter, ZIP 1999, 641 ff.; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 19 Rdnr. 14; HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rdnr. 26; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 18; Hess, InsO § 19 Rdnr. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffassung , die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermögen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forderungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdnr. 46 a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 c; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, FS Claussen S. 307, 314 f.; ferner OLG München, NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. von Wolf,
DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters, es belastet in Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen (§ 64 GmbHG) und strafrechtlichen (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu, grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa Scholz/K.Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a/32 b Rdnr. 63; ders. GmbHR 1999, 9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 2. Aufl. Rdnr. 610; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Fn. 77; Fastrich, FS Zöllner S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 615, 617).
(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbelastungs - und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282) wird allerdings allgemein angenommen , daß sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (mißverständlich Uhlenbruck aaO Rdnr. 613). Stellt sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital
umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendigkeit , diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen. Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115 reSp) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden - den allerdings nicht naheliegenden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liquidationsüberschusses unterstellt - ausschließlich die Mitgesellschafter begünstigt , während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die beschriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getragen worden ist (vgl. in diesem Sinn z.B. Kleindiek aaO S. 209 f. m.w.N.; Uhlenbruck aaO Rdnr. 612 f. m.w.N.; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Rdnr. 58 f.; Hüffer aaO § 92 Rdnr. 11).
(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebenen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Überschuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für erforderlich , die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten Krise nicht bedient werden dürfen.
Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 m.w.N.) ihren Charakter als Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlöschen , werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenkapital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln
(§§ 32 a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, daß der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchsetzen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft - und zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153) - zu verfolgen. Im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann deswegen - sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft ein zu verteilender Betrag verbleibt - die bis dahin in der Durchsetzung gehemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen Insolvenzrecht nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt worden.
Bereits dieser Umstand, daß auch die zeitweise nicht durchsetzbaren, weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, daß das von den sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen besonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa Lutter/Hommelhoff aaO § 64 Rdnr. 17 a und 17 b) gegenüber dem Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient. Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, daß es für die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand, durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich
zu machen, daß sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung , ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag stellen muß. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Geschäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Gesellschafter klarstellt, daß er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außenstehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen und verstärken und dadurch erreichen will, daß die Gesellschaft die Chance der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teilbetrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und läßt es damit zu, daß die GmbH in die Insolvenz geführt wird.
Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den - trotz einer ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor bestehenden (K.Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a.A. Hachenburg/Ulmer aaO § 63 Rdnr. 46 a; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18; Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 262 f.; Fleischer, ZIP 1996, 773, 776) - Unwägbarkeiten , ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Ä ußerung nicht erhält.
(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992 mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrück-
trittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die "stehen gelassenen" Mietschulden in Höhe von rund 691.000,-- DM passiviert werden mußten, hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs. ergänzt werden können - im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.
II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119.254,-- DM durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will, daß er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.
1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, daß er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184 f. [unter II 1. b]; Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 81/94 [früher: 61/92], ZIP 1994, 841; Urt. v. 11. September 2000 - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 f.). Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der
Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143 aaO; Urt. v. 11. September 2000 aaO). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder soweit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdnr. 42; Baumbach /Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 73), kann deswegen das Verschulden nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein. Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Leistung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Mai 2000 - VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339), zu entziehen, kein im Rahmen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müßte in einem solchen - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Pflichtenkollision das deliktische Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer - gemessen am Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält.
2. Daß die von dem Beklagten veranlaßte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Verstoß gegen die Masseerhaltungspflicht des § 64 Abs. 2 GmbHG einzustufen ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.

a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 trotz der jahrelangen gegenteiligen Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen,
würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraussetzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u.a. von der nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.
Sollte sich erweisen, daß es durch die Leistung des Beklagten zu einer Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befriedigung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt. Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO 7. Aufl. § 69 Rdnr. 38 m.w.N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach § 69 AO belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgabenrecht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v. 2. März 1993 - VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994, 805, 808 f.; Klein/Rüsken aaO § 69 Rdnr. 39 m.w.N.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 69 Rdnr. 14, 45).

b) Falls dagegen - wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben - zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht
durchdringen, er habe den in § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, sondern allein die Beklagte zu 3 als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen. Durch die - den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende - Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuerschuld der Beklagten zu 3 beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von dem Beklagten veranlaßten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen Gesellschaftsgläubigern - das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld unterstellt - masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, daß der Beklagte in der geschehenen Weise handeln mußte, um einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin nach § 73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3 als Organträgerin außerstande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts her, abgesehen davon, daß die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§ 191 AO, vgl. dazu Boeker aaO § 73 Rdnr. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach § 69 AO gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Tilgung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müßte.

c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.
Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche
Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker aaO § 73 Rdnr. 12; Klein/Rüsken aaO § 73 Rdnr. 5), daß das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft "besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepaßt und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist". Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981 von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände betrieben worden war, läßt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. Januar 1999 - V R 32/98, DStR 1999, 497 f.) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausgeschlossen werden, daß es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann angenommen , wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in beiden Gesellschaften sichergestellt ist, daß "eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet".
III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht - ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die Gelegenheit , die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. § 64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art (Sen.Urt. v. 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; vgl. auch BGHZ
143, 184 ff. = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsführer , der dem Verbot des § 64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge (BGHZ 131, 325 ff.) verweisen oder den Erstattungsanspruch im voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a.A. Roth/Altmeppen aaO § 64 Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 76) oder - wie der Beklagte meint - sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluß des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, daß der Geschäftsführer den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.
2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, daß hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszahlung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte von dem Kläger in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ggfs. Abtretung dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen.
Falls die Beklagte zu 3 dagegen bereits jene 119.254,-- DM vom Finanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie - gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder nicht - einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in gleicher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.
3. Die hilfsweise - auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 vor - erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3 zustehenden Erstattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteuerrückzahlungen von zusammen 101.372,30 DM für die Monate November und Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, daß die Beklagte zu 3 überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3 habe ihren etwaigen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und dieser
habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die Aufrechnung bereits an § 55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des Verfahrens nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3 berühmt, erst nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke
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1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.