Landgericht Hamburg Urteil, 04. März 2016 - 404 HKO 6/14

bei uns veröffentlicht am04.03.2016

Tenor

1. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 11.03.2015, verurteilt, an die Klägerin € 6.348.400,-- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 26.05.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben, jedoch mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Diese fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der H. AG und somit Teil eines international tätigen Baukonzerns mit Sitz in E..

2

Die Klägerin ist eine Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft. Ihr Hauptgesellschafter und früherer Geschäftsführer ist Herr Dr. T. M., der langjährige Niederlassungsleiter des H. Konzerns in H..

3

Die H. H. GmbH war ein am 09.06.2011 gegründetes mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in H.. Gesellschafter waren die Beklagte mit 70 % sowie die a. GmbH mit 30 % der Geschäftsanteile. Hintergrund für die Gründung der Gesellschaft war das sog. „Mittelstandmodell“ der H. AG, wonach die rechtlich unselbständigen, regionalen Niederlassungen des Konzerns in rechtlich unabhängige und nicht durch Ergebnisabführungsverträge beherrschte Gesellschaften ausgegliedert werden sollten. An diesen sollten sich die bisherigen Niederlassungsleitungen jeweils beteiligen, so dass unternehmerisch selbstbestimmte, regional verwurzelte mittelständische Unternehmen entstünden. Pilotprojekt war die H.er Niederlassung der Beklagten. Herr Dr. M. wurde zusammen mit Herrn M. K. Geschäftsführer der neu gegründeten H. H. GmbH, an der er sich mittelbar über die a. GmbH beteiligte, deren Geschäftsanteile er zu 90 % hält.

4

Zwischen der Beklagten und der a. GmbH wurde eine Gesellschaftervereinbarung geschlossen, in dem das „Mittelstandsmodell“ umschrieben wurde (Anl. K 3) . Deren § 14 Abs. 7 beinhaltete eine sog. „Put-Option“, nach der die a. GmbH den Ankauf sämtlicher Geschäftsanteile durch die H. S. AG verlangen konnte, wenn der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der H. H. GmbH wäre. Dazu unterbreitete die Beklagte – wie unter § 14 Abs. 7 lit.b) – vereinbart, der Klägerin ein notarielles Angebot für einen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag (Anl. K 4), in dem in „§ 2 Kaufpreis“ folgendes bestimmt ist:

5

(1) Der Kaufpreis für den Vertragsgegenstand ist dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Beurkundung der Annahmeerklärung nach IDW-Standard S 1 i.d.F. 2008 (Stand: 02.04.2008/Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen).

6

(2) A. und HT. verpflichten sich, unverzüglich nach Beurkundung der Annahmeerklärung die Handelskammer Hamburg zu bitten, einen Sachverständigen zu benennen, der innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab seiner Benennung den Verkehrswert nach IDW-Standard S 1 i.d.F. 2008 (Stand: 02.04.2008/Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen) für beide Seiten verbindlich feststellt. Die Kosten des Sachverständigengutachtens tragen HT. und a. im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile an der Gesellschaft.

7

(3) Der Kaufpreis ist wie folgt zur Zahlung fällig:

8

a. Innerhalb von sieben Kalendertagen nach Beurkundung der Annahmeerklärung ist ein Betrag in Höhe der prozentualen Beteiligung der a. am Eigenkapital der Gesellschaft, welches im letzten Jahresabschluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahre ausgewiesen ist, abzüglich des noch offenen Darlehensbetrages und offener Zinsen aus dem Darlehensvertrag zwischen HT. und a. (nachstehend auch Abschlagszahlung genannt), an a. auf deren in nachtstehender Ziffer (4) genanntes Konto zu zahlen (eingehend).

9

b. Ergibt das Sachverständigengutachten über den verbindlichen Verkehrswert gemäß vorstehender Ziffer (2) einen höheren Kaufpreis als die bereits nach vorstehend lit. a) geleistete Abschlagszahlung, so hat HT. den Differenzbetrag innerhalb von sieben Kalendertagen nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens an a. auf deren in nachstehender Ziffer (4) genanntes Konto zu zahlen (eingehend).

10

c. Ergibt das Sachverständigengutachten über den verbindlichen Verkehrswert gemäß vorstehender Ziffer (2) einen niedrigeren Kaufpreis als die bereits nach vorstehend lit. a) geleistete Abschlagszahlung, so hat a. den Differenzbetrag innerhalb von sieben Kalendertagen nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens an HT. auf ein von HT. unverzüglich nach Beurkundung der Annahmeerklärung noch schriftlich aufzugebendes Konto zu erstatten (eingehend).

11

Spätestens seit Januar 2013 wollte die H. AG das „Mittelstandsmodell“ aufgrund einer Änderung der Konzernstrategie nicht weiter verfolgen und beabsichtigte daher dessen Rückabwicklung. Dabei war es erklärtes Ziel, dass die H. H. GmbH wieder eine unselbständige Niederlassung innerhalb des Konzerns werden sollte. Über die Modalitäten dieser Rückübertragung konnte zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt werden. Mit Schreiben vom 16.08.2013 (Anl. K 7) legte Herr Dr. M. sein Geschäftsführeramt nieder und berief sich diesbezüglich auf einen wichtigen Grund. Die Klägerin übte infolge der Amtsniederlegung mit notariell beurkundeter Erklärung vom 19.08.2013 (Anl. K 8) die „Put-Option“ aus, indem sie das notarielle Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrages (im folgenden: Kaufvertrag) vom 09.06.2011 annahm.

12

Mit Schreiben vom selben Tage bat die Klägerin unter Bezug auf § 2 Abs. 2 S. 1 des Kaufvertrages die Handelskammer Hamburg, einen Sachverständigen zu benennen (Anl. K 12). Die Handelskammer teilte daraufhin am 20.08.2013 mit (Anl. K 13), dieser Bitte nur zu entsprechen, wenn die Beklagte sich ihr anschließen würde. Der Aufforderung der Klägerin vom 28.08.2013 (Anl. K 14) an die Beklagte, ebenfalls die Handelskammer um Benennung eines Sachverständigen zu bitten, kam die Beklagte zunächst nicht nach.

13

Die Klägerin beauftragte daraufhin den im Sachverständigenverzeichnis der Handelskammer Hamburg für den Bereich Unternehmensbewertungen geführten Sachverständigen Wirtschaftsprüfer Dr. W. mit der Erstellung eines Gutachtens, das im November 2015 vorlag (Anl. K 15). Der Sachverständige Dr. W. kam darin zu einem nach IDW Standard S 1 (2008) ermittelten Verkehrswert der H. H. GmbH von € 44,7 Mio, so dass sich ein Kaufpreis für den Geschäftsanteil der Klägerin von € 13,41 Mio ergab. Unter Berücksichtigung eines von der Beklagten der Klägerin gewährten Darlehens, das noch mit € 1.200.000,-- valutierte, sowie Darlehenszinsen in Höhe von € 36.901,41 errechnete die Klägerin einen ihr zustehenden Kaufpreis in Höhe von € 12.173.098,59.

14

Diese Forderung war u.a. Gegenstand des mit der vorliegenden Klage vom 06.02.2014 zunächst verfolgten Hauptantrags, nämlich in Höhe von € 1.628.698,59 (der nach § 2 Abs. 3 a) des Kaufvertrages zu leistenden Abschlagszahlung) nebst Zinsen seit dem 27.08.2013 und in Höhe des Restbetrages von € 10.544.400,-- nebst Zinsen seit dem 04.12.2013. Hilfsweise machte die Klägerin u.a. geltend, die Beklagte zur Zahlung von € 1.628.698,59 nebst Zinsen und ferner zur Mitwirkung bei der Benennung eines von der Handelskammer zu benennenden Sachverständigen zu verurteilen. Nachdem die Beklagte die Abschlagszahlung von € 1.628.698,59 am 20.03.2014 gezahlt und im April 2014 die Handelskammer um die Benennung eines Schiedsgutachters gebeten hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2014 den weitergehenden Zahlungsantrag hinsichtlich des Anteilskaufpreises mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und die Klage nur noch wegen des (durch Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 25.03.2014) in das Verfahren nachträglich eingeführten Anspruchs auf Zahlung des Gewinnanteils für das Jahr 2013 in Höhe von € 526.200,-- sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten infolge der nach Ansicht der Klägerin verspäteten Zahlung und der deswegen vorprozessual entstandenen Anwaltskosten weiterverfolgt.

15

Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.03.2015 ausgeblieben. Auf Antrag der Beklagten hat das Gericht ein klagabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.03.2015 - rechtzeitig - Einspruch eingelegt. Nachdem der von den Parteien mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Wirtschaftsprüfer S. am 14.05.2015 sein Gutachten vorgelegt hat, verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach Maßgabe der sachverständigen Feststellungen weiter, nämlich nach Maßgabe ihres Schreibens vom 19.05.2015 (Anl. K 36).

16

Sie beantragt,

17

das Versäumnisurteil vom 11.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

18

4. an die Klägerin € 6.348.400,-- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 4.12.2013 zu zahlen,

19

5. an die Klägerin weitere € 8.681,09 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 18.02.2014 zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte hält die von der Klägerin – nach Klagerücknahme – vorgenommene Klageänderung durch Erhöhung der Klage, mit der die Beklagte nicht einverstanden sei, für unzulässig. Zudem sei die auf das Ergebnis das Schiedsgutachtens des Sachverständigen S. gestützte Klage unbegründet, weil das Gutachten offenbar unrichtig und damit offenbar unbillig im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB sei. Das Schiedsgutachten weise schwerwiegende Begründungsmängel auf, die in der Verletzung allgemein anerkannter Regeln der Unternehmensbewertung bestünden. So habe der Sachverständige nicht beachtet, dass bei der Unternehmensplanung die Planung der Geschäftsführung maßgeblich sei. Der Sachverständige habe zudem, obwohl kein Jurist, in mehreren rechtlich strittigen Fragen seine eigene rechtliche Würdigung anstelle der rechtlichen Würdigung erfahrener Juristen gesetzt und sei zudem dadurch von allgemein anerkannten Bewertungsregeln abgewichen, dass er erst zukünftig fällig werdende Forderungen bei der Unternehmensplanung angesetzt habe, obwohl der Schuldner dieser Forderungen ihr Bestehen bestritten habe. Tatsächlich liege der Unternehmenswert mehr als 30 % unter dem vom Sachverständigen ermittelten Ergebnis. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.08.2015 (S. 3 ff; Bl. 249 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist zulässig und hat – in dem noch zur Entscheidung stehenden Umfang - auch in Sache Erfolg.

24

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 2.06.2015 vorgenommene Klageerweiterung stellt eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar und bedarf nicht der Zustimmung der Beklagten.

25

Die Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 3 b) des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrages verpflichtet, der Klägerin den höheren Kaufpreis nach dem vorliegenden Schiedsgutachten in Höhe der Klageforderung zu zahlen. Die von der Beklagten dagegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

26

Die Beklagte hält das Gutachten des Sachverständigen S. der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A. C. & P. zu Unrecht wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 BGB nicht für verbindlich.

27

Vom Ausgangpunkt her zutreffend, geht die Beklagte (wie auch die Klägerin) davon aus, dass es sich bei dem eingeholten Sachverständigengutachten um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne handelt, auf das §§ 317 ff. BGB analog angewendet werden, wobei die Entscheidung des Schiedsgutachters nicht auf „offenbare Unbilligkeit“, sondern auf eine „offenbare Unrichtigkeit“ hin kontrolliert wird.

28

Nach Auffassung des Gerichts scheidet aber auch eine solche eingeschränkte Überprüfung der Richtigkeit der sachverständigen Feststellungen vorliegend deswegen aus, weil die Parteien in § 2 Abs. 2 des vorgenannten Vertrages festgelegt haben, dass das einzuholende Gutachten den Verkehrswert des Anteils „für beide Seiten verbindlich feststellt“ und § 2 Abs. 3 a) und b) bestimmt, das ein danach resultierender Kaufpreisrest oder -überschuss binnen 7 Tagen an die andere Vertragspartei zu zahlen ist. In dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass die Parteien die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens anerkennen wollten, ohne das Ergebnis einer weiteren Überprüfung zu unterziehen. Ansonsten würde nämlich die Verpflichtung zur Zahlung des sich aus dem Schiedsgutachten ergebenden Kaufpreises bis zur Rechtskraft der Entscheidung in einem nachfolgenden Prozess aufgeschoben. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 04. Juli 2013 – III ZR 52/12 –, Rn. 33 ff., juris) ausgeführt:

29

(1) Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im weiteren Sinne, auf welche die §§ 317 bis 319 BGB unmittelbar anzuwenden sind und bei denen der Schiedsgutachter den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen hat, ist es allgemein anerkannt, dass die Forderung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht (§ 319 Abs. 1 Satz 2 BGB) erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig wird, so dass Zinsen - vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen - vorher nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 238/92, BGHZ 122, 32, 45 f; vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; vom 30. Mai 2003 - V ZR 216/02, NJW-RR 2003, 1355, 1357 f; vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920 und vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, BGHZ 167, 139, 149 f Rn. 22 f; vgl. auch Urteil vom 16. April 1999 - V ZR 37/98, NZM 1999, 677, 678). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen.

30

(2) Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im engeren Sinne, auf welche die §§ 317 bis 319 BGB, wie ausgeführt, entsprechende Anwendung finden, gilt im Ergebnis nichts anderes.

31

In der vertraglich getroffenen Abrede, das eingeholte Gutachten als für beide Seiten verbindlich anzusehen und die Fälligkeit der Zahlung bereits bei Vorliegen des Gutachtens eintreten zu lassen, liegt eine konkludente Abbedingung von § 319 BGB Abs. 1 BGB, was zulässig ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26. November 2009 – 18 U 43/09 –, Rn. 29, juris Staudinger – Rieble, BGB, 2015, § 319 Rdnr. 4). Eine der Überprüfung durch die Gerichte entzogene Feststellung des Abfindungsguthabens durch einen Schiedsgutachter ist mit der Interessenlage der Parteien vereinbar. Der Schiedsgutachter wird nicht einseitig bestellt, sondern auf beiderseitigen Antrag von einer neutralen Institution, der Handelskammer Hamburg, berufen. Beide Seiten haben - ex ante - ein gleich hohes Interesse an einer möglichst schnellen abschließenden Regelung des Streits über die Höhe des Abfindungsanspruchs. In einem solchen Fall ist das Schiedsgutachten bis zur Grenze der Willkür für beide bindend (OLG Köln, aaO).

32

Eine Willkürlichkeit des Schiedsgutachtens liegt auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht vor. Schon deswegen ist die Forderung der Klägerin auf Zahlung des vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes (nach Verrechnung der bereits geleisteten Zahlungen) begründet.

33

Die Einwendungen der Beklagten tragen aber darüber hinaus auch nicht den Vorwurf einer groben Unrichtigkeit im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB (analog). Ein Schiedsgutachter verfehlt seinen Auftrag (nur) dann, wenn er ein offenbar unrichtiges und damit entsprechend § 319 BGB unverbindliches Gutachten erstellt. Offenbare Unrichtigkeit ist anzunehmen, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten offenbar unrichtig erst dann ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – III ZR 10/12 –, Rn. 16, juris).

34

Soweit die Beklagte rügt, dass der Sachverständige bei der Bestimmung der Höhe der Mehrerlösbeteiligung in Bezug auf die Einzelbetrachtung oder Saldierung der einzelnen Projekte eine Rechtsfrage entschieden habe, ohne – als Nichtjurist – hinreichende eigene Sachkunde zu besitzen, trägt der Vorwurf nicht. Es ist einem Schiedsgutachter nicht verwehrt, die für die Bewertung entscheidenden rechtlichen Fragestellungen selbst zu beurteilen. Zwar kann sich die Feststellungsmacht eines Gutachtens auf die tatsächlichen Voraussetzungen beschränken, sie kann aber auch, und dies gilt insbesondere bei Gutachten, die den Vertragsinhalt verbindlich feststellen, die Subsumtion und Beurteilung rechtlicher Vorfragen mit umfassen (Palandt- Grüneberg, BGB, 75. Aufl, § 319 Rdnr. 6). Da die Höhe der Mehrerlösbeteiligung, auf die es entscheidend für den Verkehrswert der Hochtief GmbH ankam, von der Frage abhing, ob die einzelnen Projekte hinsichtlich der Erlöse isoliert zu betrachten oder zu saldieren waren, musste der Sachverständige eine Entscheidung treffen. Diese hat er auf den Seiten 50 – 58 seines Gutachtens unter Berücksichtigung aller für die Entscheidungsfindung maßgeblichen Gesichtspunkte eingehend begründet. Eine offenbare Unrichtigkeit bei der Beantwortung der vorgenannten Frage hält die Kammer schon deswegen nicht für gegeben, weil sie die Rechtsfrage ebenso entschieden hätte. Auch nach Auffassung des Gerichts sprechen die vom Sachverständigen aus dem Wortlaut von Ziffer 4.4 des Geschäftsbesorgungsvertrages abgeleiteten Auslegungskriterien (S. 56 des Gutachtens) dafür, den Mehrgewinn aus dem Projekt Skyliving ohne Saldierung mit den anderen – verlustträchtigen – Einzelprojekten bei der Bemessung der zu erwartenden Erträge zu berücksichtigen.

35

Zu folgen ist dem Gutachter auch darin, bei der Bemessung der Höhe der Mehrgewinnbeteiligung keinen Abschlag im Hinblick auf mangelnde Bereitschaft der Beklagten zum Ausgleich der Forderung vorzunehmen. Wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme schon zutreffend ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob die Berechtigung einer Forderung überhaupt in Frage gestellt wird, sondern ob das Bestreiten auf einer berechtigten Begründung beruht. Soweit der zu bewertenden Gesellschaft nach materiellem Recht eine begründete Forderung gegenüber ihrer Mit- und Mehrheitsgesellschafterin zusteht, kann diese bei der Bemessung des Unternehmenswertes nicht deswegen außer Betracht bleiben oder mit einem geringeren Wert angesetzt werden, weil seitens der Mehrheitsgesellschafterin keine Bereitschaft zum Ausgleich besteht und die Durchsetzung zweifelhaft erscheint. Ansonsten hätte die Mehrheitsgesellschafterin die Möglichkeit, den Unternehmens- und Anteilswert eines Minderheitsgesellschafters allein durch bloßes Bestreiten einer Forderung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

36

Nicht nachzuvollziehen vermag das Gericht auch den Einwand der Beklagten, dass der Sachverständige bei der Ermittlung des zu erwartenden Erlöses des Projektes Skyliving nicht allein die damalige Einschätzung der Geschäftsführung der H. H. GmbH zugrunde gelegt, sondern das - von Klägerseite eingeholte Gutachten – des Sachverständigen L. berücksichtigt hat. Der Ausgangspunkt der Kritik der Beklagten, nämlich dass es für die Unternehmensbewertung allein auf die Einschätzung der Geschäftsleitung ankomme, trifft nicht zu. Dies gilt dann nicht, wenn der Gutachter, wie hier, zum Ergebnis kommt, dass die Annahmen der Geschäftsführung nicht plausibel sind. Auch insoweit ist in dem Schiedsgutachten eine umfassende Überprüfung und Analyse der Planungen der von der Geschäftsführung erstellten Prognose für das Geschäftsjahr 2013 und der weitergehenden Unternehmensplanung für die Jahre 2014 bis 2017 enthalten (S. 35 ff. des Gutachtens). Darin hat der Schiedsgutachter sich auch ausführlich mit dem Ansatz der von der Geschäftsleitung erwarteten Mehrgewinnbeteiligung aus dem Projekt Skyliving in Höhe von 6,4 Millionen € befasst (S. 56 des Gutachtens) und im Einzelnen begründet, warum nach seiner Ansicht die Wertermittlung der in der Elbphilharmonie errichteten Wohnungen durch den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen L. eine geeignetere Grundlage für die Schätzung der erwarteten Gewinne aus dem Projekt Skyliving darstellt. Unrichtigkeiten vermag das Gericht nicht zu erkennen.

37

Gleiches gilt aus den genannten Gründen für die von Beklagtenseite weiter erhobenen Rügen, die sich gegen Bewertungsannahmen des Sachverständigen richten, die die Beklagte für unzutreffend hält, etwa, was die Konkretisierung des Planungsstands zur Rückführung der H. H. GmbH in eine Niederlassung der Beklagten angeht, die Bewertung der Bauleistungen, die Höhe der Geschäftsbesorgungsvergütung und die Kosten für den erforderlich werdenden Abbau von Mitarbeitern. Überwiegend beanstandet die Beklagte auch insoweit, dass der Sachverständige die Planungsannahmen der Geschäftsführung (Planungsstand, Wert der Bauleistungen, Höhe der Geschäftsführungsvergütung) nicht übernommen oder eine rechtliche unzutreffende Einschätzung (von der Beklagten zu tragender Personalaufwand) vorgenommen hat. Dass der Sachverständige bei seiner Bewertung dadurch zu unrichtigen, bzw. so grob unrichtigen Annahmen gelangt ist, dass die Bewertung gegen Treu und Glauben verstößt, ist nicht dargetan.

38

Auch was die Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes, insbesondere die Ableitung des für die individuelle Risikostruktur des Unternehmens maßgeblichen beta- Faktors angeht, lässt die Begründung das Gutachten aus Sicht der Kammer keine Unrichtigkeit erkennen. Die Orientierung des beta- Faktors der nicht börsennotierten H. H. GmbH an den verfügbaren Kapitalmarktdaten der Hochtief AG ist überzeugend begründet und wird nicht deswegen in Frage gestellt, weil die Beklagte einen anderen beta – Faktor für zutreffend erachtet.

39

Der geltend gemachte Zinsanspruch steht der Klägerin erst ab dem 26.05.2015 zu. Die Zahlung ist 7 Tage nach Vorliegen des Gutachtens am 18.05.2015, also am 25.05.2015 fällig geworden. Die Beklagte befindet sich daher ab dem 26.05.2015 im Verzug. Die Klägerin kann die Zahlung weiterer Verzugszinsen für einen früheren Zeitraum nicht darauf stützen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Bestellung eines Schiedsgutachters nicht innerhalb der vertraglich bestimmten Frist von sechs Wochen nachgekommen ist. Verzug mit der Verletzung dieser Verpflichtung ist nicht gleichbedeutend mit dem Zahlungsverzug der erst mit Vorlage des Schiedsgutachtens fällig gewordenen Kaufpreisforderung. Eine Leistung in Höhe der Verzugszinsen wegen der eingetretenen Verzögerung könnte die die Klägerin nur ersetzt verlangen, wenn ihr dadurch – wegen Inanspruchnahme eines entsprechend hoch verzinslichen Darlehens oder wegen entgangenen Gewinns- ein entsprechender Schaden entstanden wäre. Dazu fehlt es an entsprechendem Vortrag. Auch der Klageantrag zu 2., der abzielt auf Ersatz der für die vorgerichtliche Tätigkeit der vormaligen Prozessbevollmächtigten entstandenen Anwaltskosten für das Aufforderungsschreiben vom 28.01.2014 (Anl. K 17), ist unbegründet. Auch wenn dafür – nach RVG – der in der Klage berechnete Gebührenansatz einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr (€ 49.806,90) entstanden wäre, könnte die Klägerin diese Kosten als Verzugsschaden (quotal) nur dann ersetzt verlangen, wenn bereits vorprozessual die Fälligkeit des geltend gemachten Kaufpreisanspruchs gegeben gewesen wäre. Dies war aus den oben bereits genannten Gründen nicht der Fall.

40

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO. Bei der Kostenverteilung war auf Seiten der Beklagten neben dem Unterliegen hinsichtlich der im Tenor genannten Forderung von € 6.348.400,-- zu berücksichtigen die durch Zahlung der Beklagten von € 1.628.698,59 und Mitwirkung bei der Benennung des Schiedsgutachters (Wert: € 50.000,-) eingetretene Teilerledigung des Verfahrens, also insgesamt ein Betrag € 8.027.098,50 . Trotz des Gesamtstreitwerts von € 21.545.632,-- hält die Kammer es für gerechtfertigt, die Kosten gegeneinander aufzuheben, da die mit der Klage zunächst erhobene Forderung lediglich mangels Fälligkeit zunächst zurückgenommen wurde, sich aber zum Teil im Ergebnis als berechtigt erwiesen hat.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 04. März 2016 - 404 HKO 6/14

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Hamburg Urteil, 04. März 2016 - 404 HKO 6/14

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 319 Unwirksamkeit der Bestimmung; Ersetzung


(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt,
Landgericht Hamburg Urteil, 04. März 2016 - 404 HKO 6/14 zitiert 6 §§.

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(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 317 Bestimmung der Leistung durch einen Dritten


(1) Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel Übereinstimmung aller erforderlic

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(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

33
(1) Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im weiteren Sinne, aufwelche die §§ 317 bis 319 BGB unmittelbar anzuwenden sind und bei denen der Schiedsgutachter den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen hat, ist es allgemein anerkannt, dass die Forderung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht (§ 319 Abs.1 Satz 2 BGB) erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig wird, so dass Zinsen - vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen - vorher nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 238/92, BGHZ 122, 32, 45 f; vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; vom 30. Mai 2003 - V ZR 216/02, NJW-RR 2003, 1355, 1357 f; vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920 und vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, BGHZ 167, 139, 149 f Rn. 22 f; vgl. auch Urteil vom 16. April 1999 - V ZR 37/98, NZM 1999, 677, 678). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen.

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 216/02 Verkündet am:
30. Mai 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auf das Leistungsbestimmungsrecht eines Drittbegünstigten (§ 328 Abs. 1 BGB)
finden die Regeln zur Leistungsbestimmung durch eine Partei (§ 315 BGB), und
nicht die Vorschriften zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§§ 317 ff. BGB)
Anwendung.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2003 - V ZR 216/02 - OLG München
LG München II
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Mai 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. April 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 29. März 1989 kaufte die Klägerin von der damaligen D. B. die Grundstücke des "Euro-Industrieparks" in M. zum Preis von 390 Mio. DM. Der Kauf umfaßte neben verschiedenen bebauten Grundstücken, die mit Erbbaurechten und dinglichen Vorkaufsrechten zugunsten der Erbbauberechtigten belastet waren, sämtliche Flächen eines privaten Erschließungssystems. Außerdem übertrug die D. B. der Klägerin ihre gegenüber der Landeshauptstadt M. übernommene Verpflichtung, das private Erschließungssystem zu erhalten und zu unterhalten. Die Klägerin verpflichtete sich, die erforderlichen infrastrukturellen
Maßnahmen "federführend" für alle Käufer auf deren Rechnung durchzuführen. Dafür sollten die Käufer eine angemessene Vergütung zahlen. Als Federführende durfte die Klägerin "alles ... noch Offene" nach billigem Ermessen bestimmen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Federführende erhielt die Klägerin von der D. B. einen einmaligen Zuschuß in Höhe von 29 Mio. DM. Nach Abschnitt B § 4 der Urkunde darf die Klägerin die Käufer erst dann in Anspruch nehmen, wenn der Zuschuß von 29 Mio. DM zuzüglich aufgelaufener Zinsen von 4 % p.a. verbraucht ist.
Die Beklagte, die Erbbauberechtigte eines der Grundstücke war, übte in der Folgezeit ihr Vorkaufsrecht aus. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten übertrug sie anschließend auf ihren Sohn, der im Dezember 1989 - ohne Zwischenerwerb der Beklagten - als Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurde.
Die Klägerin behauptet, der von der D. B. gewährte Zuschuß zuzüglich der vertraglichen Zinsgutschriften sei in Erfüllung der Federführungsaufgaben bereits bis zum April 1994 vollständig verbraucht worden. Über diesen Betrag hinaus sei sie weiter mit insgesamt 23.066.579 DM zugunsten der Grundstückseigentümer in Vorlage getreten. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin in einer Zwischenabrechnung zum 30. September 1997 die auf die Beklagte entfallenden Kosten der Federführung einschließlich ihrer Vergütung ("Federführungsgebühren") mit zunächst 107.347,01 DM errechnet und diesen Betrag im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat die Klägerin in zweiter Instanz ihre Forderung auf 85.131,03 DM reduziert. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ih-
ren zuletzt gestellten Klageantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei allein wegen der Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber der Klägerin als Federführender verpflichtet. Die Übertragung der Rechte aus dem Kaufvertrag auf ihren Sohn habe hieran nichts geändert, weil die Beklagte aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin nicht entlassen worden sei. Allerdings habe die Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren von dem ihr eingeräumten Leistungsbestimmungsrecht nicht wirksam Gebrauch gemacht. Es fehle an einer ausreichenden Bestimmtheit , weil sie sich eine rückwirkende Erhöhung vorbehalten habe. Außerdem habe sie nicht hinreichend dargetan, daß der von der D. B. gewährte Zuschuß verbraucht sei und in welcher Höhe ihr ein etwaiger Ausgleichsanspruch zustehe. Die Klägerin sei nicht Dritte im Sinne des § 317 BGB, so daß ihre Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB nur dann verbindlich sei, wenn sie der Billigkeit entspreche. Für die Federführungsgebühr sei die Bestimmung der Klägerin unwirksam, weil sie für deren Billigkeit nicht ausreichend vorgetragen habe; ihre Ausführungen seien zum Teil unklar und unvollständig. Die Klägerin habe auch zu Unrecht Zinsen für die Federführungsgebühr in ihre Abrechnung eingestellt; Fälligkeit habe insoweit erst mit einer wirksamen Leistungsbestimmung eintreten können. Eine richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB sei nicht zu treffen. Einen dahingehenden Willen habe die Klägerin nicht zum Ausdruck
gebracht; im übrigen könne eine solche Gestaltung nur einheitlich gegenüber allen Verkäufern erfolgen.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die Beklagte, obwohl sie nicht Eigentümerin des im "Euro-Industriepark" gelegenen Grundstücks wurde, gegenüber der Klägerin zur Zahlung der Kosten der Federführung verpflichtet ist.

a) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte ist gemäß § 505 Abs. 2 BGB a.F. mit ihr als Käuferin ein Kaufvertrag zustande gekommen. Dieser Vertrag verpflichtet die Beklagte auch, die näher bezeichneten Infrastrukturaufgaben durch die Klägerin als der von der Verkäuferin bestellten Federführenden erledigen zu lassen (Senat, Urt. v. 14. Juli 1995, V ZR 31/94, NJW 1995, 3183, 3184). Diese Verpflichtung umfaßt nach A § 15 des Kaufvertrages auch die Übernahme der Kosten der Federführung einschließlich einer "angemessenen Vergütung" der Klägerin. Da hiernach allein die Ausübung des Vorkaufsrechts die Verpflichtung der Beklagten begründete, bleibt - auch für § 242 BGB - der Umstand ohne Bedeutung, daß sie zu keiner Zeit Eigentümerin des von der Federführung betroffenen Grundstücks war.

b) Von dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht infolge des Eigentumserwerbs ihres Sohnes frei geworden. Dies wäre nur auf dem Wege einer befreienden Schuldübernahme möglich gewesen, was im vorliegenden Fall an
der fehlenden Genehmigung des Gläubigers scheitert (vgl. § 415 BGB). Zwar mag jedenfalls unter den gegebenen Umständen - nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen und der Interessenlage - eine Mitwirkung der Verkäuferin als Versprechensempfängerin nicht erforderlich sein, unverzichtbar ist aber eine Genehmigung der Klägerin als derjenigen, die als Dritte den Leistungsanspruch gegen die Beklagte nach § 328 Abs. 1 BGB erworben hat (vgl. für den Erlaßvertrag MünchKomm-BGB/Gottwald, 4. Aufl., Bd. 2a, § 328 Rdn. 29, § 335 Rdn. 15 jew. m.w.N.; Staudinger/Jagmann, BGB [2001], § 328 Rdn. 43, § 335 Rdn. 20). Eine solche Genehmigung der Schuldübernahme durch den Sohn der Beklagten hat die Klägerin nicht erteilt. Auf eine ausdrückliche Zustimmung verweist die Beklagte nicht; sie ergibt sich auch nicht aus den Umständen. Daß die Klägerin mit dem Sohn der Beklagten als dem Grundstückseigentümer Vereinbarungen aus Anlaß der Übergabe der Erschließungseinrichtungen an die Landeshauptstadt M. geschlossen hat, womit wechselseitig eigene Rechte und Pflichten begründet wurden, und ihn deshalb in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch nimmt, läßt noch nicht den Schluß darauf zu, daß sie für den streitgegenständlichen, aus einem anderen Rechtsgrund folgenden Anspruch die Beklagte aus ihrer Verpflichtung entlassen wollte. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegenden Fall von dem Sachverhalt, der den - in der Revisionserwiderung zitierten - Entscheidungen des Oberlandesgerichts München (Urt. v. 5. März 2001, 17 U 4446/00) und des Senats (Beschl. v. 21. März 2002, V ZR 142/01) zugrunde lag. Dort hatte die Klägerin ihre Genehmigung zur Schuldübernahme durch die Landeshauptstadt M. konkludent erteilt.
2. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht ferner an, daß ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten der Federführung
einschließlich einer "angemessenen Vergütung" nur dann besteht, wenn der von der Verkäuferin geleistete Zuschuß nebst den aufgelaufenen Zinsen und Verkaufserlösen für Infrastrukturmaßnahmen aufgebraucht ist (so bereits Senat , Urt. v. 14. Juli 1995, aaO, 3185). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die von der Klägerin hinsichtlich ihrer Vergütung ("Federführungsgebühren" ) getroffene Leistungsbestimmung von Bedeutung.
3. Fehl geht hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Leistungsbestimmung der Klägerin sei mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 1961, I ZR 133/59, NJW 1961, 1251 zur Bestimmung eines Mindestbetrages). Zwar hat die Klägerin in ihrer Abrechnung zum 30. September 1997, mit der sie ihr Leistungsbestimmungsrecht ausübte, ausdrücklich den Vorbehalt einer Nachforderung erklärt. Das nimmt ihrer Erklärung aber nicht die Wirksamkeit.

a) Durch den Vorbehalt wird die Bestimmtheit des derzeit geforderten Betrages, der allein Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, nicht in Frage gestellt; die Beklagte ist nicht im Ungewissen darüber, was sie in jedem Fall schulden soll. Hinsichtlich des hier geltend gemachten Betrages hat die Klägerin von ihrem Gestaltungsrecht ohne den Widerrufsvorbehalt und - falls dieses Erfordernis zu beachten sein sollte (bejahend Staudinger/Rieble, BGB [2001], § 315 Rdn. 68; a.A. MünchKomm-BGB/Gottwald, aaO, § 315 Rdn. 36) - auch ohne Bedingung Gebrauch gemacht. Fraglich kann nur sein, ob die Klägerin künftig, wenn sie ihren Vorbehalt umsetzen will, eine Nachforderung zu begründen vermag. Dies beantwortet sich danach, ob ihr Gestaltungsrecht als einmaliges Recht mit seiner Ausübung erloschen ist, oder ob es mit einem Inhalt vereinbart wurde, der eine mehrmalige Ausübung ermöglicht (vgl. Münch-
Komm-BGB/Gottwald, aaO, § 315 Rdn. 34; auch Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 210). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist diese Frage unerheblich; über sie ist erst dann zu entscheiden, wenn die Klägerin tatsächlich eine Nachzahlung fordert.

b) Es liegt auch keine nur teilweise Leistungsbestimmung vor, so daß es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob dieser Umstand eine Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung begründen kann (bejahend Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 217). Eine Teilleistungsbestimmung ist nur dann gegeben, wenn die Bestimmung nicht alle Unbestimmtheitslücken erfaßt, die nach dem Regelungsprogramm des Vertrages geschlossen werden sollen (Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 217). Demgegenüber betrifft die Leistungsbestimmung der Klägerin ihrem Gegenstand nach all das, was nach der einschlägigen Regelung unter A § 15 des Kaufvertrages vom 29. März 1989 geregelt werden sollte. Danach konnte die Klägerin über die Federführungskosten einschließlich ihrer Vergütung bestimmen und diesen Rahmen schöpfte sie auch aus. Ihr Vorbehalt bezieht sich lediglich auf das Ergebnis der umfassenden Leistungsbestimmung.
4. Auch mit der weiteren von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung , die Klägerin habe zur Billigkeit ihrer Leistungsbestimmung nicht hinreichend vorgetragen, kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Zwar kann der Senat die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall nur daraufhin überprüfen, ob der rechtliche Ansatz zutreffend gewählt ist, alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben, die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind und von der Ermächtigung in einer ihrem Zweck entsprechenden Weise Gebrauch ge-
macht worden ist (vgl. BGHZ 115, 311, 321; auch Senat, Urt. v. 24. November 1995, V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1055). Das Berufungsurteil hält jedoch auch diesen Prüfungsmaßstäben nicht stand.

a) Allerdings ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts zutreffend. Das Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin ist nach Maßgabe des § 315 BGB und nicht, wie die Revision meint, nach den Regeln der Drittleistungsbestimmung (§§ 317 ff BGB) auszuüben.
aa) Obwohl ihnen die Auslegungsregel zugunsten des billigen Ermessens gemeinsam ist, unterscheiden sich beide Regelungsbereiche erheblich. Zum einen ist der Prüfungsmaßstab verschieden, weil für eine Leistungsbestimmung nach § 315 BGB jede fehlende Billigkeit schadet, während eine Drittleistungsbestimmung nur im Fall offenbarer Unbilligkeit nach § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB unverbindlich ist. Zum anderen trifft die berechtigte Partei (hier also die Klägerin) bei § 315 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der von ihr getroffenen Bestimmung (BGHZ 41, 271, 279), während bei der einem Dritten überlassenen Leistungsbestimmung die Partei, die sich auf die offenbare Unrichtigkeit beruft (hier also die Beklagte), die hierfür maßgebenden Umstände darlegen und beweisen muß (vgl. BGH, Urt. v. 21. September 1983, VIII ZR 233/82, NJW 1984, 43, 45).
bb) Hier ist die Klägerin, der unter A § 15 des Vertrages vom 29. März 1989 ohne weitere Maßgabe das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde , nicht als Dritte mit der Folge der Anwendung der §§ 317 ff BGB anzusehen. Es gelten vielmehr die Regelungen aus § 315 BGB für eine Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei.

(1) Der Wortlaut des § 315 BGB spricht allerdings gegen seine Anwend- barkeit im vorliegenden Fall. Er geht von dem Leistungsbestimmungsrecht eines der Vertragschließenden aus, während die Klägerin nicht Partei des Vertrages wurde, der ihr das Leistungsbestimmungsrecht verschaffte. Dieser Vertrag ist vielmehr durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen der Verkäuferin und der Beklagten zustande gekommen. Die Klägerin ist jedoch Drittbegünstigte (§ 328 Abs. 1 BGB) dieses Vertrages (Senat, Urt. v. 14. Juli 1995, aaO, 3184). Auf Grund dieser Rechtsstellung sind für sie nach der Systematik und insbesondere nach dem Zweck des Gesetzes die Regeln zur Leistungsbestimmung durch eine Partei (§ 315 BGB) und nicht die Vorschriften zur Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§§ 317 ff BGB) anzuwenden (a.A. Staudinger/Rieble, aaO, § 316 Rdn. 1).
(2) Aus § 316 BGB, der als Auslegungsregel § 315 BGB ergänzt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 316 Rdn. 1), läßt sich schließen, daß derjenige , der eine Leistung "zu fordern hat", nicht Dritter im Sinne des § 317 BGB sein kann. Im Fall eines berechtigenden oder "echten" Vertrages zugunsten Dritter ist der Drittbegünstigte, obgleich nicht Vertragspartei, derjenige, dem das hier entscheidende, aus dem Vertragsverhältnis abgespaltene Forderungsrecht gegenüber dem Versprechenden zusteht (vgl. BGHZ 54, 145, 147; BGH, Beschl. v. 10. Februar 1993, XII ZB 80/88, NJW-RR 1993, 770, 771). Zwar sieht § 335 BGB vor, daß auch dem Versprechensempfänger (Gläubiger) ein Forderungsrecht (auf Leistung an den Dritten) zusteht, diese Regelung ist aber nicht zwingend (vgl. MünchKomm-BGB/Gottwald, aaO, § 335 Rdn. 5 m.w.N.). Wird Abweichendes vereinbart, so würde § 316 BGB bei (echten) Verträgen
zugunsten Dritter ins Leere gehen, wenn nicht der Drittbegünstigte für die Leistungsbestimmung als Gläubiger behandelt wird.
(3) Vor allem aber spricht der Zweck des für die Drittleistungsbestimmung durch § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB im Vergleich zu § 315 Abs. 3 BGB gelockerten Prüfungsmaßstabes dagegen, den Drittbegünstigten als Dritten im Sinne des § 317 BGB anzusehen. Der abgeschwächten Kontrolle auf offenbare Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch einen Dritten liegt ein Richtigkeitsvertrauen zugrunde, das nur gegenüber einem neutralen Dritten gerechtfertigt ist (vgl. Staudinger/Rieble, aaO, § 317 Rdn. 2; auch Senat, Urt. v. 18. Februar 1955, V ZR 110/53, NJW 1955, 665 für die Gefahr einer Interessenkollision bei Behörde als Schiedsgutachter). Bei ihm können Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität vorausgesetzt werden, so daß durch ihn eher als bei der Entscheidung einer Partei eine ausgewogene Leistungsbestimmung zu erwarten ist (vgl. MünchKomm-BGB/Gottwald, aaO, § 319 Rdn. 2). Für diese Erwartung fehlt aber jedenfalls dann die Grundlage, wenn der Dritte über eine Leistung zu bestimmen hat, die ihm selbst durch einen Vertrag zugunsten Dritter zugewandt worden ist und von ihm nach § 328 Abs. 1 BGB gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden kann. Er entscheidet hier über eine Leistung, die von ihm einzufordern ist, ihm selbst zufließt und bei ihm verbleibt. In wirtschaftlicher Hinsicht ist seine Position die eines Gläubigers und sein hierdurch geprägtes Interesse rechtfertigt ebensowenig wie bei einer Vertragspartei ein erhöhtes Vertrauen in die Ausgewogenheit der von ihm getroffenen Leistungsbestimmung.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch bei Überprüfung der Billigkeit der Leistungsbestimmung durch die Klägerin die wesentlichen Umstände nicht hin-
reichend beachtet. Zu Recht beanstandet die Revision, daß im Berufungsurteil nur die Darlegungen der Klägerin Berücksichtigung gefunden haben, die sie zusätzlich als Kontrollüberlegungen zur Angemessenheit ihrer Leistungsbestimmung angestellt hat. Diese erachtet das Berufungsgericht als unklar und unvollständig, während es das Hauptvorbringen der Klägerin nur im Überblick darstellt, eine Würdigung im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung jedoch unterläßt.
aa) Die Klägerin hat die Bestimmung des Entgelts für ihre Federführungstätigkeit ("Federführungsgebühr") auf vier Gesichtspunkte gestützt, die sämtlich als Kriterien billigen Ermessens in Betracht zu ziehen sind. Das gilt, weil es um die Bemessung eines Entgelts für die Dienste der Klägerin geht, namentlich für die Bedeutung ihrer Tätigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 1961, aaO, 1252). Insoweit hat die Klägerin zu dem angeblich drohenden Wertverfall von Grundstücken im Umfang von mindestens 1 Mrd. DM wegen der faktischen Bausperre infolge unzulänglicher Erschließung vorgetragen. Weiter sind Schwierigkeit, Ungewöhnlichkeit, Umfang und Dauer der Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 1961, aaO, 1252). Hierfür hat die Klägerin zunächst auf die Größe der betroffenen Grundstücke sowie die Vielzahl der Eigentümer und Mieter hingewiesen, was - auch wenn die Klägerin nicht schlechthin mit der Verwaltung des Euro-Industrieparks beauftragt war - Rückschlüsse auf die Anforderungen bei Erledigung der übernommenen Infrastrukturaufgaben zuläßt. Insbesondere aber hat sie zur Notwendigkeit vorgetragen , die Infrastruktureinrichtungen des Euro-Industrieparks auf die Landeshauptstadt M. zu überführen. Auf diese Übernahme hinzuwirken, gehörte nach A § 15 Nr. 2 des Vertrages vom 29. März 1989 zu den Aufgaben der Klägerin im Rahmen der Federführung. Ein erheblicher Gesichtspunkt ist ferner
der geltend gemachte Erfolg der Tätigkeit der Klägerin und die damit für die Beklagte bzw. deren Rechtsnachfolger verbundenen Vorteile (vgl. MünchKomm -BGB/Gottwald, aaO, § 315 Rdn. 30) in Gestalt der behaupteten Kostenersparnis gegenüber den üblichen Erschließungskosten und der angeblich erweiterten baulichen Nutzbarkeit. Die zudem noch geltend gemachten Risiken , die die Klägerin mit ihrer Federführungstätigkeit verbunden sehen will, können ebenfalls für die Billigkeit des Ermessens Bedeutung erlangen (vgl. MünchKomm-BGB/Gottwald, aaO, § 315 Rdn. 30).
bb) Ob diese Kriterien, nachdem die unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens erforderlichen Feststellungen getroffen sind, in tatsächlicher Hinsicht einer Nachprüfung standhalten, kann der Senat im vorliegenden Revisionsverfahren nicht entscheiden. Auch die Auswirkungen der genannten Umstände auf die Kontrolle der von der Klägerin getroffenen Leistungsbestimmung muß zunächst umfassender tatrichterlicher Würdigung vorbehalten bleiben (vgl. Senat, BGHZ 71, 276, 283). Dies ändert jedoch nichts daran, daß es sich um wesentliche Umstände handelt, die das Tatsachengericht bei der ihm obliegenden Kontrolle der Leistungsbestimmung anhand der Grundsätze billigen Ermessens nicht unbeachtet lassen darf.
cc) Dem kann sich das Berufungsgericht nicht dadurch entziehen, daß es sich sogleich der Prüfung der Plausibilität der Kontrollüberlegungen der Klägerin zuwendet. Hierbei bedarf es zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens keiner Entscheidung darüber, ob die Überlegungen der Klägerin für den angestellten Vergleich taugen und ihr hierzu gehaltener Vortrag nachvollziehbar ist. Die Kontrollüberlegungen können nämlich ihrer Funktion nach erst dann Bedeutung erlangen, wenn das Tatsachengericht nicht bereits nach dem
Hauptvorbringen der Klägerin und einer ggf. erforderlichen Beweisaufnahme bei seiner Überprüfung der Leistungsbestimmung auf Grund der Billigkeitsgrundsätze hinsichtlich des gesamten eingeklagten Betrages zu einer abschließenden positiven Einschätzung gelangen kann. Es handelt sich mithin um eine besondere Form hilfsweisen Vorbringens. Beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf diesen Teil der Behauptungen einer Partei, so bleibt das Hauptvorbringen außer Betracht und der Prozeßstoff wird nur unvollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
Die Klägerin hat keinen Zweifel daran gelassen, daß das - von dem Berufungsgericht gewürdigte - Vorbringen nur im geschilderten Sinne zur Plausibilitätskontrolle Berücksichtigung finden sollte. Ein entsprechender Hinweis findet sich bei ihren Darlegungen zur Anlehnung der geforderten Vergütung an die Konstituierungs- und Verwaltungsgebühr eines Testamentsvollstreckers sowie ausdrücklich auch bei der Schätzung der anteiligen Personal- und Sachkosten der Behne-Gruppe. Auch die weiteren in der Abrechnung nicht erfaßten "Aufwendungen für die Federführung" und den Gewinnzuschlag auf den - von dem Berufungsgericht für nicht überprüfbar erachteten - Leistungsumsatz hat die Klägerin zu keinem anderen Zweck vorgetragen. In der Anlage, die das Berufungsurteil zitiert, wird hierzu nämlich klargestellt, daß all diese Kosten von den Federführungsgebühren gedeckt sein müßten.
5. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen das Berufungsurteil auch insoweit, als es der Klägerin verwehrt, im Rahmen ihrer Abrechnung einen Teil der Federführungsgebühren rückwirkend geltend zu machen und hierfür Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) von dem Zuschuß der Verkäuferin in Abzug zu bringen. Zwar ist es zutreffend, daß eine Leistungsbestimmung nur ex nunc wirkt
(vgl. Senat, Urt. v. 24. November 1995, V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1055 für eine gerichtliche Leistungsbestimmung ohne weitere Vereinbarung), so daß auch erst ab Zugang der entsprechenden Erklärung Fälligkeitszinsen geschuldet sind (Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 219). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, daß die Parteien nicht gehindert sind, eine Rückwirkung zu vereinbaren (Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 220; Soergel/Wolf, aaO, § 315 Rdn. 44). Eine solche Abrede muß nicht ausdrücklich getroffen sein, sondern kann sich nach den allgemeinen Grundsätzen auch aus den Umständen ergeben (vgl. Senat, Urt. v. 1. März 1996, V ZR 327/94, NJW 1996, 1748). Da mangels Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren davon auszugehen ist, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für Fälligkeitszinsen nach § 353 HGB erfüllt sind, hat das Berufungsgericht die hiernach erforderliche Auslegung unterlassen.
6. Zu Recht beanstandet die Revision ferner, daß die Begründung des Berufungsgerichts eine Abweisung der Klageforderung in voller Höhe nicht trägt. Die von dem Berufungsgericht beanstandete Leistungsbestimmung der Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren (in Höhe von insgesamt 70.677,06 DM) sowie die ebenfalls beanstandete Verrechnung der Fälligkeitszinsen (in Höhe von "in etwa" 2 x 5.255,37 DM = 10.510,74 DM) bleiben hinter den noch eingeklagten 85.131,03 DM zurück. Das Berufungsgericht geht selbst nur davon aus, daß wegen der - nach seiner Ansicht unberechtigten - Zinsen "möglicherweise" mehr als 10.510,74 DM von der Klageforderung in Abzug zu bringen seien, versäumt aber die erforderliche Feststellung, in welchem Umfang der verbleibende Rest der Klageforderung hiernach nicht begründet sein soll. Das Berufungsgericht hätte sich danach auch mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Klageforderung, insbesondere mit der
von ihr geforderten "Schwarzkäuferumlage" von zuletzt 29.853,05 DM auseinandersetzen müssen.

III.


1. Das angefochtene Urteil kann nach alledem keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.). Da Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nur zum Hauptvorbringen der Klägerin hinsichtlich der Federführungsgebühren fehlen, sondern auch zu deren Vortrag für die bei der Abrechnung berücksichtigten weiteren Positionen, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Der Senat ist daher gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
2. Durch die Zurückverweisung erhält das Berufungsgericht - für den Fall, daß sich die erforderlichen Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 353 HGB treffen lassen - auch Gelegenheit, die Auslegung nachzuholen, die es im Hinblick auf eine etwa vereinbarte Rückwirkung der Leistungsbestimmung versäumt hat.
3. Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Leistungsbestimmung der Klägerin nicht der Billigkeit entspricht, so wird es sich einer gerichtlichen Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht entziehen können. Ob im Fall einer Leistungsklage auf Grund vorausgegangener Leistungsbestimmung durch den Berechtigten für eine solche richterliche Gestaltung eine eindeutige Willensentschließung der Partei erforderlich ist (so Staudinger/Rieble, aaO, § 315 Rdn. 236; a.A. wohl MünchKomm-BGB/Gott-
wald, aaO, § 315 Rdn. 49), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Kläge- rin hat jedenfalls inzwischen ihrem Willen, hilfsweise ein Gestaltungsurteil anzustreben , eindeutig Ausdruck verliehen. Dem kann das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung ebenfalls Rechnung tragen. Seine - nicht näher ausgeführten , wohl auf § 62 ZPO gestützten - Bedenken wegen einer vermeintlich notwendigen einheitlichen Leistungsbestimmung gegenüber allen Vorkäufern entbehren einer Grundlage. Da eine aus prozessualen Gründen notwendige ("uneigentliche") Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) nicht zur Unzulässigkeit der Einzelklage führt (BGHZ 30, 195, 198; Senat, BGHZ 36, 187), könnte allenfalls eine aus materiell-rechtlichen Gründen notwendige ("eigentliche" ) Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) ein Gestaltungsurteil allein gegenüber der Beklagten ausschließen. Dies setzt voraus, daß der gestaltende Anspruch nach dem materiellen Recht nur von mehreren oder gegen mehrere Personen geltend gemacht werden kann (vgl. MünchKomm-ZPO/Schilken, 2. Aufl., § 62 Rdn. 27). Hier haben sich die Vorkäufer jedoch in getrennten Verträgen der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen unterworfen und sich jeweils gesondert zur Zahlung nur des Betrages verpflichtet, der für sie in dieser Weise ermittelt worden ist. Die für die Billigkeit der Leistungsbestimmung im konkreten Fall zu beachtenden Grundsätze mögen für alle Vorkäufer von Bedeutung sein, hierbei handelt es sich aber nur um eine einheitliche Vorfrage ,
deren Beantwortung noch keine Streitgenossenschaft zu begründen vermag (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1992, VIII ZR 203/91, NJW 1992, 2413, 2414, insoweit BGHZ 119, 35 nicht abgedruckt, für die Gesamtschuldnerklage).
Wenzel Tropf Krüger Klein Gaier

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 60/04 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (nur zu Ls. a)
BGHR: ja
BGB §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BG, Cl, 309 Nr. 12 a, 315 Abs. 3 Satz 1; ZPO § 546;
KrW-/AbfG Bln §§ 5 Abs. 2, 8 Abs. 1

a) Seit der Eröffnung der Revision auch gegen Urteile des Landgerichts durch die
Zivilprozeßnovelle 2002 kann das Revisionsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen
selbst auslegen, wenn eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene
Berufungsgerichte - verschiedene Landgerichte, verschiedene Oberlandesgerichte
oder ein Landgericht und ein Oberlandesgericht - denkbar ist. Daß die
Klausel nur im Bezirk eines Oberlandesgerichts angewendet wird, steht der Auslegung
durch das Revisionsgericht nicht entgegen.

b) In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens ist
folgende Klausel gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam:
"Trotz rechtzeitiger Mitteilung [der Einwendungen gegen die Rechnung
der Klägerin] bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch
unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses
geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird
der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch
des Entgeltpflichtigen erstattet."
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 24. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:


Die Klägerin, eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt auf der Grundlage des Berliner Betriebegesetzes vom 9. Juli 1993 (BerlBG) die Abfallentsorgung und Straßenreinigung im Land Berlin. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von dem beklagten Hauseigentümer Entgelt für Papierrecycling - und Abfallentsorgungsleistungen in den Jahren 2000 und 2001 in Höhe von 6.301,87 € nebst Zinsen. Der Beklagte macht geltend, die von der Klägerin
festgesetzten Tarife entsprächen nicht der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.
Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben, weil nach den Leistungsbedingungen der Klägerin Einwendungen gegen die Rechnung die Zahlungspflicht nicht ausschlössen und erst im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend gemacht werden könnten. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses muß schon im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin prüfen, ob die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB) berechtigt ist. Die anderslautende Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin ist unwirksam.
I. Die Klägerin hat, wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, grundsätzlich gegen ihre Kunden einen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Entgelts für die von ihr erbrachten Abfallentsorgungsleistungen. Der Entgeltanspruch ergibt sich aus dem zwischen der Klägerin und den Abfallbesitzern bestehenden privatrechtlichen "Benutzungsverhältnis".
Dieses resultiert aus § 5 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Berlin (KrW-/AbfG Bln), wonach die Abfallbesitzer das Recht und die Pflicht haben, ihre Abfälle durch die Klägerin entsorgen zu lassen (Anschlußund Benutzungszwang), und aus § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln, wonach die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger - nach § 2 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln das Land Berlin - durch privatrechtliche Entgelte zu decken sind, die von den benutzungspflichtigen Grundeigentümern nach Maßgabe der von der Aufsichtsbehörde gemäß § 18 Abs. 2 BerlBG genehmigten Entgeltordnung zu zahlen sind. Durch den Anschluß- und Benutzungszwang einerseits und die - der öffentlichen Verwaltung bei der Daseinsvorsorge erlaubte - privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses andererseits , die aus der Wahl privatrechtlicher Entgelte hervorgeht (vgl. Erichsen/ Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 29 Rdn. 34), kommt zwischen der Klägerin und dem Abfallbesitzer ein privatrechtliches "Benutzungsverhältnis" zustande. Ob es sich dabei um einen (Werk-)Vertrag handelt (so BGHZ 115, 311, 314), braucht hier nicht entschieden zu werden. Auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihren Kunden findet das Werkvertragsrecht jedenfalls entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 59, 303, 305).
In diesem Verhältnis gelten die von der Klägerin einseitig festgesetzten Tarife und ihre Leistungsbedingungen ohne besondere Einbeziehungsvereinbarung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 2 BGB. Dies ergibt sich hinsichtlich der Tarife aus dem Gesetzeswortlaut (§ 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln). Es muß aber aufgrund des im Verwaltungsprivatrecht zu beachtenden öffentlichrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BGHZ 115, 311, 318), der eine für alle Kunden gleiche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen verlangt, auch für
die Leistungsbedingungen gelten. Sie sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln (BGH, Urt. v. 03.11.1983 - III ZR 227/82, MDR 1984, 558).
Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der von der Klägerin einseitig festgesetzten Entgeltordnung. Die Leistungsbedingungen der Klägerin vom 21. März 2001 besagen dazu (Nr. 2.2.18 Abs. 1), daß für das Einsammeln von Abfällen nach Maßgabe der im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Tarife Entgelte erhoben werden. Diese Klausel, mit der die Klägerin ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt, ist eine die gesetzliche Regelung des § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln wiederholende und somit lediglich deklaratorische Bestimmung und unterliegt daher nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB.
Der Beklagte schuldet der Klägerin also grundsätzlich das tarifliche Entgelt. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Klägerin dessen Höhe auf der Grundlage ihrer Tarife richtig berechnet hat. Der Streit dreht sich allein um die Einrede des Beklagten, daß die Tarife als solche zu hoch und deshalb für ihn als Kunden nicht verbindlich seien.
II. Zu Unrecht - wenngleich von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben, ohne über die Berechtigung dieser Einrede zu entscheiden.
1. Den Kunden eines Versorgungsunternehmens steht grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu.

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt , daß Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 659; Urt. v. 03.11.1983, aaO; BGHZ 115, 311, 316 m.w.N.; Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden (BGH, Urt. v. 04.12.1986 - VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 15; dagegen und für eine Kontrolle über §§ 138, 305 f. BGB Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdn. 51 f.), muß aber für den hier vorliegenden Fall eines Anschluß- und Benutzungszwangs genauso gelten. Denn auch dann kann der Kunde der einseitigen Preisfestsetzung des Versorgungsunternehmens nicht durch Wahl eines anderen, konkurrierenden Anbieters entgehen.

b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.
24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig /Odenthal/ Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 30 AVBEltV Rdn. 56).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Soweit die Leistungsbedingungen der Klägerin einen Einwendungsausschluß für den Zahlungsprozeß enthalten, ist dieser unwirksam.

a) Die diesbezügliche Klausel Nr. 1.4.2 der von der Klägerin zu den Akten gereichten Leistungsbedingungen vom 21. März 2001, die nach Nr. 2.2.21
nicht nur für die Straßenreinigung, sondern auch für die Abfallentsorgung gilt, lautet:
"Einwendungen gegen Entgeltansprüche
(1) Entgeltansprüche verjähren in vier Jahren. Einwendungen gegen die Rechnung sind innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach ihrem Zugang schriftlich bei den BSR geltend zu machen.
(2) Trotz rechtzeitiger Mitteilung bleibt die Verpflichtung zur Zahlung der Entgelte jedoch unberührt. Die Einwendungen sind im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen. Ist eine Einwendung begründet, so wird der zuviel gezahlte Betrag verrechnet oder auf ausdrücklichen Wunsch des Entgeltpflichtigen erstattet."

b) Die vom Beklagten erhobene Einrede der unbilligen Tariffestsetzung wird vom sachlichen Anwendungsbereich dieser Ausschlußklausel erfaßt.
aa) Bei deren Auslegung ist der erkennende Senat an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden, obwohl Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) keine Rechtsnormen sind und ihre Auslegung daher grundsätzlich Sache des Tatrichters ist.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß AGB dann wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen
vom Revisionsgericht frei auszulegen sind, wenn sie bestimmten Anforderungen in bezug auf ihren räumlichen Geltungsbereich genügen. Der Grund dafür ist das Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung überörtlich geltender AGB (BGHZ 112, 204, 210; 144, 245, 248). Dieses Bedürfnis gebietet es, immer dann, wenn gegen die Urteile verschiedener Berufungsgerichte die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet ist, diesem die Auslegung zu übertragen. In den älteren Entscheidungen hieß es auch, AGB seien frei auszulegen, soweit sie über den Bezirk des "Berufungsgerichts" hinaus angewendet würden (BGHZ 98, 256, 258; 105, 24, 27). Spätere Entscheidungen besagten zwar, daß die AGB über den Bezirk eines "Oberlandesgerichts" hinaus gelten müßten (z.B. BGHZ 112, aaO; 144, aaO). Damit war aber ersichtlich kein Wechsel der Begründung bezweckt, sondern der Begriff "Oberlandesgericht" wurde schlicht als Synonym zu "Berufungsgericht" benutzt, weil damals, nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Revisionsrecht (§ 545 Abs, 1 ZPO a.F.), nur gegen von den Oberlandesgerichten erlassene Urteile die Revision möglich war. Nach Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es geboten, seit Geltung des neuen Revisionsrechts, nach dem gegen die Urteile aller Berufungsgerichte , sei es das Landgericht oder das Oberlandesgericht, die Revision möglich ist (§ 542 Abs. 1 ZPO n.F.), zu dem Begriff "Berufungsgericht" zurückzukehren (diesen verwendet auch Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 545 Rdn. 8).
Die Leistungsbedingungen der Klägerin gelten zwar nur in Berlin, aber gleichwohl "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus". Denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist in erster Instanz das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig und entscheidet im Berufungsverfahren das Landgericht oder das Kammergericht. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Beru-
fungsurteile hat sich auch bereits verwirklicht. Abweichend von dem vorliegenden Berufungsurteil des Kammergerichts (26 U 142/03) hat das Landgericht Berlin als Berufungsgericht entschieden, daß die streitige Ausschlußklausel die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB nicht erfasse (48 S 28/04).
bb) Der erkennende Senat schließt sich der gegenteiligen Auslegung des Berufungsgerichts an.
Der Wortlaut der Klausel - "Einwendungen gegen die Rechnung" - deckt nach allgemeinem Sprachverständnis sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung der Klägerin entgegensetzen kann. Er läßt keine Beschränkung auf bestimmte, besondere Einwendungen erkennen. Insbesondere bietet die allgemein gehaltene Formulierung keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur die Rüge von Ablese- oder Berechnungsfehlern in engerem Sinne gemeint ist, Einwände gegen den Tarif als solchen nach § 315 Abs. 3 BGB hingegen nicht erfaßt werden.
Auch Sinn und Zweck der Klausel sprechen dagegen, daß § 315 Abs. 3 BGB ausgenommen ist. Die Klausel ist in Anlehnung an die normativen Regelungen der §§ 30 AVBEltV, 30 AVB GasV, 30 AVB FernwärmeV und 30 AVBWasserV formuliert, in denen es heißt, daß Einwände gegen Rechnungen und Abschlußrechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, soweit sich aus den Umständen ergibt, daß offensichtliche Fehler vorliegen. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, daß die grundsätzlich zur Vorleistung verpflichteten Versorgungsunternehmen nicht unvertretbare Verzögerungen bei der Realisierung ihrer Preisforderungen in Fällen hinnehmen müssen, in denen Kunden Einwände geltend machen, die sich letztlich als
unberechtigt erweisen (Begründung des Bundesministers für Wirtschaft, wiedergegeben bei Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, § 30 AVBEltV Rdn. 3). Die Verfolgung dieses Zwecks, der ersichtlich auch der Ausschlußklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin zugrunde liegt, gebietet eine weite Auslegung dahin, daß alle Einwände gegen Grund und Höhe des Zahlungsanspruchs ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Einordnung erfaßt werden, einschließlich der Einwände gegen die Höhe der Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB (so auch BGH, Urt. v. 03.11.1983, aaO, zu einer Vorgängerklausel in den Leistungsbedingungen der Klägerin; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.05.2004 - VIII ZR 311/03, NJW 2004, 2161 zur weiten Auslegung der Haftungsbeschränkung in § 6 AVBEltV; ebenso Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 9, 26).
cc) Mit diesem Verständnis der Klausel begründet der erkennende Senat auch keine Divergenz zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Einwendungsausschluß in den Geschäftsbedingungen eines Versorgungsunternehmens befaßt haben. Denn die einschlägigen Urteile betrafen entweder nicht die Einrede nach § 315 Abs. 3 BGB (Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 11/87, MDR 1988, 759) oder nicht die Leistungsbedingungen der Klägerin (Urt. v. 19.01.1983, aaO; BGHZ 115, 311 ff.; Urt. v. 30.4.2003, aaO).

c) Die somit ihrem Inhalt nach einschlägige streitige Ausschlußklausel ist jedoch unwirksam.
Der Prüfungsmaßstab für die Ausschlußklausel ist nicht § 315 Abs. 3 BGB. Denn sie betrifft weder die Leistungsbestimmung, d.h. die Festsetzung des vom Kunden zu zahlenden Entgelts oder etwaiger Nebenpflichten, noch
Leistungsmodalitäten wie Leistungsort oder -zeit. Die Klausel regelt anderweitige Vertragsbestimmungen und ist daher der AGB-Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG, 307 ff. BGB unterworfen. Dieser Kontrolle hält sie nicht stand.
aa) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich allerdings nicht um eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen (§§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB). Im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB trifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Bestimmungsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß seine Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.04.2003, aaO m.w.N.; so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur MünchKomm./Gottwald, aaO Rdn. 53; Staudinger/Rieble, aaO, § 288 f.; a.A. Palandt/Sprau, aaO Rdn. 19). Diese Beweisverteilung wird durch die streitige Klausel nicht berührt.
(1) Durch Auslegung läßt sich der Klausel keine Beweislastumkehr entnehmen. Ihr Text, wonach "die Einwendungen im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (sind)", erwähnt die Beweislast nicht, und auch der bereits dargelegte Zweck der Klausel, das Versorgungsunternehmen vor Verzögerungen bei der Realisierung seiner Preisforderungen zu schützen, wird allein durch die Verweisung der Einwände des Kunden in einen Rückforderungsprozeß voll und ganz erreicht und erfordert daher keine weitergehende Einschränkung seiner Rechte. Die streitige Klausel bezweckt keine materiellrechtliche Verschlechterung der Position des Kunden (Ludwig/Odenthal/ Hempel/Franke, aaO Rdn. 58). Vielmehr entspricht es Sinn und Zweck der
Klausel, im Rückforderungsprozeß des Kunden die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben, wie sie im Zahlungsprozeß des Versorgungsunternehmens ohne die streitige Klausel anzuwenden wäre (OLG Hamm WuM 1991, 431).
(2) Eine Beweislastumkehr folgt auch nicht aus dem Umstand, daß der Kunde im Rückforderungsprozeß seinen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen muß (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Frage, ob es sich überhaupt um eine Beweislastklausel im Sinne der §§ 11 Nr. 15 a AGBG, 309 Nr. 12 a BGB handeln würde, wenn die Veränderung der Beweislast lediglich die Folge der Verweisung des Kunden auf einen Rückforderungsprozeß wäre, kann hier offenbleiben (verneint für die Abgabe eines vorformulierten abstrakten Schuldversprechens von BGHZ 99, 274, 284 f.; 114, 9, 12). Zwar würde die Anwendung des Grundsatzes, daß der Bereicherungsgläubiger dartun und beweisen muß, daß er ohne Rechtsgrund geleistet hat, im vorliegenden Fall bedeuten , daß der Kunde die Unverbindlichkeit der Tarife und damit deren Unbilligkeit darzulegen und zu beweisen hätte, wobei seine Belastung lediglich durch die sogenannte sekundäre Behauptungslast der Klägerin bezüglich der in ihrem Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich gelegenen tatsächlichen Grundlagen der Tarifgestaltung gemildert wäre (BGHZ 154, 5, 9). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn eine Zahlung lediglich als Abschlag oder Vorauszahlung in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erfolgt ist, so hat bei einer Rückforderung der Empfänger das Bestehen der Forderung zu beweisen (BGH, Urt. v. 09.03.1989 - IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606; Urt. v. 08.07.2004 - III ZR 435/02, NJW 2004, 2897). Da auch die Zahlung des Kunden eines Versorgungsunternehmens, der durch eine AGBKlausel mit seinen Einwänden auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen
wird, konkludent unter Vorbehalt erfolgt, muß es auch in diesem Fall im bereicherungsrechtlichen Rückforderungsprozeß dabei bleiben, daß das Versorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Verbindlichkeit bzw. Billigkeit seiner Tarife trägt.
(3) Davon ist auch der Bundesgerichtshof in seinem frühere Leistungsbedingungen der Klägerin betreffenden Urteil vom 3. November 1983 (aaO) ohne weiteres - stillschweigend - ausgegangen (so auch das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Urt. v. 22.03.2001, NVwZ-RR 2002, 384; OLG Hamm aaO; Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 12, 55, 58). Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Bezug auf die inhaltlich ähnliche Klausel des § 30 AVBEltV am Rande die Ansicht geäußert hat, daß im Rückforderungsprozeß der Kunde nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung des Versorgungsunternehmens darzutun und zu beweisen habe (BGH, Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777; BGHZ 154, 5, 9), vermag sich der erkennende Senat dieser Ansicht aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.
bb) Die streitige Bestimmung verstößt jedoch gegen die Generalklausel der §§ 9 AGBG, 307 BGB, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners verbietet.
(1) Die Klausel ist allerdings nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil die Klägerin mit ihr eine - der Verwaltung nicht erlaubte - "Flucht ins Privatrecht" angetreten, d.h. sich ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entledigen versucht hätte. Wenn die Verwaltung, wie hier, öffentliche Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, so werden die Normen des Privatrechts
durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung hat jedenfalls die grundlegenden Prinzipien der öffentlichen Finanzgebarung zu beachten (BGHZ 91, 84, 96 f.; 115, 311, 318). Soweit diese das für die Abgabeneinziehung geltende Verfahrensrecht einschließen, ergeben sich gegen die Klausel indessen keine Bedenken. Auch öffentliche Abgaben muß der in Anspruch Genommene bei wirtschaftlicher Betrachtung schon vor Klärung der Rechtslage leisten. Einwendungen gegenüber der Leistungspflicht hindern die Durchsetzung des Anspruchs nicht ohne weiteres; nach § 80 Abs. 2 VwGO entfällt bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Zwar kommt eine Wiederherstellung dieser Wirkung und damit eine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Auch bei ernstlichen Zweifeln, d.h. dann, wenn der Erfolg des Rechtsmittels ebenso wahrscheinlich wie der Mißerfolg ist (Redeker/ v.Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rdn. 36), kann die Behörde die Aussetzung aber von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 80 Abs. 4 S. 2, 3 VwGO), die im Ergebnis zu einer weitgehenden Sicherstellung der öffentlichen Hand und einer vergleichbaren Belastung des Bürgers führt, wie sie der Einwendungsausschluß der streitigen Klausel mit sich bringt. Auch nach öffentlichem Recht läuft der Bürger also Gefahr, bei einem sich später als unbegründet erweisenden Abgabenbescheid zum einen zunächst einmal leisten und zum anderen die aktive Parteirolle ergreifen zu müssen, um sein Geld zurückzuerhalten.
Daß somit die streitige Klausel im wesentlichen der öffentlich-rechtlichen Regelung entspricht, hindert andererseits nicht die Feststellung ihrer Unwirk-
samkeit nach §§ 9 AGBG, 307 BGB. Entscheidet sich die öffentliche Hand, Leistungsverhältnisse im Rahmen der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form zu regeln, so muß sie es hinnehmen, daß der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt (BGHZ 115, 311, 317). Bei dieser Inhaltskontrolle spielt es deshalb auch keine Rolle, daß der Verordnungsgeber mit dem jeweiligen § 30 der Verordnungen über die AVB der Elektrizitäts -, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Versorgungsunternehmen und Kunden ein normatives Leitbild geschaffen hat (vgl. BGHZ 138, 118, 126 f.).
(2) Es kann dahinstehen, ob die streitige Klausel eine unangemessene Benachteiligung bereits deshalb enthält, weil sie keine Ausnahmeregelung für den Fall vorsieht, daß "offensichtliche" Fehler vorliegen, wie sie in § 30 der AVB der Elektrizitäts-, Fernwärme-, Gas- und Wasserversorgungsunternehmen enthalten ist (so Beuermann, GE 2003, 1192, 1196), oder ob die Klausel insoweit nach ihrem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben entsprechend einschränkend auszulegen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.10.1984 - VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320; Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 für die Bürgschaft auf erstes Anfordern; Urt. v. 24.03.1988, aaO, 759; Ludwig /Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 11; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 41, § 6 Rdn. 15).
(3) Denn die Klausel ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der privatrechtlichen gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, so daß eine unangemessene Benachteiligung der Kunden im Zweifel anzunehmen ist (§§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB),
und weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt hat, daß die Benachteiligung der Kunden durch eigene höherrangige Interessen gerechtfertigt ist (BGHZ 114, 238, 242).
(a) Es ist eine grundlegende gesetzliche Regel des privaten Schuldrechts , daß der Gläubiger das Entstehen, die Begründetheit und die Fälligkeit seiner Forderung darlegen und beweisen muß, bevor er Erfüllung verlangen kann, und daß er umgekehrt keine Leistung beanspruchen kann, wenn der Schuldner berechtigte Einwände darlegt und beweist (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1990 - IX ZR 294/89, NJW-RR 1990, 1265 für den ähnlich gelagerten Fall der Bürgschaft auf erstes Anfordern, dort auch in Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Von dieser Grundregel weicht die streitige Ausschlußklausel ab, weil sie den Schuldner mit seinen Einwendungen auf einen Rückforderungsprozeß verweist.
(b) Weil die Klausel auch den Einwand der unbilligen einseitigen Leistungsbestimmung erfaßt, ist sie ferner auch mit § 315 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren , der ein formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot enthält. Ist der Einwand der Unangemessenheit nach § 315 BGB gerechtfertigt, so ist, wie bereits dargelegt, von Anfang an nur der angemessene, im Ergebnis vom Gericht bestimmte Betrag geschuldet. Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch. Eine Rechtfertigung, ihr darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozeß zu verweisen, ist nicht zu erkennen. Das liefe dem Zweck des § 315 BGB zuwider (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.01.1983, aaO; Urt. v. 30.04.2003, aaO).
(c) Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß demgegenüber ihre schutzwürdigen Belange ein größeres Gewicht haben. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, daß ein beträchtlicher Teil der von ihren Kunden erhobenen und von ihr zurückgewiesenen Einwendungen sich letztlich als unbegründet erweisen wird (vgl. die Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 30 AVBEltV). Dies mag auch für die Rüge überhöhter Tarife zutreffen, zumal die Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 BerlBG), die nur erteilt werden darf, wenn die Tarife den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen einer kostengünstigen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Versorgung entsprechen, wenngleich keine ausreichende Gewähr, so doch ein gewisses Indiz für die Billigkeit der Tarife liefert (vgl. Ludwig /Odenthal/Hempel/ Franke, aaO Rdn. 56; offengelassen in BGH, Urt. v. 03.02.2003, aaO). Bei unbegründeten Schuldnereinwendungen handelt es sich jedoch um ein typisches Gläubigerrisiko, das im Normalfall durch den Anspruch auf Verzugschadensersatz hinreichend ausgeglichen wird. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt , daß dies bei ihr nicht der Fall ist. Sie hat nur in allgemeiner Form auf ihre Vorleistungspflicht aufmerksam gemacht - die indes durch die Pflicht der Kunden zu vierteljährlicher Zahlung weitgehend entschärft ist (Nr. 2.2.21 Abs. 2 Satz 1, 1.4.1 Abs. 2 Satz 1 der Leistungsbedingungen) - und auf ihr - vom Beklagten bestrittenes - Liquiditätsrisiko und auf das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Abfallbeseitigung hingewiesen, hat aber nichts Konkretes dazu vorgetragen, in welcher Größenordnung sie durch Anwendung der streitigen Klausel Einnahmeausfälle, Verzugsschäden und Rechtsverfolgungskosten vermeiden kann. Trotz des Bestreitens des Beklagten hat die Klägerin nicht einmal dargelegt, in welcher Höhe sie überhaupt durch unbegründete Nichtzahlung ihrer Rechnungen Verluste erleidet, ge-
schweige denn, in welchem Umfang ihre Kunden gerade - und zwar unbegründet - die für das Gewicht der Kundenbenachteiligung ausschlaggebende Einrede der überhöhten Tariffestsetzung erheben und in welcher Größenordnung sie, die Klägerin, einen bleibenden Schaden erfahren würde, wenn diese Einrede im Zahlungsprozeß zu berücksichtigen wäre. Gegen eine hieraus resultierende Liquiditätsgefährdung spricht jedenfalls der vom Beklagten unwidersprochen vorgetragene Umstand, daß die Klägerin Entgeltrückstände erst kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend macht.
In Ermangelung näherer Darlegungen der Klägerin ist es dem Senat nicht möglich, das Gewicht der durch die streitige Klausel geschützten berechtigten Belange der Klägerin abzuschätzen und zu beurteilen, ob sie die Benachteiligung der Kunden überwiegen. Deshalb hilft auch die Erwägung nicht, daß der mit der Klausel verbundene Nachteil im Einzelfall bei Zuvielforderungen der Klägerin nicht sehr schwer wiegen mag. Die Klägerin entzieht den Kunden ihre Einwendungen nicht auf Dauer, sondern verweist sie lediglich auf ein gesondertes Verfahren. Daß der Kunde im Rückforderungsprozeß die aktive Kläger- statt der Beklagtenrolle übernehmen muß, belastet ihn in rechtlicher Hinsicht nicht, da, wie bereits dargelegt worden ist, die Darlegungs- und Beweislast sich nicht verändert und auch das Kostenrisiko sich nicht erhöht. Auch ist mit der Rückforderung der Leistung so gut wie kein Insolvenzrisiko verbunden , weil das Land Berlin Gewährträger der Klägerin ist (§ 4 BerlBG). Dies ändert indessen nichts daran, daß die Klägerin das Gewicht ihrer eigenen Interessen nicht hinreichend dargelegt hat.
Die diesbezüglichen Zweifel gehen zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin. Deshalb muß die streitige Klausel als unwirksam beur-
teilt werden (vgl. Palandt/Sprau, vor § 765 Rdn. 14 zur Bürgschaft auf erstes Anfordern; dafür - mit anderer Begründung - auch Rott/Butters, VuR 1999, 75, 79 und Beuermann, aaO S. 1196 f.; a.A. Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, aaO Rdn. 8; Herrmann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Allgemeine Versorgungsbedingungen , § 30 AVBV Rdn. 15).
III. Das Berufungsurteil, das auf der Annahme beruht, die Klausel sei wirksam und der Beklagte mit seinem Einwand der unbilligen Tariffestsetzung im vorliegenden Zahlungsprozeß der Klägerin ausgeschlossen, kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung und zum Beweis zu geben, daß ihre Tarife der
Billigkeit entsprechen. Dazu hatte sie im Berufungsverfahren noch keinen Anlaß , nachdem die erstinstanzlich entscheidende Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin die Ausschlußklausel für wirksam gehalten hatte und dies mit der vorangegangenen Rechtsprechung des Kammergerichts in Einklang stand.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf
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Erweist sich die einseitige Honorarfestsetzung unter Beachtung der genannten Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob die Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, dagegen als Überschreitung des dem Kläger vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums, so ist sie unverbindlich und die Bestimmung der dem Kläger zustehenden Vergütung durch Gestaltungsurteil zu treffen. Erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung fällig und kann der Schuldner in Verzug geraten (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II. 1. b; BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; Münch.Komm./Gottwald, BGB, aaO, § 315 BGB Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 BGB Rdn. 17; Staudinger /Rieble, BGB Bearb. 2004, § 315 BGB Rdn. 276; vgl. auch BAG NJW 1969, 1735). Denn die Gestaltungswirkung des Urteils, die mit der Neubestimmung der Vergütung verbunden ist, tritt erst mit seiner Rechtskraft ein (BGHZ 122, 32, 46). Mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils tritt der Verzug des Schuldners aber ohne weiteres und auch dann ein, wenn das Urteil einen bestimmten Zeitpunkt für die Leistung nicht ausdrücklich festlegt, weil mit ihm dem Schuldner nachdrücklich vor Augen geführt wird, dass er alsbald zu leisten hat (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB Bearb. 2004, § 286 BGB Rdn. 65; a.A. Soergel/ Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 284 BGB Rdn. 32; § 291 BGB Rdn. 16).

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

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aa) Ein Schiedsgutachter verfehlt seinen Auftrag (nur) dann, wenn er ein offenbar unrichtiges und damit entsprechend § 319 BGB unverbindliches Gutachten erstellt. Offenbare Unrichtigkeit ist anzunehmen, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten offenbar unrichtig erst dann ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1967 - III ZR 22/66, WM 1968, 307, 308; BGH, Urteile vom 27. Juni 2001 - VIII ZR 235/00, NJW 2001, 3775, 3776 f sowie vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 74/03, NJW-RR 2004, 760, 761; in: MünchKommBGB /Würdinger, aaO, § 319 Rn. 15).

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.