Landgericht Hamburg Beschluss, 28. Mai 2018 - 330 T 10/18

bei uns veröffentlicht am28.05.2018

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (67g IN 555/14) vom 04.01.2018 abgeändert:

Der Restschuldbefreiungsversagungsantrag des Gläubigers vom 29.11.2017 wird als unbegründet zurückgewiesen.

I. Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

2

Die Voraussetzungen für die Annahme einer Erwerbsobliegenheitsverletzung gemäß §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO lagen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss war die Schuldnerin unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles für den Zeitraum ab 22.05.2016 nicht gehalten, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen:

3

Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 03.12.2009 - IX ZB 139/07) entfällt eine Erwerbsobliegenheit des Schuldners, wenn ihm die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit auf Grund der Umstände des Einzelfalles nicht zugemutet werden kann. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommenen Kinderbetreuung erwerbstätig sein muss, richtet sich in erster Linie nach den spezielleren familienrechtlichen Verpflichtungen. Als Grundlage der Beurteilung sind hierbei die zu § 1570 BGB entwickelten familienrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen (BGH a.a.O.). Hierbei ist zu beachten, dass dann, wenn aus einer zumutbaren Tätigkeit kein pfändbares Einkommen erzielbar gewesen wäre, es an der für § 295 Abs. 1 InsO maßgeblichen konkreten Beeinträchtigung der Gläubiger fehlt. Denn eine Obliegenheitsverletzung rechtfertigt eine Versagung der Restschuldbefreiung nur dann, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Deren Schlechter-Stellung muss konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger reicht nicht aus (vgl. BGH a.a.O., Rd. 10 m.w.N.). Aus diesem Grunde könnte im vorliegenden Falle die Versagung der Restschuldbefreiung nur dann angenommen werden, wenn die Schuldnerin zu einer Vollzeittätigkeit verpflichtet gewesen wäre, wodurch sie pfändbare Einkünfte in Höhe von monatlich etwa € 1.758,38 hätte erzielen können, nicht jedoch auch bei Annahme einer Obliegenheit zur Aufnahme einer Halbzeittätigkeit, bei welcher sie lediglich Einkünfte hätte erzielen können, die unter der Pfändungsgrenze gelegen hätten.

4

Unter Berücksichtigung der heranzuziehenden familienrechtlichen Vorschriften ist davon auszugehen, dass nach Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils einsetzt. Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhaltes durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 hat der Gesetzgeber einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Allerdings verlangt die gesetzliche Neuregelung nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Denn nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1, S. 3 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2011, XII ZR 45/09 Rd. 16, 18). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof auch festgestellt, dass als kindbezogene Verlängerungsgründe gerade auch eine besondere seelische Belastung eines Kindes zu berücksichtigen ist, vorausgesetzt, diese kann im Einzelfall konkret festgestellt werden (vgl. BGH a.a.O. Rd. 25).

5

Im vorliegenden Fall geht die Kammer im Hinblick auf das vorgelegte ärztliche Attest des Herrn Prof. Dr. med. D. N. vom 17.01.2018 (Anlage B2/Blatt 47 der Akte) davon aus, dass das am 21.05.2013 geborene Kind der Schuldnerin, L. A. W., im Zeitraum von September 2016 bis Mai 2017 unter massiven Angstzuständen und Verlustängsten gelitten hat. Diese Ängste des Kindes bahnten sich schon kurz nach der Arbeitsaufnahme am 06.06.2016 an (vgl. Anlage B3, B4 und B5). Aus diesen Gründen war die Schuldnerin nach Auffassung der Kammer für den hier in Rede stehenden Zeitraum nicht gehalten, eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen, durch welche sie noch längere Zeit von ihrem Kind getrennt gewesen wäre. Soweit das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss argumentiert hat, der Ehegatte der Schuldnerin sei aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Beistandsschuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten verpflichtet gewesen, der Schuldnerin zu helfen; es sei nicht ersichtlich, warum es dem selbstständig tätigen Ehemann der Schuldnerin nicht möglich gewesen sei, die Tochter zumindest einige Tage in der Woche zur Kita zu bringen, greift diese Erwägung für den in Rede stehenden Sachverhalt nicht. Denn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage B6 ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Schuldnerin seine selbstständige Tätigkeit nur nebenberuflich ausgeführt hat, er darüberhinaus jedoch eine Vollzeitbeschäftigung ausübt, bei welcher er täglich um 6.20 Uhr aus dem Hause geht und erst zwischen 16.30 Uhr und 17.30 Uhr wieder im Hause ist.

6

Nach alledem war der angefochtene Beschluss abzuändern und der Restschuldbefreiungsversagungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Beschluss, 28. Mai 2018 - 330 T 10/18

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Insolvenzordnung - InsO | § 290 Versagung der Restschuldbefreiung


(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1. der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolv

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes


(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit di

Insolvenzordnung - InsO | § 295 Obliegenheiten des Schuldners


Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist1.eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbar

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1353 Eheliche Lebensgemeinschaft


(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. (2) Ein Ehegatte ist nicht ver
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist1.eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbar

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(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. (2) Ein Ehegatte ist nicht ver

Insolvenzordnung - InsO | § 287b Erwerbsobliegenheit des Schuldners


Ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehne

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2009 - IX ZB 139/07

bei uns veröffentlicht am 03.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 139/07 vom 3. Dezember 2009 in dem Restschuldbefreiungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 295 Abs. 1 Nr. 1 Ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommene

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Ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 139/07
vom
3. Dezember 2009
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommenen Kinderbetreuung
erwerbstätig sein muss, ist an Hand der zu § 1570 BGB entwickelten
Maßstäbe zu bestimmen.
BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 139/07 - LG Wuppertal
AG Wuppertal
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer
und Dr. Pape
am 3. Dezember 2009

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 27. Juni 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 wurde dem Schuldner unter der Voraussetzung, dass er während der Laufzeit der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensperiode ) die Obliegenheiten gemäß § 295 InsO erfüllt, die Rest- schuldbefreiung angekündigt. Mit Beschluss vom 24. Februar 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners aufgehoben.
2
Unter dem 4. Oktober 2006 beantragte die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: weitere Beteiligte) als Insolvenzgläubigerin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 296 InsO zu versagen. Zur Begründung nahm sie auf den Bericht der Treuhänderin Bezug, wonach der Schuldner seinen Obliegenheiten nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht nachgekommen sei. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2007 ergänzte die weitere Beteiligte ihren Versagungsantrag und wies darauf hin, der Schuldner habe gegenüber der Treuhänderin keinerlei Nachweise erbracht, dass er eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübe oder sich hierum bemüht habe.
3
Insolvenzgericht Das hat den Versagungsantrag wegen mangelnder Glaubhaftmachung als unzulässig angesehen und den Antrag mit Beschluss vom 3. April 2007 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluss vom 27. Juni 2007 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde , mit der sie weiterhin eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO geltend macht.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 7, 6 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht.

5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO habe die Gläubigerin nicht glaubhaft gemacht. Sie habe sich nur darauf bezogen, dass der Insolvenzakte keine Hinweise auf Bewerbungsschreiben oder ähnlichen Bemühungen des Schuldners entnommen werden könnten. Hieraus könne nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass sich der Schuldner tatsächlich nicht um Arbeit bemüht habe. Im Übrigen habe nunmehr der Schuldner plausibel angegeben, er habe wegen der Betreuung seines am 8. Juli 1997 geborenen Sohnes keine Arbeit aufnehmen können. Die Gläubigerin müsse hinnehmen, dass der Schuldner die Betreuung des Kindes im Verhältnis zu seiner in Arbeit stehenden Lebensgefährtin übernommen habe und deshalb kein Vermögen erwerben könne.
6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
Die a) Obliegenheitsverletzung - nicht das Verschulden (vgl. BGH, Beschl. v. 24. September 2009 - IX ZB 288/08, Rn. 6) - muss zwar grundsätzlich von dem Antragsteller glaubhaft gemacht werden (HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 296 Rn. 8). Dies ist aber dann anders, wenn die Tatsachen, die bei objektiver Betrachtung einen Versagungsgrund ergeben können, unstreitig sind (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rn. 6 und IX ZB 80/08, ZInsO 2009, 298 Rn. 4). So war es hier. Denn der Schuldner hat geltend gemacht, er habe wegen der Betreuung seines Kindes keine Arbeit aufnehmen können. Unter diesen Umständen musste die weitere Beteiligte nicht glaubhaft machen, dass der Schuldner sich um Arbeit nicht bemüht hat. Es kann vielmehr nur noch darum gehen, ob dieser sich um Arbeit hätte bemühen müssen.
8
b) Die vom Schuldner geltend gemachte Betreuung seines Sohnes vermag auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts eine Zurückweisung des von der weiteren Beteiligten gestellten Versagungsantrags nicht zu rechtfertigen.
9
aa) Die Erwerbsobliegenheit des Schuldners entfällt, wenn ihm die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden kann (FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 295 Rn. 30 f; HK-InsO/ Landfermann, aaO § 295 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. § 295 Rn. 45, HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl., § 295 Rn. 9). Dies kann auch im Hinblick auf die Betreuung minderjähriger Kinder in Betracht kommen (Uhlenbruck/ Vallender, InsO 12. Aufl. § 295 Rn. 27; HmbKomm-InsO/Streck, aaO). Die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 295 (§ 244 RegE) InsO nennt als Beispiel ausdrücklich die Betreuung von Kleinkindern durch die Mutter (BT-Drucks. 12/2443 S. 192). Hieran anknüpfend wird daher im Schrifttum zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Frage, ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommenen Kinderbetreuung erwerbstätig sein muss, in erster Linie nach den spezielleren familienrechtlichen Verpflichtungen zu bestimmen ist. Als Grundlage der Beurteilung sind die zu § 1570 BGB entwickelten familienrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen (FK-InsO/Ahrens, aaO § 295 Rn. 35; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 295 Rn. 8; MünchKommInsO /Ehricke, aaO § 295 Rn. 46; G. Pape in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung § 17 Rn. 134). Nach der für den hier in Rede stehenden Zeitraum maßgeblichen Rechtsprechung besteht bei der Betreuung eines Kindes bis zum achten Lebensjahr grundsätzlich keine Erwerbsobliegenheit (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 1992 - XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164, 3165 f; v. 30. November 1994 - XII ZR 226/93, NJW 1995, 1148, 1149). Im Einzelfall kann dies nach den konkreten Umständen auch für die Betreuung eines Kindes bis zum elften Lebensjahr zutreffen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Dezember 1988 - IVb ZR 18/88, NJW 1989, 1083, 1084). Bei einem Kind, das zwischen acht und elf Jahren alt ist, kommt es bei der Frage, ob der Schuldner zumindest eine TeilzeitErwerbstätigkeit ausüben muss, wiederum auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH, Urt. v. 16. April 1997 - XII ZR 293/95, FamRZ 1997, 873, 874 ff).
10
bb) Das Landgericht wird daher zu prüfen haben, ob dem Schuldner aufgrund der Umstände des Einzelfalles zumutbar war, neben der Betreuung des Kindes auch eine Erwerbstätigkeit, aufzunehmen. Ferner ist zu prüfen, worauf die Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend verweist, ob der Schuldner nach der von ihm geltend gemachten Arbeitslosigkeit der Mutter des Kindes überhaupt noch Aufgaben der Kinderbetreuung übernehmen musste. Sollte aus einer zumutbaren Tätigkeit kein pfändbares Einkommen erzielbar gewesen sein, fehlt es allerdings an der für § 295 Abs. 1 InsO maßgeblichen konkreten Beeinträchtigung der Gläubiger (FK-InsO/Ahrens, aaO § 295 Rn. 35). Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 InsO rechtfertigt ein Verstoß gegen eine der in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten die Versagung der Restschuldbefreiung nur, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Deren Schlechterstellung muss konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413; v. 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, WM 2007, 661, 662 Rn. 5).

III.


11
Die Beschwerdeentscheidung ist somit aufzuheben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 03.04.2007 - 145 IN 730/03 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 27.06.2007 - 6 T 336/07 -

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.

(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.