Landgericht Heidelberg Urteil, 01. Aug. 2012 - 4 O 79/07

bei uns veröffentlicht am01.08.2012

Tenor

1. Die Beklagten Ziffer 1 – 5 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten Ziffer 1 – 5 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren künftigen immateriellen – nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstehenden - und materiellen Schäden zu erstatten, die ihr aus der fehlerhaften Behandlung vom 22.07.2004 noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 58 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 42 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die am ...1988 geborene Klägerin macht Schmerzensgeld-, Schadensersatz- und Feststellungsansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Zeitraum 22.07. – 05.10.2004 geltend.
Die damals noch in der Berufsausbildung befindliche Klägerin befand sich in gynäkologischer Behandlung bei der Beklagten Ziffer 1, die gemeinsam mit den Beklagten Ziffer 2 – 4 eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis (die Beklagte Ziffer 5) betreibt.
Am 29.04.2004 hatte sich die damals 15-jährige Klägerin gezielt nach dem eine Empfängnis verhütenden Medikament „Implanon“ erkundigt. Die von den Beklagten empfohlene Erhebung eines Hormonstatus ergab keine Auffälligkeiten. Das Ergebnis des Laborauftrages wurde am 05.05.2004 mit der Klägerin erörtert, mit dem Hinweis, dass keine Bedenken bestanden, das Verhütungsmittel Implanon einzusetzen.
Am 22.07.2004 fand sich die Klägerin zur Vornahme der Implantation des Präparates Implanon zur Schwangerschaftsverhütung in der Praxis der Beklagten ein. Die Behandlung erfolgte durch die Beklagte Ziffer 1, die die Qualifikation zur Verabreichung des Medikaments Implanon besitzt.
In der Folge wurde die Klägerin dreimal zu Blutuntersuchungen am 28.07., 10.08. und 05.10.2004 einbestellt. Die Durchführung dieser Untersuchungen erfolgte durch ein hierzu nicht zugelassenes Labor; laut Herstellerangaben dürfen derartige Untersuchungen nur durch den Hersteller erfolgen. Hierbei konnte der Nachweis, dass das Implantat richtig liege und auch funktioniere, nicht geführt werden. In der Folgezeit war das Implanonstäbchen weder tastbar noch durch Ultraschall nachweisbar. In der Zeit vom 05.10.2004 bis zum 08.12.2005 meldete sich die Klägerin nicht mehr in der Praxis der Beklagten.
Die Klägerin hat – mit Ausnahme eines Zeitraums von 28 Tagen nach dem Termin vom 22.07.2004 zur Einbringung des Medikaments Implanon - keine zusätzlichen Verhütungsmittel angewandt und auch keine sonstigen Medikamente eingenommen, insbesondere keine der vom Sachverständigen auf S.13 seines Gutachtens vom 27.07.2010 genannten Medikamente.
Am 08.12.2005 wurde in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten eine Schwangerschaft diagnostiziert.
Die von der Klägerin konsultierte Nachbehandlerin Dr. M. ließ beim Hersteller des Implantats Implanon eine Blutuntersuchung zum Zweck der Feststellung des Etonogestrelspiegels durchführen. Diese Untersuchung ergab, dass im Blut der Klägerin kein Etonogestrelspiegel festgestellt werden konnte. Nach am 15.12.2005 erfolgter Beratung hat die Klägerin am 29.12.2005 in der Praxisklinik S. u. G. einen ambulanten Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen. Danach wurde eine erneute Schwangerschaftsverhütung veranlasst.
Beide Parteien gehen davon aus, dass es der Beklagten Ziffer 1 offensichtlich nicht gelungen war, das Implanon-Stäbchen zu setzen.
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Unstreitig ist eine Sicherheitsaufklärung am 22.07.2004 nicht dokumentiert, auch nicht im Zuge der folgenden Blutuntersuchungen. Am 28.07.2004 wurde lediglich in der Patientenkartei festgehalten: „Es wird mit der Pat. besprochen.“ (AS. 151).
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Die Klägerin trägt vor,
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dass den Beklagten bei der Behandlung vermeidbar grobe Fehler unterlaufen seien, durch die der Klägerin nachhaltig schwere Schäden zugefügt worden seien.
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Es sei unverständlich, dass der Beklagte Ziffer 2 die Anwendung des Präparats Implanon bei der damals 15 ½-jährigen Klägerin zugelassen habe, obwohl er es für junge Frauen physiologisch als nicht unproblematisch beurteilte. Insoweit sei den Beklagten eine fehlerhafte Beratung bzw. Behandlung anzulasten.
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Die Maßnahme zur Schwangerschaftsverhütung sei unwirksam gewesen und habe keine Schwangerschaftsverhütung herbeiführen können. Das Implantat sei nicht eingepflanzt worden, was die Beklagte Ziffer 1 und der Beklagte Ziffer 2 auch eingeräumt hätten. Der Klägerin sei jedoch niemals mitgeteilt worden, dass – aufgrund der Ergebnisse der Blutuntersuchungen - nicht feststand, ob bei ihr ein wirksamer Schwangerschaftsschutz bestand.
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Die von den Beklagten veranlassten Blutuntersuchungen seien zum Nachweis der Einlage des Implantats nicht geeignet gewesen.
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Vom Ergebnis der dreimaligen Blutuntersuchungen sei die Klägerin nie unterrichtet worden. Damit hätten die Beklagten grob fehlerhaft ihre Pflicht zur Sicherungsaufklärung verletzt. Hinweise dazu, dass kein wirksamer Schwangerschaftsschutz bestand, und zur Notwendigkeit anderer Verhütungsmaßnahmen seien ihr auch nicht gegeben worden.
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Aus der Dokumentation der Beklagten ergebe sich, dass diese noch im Dezember 2005 der Überzeugung gewesen seien, das Implantat als wirksames Verhütungsmittel eingesetzt zu haben.
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Infolge der fehlerhaften Behandlung sei die Klägerin schwanger geworden.
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Noch am 08.12.2005 hätten die Klägerin und ihre Eltern den Entschluss gefasst, das Kind nicht auszutragen.
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Die schwere seelische Belastung in Zusammenhang mit dem am 29.12.2005 durchgeführten Schwangerschaftsabbruch, der Entscheidungskonflikt zwischen der beruflichen Ausbildung und der Mutterschaft, die Schuldgefühle gegenüber dem Ungeborenen hätten schwere Nachwirkungen für sie ausgelöst. Zeitweilig bestünden körperliche Störungen, Kopf- und Magenschmerzen. Es sei ein erhebliches posttraumatisches Belastungssyndrom entstanden. Sie habe sich sozial zurückgezogen und habe Angst vor dem Geschlechtsverkehr. Psychische Spätschäden seien nicht ausgeschlossen. Hierauf stützt die Klägerin eine Schmerzensgeldforderung in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR.
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Der materielle Schaden in Gestalt von Kosten für erneuten Schutz vor Schwangerschaft (320,00 EUR), Fahrtkosten nach L., Ferngespräche und sonstige Mehraufwendungen belaufe sich geschätzt auf mindestens 1.000,00 EUR.
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Die Klägerin sei psychisch traumatisiert, Spätschäden seien nicht ausgeschlossen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften Behandlung am 22.07.2004 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 20.000,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.09.2006;
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2. die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.000,00 EUR zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 01.09.2006;
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3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren immateriellen – nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstehenden - und materiellen Schäden der Vergangenheit und Zukunft zu erstatten, die ihr aus der fehlerhaften Behandlung vom 22.07.2004 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
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Die Beklagten beantragen
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Klageabweisung.
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Die Beklagten tragen vor,
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dass ihnen keine Behandlungsfehler angelastet werden könnten.
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Am 22.07.2004 sei der Klägerin zunächst die Vorgehensweise bei der Implantation erläutert worden. Nach Lokalanästhesie sei das Implanon-Stäbchen entsprechend den Herstellerhinweisen wie folgt gesetzt worden:
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Die Beklagte Ziffer 1 habe die Nadel nahezu vollständig subkutan parallel unter der Hautoberfläche eingeführt, nachdem sie sich zuvor visuell vom Vorhandensein des Stäbchens überzeugt hätte. Dann sei der Stempel des spritzenförmigen mitgelieferten Geräts um 90° gedreht worden. Die Spritze sei dann bei gleichzeitigem Festhalten des Stempels mit der Nadel zurückgezogen worden.
33 
Die Beklagte Ziffer 1 verfüge über die entsprechende Qualifikation zur Verabreichung des Medikaments Implanon. Nach Abschluss der Behandlung habe die Beklagte Ziffer 1 versucht, durch Palpieren die Lage des Stäbchens unter der Haut der Klägerin festzustellen, habe es jedoch nicht finden können. Sie sei davon ausgegangen, dass das Stäbchen möglicherweise wegen der Schwellung durch die Lokalanästhesie nicht getastet werden könne. Deshalb sei ein Folgetermin zur Verifizierung der Lage des Stäbchens mit der Klägerin vereinbart worden. Gleichzeitig habe die Beklagte Ziffer 1 die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie bis zum sicheren Nachweis des Stäbchens keinen entsprechenden Schutz habe und deshalb für anderweitige Verhütungsmaßnahmen Sorge tragen müsse.
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Auch bei dem Folgetermin am 28.07.2004, bei dem die Beklagten Ziffer 1 und 3 die Lage des Stäbchens nicht verifizieren konnten, sei das negative Ergebnis der Untersuchung mit der Klägerin erörtert worden mit dem Hinweis, dass derzeit keine Sicherheit dafür bestehe, dass sich das Medikament Implanon im Körper der Klägerin befinde. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie in jedem Fall für eine anderweitige Verhütung Sorge tragen müsse bis zum Nachweis der Einlage des Implanon-Stäbchens.
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Auch das negative Ergebnis der Hormonkontrolle vom 10.08.2004 sei der Klägerin mitgeteilt worden. In der Folge seien die Eltern der Klägerin am 10.09.2004 telefonisch darauf hingewiesen worden, dass diese wegen des negativen Laborergebnisses nochmals zur Kontrolle kommen müsse. Auch das wiederum negative Ergebnis der Blutentnahme vom 05.10.2004 sei der Klägerin mitgeteilt worden.
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Dass es der Beklagten Ziffer 1 offensichtlich nicht gelungen war, das Implanon-Stäbchen zu setzen, reiche nicht als Grundlage für eine fehlerhafte Behandlung aus, da ein Arzt keinen Erfolg schulde.
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Auch daraus, dass den Beklagten unstreitig bzgl. der von ihnen veranlassten Blutuntersuchungen Fehler unterlaufen waren, lasse sich keine Haftung herleiten. Nach dem Grundsatz der horizontalen Arbeitsteilung habe nämlich der Laborarzt für seinen Fachbereich einzustehen. Er habe darauf hinweisen müssen, dass der Nachweis des Wirkstoffs des Medikaments Implanon in einem standardmäßig ausgestatteten medizinischen Labor nicht geführt werden kann.
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Die Beklagten bestreiten eine Kausalität sowie die Höhe der Schmerzensgeldforderung. Schadensersatzansprüche seien allenfalls hinsichtlich zweier so nicht sinnvoller Blutentnahmen denkbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst vorgelegter Anlagen Bezug genommen.
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Die Kammer hat gem. Beweisbeschluss vom 18.05.2009 Beweis erhoben durch Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens des Prof. Dr. Z. vom 27.07.2010 (AS. 191 ff.), welches dieser in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2011 erläutert hat.
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Die Kammer hat im Termin vom 19.01.2011 die Klägerin und die Beklagten Ziffer 1, 2 und 3 persönlich angehört und die Zeugen B. R., H. G. und Dr. J. vernommen.
42 
Weiter hat die Kammer eine schriftliche Aussage der Zeugin K. vom 17.12.2010 (AS. 289 f.) eingeholt, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Wegen des an diese Zeugin gerichteten Fragenkatalogs wird auf die Verfügung vom 02.12.2010 Bezug genommen (AS. 277).
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Die Akten des Landgerichts Waldshut-Tiengen, Az. 2 O 70/04, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.01.2011 verwiesen (AS. 297 ff.).
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Weiter hat die Kammer gem. Beschluss vom 23.03.2011 ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z. eingeholt, welches dieser im Termin vom 18.05.2011 mündlich erstattet hat (AS. 423 ff.).
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Im genannten Termin wurden die Klägerin und der Beklagte Ziffer 2 nochmals ergänzend angehört und die Zeugin R. ergänzend vernommen.
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Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 18.05.2011 Bezug genommen (AS. 415 ff.).
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Gem. Beweisbeschlüssen vom 22.06.2011 (AS. 439 ff.) und vom 20.07.2011 (AS. 465 f.) hat die Kammer zudem ein psychiatrisches Zusatzgutachten des Prof. Dr. E. vom 03.11.2011 (AS. 491 ff.) eingeholt, welches dieser im Verhandlungstermin vom 13.06.2012 mündlich erläutert hat (Sitzungsprotokoll vom 13.06.2012, AS. 563 ff.).

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch nur teilweise Erfolg.
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I. Zulässigkeit
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1. Die bei Abschluss des Behandlungsvertrages minderjährige Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung volljährig und damit prozessfähig.
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2. Die Partei- und Prozessfähigkeit der Beklagten Ziffer 5, die als Gemeinschaftspraxis eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts ist, ist zu bejahen, BGHZ 146, 341.
53 
3. Das für den Klageantrag Ziffer 3 zu fordernde Feststellungsinteresse liegt ebenfalls vor, § 256 Abs. 1 ZPO. Bei Verletzung eines absoluten Rechtsguts – wie im Fall der Klägerin der Gesundheit – reicht es aus, wenn künftige Schadensfolgen – wenn auch nur entfernt – möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BGH MDR 2007, 792; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 9). Hiervon geht die Kammer aufgrund der plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird, aus. Danach sind psychische Spätschäden der Klägerin als möglich anzusehen.
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II. Begründetheit
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1. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages Ziffer 1 insoweit begründet, als der Klägerin sowohl aus Vertrag als auch aus Delikt ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten Ziffern 1 – 5 zuzusprechen ist. Soweit die Klägerin ein darüber hinaus gehendes Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 EUR begehrt, ist die Klage abzuweisen.
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2. Im Arzthaftungsprozess trägt der Patient die Beweislast für den behaupteten Behandlungsfehler, also eine Abweichung der ärztlichen Behandlung vom medizinischen Standard (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 200 mw.N; BGH VersR 1999, 716). Auch den Beweis für die ursächliche Verknüpfung zwischen Behandlungsfehler und dem behaupteten Schaden hat der Patient zu führen, § 286 ZPO.
57 
3. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Nachweis mehrfacher Behandlungsfehler geführt, die in der Gesamtschau die Wertung einer grob fehlerhaften Behandlung tragen.
58 
Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen der Verwertung des im beigezogenen Verfahren des Landgerichts Waldshut-Tiengen, Az. 2 O 70/04, in der Berufungsinstanz (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. 13 U 134/04) eingeholten Sachverständigengutachtens gem. § 411 a ZPO nicht gegeben. Vielmehr war mangels vergleichbarer Sachverhalte und mangels Identität der Beweisfragen entgegen des Antrags der Klägerin gem. Beweisbeschluss vom 18.05.2009 im hiesigen Verfahren Beweis durch Anordnung schriftlicher Begutachtung zu erheben, worauf die Kammer bereits im Beweisbeschluss hingewiesen hat.
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Die Kammer stützt ihre Überzeugung vom Vorliegen mehrerer Behandlungsfehler auf das überzeugende und nachvollziehbare Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z. vom 27.07.2010 (AS. 191 ff.), welches dieser in den Verhandlungsterminen vom 19.01.2011 (AS. 323 ff.) und vom 18.05.2011 (AS. 423 ff.) mündlich erläutert hat. Der Sachverständige ist als ehemaliger Direktor der Klinik für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums F. hervorragend geeignet, die an ihn gerichteten Beweisfragen zu beantworten. Zudem war er bereits an Zulassungsstudien für das hier streitgegenständliche Kontrazeptivum Implanon beteiligt und hat auch Schulungen für niedergelassene Gynäkologen betreffend die Verabreichung des genannten Medikaments geleitet. Auch das in dem beigezogenen Gerichtsverfahren erstattete Gutachten hat der gerichtlich bestellte Sachverständige verfasst. Die gutachterlichen Ausführungen sind plausibel und widerspruchsfrei. Zudem ist der Sachverständige von den zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Insbesondere hat sich der Sachverständige umfassend mit der einschlägigen Literatur, die er auch zu den Gerichtsakten vorgelegt hat, auseinander gesetzt und ist auf die einzelnen Fragen der Parteien detailliert eingegangen. Tendenzen zum Schutz der Beklagten sind nicht ersichtlich. Die Kammer macht sich daher nach eigener Überprüfung die Ausführungen dieses Gutachters zu Eigen.
60 
a) Ein Behandlungsfehler ergibt sich allerdings noch nicht aus einer etwaigen Kontraindikation. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Präparats im Fall der Klägerin nicht indiziert gewesen wäre. Zwar hatte der Beklagte Ziffer 2 im Rahmen seiner Parteianhörung angegeben, dass er die Verwendung von Implanon bei jungen Frauen als physiologisch nicht unproblematisch angesehen habe, weshalb dieses für ihn nicht das Mittel der ersten Wahl dargestellt habe. Dies habe er jedoch nicht klar mit der Klägerin und deren Mutter kommuniziert. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. ausgeführt, dass sich allein aus dem jugendlichen Alter der Klägerin zum Zeitpunkt der Verordnung des Präparats keine Kontraindikation ergebe. Für Zulassungsstudien würden zwar lediglich Daten von Patientinnen ab einem Alter von 18 Jahren erhoben. Aber auch aus heutiger Sicht seien keine Bedenken bei der Verwendung bei jüngeren Frauen gerechtfertigt. Bei der durch Implanon nur kurzfristig bewirkten Absenkung des körpereigenen Östrogenspiegels sei auch kein relevantes Osteoporoserisiko zu befürchten. Im Fall der Klägerin, die vor der streitgegenständlichen Behandlung schon verschiedene Pillenkombinationspräparate genommen hatte, sei auch eher davon auszugehen, dass ihre körperliche Entwicklung im Juli 2004 bereits abgeschlossen gewesen sei. Bei der seinerzeit 15-jährigen Klägerin bestanden also keine Risiken, auf die aus medizinischer Sicht hätte hingewiesen werden müssen.
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b) Die Klägerin hätte auch nicht auf andere Behandlungsalternativen hingewiesen werden müssen. Die Verhütung mittels Implanon gilt – wie der Sachverständige ausgeführt hat – als sehr sichere Methode (in einem Zeitraum von neun Jahren wurden pro 100 verkaufter Implanon-Stäbchen 0,049 Schwangerschaften registriert). Der Beklagte Ziffer 2 hat angegeben, dass er der Klägerin zunächst ein anderes Pillenpräparat empfohlen habe. Da die Klägerin nach Verwendung verschiedener Pillen aber Unverträglichkeiten gezeigt hatte, hätten keine gleichwertigen Alternativen bestanden. Barrieremethoden sind als extrem unsicher einzustufen. Bei der Verwendung der Spirale besteht eine hohe Infektionsrate. Der Verwendung der Dreimonatsspritze haftet eine relevante Osteoporosegefahr an, wie der Sachverständige dargestellt hat.
62 
c) Ein Behandlungsfehler ist zum einen darin zu sehen, dass die Beklagte Ziffer 1 das Verhütungsmittel Implanon am 22.07.2004 nicht ordnungsgemäß der Klägerin implantiert hatte. Der zwischen den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag (die seinerzeit minderjährige Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch ihre Eltern gesetzlich vertreten) war darauf gerichtet, der Klägerin das Mittel Implanon zu verabreichen. Zweck dieser Maßnahme war neben dem von der Klägerin und der Zeugin R. geschilderten Ziel, die bisher beklagten Nebenwirkungen von Pillenpräparaten (Magenbeschwerden) zu vermeiden, vor allem – und so auch in der Vorbesprechung ausdrücklich mit dem Beklagten Ziffer 2 thematisiert – die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin. Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil der Beklagten Ziffer 1 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
63 
Entweder war der Beklagten Ziffer 1 das wirkstoffhaltige Stäbchen vor der Einlage aus der Einführungskanüle heraus geglitten oder sie hatte, wie von ihr im Verhandlungstermin vom 19.01.2011 geschildert, die Einführungskanüle unter die Haut der Klägerin gebracht, dann aber – unbemerkt – das implanonhaltige Stäbchen wieder mit entfernt. Diese Möglichkeiten hat der Sachverständige plausibel dargestellt.
64 
Die von der Beklagten Ziffer 1 geschilderte Vorgehensweise bei der Einlage des Präparats Implanon, die sie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.01.2011 anhand eines Placeboexemplars demonstriert hat, hat der Sachverständige grundsätzlich als lege artis bezeichnet. Sie entspricht den in der Fachinformation geforderten Schritten (AS. 367 ff.). Ausweislich des nach Absolvieren einer Fortbildungsveranstaltung erteilten Testats war die Beklagte Ziffer 1 auch ausreichend qualifiziert, die Einlage von Implanon durchzuführen. Bedingt durch den besonderen Mechanismus zur Einlage des Implanon kann sich diese Einlage allerdings als besonders schwierig gestalten. Dies haben der Sachverständige und auch der Zeuge J. übereinstimmend ausgeführt. Insbesondere ist es nach deren Angaben durchaus möglich, dass das Implanon unbemerkt aus dem Applikator herausfallen kann. Diese bekannten Schwierigkeiten haben den Hersteller auch dazu bewogen, den Mechanismus zum Einlegen des Präparats später zu ändern. Im konkreten Fall hatten sich der Beklagten Ziffer 1 nach ihren Angaben nach fehlender Möglichkeit der Palpation im Anschluss an das Einlegen des Präparats auch Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Implantation ergeben. Auch Ultraschall- und Blutuntersuchungen konnten in der Folge die Einlage von Implanon nicht bestätigen. Einen ungewollten Verlust des Stäbchens nach dessen ordnungsgemäßer Einbringung hat der Sachverständige als nicht denkbar bezeichnet. Eine eventuelle Wechselwirkung mit ETNG-unterdrückenden Medikamenten kann nach der unbestrittenen Darstellung der Klägerin, dass sie keine der fraglichen Medikamente eingenommen hatte, ausgeschlossen werden. Nachdem die durch die Nachbehandlerin Dr. M. bei der Herstellerfirma veranlasste Blutuntersuchung keinen Nachweis für ETNG, den Wirkstoff des Präparats Implanon, ergeben hatte, ist zur Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass kein Implantat in den Körper der Klägerin eingelegt worden war. Davon ist gerade deshalb auszugehen, weil die ausschließlich von der Herstellerfirma vorgehaltene Nachweismethode für ETNG auch in der Frühgravidität, also zum Zeitpunkt der von Frau Dr. M. veranlassten Blutuntersuchung, aussagekräftig ist, wie die für die Herstellerfirma tätige Zeugin K. schriftlich ausgesagt hat (AS. 289 f.). Dies haben der Zeuge J., der seinerzeit als Medical Adviser ebenfalls bei der Herstellerfirma tätig war, und der Sachverständige bestätigt. Letzterer hat im Termin vom 19.01.2011 ausgeführt, dass das Implanon mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich nicht eingebracht war. Die Beklagte Ziffer 1 hat sich aber gerade dann nicht ordnungsgemäß verhalten, wenn sie bei konkret bestehenden Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Einlage sich offensichtlich nicht davon überzeugt hatte, dass das Implanon auch nicht aus dem Applikator heraus gefallen oder aus der Haut wieder herausgezogen war. Mithin ist ein Behandlungsfehler festzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt die Kammer aus den genannten Gründen entgegen der gutachterlichen Wertung, dass die Einlage des Implanon ordnungsgemäß erfolgt sei.
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Die Beklagten können auch nicht mit der Argumentation durchdringen, dass ein Arzt bei einer medizinischen Behandlung keinen Erfolg schulde. Zwar handelt es sich bei einem ärztlichen Behandlungsvertrag nicht um einen Werkvertrag. Wegen der Besonderheiten des menschlichen Organismus kann ein Arzt nämlich grundsätzlich nicht den Erfolg einer medizinischen Behandlung garantieren. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit aber gerade darin, dass mit dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag die Einbringung des Präparats Implanon zum Zwecke der Empfängnisverhütung vereinbart worden war. Bereits die Einlage des Medikaments ist aber nicht erfolgt, wobei gerade dieser Erfolg vertraglich geschuldet war.
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Der Behandlungsfehler der nicht ordnungsgemäßen Einlage des Implanon ist auch als kausal für die spätere Schwangerschaft anzusehen. Das Präparat hätte nämlich bei lege artis erfolgter Implantation kontrazeptiven Schutz gewährt (BGH Urteil vom 14.11.2006, Az. VI ZR 48/06, Rn.9). Die Versagerrate hat der Sachverständige als äußerst gering bewertet (vgl. obige Ausführungen unter 3 d)). Allerdings gibt es keine 100%ig sichere Verhütungsmethode.
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d) Darüber hinaus liegt ein Behandlungsfehler in Gestalt eines Befunderhebungsfehlers vor.
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Nachdem es der Beklagten Ziffer 1 nach der vermeintlichen Einlage des Implanon nicht gelungen war, das Stäbchen zu tasten, und auch eine Ultraschallkontrolle ergebnislos verlaufen war, hätte es nach den eindeutigen Anweisungen in der Fachinformation (AS. 369) der Erhebung weiterer Kontrollbefunde bedurft.
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aa) Die Fachinformation schreibt bei Zweifeln am Vorhandensein des Produkts die Durchführung einer Kernspintomographie vor. Hierzu hat der Sachverständige allerdings plausibel ausgeführt, dass die Nichtvornahme der MRT-Untersuchung nicht als Versäumnis gewertet werden kann, da man auf dem MRT nicht unbedingt besser als im Ultraschall das Implanon erkennen könne (Prot. vom 19.01.2011, S. 15; AS. 325). Die Unterlassung der Anordnung einer MRT-Untersuchung kann den Beklagten daher nicht als Behandlungsfehler angelastet werden.
70 
bb) Die Anordnung der Blutuntersuchungen vom 28.07., 10.08. und 05.10.2004 durch ein hierfür nicht zugelassenes Labor stellt jedoch eine Abweichung vom medizinischen Standard dar. Sowohl der Fachinformation zum Präparat Implanon, als auch den Angaben des Sachverständigen und den Aussagen der Zeugen J. und K. ist zu entnehmen, dass nur in dem Labor der Herstellerfirma der Nachweis des Wirkstoffs Etonogestrel geführt werden kann. Hierfür bedarf es eines nur dort verfügbaren radioaktiven Tracers. Herkömmliche Labors verfügen indes nicht über diese erforderliche Ausstattung, so dass bei ihnen der Nachweis des Implanonwirkstoffs nicht geführt werden kann. Aus den vorgenommenen Laboruntersuchungen konnte allenfalls mittelbar auf das Vorhandensein des Implanonwirkstoffs geschlossen werden, jedoch nur mit erheblicher Unsicherheit. Hiervon geht die Kammer aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Z. sowie der Angaben des Zeugen J., die sich inhaltlich decken, aus. In herkömmlichen Laboratorien ist lediglich die Bestimmung der FSH-, LH- und Östradiolwerte möglich. Das Vorhandensein einer ausreichenden Menge von ETNG im Blut hat zwar üblicherweise eine deutliche Verringerung der Gonadotropine FSH und LH und konsekutiv einen relativ erniedrigten Östradiol-Wert zur Folge. Für einen erniedrigten Östradiol-Wert könnte es aber auch andere Gründe geben. Die vorliegenden Laborbefunde ergaben nach den Ausführungen des Sachverständigen Normalbefunde. Damit konnten die Beklagten nicht vom Vorhandensein des Wirkstoffs ETNG ausgehen. Auch die Häufigkeit der von den Beklagten angeordneten Blutuntersuchungen spricht dafür, dass die Beklagten Zweifel an der ordnungsgemäßen Einlage des Implanon hatten. Tatsächlich wäre im vorliegenden Fall laut Sachverständigem die ETNG-Messung beim Hersteller zweifellos das Mittel der Wahl zur Erhebung der medizinisch notwendigen Kontrollbefunde gewesen.
71 
cc) Die Angabe der Beklagten Ziffer 1, dass ihr und ihrer Kollegin nicht bekannt gewesen sei, dass der ETNG-Spiegel getestet werden kann, vermag diese nicht zu entlasten. Aus der Fachinformation, deren Kenntnis von anwendenden Ärzten zu erwarten ist, ergibt sich ausdrücklich, dass Blutuntersuchungen beim Hersteller in Zweifelsfällen empfohlen werden. Entsprechendes wurde auch bei der Anwenderschulung, an der die Beklagte Ziffer 1 ausweislich des von ihr vorgelegten Testats im Jahr 2000 teilgenommen hatte, vermittelt. Dies hat auch der Zeuge J., wenn auch nicht für Zeitraum 2000, bestätigt. Auch der Sachverständige Prof. Z., der selbst entsprechende Schulungen durchgeführt hatte, hat erklärt, dass grundsätzlich eine Unterweisung der Ärzte dahingehend erfolgt sei, dass in Zweifelsfällen Blutuntersuchungen bei der Herstellerfirma veranlasst werden sollten.
72 
dd) Die Beklagten haben also die Erhebung zweifelsfrei gebotener medizinischer Befunde, nämlich die Blutuntersuchung auf den Wirkstoff ETNG bei der Herstellerfirma, unterlassen (OLG Karlsruhe VersR 2005, 1246). Bei entsprechender Erhebung eines Laborbefundes der Herstellerfirma kurz nach der vermeintlichen Einlage vom 22.07.2004 wäre nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2011 auch ein positives Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich gewesen. Der Gutachter hat hierzu angegeben, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von deutlich mehr als 50 % festzustellen gewesen wäre, dass sich kein Implanon im Körper der Klägerin befindet. Auch eine eventuelle Wechselwirkung mit ETNG-unterdrückenden Medikamenten kann nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin, wonach diese keine solchen Medikamente eingenommen hatte, ausgeschlossen werden. Angesichts des mit dem Ziel einer Empfängnisverhütung abgeschlossenen Behandlungsvertrages hätte die Klägerin daher auf den fehlenden Schutz vor Schwangerschaft und auf die Notwendigkeit anderweitiger Verhütung hingewiesen werden müssen. Die Verkennung dieses Befundes hätte sich als grob fehlerhaft dargestellt (BGH VersR 2004, 790; NJW 2011, 3441; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rn. U 9 m.w.N.). Dies hat eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität des ärztlichen Fehlers für den Schaden der Patientin zur Folge. Eine solche Beweislastumkehr wäre allenfalls bei einem äußerst unwahrscheinlichen Kausalzusammenhang ausgeschlossen, wofür es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gibt.
73 
ee) Insoweit dringen die Beklagten auch nicht mit ihrem Vortrag durch, dass der von ihnen hinzugezogene Laborarzt nach den Grundsätzen der horizontalen Arbeitsteilung darauf habe hinweisen müssen, dass eine Feststellung des ETNG-Spiegels mit den herkömmlichen Labormethoden nicht erfolgen könne. Aus den beigezogenen Originalbehandlungsunterlagen der Beklagten ergibt sich noch nicht einmal, dass sich der Laborauftrag auf die Feststellung des Wirkstoffspiegels ETNG bezogen hätte. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Werte, die nach Auftrag der Beklagten bestimmt werden sollten, fehlerhaft bestimmt worden seien. Es ist daher nicht ersichtlich, woraus sich eine etwaige Hinweispflicht des Laborarztes hätte ergeben sollen.
74 
e) Schließlich haben die Beklagten auch die Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung verletzt. Grundsätzlich ist der Patient über alle Umstände zu informieren, die zu einem therapiegerechten Verhalten sowie zur Vermeidung einer möglichen Selbstgefährdung erforderlich sind. Hierdurch soll er – auch nach Abschluss einer Behandlung – zu einer seinem Zustand angepassten Lebensweise veranlasst werden. Weiter soll er zu gebotenen Selbstschutzmaßnahmen veranlasst werden. Durch die Erteilung von Informationen soll ihm die Dringlichkeit einer gebotenen Behandlung verdeutlicht werden. Die Verletzung der therapeutischen Aufklärung ist als Behandlungsfehler zu qualifizieren, der grundsätzlich vom Patienten zu beweisen ist. So verlangt die Sicherungsaufklärung beispielsweise nach einer Sterilisation den Hinweis, dass das Risiko einer möglicherweise fortbestehenden Empfängnis- oder Zeugungsfähigkeit besteht (BGH NJW 2008, 2846). Umso mehr ist dann die Verpflichtung zu therapeutischer Sicherungsaufklärung anzunehmen, wenn die Einpflanzung eines dauerhaften Verhütungsimplantats zweifelhaft ist, wie im vorliegenden Fall. Die Intensität der therapeutischen Aufklärung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Gerade angesichts der Zweifel am Erfolg der vertraglich geschuldeten Verhütungsbehandlung, wie sie auch von den Beklagten im Prozess vorgetragen worden sind, hätten die behandelnden Ärzte die Klägerin hiervon unterrichten müssen (OLG Hamm VersR 1984, 91 für Zweifel am Erfolg eines operativen Eingriffs). Dies hat auch der gerichtliche Sachverständige bekräftigt.
75 
aa) Die Durchführung der Sicherungsaufklärung ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem das Implanonstäbchen am 22.07.2004 nicht getastet werden konnte, war der Klägerin unstreitig mitgeteilt worden, dass dies wohl wegen der durch die Lokalanästhesie bedingten Schwellung möglich sein könne. Zu erwägen sei auch, dass das Implantat hinter den Muskel gerutscht sein könnte.
76 
bb) Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Parteianhörung konstant angegeben, dass ihr bei keinem der bis Oktober 2004 stattgefundenen Termine oder telefonisch von den Beklagten mitgeteilt worden sei, dass Zweifel an der Einlage des Präparats Implanon bestünden. Blutuntersuchungen seien deshalb angeordnet worden, weil das Stäbchen nicht getastet werden konnte. Weil sie sich damit aber auch nicht ausgekannt habe, habe sie das nicht weiter hinterfragt. Ebenso wenig sei sie darauf hingewiesen worden, dass kein Schutz vor Schwangerschaft bestehe bzw. dass sie sich um anderweitige Verhütungsmaßnahmen bemühen müsse. Vielmehr sei ihr der Eindruck vermittelt worden, dass das Stäbchen da sei und hormonell alles in Ordnung sei. Die als Zeugen vernommenen Eltern der Klägerin, die Zeugin R. und der Zeuge G. konnten hierzu keine Angaben aus eigener Wahrnehmung machen, vielmehr nur angeben, dass ihnen entsprechendes von ihrer Tochter berichtet worden sei. Sie selbst hatten im Rahmen der Implanonbehandlung ab Einlage des Präparats mit Ausnahme der dokumentierten Aufforderung zu einem Rückruf keine Kontakte mit den Beklagten gehabt.
77 
cc) Demgegenüber hat die Beklagte Ziffer 1 angegeben, dass sie der Klägerin nach der Einlage, als sie das Stäbchen nicht tasten konnte, sowie eine Woche später gesagt, habe, dass das Implanon keinen sicheren Schutz biete, solange es nicht zu tasten sei. Sie habe bereits damals in Erwägung gezogen, dass das Stäbchen beim Legen wieder herausgezogen worden sein könnte. Dem Beklagten Ziffer 2 habe sie hiervon berichtet. Weitere Folgetermine hatten unstreitig nicht bei der Beklagten Ziffer 1 stattgefunden. Telefonate habe sie nicht mit der Klägerin geführt. Die Mutter der Klägerin habe sie nicht kennen gelernt. Sie hat auch erklärt, dass es wichtig sei, eine solche Patientin nicht aus den Augen zu verlieren.
78 
dd) Die Beklagte Ziffer 3, die von der Beklagten Ziffer 1 zu dem Kontrollultraschall vom 28.07.2004 hinzugezogen worden war, konnte sich nur noch daran erinnern, dass der Klägerin gesagt worden sei, dass man das Stäbchen im Ultraschall nicht sehen konnte. Ob der Klägerin allerdings auch ausdrücklich gesagt worden sei, dass sie anderweitig verhüten müsse, vermochte sie nicht mehr zu erinnern.
79 
ee) Der Beklagte Ziffer 2, bei dem sich die Klägerin ursprünglich in Behandlung befunden hatte, und der auch das erste Informationsgespräch über die Verhütung mittels Implanon mit der Klägerin und deren Mutter geführt hatte, konnte sich nur noch daran erinnern, dass die Beklagte Ziffer 1 ihm mitgeteilt hatte, dass sie nicht sicher sei, ob das Implanon liege. An weitere Kontrolltermine mit der Klägerin konnte er sich allerdings nicht erinnern. Weitere Blutuntersuchungen habe nicht er, sondern die Beklagte Ziffer 1 veranlasst. Wer die Ergebnisse dieser Untersuchungen telefonisch übermittelt habe, könne er heute nicht mehr sagen.
80 
ff) Vorliegend kommen der Klägerin Beweiserleichterungen wegen unzureichender Dokumentation zugute. In der gesamten Dokumentation findet sich lediglich unter dem 28.07.2004 ein Eintrag der Beklagten Ziffer 1 zu Zweifeln bzgl. der ordnungsgemäßen Einlage und zu einem Gespräch hierüber mit der Klägerin:
81 
„Kontrolle des Implanons. Es lässt sich heute nicht tasten. Auch sonographisch unklarer Befund. Entweder es ist tief abgerutscht u. man kann es nicht mehr lokalisieren oder es war eine leere Kanüle. Es wird mit der Pat. besprochen. Sicherheitshalber Hormonkontrolle in 2 Wochen.“
82 
Diesem Vermerk ist weder zu entnehmen, was mit der Klägerin besprochen worden ist, noch gibt es eine Dokumentation darüber, dass mit der Klägerin die Ergebnisse der in der Folgezeit durchgeführten drei Blutuntersuchungen besprochen worden seien. Ein Hinweis auf die Notwendigkeit anderweitiger Empfängnisverhütung findet sich nicht. Die fehlerhafte Implanoneinlage, in deren Rahmen der Beklagten Ziffer 1 nach ihren Angaben bereits Zweifel an der ordnungsgemäßen Einlage des Implantats gekommen waren, hätte es für die behandelnde Ärztin angesichts des Zwecks des Behandlungsvertrages – Erreichen eines Empfängnisschutzes – aber gerade nahe gelegt, sich den behaupteten Hinweis auf eine nicht sichere Verhütung und die Notwendigkeit anderweitiger Verhütungsmaßnahmen schriftlich bestätigen zu lassen (BGH VersR 1981, 730, zitiert nach juris, Rn. 19; OLG Zweibrücken MDR 1997, 549, zitiert nach juris, Rn. 11: jeweils für die Aufklärungspflicht über Restrisiken nach einer Sterilisation). Zumindest hätte es aber nahe gelegen, die Erteilung eines solchen Hinweises klar und eindeutig in den Behandlungsunterlagen zu dokumentieren. Das Fehlen einer entsprechenden Dokumentation stellt ein Beweisanzeichen dafür dar, dass die Erfüllung der aus dem Behandlungsvertrag folgenden Nebenpflicht versäumt worden ist (BGH a.a.O.). Angesichts der gesteigerten Sorgfaltspflichten aus dem auf Verhütungsschutz zielenden Behandlungsvertrag hätte im vorliegenden Fall eine schriftliche Benachrichtigung über das Ergebnis der nicht aussagekräftigen erhobenen Kontrollbefunde und die daraus resultierenden Konsequenzen (nicht bestehender Empfängnisschutz und Notwendigkeit weiterer Verhütungsmaßnahmen), jedenfalls aber ein klar zu dokumentierendes persönliches Gespräch mit der Klägerin erfolgen müssen. Mangels im konkreten Fall zu fordernder Dokumentation – auch der Sachverständige hat sich dahingehend geäußert, dass aus medizinischer Sicht eine Dokumentation sinnvoll gewesen wäre – greifen Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin. Dies hat zur Folge, dass bei widerstreitenden Parteiangaben zur Frage der Erteilung einer hinreichenden therapeutischen Aufklärung zugunsten der Klägerin der Nachweis unzureichender Aufklärung, also eines Behandlungsfehlers geführt ist. Die Beklagten können auch nicht damit gehört werden, dass der Klägerin aufgrund der häufigen Wiedervorstellungstermine und der mehrmaligen Blutuntersuchungen hätte klar sein müssen, dass kein ausreichender Verhütungsschutz bestehe. Von einer minderjährigen medizinischen Laiin kann nicht erwartet werden, dass sie medizinische Anordnungen derart hinterfragt, dass man daraus ein Entfallen der Pflicht zur therapeutischen Aufklärung ableiten könnte. Gerade gegenüber einer minderjährigen Patientin hätte es vielmehr besonders deutlicher Beratung und Aufklärung bedurft.
83 
gg) Allerdings verbleibt die Beweislast für etwaige Schadensfolgen bei der Klägerin. Sie hat also nachzuweisen, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung anderweitige Verhütungsmittel verwendet hätte, so dass es nicht zu einer Schwangerschaft gekommen wäre. Der entsprechende klägerische Vortrag, der auch durch die Angaben der als Zeugin vernommenen Mutter bestätigt wird, ist von den Beklagten nicht substantiiert bestritten. Mithin ist davon auszugehen, dass die als verantwortungsbewusst geschilderte Klägerin seinerzeit andere Maßnahmen zur Vermeidung einer Schwangerschaft ergriffen hätte.
84 
f) Die Gesamtschau des Behandlungsgeschehens führt dazu, dieses als grob fehlerhaft zu bewerten. Zwar ist der Sachverständige nicht zu dem Schluss gelangt, dass ein grober Behandlungsfehler vorliege. Hierbei handelt es sich aber um eine juristische Frage, die die sachverständig beratene Kammer zu beantworten hat. Vorliegend ist in dreierlei Hinsicht von einem fehlerhaften Behandlungsgeschehen auszugehen:
85 
aa) fehlerhafte Einlage des Implantats
bb) unterlassene Erhebung von Kontrollbefunden
cc) fehlerhafte therapeutische Sicherungsaufklärung.
86 
Gerade die Gesamtschau des Behandlungsgeschehens rechtfertigt es, dieses als grob fehlerhaft zu bezeichnen, in dem Sinne, dass es aus objektiver ärztlicher Sicht schlechterdings nicht mehr als verständlich erscheint, dass den behandelnden Ärzten eine Summe solch gravierender Fehler unterlaufen ist. Angemerkt sei insofern noch, dass es für die Kammer insbesondere unverständlich ist, dass in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten offensichtlich in keiner Weise sichergestellt war, dass die kontinuierliche Behandlung einer Patientin durch mehrere Behandler erfolgen konnte. Gerade im Fall der Klägerin waren mehrere Ärzte in ihre Behandlung involviert. Das Ergebnis der einzelnen Behandlungsschritte wurde jedoch entweder gar nicht oder nur völlig unzureichend kommuniziert. So war für die nachbehandelnden Ärzte nicht zu ersehen, inwieweit weitere Kontrollen mit welchem Ergebnis erfolgen mussten, und was genau der Patientin über die Behandlung bereits mitgeteilt worden war. Dies ist bei Behandlung einer minderjährigen Patientin, die sich mit dem Wunsch nach Empfängnisverhütung an eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis wendet, nicht verständlich. Das muss zumindest auch der Beklagten Ziffer 1 bewusst gewesen sein, die angegeben hatte, dass man die Klägerin im Augen habe behalten müssen. Stattdessen war jedoch in keiner Weise sichergestellt, dass die Zweifel bzgl. eines sicheren Verhütungsschutzes abgeklärt wurden.
87 
g) Die Bejahung eines groben Behandlungsfehlers hat eine Beweislastumkehr zur Folge. Zu Lasten der Behandlungsseite wird ein Kausalzusammenhang zwischen grobem Behandlungsfehler und Primärschädigung vermutet.
88 
4. Die für eine Haftung der Beklagten erforderliche Kausalität ist gegeben.
89 
a) Die Kausalität zwischen Behandlungsfehlern und Eintritt der unerwünschten Schwangerschaft ist zu bejahen. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird dabei auch nicht dadurch unterbrochen, dass der Verletzungserfolg den Geschlechtsverkehr voraussetzt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 181). Die hormonelle Empfängnisverhütung sollte die Klägerin vor den Folgen einer Schwangerschaft schützen, die naturgemäß erst durch ungeschützten Geschlechtsverkehr entstehen kann.
90 
b) Des Weiteren wird der Zurechnungszusammenhang auch nicht durch den Willensentschluss der Klägerin zum Schwangerschaftsabbruch unterbrochen. Diese Entscheidung war nämlich durch die zuvor festgestellten Behandlungsfehler der Beklagten herausgefordert bzw. wesentlich mitbestimmt worden (OLGR Braunschweig 2008, 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, Vorbem. Vor § 249 Rn. 41).
91 
5. Die Klägerin hat auch den Nachweis geführt, dass sie durch den Schwangerschaftsabbruch, der aus gynäkologischer Sicht komplikationslos durchgeführt worden ist, einen Schaden in Form einer psychischen Beeinträchtigung erlitten hat. Der Sachverständige Prof. Dr. E., der als Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F. in besonderer Weise geeignet ist, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten, hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin über einen Zeitraum von sechs Monaten an einem depressiv ängstlichem Syndrom gelitten habe. Dieses habe sich in Deprimiertheit, Antriebsstörungen, Schlafstörungen und vegetativen Störungen geäußert und sei kausal auf den Schwangerschaftsabbruch zurückzuführen. In dem genannten Zeitraum habe auch Krankheitswertigkeit im Sinne einer ICD-10-Klassifikation bestanden. Aktuell seien noch intermittierend auftretende Ängste bzgl. einer Schwangerschaft, Schuldgefühle bzgl. des Abbruchs und einer Pflichtverletzung gegenüber den Eltern sowie Ängste bzgl. Sexualität festzustellen. Diese fortdauernde Anpassungsstörung sei jedoch nur noch leicht ausgeprägt. Zum heutigen Zeitpunkt bestehe keine Therapiebedürftigkeit; ein Krankheitswert sei aktuell nicht gegeben. Diese überzeugenden und widerspruchsfreien gutachterlichen Ausführungen macht sich die Kammer ausdrücklich zu Eigen.
92 
6. Gem. §§ 253 Abs. 2, 280, 611, 823 Abs. 1 BGB ist der Klägerin einSchmerzensgeld zuzuerkennen, das den erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen soll. Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist nach Billigkeit vorzunehmen, wobei die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu berücksichtigen sind. Allerdings fällt bei Schmerzensgeldansprüchen, die wie hier auf ärztlichen Behandlungsfehlern beruhen, der Verschuldensgrad für die Bemessung nicht ins Gewicht (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 87). Das Gericht hat sich an dem Ausmaß und der Schwere der durch das schadensauslösende Ereignis verursachten Beeinträchtigungen zu orientieren. Weiter hat es das Alter und die persönlichen Verhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung der erlittenen Schäden sind das Maß der Lebensbeeinträchtigung sowie eine mögliche Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs und die Fraglichkeit einer endgültigen Heilung zu eruieren. Weiterhin sind unter Berücksichtigung des Alters des Geschädigten die psychischen Auswirkungen sowie die Einschränkung bei der weiteren Lebensplanung zu berücksichtigen. Insoweit sind vergleichbare Fälle aus der Rechtsprechung heranzuziehen. Die Kammer möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass es äußerst schwierig ist, diese komplexen Erwägungen bezogen auf den konkreten Einzelfall mit einem Geldbetrag zu bewerten.
93 
a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann bereits die Herbeiführung einer ungewollten Schwangerschaft einen Schmerzensgeldanspruch auslösen (BGH VersR 1980, 558; NJW 2008, 2846).
94 
b) Der Entscheidung des OLG Braunschweig vom 26.06.2007 (OLGR Braunschweig 2008, 11) lag ein Fall zugrunde, in dem bei einer Patientin nach einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch nach Behandlungsfehler eines Gynäkologen schwere Depressionen diagnostiziert worden waren, die zu Weinzuständen, Appetitlosigkeit, starker Gewichtsabnahme, Konzentrationsschwäche, einer Vernachlässigung der häuslichen Aufgaben sowie der familiären und sonstigen sozialen Beziehungen geführt hatten. Trotz psychiatrischer Behandlung war es über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren regelmäßig zum Wiederauftreten depressiver Verstimmungen mit Wein- und Zitterattacken gekommen. Das OLG Braunschweig hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 EUR zugesprochen.
95 
c) Das OLG Köln hat die durch den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft, die durch ein ärztliches Fehlverhalten verursacht worden war, eingetretenen psychischen Folgen auch unter dem Gesichtspunkt eines massiven und belastenden Entscheidungskonfliktes vor dem Hintergrund religiöser Überzeugungen bei einer bereits zuvor magersüchtigen Patientin mit 4.500,00 EUR bewertet (OLG Köln VersR 2011, 1325). In dem genannten Fall waren der religiös motivierte Entscheidungskonflikt vor der Abrasio, die ständige Konfrontation mit dem Geschehen im Alltag beim Anblick von Kindern, Eheprobleme und Selbstzweifel wegen gestörten Sexuallebens, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Alpträume, starke Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und Apathie der Patientin berücksichtigt worden.
96 
d) Im Fall der Klägerin ist zu würdigen, dass diese unter keinerlei Grunderkrankungen gelitten hatte. Erschwerend fällt ins Gewicht, dass sie sich bereits im Alter von 17 Jahren mit einer ungewollten Schwangerschaft und der damit im Zusammenhang stehenden Entscheidung über deren Abbruch konfrontiert sah, nachdem sie erst kurz zuvor eine Ausbildung begonnen hatte. Auch hat sich die Klägerin nach den Angaben ihrer Eltern seither im Wesen verändert, ist nicht mehr so unbeschwert und hat sich in sich zurückgezogen. Allerdings hat sie es gemeistert, trotz der seelischen Belastungen, die der Sachverständige Prof. E. über einen Zeitraum von sechs Monaten als krankheitswertig festgestellt hat, ihre Ausbildung zu beenden. Sie hat sich nie in ärztliche oder sonstige therapeutische Behandlung begeben. Allerdings ist es ihr bis heute nicht gelungen, die Ereignisse im Zusammenhang mit der ungewollten Schwangerschaft angemessen zu verarbeiten; zeitweise kommt es noch heute zum Auftreten von Ängsten, ohne dass der Sachverständige insoweit jedoch funktionelle Auswirkungen feststellen konnte. In Zukunft ist nach den Angaben des Sachverständigen Prof. E. eher mit einer Besserung zu rechnen, wobei für den Fall eines künftigen unerfüllten Kinderwunsches ein Zusammenhang etwaiger reaktiver Anpassungsstörungen mit dem früheren Schwangerschaftsabbruch angenommen werden könnte. All diese Erwägungen lassen im Vergleich mit der zitierten Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer im Fall der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR angemessen und ausreichend zum Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens erscheinen. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Schmerzensgeldantrages war die Klage abzuweisen.
97 
7. Die Beklagten haften gesamtschuldnerisch für den Schmerzensgeldanspruch.
98 
a) Die vertragliche Haftung der Beklagten Ziffer 1 bis 4 ergibt sich aus deren Auftreten nach außen als Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB, zur Erbringung gleichartiger Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet, hier auf dem Gebiet der Gynäkologie. Sie sind in gemeinsamen Räumen tätig, rechnen gemeinsam ab, verfügen über gemeinsames Personal und verwenden einen gemeinsamen Briefkopf (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. A 15). Zwar überlässt es der Patient in solchen Fällen im Allgemeinen nicht der praxisinternen Organisation, von wem er sich behandeln lässt. Er wendet sich vielmehr an einen bestimmten Arzt, von dem er behandelt werden möchte. Nach der Interessenlage und der Verkehrsauffassung kommen vertragliche Beziehungen zwischen dem Patienten und allen Praxisinhabern zustande. Dies gilt hier im Besonderen deshalb, weil die Klägerin ärztliche Leistungen verschiedener Ärzte der Gemeinschaftspraxis in Anspruch nehmen musste. Als nach außen auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die rechts- und parteifähige Beklagte Ziffer 5 ebenfalls Vertragspartnerin der Klägerin geworden und in die Haftung einzubeziehen.
99 
b) Die deliktische Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§ 31, 823, 840 BGB, § 229 StGB.
100 
8. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht unter Verzugsgesichtspunkten, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
101 
9. Hinsichtlich des auf Ersatz des materiellen Schadens gerichteten Klageantrags Ziffer 2 ist die Klage abzuweisen. Zwar hat die Klägerin diesen Antrag insgesamt mit 1.000,00 EUR beziffert. Die Höhe der mit diesem Antrag geltend gemachten Einzelpositionen hat die Klägerin trotz Bestreitens jedoch nicht weiter aufgeschlüsselt bzw. belegt. Die Voraussetzungen für eine Schätzung gem. § 287 ZPO sind mangels greifbarer, von der Klägerin vorzutragender Anhaltspunkte nicht gegeben (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn 4). Hierauf hatte die Kammer bereits hingewiesen.
102 
10. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages Ziffer 3 begründet. Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, hat der BGH offen gelassen (BGH NJW-RR 2007, 601). Zwar hatte der psychiatrische Sachverständige Prof. E. in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass psychische Spätfolgen über die genannten, intermittierend auftretenden Ängste nicht zu erwarten seien. In der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 hat er hierzu aber erläuternd ausgeführt, dass die Klägerin nach wie vor nicht symptomfrei sei. Er könne auch nicht ausschließen dass die momentan vorhandenen Symptome persistieren. Insbesondere im Falle eines künftigen unerfüllten Kinderwunsches könnten bestehende Ängste mit dem früheren Schwangerschaftsabbruch in Zusammenhang gebracht werden. Nach diesen plausiblen gutachterlichen Ausführungen erscheinen der Kammer künftige Schäden jedenfalls möglich.
III.
103 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

Gründe

 
49 
Die Klage ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch nur teilweise Erfolg.
50 
I. Zulässigkeit
51 
1. Die bei Abschluss des Behandlungsvertrages minderjährige Klägerin war zum Zeitpunkt der Klageerhebung volljährig und damit prozessfähig.
52 
2. Die Partei- und Prozessfähigkeit der Beklagten Ziffer 5, die als Gemeinschaftspraxis eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts ist, ist zu bejahen, BGHZ 146, 341.
53 
3. Das für den Klageantrag Ziffer 3 zu fordernde Feststellungsinteresse liegt ebenfalls vor, § 256 Abs. 1 ZPO. Bei Verletzung eines absoluten Rechtsguts – wie im Fall der Klägerin der Gesundheit – reicht es aus, wenn künftige Schadensfolgen – wenn auch nur entfernt – möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (BGH MDR 2007, 792; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 9). Hiervon geht die Kammer aufgrund der plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird, aus. Danach sind psychische Spätschäden der Klägerin als möglich anzusehen.
54 
II. Begründetheit
55 
1. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages Ziffer 1 insoweit begründet, als der Klägerin sowohl aus Vertrag als auch aus Delikt ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten Ziffern 1 – 5 zuzusprechen ist. Soweit die Klägerin ein darüber hinaus gehendes Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 EUR begehrt, ist die Klage abzuweisen.
56 
2. Im Arzthaftungsprozess trägt der Patient die Beweislast für den behaupteten Behandlungsfehler, also eine Abweichung der ärztlichen Behandlung vom medizinischen Standard (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 200 mw.N; BGH VersR 1999, 716). Auch den Beweis für die ursächliche Verknüpfung zwischen Behandlungsfehler und dem behaupteten Schaden hat der Patient zu führen, § 286 ZPO.
57 
3. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Nachweis mehrfacher Behandlungsfehler geführt, die in der Gesamtschau die Wertung einer grob fehlerhaften Behandlung tragen.
58 
Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen der Verwertung des im beigezogenen Verfahren des Landgerichts Waldshut-Tiengen, Az. 2 O 70/04, in der Berufungsinstanz (Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. 13 U 134/04) eingeholten Sachverständigengutachtens gem. § 411 a ZPO nicht gegeben. Vielmehr war mangels vergleichbarer Sachverhalte und mangels Identität der Beweisfragen entgegen des Antrags der Klägerin gem. Beweisbeschluss vom 18.05.2009 im hiesigen Verfahren Beweis durch Anordnung schriftlicher Begutachtung zu erheben, worauf die Kammer bereits im Beweisbeschluss hingewiesen hat.
59 
Die Kammer stützt ihre Überzeugung vom Vorliegen mehrerer Behandlungsfehler auf das überzeugende und nachvollziehbare Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z. vom 27.07.2010 (AS. 191 ff.), welches dieser in den Verhandlungsterminen vom 19.01.2011 (AS. 323 ff.) und vom 18.05.2011 (AS. 423 ff.) mündlich erläutert hat. Der Sachverständige ist als ehemaliger Direktor der Klinik für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums F. hervorragend geeignet, die an ihn gerichteten Beweisfragen zu beantworten. Zudem war er bereits an Zulassungsstudien für das hier streitgegenständliche Kontrazeptivum Implanon beteiligt und hat auch Schulungen für niedergelassene Gynäkologen betreffend die Verabreichung des genannten Medikaments geleitet. Auch das in dem beigezogenen Gerichtsverfahren erstattete Gutachten hat der gerichtlich bestellte Sachverständige verfasst. Die gutachterlichen Ausführungen sind plausibel und widerspruchsfrei. Zudem ist der Sachverständige von den zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Insbesondere hat sich der Sachverständige umfassend mit der einschlägigen Literatur, die er auch zu den Gerichtsakten vorgelegt hat, auseinander gesetzt und ist auf die einzelnen Fragen der Parteien detailliert eingegangen. Tendenzen zum Schutz der Beklagten sind nicht ersichtlich. Die Kammer macht sich daher nach eigener Überprüfung die Ausführungen dieses Gutachters zu Eigen.
60 
a) Ein Behandlungsfehler ergibt sich allerdings noch nicht aus einer etwaigen Kontraindikation. Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Präparats im Fall der Klägerin nicht indiziert gewesen wäre. Zwar hatte der Beklagte Ziffer 2 im Rahmen seiner Parteianhörung angegeben, dass er die Verwendung von Implanon bei jungen Frauen als physiologisch nicht unproblematisch angesehen habe, weshalb dieses für ihn nicht das Mittel der ersten Wahl dargestellt habe. Dies habe er jedoch nicht klar mit der Klägerin und deren Mutter kommuniziert. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. ausgeführt, dass sich allein aus dem jugendlichen Alter der Klägerin zum Zeitpunkt der Verordnung des Präparats keine Kontraindikation ergebe. Für Zulassungsstudien würden zwar lediglich Daten von Patientinnen ab einem Alter von 18 Jahren erhoben. Aber auch aus heutiger Sicht seien keine Bedenken bei der Verwendung bei jüngeren Frauen gerechtfertigt. Bei der durch Implanon nur kurzfristig bewirkten Absenkung des körpereigenen Östrogenspiegels sei auch kein relevantes Osteoporoserisiko zu befürchten. Im Fall der Klägerin, die vor der streitgegenständlichen Behandlung schon verschiedene Pillenkombinationspräparate genommen hatte, sei auch eher davon auszugehen, dass ihre körperliche Entwicklung im Juli 2004 bereits abgeschlossen gewesen sei. Bei der seinerzeit 15-jährigen Klägerin bestanden also keine Risiken, auf die aus medizinischer Sicht hätte hingewiesen werden müssen.
61 
b) Die Klägerin hätte auch nicht auf andere Behandlungsalternativen hingewiesen werden müssen. Die Verhütung mittels Implanon gilt – wie der Sachverständige ausgeführt hat – als sehr sichere Methode (in einem Zeitraum von neun Jahren wurden pro 100 verkaufter Implanon-Stäbchen 0,049 Schwangerschaften registriert). Der Beklagte Ziffer 2 hat angegeben, dass er der Klägerin zunächst ein anderes Pillenpräparat empfohlen habe. Da die Klägerin nach Verwendung verschiedener Pillen aber Unverträglichkeiten gezeigt hatte, hätten keine gleichwertigen Alternativen bestanden. Barrieremethoden sind als extrem unsicher einzustufen. Bei der Verwendung der Spirale besteht eine hohe Infektionsrate. Der Verwendung der Dreimonatsspritze haftet eine relevante Osteoporosegefahr an, wie der Sachverständige dargestellt hat.
62 
c) Ein Behandlungsfehler ist zum einen darin zu sehen, dass die Beklagte Ziffer 1 das Verhütungsmittel Implanon am 22.07.2004 nicht ordnungsgemäß der Klägerin implantiert hatte. Der zwischen den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag (die seinerzeit minderjährige Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch ihre Eltern gesetzlich vertreten) war darauf gerichtet, der Klägerin das Mittel Implanon zu verabreichen. Zweck dieser Maßnahme war neben dem von der Klägerin und der Zeugin R. geschilderten Ziel, die bisher beklagten Nebenwirkungen von Pillenpräparaten (Magenbeschwerden) zu vermeiden, vor allem – und so auch in der Vorbesprechung ausdrücklich mit dem Beklagten Ziffer 2 thematisiert – die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin. Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil der Beklagten Ziffer 1 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
63 
Entweder war der Beklagten Ziffer 1 das wirkstoffhaltige Stäbchen vor der Einlage aus der Einführungskanüle heraus geglitten oder sie hatte, wie von ihr im Verhandlungstermin vom 19.01.2011 geschildert, die Einführungskanüle unter die Haut der Klägerin gebracht, dann aber – unbemerkt – das implanonhaltige Stäbchen wieder mit entfernt. Diese Möglichkeiten hat der Sachverständige plausibel dargestellt.
64 
Die von der Beklagten Ziffer 1 geschilderte Vorgehensweise bei der Einlage des Präparats Implanon, die sie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.01.2011 anhand eines Placeboexemplars demonstriert hat, hat der Sachverständige grundsätzlich als lege artis bezeichnet. Sie entspricht den in der Fachinformation geforderten Schritten (AS. 367 ff.). Ausweislich des nach Absolvieren einer Fortbildungsveranstaltung erteilten Testats war die Beklagte Ziffer 1 auch ausreichend qualifiziert, die Einlage von Implanon durchzuführen. Bedingt durch den besonderen Mechanismus zur Einlage des Implanon kann sich diese Einlage allerdings als besonders schwierig gestalten. Dies haben der Sachverständige und auch der Zeuge J. übereinstimmend ausgeführt. Insbesondere ist es nach deren Angaben durchaus möglich, dass das Implanon unbemerkt aus dem Applikator herausfallen kann. Diese bekannten Schwierigkeiten haben den Hersteller auch dazu bewogen, den Mechanismus zum Einlegen des Präparats später zu ändern. Im konkreten Fall hatten sich der Beklagten Ziffer 1 nach ihren Angaben nach fehlender Möglichkeit der Palpation im Anschluss an das Einlegen des Präparats auch Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Implantation ergeben. Auch Ultraschall- und Blutuntersuchungen konnten in der Folge die Einlage von Implanon nicht bestätigen. Einen ungewollten Verlust des Stäbchens nach dessen ordnungsgemäßer Einbringung hat der Sachverständige als nicht denkbar bezeichnet. Eine eventuelle Wechselwirkung mit ETNG-unterdrückenden Medikamenten kann nach der unbestrittenen Darstellung der Klägerin, dass sie keine der fraglichen Medikamente eingenommen hatte, ausgeschlossen werden. Nachdem die durch die Nachbehandlerin Dr. M. bei der Herstellerfirma veranlasste Blutuntersuchung keinen Nachweis für ETNG, den Wirkstoff des Präparats Implanon, ergeben hatte, ist zur Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass kein Implantat in den Körper der Klägerin eingelegt worden war. Davon ist gerade deshalb auszugehen, weil die ausschließlich von der Herstellerfirma vorgehaltene Nachweismethode für ETNG auch in der Frühgravidität, also zum Zeitpunkt der von Frau Dr. M. veranlassten Blutuntersuchung, aussagekräftig ist, wie die für die Herstellerfirma tätige Zeugin K. schriftlich ausgesagt hat (AS. 289 f.). Dies haben der Zeuge J., der seinerzeit als Medical Adviser ebenfalls bei der Herstellerfirma tätig war, und der Sachverständige bestätigt. Letzterer hat im Termin vom 19.01.2011 ausgeführt, dass das Implanon mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich nicht eingebracht war. Die Beklagte Ziffer 1 hat sich aber gerade dann nicht ordnungsgemäß verhalten, wenn sie bei konkret bestehenden Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Einlage sich offensichtlich nicht davon überzeugt hatte, dass das Implanon auch nicht aus dem Applikator heraus gefallen oder aus der Haut wieder herausgezogen war. Mithin ist ein Behandlungsfehler festzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt die Kammer aus den genannten Gründen entgegen der gutachterlichen Wertung, dass die Einlage des Implanon ordnungsgemäß erfolgt sei.
65 
Die Beklagten können auch nicht mit der Argumentation durchdringen, dass ein Arzt bei einer medizinischen Behandlung keinen Erfolg schulde. Zwar handelt es sich bei einem ärztlichen Behandlungsvertrag nicht um einen Werkvertrag. Wegen der Besonderheiten des menschlichen Organismus kann ein Arzt nämlich grundsätzlich nicht den Erfolg einer medizinischen Behandlung garantieren. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit aber gerade darin, dass mit dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag die Einbringung des Präparats Implanon zum Zwecke der Empfängnisverhütung vereinbart worden war. Bereits die Einlage des Medikaments ist aber nicht erfolgt, wobei gerade dieser Erfolg vertraglich geschuldet war.
66 
Der Behandlungsfehler der nicht ordnungsgemäßen Einlage des Implanon ist auch als kausal für die spätere Schwangerschaft anzusehen. Das Präparat hätte nämlich bei lege artis erfolgter Implantation kontrazeptiven Schutz gewährt (BGH Urteil vom 14.11.2006, Az. VI ZR 48/06, Rn.9). Die Versagerrate hat der Sachverständige als äußerst gering bewertet (vgl. obige Ausführungen unter 3 d)). Allerdings gibt es keine 100%ig sichere Verhütungsmethode.
67 
d) Darüber hinaus liegt ein Behandlungsfehler in Gestalt eines Befunderhebungsfehlers vor.
68 
Nachdem es der Beklagten Ziffer 1 nach der vermeintlichen Einlage des Implanon nicht gelungen war, das Stäbchen zu tasten, und auch eine Ultraschallkontrolle ergebnislos verlaufen war, hätte es nach den eindeutigen Anweisungen in der Fachinformation (AS. 369) der Erhebung weiterer Kontrollbefunde bedurft.
69 
aa) Die Fachinformation schreibt bei Zweifeln am Vorhandensein des Produkts die Durchführung einer Kernspintomographie vor. Hierzu hat der Sachverständige allerdings plausibel ausgeführt, dass die Nichtvornahme der MRT-Untersuchung nicht als Versäumnis gewertet werden kann, da man auf dem MRT nicht unbedingt besser als im Ultraschall das Implanon erkennen könne (Prot. vom 19.01.2011, S. 15; AS. 325). Die Unterlassung der Anordnung einer MRT-Untersuchung kann den Beklagten daher nicht als Behandlungsfehler angelastet werden.
70 
bb) Die Anordnung der Blutuntersuchungen vom 28.07., 10.08. und 05.10.2004 durch ein hierfür nicht zugelassenes Labor stellt jedoch eine Abweichung vom medizinischen Standard dar. Sowohl der Fachinformation zum Präparat Implanon, als auch den Angaben des Sachverständigen und den Aussagen der Zeugen J. und K. ist zu entnehmen, dass nur in dem Labor der Herstellerfirma der Nachweis des Wirkstoffs Etonogestrel geführt werden kann. Hierfür bedarf es eines nur dort verfügbaren radioaktiven Tracers. Herkömmliche Labors verfügen indes nicht über diese erforderliche Ausstattung, so dass bei ihnen der Nachweis des Implanonwirkstoffs nicht geführt werden kann. Aus den vorgenommenen Laboruntersuchungen konnte allenfalls mittelbar auf das Vorhandensein des Implanonwirkstoffs geschlossen werden, jedoch nur mit erheblicher Unsicherheit. Hiervon geht die Kammer aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Z. sowie der Angaben des Zeugen J., die sich inhaltlich decken, aus. In herkömmlichen Laboratorien ist lediglich die Bestimmung der FSH-, LH- und Östradiolwerte möglich. Das Vorhandensein einer ausreichenden Menge von ETNG im Blut hat zwar üblicherweise eine deutliche Verringerung der Gonadotropine FSH und LH und konsekutiv einen relativ erniedrigten Östradiol-Wert zur Folge. Für einen erniedrigten Östradiol-Wert könnte es aber auch andere Gründe geben. Die vorliegenden Laborbefunde ergaben nach den Ausführungen des Sachverständigen Normalbefunde. Damit konnten die Beklagten nicht vom Vorhandensein des Wirkstoffs ETNG ausgehen. Auch die Häufigkeit der von den Beklagten angeordneten Blutuntersuchungen spricht dafür, dass die Beklagten Zweifel an der ordnungsgemäßen Einlage des Implanon hatten. Tatsächlich wäre im vorliegenden Fall laut Sachverständigem die ETNG-Messung beim Hersteller zweifellos das Mittel der Wahl zur Erhebung der medizinisch notwendigen Kontrollbefunde gewesen.
71 
cc) Die Angabe der Beklagten Ziffer 1, dass ihr und ihrer Kollegin nicht bekannt gewesen sei, dass der ETNG-Spiegel getestet werden kann, vermag diese nicht zu entlasten. Aus der Fachinformation, deren Kenntnis von anwendenden Ärzten zu erwarten ist, ergibt sich ausdrücklich, dass Blutuntersuchungen beim Hersteller in Zweifelsfällen empfohlen werden. Entsprechendes wurde auch bei der Anwenderschulung, an der die Beklagte Ziffer 1 ausweislich des von ihr vorgelegten Testats im Jahr 2000 teilgenommen hatte, vermittelt. Dies hat auch der Zeuge J., wenn auch nicht für Zeitraum 2000, bestätigt. Auch der Sachverständige Prof. Z., der selbst entsprechende Schulungen durchgeführt hatte, hat erklärt, dass grundsätzlich eine Unterweisung der Ärzte dahingehend erfolgt sei, dass in Zweifelsfällen Blutuntersuchungen bei der Herstellerfirma veranlasst werden sollten.
72 
dd) Die Beklagten haben also die Erhebung zweifelsfrei gebotener medizinischer Befunde, nämlich die Blutuntersuchung auf den Wirkstoff ETNG bei der Herstellerfirma, unterlassen (OLG Karlsruhe VersR 2005, 1246). Bei entsprechender Erhebung eines Laborbefundes der Herstellerfirma kurz nach der vermeintlichen Einlage vom 22.07.2004 wäre nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2011 auch ein positives Befundergebnis hinreichend wahrscheinlich gewesen. Der Gutachter hat hierzu angegeben, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von deutlich mehr als 50 % festzustellen gewesen wäre, dass sich kein Implanon im Körper der Klägerin befindet. Auch eine eventuelle Wechselwirkung mit ETNG-unterdrückenden Medikamenten kann nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin, wonach diese keine solchen Medikamente eingenommen hatte, ausgeschlossen werden. Angesichts des mit dem Ziel einer Empfängnisverhütung abgeschlossenen Behandlungsvertrages hätte die Klägerin daher auf den fehlenden Schutz vor Schwangerschaft und auf die Notwendigkeit anderweitiger Verhütung hingewiesen werden müssen. Die Verkennung dieses Befundes hätte sich als grob fehlerhaft dargestellt (BGH VersR 2004, 790; NJW 2011, 3441; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rn. U 9 m.w.N.). Dies hat eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität des ärztlichen Fehlers für den Schaden der Patientin zur Folge. Eine solche Beweislastumkehr wäre allenfalls bei einem äußerst unwahrscheinlichen Kausalzusammenhang ausgeschlossen, wofür es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gibt.
73 
ee) Insoweit dringen die Beklagten auch nicht mit ihrem Vortrag durch, dass der von ihnen hinzugezogene Laborarzt nach den Grundsätzen der horizontalen Arbeitsteilung darauf habe hinweisen müssen, dass eine Feststellung des ETNG-Spiegels mit den herkömmlichen Labormethoden nicht erfolgen könne. Aus den beigezogenen Originalbehandlungsunterlagen der Beklagten ergibt sich noch nicht einmal, dass sich der Laborauftrag auf die Feststellung des Wirkstoffspiegels ETNG bezogen hätte. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Werte, die nach Auftrag der Beklagten bestimmt werden sollten, fehlerhaft bestimmt worden seien. Es ist daher nicht ersichtlich, woraus sich eine etwaige Hinweispflicht des Laborarztes hätte ergeben sollen.
74 
e) Schließlich haben die Beklagten auch die Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung verletzt. Grundsätzlich ist der Patient über alle Umstände zu informieren, die zu einem therapiegerechten Verhalten sowie zur Vermeidung einer möglichen Selbstgefährdung erforderlich sind. Hierdurch soll er – auch nach Abschluss einer Behandlung – zu einer seinem Zustand angepassten Lebensweise veranlasst werden. Weiter soll er zu gebotenen Selbstschutzmaßnahmen veranlasst werden. Durch die Erteilung von Informationen soll ihm die Dringlichkeit einer gebotenen Behandlung verdeutlicht werden. Die Verletzung der therapeutischen Aufklärung ist als Behandlungsfehler zu qualifizieren, der grundsätzlich vom Patienten zu beweisen ist. So verlangt die Sicherungsaufklärung beispielsweise nach einer Sterilisation den Hinweis, dass das Risiko einer möglicherweise fortbestehenden Empfängnis- oder Zeugungsfähigkeit besteht (BGH NJW 2008, 2846). Umso mehr ist dann die Verpflichtung zu therapeutischer Sicherungsaufklärung anzunehmen, wenn die Einpflanzung eines dauerhaften Verhütungsimplantats zweifelhaft ist, wie im vorliegenden Fall. Die Intensität der therapeutischen Aufklärung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Gerade angesichts der Zweifel am Erfolg der vertraglich geschuldeten Verhütungsbehandlung, wie sie auch von den Beklagten im Prozess vorgetragen worden sind, hätten die behandelnden Ärzte die Klägerin hiervon unterrichten müssen (OLG Hamm VersR 1984, 91 für Zweifel am Erfolg eines operativen Eingriffs). Dies hat auch der gerichtliche Sachverständige bekräftigt.
75 
aa) Die Durchführung der Sicherungsaufklärung ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem das Implanonstäbchen am 22.07.2004 nicht getastet werden konnte, war der Klägerin unstreitig mitgeteilt worden, dass dies wohl wegen der durch die Lokalanästhesie bedingten Schwellung möglich sein könne. Zu erwägen sei auch, dass das Implantat hinter den Muskel gerutscht sein könnte.
76 
bb) Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Parteianhörung konstant angegeben, dass ihr bei keinem der bis Oktober 2004 stattgefundenen Termine oder telefonisch von den Beklagten mitgeteilt worden sei, dass Zweifel an der Einlage des Präparats Implanon bestünden. Blutuntersuchungen seien deshalb angeordnet worden, weil das Stäbchen nicht getastet werden konnte. Weil sie sich damit aber auch nicht ausgekannt habe, habe sie das nicht weiter hinterfragt. Ebenso wenig sei sie darauf hingewiesen worden, dass kein Schutz vor Schwangerschaft bestehe bzw. dass sie sich um anderweitige Verhütungsmaßnahmen bemühen müsse. Vielmehr sei ihr der Eindruck vermittelt worden, dass das Stäbchen da sei und hormonell alles in Ordnung sei. Die als Zeugen vernommenen Eltern der Klägerin, die Zeugin R. und der Zeuge G. konnten hierzu keine Angaben aus eigener Wahrnehmung machen, vielmehr nur angeben, dass ihnen entsprechendes von ihrer Tochter berichtet worden sei. Sie selbst hatten im Rahmen der Implanonbehandlung ab Einlage des Präparats mit Ausnahme der dokumentierten Aufforderung zu einem Rückruf keine Kontakte mit den Beklagten gehabt.
77 
cc) Demgegenüber hat die Beklagte Ziffer 1 angegeben, dass sie der Klägerin nach der Einlage, als sie das Stäbchen nicht tasten konnte, sowie eine Woche später gesagt, habe, dass das Implanon keinen sicheren Schutz biete, solange es nicht zu tasten sei. Sie habe bereits damals in Erwägung gezogen, dass das Stäbchen beim Legen wieder herausgezogen worden sein könnte. Dem Beklagten Ziffer 2 habe sie hiervon berichtet. Weitere Folgetermine hatten unstreitig nicht bei der Beklagten Ziffer 1 stattgefunden. Telefonate habe sie nicht mit der Klägerin geführt. Die Mutter der Klägerin habe sie nicht kennen gelernt. Sie hat auch erklärt, dass es wichtig sei, eine solche Patientin nicht aus den Augen zu verlieren.
78 
dd) Die Beklagte Ziffer 3, die von der Beklagten Ziffer 1 zu dem Kontrollultraschall vom 28.07.2004 hinzugezogen worden war, konnte sich nur noch daran erinnern, dass der Klägerin gesagt worden sei, dass man das Stäbchen im Ultraschall nicht sehen konnte. Ob der Klägerin allerdings auch ausdrücklich gesagt worden sei, dass sie anderweitig verhüten müsse, vermochte sie nicht mehr zu erinnern.
79 
ee) Der Beklagte Ziffer 2, bei dem sich die Klägerin ursprünglich in Behandlung befunden hatte, und der auch das erste Informationsgespräch über die Verhütung mittels Implanon mit der Klägerin und deren Mutter geführt hatte, konnte sich nur noch daran erinnern, dass die Beklagte Ziffer 1 ihm mitgeteilt hatte, dass sie nicht sicher sei, ob das Implanon liege. An weitere Kontrolltermine mit der Klägerin konnte er sich allerdings nicht erinnern. Weitere Blutuntersuchungen habe nicht er, sondern die Beklagte Ziffer 1 veranlasst. Wer die Ergebnisse dieser Untersuchungen telefonisch übermittelt habe, könne er heute nicht mehr sagen.
80 
ff) Vorliegend kommen der Klägerin Beweiserleichterungen wegen unzureichender Dokumentation zugute. In der gesamten Dokumentation findet sich lediglich unter dem 28.07.2004 ein Eintrag der Beklagten Ziffer 1 zu Zweifeln bzgl. der ordnungsgemäßen Einlage und zu einem Gespräch hierüber mit der Klägerin:
81 
„Kontrolle des Implanons. Es lässt sich heute nicht tasten. Auch sonographisch unklarer Befund. Entweder es ist tief abgerutscht u. man kann es nicht mehr lokalisieren oder es war eine leere Kanüle. Es wird mit der Pat. besprochen. Sicherheitshalber Hormonkontrolle in 2 Wochen.“
82 
Diesem Vermerk ist weder zu entnehmen, was mit der Klägerin besprochen worden ist, noch gibt es eine Dokumentation darüber, dass mit der Klägerin die Ergebnisse der in der Folgezeit durchgeführten drei Blutuntersuchungen besprochen worden seien. Ein Hinweis auf die Notwendigkeit anderweitiger Empfängnisverhütung findet sich nicht. Die fehlerhafte Implanoneinlage, in deren Rahmen der Beklagten Ziffer 1 nach ihren Angaben bereits Zweifel an der ordnungsgemäßen Einlage des Implantats gekommen waren, hätte es für die behandelnde Ärztin angesichts des Zwecks des Behandlungsvertrages – Erreichen eines Empfängnisschutzes – aber gerade nahe gelegt, sich den behaupteten Hinweis auf eine nicht sichere Verhütung und die Notwendigkeit anderweitiger Verhütungsmaßnahmen schriftlich bestätigen zu lassen (BGH VersR 1981, 730, zitiert nach juris, Rn. 19; OLG Zweibrücken MDR 1997, 549, zitiert nach juris, Rn. 11: jeweils für die Aufklärungspflicht über Restrisiken nach einer Sterilisation). Zumindest hätte es aber nahe gelegen, die Erteilung eines solchen Hinweises klar und eindeutig in den Behandlungsunterlagen zu dokumentieren. Das Fehlen einer entsprechenden Dokumentation stellt ein Beweisanzeichen dafür dar, dass die Erfüllung der aus dem Behandlungsvertrag folgenden Nebenpflicht versäumt worden ist (BGH a.a.O.). Angesichts der gesteigerten Sorgfaltspflichten aus dem auf Verhütungsschutz zielenden Behandlungsvertrag hätte im vorliegenden Fall eine schriftliche Benachrichtigung über das Ergebnis der nicht aussagekräftigen erhobenen Kontrollbefunde und die daraus resultierenden Konsequenzen (nicht bestehender Empfängnisschutz und Notwendigkeit weiterer Verhütungsmaßnahmen), jedenfalls aber ein klar zu dokumentierendes persönliches Gespräch mit der Klägerin erfolgen müssen. Mangels im konkreten Fall zu fordernder Dokumentation – auch der Sachverständige hat sich dahingehend geäußert, dass aus medizinischer Sicht eine Dokumentation sinnvoll gewesen wäre – greifen Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin. Dies hat zur Folge, dass bei widerstreitenden Parteiangaben zur Frage der Erteilung einer hinreichenden therapeutischen Aufklärung zugunsten der Klägerin der Nachweis unzureichender Aufklärung, also eines Behandlungsfehlers geführt ist. Die Beklagten können auch nicht damit gehört werden, dass der Klägerin aufgrund der häufigen Wiedervorstellungstermine und der mehrmaligen Blutuntersuchungen hätte klar sein müssen, dass kein ausreichender Verhütungsschutz bestehe. Von einer minderjährigen medizinischen Laiin kann nicht erwartet werden, dass sie medizinische Anordnungen derart hinterfragt, dass man daraus ein Entfallen der Pflicht zur therapeutischen Aufklärung ableiten könnte. Gerade gegenüber einer minderjährigen Patientin hätte es vielmehr besonders deutlicher Beratung und Aufklärung bedurft.
83 
gg) Allerdings verbleibt die Beweislast für etwaige Schadensfolgen bei der Klägerin. Sie hat also nachzuweisen, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung anderweitige Verhütungsmittel verwendet hätte, so dass es nicht zu einer Schwangerschaft gekommen wäre. Der entsprechende klägerische Vortrag, der auch durch die Angaben der als Zeugin vernommenen Mutter bestätigt wird, ist von den Beklagten nicht substantiiert bestritten. Mithin ist davon auszugehen, dass die als verantwortungsbewusst geschilderte Klägerin seinerzeit andere Maßnahmen zur Vermeidung einer Schwangerschaft ergriffen hätte.
84 
f) Die Gesamtschau des Behandlungsgeschehens führt dazu, dieses als grob fehlerhaft zu bewerten. Zwar ist der Sachverständige nicht zu dem Schluss gelangt, dass ein grober Behandlungsfehler vorliege. Hierbei handelt es sich aber um eine juristische Frage, die die sachverständig beratene Kammer zu beantworten hat. Vorliegend ist in dreierlei Hinsicht von einem fehlerhaften Behandlungsgeschehen auszugehen:
85 
aa) fehlerhafte Einlage des Implantats
bb) unterlassene Erhebung von Kontrollbefunden
cc) fehlerhafte therapeutische Sicherungsaufklärung.
86 
Gerade die Gesamtschau des Behandlungsgeschehens rechtfertigt es, dieses als grob fehlerhaft zu bezeichnen, in dem Sinne, dass es aus objektiver ärztlicher Sicht schlechterdings nicht mehr als verständlich erscheint, dass den behandelnden Ärzten eine Summe solch gravierender Fehler unterlaufen ist. Angemerkt sei insofern noch, dass es für die Kammer insbesondere unverständlich ist, dass in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten offensichtlich in keiner Weise sichergestellt war, dass die kontinuierliche Behandlung einer Patientin durch mehrere Behandler erfolgen konnte. Gerade im Fall der Klägerin waren mehrere Ärzte in ihre Behandlung involviert. Das Ergebnis der einzelnen Behandlungsschritte wurde jedoch entweder gar nicht oder nur völlig unzureichend kommuniziert. So war für die nachbehandelnden Ärzte nicht zu ersehen, inwieweit weitere Kontrollen mit welchem Ergebnis erfolgen mussten, und was genau der Patientin über die Behandlung bereits mitgeteilt worden war. Dies ist bei Behandlung einer minderjährigen Patientin, die sich mit dem Wunsch nach Empfängnisverhütung an eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis wendet, nicht verständlich. Das muss zumindest auch der Beklagten Ziffer 1 bewusst gewesen sein, die angegeben hatte, dass man die Klägerin im Augen habe behalten müssen. Stattdessen war jedoch in keiner Weise sichergestellt, dass die Zweifel bzgl. eines sicheren Verhütungsschutzes abgeklärt wurden.
87 
g) Die Bejahung eines groben Behandlungsfehlers hat eine Beweislastumkehr zur Folge. Zu Lasten der Behandlungsseite wird ein Kausalzusammenhang zwischen grobem Behandlungsfehler und Primärschädigung vermutet.
88 
4. Die für eine Haftung der Beklagten erforderliche Kausalität ist gegeben.
89 
a) Die Kausalität zwischen Behandlungsfehlern und Eintritt der unerwünschten Schwangerschaft ist zu bejahen. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird dabei auch nicht dadurch unterbrochen, dass der Verletzungserfolg den Geschlechtsverkehr voraussetzt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 181). Die hormonelle Empfängnisverhütung sollte die Klägerin vor den Folgen einer Schwangerschaft schützen, die naturgemäß erst durch ungeschützten Geschlechtsverkehr entstehen kann.
90 
b) Des Weiteren wird der Zurechnungszusammenhang auch nicht durch den Willensentschluss der Klägerin zum Schwangerschaftsabbruch unterbrochen. Diese Entscheidung war nämlich durch die zuvor festgestellten Behandlungsfehler der Beklagten herausgefordert bzw. wesentlich mitbestimmt worden (OLGR Braunschweig 2008, 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, Vorbem. Vor § 249 Rn. 41).
91 
5. Die Klägerin hat auch den Nachweis geführt, dass sie durch den Schwangerschaftsabbruch, der aus gynäkologischer Sicht komplikationslos durchgeführt worden ist, einen Schaden in Form einer psychischen Beeinträchtigung erlitten hat. Der Sachverständige Prof. Dr. E., der als Leiter der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F. in besonderer Weise geeignet ist, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten, hat überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin über einen Zeitraum von sechs Monaten an einem depressiv ängstlichem Syndrom gelitten habe. Dieses habe sich in Deprimiertheit, Antriebsstörungen, Schlafstörungen und vegetativen Störungen geäußert und sei kausal auf den Schwangerschaftsabbruch zurückzuführen. In dem genannten Zeitraum habe auch Krankheitswertigkeit im Sinne einer ICD-10-Klassifikation bestanden. Aktuell seien noch intermittierend auftretende Ängste bzgl. einer Schwangerschaft, Schuldgefühle bzgl. des Abbruchs und einer Pflichtverletzung gegenüber den Eltern sowie Ängste bzgl. Sexualität festzustellen. Diese fortdauernde Anpassungsstörung sei jedoch nur noch leicht ausgeprägt. Zum heutigen Zeitpunkt bestehe keine Therapiebedürftigkeit; ein Krankheitswert sei aktuell nicht gegeben. Diese überzeugenden und widerspruchsfreien gutachterlichen Ausführungen macht sich die Kammer ausdrücklich zu Eigen.
92 
6. Gem. §§ 253 Abs. 2, 280, 611, 823 Abs. 1 BGB ist der Klägerin einSchmerzensgeld zuzuerkennen, das den erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen soll. Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist nach Billigkeit vorzunehmen, wobei die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu berücksichtigen sind. Allerdings fällt bei Schmerzensgeldansprüchen, die wie hier auf ärztlichen Behandlungsfehlern beruhen, der Verschuldensgrad für die Bemessung nicht ins Gewicht (OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 87). Das Gericht hat sich an dem Ausmaß und der Schwere der durch das schadensauslösende Ereignis verursachten Beeinträchtigungen zu orientieren. Weiter hat es das Alter und die persönlichen Verhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung der erlittenen Schäden sind das Maß der Lebensbeeinträchtigung sowie eine mögliche Unübersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs und die Fraglichkeit einer endgültigen Heilung zu eruieren. Weiterhin sind unter Berücksichtigung des Alters des Geschädigten die psychischen Auswirkungen sowie die Einschränkung bei der weiteren Lebensplanung zu berücksichtigen. Insoweit sind vergleichbare Fälle aus der Rechtsprechung heranzuziehen. Die Kammer möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass es äußerst schwierig ist, diese komplexen Erwägungen bezogen auf den konkreten Einzelfall mit einem Geldbetrag zu bewerten.
93 
a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann bereits die Herbeiführung einer ungewollten Schwangerschaft einen Schmerzensgeldanspruch auslösen (BGH VersR 1980, 558; NJW 2008, 2846).
94 
b) Der Entscheidung des OLG Braunschweig vom 26.06.2007 (OLGR Braunschweig 2008, 11) lag ein Fall zugrunde, in dem bei einer Patientin nach einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch nach Behandlungsfehler eines Gynäkologen schwere Depressionen diagnostiziert worden waren, die zu Weinzuständen, Appetitlosigkeit, starker Gewichtsabnahme, Konzentrationsschwäche, einer Vernachlässigung der häuslichen Aufgaben sowie der familiären und sonstigen sozialen Beziehungen geführt hatten. Trotz psychiatrischer Behandlung war es über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren regelmäßig zum Wiederauftreten depressiver Verstimmungen mit Wein- und Zitterattacken gekommen. Das OLG Braunschweig hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 EUR zugesprochen.
95 
c) Das OLG Köln hat die durch den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft, die durch ein ärztliches Fehlverhalten verursacht worden war, eingetretenen psychischen Folgen auch unter dem Gesichtspunkt eines massiven und belastenden Entscheidungskonfliktes vor dem Hintergrund religiöser Überzeugungen bei einer bereits zuvor magersüchtigen Patientin mit 4.500,00 EUR bewertet (OLG Köln VersR 2011, 1325). In dem genannten Fall waren der religiös motivierte Entscheidungskonflikt vor der Abrasio, die ständige Konfrontation mit dem Geschehen im Alltag beim Anblick von Kindern, Eheprobleme und Selbstzweifel wegen gestörten Sexuallebens, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Alpträume, starke Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und Apathie der Patientin berücksichtigt worden.
96 
d) Im Fall der Klägerin ist zu würdigen, dass diese unter keinerlei Grunderkrankungen gelitten hatte. Erschwerend fällt ins Gewicht, dass sie sich bereits im Alter von 17 Jahren mit einer ungewollten Schwangerschaft und der damit im Zusammenhang stehenden Entscheidung über deren Abbruch konfrontiert sah, nachdem sie erst kurz zuvor eine Ausbildung begonnen hatte. Auch hat sich die Klägerin nach den Angaben ihrer Eltern seither im Wesen verändert, ist nicht mehr so unbeschwert und hat sich in sich zurückgezogen. Allerdings hat sie es gemeistert, trotz der seelischen Belastungen, die der Sachverständige Prof. E. über einen Zeitraum von sechs Monaten als krankheitswertig festgestellt hat, ihre Ausbildung zu beenden. Sie hat sich nie in ärztliche oder sonstige therapeutische Behandlung begeben. Allerdings ist es ihr bis heute nicht gelungen, die Ereignisse im Zusammenhang mit der ungewollten Schwangerschaft angemessen zu verarbeiten; zeitweise kommt es noch heute zum Auftreten von Ängsten, ohne dass der Sachverständige insoweit jedoch funktionelle Auswirkungen feststellen konnte. In Zukunft ist nach den Angaben des Sachverständigen Prof. E. eher mit einer Besserung zu rechnen, wobei für den Fall eines künftigen unerfüllten Kinderwunsches ein Zusammenhang etwaiger reaktiver Anpassungsstörungen mit dem früheren Schwangerschaftsabbruch angenommen werden könnte. All diese Erwägungen lassen im Vergleich mit der zitierten Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer im Fall der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 EUR angemessen und ausreichend zum Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens erscheinen. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Schmerzensgeldantrages war die Klage abzuweisen.
97 
7. Die Beklagten haften gesamtschuldnerisch für den Schmerzensgeldanspruch.
98 
a) Die vertragliche Haftung der Beklagten Ziffer 1 bis 4 ergibt sich aus deren Auftreten nach außen als Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB, zur Erbringung gleichartiger Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet, hier auf dem Gebiet der Gynäkologie. Sie sind in gemeinsamen Räumen tätig, rechnen gemeinsam ab, verfügen über gemeinsames Personal und verwenden einen gemeinsamen Briefkopf (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. A 15). Zwar überlässt es der Patient in solchen Fällen im Allgemeinen nicht der praxisinternen Organisation, von wem er sich behandeln lässt. Er wendet sich vielmehr an einen bestimmten Arzt, von dem er behandelt werden möchte. Nach der Interessenlage und der Verkehrsauffassung kommen vertragliche Beziehungen zwischen dem Patienten und allen Praxisinhabern zustande. Dies gilt hier im Besonderen deshalb, weil die Klägerin ärztliche Leistungen verschiedener Ärzte der Gemeinschaftspraxis in Anspruch nehmen musste. Als nach außen auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die rechts- und parteifähige Beklagte Ziffer 5 ebenfalls Vertragspartnerin der Klägerin geworden und in die Haftung einzubeziehen.
99 
b) Die deliktische Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§ 31, 823, 840 BGB, § 229 StGB.
100 
8. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht unter Verzugsgesichtspunkten, §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
101 
9. Hinsichtlich des auf Ersatz des materiellen Schadens gerichteten Klageantrags Ziffer 2 ist die Klage abzuweisen. Zwar hat die Klägerin diesen Antrag insgesamt mit 1.000,00 EUR beziffert. Die Höhe der mit diesem Antrag geltend gemachten Einzelpositionen hat die Klägerin trotz Bestreitens jedoch nicht weiter aufgeschlüsselt bzw. belegt. Die Voraussetzungen für eine Schätzung gem. § 287 ZPO sind mangels greifbarer, von der Klägerin vorzutragender Anhaltspunkte nicht gegeben (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn 4). Hierauf hatte die Kammer bereits hingewiesen.
102 
10. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages Ziffer 3 begründet. Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, hat der BGH offen gelassen (BGH NJW-RR 2007, 601). Zwar hatte der psychiatrische Sachverständige Prof. E. in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass psychische Spätfolgen über die genannten, intermittierend auftretenden Ängste nicht zu erwarten seien. In der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 hat er hierzu aber erläuternd ausgeführt, dass die Klägerin nach wie vor nicht symptomfrei sei. Er könne auch nicht ausschließen dass die momentan vorhandenen Symptome persistieren. Insbesondere im Falle eines künftigen unerfüllten Kinderwunsches könnten bestehende Ängste mit dem früheren Schwangerschaftsabbruch in Zusammenhang gebracht werden. Nach diesen plausiblen gutachterlichen Ausführungen erscheinen der Kammer künftige Schäden jedenfalls möglich.
III.
103 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Heidelberg Urteil, 01. Aug. 2012 - 4 O 79/07

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Heidelberg Urteil, 01. Aug. 2012 - 4 O 79/07

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
Landgericht Heidelberg Urteil, 01. Aug. 2012 - 4 O 79/07 zitiert 17 §§.

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#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 253 Immaterieller Schaden


(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2006 - VI ZR 48/06

bei uns veröffentlicht am 14.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 48/06 Verkündet am: 14. November 2006 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 01. Feb. 2006 - 13 U 134/04

bei uns veröffentlicht am 01.02.2006

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.07.2004 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, a) an die Klägerin

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(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.07.2004 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt,

a) an die Klägerin EUR 14.082,00 (Unterhaltsschadensersatz für den Zeitraum 12/02 bis 12/05) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.458,00 EUR seit 8.11.2004 sowie aus 8.624,00 EUR seit 18.01.2006 zu zahlen,

b) an die Klägerin für das Kind J., geboren am ... 2002, bis zum Eintritt der Volljährigkeit (23.12.2020) monatlich im Voraus, beginnend mit dem Monat Januar 2006, Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich dem jeweiligen gesamten Kindergeld zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages bezüglich des Urteilstenors 1a), im übrigen (Urteilstenor 1b) durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 30.798 EUR.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Der Tatbestand des angefochtenen Urteils lautet wie folgt:
Die am ... 1981 geborene Klägerin begehrt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung für den am ... 2002 geborenen Sohn entstandenen und noch entstehenden Unterhaltsschadens, da der Beklagte das von der Klägerin gewünschte Kontrazeptivum „Implanon“ am 21.02.2002 fehlerhaft bzw. gar nicht appliziert habe.
Die Klägerin war am 21.01.2002 bei dem Beklagten, um sich das von ihr gewünschte langwirkende Kontrazeptivum „Implanon“ legen zu lassen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein ca. 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge mittels eines Applikators subcutan eingebracht wird (Beschreibung AS 35 - 49). Der Beklagte hat seine Behandlung mit 315,00 EUR in Rechnung gestellt (AS 17). Die Klägerin hat die Rechnung bezahlt.
Bei einem Wiedervorstellungstermin am 08.07.2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das „Implanon“-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des „Implanons“ konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.
Am 23.12.2002 gebar die Klägerin einen gesunden Sohn.
Die Klägerin ist gelernte Erzieherin, die 2002 mit ihrer Ausbildung fertig wurde. Sie hatte ab August 2002 eine Arbeitsstelle als Erzieherin in der Schweiz gefunden, die sie aber wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes nicht antreten konnte.
Die Vaterschaft zu dem Sohn der Klägerin hat mit Zustimmung der Klägerin ein am 30.08.1972 geborener Schweizer Staatsangehöriger anerkannt (AS 177), den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, der aber damals und auch heute noch bei seinen Eltern in der Schweiz wohnt. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn der Klägerin nach und nimmt auch sonst alle Aufgaben eines Vaters wahr.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 21.01.2002 das „Implanon“ entweder überhaupt nicht oder fehlerhaft mit der Folge des alsbaldigen unbemerkten Verlustes implantiert. Der Vater des Kindes und sie hätten weder zum damaligen Zeitpunkt noch später ein Kind haben wollen, da sie sich erst ein halbes Jahr gekannt hätten und da die Klägerin ihre sehr gute Arbeitsstelle in der Schweiz habe antreten wollen.
10 
Sie meint, der Beklagte schulde deswegen sowohl den Bar- als auch den Betreuungsunterhalt in Höhe von zusammen 270 % des Regelbetrags nach der Regelbetragsverordnung abzüglich Kindergeld bis zum 18. Lebensjahr des Kindes und danach 200 % des jeweiligen Regelbetrags der Altersstufe 4 nach der Düsseldorfer Tabelle.
11 
(Es folgen die Anträge)
12 
Der Beklagte bestreitet jeden Behandlungsfehler und behauptet, es sei entgegen den Herstellerangaben durchaus möglich, dass das „Implanon“-Implantat unbemerkt verloren gehe.
13 
Der Beklagte meint, die Klägerin könne den Unterhalt für ihren Sohn nicht als Schaden geltend machen, sie habe den Schaden zudem falsch berechnet.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
15 
Die Parteien wurden von der Kammer persönlich gehört. Dabei hat die Klägerin über ihre Lebens- und Familienplanung keine weitergehenden Angaben machen wollen.
16 
Nach der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen, sie habe überhaupt keine Kinder haben wollen (AS 183).
17 
Die schriftlichen Angaben der Arzthelferin des Beklagten (AS 173) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18 
Ergänzend ist festzuhalten, dass die Klägerin die Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht angerufen hatte, welche feststellte, dass dem Beklagten zu Lasten der Antragstellerin ein schuldhafter Behandlungsfehler unterlaufen ist.
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Der Beklagte wandte schon in erster Instanz gegen die klägerischen Ansprüche auch ein, dass der Vater des Kindes nicht in den Schutzbereich des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages einbezogen worden sei.
20 
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der Klägerin um eine junge und gesunde Erstgebärende handle, die verhütet habe, weil sie derzeit keine Kinder haben wollte, um zunächst in ihrem Beruf weiter zu kommen. Angaben dazu, wie ihre Lebensplanung aussah, ob sie Kinder haben wollte oder nicht, habe sie nach anwaltlicher Beratung im Termin verweigert. In diesem Falle könne nach Auffassung des Landgerichts nicht von einem „ungewollten“ Kind im Sinne der Rechtsprechung gesprochen werden. Denn bei der Klägerin könne ganz sicher nicht von einer abgeschlossenen Familienplanung gesprochen werden, vielmehr dürfe davon ausgegangen werden, dass sie nach einigen Jahren der Berufstätigkeit durchaus die Gründung einer Familie wenn nicht geplant, so doch nicht ausgeschlossen habe. Den Unterhalt für ein jetzt noch nicht, wohl aber später geplantes Kind als ersatzfähigen Schaden zu verstehen, verbiete sich aber. Was heute an Unterhalt aufgewandt werde, werde später erspart. Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, dass in diesen Verhältnissen von der Mutter ein späteres Kind möglicherweise nicht mit diesem Vater geplant gewesen sei. Schadensrechtlich sei es für den aufzuwendenden Unterhalt unerheblich, von welchem Vater das Kind stamme.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin und macht geltend, ihr Vortrag sei von Anfang an so zu verstehen gewesen, dass sie dauerhaft für alle Zukunft keinen Kinderwunsch gehegt habe. Sie stellte zuletzt folgende Anträge:
22 
Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.07.2004 verurteilt,
23 
a) an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz für den Zeitraum 12/02 bis 12/05 in Höhe von EUR 14.082,00 nebst gesetzlichen Zinsen aus 5.458,00 EUR seit Zustellung des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 29.10.2004 sowie aus 8.624,00 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 10.01.2006 zu zahlen,
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b) an die Klägerin für das Kind J., geboren am ... 2002, bis zum Eintritt der Volljährigkeit (... 2020) monatlich im Voraus, beginnend mit dem Monat Januar 2006, Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß Düsseldorfer Tabelle i.V. m. der Regelbetragsverordnung abzüglich dem jeweiligen gesamten Kindergeld zu bezahlen.
25 
Den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag auf Zahlung von Unterhalt nach dem 18. Lebensjahr des Kindes für den Fall von dessen Bedürftigkeit hat die Klägerin zurückgenommen.
26 
Der Senat hat ein Sachverständigengutachten zur Frage des ärztlichen Behandlungsfehlers - unter seiner nachträglichen Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen - durch den Sachverständigen Prof. Dr. Z. eingeholt (II 115 ff.).
II.
27 
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
28 
1. Die Unterhaltslast für das Kind J. stellt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - einen Schaden im Rechtssinne dar.
29 
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts referiert (vgl. dazu die Übersicht von Müller, NJW 2003,697 „ Unterhalt für ein Kind als Schaden “).
30 
In Frage steht die haftungsrechtliche Zurechnung der wirtschaftlichen Belastung durch das Kind zu der (etwaigen) Verletzung eines Arztvertrages, der auf die Verhinderung einer Schwangerschaft gerichtet ist. Diese kann im Einzelfall fehlen, wenn der innere Grund dieser Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (BGH NJW 1984, 2625).
31 
Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die von der Rechtsprechung entschiedenen Ausgangsfälle sich auf die geschuldete ärztliche Leistung wegen hoher Kinderzahl oder gesundheitlicher Risiken für die Mutter bezogen und dort die Familienplanung endgültig abgeschlossen sein sollte, wogegen es sich bei der Klägerin um eine junge und gesunde Erstgebärende handle.
32 
Dieser Ansatz ist verfehlt. Die Begründung des Landgerichts findet in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze. Auch und (u.U.) gerade bei einer jungen Frau kann sich die geschilderte haftungsrechtliche Zurechnung eines „unerwünschten“ Kindes stellen. Eine fehlgeschlagene Familienplanung liegt nicht nur vor, wenn diese bereits - im Sinne gewünschter endgültiger Kinderlosigkeit - abgeschlossen ist, sondern ist auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt wird und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar ist. Die Familienplanung der Klägerin bestand darin, dass sie (jedenfalls noch) keine Ehe eingehen wollte und dass sie kein Kind gemeinsam mit ihrem Partner haben wollte. Diese Planung ist durch die fehlgeschlagene Verhütung gestört. Ob die Klägerin irgendwann ein Kind gewollt hätte, spielt keine Rolle, wobei es von vorne herein unzumutbar erscheint, von einer jungen Frau eine endgültige und verbindliche entsprechende Aussage über ihre künftige Familienplanung mit einem (möglicherweise) noch gar nicht bekannten Partner zu verlangen. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das Landgericht zu Recht die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat im Hinblick auf die Erklärung der Klägerin, dass sie endgültig und für alle Zukunft kein Kind haben wollte.
33 
Bei der vorliegenden Konstellation kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass die Störung der Familienplanung nachträglich weggefallen wäre. Der Bundesgerichtshof sah seinerzeit keinen Anlass, Beispiele für einen derartigen Wegfall zu entwickeln (BGH NJW 84,2625). Nach Ansicht des Senats könnte vorliegend theoretisch die Störung in der Zukunft wegfallen, z.B. dann, wenn die Klägerin sich mit einem Partner ein gemeinsames Kind wünschen würde, dies etwa aus medizinischen Gründen nicht möglich wäre und der Partner statt einer anderweitigen Adoption das Kind der Klägerin annehmen würde. In diesem Fall wäre die Familienplanung nicht mehr gestört.
34 
Für die Klägerin liegt ein Schaden in der - auch angesichts ihrer beruflichen Situation (I 7) - unerwünschten Unterhaltsbelastung, vor der die fehlgeschlagene Verhütung schützen sollte. Entgegen dem Landgericht kann dem nicht rein hypothetisch eine Ersparnis entgegengehalten werden wegen einer etwa nicht mehr „notwendigen“ Realisierung eines möglichen, derzeit in allen Details völlig offenen späteren Kinderwunsches.
35 
2. Es steht nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass dem Beklagten beim Einsetzen des Präparates ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
36 
a) Zu dieser Frage hat der Senat Beweisbeschluss erlassen und Prof. Dr. G. zum Sachverständigen bestimmt (II 81). Erstattet wurde das Gutachten jedoch von Prof. Dr. Z. Diesen - auf dem fraglichen Gebiet besonders sachkundigen (GA 3) - Fachmann hat der Senat - entsprechend seinem vorherigen schriftlichen Hinweis - in der mündlichen Verhandlung zum Sachverständigen bestellt, so dass das schriftliche Gutachten als gerichtliches Sachverständigengutachten verwertbar ist (BGH NJW 85, 1399; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 404, Rn. 1 a).
37 
b) Das Gutachten ist überzeugend und nachvollziehbar. Danach kommt als einziger Grund dafür, dass sich das Präparat nicht im Körper der Klägerin befand, ein nicht ordnungsgemäßes Vorgehen des Beklagten in Frage, mit der Folge, dass das wirkstoffhaltige Stäbchen entweder vor der Einlage aus der Einführungskanüle heraus geglitten ist oder aber, dass die Einführungskanüle zwar unter die Haut gebracht wurde, beim Zurückziehen aber das implanonhaltige Stäbchen wieder mit entfernt wurde (GA 3 unten, 4 oben). Ein ungewollter Verlust des Stäbchens ist, wenn es ordnungsgemäß eingebracht wurde, nicht denkbar (GA 5). Diese Aussage des Sachverständigen entspricht auch den Angaben des Herstellers, der das Risiko einer Expulsion mit 0 % angibt (I 37), nur dann, wenn es nicht richtig eingelegt wurde, kann es ausgestoßen werden (Fachinformation, I 43, Mitte, oben).
38 
Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen den Erkenntnissen der Gutachterkommission.
39 
c) Gegen die Aussagen des Gutachtens hat der Beklagte keinerlei Einwände erhoben.
40 
Nur auf Nachfrage des Senats blieb er bei seiner erstinstanzlichen Behauptung, er habe nach dem Einlegen das Stäbchen ertastet. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung wiederholt, die Klägerin hat bestätigt, dass der Beklagte noch einmal an ihrem Oberarm gefühlt habe. Was er dabei ertastet habe, könne sie nicht sagen. Auf die vom Beklagten gegenbeweislich benannte Sprechstundenhilfe als Zeugin wurde daraufhin verzichtet. Damit steht nur fest, dass der Beklagte getastet, nicht aber, dass er das Präparat auch positiv ertastet hat. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, bleibt immer noch die nach dem Sachverständigen einzig denkbare andere Ursache des Verlustes nach nicht ordnungsgemäßem Einbringen des Präparates, was dem Beklagten ebenfalls vorzuwerfen wäre. Nach den Herstellerangaben und den Sachverständigenaussagen muss der Arzt mit der besonderen Technik des Einsetzens vertraut sein, der Hersteller bietet spezielle Trainingsveranstaltungen an, an denen der Beklagte nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (nicht protokolliert) nicht teilgenommen hat. Nur anlässlich einer Tagung hat er sich - ohne praktische Einweisung - über das Präparat informiert. Eine Fehlimplantation in der geschilderten Form bleibt vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Senats die einzig denkbare Ursache des fehlgeschlagenen Vorganges.
41 
d) Die erstinstanzliche Behauptung des Beklagten, die Klägerin könne das Präparat ja willentlich oder versehentlich selbst entfernt haben (I 105), hat der Beklagte nicht aufrechterhalten.
42 
e) Der Beklagte wiederholt in der Berufungsinstanz nicht mehr seine Behauptung, eine andere Patientin habe das Stäbchen beim Badevorgang verloren (I 29, I 111). Diese Behauptung könnte das eindeutige Sachverständigengutachten aber ohnehin nicht in Frage stellen, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte auch dieses Präparat nicht ordnungsgemäß eingeführt hat.
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3. Der Behandlungsfehler des Beklagten ist als kausal für die Schwangerschaft anzusehen, wie auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt wird. Bei ordnungsgemäßer Einlage gewährt das Präparat eine volle kontrazeptive Sicherheit (GA 3), die Versagerrate wird vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption) mit 0 angegeben (II 137). Es kann deshalb kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass bei ordnungsgemäßem Einlegen des Präparats eine Schwangerschaft nicht eingetreten wäre.
44 
4. Der erhobene Mitverschuldenseinwand des Beklagten greift nicht durch.
45 
Nach dem Gutachten steht fest, dass das Auftreten von Blutungen kein Alarmzeichen für die Klägerin darstellen musste. Einen etwaigen Verlust des Stäbchens hätte die Klägerin nur dann bemerken müssen, wenn sie es zuvor ertastet hätte, was wiederum voraussetzt, dass das Stäbchen überhaupt ordnungsgemäß eingebracht worden wäre. Dies steht gerade nicht fest.
46 
Auch die Einwände, die Klägerin hätte die Schwangerschaft abbrechen lassen können bzw. ihren Sohn zur Adoption freigeben können (Schriftsatz vom 10.04.2004, I 109), greifen nicht durch (BGHZ 76, 249; BGH NJW 84, 2625).
47 
Dahinstehen kann, ob der Beklagte die Klägerin zu einem Wiedervorstellungstermin in drei Monaten aufgefordert hat bzw. ob dies dokumentationspflichtig gewesen wäre. Denn der Eingriff erfolgte am 21.01.2002 (nicht - wie GA 1, 2: 21.02.2002), so dass die Klägerin bei einer nach drei Monaten gebotenen Nachuntersuchung Mitte April schon schwanger gewesen wäre (GA 2) und deshalb ein etwa fehlender Hinweis auf eine Wiedervorstellung nicht kausal für den eingetretenen Unterhaltsschaden geworden wäre.
48 
Dahinstehen kann auch, ob der Beklagte die Klägerin auf eine bestehende Unsicherheit des vorliegenden Präparates hingewiesen hat.
49 
Dies folgt schon daraus, dass eine derartige Unsicherheit des Präparates weder bzgl. der kontrazeptiven Wirkung noch bzgl. einer Expulsion vorliegt.
50 
5. Die Klägerin ist aus eigenem Recht ersatzberechtigt bzgl. des von ihr geleisteten bzw. künftig zu leistenden Betreuungsunterhaltes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bezüglich des vom Vater des Kindes zu leistenden Barunterhaltes besteht - entgegen der Auffassung der Klägerin - kein eigener Schadensersatzanspruch, da dieser Barunterhalt vom Vater geleistet wird.
51 
6. Der Klägerin stehen aber auch Ansprüche aus dem abgetretenen Recht des Vaters zu.
52 
a) Die ursprünglich streitige Abtretung ist - nach Vorlage der Abtretungserklärung, I 175 - nicht mehr streitig.
53 
b) Das in erster Instanz erfolgte Bestreiten, dass der Abtretende tatsächlich der Vater ist, wurde in der Berufungsinstanz fallengelassen.
54 
c) Der Vater ist in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen.
55 
Die Klägerin kannte zur Zeit der Schwangerschaft den Vater seit ca. ½ Jahr. Der Vater lebte damals wie auch heute noch bei seinen Eltern in der Schweiz, es war schon damals nicht geplant, dass beide zusammen ziehen. Eine gefestigte Partnerschaft lag nicht vor (I 143, 185). Die Klägerin suchte den Beklagten zusammen mit ihrer Mutter auf und teilte dem Beklagten den Wunsch auf Schwangerschaftsverhütung im Hinblick auf den beabsichtigten Verkehr mit dem (späteren) Vater mit.
56 
In Fällen, in denen ein ärztlicher Behandlungsfehler mitursächlich für ein unerwünschtes Kind ist, ist der Ehegatte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen. (BGH NJW 2002, 2636; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, vor § 249, Rn. 48 m.w.N.). Ob auch der nichteheliche Erzeuger des Kindes ebenfalls in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist, hat der Bundesgerichtshofs bisher ausdrücklich offen gelassen (BGH NJW 1985, 671) und in einem Sonderfall (zeitlicher Aspekt) verneint (BGH NJW 2002, 1489; Erman-Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 328, Rn. 23).
57 
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers in dem Sinne erforderlich, dass der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und dies für den Schuldner auch erkennbar ist, ohne dass Name und Zahl der zu schützenden Dritten ihm bekannt sein müssten. Grundsätzlich sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 328 Rn. 16 m.w.N.).
58 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nach Auffassung des Senats nach heutigen Maßstäben für eine - jedenfalls eheähnliche - nichteheliche Lebensgemeinschaft die Einbeziehung des Vaters in den Schutzbereich des Vertrages in derartigen Fällen nicht mehr zweifelhaft sein (Palandt-Heinrichs, a.a.O., vor § 249 Rn. 48; Staudinger-Jagmann, BGB, 2004, § 328 Rn. 132; Gehrlein, MDR 2002, 638).
59 
Die Frage, ob die Einbeziehung weitergehend ganz allgemein auf eine sonstige, ungefestigte Partnerschaft auszudehnen ist, wird von Gehrlein (a.a.O.) bejaht. Er führt aus, dass gerade in einer nicht auf die Herstellung einer Lebensgemeinschaft gerichteten Partnerschaft der übereinstimmende Wille gegeben sein könne, keine Familie zu gründen. Gemeinsame Familienplanung - auch im Sinne eines ablehnenden Kindwunsches - sei kein Privileg ehelicher oder nichtehelicher Lebensgemeinschaften. In diesem Sinne sei auch zu entscheiden, wenn man das Ziel der Arztleistung in der Vermeidung einer Unterhaltsbelastung erkenne. Nach dieser Auffassung wäre wegen des für beide Partner übereinstimmenden Zwecks der Behandlung eine Leistungsnähe schwerlich abzulehnen. Eine Erkennbarkeit für den Arzt ergäbe sich daraus, dass ein selbstverständliches Interesse der Patientin dahin geht, den jeweiligen (auch künftigen) Partner in den vertraglichen Schutzbereich einzubeziehen. Der Senat neigt zu diesem Ergebnis, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen ist, dass durch die Einbeziehung mehrerer Partner sich keine unzumutbare Risikoerhöhung bzw. -vervielfältigung für den Arzt ergibt, weil es nur um den Schutz vor einer einzigen Schwangerschaft geht. Die Frage bedarf in dieser Allgemeinheit jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
60 
Denn jedenfalls ist aufgrund der angeführten Argumente grundsätzlich von einem Interesse der Patientin auszugehen, zumindest den gegenwärtigen Partner durch den Vertrag, der die - regelmäßig abgesprochene - Art der Empfängnisverhütung ermöglicht, in gleicher Weise vor Unterhaltslasten zu schützen wie sich selbst, was für den behandelnden Arzt auch ohne weiteres erkennbar ist. Dies gilt vorliegend umso mehr, als dem Beklagten der konkrete Anlass für die Schwangerschaftsverhütung ausdrücklich mitgeteilt wurde.
61 
d) Deshalb besteht auch ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen Verpflichtung zur Zahlung des Barunterhalts nach § 1612 a BGB.
62 
7. Zur Höhe der Ansprüche:
63 
a) Die in den letzten Anträgen vorgenommene Klageerweiterung (von 200 % auf 270 % der Regelbetragsverordnung) ist wegen unveränderter Tatsachengrundlagen zulässig.
64 
b) Für den Barunterhalt sind 135 % der Regelbetragsverordnung in derartigen Fällen anzusetzen, zusätzlich ist Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten (Palandt-Heinrichs, a.a.O., vor § 249 Rn. 48 c). Wegen des Betreuungsunterhaltes ist eine pauschale Verdoppelung des Baraufwandes geboten (BGH NJW 1997, 1638; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. 2003, Rn. 1422).
65 
c) Auf dieser Grundlage sind die Ansprüche der Klägerin im Schriftsatz vom 10.01.2006 (II 207) zutreffend dargestellt und errechnet.
66 
8. Insbesondere wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zur Einbeziehung des Vaters in den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat der Senat die Revision zugelassen.
67 
9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und hinsichtlich der Klagerücknahme wegen Ansprüchen über das 18. Lebensjahr hinaus aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
68 
Der Streitwert für die bezifferten Ansprüche beträgt 14.082,00 EUR, für die künftigen Ansprüche (anwendbar ist § 9 ZPO, vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, Anh. I zu § 48 GKG, § 9 ZPO Rn. 2 m.w.N.) 16.716 EUR (398 EUR x 12 x 3,5 x 0,8), insgesamt somit 30.798 EUR.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 48/06 Verkündet am:
14. November 2006
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages
zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige
nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung
betroffen ist.

b) Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht in derartigen Fällen auch dann, wenn die
gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung der Mutter durchkreuzt wird
und die zukünftige Planung nicht endgültig absehbar ist; einer abgeschlossenen
Familienplanung in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines
späteren Kinderwunsches völlig ausgeschlossen sein muss, bedarf es nicht.

c) Der Tatrichter darf bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens einen
Zuschlag in Höhe des Barunterhaltsschadens (135 % des Regelsatzes der Regelbetrag
-Verordnung) als angemessenen Schadensausgleich ansehen, sofern
nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen.
BGH, Urteil vom 14. November 2006 - VI ZR 48/06 - OLG Karlsruhe
LG Waldshut-Tiengen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Vaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens.
2
Der Beklagte hatte es übernommen, der Klägerin im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel "Implanon" zu verabreichen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das "Implanon"-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des "Implanons" konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.
3
Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, dem Beklagten sei beim Einsetzen des Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen, so dass er hinsichtlich der nunmehr bestehenden Unterhaltsverpflichtung ersatzpflichtig sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 14.082 € für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu bezahlen.
5
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er sein Ziel einer Klageabweisung weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil veröffentlicht ist (u. a. VersR 2006, 936 und NJW 2006, 1006), bejaht einen Behandlungsfehler des Beklagten und ist der Ansicht, in den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin sei auch der gegenwärtige Partner einer ungefestigten Partnerschaft einbezogen. Eine den Arzt zum Schadensersatz verpflichtende fehlgeschlagene Familienplanung sei - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt werde und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar sei. Hinsichtlich der Schadenshöhe seien in derartigen Fällen für den Barunterhalt 135 % der Regelbetragsverordnung anzusetzen, zusätzlich sei Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten, dessentwegen eine pauschale Verdoppelung des Baraufwandes geboten sei.

II.

7
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
8
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind - außerhalb der Fallgestaltungen, die aufgrund ärztlicher Fehler nicht durchgeführte bzw. fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche betreffen (vgl. dazu etwa Senatsurteile BGHZ 129, 178, 181 ff.; 143, 389, 393 ff.) - die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrages war. Diese - am Vertragszweck ausgerichtete - Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers hat der Senat insbesondere bejaht für Fälle fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ 76, 259, 262; Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78 - VersR 1981, 278; vom 10. März 1981 - VI ZR 202/79 - VersR 1981, 730; vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - VersR 1984, 864; vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 - VersR 1995, 1099, 1101), bei feh- lerhafter Beratung über die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparates (Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422 f.) sowie für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch behinderten Kindes (BGHZ 124, 128 ff.). Diese Rechtsprechung des Senats hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss des Ersten Senats vom 12. November 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfGE 96, 375, 397 ff.).
9
Der Streitfall gehört zu diesen Fallgruppen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der zwischen den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag darauf gerichtet, der Klägerin das Mittel "Implanon" zu verabreichen. Einziger Zweck dieser Maßnahme konnte ersichtlich nur die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin sein. Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil dem Beklagten nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der als kausal für die Schwangerschaft anzusehen ist, weil das Präparat bei ordnungsgemäßer Einlage eine volle kontrazeptive Sicherheit gewährt und die Versagerrate vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption ) mit Null angegeben wird. Die Feststellung des Berufungsgerichts , die fehlgeschlagene Verhütungsmaßnahme habe bezweckt, die Klägerin, auch angesichts ihrer beruflichen Situation, vor einer unerwünschten Unterhaltsbelastung zu schützen, wird von der Revision nicht angegriffen; dies liegt bei der gegebenen Sachlage auch auf der Hand. Im Übrigen muss die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung nicht unbedingt im Vordergrund stehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138; 143, 389, 394).
10
Eine Haftung des Beklagten nach den dargestellten Maßstäben kommt danach grundsätzlich in Betracht.
11
2. Die Revision macht geltend, die Klägerin habe einen eigenen Unterhaltsschaden nicht ausreichend dargelegt, weil nach ihrem Vortrag nicht von einer abgeschlossenen Familienplanung ausgegangen werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden.
12
Zum einen hat die Klägerin - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - in erster und zweiter Instanz vorgetragen, sie habe den Eingriff, der auf eine langjährige Verhütung angelegt war, vornehmen lassen, weil sie kein Kind gewollt habe.
13
Zum anderen ist die Haftung des Arztes nach den dargestellten Grundsätzen nicht davon abhängig, dass die Familienplanung der Eltern oder eines Elternteils "abgeschlossen" ist in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches, etwa nach beruflicher Konsolidierung und mit einem anderen Partner, völlig ausgeschlossen werden muss. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. März 1980 (BGHZ 76, 259, 265) beiläufig ausgeführt, in den nicht seltenen Fällen, in denen ein junges Ehepaar - etwa um zunächst die wirtschaftlichen Grundlagen der Familie zu festigen oder den Ausbildungsabschluss eines Elternteils zu erleichtern - nur zunächst ein Kind nicht haben wolle, könne aus der Durchkreuzung des derzeitigen Zeitplans nicht schon auf eine nachhaltige Planwidrigkeit des demnach zur Unzeit geborenen Kindes geschlossen werden.
14
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht aber an, dass auch eine aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen auf längere Zeit geplante Kinderlosigkeit Grundlage dafür sein kann, die unerwünschte Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung der ärztlichen Vertragsverletzung zuzurechnen, wenn eine zukünftige Planung noch nicht absehbar ist. In einem solchen Fall kann die Haftung nicht davon abhängen, dass der Geschädigten ein ohnehin nicht verifizierbarer Vortrag über ihre spätere Lebensplanung abverlangt wird.
15
In Fällen der vorliegenden Art geht es - jenseits aller weltanschaulichen Erwägungen und aller Überlegungen, die das Eltern-Kind-Verhältnis betreffen - lediglich darum, dass eine von den Eltern nicht gewünschte Belastung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Vertragsverletzung des Arztes herbeigeführt wird und dieser zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138 und vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO; ferner BVerfGE 96, 375, 400). Der Arzt, der einen vom Patienten gewünschten Erfolg verspricht, diesen aber durch fehlerhafte Behandlung vereitelt, soll für die dadurch verursachte wirtschaftliche Belastung haften.
16
Eine solche rein schadensrechtliche Betrachtung wird bei das Vermögen schädigenden Vertragsverletzungen außerhalb des Arzthaftungsrechts auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Einwand, das schädigende Verhalten beeinträchtige die Lebensplanung des Vertragspartners nur auf Zeit, kann allenfalls für die Schadenshöhe, nicht aber für die grundsätzliche Haftungsfrage von Bedeutung sein. Eine Mutter, die den - gesellschaftlich weitgehend akzeptierten - Entschluss fasst, auf ein Kind zu verzichten, um beispielsweise ihr berufliches Fortkommen zu sichern, kann nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, sie müsse die Vereitelung ihrer Lebensplanung entschädigungslos hinnehmen, weil sie sich in Zukunft möglicherweise doch einmal entschlossen haben würde, Kinder zu bekommen. Die Haftung des Arztes entfällt nur dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 249, 258; 76, 259, 264 f. und vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO, Seite 865), was der beklagte Arzt darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 265).
17
Auch ein auf Zeit angelegter Verzicht auf einen Kinderwunsch kann mithin die Haftung auslösen. Gerade bei Betroffenen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen und zunächst auf Zeit geplant haben, ohne Kind zu bleiben, kann sich eine Vereitelung dieser Lebensplanung wirtschaftlich in schwer wiegender Weise auswirken. In solchen Fällen kann der Zurechnungszusammenhang nicht mit der Erwägung verneint werden, dass bei einer temporären Verhütungsmaßnahme nicht auszuschließen sei, dass sich später doch ein Kinderwunsch einstelle und dieser erfüllt werde. Eine solche Betrachtung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Schaden in der konkreten nicht gewünschten Unterhaltsbelastung besteht und nicht dadurch hinwegdiskutiert werden kann, dass auf eine möglicherweise später willentlich entstehende ähnliche Belastung verwiesen wird. Das möglicherweise später geborene Kind kann nicht, etwa im Sinne einer "überholenden Kausalität", mit dem tatsächlich geborenen gleich gesetzt werden. Dass dieses Kind ungeachtet der gestörten Lebensplanung der Eltern akzeptiert werden muss und im Streitfall ersichtlich akzeptiert wird, kann in Fällen dieser Art durch den Beitrag des Arztes zum Unterhalt für das Kind, den er auf Grund der vertraglichen Schlechterfüllung zu leisten hat, in wirksamer Weise unterstützt werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 128, 143 f.; BVerfGE 96, 375, 402).
18
Der erkennende Senat hat demgemäß auch schon früher eine Haftung nicht nur dann für möglich gehalten, wenn eine endgültige Maßnahme (etwa eine Sterilisation) gewünscht war, sondern auch dann, wenn eine temporäre Verhütungsmaßnahme aufgrund fehlerhafter Behandlung erfolglos blieb (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422, 1423 - Verordnung von Hormonpräparaten ohne empfängnisverhütende Wirkung).
19
3. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe der Schadensberechnung zu Unrecht den Unterhaltsbedarf bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugrunde gelegt. Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg.
20
Entgegen den Ausführungen der Revision musste die Klägerin nicht eine "gegen Kinder gerichtete Lebensplanung" über einen Zeitraum von 18 Jahren vortragen, dahin gehend, dass sie während dieses Zeitraums keinen Kinderwunsch gehegt hätte, das Kind "mithin nicht dazu gedient hätte/dienen würde, diesen Kinderwunsch zu befriedigen". Ein solcher Vortrag ist bei Berücksichtigung des Wahrheitsgebots (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht möglich. Niemand kann verbindliche Erklärungen zu seiner Lebensplanung über einen Zeitraum von 18 (bzw. jetzt noch 14) Jahren abgeben, geschweige denn, was der Revision möglicherweise vorschwebt, einen solchen Vortrag unter Beweis stellen und den Beweis führen. Ein solcher Vortrag ist zur Begründung des Schadensersatzanspruchs auch nicht geboten. Die durch die ärztliche Schlechterfüllung verursachte Unterhaltsbelastung knüpft an die in Frage stehende konkrete Geburt des Kindes an, einen singulären, hier von der Mutter akzeptierten Vorgang, der - schadensrechtlich betrachtet - nicht dazu "dienen" kann, solche Wünsche oder Vorstellungen zu befriedigen, die sich hypothetisch bei ungestörter Lebensplanung später einmal eingestellt hätten. Selbst wenn sich bei der Klägerin in Zukunft ein Kinderwunsch eingestellt haben würde, bezöge sich dieser auf den dann maßgeblichen Zeitpunkt und die anschließende Lebensphase. Die vom Beklagten verursachte Unterhaltsbelastung bleibt dessen ungeachtet bestehen.
21
Wie oben bereits ausgeführt, entfällt die Haftung des Arztes allerdings dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO). Dies hat das Berufungsgericht gesehen und eine solche Fallgestaltung für den vorliegenden Fall verneint. Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches vor.
22
4. Ohne Erfolg rügt die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts, der nichteheliche Vater des Kindes der Klägerin sei in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen.
23
Der erkennende Senat hat in Fällen fehlerhafter genetischer Beratung und sonstiger Fehler im vorgeburtlichen Bereich bereits die Einbeziehung des ehelichen Vaters in den Schutzbereich des Arztvertrages bejaht (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 249 f.; 89, 95, 98; 151, 133, 136). Sie wird auch für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befürwortet (vgl. Gehrlein, MDR 2002, 638, 639; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rn. 48; Staudinger /Jagmann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 132; ferner OLG Frankfurt , VersR 1994, 942, 943 mit Nichtannahmebeschluss vom 18. Januar 1994 - VI ZR 188/93).
24
Der Streitfall nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, in welchem Umfang nichteheliche Väter unter allen denkbaren Umständen, etwa bei ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften, in einen von der Frau abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten Behandlungsvertrag einbezogen sind. Jedenfalls ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Vaters des Kindes lägen unter den Umständen des Streitfalls vor, nicht zu beanstanden. Sofern die Arztleistung - wie hier - auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient, ist ihr wesenseigen, dass der vertragliche Schutz denjenigen zukommt, die für den Unterhalt aufzukommen haben. Dies gilt nicht nur bei ehelicher Vaterschaft (Senatsurteil, BGHZ 76, 259, 262), sondern auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften , die bei Durchführung der Behandlung bestehen und deren auch wirtschaftlichem Schutz die Behandlung gerade dienen soll.
25
Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen den Ausführungen der Revision war es nicht erforderlich, dass die Klägerin dem Beklagten den Kindesvater als ihren festen Partner vorstellte oder namentlich benannte. Die Leistungsnähe des Dritten, das Interesse der Klägerin an dessen Schutz, sein Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 56, 269, 273 f.; vom 19. Februar 2002 - VI ZR 190/01 - VersR 2002, 767 f.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - X ZR 231/99 - NJW 2001, 3115, 3116 m. w. N.) lagen nach den Umständen des Streitfalls auch aus Sicht des Beklagten selbst dann vor, wenn ihm nähere Informationen zur Person des damaligen Lebenspartners der Klägerin und späteren Kindesvaters fehlten. Um die von der Revision herausgestellte Fallgestaltung, bei der im Zeitpunkt der ärztlichen Leistung noch völlig offen ist, wann und gegebenenfalls mit wem künftig Geschlechtsverkehr ausgeübt wird, geht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht.
26
Entgegen den Ausführungen der Revision ist der (der Klägerin abgetretene ) Schadensersatzanspruch des Kindesvaters nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nicht konkret zu dessen Lebensplanung vorgetragen hat. Der Kindesvater ist in den Schutzbereich des mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages einbezogen. Deshalb kommt es auf die diesem Vertrag zugrunde liegende Planung der Klägerin an. Im Übrigen verweist die Revisionserwiderung mit Recht darauf, dass eine Störung der Lebensplanung durch die nichteheliche Vaterschaft und die damit verbundene Unterhaltsbelastung auf der Hand liegt. Dafür, dass der nichteheliche Vater die Vaterschaft gewollt hat, ist nichts vorgetragen und festgestellt.
27
5. Auch die gegen die Höhe des zuerkannten Betrages erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch. Die Schadensschätzung (§ 287 ZPO) des Berufungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie weicht nicht in revisionsrechtlich relevanter Weise von den Vorgaben ab, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Bemessung des Unterhaltsschadensersatzes in Fällen der vorliegenden Art bestehen.
28
a) Betreffend den Barunterhaltsschaden hat der Arzt von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kin- des hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist (Senatsurteil vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - VersR 1997, 698, 700). Dem wird der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 135 % des Satzes der RegelbetragVerordnung gerecht. Soweit die Revision unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des erkennenden Senats geltend macht, es sei auf den einfachen Satz der Regelbetrag-Verordnung abzustellen, entspricht dies nicht den geänderten rechtlichen Vorgaben. Nach der Streichung des § 1615 f. BGB a. F., auf den in dem Senatsurteil vom 4. März 1997 (aaO, S. 699) hingewiesen wird, ist für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes auf einen Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung (vom 6. April 1998) abzustellen. Als Existenzminimum des Kindes sind 135 % des Regelbetrags anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - NJW 2003, 1112, 1114; OLG Oldenburg, VersR 2004, 654, 655, jeweils m. w. N.; vgl. auch § 1612 b Abs. 5 BGB).
29
b) Hinsichtlich des Wertes der Betreuungsleistungen hat der erkennende Senat es nicht beanstandet, dass der Tatrichter einen Zuschlag in Höhe des Barunterhalts zuerkennt (Senatsurteile BGHZ 76, 259, 270 f.; vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - aaO, S. 699). Daran, dass der Zuschlag die Höhe des Barunterhalts nicht erreichen muss, wohl aber erreichen kann (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 270 f.), ist festzuhalten.
30
Zwar liegt die Überlegung nahe, dass sich der Betreuungsaufwand bei zunehmendem Alter des Kindes verringern und deshalb ein Betrag in Höhe von 135 % schadensrechtlich als überhöht erscheinen kann (OLG Oldenburg, aaO, S. 655 f.). Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass die Zuerkennung eines solchen Betrages stets außerhalb des tatrichterlichen Ermessens liegt. Dieser Betrag ist ohnehin nur auf die Existenzsicherung des Kindes abgestellt und gegebenenfalls auch bei einer Mangelverteilung anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - aaO). Er wird auch bei einer Betrachtung über 18 Jahre vielfach den Betrag, der durchschnittlich für die Betreuung eines Kindes erforderlich ist, nicht wesentlich überschreiten. Die Erwägung, dass die Kindesmutter bei fortgeschrittenem Alter des Kindes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein kann, ist in diesem Zusammenhang - anders als im Unterhaltsrecht und bei der Regulierung von Personenschäden gemäß § 844 Abs. 2 BGB - ohne Bedeutung; denn es geht hier nicht um den eigenen Unterhalt der Klägerin, auf den ein zu erzielender Arbeitsverdienst angerechnet werden kann, sondern um deren Belastung mit der Unterhaltsverpflichtung für das Kind, die auch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ungeschmälert bestehen bleibt.
31
Ein Zuschlag in Höhe von 135 % des Regelsatzes darf deshalb vom Tatrichter bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens als angemessener Ausgleich angesehen werden, sofern nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen. Dafür zeigt die Revision im vorliegenden Fall nichts Konkretes auf.

III.

32
Die Revision ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 29.07.2004 - 2 O 70/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 01.02.2006 - 13 U 134/04 -

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.07.2004 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt,

a) an die Klägerin EUR 14.082,00 (Unterhaltsschadensersatz für den Zeitraum 12/02 bis 12/05) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.458,00 EUR seit 8.11.2004 sowie aus 8.624,00 EUR seit 18.01.2006 zu zahlen,

b) an die Klägerin für das Kind J., geboren am ... 2002, bis zum Eintritt der Volljährigkeit (23.12.2020) monatlich im Voraus, beginnend mit dem Monat Januar 2006, Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich dem jeweiligen gesamten Kindergeld zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages bezüglich des Urteilstenors 1a), im übrigen (Urteilstenor 1b) durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 30.798 EUR.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Der Tatbestand des angefochtenen Urteils lautet wie folgt:
Die am ... 1981 geborene Klägerin begehrt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung für den am ... 2002 geborenen Sohn entstandenen und noch entstehenden Unterhaltsschadens, da der Beklagte das von der Klägerin gewünschte Kontrazeptivum „Implanon“ am 21.02.2002 fehlerhaft bzw. gar nicht appliziert habe.
Die Klägerin war am 21.01.2002 bei dem Beklagten, um sich das von ihr gewünschte langwirkende Kontrazeptivum „Implanon“ legen zu lassen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein ca. 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge mittels eines Applikators subcutan eingebracht wird (Beschreibung AS 35 - 49). Der Beklagte hat seine Behandlung mit 315,00 EUR in Rechnung gestellt (AS 17). Die Klägerin hat die Rechnung bezahlt.
Bei einem Wiedervorstellungstermin am 08.07.2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das „Implanon“-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des „Implanons“ konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.
Am 23.12.2002 gebar die Klägerin einen gesunden Sohn.
Die Klägerin ist gelernte Erzieherin, die 2002 mit ihrer Ausbildung fertig wurde. Sie hatte ab August 2002 eine Arbeitsstelle als Erzieherin in der Schweiz gefunden, die sie aber wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes nicht antreten konnte.
Die Vaterschaft zu dem Sohn der Klägerin hat mit Zustimmung der Klägerin ein am 30.08.1972 geborener Schweizer Staatsangehöriger anerkannt (AS 177), den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, der aber damals und auch heute noch bei seinen Eltern in der Schweiz wohnt. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn der Klägerin nach und nimmt auch sonst alle Aufgaben eines Vaters wahr.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 21.01.2002 das „Implanon“ entweder überhaupt nicht oder fehlerhaft mit der Folge des alsbaldigen unbemerkten Verlustes implantiert. Der Vater des Kindes und sie hätten weder zum damaligen Zeitpunkt noch später ein Kind haben wollen, da sie sich erst ein halbes Jahr gekannt hätten und da die Klägerin ihre sehr gute Arbeitsstelle in der Schweiz habe antreten wollen.
10 
Sie meint, der Beklagte schulde deswegen sowohl den Bar- als auch den Betreuungsunterhalt in Höhe von zusammen 270 % des Regelbetrags nach der Regelbetragsverordnung abzüglich Kindergeld bis zum 18. Lebensjahr des Kindes und danach 200 % des jeweiligen Regelbetrags der Altersstufe 4 nach der Düsseldorfer Tabelle.
11 
(Es folgen die Anträge)
12 
Der Beklagte bestreitet jeden Behandlungsfehler und behauptet, es sei entgegen den Herstellerangaben durchaus möglich, dass das „Implanon“-Implantat unbemerkt verloren gehe.
13 
Der Beklagte meint, die Klägerin könne den Unterhalt für ihren Sohn nicht als Schaden geltend machen, sie habe den Schaden zudem falsch berechnet.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
15 
Die Parteien wurden von der Kammer persönlich gehört. Dabei hat die Klägerin über ihre Lebens- und Familienplanung keine weitergehenden Angaben machen wollen.
16 
Nach der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin schriftsätzlich vorgetragen, sie habe überhaupt keine Kinder haben wollen (AS 183).
17 
Die schriftlichen Angaben der Arzthelferin des Beklagten (AS 173) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
18 
Ergänzend ist festzuhalten, dass die Klägerin die Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht angerufen hatte, welche feststellte, dass dem Beklagten zu Lasten der Antragstellerin ein schuldhafter Behandlungsfehler unterlaufen ist.
19 
Der Beklagte wandte schon in erster Instanz gegen die klägerischen Ansprüche auch ein, dass der Vater des Kindes nicht in den Schutzbereich des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages einbezogen worden sei.
20 
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei der Klägerin um eine junge und gesunde Erstgebärende handle, die verhütet habe, weil sie derzeit keine Kinder haben wollte, um zunächst in ihrem Beruf weiter zu kommen. Angaben dazu, wie ihre Lebensplanung aussah, ob sie Kinder haben wollte oder nicht, habe sie nach anwaltlicher Beratung im Termin verweigert. In diesem Falle könne nach Auffassung des Landgerichts nicht von einem „ungewollten“ Kind im Sinne der Rechtsprechung gesprochen werden. Denn bei der Klägerin könne ganz sicher nicht von einer abgeschlossenen Familienplanung gesprochen werden, vielmehr dürfe davon ausgegangen werden, dass sie nach einigen Jahren der Berufstätigkeit durchaus die Gründung einer Familie wenn nicht geplant, so doch nicht ausgeschlossen habe. Den Unterhalt für ein jetzt noch nicht, wohl aber später geplantes Kind als ersatzfähigen Schaden zu verstehen, verbiete sich aber. Was heute an Unterhalt aufgewandt werde, werde später erspart. Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, dass in diesen Verhältnissen von der Mutter ein späteres Kind möglicherweise nicht mit diesem Vater geplant gewesen sei. Schadensrechtlich sei es für den aufzuwendenden Unterhalt unerheblich, von welchem Vater das Kind stamme.
21 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin und macht geltend, ihr Vortrag sei von Anfang an so zu verstehen gewesen, dass sie dauerhaft für alle Zukunft keinen Kinderwunsch gehegt habe. Sie stellte zuletzt folgende Anträge:
22 
Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 29.07.2004 verurteilt,
23 
a) an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz für den Zeitraum 12/02 bis 12/05 in Höhe von EUR 14.082,00 nebst gesetzlichen Zinsen aus 5.458,00 EUR seit Zustellung des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 29.10.2004 sowie aus 8.624,00 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 10.01.2006 zu zahlen,
24 
b) an die Klägerin für das Kind J., geboren am ... 2002, bis zum Eintritt der Volljährigkeit (... 2020) monatlich im Voraus, beginnend mit dem Monat Januar 2006, Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß Düsseldorfer Tabelle i.V. m. der Regelbetragsverordnung abzüglich dem jeweiligen gesamten Kindergeld zu bezahlen.
25 
Den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag auf Zahlung von Unterhalt nach dem 18. Lebensjahr des Kindes für den Fall von dessen Bedürftigkeit hat die Klägerin zurückgenommen.
26 
Der Senat hat ein Sachverständigengutachten zur Frage des ärztlichen Behandlungsfehlers - unter seiner nachträglichen Bestellung zum gerichtlichen Sachverständigen - durch den Sachverständigen Prof. Dr. Z. eingeholt (II 115 ff.).
II.
27 
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
28 
1. Die Unterhaltslast für das Kind J. stellt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - einen Schaden im Rechtssinne dar.
29 
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts referiert (vgl. dazu die Übersicht von Müller, NJW 2003,697 „ Unterhalt für ein Kind als Schaden “).
30 
In Frage steht die haftungsrechtliche Zurechnung der wirtschaftlichen Belastung durch das Kind zu der (etwaigen) Verletzung eines Arztvertrages, der auf die Verhinderung einer Schwangerschaft gerichtet ist. Diese kann im Einzelfall fehlen, wenn der innere Grund dieser Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (BGH NJW 1984, 2625).
31 
Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die von der Rechtsprechung entschiedenen Ausgangsfälle sich auf die geschuldete ärztliche Leistung wegen hoher Kinderzahl oder gesundheitlicher Risiken für die Mutter bezogen und dort die Familienplanung endgültig abgeschlossen sein sollte, wogegen es sich bei der Klägerin um eine junge und gesunde Erstgebärende handle.
32 
Dieser Ansatz ist verfehlt. Die Begründung des Landgerichts findet in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze. Auch und (u.U.) gerade bei einer jungen Frau kann sich die geschilderte haftungsrechtliche Zurechnung eines „unerwünschten“ Kindes stellen. Eine fehlgeschlagene Familienplanung liegt nicht nur vor, wenn diese bereits - im Sinne gewünschter endgültiger Kinderlosigkeit - abgeschlossen ist, sondern ist auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt wird und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar ist. Die Familienplanung der Klägerin bestand darin, dass sie (jedenfalls noch) keine Ehe eingehen wollte und dass sie kein Kind gemeinsam mit ihrem Partner haben wollte. Diese Planung ist durch die fehlgeschlagene Verhütung gestört. Ob die Klägerin irgendwann ein Kind gewollt hätte, spielt keine Rolle, wobei es von vorne herein unzumutbar erscheint, von einer jungen Frau eine endgültige und verbindliche entsprechende Aussage über ihre künftige Familienplanung mit einem (möglicherweise) noch gar nicht bekannten Partner zu verlangen. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das Landgericht zu Recht die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat im Hinblick auf die Erklärung der Klägerin, dass sie endgültig und für alle Zukunft kein Kind haben wollte.
33 
Bei der vorliegenden Konstellation kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass die Störung der Familienplanung nachträglich weggefallen wäre. Der Bundesgerichtshof sah seinerzeit keinen Anlass, Beispiele für einen derartigen Wegfall zu entwickeln (BGH NJW 84,2625). Nach Ansicht des Senats könnte vorliegend theoretisch die Störung in der Zukunft wegfallen, z.B. dann, wenn die Klägerin sich mit einem Partner ein gemeinsames Kind wünschen würde, dies etwa aus medizinischen Gründen nicht möglich wäre und der Partner statt einer anderweitigen Adoption das Kind der Klägerin annehmen würde. In diesem Fall wäre die Familienplanung nicht mehr gestört.
34 
Für die Klägerin liegt ein Schaden in der - auch angesichts ihrer beruflichen Situation (I 7) - unerwünschten Unterhaltsbelastung, vor der die fehlgeschlagene Verhütung schützen sollte. Entgegen dem Landgericht kann dem nicht rein hypothetisch eine Ersparnis entgegengehalten werden wegen einer etwa nicht mehr „notwendigen“ Realisierung eines möglichen, derzeit in allen Details völlig offenen späteren Kinderwunsches.
35 
2. Es steht nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass dem Beklagten beim Einsetzen des Präparates ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
36 
a) Zu dieser Frage hat der Senat Beweisbeschluss erlassen und Prof. Dr. G. zum Sachverständigen bestimmt (II 81). Erstattet wurde das Gutachten jedoch von Prof. Dr. Z. Diesen - auf dem fraglichen Gebiet besonders sachkundigen (GA 3) - Fachmann hat der Senat - entsprechend seinem vorherigen schriftlichen Hinweis - in der mündlichen Verhandlung zum Sachverständigen bestellt, so dass das schriftliche Gutachten als gerichtliches Sachverständigengutachten verwertbar ist (BGH NJW 85, 1399; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 404, Rn. 1 a).
37 
b) Das Gutachten ist überzeugend und nachvollziehbar. Danach kommt als einziger Grund dafür, dass sich das Präparat nicht im Körper der Klägerin befand, ein nicht ordnungsgemäßes Vorgehen des Beklagten in Frage, mit der Folge, dass das wirkstoffhaltige Stäbchen entweder vor der Einlage aus der Einführungskanüle heraus geglitten ist oder aber, dass die Einführungskanüle zwar unter die Haut gebracht wurde, beim Zurückziehen aber das implanonhaltige Stäbchen wieder mit entfernt wurde (GA 3 unten, 4 oben). Ein ungewollter Verlust des Stäbchens ist, wenn es ordnungsgemäß eingebracht wurde, nicht denkbar (GA 5). Diese Aussage des Sachverständigen entspricht auch den Angaben des Herstellers, der das Risiko einer Expulsion mit 0 % angibt (I 37), nur dann, wenn es nicht richtig eingelegt wurde, kann es ausgestoßen werden (Fachinformation, I 43, Mitte, oben).
38 
Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen den Erkenntnissen der Gutachterkommission.
39 
c) Gegen die Aussagen des Gutachtens hat der Beklagte keinerlei Einwände erhoben.
40 
Nur auf Nachfrage des Senats blieb er bei seiner erstinstanzlichen Behauptung, er habe nach dem Einlegen das Stäbchen ertastet. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung wiederholt, die Klägerin hat bestätigt, dass der Beklagte noch einmal an ihrem Oberarm gefühlt habe. Was er dabei ertastet habe, könne sie nicht sagen. Auf die vom Beklagten gegenbeweislich benannte Sprechstundenhilfe als Zeugin wurde daraufhin verzichtet. Damit steht nur fest, dass der Beklagte getastet, nicht aber, dass er das Präparat auch positiv ertastet hat. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, bleibt immer noch die nach dem Sachverständigen einzig denkbare andere Ursache des Verlustes nach nicht ordnungsgemäßem Einbringen des Präparates, was dem Beklagten ebenfalls vorzuwerfen wäre. Nach den Herstellerangaben und den Sachverständigenaussagen muss der Arzt mit der besonderen Technik des Einsetzens vertraut sein, der Hersteller bietet spezielle Trainingsveranstaltungen an, an denen der Beklagte nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (nicht protokolliert) nicht teilgenommen hat. Nur anlässlich einer Tagung hat er sich - ohne praktische Einweisung - über das Präparat informiert. Eine Fehlimplantation in der geschilderten Form bleibt vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Senats die einzig denkbare Ursache des fehlgeschlagenen Vorganges.
41 
d) Die erstinstanzliche Behauptung des Beklagten, die Klägerin könne das Präparat ja willentlich oder versehentlich selbst entfernt haben (I 105), hat der Beklagte nicht aufrechterhalten.
42 
e) Der Beklagte wiederholt in der Berufungsinstanz nicht mehr seine Behauptung, eine andere Patientin habe das Stäbchen beim Badevorgang verloren (I 29, I 111). Diese Behauptung könnte das eindeutige Sachverständigengutachten aber ohnehin nicht in Frage stellen, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte auch dieses Präparat nicht ordnungsgemäß eingeführt hat.
43 
3. Der Behandlungsfehler des Beklagten ist als kausal für die Schwangerschaft anzusehen, wie auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt wird. Bei ordnungsgemäßer Einlage gewährt das Präparat eine volle kontrazeptive Sicherheit (GA 3), die Versagerrate wird vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption) mit 0 angegeben (II 137). Es kann deshalb kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass bei ordnungsgemäßem Einlegen des Präparats eine Schwangerschaft nicht eingetreten wäre.
44 
4. Der erhobene Mitverschuldenseinwand des Beklagten greift nicht durch.
45 
Nach dem Gutachten steht fest, dass das Auftreten von Blutungen kein Alarmzeichen für die Klägerin darstellen musste. Einen etwaigen Verlust des Stäbchens hätte die Klägerin nur dann bemerken müssen, wenn sie es zuvor ertastet hätte, was wiederum voraussetzt, dass das Stäbchen überhaupt ordnungsgemäß eingebracht worden wäre. Dies steht gerade nicht fest.
46 
Auch die Einwände, die Klägerin hätte die Schwangerschaft abbrechen lassen können bzw. ihren Sohn zur Adoption freigeben können (Schriftsatz vom 10.04.2004, I 109), greifen nicht durch (BGHZ 76, 249; BGH NJW 84, 2625).
47 
Dahinstehen kann, ob der Beklagte die Klägerin zu einem Wiedervorstellungstermin in drei Monaten aufgefordert hat bzw. ob dies dokumentationspflichtig gewesen wäre. Denn der Eingriff erfolgte am 21.01.2002 (nicht - wie GA 1, 2: 21.02.2002), so dass die Klägerin bei einer nach drei Monaten gebotenen Nachuntersuchung Mitte April schon schwanger gewesen wäre (GA 2) und deshalb ein etwa fehlender Hinweis auf eine Wiedervorstellung nicht kausal für den eingetretenen Unterhaltsschaden geworden wäre.
48 
Dahinstehen kann auch, ob der Beklagte die Klägerin auf eine bestehende Unsicherheit des vorliegenden Präparates hingewiesen hat.
49 
Dies folgt schon daraus, dass eine derartige Unsicherheit des Präparates weder bzgl. der kontrazeptiven Wirkung noch bzgl. einer Expulsion vorliegt.
50 
5. Die Klägerin ist aus eigenem Recht ersatzberechtigt bzgl. des von ihr geleisteten bzw. künftig zu leistenden Betreuungsunterhaltes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bezüglich des vom Vater des Kindes zu leistenden Barunterhaltes besteht - entgegen der Auffassung der Klägerin - kein eigener Schadensersatzanspruch, da dieser Barunterhalt vom Vater geleistet wird.
51 
6. Der Klägerin stehen aber auch Ansprüche aus dem abgetretenen Recht des Vaters zu.
52 
a) Die ursprünglich streitige Abtretung ist - nach Vorlage der Abtretungserklärung, I 175 - nicht mehr streitig.
53 
b) Das in erster Instanz erfolgte Bestreiten, dass der Abtretende tatsächlich der Vater ist, wurde in der Berufungsinstanz fallengelassen.
54 
c) Der Vater ist in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen.
55 
Die Klägerin kannte zur Zeit der Schwangerschaft den Vater seit ca. ½ Jahr. Der Vater lebte damals wie auch heute noch bei seinen Eltern in der Schweiz, es war schon damals nicht geplant, dass beide zusammen ziehen. Eine gefestigte Partnerschaft lag nicht vor (I 143, 185). Die Klägerin suchte den Beklagten zusammen mit ihrer Mutter auf und teilte dem Beklagten den Wunsch auf Schwangerschaftsverhütung im Hinblick auf den beabsichtigten Verkehr mit dem (späteren) Vater mit.
56 
In Fällen, in denen ein ärztlicher Behandlungsfehler mitursächlich für ein unerwünschtes Kind ist, ist der Ehegatte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen. (BGH NJW 2002, 2636; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, vor § 249, Rn. 48 m.w.N.). Ob auch der nichteheliche Erzeuger des Kindes ebenfalls in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist, hat der Bundesgerichtshofs bisher ausdrücklich offen gelassen (BGH NJW 1985, 671) und in einem Sonderfall (zeitlicher Aspekt) verneint (BGH NJW 2002, 1489; Erman-Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 328, Rn. 23).
57 
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers in dem Sinne erforderlich, dass der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und dies für den Schuldner auch erkennbar ist, ohne dass Name und Zahl der zu schützenden Dritten ihm bekannt sein müssten. Grundsätzlich sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 328 Rn. 16 m.w.N.).
58 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nach Auffassung des Senats nach heutigen Maßstäben für eine - jedenfalls eheähnliche - nichteheliche Lebensgemeinschaft die Einbeziehung des Vaters in den Schutzbereich des Vertrages in derartigen Fällen nicht mehr zweifelhaft sein (Palandt-Heinrichs, a.a.O., vor § 249 Rn. 48; Staudinger-Jagmann, BGB, 2004, § 328 Rn. 132; Gehrlein, MDR 2002, 638).
59 
Die Frage, ob die Einbeziehung weitergehend ganz allgemein auf eine sonstige, ungefestigte Partnerschaft auszudehnen ist, wird von Gehrlein (a.a.O.) bejaht. Er führt aus, dass gerade in einer nicht auf die Herstellung einer Lebensgemeinschaft gerichteten Partnerschaft der übereinstimmende Wille gegeben sein könne, keine Familie zu gründen. Gemeinsame Familienplanung - auch im Sinne eines ablehnenden Kindwunsches - sei kein Privileg ehelicher oder nichtehelicher Lebensgemeinschaften. In diesem Sinne sei auch zu entscheiden, wenn man das Ziel der Arztleistung in der Vermeidung einer Unterhaltsbelastung erkenne. Nach dieser Auffassung wäre wegen des für beide Partner übereinstimmenden Zwecks der Behandlung eine Leistungsnähe schwerlich abzulehnen. Eine Erkennbarkeit für den Arzt ergäbe sich daraus, dass ein selbstverständliches Interesse der Patientin dahin geht, den jeweiligen (auch künftigen) Partner in den vertraglichen Schutzbereich einzubeziehen. Der Senat neigt zu diesem Ergebnis, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen ist, dass durch die Einbeziehung mehrerer Partner sich keine unzumutbare Risikoerhöhung bzw. -vervielfältigung für den Arzt ergibt, weil es nur um den Schutz vor einer einzigen Schwangerschaft geht. Die Frage bedarf in dieser Allgemeinheit jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
60 
Denn jedenfalls ist aufgrund der angeführten Argumente grundsätzlich von einem Interesse der Patientin auszugehen, zumindest den gegenwärtigen Partner durch den Vertrag, der die - regelmäßig abgesprochene - Art der Empfängnisverhütung ermöglicht, in gleicher Weise vor Unterhaltslasten zu schützen wie sich selbst, was für den behandelnden Arzt auch ohne weiteres erkennbar ist. Dies gilt vorliegend umso mehr, als dem Beklagten der konkrete Anlass für die Schwangerschaftsverhütung ausdrücklich mitgeteilt wurde.
61 
d) Deshalb besteht auch ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen Verpflichtung zur Zahlung des Barunterhalts nach § 1612 a BGB.
62 
7. Zur Höhe der Ansprüche:
63 
a) Die in den letzten Anträgen vorgenommene Klageerweiterung (von 200 % auf 270 % der Regelbetragsverordnung) ist wegen unveränderter Tatsachengrundlagen zulässig.
64 
b) Für den Barunterhalt sind 135 % der Regelbetragsverordnung in derartigen Fällen anzusetzen, zusätzlich ist Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten (Palandt-Heinrichs, a.a.O., vor § 249 Rn. 48 c). Wegen des Betreuungsunterhaltes ist eine pauschale Verdoppelung des Baraufwandes geboten (BGH NJW 1997, 1638; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. 2003, Rn. 1422).
65 
c) Auf dieser Grundlage sind die Ansprüche der Klägerin im Schriftsatz vom 10.01.2006 (II 207) zutreffend dargestellt und errechnet.
66 
8. Insbesondere wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zur Einbeziehung des Vaters in den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat der Senat die Revision zugelassen.
67 
9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und hinsichtlich der Klagerücknahme wegen Ansprüchen über das 18. Lebensjahr hinaus aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
68 
Der Streitwert für die bezifferten Ansprüche beträgt 14.082,00 EUR, für die künftigen Ansprüche (anwendbar ist § 9 ZPO, vgl. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, Anh. I zu § 48 GKG, § 9 ZPO Rn. 2 m.w.N.) 16.716 EUR (398 EUR x 12 x 3,5 x 0,8), insgesamt somit 30.798 EUR.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 48/06 Verkündet am:
14. November 2006
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages
zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige
nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung
betroffen ist.

b) Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht in derartigen Fällen auch dann, wenn die
gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung der Mutter durchkreuzt wird
und die zukünftige Planung nicht endgültig absehbar ist; einer abgeschlossenen
Familienplanung in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines
späteren Kinderwunsches völlig ausgeschlossen sein muss, bedarf es nicht.

c) Der Tatrichter darf bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens einen
Zuschlag in Höhe des Barunterhaltsschadens (135 % des Regelsatzes der Regelbetrag
-Verordnung) als angemessenen Schadensausgleich ansehen, sofern
nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen.
BGH, Urteil vom 14. November 2006 - VI ZR 48/06 - OLG Karlsruhe
LG Waldshut-Tiengen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Vaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens.
2
Der Beklagte hatte es übernommen, der Klägerin im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel "Implanon" zu verabreichen. Bei diesem Präparat handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest. Das "Implanon"-Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des "Implanons" konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.
3
Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und der Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, dem Beklagten sei beim Einsetzen des Verhütungsmittels ein Behandlungsfehler unterlaufen, so dass er hinsichtlich der nunmehr bestehenden Unterhaltsverpflichtung ersatzpflichtig sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Unterhaltsschadensersatz in Höhe von 14.082 € für den zurück liegenden Zeitraum (Dezember 2002 bis Dezember 2005) und bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes monatlich im Voraus in Höhe von 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes zu bezahlen.
5
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er sein Ziel einer Klageabweisung weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil veröffentlicht ist (u. a. VersR 2006, 936 und NJW 2006, 1006), bejaht einen Behandlungsfehler des Beklagten und ist der Ansicht, in den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin sei auch der gegenwärtige Partner einer ungefestigten Partnerschaft einbezogen. Eine den Arzt zum Schadensersatz verpflichtende fehlgeschlagene Familienplanung sei - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt werde und die zukünftige Planung endgültig noch gar nicht absehbar sei. Hinsichtlich der Schadenshöhe seien in derartigen Fällen für den Barunterhalt 135 % der Regelbetragsverordnung anzusetzen, zusätzlich sei Ersatz für den Betreuungsunterhalt zu leisten, dessentwegen eine pauschale Verdoppelung des Baraufwandes geboten sei.

II.

7
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
8
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind - außerhalb der Fallgestaltungen, die aufgrund ärztlicher Fehler nicht durchgeführte bzw. fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche betreffen (vgl. dazu etwa Senatsurteile BGHZ 129, 178, 181 ff.; 143, 389, 393 ff.) - die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrages war. Diese - am Vertragszweck ausgerichtete - Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers hat der Senat insbesondere bejaht für Fälle fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ 76, 259, 262; Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78 - VersR 1981, 278; vom 10. März 1981 - VI ZR 202/79 - VersR 1981, 730; vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - VersR 1984, 864; vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 - VersR 1995, 1099, 1101), bei feh- lerhafter Beratung über die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparates (Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422 f.) sowie für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch behinderten Kindes (BGHZ 124, 128 ff.). Diese Rechtsprechung des Senats hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss des Ersten Senats vom 12. November 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfGE 96, 375, 397 ff.).
9
Der Streitfall gehört zu diesen Fallgruppen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der zwischen den Parteien geschlossene Behandlungsvertrag darauf gerichtet, der Klägerin das Mittel "Implanon" zu verabreichen. Einziger Zweck dieser Maßnahme konnte ersichtlich nur die Verhütung einer Schwangerschaft bei der Klägerin sein. Dieser Zweck wurde nicht erreicht, weil dem Beklagten nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der als kausal für die Schwangerschaft anzusehen ist, weil das Präparat bei ordnungsgemäßer Einlage eine volle kontrazeptive Sicherheit gewährt und die Versagerrate vom Arbeitskreis Lakon (Langzeitkontrazeption ) mit Null angegeben wird. Die Feststellung des Berufungsgerichts , die fehlgeschlagene Verhütungsmaßnahme habe bezweckt, die Klägerin, auch angesichts ihrer beruflichen Situation, vor einer unerwünschten Unterhaltsbelastung zu schützen, wird von der Revision nicht angegriffen; dies liegt bei der gegebenen Sachlage auch auf der Hand. Im Übrigen muss die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung nicht unbedingt im Vordergrund stehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138; 143, 389, 394).
10
Eine Haftung des Beklagten nach den dargestellten Maßstäben kommt danach grundsätzlich in Betracht.
11
2. Die Revision macht geltend, die Klägerin habe einen eigenen Unterhaltsschaden nicht ausreichend dargelegt, weil nach ihrem Vortrag nicht von einer abgeschlossenen Familienplanung ausgegangen werden könne. Dem kann nicht gefolgt werden.
12
Zum einen hat die Klägerin - worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist - in erster und zweiter Instanz vorgetragen, sie habe den Eingriff, der auf eine langjährige Verhütung angelegt war, vornehmen lassen, weil sie kein Kind gewollt habe.
13
Zum anderen ist die Haftung des Arztes nach den dargestellten Grundsätzen nicht davon abhängig, dass die Familienplanung der Eltern oder eines Elternteils "abgeschlossen" ist in dem Sinne, dass auch die hypothetische Möglichkeit eines späteren Kinderwunsches, etwa nach beruflicher Konsolidierung und mit einem anderen Partner, völlig ausgeschlossen werden muss. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. März 1980 (BGHZ 76, 259, 265) beiläufig ausgeführt, in den nicht seltenen Fällen, in denen ein junges Ehepaar - etwa um zunächst die wirtschaftlichen Grundlagen der Familie zu festigen oder den Ausbildungsabschluss eines Elternteils zu erleichtern - nur zunächst ein Kind nicht haben wolle, könne aus der Durchkreuzung des derzeitigen Zeitplans nicht schon auf eine nachhaltige Planwidrigkeit des demnach zur Unzeit geborenen Kindes geschlossen werden.
14
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht aber an, dass auch eine aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen auf längere Zeit geplante Kinderlosigkeit Grundlage dafür sein kann, die unerwünschte Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung der ärztlichen Vertragsverletzung zuzurechnen, wenn eine zukünftige Planung noch nicht absehbar ist. In einem solchen Fall kann die Haftung nicht davon abhängen, dass der Geschädigten ein ohnehin nicht verifizierbarer Vortrag über ihre spätere Lebensplanung abverlangt wird.
15
In Fällen der vorliegenden Art geht es - jenseits aller weltanschaulichen Erwägungen und aller Überlegungen, die das Eltern-Kind-Verhältnis betreffen - lediglich darum, dass eine von den Eltern nicht gewünschte Belastung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Vertragsverletzung des Arztes herbeigeführt wird und dieser zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 124, 128, 138 und vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO; ferner BVerfGE 96, 375, 400). Der Arzt, der einen vom Patienten gewünschten Erfolg verspricht, diesen aber durch fehlerhafte Behandlung vereitelt, soll für die dadurch verursachte wirtschaftliche Belastung haften.
16
Eine solche rein schadensrechtliche Betrachtung wird bei das Vermögen schädigenden Vertragsverletzungen außerhalb des Arzthaftungsrechts auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Der Einwand, das schädigende Verhalten beeinträchtige die Lebensplanung des Vertragspartners nur auf Zeit, kann allenfalls für die Schadenshöhe, nicht aber für die grundsätzliche Haftungsfrage von Bedeutung sein. Eine Mutter, die den - gesellschaftlich weitgehend akzeptierten - Entschluss fasst, auf ein Kind zu verzichten, um beispielsweise ihr berufliches Fortkommen zu sichern, kann nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, sie müsse die Vereitelung ihrer Lebensplanung entschädigungslos hinnehmen, weil sie sich in Zukunft möglicherweise doch einmal entschlossen haben würde, Kinder zu bekommen. Die Haftung des Arztes entfällt nur dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 249, 258; 76, 259, 264 f. und vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO, Seite 865), was der beklagte Arzt darzulegen und zu beweisen hat (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 265).
17
Auch ein auf Zeit angelegter Verzicht auf einen Kinderwunsch kann mithin die Haftung auslösen. Gerade bei Betroffenen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen und zunächst auf Zeit geplant haben, ohne Kind zu bleiben, kann sich eine Vereitelung dieser Lebensplanung wirtschaftlich in schwer wiegender Weise auswirken. In solchen Fällen kann der Zurechnungszusammenhang nicht mit der Erwägung verneint werden, dass bei einer temporären Verhütungsmaßnahme nicht auszuschließen sei, dass sich später doch ein Kinderwunsch einstelle und dieser erfüllt werde. Eine solche Betrachtung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Schaden in der konkreten nicht gewünschten Unterhaltsbelastung besteht und nicht dadurch hinwegdiskutiert werden kann, dass auf eine möglicherweise später willentlich entstehende ähnliche Belastung verwiesen wird. Das möglicherweise später geborene Kind kann nicht, etwa im Sinne einer "überholenden Kausalität", mit dem tatsächlich geborenen gleich gesetzt werden. Dass dieses Kind ungeachtet der gestörten Lebensplanung der Eltern akzeptiert werden muss und im Streitfall ersichtlich akzeptiert wird, kann in Fällen dieser Art durch den Beitrag des Arztes zum Unterhalt für das Kind, den er auf Grund der vertraglichen Schlechterfüllung zu leisten hat, in wirksamer Weise unterstützt werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 128, 143 f.; BVerfGE 96, 375, 402).
18
Der erkennende Senat hat demgemäß auch schon früher eine Haftung nicht nur dann für möglich gehalten, wenn eine endgültige Maßnahme (etwa eine Sterilisation) gewünscht war, sondern auch dann, wenn eine temporäre Verhütungsmaßnahme aufgrund fehlerhafter Behandlung erfolglos blieb (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1997 - VI ZR 133/96 - VersR 1997, 1422, 1423 - Verordnung von Hormonpräparaten ohne empfängnisverhütende Wirkung).
19
3. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe der Schadensberechnung zu Unrecht den Unterhaltsbedarf bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugrunde gelegt. Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg.
20
Entgegen den Ausführungen der Revision musste die Klägerin nicht eine "gegen Kinder gerichtete Lebensplanung" über einen Zeitraum von 18 Jahren vortragen, dahin gehend, dass sie während dieses Zeitraums keinen Kinderwunsch gehegt hätte, das Kind "mithin nicht dazu gedient hätte/dienen würde, diesen Kinderwunsch zu befriedigen". Ein solcher Vortrag ist bei Berücksichtigung des Wahrheitsgebots (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht möglich. Niemand kann verbindliche Erklärungen zu seiner Lebensplanung über einen Zeitraum von 18 (bzw. jetzt noch 14) Jahren abgeben, geschweige denn, was der Revision möglicherweise vorschwebt, einen solchen Vortrag unter Beweis stellen und den Beweis führen. Ein solcher Vortrag ist zur Begründung des Schadensersatzanspruchs auch nicht geboten. Die durch die ärztliche Schlechterfüllung verursachte Unterhaltsbelastung knüpft an die in Frage stehende konkrete Geburt des Kindes an, einen singulären, hier von der Mutter akzeptierten Vorgang, der - schadensrechtlich betrachtet - nicht dazu "dienen" kann, solche Wünsche oder Vorstellungen zu befriedigen, die sich hypothetisch bei ungestörter Lebensplanung später einmal eingestellt hätten. Selbst wenn sich bei der Klägerin in Zukunft ein Kinderwunsch eingestellt haben würde, bezöge sich dieser auf den dann maßgeblichen Zeitpunkt und die anschließende Lebensphase. Die vom Beklagten verursachte Unterhaltsbelastung bleibt dessen ungeachtet bestehen.
21
Wie oben bereits ausgeführt, entfällt die Haftung des Arztes allerdings dann, wenn im Einzelfall der innere Grund der haftungsrechtlichen Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1984 - VI ZR 76/83 - aaO). Dies hat das Berufungsgericht gesehen und eine solche Fallgestaltung für den vorliegenden Fall verneint. Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches vor.
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4. Ohne Erfolg rügt die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts, der nichteheliche Vater des Kindes der Klägerin sei in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages einbezogen.
23
Der erkennende Senat hat in Fällen fehlerhafter genetischer Beratung und sonstiger Fehler im vorgeburtlichen Bereich bereits die Einbeziehung des ehelichen Vaters in den Schutzbereich des Arztvertrages bejaht (Senatsurteile BGHZ 86, 240, 249 f.; 89, 95, 98; 151, 133, 136). Sie wird auch für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft befürwortet (vgl. Gehrlein, MDR 2002, 638, 639; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rn. 48; Staudinger /Jagmann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 328 Rn. 132; ferner OLG Frankfurt , VersR 1994, 942, 943 mit Nichtannahmebeschluss vom 18. Januar 1994 - VI ZR 188/93).
24
Der Streitfall nötigt nicht zur Entscheidung der Frage, in welchem Umfang nichteheliche Väter unter allen denkbaren Umständen, etwa bei ungefestigten kurzfristigen Partnerschaften, in einen von der Frau abgeschlossenen, auf Empfängnisverhütung angelegten Behandlungsvertrag einbezogen sind. Jedenfalls ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Vaters des Kindes lägen unter den Umständen des Streitfalls vor, nicht zu beanstanden. Sofern die Arztleistung - wie hier - auch der wirtschaftlichen Familienplanung dient, ist ihr wesenseigen, dass der vertragliche Schutz denjenigen zukommt, die für den Unterhalt aufzukommen haben. Dies gilt nicht nur bei ehelicher Vaterschaft (Senatsurteil, BGHZ 76, 259, 262), sondern auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Partnerschaften , die bei Durchführung der Behandlung bestehen und deren auch wirtschaftlichem Schutz die Behandlung gerade dienen soll.
25
Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht für den Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen den Ausführungen der Revision war es nicht erforderlich, dass die Klägerin dem Beklagten den Kindesvater als ihren festen Partner vorstellte oder namentlich benannte. Die Leistungsnähe des Dritten, das Interesse der Klägerin an dessen Schutz, sein Schutzbedürfnis und die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 56, 269, 273 f.; vom 19. Februar 2002 - VI ZR 190/01 - VersR 2002, 767 f.; BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - X ZR 231/99 - NJW 2001, 3115, 3116 m. w. N.) lagen nach den Umständen des Streitfalls auch aus Sicht des Beklagten selbst dann vor, wenn ihm nähere Informationen zur Person des damaligen Lebenspartners der Klägerin und späteren Kindesvaters fehlten. Um die von der Revision herausgestellte Fallgestaltung, bei der im Zeitpunkt der ärztlichen Leistung noch völlig offen ist, wann und gegebenenfalls mit wem künftig Geschlechtsverkehr ausgeübt wird, geht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht.
26
Entgegen den Ausführungen der Revision ist der (der Klägerin abgetretene ) Schadensersatzanspruch des Kindesvaters nicht deshalb zu verneinen, weil die Klägerin nicht konkret zu dessen Lebensplanung vorgetragen hat. Der Kindesvater ist in den Schutzbereich des mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrages einbezogen. Deshalb kommt es auf die diesem Vertrag zugrunde liegende Planung der Klägerin an. Im Übrigen verweist die Revisionserwiderung mit Recht darauf, dass eine Störung der Lebensplanung durch die nichteheliche Vaterschaft und die damit verbundene Unterhaltsbelastung auf der Hand liegt. Dafür, dass der nichteheliche Vater die Vaterschaft gewollt hat, ist nichts vorgetragen und festgestellt.
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5. Auch die gegen die Höhe des zuerkannten Betrages erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch. Die Schadensschätzung (§ 287 ZPO) des Berufungsgerichts lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie weicht nicht in revisionsrechtlich relevanter Weise von den Vorgaben ab, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Bemessung des Unterhaltsschadensersatzes in Fällen der vorliegenden Art bestehen.
28
a) Betreffend den Barunterhaltsschaden hat der Arzt von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kin- des hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist (Senatsurteil vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - VersR 1997, 698, 700). Dem wird der vom Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 135 % des Satzes der RegelbetragVerordnung gerecht. Soweit die Revision unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des erkennenden Senats geltend macht, es sei auf den einfachen Satz der Regelbetrag-Verordnung abzustellen, entspricht dies nicht den geänderten rechtlichen Vorgaben. Nach der Streichung des § 1615 f. BGB a. F., auf den in dem Senatsurteil vom 4. März 1997 (aaO, S. 699) hingewiesen wird, ist für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes auf einen Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung (vom 6. April 1998) abzustellen. Als Existenzminimum des Kindes sind 135 % des Regelbetrags anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - NJW 2003, 1112, 1114; OLG Oldenburg, VersR 2004, 654, 655, jeweils m. w. N.; vgl. auch § 1612 b Abs. 5 BGB).
29
b) Hinsichtlich des Wertes der Betreuungsleistungen hat der erkennende Senat es nicht beanstandet, dass der Tatrichter einen Zuschlag in Höhe des Barunterhalts zuerkennt (Senatsurteile BGHZ 76, 259, 270 f.; vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - aaO, S. 699). Daran, dass der Zuschlag die Höhe des Barunterhalts nicht erreichen muss, wohl aber erreichen kann (Senatsurteil BGHZ 76, 259, 270 f.), ist festzuhalten.
30
Zwar liegt die Überlegung nahe, dass sich der Betreuungsaufwand bei zunehmendem Alter des Kindes verringern und deshalb ein Betrag in Höhe von 135 % schadensrechtlich als überhöht erscheinen kann (OLG Oldenburg, aaO, S. 655 f.). Daraus lässt sich indes nicht herleiten, dass die Zuerkennung eines solchen Betrages stets außerhalb des tatrichterlichen Ermessens liegt. Dieser Betrag ist ohnehin nur auf die Existenzsicherung des Kindes abgestellt und gegebenenfalls auch bei einer Mangelverteilung anzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - aaO). Er wird auch bei einer Betrachtung über 18 Jahre vielfach den Betrag, der durchschnittlich für die Betreuung eines Kindes erforderlich ist, nicht wesentlich überschreiten. Die Erwägung, dass die Kindesmutter bei fortgeschrittenem Alter des Kindes zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet sein kann, ist in diesem Zusammenhang - anders als im Unterhaltsrecht und bei der Regulierung von Personenschäden gemäß § 844 Abs. 2 BGB - ohne Bedeutung; denn es geht hier nicht um den eigenen Unterhalt der Klägerin, auf den ein zu erzielender Arbeitsverdienst angerechnet werden kann, sondern um deren Belastung mit der Unterhaltsverpflichtung für das Kind, die auch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ungeschmälert bestehen bleibt.
31
Ein Zuschlag in Höhe von 135 % des Regelsatzes darf deshalb vom Tatrichter bei der Bemessung des Betreuungsunterhaltsschadens als angemessener Ausgleich angesehen werden, sofern nicht die Umstände des Falles eine abweichende Bewertung nahe legen. Dafür zeigt die Revision im vorliegenden Fall nichts Konkretes auf.

III.

32
Die Revision ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 29.07.2004 - 2 O 70/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 01.02.2006 - 13 U 134/04 -

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.