Landgericht Hamburg Urteil, 06. Mai 2014 - 406 HKO 47/14

published on 06.05.2014 00:00
Landgericht Hamburg Urteil, 06. Mai 2014 - 406 HKO 47/14
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Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 19.2.2014 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vorläufig vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Antragsgegnerin leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Arzneimittelmarkt, u.a. beim Vertrieb von Antibiotika zur Behandlung von insbesondere durch Krankenhauskeime verursachte Durchfallerkrankungen. Die Antragsgegnerin vertreibt diesbezüglich das Präparat "V..E..", dessen Fachinformation sich aus Anlage ASt 2 ergibt.

2

Auf ihrer Homepage veröffentlichte die Antragsgegnerin die aus Anlage 1 und 2 zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ersichtlichen Beiträge, die sich mit der Rezidivproblematik und -therapie befassen und diesbezüglich eine Therapie mit "V.." in einer Dauer und Dosierung erwähnen, die in der Fachinformation gemäß Anlage ASt 2 unter Ziffer 4.2 (Dosierung, Art und Dauer der Anwendung) nicht erwähnt wird.

3

Hierin sieht die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 3a HWG in Gestalt einer von dem Zulassungsstatus abweichenden Werbung. Diese Werbung beinhalte zugleich eine Irreführung über den Zulassungsstatus des beworbenen Arzneimittels.

4

Die Antragstellerin erwirkte am 19.2.2014 einen Beschluss, mit dem der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel "V..E.." mit einer mehrwöchigen Intervalltherapie in ausschleichender Dosierung zu werben und/oder werben zu lassen, wie dies auf der Homepage der R.. P.. GmbH gemäß dem als Anlage 1 beigefügten Auszug und/oder dem in der Anlage 2 diesem Beschluss beigefügten Sonderdruck "Sichere Therapie mit V..-Kapseln" geschehen ist.

5

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend macht, die Werbung mit einer von der Zulassung abweichenden Dosierungsempfehlung werde nicht von § 3a HWG erfasst und führe auch nicht zu einer Irreführung über den Zulassungsstatus. Außerdem enthalte die Fachinformation keine strikte Begrenzung der Dosierung und Anwendungsdauer.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

7

die einstweilige Verfügung vom 19.2.2014 aufzuheben und den auf ihren Erlass  gerichteten Antrag zurückzuweisen.

8

Die Antragstellerin beantragt

9

Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

10

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unter Berücksichtigung des Parteivorbringens im Widerspruchsverfahren nicht begründet.

12

Die streitige Werbung verstößt nicht gegen § 3a HWG.

13

Nach dieser Vorschrift ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Unzulässig ist nach § 3a S. 2 HWG auch eine Werbung, die sich auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind. Eine Werbung mit einer von der Zulassung abweichenden Dosierungsempfehlung fällt daher nicht unter den Wortlaut des § 3a HWG. Eine entsprechende Anwendung des § 3a HWG auf Fälle von der Fachinformation abweichender Dosierungsempfehlungen in der Werbung erscheint der Kammer nicht als zulässig. Hier fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung für eine analoge Anwendung der Vorschrift in Gestalt einer planwidrigen Regelungslücke. Eine solche mag vor der mit der Einfügung des Satzes 2 verbundenen Neufassung des § 3a HWG bestanden haben. Durch die Einfügung von § 3a S. 2 HWG hat der Gesetzgeber jedoch die Frage abschließend geregelt, in welchem Umfang das Verbot der Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel auch auf von der Zulassung abweichende Werbung Anwendung findet, nämlich für Werbung, die sich auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind. Damit ist die Frage entschieden, in welchem Umfang eine von der Zulassung abweichende Werbung mit einer Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel gleichgesetzt werden kann. An diese gesetzgeberische Entscheidung ist das Gericht gebunden (vgl. Art. 20 GG) und darf diese nicht durch eine eigene Bewertung ersetzen, etwa dahingehend, dass Abweichungen von der vorgesehenen Dosierung gleichfalls der Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel gleichzusetzen sind.

14

Die von Antragstellerseite angeführte Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 16.1.2003 (Az.: 3 U 130/02) steht dem nicht entgegen. Denn diese Entscheidung ist vor der Neufassung des § 3a HWG ergangen, als die Frage, inwieweit eine von der Zulassung abweichende Werbung der Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel gleichzustellen ist, noch nicht gesetzgeberisch durch Einfügung des § 3a S. 2 HWG entschieden worden war. Im neueren Schrifttum wird zwar unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes weiterhin die Auffassung vertreten, § 3 a HWG erfasse auch die Werbung für eine nicht zugelassene Dosierung, dies jedoch ohne Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderung (vgl. Reese/Holthoff in Handbuch des Pharmarechts, 2010, S.670; Riegger, Heilmittelwerberecht, 2009, S. 97).

15

Davon abgesehen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem vom Hanseatischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall auch dadurch, dass vorliegend in der Fachinformation keine feste Dosierung vorgesehen ist, sondern lediglich von "Dosierungsrichtlinien", "üblicherweise" einzunehmenden Mengen sowie davon die Rede ist, wie lange das Präparat eingenommen werden "sollte".

16

Der in der mündlichen Verhandlung von Antragstellerseite erstmals vorgetragene Gesichtspunkt, dass in der Fachinformation auf die Anwendung von V.. in Pulverform hingewiesen wird, wenn der V..gehalt der Hartkapsel für eine Einzeldosis zu hoch ist, führt gleichfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Dass die beworbene Dosierung mit dem beworbenen Medikament nicht umgesetzt werden kann, ist nicht Gegenstand des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewesen und konnte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unter Dringlichkeitsgesichtspunkten auch nicht mehr zum Gegenstand des Antrages gemacht werden. Außerdem enthält die Fachinformation auch insoweit lediglich eine Empfehlung ("kann") und zur fehlenden Teilbarkeit der beworbenen Kapseln fehlt es an substantiiertem Sachvortrag und einer Glaubhaftmachung.

17

Die streitige Werbung ist nicht irreführend. Die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise gehen nicht davon aus, dass sich jegliche Werbeaussage inhaltsgleich auch in der Fachinformation wiederfindet. Für eine derartige Verkehrsauffassung besteht keine Grundlage, da § 3a HWG gerade nicht jegliche von der Fachinformation abweichenden Werbeangaben verbietet.

18

Dass die streitige Werbung mangels hinreichender wissenschaftlicher Absicherung irreführend sei, wird von Antragstellerseite nicht geltend gemacht.

19

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
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published on 30.07.2015 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin in Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 6.5.2014, Az. 406 HKO 47/14, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungs
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Tenor 1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin in Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 6.5.2014, Az. 406 HKO 47/14, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungs
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Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Unzulässig ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.