Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13

ECLI:ECLI:DE:LGITZEH:2013:1220.9S31.13.0A
bei uns veröffentlicht am20.12.2013

Tenor

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben werden.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über die Kosten eines Räumungsrechtsstreits, der sich in der Hauptsache durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs erledigt hat.

2

Es wird zunächst entsprechend § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die nachfolgend dokumentierten tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen:

3

„Die Beklagte hat die streitgegenständliche Wohnung mit Wirkung ab dem 01.01.1980 von der seinerzeitigen Eigentümerin gemietet. Sie ist zum heutigen Zeitpunkt 71 Jahre alt und bewohnt die Wohnung mithin seit etwa 33 Jahren. Für den Inhalt des Mietvertrages wird auf die Anlage K1, Bl. 5 ff. d.A., verwiesen. Im Jahr 2011 erwarb der Zeuge W. die streitgegenständliche Wohnung. Der Zeuge W. ist der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin. Die Klägerin und der Zeuge W. haben eine gemeinsame Tochter im Alter von 10 Jahren, die im Haushalt der Klägerin lebt. Die Klägerin bewohnt derzeit eine Wohnung in der H.-Straße 10 in Q., bestehend aus drei Zimmern, für die sie eine Gesamtmiete einschließlich Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser und Vorauszahlung für die übrigen Betriebskosten in Höhe von 710,00 € monatlich aufbringen muss. Durch Schreiben des Prozessbevollmächtigen der Klägerin kündigte der Zeuge W. mit Schreiben vom 10.10.2011 das Mietverhältnis mit der Beklagten zum 31.10.2012 wegen Eigenbedarfs.

4

Dieses Kündigungsschreiben, Anlage K3, Bl. 18 ff. d.A., enthält unter anderem folgenden Text:

5

‚Als Kündigungsgrund macht mein Mandant Eigenbedarf geltend.

6

Herr W. benötigt die Wohnung für seine ehemalige Lebensgefährtin, Frau S., sowie für die gemeinsame Tochter, J. S., geboren am 18.03.2002. Das gemeinsame Kind wohnt bei der ehemaligen Lebensgefährtin. Die derzeit von ihr bewohnte Wohnung muss u.a. aus Kostengründen aufgegeben werden.

7

Mein Mandant wünscht, dass sowohl die ehemalige Lebensgefährtin als auch das eigene Kind abgesichert sind.

8

Die von Ihnen bewohnte Wohnung ist zu diesem Zwecke auch angemessen. Weiterer Ersatzwohnraum oder weitere Wohnungen stehen nicht zur Verfügung.‘

9

Für den weiteren Inhalt wird auf die Anlage K3 verwiesen.

10

Durch notariellen Vertrag vom 27.12.2011 erwarb die Klägerin die streitgegenständliche Wohnung von dem Zeugen W.

11

Die Beklagte erhob durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.08.2012 den Widerspruch gemäß § 574 BGB und führte aus, dass die Aufgabe des für sie jahrzehntelang gewohnten Lebensumfeldes eine in ihrem Alter unzumutbare Härte darstellen würde. Ihr sei die Verschaffung von Ersatzwohnraum nicht möglich. Sie verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch über den 31.10.2012 hinaus.

12

Die Klägerin behauptet, dass sie beabsichtigte, gemeinsam mit ihrer Tochter in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen. Für den Kauf der streitgegenständlichen Wohnung habe sie einen Kredit aufnehmen müssen, für den sie monatlich ca. 420,00 € aufbringen müsse. Sie habe ein Einkommen von monatlich etwa 1.256,00 €.

13

14

Sie (die Beklagte) behauptet, dass Ersatzwohnraum für die Beklagte nicht zu beschaffen sei. Die Beklagte habe sich seit November 2011 erfolglos um Ersatzwohnraum bemüht. Sie ist der Auffassung, dass ein Umzug für die Beklagte aufgrund der persönlichen Umstände eine unzumutbare Härte bedeuten würde und verlangt die Fortsetzung des Mietverhältnisses.“

15

Ergänzend hat die Kammer Folgendes festgestellt:

16

In dem notariellen Grundstückskaufvertrag (KV), den die Klägerin mit dem Zeugen W. abschloss, verzichtete diese auf persönlichen Unterhalt (§ 3a KV); den Wert des Verzichts bestimmten beide mit 25.000,00 € (Anlage K 6).

17

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis aufgrund der Eigenbedarfskündigung des Zeugen W. vom 10.10.2011 (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) geendet hat. Die Kündigung sei formell wirksam, denn das Kündigungsschreiben enthalte eine nach § 573 Abs. 3 BGB ausreichende Begründung. Bei einer Eigenbedarfskündigung sei daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt werde, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung habe, ausreichend (BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 317/10, WuM 2011, 518). Diesen Anforderungen genüge das Schreiben vom 10.10.2011. Darin sei aufgeführt, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrer Tochter in die streitgegenständliche Wohnung einziehen möchte. Ferner sei angegeben, dass der Umzug unter anderem aus Kostengründen erfolgen solle.

18

Die Kündigung sei auch materiell wirksam. Es sei zunächst unerheblich, dass nach Ausspruch der Kündigung ein Eigentümer- und damit Vermieterwechsel stattgefunden habe. Die Kündigung stützt sich auf den gleichen Eigenbedarfsgrund, nämlich den Einzug der Klägerin und ihrer Tochter. Es bestehe auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses, da sie die Räume als Wohnung für sich und die Angehörige ihres Haushalts benötige (vgl. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Ausreichend seien vernünftige, nachvollziehbare Gründe sowie die ernsthafte Nutzungsabsicht des Vermieters. Diese Voraussetzungen lägen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor. Der Zeuge W. habe bestätigt, dass die Klägerin die nunmehr in ihrem Eigentum stehende Wohnung selbst nutzen wolle, um die Mietkosten ihrer aktuellen Wohnung einzusparen. Ihre finanzielle Situation sei derzeit sehr schwierig. Er habe nach der Trennung von der Klägerin seine Tochter absichern wollen und in diesem Zusammenhang die streitgegenständliche Wohnung an die Klägerin verkauft. Ein Einzug der Klägerin mit ihrer Tochter sei jedoch von Anfang an geplant gewesen.

19

Der form- und fristgerecht eingelegte Kündigungswiderspruch der Beklagten gem. § 574 BGB habe keinen Erfolg. Die Beklagte habe nicht substanziiert vorgetragen, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden könne. Zudem habe sie einige der von ihr dokumentierten Mietwohnungen offensichtlich wegen Umständen abgelehnt, deren Hinnahme ihr durchaus zuzumuten gewesen sei. Allein das hohe Alter der Beklagten stelle für sich keine Härte dar; sie habe keine konkreten Umstände vorgetragen, warum sie, abgesehen von ihrem Alter und der Dauer des Mietverhältnisses, nicht umziehen könne. Eine Räumungsunfähigkeit habe sie nicht vorgetragen.

20

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Urteil in vollem Umfang angegriffen. Sie ist Auffassung gewesen, die Kündigung sei bereits formell unwirksam, weil der geltend gemachte Eigenbedarf nicht prüfbar dargelegt sei. Das Nutzungsinteresse werde nur mit einer Leerformel pauschal behauptet, die angeführten „Kostengründe“ seien nicht überprüfbar. Es fehle an jeglicher Information über die finanziellen Verhältnisse sowie die derzeitigen Wohnverhältnisse der Bedarfsperson.

21

Der im Kündigungsschreiben des Zeugen W. mitgeteilte Nutzungswille beziehe sich auf den Bedarf der Klägerin als seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Diese sei jedoch keine nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierte Person. Nachdem sie sich infolge nachträglicher Änderung der Verhältnisse nunmehr auf einen eigenen Wohnbedarf berufen könne, habe sie einen neuen, nunmehr eigenen Nutzungswillen. Um diesen geltend zu machen, sei eine neuerliche Kündigung erforderlich.

22

Darüber hinaus hat sich die Beklagte gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts gewendet. Die Aussage des Zeugen W. könne den Kündigungsgrund schon deswegen nicht stützen, weil der Zeuge als Vater des Kindes der Bedarfsperson ein erhebliches eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Die Beklagte hat im Übrigen geltend gemacht, dass der Verzicht der Klägerin auf laufende Unterhaltsansprüche im Wert vom 25.000,00 € bei ihren Vermögensverhältnissen berücksichtigt werden müsse.

23

Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Abweisung der Klage beantragt. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklage hat behauptet, sie habe bislang keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu einem mit der streitgegenständlichen Wohnung vergleichbaren Preis finden können. Insoweit hat sie auf die bei ihr vorhandene Belegordnung mit gesammelten Zeitungsausrissen des Immobilienteils der Tagespresse verwiesen, in denen sie nach Wohnungen gesucht habe.

25

Die Kammer hat Beweis erhoben durch erneute Vernehmung des Zeugen Michael W. zum Beweisthema: Wohnbedarf der Klägerin hinsichtlich der Wohnung An der R. 9 in Q. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der Kammer von 01.11.2013 (Bl. 164 ff. d.A.) Bezug genommen.

26

Die Parteien haben anschließend einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in welchem sich die Beklagte im Hinblick auf den geltend gemachten Eigenbedarf zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung bis spätestens 31.05.2014 verpflichtet hat. Wegen der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs haben die Parteien eine Entscheidung nach § 91a ZPO beantragt.

II.

27

Nachdem sich der Rechtsstreit durch Ausschluss des Vergleichs erledigt hat, hat die Kammer auf Antrag der Parteien entsprechend § 91a Abs. 1 ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Dies geschieht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Es hat billigem Ermessen entsprochen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs aufgelegen; diese sind gegeneinander aufzuheben. Ohne den Abschluss des Vergleichs wäre die Räumungsklage der Klägerin begründet gewesen.

1.

28

Die seinerzeit noch von dem Rechtsvorgänger der Klägerin, dem Zeugen W., am 10.10.2011 ausgesprochene Kündigung (Anlage K 3) hat das Mietverhältnis zum Ablauf des Monats Oktober 2012 beendet (vgl. § 542 Abs. 1 BGB, § 565 BGB a.F. i. V. mit Art. 229 § 3 Nr. 10 EGBGB). Kündigungsgrund ist ein Eigenbedarf der Klägerin i. S. des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

29

a) Die Kündigung ist formell ordnungsgemäß. Insbesondere ist das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB gewahrt. Nach dieser Vorschrift sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Der Zweck der Bestimmung liegt darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (BGH, Urt. v. 17.03.2010 – VIII ZR 70/09 Tz. 8, WuM 2010, 301, 302; Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 317/10 Tz. 8, WuM 2011, 518). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Personen, für welche die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend (BGH, Urt. v. 17.03.2010, a.a.O.; Urt. v. 27.07.2007 – VIII 271/06 Tz. 23, WuM 2007, 515).

30

Diesen Anforderungen wird das Kündigungsschreiben vom 10.10.2011 gerecht. Der vormalige Vermieter W. hat darin „seine ehemalige Lebensgefährtin, Frau S.“ (die jetzige Klägerin) sogar namentlich bezeichnet. Er hat weiterhin mitgeteilt, dass die seinerzeit von dieser bewohnte Wohnung „aus Kostengründen“ aufgegeben werden muss, dass er eine „Absicherung“ für sie und das gemeinsame Kind erstrebt und dass das streitgegenständliche Mietobjekt zur Deckung ihres Wohnbedarfs auch „angemessen“ ist. Der Beklagten ist zwar zu konzedieren, dass die Ausführungen zum Bedarfsgrund in dem Kündigungsschreiben recht knapp ausgefallen sind. Allerdings genügt es, wenn in dem Kündigungsschreiben die Kerntatsachen für den Kündigungsgrund genannt werden; demgegenüber können Tatsachen, die nur der näheren Erläuterung, Ergänzung, Ausfüllung sowie dem Beweis des geltend gemachten Kündigungsgrundes dienen, auf Verlangen des Mieters grundsätzlich auch noch im Prozess nachgeschoben werden (BayObLG, Rechtsentscheid v. 14.07.1981 – Allg. Reg. 32/81, WuM 1981, 200, 202 f.; Rechtsentscheid v. 17.02.1984 – ReMiet 6/84, WuM 1985, 50, 51). Kerntatsachen in diesem Sinne sind die in dem streitgegenständlichen Kündigungsschreiben mitgeteilten Probleme der (jetzigen) Klägerin, ihre seinerzeit bezogene Wohnung zu finanzieren, darüber hinaus aber auch der Wille des kündigenden Zeugen W., die Klägerin sowie die gemeinsame Tochter abzusichern. Damit ist es der Beklagten möglich zu prüfen und zu beurteilen, ob sie dem Kündigungsbegehren Folge leisten oder sich dagegen zu Wehr setzen will; ihrem Informationsbedürfnis ist insoweit Genüge getan. Hat sich die Beklagte in diesem Fall dazu entschlossen, sich gegen die Kündigung zu verteidigen, so ermöglichen ihr die im Kündigungsschreiben enthaltenen Informationen, durch ein gezieltes Bestreiten im Räumungsrechtsstreit darauf hinwirken, dass die Klägerin weitere Einzelheiten zum Kündigungsgrund vorträgt. Damit ist der Zweck des Begründungserfordernisses erreicht.

31

b) Die von dem Zeugen W. ausgesprochene Kündigung ist auch materiell begründet. Der Zeuge hat im Zeitpunkt seines Kündigungsausspruchs ein berechtigtes Kündigungsinteresse i. S. des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend gemacht, denn er hat die Wohnung (zumindest auch) für eine nahe Familienangehörige, nämlich seine im Jahre 2002 geborene Tochter J. S., benötigt. Dieses Kündigungsinteresse darf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Zeugen W. weiterverfolgen. Denn durch die Veräußerung des Grundstücks und dem Übergang des Eigentums auf sie, einhergehend mit einer Neuentstehung des Mietverhältnisses gem. § 566 Abs. 1 BGB zwischen ihr und der Beklagten zum bisherigen Inhalt (vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2012 – XII ZR 22/11, WuM 2012, 560, 562 Tz. 25), ist es nicht entfallen. Auch die Klägerin macht geltend, dass ihr – mit dem Zeugen W. gemeinsames – Kind fortan in der Wohnung leben soll. Es liegt insofern kein neuer Kündigungsgrund vor, welchen der Vermieter nur unter den Voraussetzungen des § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB nachschieben dürfte; vielmehr besteht der bisherige Kündigungsgrund in der Person der neuen Vermieterin, nämlich der Klägerin fort. Damit ist dem gebotenen Schutz des vertragstreuen Wohnraummieters vor willkürlichen Kündigungen (vgl. BT-Drs. 7/2011, S. 7; BGH, Urt. v. 16.01.2008 – VIII ZR 254/06, WuM 2008, 233, 234) hinreichend Rechnung getragen. Dass die Person des Vermieters nach Ausspruch der Kündigung identisch bleibt, ist nicht erforderlich (OLG Hamm, Rechtsentscheid v. 21.07.1992 – 30 REMiet 1/92 = NJW-RR 1992, 1164, 1165; LG Karlsruhe, Urt. v. 06.04.1990, WuM 1990, 353; im Schrifttum: Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl. 2013 Rn. 119; Gsell, WuM 2012, 411, 412 f.).

32

Die von der Beklagten zitierte Passage aus der Kommentarliteratur (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, [jetzt] 11. Aufl. 2013, § 573 Rn. 76) betrifft eine andere Fallgestaltung. Dort geht es darum, dass der im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bestehende Nutzungs- bzw. Überlassungswille des Vermieters weggefallen und an dessen Stelle ein neuer Nutzungs- bzw. Überlassungswille getreten ist. Als Beispiel wird auf eine Entscheidung des LG Mannheim (ZMR 1994, Heft 12, XV [Ls]) hingewiesen, in welcher der Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt, später das Haus zum Verkauf angeboten und im Räumungsprozess erklärt hat, er habe zwischenzeitlich von der Verkaufsabsicht Abstand genommen und nunmehr zu seinem ursprünglichen Selbstnutzungswillen zurückgefunden. Hier liegt eine Zäsur zwischen dem zunächst in dem Kündigungsschreiben und sodann nochmals im Räumungsrechtsstreit geäußerten Nutzungswunsch vor. An einer solchen Zäsur fehlt es jedoch im vorliegenden Fall, denn der im Kündigungsschreiben erklärte Überlassungswunsch zugunsten der minderjährige Tochter des Klägers besteht auch nach dem Eigentumswechsel ohne Unterbrechung fort.

33

Die Kammer hat auch keinen Zweifel an einem Nutzungswillen der Klägerin. Nach deren persönlicher Anhörung in der mündlichen Verhandlung und einer erneuten Vernehmung des Zeugen W. geht die Kammer davon aus, dass ein solcher Nutzungswille im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bestanden hat und auch gegenwärtig – jedenfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung – noch fortbesteht. So hat die Klägerin ausgeführt, nach wie vor die Absicht zu haben, in die streitgegenständliche Wohnung mit der gemeinsamen Tochter einzuziehen und darin zu wohnen. Auch der Zeuge W. hat bekundet, die Klägerin habe nach der Trennung von ihm mit der gemeinsamen Tochter in die streitgegenständliche Wohnung einziehen wollen; diese Nutzungsabsicht habe sie seiner Kenntnis nach zu keiner Zeit aufgegeben. Ein gewisses Indiz für die Ernsthaftigkeit der Nutzungsabsicht der Klägerin erblickt die Kammer auch in dem von dem Zeugen W. mitgeteilten Umstand, dass die Klägerin die Wohnung zunächst auch besichtigt hat, um sich ein Bild davon zu machen.

34

Das nunmehr von der Klägerin weiterverfolgte Nutzungsinteresse ist auch als berechtigt i. S. des § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen, denn es basiert auf vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2010 – VIII ZR 78/10, WuM 2010, 757 Tz. 12 m. w. Nachw.). Bereits der Wunsch, in den „eigenen vier Wänden“ zu wohnen bzw. diese einem nahen Familienangehörigen zu überlassen, ist anerkennenswert, sofern er unter den konkreten Umständen nicht als völlig unsinnig erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.11.1993 – 1 BvR 696/93, NJW 1994, 309; ferner Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XI 38). Hiervon kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden. Vielmehr ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin die Wohnung zur Deckung ihres eigenen Wohnbedarfs und vor allem des Wohnbedarfs ihrer und des Zeugen W. gemeinsamen Tochter von diesem Zeugen käuflich erworben hat. Der Erwerb einer Eigentumswohnung, um diese mit einem minderjährigen Kind zu beziehen, ist ohne Weiteres vernünftig und verständlich.

35

Im Übrigen ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin bereits aus wirtschaftlichen Gründen auf den Bezug der hier in Rede stehenden Wohnung angewiesen ist. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung beläuft sich die derzeitige monatliche Gesamtmietbelastung auf 710,00 € bei monatlichen Nettoeinkünften von lediglich 1.200,00 €. Damit übersteigen ihre Wohnkosten bereits die Hälfte der verfügbaren Einkünfte. Auch vor diesem Hintergrund ist ihr Wunsch auf Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung gänzlich nachvollziehbar.

36

Die derzeit angespannte wirtschaftliche Situation der Klägerin hat der Zeuge W. zur vollen Überzeugung der Kammer bestätigt. Er hat bekundet, dass ihre ausschließlichen monatlichen Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit im Telefonmarketing etwa bei 1.200,00 € netto lägen und er auch heute über den monatlichen Kindesunterhalt von 200,00 € Kindesunterhalt hinaus noch etwa 300,00 bis 350,00 € an sie zahle, damit sie überhaupt über die Runden komme. Die Kammer hatte keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen W. Seine Angaben sind ersichtlich aus der Erinnerung heraus erfolgt, sie waren schlüssig und widerspruchsfrei. Es haben auch keine Anhaltpunkte dafür bestanden, dass der Zeuge die Klägerin begünstigt hat. Allein der Umstand, dass der Zeuge W. als vormaliger Eigentümer der streitgegenständlichen Mietwohnung und Urheber der hier beurteilten Kündigung ein gewisses Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte, rechtfertigt es nicht, seine Angaben in Frage zu stellen.

37

Angesichts ihres legitimen Nutzungswunsches braucht sich die Klägerin auch nicht etwaige fiktive Einkünfte in Gestalt von Unterhaltsansprüchen gegen den Zeugen W. anrechnen zu lassen. Der Klägerin hat es freigestanden, im Hinblick auf die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit diesem eine Vereinbarung zu treffen, die für sie finanziell akzeptabel ist. Anhaltspunkte dafür, dass der notarielle Kaufvertrag (Anlage K 6), der in § 3a den Unterhaltsverzicht beinhaltet, allein dem Zweck gedient hat, eine Eigenbedarfssituation zugunsten der Klägerin zu schaffen und damit die Beklagte zu übervorteilen, liegen nicht vor und sind insbesondere von der Beklagtenseite – die diesen Aspekt erstmals im nachgelassenen Schriftsatz im Berufungsverfahren anführt – auch nicht vorgetragen.

3.

38

Die Beklagte hat auch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Sozialklausel des § 574 Abs. 1 BGB nicht verlangen können. Schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten stellt die Beendigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses für sie keine Härte dar, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. Als Härtegrund kommt hier allein das Fehlen von angemessenem Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen (vgl. § 574 Abs. 2 BGB) in Betracht. Angemessen ist Ersatzwohnraum, wenn er den Wohnbedürfnissen des Mieters gerecht wird. Eine Gleichwertigkeit zur gegenwärtigen Mietwohnung ist jedoch nicht erforderlich; der Mieter muss eine gewisse Verschlechterung der Wohnverhältnisse hinnehmen (LG Bremen, Urt. v. 22.05.2003 – 2 S 315/02, WuM 2003, 333, 334; LG Hamburg, Urt. v. 12.12.1989 – 16 S 98/89, WuM 1990, 118). Aus der als Anlagenkonvolut B 1 vorgelegten Dokumentation zur Wohnungssuche ergibt sich, dass die Beklagte mehrere Wohnungen, namentlich die Objekte in H (2 Zi-Whg, 50 qm) sowie in Q., K.-Straße 14 und Am F., abgelehnt hat, weil diese ihr qualitativ nicht zugesagt haben. Gerade bei den beiden Wohnungen in Q. hat die Beklagte jedoch keine triftigen Gründe genannt, warum sie diese nicht angemietet hat. Dass sie ihre Möbel nicht so aufstellen kann wie in der bisherigen Wohnung, ein spezieller Platz für Staubsauger und Eimer nicht vorhanden ist oder – weil es sich um eine Erdgeschosswohnung handelt – es an einem Balkon fehlt, führt nicht zur Unzumutbarkeit des betreffenden Ersatzwohnraums. Dies gilt vor allem in Anbetracht des Umstands, dass die Beklagte Wohnungen im unteren Preissegment sucht. Bei der Wohnung in der Innenstadt von E. fällt auf, dass die Beklagte einen mangelnden Rückruf des Maklers Sch. moniert, ihrerseits aber offenbar keine weiteren Anstrengungen in Hinblick auf eine Kontaktaufnahme unternommen hat. Dies wäre jedoch im Hinblick auf die ihr gegenüber ausgesprochene Eigenbedarfskündigung geboten gewesen.

39

Auch der Hinweis der Beklagten auf einen bei ihr vorhandenen Belegordner mit gesammelten Annoncen aus dem Immobilienteil von Tageszeitungen hat nicht weitergeführt. Derartige Annoncen enthalten keine Aussage darüber, welche Anstrengungen sie bei der Wohnungssuche tatsächlich unternommen hat.

40

Andere Härtegründe sind nicht ersichtlich. Das (relativ) hohe Alter der Beklagten sowie die bisherige Dauer des Mietverhältnisses stellen weder für sich genommen noch in Kumulation eine unzumutbare Härte i. S. des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Indes bestehen für eine Räumungsunfähigkeit der Klägerin keine Anhaltspunkte. Eine solche würde zumindest voraussetzen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin oder deren allgemeine Lebenssituation durch den Umzug erheblich verschlechtern würde (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13 Tz. 18, WuM 2013, 739, 740). Derartiges ist nicht erkennbar.

4.

41

Die Kosten des Vergleichs sind indes gegeneinander aufzuheben. Der Abschluss des Vergleichs hat dem Interesse beider Parteien an einer abschließenden Klärung ihres Rechtsstreits in der zweiten Instanz gedient.

5.

42

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (vgl. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtlichen Grundsatzfragen nicht im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu klären (BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, NJW 2007, 1591, 1593; Beschl. v. 17.03.2004 – IV ZB 21/02, NJW-RR 2004, 1219).


Urteilsbesprechung zu Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts


Wasserhaushaltsgesetz - WHG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des
Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts


Wasserhaushaltsgesetz - WHG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters


(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 566 Kauf bricht nicht Miete


(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte un

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung


(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine H

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 542 Ende des Mietverhältnisses


(1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. (2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht1.in

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 565 Gewerbliche Weitervermietung


(1) Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem

Referenzen - Urteile

Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Landgericht Itzehoe Beschluss, 20. Dez. 2013 - 9 S 31/13 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2011 - VIII ZR 317/10

bei uns veröffentlicht am 06.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VIII ZR 317/10 Verkündet am: 6. Juli 2011 Vorusso, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2012 - XII ZR 22/11

bei uns veröffentlicht am 25.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 22/11 Verkündet am: 25. Juli 2012 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2010 - VIII ZR 78/10

bei uns veröffentlicht am 13.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 78/10 Verkündet am: 13. Oktober 2010 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2008 - VIII ZR 254/06

bei uns veröffentlicht am 16.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 254/06 Verkündet am: 16. Januar 2008 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 57

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2004 - IV ZB 21/02

bei uns veröffentlicht am 17.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 21/02 vom 17. März 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ ZPO § 574 Abs. 2 und 3 Die Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts nach § 91a ZPO ist

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2013 - VIII ZR 57/13

bei uns veröffentlicht am 16.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 57/13 Verkündet am: 16. Oktober 2013 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2010 - VIII ZR 70/09

bei uns veröffentlicht am 17.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 70/09 Verkündet am: 17. März 2010 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 317/10 Verkündet am:
6. Juli 2011
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den an eine Eigenbedarfskündigung zu stellenden formellen Anforderungen.
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 317/10 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts München I - 14. Zivilkammer - vom 24. November 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist Mieterin einer Einzimmerwohnung der Kläger in M. . Mit Schreiben vom 29. April 2008 kündigten die Kläger das Mietverhältnis zum 31. Januar 2009 mit der Begründung, dass die Wohnung für die Klägerin zu 2 benötigt werde, die seit Ende Februar 2008 ein Studienjahr in Neuseeland absolviere und danach ihr Studium in M. fortsetzen und einen eigenen Hausstand begründen wolle; in das ehemalige Kinderzimmer der elterlichen Wohnung könne sie nicht mehr zurück, weil es inzwischen von ihrer Schwester genutzt werde.
2
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
5
Die Räumungsklage sei unbegründet, weil die von den Klägern mit Schreiben vom 29. April 2008 ausgesprochene Kündigung aus formellen Gründen unwirksam sei. Die Kläger hätten die Gründe für die Kündigung nicht ausreichend dargestellt. Es fehle insbesondere an konkreten Angaben zur derzeitigen Wohnsituation der Eigenbedarfsperson. Im Kündigungsschreiben sei lediglich angegeben, dass sie im Anwesen K. wohne, also in einem von zwei benachbarten Gebäuden. Mit dem Hinweis auf das Kinderzimmer sei die Wohnsituation nicht beschrieben, weil die Klägerin zu 2 dort gar nicht mehr gewohnt habe. Nach ihren eigenen Angaben im Prozess habe die Klägerin zu 2 vor ihrem Auslandsaufenthalt einen Teil der Zimmer einer zu sanierenden Drei-Zimmer-Wohnung in dem zum Wohnhaus ihrer Eltern benachbarten Gebäude bewohnt und damit sogar teilweise bereits einen eigenen Hausstand begründet. Diese die Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten beeinflussenden Umstände hätten im Kündigungsschreiben dargelegt werden müssen. Das Interesse des wegen Eigenbedarf kündigenden Vermieters liege gerade in der angestrebten Verbesserung seiner bisherigen Wohnsituation, deren Schilderung daher für die Wirksamkeit einer Kündigung unerlässlich sei.
6
Darauf, ob die Beklagte Kenntnis von der bisherigen Wohnsituation der Klägerin zu 2 gehabt habe, komme es nicht an, denn die Kündigungsgründe müssten selbst dann nochmals im Kündigungsschreiben selbst wiederholt werden , wenn sie dem Mieter bereits zuvor mündlich mitgeteilt oder in einem Vorprozess geltend gemacht worden seien; dies gelte entsprechend, wenn der Mieter die Gründe aus eigenem Wissen kenne.

II.

7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Räumung und Herausgabe der Wohnung der Beklagten nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von den Klägern erklärte Kündigung nicht aus formellen Gründen unwirksam. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen, die gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB an die Angabe der Gründe für das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu stellen sind.
8
Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Zweck des Begründungserfordernisses in § 573 Abs. 3 BGB darin besteht, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet , dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteile vom 17. März 2010 - VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rn. 8, sowie vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 23).
9
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Kündigungsschreiben der Kläger diesen Anforderungen gerecht. Denn darin ist ausgeführt, dass die zum damaligen Zeitpunkt im Ausland studierende Klägerin zu 2 Anfang des Jahres 2009 zur Fortsetzung ihres Studiums nach M. zurückkehren und in einem eigenen Hausstand leben wolle. Damit ist das berechtigte Interesse der Kläger an der Beendigung des Mietverhältnisses über die von der Beklagten bewohnte Einzimmerwohnung ausreichend dargelegt. Angaben zu der - früheren - Wohnsituation der Klägerin zu 2 bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht. Ihr Interesse an der Wohnung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie von einem längeren Auslandsaufenthalt nach M. zurückkehrt und deshalb nunmehr eine Wohnung in M. benötigt. Die Wohnsituation der Klägerin zu 2 vor dem Auslandsaufenthalt ist für diesen nachvollziehbar dargelegten Erlangungswunsch offensichtlich ohne Bedeutung.
10
Im Übrigen kann dem Berufungsgericht auch nicht darin gefolgt werden, dass Umstände, die dem Mieter bereits zuvor mitgeteilt wurden oder ihm sonst bekannt sind, nochmals ausdrücklich im Kündigungsschreiben wiedergegeben werden müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Vermieter grundsätzlich auf Kündigungsgründe Bezug nehmen, die in einem früheren, dem Mieter zugegangenen Schreiben dargelegt sind; eine Wiederholung in der Kündigung selbst ist nicht erforderlich (Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 74/10, NZM 2011, 275 Rn. 14). Entsprechendes gilt für den Fall, dass dem Mieter bestimmte für die Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung bedeutsame Umstände - etwa die bisherige Wohnsituation der Eigenbedarfsperson - bereits bekannt sind. Derartige Angaben brauchen im Kündigungsschreiben nicht wiederholt zu werden; dies wäre eine sinnlose und durch berechtigte Interessen des Mieters nicht zu rechtfertigende Förmelei.

III.

11
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Kündi- gungsgrund getroffen hat; die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 07.07.2009 - 411 C 4159/09 -
LG München I, Entscheidung vom 24.11.2010 - 14 S 15600/09 -

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Ist die Mietzeit nicht bestimmt, so kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen.

(2) Ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, endet mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht

1.
in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder
2.
verlängert wird.

(1) Soll der Mieter nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten, so tritt der Vermieter bei der Beendigung des Mietverhältnisses in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis zwischen dem Mieter und dem Dritten ein. Schließt der Vermieter erneut einen Mietvertrag zur gewerblichen Weitervermietung ab, so tritt der Mieter anstelle der bisherigen Vertragspartei in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis mit dem Dritten ein.

(2) Die §§ 566a bis 566e gelten entsprechend.

(3) Eine zum Nachteil des Dritten abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 70/09 Verkündet am:
17. März 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den an eine Eigenbedarfskündigung zu stellenden formellen Anforderungen.
BGH, Urteil vom 17. März 2010 - VIII ZR 70/09 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. Februar 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 2. September 1978 von einem der Rechtsvorgänger der Klägerin ein Wohnhaus in M. . Nach dem Erwerb des von der Beklagten und deren Mutter bewohnten Anwesens kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 31. Juli 2006 unter Berufung auf Eigenbedarf für sich und ihre beiden Kinder zum 30. April 2007. Zur näheren Begründung ist im Kündigungsschreiben ausgeführt, dass die Klägerin derzeit zur Miete wohne und darüber hinaus für ihre berufliche Tätigkeit ein separates Büro angemietet habe. Das von der Beklagten gemietete Wohnhaus eigne sich sehr gut, um Wohnen und Arbeiten unter einem Dach zu ermöglichen. Durch den Umzug könne die Klägerin die Miete für ihre derzeitige Mietwohnung (1.740 €) und für ihr jetziges Büro (858,40 €) einsparen und sich persönlich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern.
2
Die Klägerin hat Räumung und Herausgabe des von der Beklagten gemieteten Anwesens begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Die Räumungsklage sei abzuweisen, weil die von der Klägerin erklärte Kündigung nicht die Anforderungen des § 573 Absatz 3 BGB erfülle und deshalb unwirksam sei.
5
Die Begründungspflicht in § 573 Abs. 3 BGB solle sicherstellen, dass dem berechtigten Informationsinteresse des Mieters Rechnung getragen werde. Diesem Erfordernis werde der Vermieter nur gerecht, wenn er die dem Eigenbedarf zugrunde gelegten Tatsachen in dem Kündigungsschreiben zutreffend wiedergebe und die Kündigungsbegründung den behaupteten Bedarf auch nicht dramatisiere.
6
Dies sei bei dem Kündigungsschreiben der Klägerin nicht der Fall, weil es den - unzutreffenden - Eindruck erwecke, bei dem von der Klägerin bisher bewohnten Objekt lägen Wohnraum und Büro nicht unter einem Dach. Damit habe die Klägerin ihre bisherige Wohnsituation objektiv unrichtig dargestellt. Zwar dürften die Anforderungen an die Kündigungserklärung nicht überspannt werden, doch müssten die mitgeteilten Tatsachen der Wahrheit entsprechen und dürfe der Bedarf nicht dramatisiert werden.

II.

7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe des von der Beklagten bewohnten Anwesens gemäß § 546 Abs. 1 BGB nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt die von der Klägerin erklärte Kündigung den Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB.
8
1. Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drs. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend (so schon BayObLG, NJW 1981, 2197, 2199 f.; Senatsurteil vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 271/06, NZM 2007, 679, Tz. 23).
9
2. Diesen Anforderungen wird das Kündigungsschreiben der Klägerin gerecht. Der Beklagten wird darin mitgeteilt, dass die Klägerin bislang zur Miete wohne und mit ihren beiden Kindern in das zu Eigentum erworbene, von der Beklagten gemietete Wohnhaus einziehen und dort auch ihr Büro betreiben wolle; durch diesen Umzug könne sie die teuren Mieten für ihr bisheriges Büro und ihre bisherige Wohnung einsparen. Damit hat die Klägerin die Gründe für ihren Erlangungswunsch hinreichend konkret angegeben.
10
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Kündigungserklärung der Klägerin nicht deshalb (formell) unwirksam, weil sie den unzutreffenden Eindruck erwecke, dass sich bei dem von der Klägerin bisher bewohnten Anwesen Wohnung und Büro nicht unter einem Dach befänden und die Klägerin aus diesem Grund besonders auf das an die Beklagte vermietete Wohnhaus angewiesen sei. Ob dies, wie das Berufungsgericht meint, der Fall ist und die Klägerin ihren Eigenbedarf insoweit „dramatisiert“ hat, ist für die formelle Wirksamkeit der von der Klägerin erklärten Kündigung ohne Bedeutung. Unrichtige Angaben des Vermieters im Kündigungsschreiben können zwar dazu führen, dass die Kündigung materiell unbegründet ist, soweit nach dem wirklichen Sachverhalt der Eigenbedarf nicht besteht oder nur vorgeschoben ist; sie mögen im Einzelfall auch ein Indiz gegen die Ernsthaftigkeit des vom Vermieter angeführten Eigennutzungswunsches darstellen. Vorliegend ist allerdings nicht einmal erkennbar, inwieweit es für die Beurteilung des von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarfs darauf ankommen könnte, ob sich auch bei ihrer jetzigen Mietwohnung das separate Büro im selben Gebäude befindet. Ein etwaiges „Dramatisieren“ der Eigenbedarfssituation hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Folge, dass es an der nach § 573 Abs. 3 BGB erforderlichen Begründung fehlt und die Kündigung bereits aus diesem formellen Grund unwirksam ist.

III.

11
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand habe ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der von der Klägerin geltend gemachte Eigenbedarf besteht. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 14.07.2007 - 422 C 8920/07 -
LG München I, Entscheidung vom 25.02.2009 - 14 S 791/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 317/10 Verkündet am:
6. Juli 2011
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den an eine Eigenbedarfskündigung zu stellenden formellen Anforderungen.
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 317/10 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts München I - 14. Zivilkammer - vom 24. November 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist Mieterin einer Einzimmerwohnung der Kläger in M. . Mit Schreiben vom 29. April 2008 kündigten die Kläger das Mietverhältnis zum 31. Januar 2009 mit der Begründung, dass die Wohnung für die Klägerin zu 2 benötigt werde, die seit Ende Februar 2008 ein Studienjahr in Neuseeland absolviere und danach ihr Studium in M. fortsetzen und einen eigenen Hausstand begründen wolle; in das ehemalige Kinderzimmer der elterlichen Wohnung könne sie nicht mehr zurück, weil es inzwischen von ihrer Schwester genutzt werde.
2
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
5
Die Räumungsklage sei unbegründet, weil die von den Klägern mit Schreiben vom 29. April 2008 ausgesprochene Kündigung aus formellen Gründen unwirksam sei. Die Kläger hätten die Gründe für die Kündigung nicht ausreichend dargestellt. Es fehle insbesondere an konkreten Angaben zur derzeitigen Wohnsituation der Eigenbedarfsperson. Im Kündigungsschreiben sei lediglich angegeben, dass sie im Anwesen K. wohne, also in einem von zwei benachbarten Gebäuden. Mit dem Hinweis auf das Kinderzimmer sei die Wohnsituation nicht beschrieben, weil die Klägerin zu 2 dort gar nicht mehr gewohnt habe. Nach ihren eigenen Angaben im Prozess habe die Klägerin zu 2 vor ihrem Auslandsaufenthalt einen Teil der Zimmer einer zu sanierenden Drei-Zimmer-Wohnung in dem zum Wohnhaus ihrer Eltern benachbarten Gebäude bewohnt und damit sogar teilweise bereits einen eigenen Hausstand begründet. Diese die Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten beeinflussenden Umstände hätten im Kündigungsschreiben dargelegt werden müssen. Das Interesse des wegen Eigenbedarf kündigenden Vermieters liege gerade in der angestrebten Verbesserung seiner bisherigen Wohnsituation, deren Schilderung daher für die Wirksamkeit einer Kündigung unerlässlich sei.
6
Darauf, ob die Beklagte Kenntnis von der bisherigen Wohnsituation der Klägerin zu 2 gehabt habe, komme es nicht an, denn die Kündigungsgründe müssten selbst dann nochmals im Kündigungsschreiben selbst wiederholt werden , wenn sie dem Mieter bereits zuvor mündlich mitgeteilt oder in einem Vorprozess geltend gemacht worden seien; dies gelte entsprechend, wenn der Mieter die Gründe aus eigenem Wissen kenne.

II.

7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Räumung und Herausgabe der Wohnung der Beklagten nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von den Klägern erklärte Kündigung nicht aus formellen Gründen unwirksam. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen, die gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB an die Angabe der Gründe für das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu stellen sind.
8
Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Zweck des Begründungserfordernisses in § 573 Abs. 3 BGB darin besteht, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet , dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteile vom 17. März 2010 - VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rn. 8, sowie vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 23).
9
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Kündigungsschreiben der Kläger diesen Anforderungen gerecht. Denn darin ist ausgeführt, dass die zum damaligen Zeitpunkt im Ausland studierende Klägerin zu 2 Anfang des Jahres 2009 zur Fortsetzung ihres Studiums nach M. zurückkehren und in einem eigenen Hausstand leben wolle. Damit ist das berechtigte Interesse der Kläger an der Beendigung des Mietverhältnisses über die von der Beklagten bewohnte Einzimmerwohnung ausreichend dargelegt. Angaben zu der - früheren - Wohnsituation der Klägerin zu 2 bedurfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht. Ihr Interesse an der Wohnung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie von einem längeren Auslandsaufenthalt nach M. zurückkehrt und deshalb nunmehr eine Wohnung in M. benötigt. Die Wohnsituation der Klägerin zu 2 vor dem Auslandsaufenthalt ist für diesen nachvollziehbar dargelegten Erlangungswunsch offensichtlich ohne Bedeutung.
10
Im Übrigen kann dem Berufungsgericht auch nicht darin gefolgt werden, dass Umstände, die dem Mieter bereits zuvor mitgeteilt wurden oder ihm sonst bekannt sind, nochmals ausdrücklich im Kündigungsschreiben wiedergegeben werden müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Vermieter grundsätzlich auf Kündigungsgründe Bezug nehmen, die in einem früheren, dem Mieter zugegangenen Schreiben dargelegt sind; eine Wiederholung in der Kündigung selbst ist nicht erforderlich (Senatsurteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 74/10, NZM 2011, 275 Rn. 14). Entsprechendes gilt für den Fall, dass dem Mieter bestimmte für die Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung bedeutsame Umstände - etwa die bisherige Wohnsituation der Eigenbedarfsperson - bereits bekannt sind. Derartige Angaben brauchen im Kündigungsschreiben nicht wiederholt zu werden; dies wäre eine sinnlose und durch berechtigte Interessen des Mieters nicht zu rechtfertigende Förmelei.

III.

11
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Kündi- gungsgrund getroffen hat; die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 07.07.2009 - 411 C 4159/09 -
LG München I, Entscheidung vom 24.11.2010 - 14 S 15600/09 -

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

(1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

(2) Erfüllt der Erwerber die Pflichten nicht, so haftet der Vermieter für den von dem Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergang des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis zum ersten Termin kündigt, zu dem die Kündigung zulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 22/11 Verkündet am:
25. Juli 2012
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Erwerber eines gewerblich vermieteten Hausgrundstücks tritt gemäß §§ 566
Abs. 1, 578 BGB in den vor Eigentumsübergang entstandenen und fälligen Anspruch
des Veräußerers auf Leistung der Kaution ein (Abgrenzung zu Senatsurteil BGHZ
141, 160 = NJW 1999, 1857).
BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 - XII ZR 22/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina und die Richter Schilling und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 27. Januar 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger verlangen als frühere Eigentümer und Vermieter von Gewerberäumen von dem Beklagten als Mieter Leistung einer Kaution an die neue Eigentümerin (im Folgenden: Erwerberin).
2
Mit Vertrag vom 18. Juni 1996 vermieteten die Kläger an den Beklagten Gewerberäume zur Nutzung als Rechtsanwaltspraxis.
3
In § 6 des Vertrages vereinbarten die Parteien u. a.: "Der Mieter erbringt der Vermieterin zur Sicherung ihrer Ansprüche aus diesem Vertrag eine Sicherheitsleistung in folgender Weise: Bei einem vom Mieter zu bestimmenden Bankinstitut wird ein Mieter/VermieterGemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung eingerichtet. Der Mieter belegt dieses Konto mit verzinslichen Wertpapieren wie z. B. Bundesschatzbriefen oder Pfandbriefen (keine Aktien) mit einem Zeitwert von 16.000,00 DM. Es sind ausschließlich deutsche Wertpapiere anzulegen. Die Kontoführungsgebühren des gemeinsamen Kontos trägt der Mieter. Die Zinserträge stehen dem Mieter zu und sind nach Abzug der Kontoführungsgebühren auf ein von ihm zu benennendes Konto zu buchen. Bei Fälligkeit der Wertpapiere wird die Neuanlage von dem Mieter und der Vermieterin gemeinsam verfügt. Die Parteien vereinbaren bereits jetzt, dass auch andere Formen von gleichwertiger Kautionserbringung möglich ist."
4
Der Beklagte verpfändete als Sicherheit Bundesschatzbriefe in Höhe von 16.000 DM. Im November 2006 bat er die Kläger um Pfandfreigabe, weil die Bundesschatzbriefe im Januar 2007 fällig wurden, und sagte zu, in Kürze eine neue Sicherheit beizubringen. Die Kläger erklärten daraufhin im Dezember 2006 die Pfandfreigabe. Sie forderten den Beklagten in der Folgezeit wiederholt erfolglos zur Leistung der Kaution auf.
5
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. September 2007 verkauften die Kläger das Grundstück. Die Erwerberin wurde am 27. März 2008 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. In dem notariellen Kaufvertrag vereinbarten die Kläger und die Erwerberin in Bezug auf die Kautionen der Mieter in § 9 Ziff. 5 Abs. 2 u. a.: "Die von den Mietern bisher geleisteten Sicherheiten ergeben sich aus Anlage C. Soweit zum Stichtag Mieter die vertraglich geschuldeten Sicherheiten nicht geleistet haben, errichten Verkäufer und Käufer gemeinsam ein Sperrkonto. Der Verkäufer verpflichtet sich, unverzüglich nach dem Stichtag auf dieses Sperrkonto den dann noch offenen Kautionsbetrag in Höhe von voraussichtlich EUR 20.780,67 (so der derzeit offene Betrag, vgl. Anlage C) einzuzahlen. Der Käufer verpflichtet sich, nach dem Stichtag bei den Mietern die ausstehenden Mietsicherheiten geltend zu machen und wird diese Sicherheiten, soweit möglich, einziehen. Soweit der Käufer von Mietern infolgedessen Mietsicherheiten erhält, ist der entsprechende Betrag von dem Sperrkonto zugunsten der Verkäufer auszukehren. Die auf dem Sperrkonto für den jeweiligen Mieter eingezahlten Beträge dienen als Sicherheit zur vertragsgemäßen Erfüllung der Verpflichtungen des Mieters, als ob dieser Betrag vom Mieter selbst eingezahlt worden ist. Alle auf dem Sperrkonto nach Ablauf von fünf Jahren nach Beurkundung dieses Vertrages noch verbliebenen Beträge werden an den Verkäufer ausgekehrt."
6
In der Anlage C wird auch die Kaution des Beklagten in Höhe von 8.180,67 € als fehlend bezeichnet. Die Kläger haben den noch offenen Kautionsbetrag auf ein Konto eingezahlt.
7
Das Landgericht hat die auf Zahlung einer Barkaution und außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen, weil der Mietvertrag keine Verpflichtung zur Zahlung einer Barkaution enthalte. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht ihrem in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag im Wesentlichen stattgegeben und den Beklagten verurteilt, auf ein von ihm einzurichtendes Mieter/Vermieter-Gemeinschaftskonto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung der Erwerberin eine Kaution mit einem Zeitwert von 8.180,67 € zu erbringen.
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

10
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, ausgeführt: Die Kläger seien wirksam als Prozessstandschafter tätig geworden. Die Ermächtigung der Erwerberin hierzu ergebe sich aus § 9 Ziff. 5 Abs. 2 des Kaufvertrages. Deshalb komme es auf die Frage, ob die Kläger von der Hausverwaltung mit Schreiben vom 7. März 2009 wirksam bevollmächtigt worden seien, nicht an. Die Kläger hätten auch ein rechtliches Interesse an der Geltendmachung , weil sie aufgrund der Regelung im Kaufvertrag "vorleistungspflichtig" für die ausstehende Kaution des Beklagten seien. Auch das Abtretungsverbot für Kautionen stehe der gewillkürten Prozessstandschaft nicht entgegen.
11
Der von den Klägern geltend gemachte Kautionsanspruch der Erwerberin gegen den Beklagten sei gemäß § 566 a BGB i.V.m. § 566 BGB begründet. Der Anspruch des Vermieters auf Leistung der Sicherheit gehe als Teil der Vermieterrechte zumindest in entsprechender Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB auf den Erwerber über, jedenfalls wenn der Vermieter und Veräußerer keine fälligen Ansprüche gegen den Mieter mehr habe, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen könnte.
12
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Entscheidung über die in Rechtsprechung und Literatur streitige Frage zugelassen, ob bei Veräußerung des Mietgegenstandes die nicht gezahlte, vertraglich geschuldete Kaution dem Veräußerer oder dem Erwerber zusteht.

II.

13
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
14
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger prozessführungsbefugt sind.
15
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozessstandschaft; vgl. BGH Urteil vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98 - NJW 2000, 738 mwN).
16
Bei der gewillkürten Prozessstandschaft handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung , die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz , von Amts wegen zu prüfen ist. Dabei ist das Revisionsgericht nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (BGH Urteile vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98 - NJW 2000, 738 f.; vom 7. Dezember 1993 - VI ZR 152/92 - NJW 1994, 652, 653 und vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87 – NJW 1988, 1585, 1587).
17
b) Die Erwerberin hat die Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung ihres Anspruchs gegen den Beklagten auf Leistung der Kaution ermächtigt.
18
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich die Ermächtigung allerdings nicht aus § 9 Ziff. 5 Abs. 2 des Kaufvertrages. Zwar kann die Richtigkeit der Auslegung individueller Willenserklärungen vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden. Hier verstößt die Auslegung des Be- rufungsgerichts jedoch gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze. In § 9 Ziff. 5 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages, auf den das Berufungsgericht pauschal ohne weitere Begründung verweist, hat sich die Erwerberin lediglich dazu verpflichtet , selbst bei den Mietern die ausstehenden Mietsicherheiten geltend zu machen, einzuziehen und den entsprechenden Betrag von dem Sperrkonto zugunsten der Kläger auszukehren. Von einer Ermächtigung der Kläger zur Geltendmachung dieser Forderungen ist keine Rede, so dass sich schon aus dem Wortlaut kein Anhaltspunkt für die Auslegung des Berufungsgerichts ergibt.
19
Eine Ermächtigung folgt jedoch daraus, dass die von der Erwerberin bevollmächtigte Hausverwalterin der Prozessführung durch die Kläger zugestimmt hat. Zwar sind in der von der Erwerberin erteilten Hausverwaltungsvollmacht, die auch die Ermächtigung Dritter zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen der Erwerberin umfasst, die Verwaltungsobjekte, auf die sich die Vollmacht bezieht, nicht ausdrücklich genannt. Aus verschiedenen zwischen den Klägern und der Erwerberin getroffenen Vereinbarungen ergibt sich jedoch, dass sich die Hausverwaltungsvollmacht auch auf das Mietobjekt bezieht. Sowohl in einer Vereinbarung, die die Erfüllung der Pflichten aus § 9 Ziff. 5 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages zwischen der Erwerberin und den Klägern betrifft, als auch in der zur Sicherung der Ansprüche der Erwerberin gegen die Klägerin mit dieser getroffenen Verpfändungsvereinbarung ist die Hausverwalterin als Vertreterin der Erwerberin aufgetreten. Daraus kann geschlossen werden, dass die Hausverwaltungsvollmacht sich auch auf das streitige Mietobjekt bezieht.
20
c) Die Kläger haben auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs gegen den Beklagten auf Leistung der Kaution.
21
Sie haben als frühere Eigentümer und Vermieter nach Eintritt der Erwerberin in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag (§ 566 BGB) dieser gegenüber für die von dem Beklagten vertraglich geschuldete Kaution Sicherheit geleistet. Die Erwerberin hat sich zur Freigabe dieser Sicherheit verpflichtet, soweit der Beklagte die ausstehende Kaution erbringt. Die Kläger haben somit ein eigenes rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung (vgl. BGH Urteil vom 31. Juli 2008 - I ZR 21/06 - NZM 2008, 902 Rn. 54 f.; Musielak /Weth ZPO 9. Aufl. § 51 Rn. 27).
22
d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Ermächtigung zur Prozessführung auch nicht deshalb unwirksam, weil eine Abtretung der Kautionsforderung im Hinblick auf deren treuhänderische Zweckbindung unzulässig gewesen wäre und damit die Forderung Dritten auch nicht zur Einziehung hätte überlassen werden dürfen.
23
Zwar dürfte die Abtretung eines Anspruchs auf Zahlung der Kaution an Dritte in der Regel gemäß § 399 BGB unwirksam sein, weil die Kaution ausschließlich der Sicherung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag dient (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 1416; OLG Düsseldorf NZM 2001, 380, 382; Kraemer NZM 2001, 737, 740). Es kann jedoch offen bleiben, ob hier ein Abtretungsverbot besteht. Denn ein solches stünde der Einziehungsermächtigung nur dann entgegen, wenn die Geltendmachung des Anspruchs durch Dritte dem Zweck des Abtretungsverbots zuwiderliefe (vgl. BGH Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 385/98 - NJW 1999, 3707, 3708 mwN). Das ist hier nicht der Fall, weil durch die von den Klägern begehrte Leistung an die Erwerberin die Kaution gerade ihrem Zweck, nämlich der treuhänderischen Verwaltung durch den Vermieter, zugeführt wird.
24
2. Die Erwerberin hat auch gemäß §§ 566 Abs. 1, 578 BGB i.V.m. § 6 des Mietvertrages gegen den Beklagten einen Anspruch auf Leistung der zuerkannten Kaution.
25
a) Gemäß §§ 566 Abs. 1, 578 BGB tritt der Erwerber eines gewerblich vermieteten Hausgrundstücks anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter, allerdings mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat (st. Rspr. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - XII ZR 42/98 - NJW 2000, 2346 mwN).
26
Von § 566 BGB erfasst werden allerdings nur solche Rechte und Pflichten , die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Der Erwerber tritt deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geregelt sind (Senatsurteil BGHZ 141, 160 = NJW 1999, 1857, 1858 f.; BGHZ 166, 125 = NJW 2006, 1800 Rn. 14 f. mwN; vgl. zur Schiedsgerichtsvereinbarung im Mietvertrag: Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - XII ZR 42/98 - NJW 2000, 2346; Sternel Mietrecht aktuell 4. Aufl. Rn. I 195; Staudinger/Emmerich BGB [2011] § 566 Rn. 39 f.; SchmidtFutterer /Streyl Mietrecht 10. Aufl. § 566 Rn. 91 f. mwN).
27
b) Für die Frage, welche Rechte und Pflichten § 566 BGB unterfallen, ist daher auf den materiellen Gehalt der jeweiligen Vertragsbestimmung abzustellen.
28
aa) Danach ist die Verpflichtung zur Leistung der vereinbarten, aber noch nicht erbrachten Kaution als mietrechtlich zu qualifizieren. Denn sie dient der Sicherung von Ansprüchen des Vermieters aus dem Mietverhältnis und ist des- halb untrennbar mit dem Mietverhältnis verbunden. Der Erwerber tritt folglich gemäß § 566 BGB anstelle des Veräußerers in den vor Eigentumsübergang entstandenen und fälligen Anspruch auf Leistung der Kaution ein (AG Köln WuM 1981, 18; MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 566 Rn. 34, § 566 a Rn. 10; Staudinger/Emmerich [2011] § 566 BGB Rn. 4; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 10. Aufl. § 566 BGB Rn. 103, § 566 a BGB Rn. 10; Blank/ Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 566 BGB Rn. 53; Heile in: Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rn. 887; Kraemer NZM 2001, 736, 742; Börstinghaus NZM 2004, 481, 485; aA OLG Hamburg ZMR 1997, 415, 416; Palandt/Weidenkaff BGB 71. Aufl. § 566 Rn. 17).
29
bb) Dass nach der Rechtsprechung des Senats der Anspruch auf Rückzahlung einer geleisteten Kaution aus der konkret getroffenen Sicherungsabrede folgt (vgl. Senatsurteil BGHZ 141, 160 = NJW 1999, 1857, 1858), steht dem nicht entgegen. Denn die zunächst geleistete Kaution ist aufgrund der Pfandfreigabeerklärung der Kläger an den Beklagten zurückgeflossen. Die Erwerberin konnte deshalb nicht in die durch die geleistete Sicherheit begründeten Rechte und Pflichten eintreten.
30
Im Übrigen enthält § 566 a BGB jetzt eine Sonderregelung, nach der der Erwerber kraft Gesetzes in die durch eine vom Mieter geleistete Sicherheit begründeten Rechte und Pflichten eintritt und der Veräußerer nach Mietvertragsende - ohne die Einschränkung des § 566 Abs. 2 Satz 2 BGB - weiterhin subsidiär für die Rückerstattung der geleisteten Sicherheit haftet.
31
c) Dem Eintritt der Erwerberin in den Anspruch auf Bestellung der Sicherheit steht auch nicht entgegen, dass der Anspruch bereits zur Zeit des Eigentumswechsels fällig war (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 10. Aufl. § 566 a BGB Rn. 10 mwN).
32
Zwar tritt mit dem Eigentumsübergang und dem Entstehen eines neuen Mietvertrags mit dem Erwerber gemäß § 566 BGB hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche gegen den Mieter eine Zäsur ein. Die schon vorher entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche bleiben bei dem bisherigen Vermieter, und nur die nach dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels fällig werdenden Forderungen stehen dem Grundstückserwerber zu (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2004 - XII ZR 148/02 - NJW-RR 2005, 96; BGH Urteile vom 19. Oktober 1988 - VIII ZR 22/88 - NJW 1989, 451 f. und vom 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03 - NJW 2004, 851, 852 mwN).
33
Von der Zäsur werden jedoch grundsätzlich nur solche Ansprüche erfasst , die entweder während der Zeit, in der der Veräußerer Vermieter war oder in der der Erwerber Vermieter ist, entstanden und fällig geworden sind und die dementsprechend nur einem von beiden zuzuordnen sind.
34
Eine solche zeitliche Zäsur gilt für einen schon vor Eigentumsübertragung entstandenen und fälligen Anspruch auf Leistung der Kaution nicht. Zweck dieses Anspruchs ist die Sicherung aller Ansprüche des Vermieters während der gesamten Dauer des Mietvertrages. Dazu gehören auch die Ansprüche des Erwerbers aus dem mit gleichem Inhalt entstandenen Mietvertrag.
35
d) Es ist allerdings streitig, wann und in welcher Höhe der Anspruch auf Leistung der Kaution auf den Erwerber übergeht.
36
Nach einer Ansicht steht der Anspruch dem Veräußerer auch nach Eigentumsübergang trotz § 566 BGB solange zu, bis seine sämtlichen noch möglichen Forderungen aus dem Mietvertrag befriedigt sind. Erst danach tritt der Erwerber in den dann noch bestehenden Anspruch ein (Staudinger/Emmerich [2011] § 566 BGB Rn. 4, 11; Palandt/Weidenkaff BGB 71. Aufl. Einf. vor § 535 Rn. 122, § 566 Rn. 17, Scheuer in: Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. V Rn. 268; für § 566 a BGB OLG Frankfurt ZMR 2011, 870).
37
Nach anderer Ansicht geht der Anspruch auf Sicherheitsleistung mit dem Eigentumsübergang in der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Höhe auf den Erwerber über (MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 566 a Rn. 10, § 566 Rn. 34; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 566 a Rn. 3, § 566 Rn. 53; Kraemer NZM 2001, 737, 742; Börstinghaus NZM 2004, 481, 485). Dem Veräußerer steht wegen eines danach entstehenden Befriedigungsrechts kein eigener Anspruch auf Leistung der Sicherheit mehr zu.
38
Die Frage kann hier offen bleiben, weil die Kläger unstreitig keinen eigenen Anspruch gegen den Beklagten mehr haben. Der Anspruch auf Leistung der Kaution ist deshalb gemäß §§ 566, 578 BGB i.V.m. § 6 des Mietvertrages in vollem Umfang auf die Erwerberin übergegangen.
39
3. Der Anspruch der Kläger auf Leistung der Kaution ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht durch Erfüllung oder Verzicht erloschen.
40
Die Kläger haben die Pfandfreigabe der von dem Beklagten zur Sicherheit verpfändeten Bundesschatzbriefe auf Bitten des Beklagten erklärt, weil diese fällig wurden und der Beklagte zugesagt hatte, er werde in Kürze eine neue Sicherheit beibringen; die Kläger könnten davon ausgehen, dass er ihnen die geschuldete Sicherheit selbstverständlich geben werde. Die Kläger hatten deshalb einen - nicht erfüllten - Anspruch auf Neuleistung der Kaution. In der Pfandfreigabe der Kläger kann somit erst recht kein Verzicht der Kläger auf die Kaution gesehen werden (vgl. BGH Urteil vom 7. Dezember 2011 - VIII ZR 206/10 - NJW-RR 2012, 214, 215). Dose Weber-Monecke Vézina Schilling RiBGH Dr. Botur hat Urlaub und ist deswegen an einer Unterschrift verhindert. Dose
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.06.2009 - 25 O 58/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.01.2011 - 20 U 152/09 -

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 254/06 Verkündet am:
16. Januar 2008
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Bank, die eine zu Wohnzwecken vermietete Immobilie in der Zwangsversteigerung
erworben hat, hat ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des
Mietverhältnisses, wenn der Mieter seine Rechtsposition durch ein von ihr wegen
Gläubigerbenachteiligung anfechtbares Rechtsgeschäft erlangt hat, bei
Fortsetzung des Mietverhältnisses eine Verwertung des Grundstücks zu zumutbaren
wirtschaftlichen Bedingungen nicht möglich ist und die Bank dadurch erhebliche
Nachteile erleiden würde.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - VIII ZR 254/06 - LG Bonn
AG Siegburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Wiechers sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10. August 2006 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 16. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe eines von ihnen bewohnten Hausgrundstücks in Anspruch, welches sie im Rahmen eines gegen den Beklagten zu 2 betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens erworben hat. Die Beklagten berufen sich demgegenüber auf ein Recht zum Besitz aus einem Mietvertrag des Beklagten zu 2 mit der Beklagten zu 1.
2
Die Klägerin war Darlehensgeberin der E. GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte zu 2 war. Der Beklagte zu 2 verbürgte sich für die Darlehensforderungen und ließ zur Sicherung der Darlehen eine Sicherungsgrundschuld an seinem Hausgrundstück, an dem schon eine vor- rangige Grundschuld für eine andere Bank bestellt war, zugunsten der Klägerin eintragen. Im Jahre 1999 geriet der Beklagte zu 2 ebenso wie die E. GmbH in finanzielle Schwierigkeiten.
3
Am 11. September 2000 wurde über das Vermögen der E. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin leitete am 22. Februar 2001 die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück ein, das am 1. März 2001 beschlagnahmt wurde. Mit notariellem Vertrag vom 24. September 2001 bestellte der Beklagte zu 2 ein Wohnrecht sowie eine Grundschuld über 200.000 € zugunsten der Beklagten zu 1, die im Oktober 2001 im Grundbuch eingetragen wurden. Die Beklagten heirateten am 10. Oktober 2001. Am 16. Juli 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 eröffnet.
4
Vor dem ersten Versteigerungstermin vom 16. Januar 2004 legten die Beklagten dem Vollstreckungsgericht einen auf den 15. Februar 2000 datierten Mietvertrag des Beklagten zu 2 mit der Beklagten zu 1 vor. Dieser enthält die folgende Vereinbarung: "Frau R. P. hat Hr. R. S. ein Darlehen gewährt, in Höhe von 400.000,- DM. Dafür hat sie als dingliche Absicherung ein grundbuchrechtlich eingetragenes Wohnrecht bekommen. Die monatliche Miete mit allen Nebenkosten verrechnet sie mit dem Darlehen und wohnt somit 10 Jahre mietfrei."
5
Nachdem auch im zweiten Versteigerungstermin keine Gebote abgegeben wurden, ersteigerte die Klägerin das Grundstück durch Zuschlag vom 19. November 2004. Mit der Beklagten zu 1 am 30. November 2004 zugegangenem Schreiben kündigte die Klägerin das Mietverhältnis unter Berufung auf § 57a ZVG und § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zum 28. Februar 2005.
6
Das Amtsgericht hat der Klage auf Räumung und Herausgabe stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der auf § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützten Kündigung des Mietvertrages vom 15. Februar 2000 liege kein berechtigtes Interesse an der Veräußerung des Hausgrundstücks seitens der Klägerin zugrunde, weil die beabsichtigte Verwertung nach den Gesamtumständen nicht angemessen sei. Der Mietvertrag unterfalle nicht der Anfechtung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Mietvertrag zum Zweck der Gläubigerbenachteiligung geschlossen worden sei. Die Klägerin habe die Kenntnis der Beklagten zu 1 von einer etwaigen Benachteiligungsabsicht des Beklagten zu 2 zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses weder bewiesen, noch ausreichende Indizien vorgetragen, die einen Schluss darauf mit hinreichender Sicherheit rechtfertigen könnten. Die Klägerin habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Beklagte zu 1 positive Kenntnis darüber gehabt haben solle, dass das Hausgrundstück für die Schulden der E. GmbH gehaftet habe, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte zu 2 gewesen sei.

II.

10
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
1. Die Klägerin kann nach § 546 Abs. 1, § 985 BGB die Räumung und Herausgabe der Wohnung von der Beklagten zu 1 verlangen, weil das Mietverhältnis aufgrund der am 30. November 2004 zugegangenen Kündigung beendet ist.
12
Der Klägerin steht das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG, § 573d Abs. 2 BGB zu. Sie hat das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben und konnte demgemäß das Mietverhältnis an der Wohnung unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Allerdings kann das Kündigungsrecht gemäß § 573d Abs. 1 BGB nur unter Beachtung der Kündigungsschutzvorschrift des § 573 BGB ausgeübt werden. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen , die Kündigung der Klägerin zur Verwertung des Hausgrundstücks nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB sei unberechtigt.
13
a) Der von der Klägerin beabsichtigte Verkauf des von den Beklagten bewohnten Hausgrundstücks stellt eine angemessene wirtschaftliche Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.
14
aa) Nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung soll eine Kündigung durch eine Bank zwar unangemessen sein, wenn die Bank das Haus oder die Wohnung des zahlungsunfähigen Darlehensschuldners ersteigert und sodann das Mietverhältnis kündigt, um die Immobilie möglichst gewinnbringend verkaufen zu können. Notleidende Kredite gehörten, so wird geltend gemacht, zu den typischen Risiken des Darlehensgebers, die nicht über die Kündigungsbefugnis auf den Mieter abgewälzt werden könnten (vgl. LG Wiesbaden, WuM 1993, 54; LG Dortmund, WuM 1992, 23; LG Düsseldorf, WuM 1987, 321; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 159; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 573 Rdnr. 48 Fn. 269; siehe dagegen aber OLG Hamm, NJW-RR 1994, 1496; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz , 18. Aufl., § 57a Rdnr. 6; Witthinrich, Rpfleger 1987, 98 f.). Dies kann aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn der Mietvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Grundpfandgläubigers von diesem nach § 3 Abs. 1 AnfG angefochten werden konnte. Es fehlt dann an einem Schutzbedürfnis des Mieters, weil er seine Rechtsposition nicht in einer Weise erlangt hat, die ein Bestandsinteresse an dem Mietverhältnis begründen kann. Das steht auch im Einklang mit dem Schutzzweck der Kündigungsvorschriften , die den vertragstreuen Mieter vor dem Verlust seiner Wohnung schützen sollen (Begr. in BT-Drs. 7/2011, S. 7 zu § 564b BGB aF), nicht aber denjenigen, der schon in anfechtbarer Weise einen Mietvertrag erhalten hat.
15
bb) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass es an den Voraussetzungen für die Anfechtung des Mietvertrages gemäß § 3 Abs. 1 AnfG zum Zeitpunkt des Erwerbs der Immobilie durch die Klägerin gefehlt habe. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verneint.
16
(1) Der zwischen den Beklagten geschlossene Mietvertrag benachteiligt die Gläubiger des Beklagten zu 2 objektiv. Eine Gläubigerbenachteiligung ist bereits dann anzunehmen, wenn die Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Schuldners für den Gläubiger erschwert oder verzögert wird (Huber, Anfechtungsgesetz , 10. Aufl., § 1 Rdnr. 33). Die Beklagte zu 1 erhielt mit dem Mietver- trag die Möglichkeit zum mietfreien Wohnen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dies ging zu Lasten der Klägerin als Grundpfandgläubigerin, da mit Rücksicht auf das langfristige Mietverhältnis keine Gebote abgegeben wurden, so dass eine Verwertung nicht möglich war und die Klägerin keinen Erlös im Rahmen der Zwangsversteigerung erzielen konnte.
17
(2) Nach den erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, handelte der Beklagte zu 2 auch vorsätzlich. Liegt eine inkongruente Deckung vor, dann ist darin regelmäßig ein starkes Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu sehen (BGHZ 123, 320, 326; BGH, Urteil vom 2. Dezember 1999 - IX ZR 412/98, WM 2000, 156, unter II 2; BGH, Urteil vom 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, WM 2002, 1690, unter III 3; BGH, Urteil vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00, WM 2004, 1250, unter II 3 b aa). Mit der Einräumung eines zehnjährigen Nutzungsrechts hat der Beklagte zu 2 der Beklagten zu 1 eine inkongruente Deckung verschafft. Denn die Beklagte zu 1 hatte keinen Anspruch darauf, dass ihre (behaupteten) Darlehensforderungen mit der monatlichen Miete einschließlich Nebenkosten für einen Mietzeitraum von zehn Jahren verrechnet werden. Dem Beklagten zu 2 war bekannt , dass er mit dem Abschluss des Mietvertrages der Beklagten zu 1 eine inkongruente Deckung gewährte und dass aufgrund seiner finanziellen Situation die anderen Gläubiger benachteiligt wurden. Umstände, welche das Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Beklagten zu 2 entkräften könnten, sind nicht ersichtlich.
18
(3) Die Beklagte zu 1 hatte zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Beklagten zu 2. Die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG vermutet, wenn der Anfechtungsgegner Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der objektiven Gläubigerbenach- teiligung der Handlung hat. Das war nach den eigenen Angaben der Beklagten zu 1 der Fall.
19
Nach den Angaben, die die Beklagte zu 1 im amtsgerichtlichen Verhandlungstermin vom 21. November 2005 gemacht hat, war ihr vor Abschluss des Mietvertrages bekannt, dass die E. GmbH „gewissermaßen den Bach hinunter ging“ und dass es dem Beklagten zu 2 danach (finanziell) sehr schlecht ging und er noch nicht einmal den Unterhalt seiner Kinder aufbringen konnte. Dass die Zahlungsunfähigkeit des Beklagten zu 2 damals zumindest drohte, war der Beklagten zu 1 somit bekannt.
20
Zu Recht hat das Amtsgericht der Schilderung der Beklagten zu 1 ferner entnommen, dass der Beklagten zu 1 die objektive Benachteiligung anderer Gläubiger durch den Abschluss des Mietvertrages vom 15. Februar 2000 bekannt war. Denn es ging der Beklagten zu 1 mit dem Abschluss des Mietvertrages gerade darum, sich angesichts der finanziellen Notlage des Beklagten zu 2 wegen der erheblichen Geldbeträge abzusichern, die sie dem Beklagten zu 2 als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte und deren Rückzahlung ihr gefährdet erschien. Dass durch den Abschluss des Mietvertrages unter Verrechnung mit der Darlehensschuld des Beklagten zu 2 dessen andere Gläubiger benachteiligt würden, kann der Beklagten zu 1, wie das Amtsgericht richtig gesehen hat, nicht verborgen geblieben sein.
21
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, für die Feststellung der Kenntnis der Beklagten zu 1 von dem Benachteiligungsvorsatz des Beklagten zu 2 müsse die Klägerin darlegen, aus welchen Gründen die Beklagte zu 1 positive Kenntnis davon gehabt haben solle, dass das Hausgrundstück für die Schulden der E. GmbH haftete. Da im vorliegenden Fall die Vermutung des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG greift, oblag es der Klägerin schon nicht, den Nachweis zu erbringen, dass die Beklagte zu 1 von dem Vorsatz des Beklagten zu 2 wusste. Aber auch für die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung war es nicht erforderlich, dass der Beklagten zu 1 bekannt war, für welche konkreten Verbindlichkeiten das Hausgrundstück haftete. Insoweit sind keine höheren Anforderungen zu stellen, als es für die Feststellung der Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG der Fall ist. Diese ist bereits dann anzunehmen, wenn der Anfechtungsgegner im Allgemeinen von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gewusst hat; von den konkreten Zuständen muss er hingegen keine Kenntnis haben (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - IX ZR 377/99, ZIP 2003, 488, unter II 3 b; Kreft in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 133 Rdnr. 21; Paulus in: Kübler /Prütting, InsO, Stand 2007, § 133 Rdnr. 12; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 133 Rdnr. 33; MünchKommInsO/Kirchhof, § 133 Rdnr. 19).
22
b) Die Klägerin wird durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert. Ein Verwertungshindernis ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Verwertung des Mietobjekts wegen des bestehenden Mietverhältnisses wirtschaftlich nicht oder nur zu unzumutbaren Bedingungen möglich wäre (BVerfGE 79, 283, 290 f.; BVerfG, WuM 1992, 46, 47; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, Rdnr. 163; Grapentin in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IV Rdnr. 82). Es liegt auf der Hand, dass eine Verwertung zu zumutbaren Bedingungen hier nicht möglich ist. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass Einfamilienhäuser im vermieteten Zustand nur schwer verkäuflich sind, weil diese Objekte gewöhnlich zur eigenen Nutzung nachgefragt werden. Mit einem den Erwerber nach § 566 Abs. 1 BGB bindenden Mietvertrag, der zudem langfristig keine Mietzahlungen vorsieht, ist allenfalls ein geringer Veräußerungserlös zu erzielen. Dies gilt umso mehr, als bereits in zwei Zwangsversteigerungsterminen lediglich von der Klägerin ein Gebot abgegeben wurde.
23
c) Die Fortsetzung des Mietverhältnisses würde auch dazu führen, dass die Klägerin erhebliche Nachteile erleidet. An der Erheblichkeit des Nachteils kann es zwar fehlen, wenn der Vermieter die Wohnung im vermieteten Zustand erworben hat, da dem Grundstück dann von Anfang an der durch die Vermietung begründete Minderwert anhaftet (MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 573 Rdnr. 90; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 152; jeweils m.w.N.). Dieser Umstand muss jedoch dann außer Betracht bleiben, wenn - wie hier - ein rechtlich geschütztes Bestandsinteresse des Mieters an dem Mietverhältnis nicht gegeben ist, weil der abgeschlossene Mietvertrag für den Erwerber anfechtbar war.
24
d) Das Kündigungsschreiben der Klägerin genügt auch den Anforderungen des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drs. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet , dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (Senatsurteil vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845, unter II 4). Diesen Anforderungen wird das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 29. November 2004, in dem die Gründe für die Kündigung im Einzelnen ausgeführt werden, gerecht.
25
2. Die Klägerin kann nach § 985 BGB die Räumung und Herausgabe der Räumlichkeiten auch von dem Beklagten zu 2 verlangen.
26
a) Die gegen den Beklagten zu 2 erhobene Klage ist zulässig.
27
Es besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin aufgrund eines allein gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Räumungstitels nicht die zwangsweise Räumung des Hausgrundstücks gegen den Beklagten zu 2 betreiben könnte. Der Beklagte zu 2 hat als Ehemann der Beklagten zu 1 durch Aufnahme in die Wohnung Mitbesitz daran erlangt (BGHZ 159, 383, 384 f.). Gegen ihn kann daher eine Zwangsvollstreckung nur aus einem Titel betrieben werden, in dem er als Vollstreckungsschuldner aufgeführt wird (BGHZ, aaO).
28
b) Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte zu 2 leitete sein Besitzrecht aus dem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 bestehenden Mietvertrag ab. Die Grundlage dieses Rechts ist durch die wirksame Kündigung des Mietvertrages entfallen.

III.

29
Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 16.12.2005 - 115 C 112/05 -
LG Bonn, Entscheidung vom 10.08.2006 - 6 S 32/06 -

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 78/10 Verkündet am:
13. Oktober 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18. März 2010 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte zu 1 ist Mieter eines Ein-Zimmer-Appartements der Klägerin am E. in B. ; die Beklagte zu 2 - Ehefrau des Beklagten zu 1 - lebt ebenfalls in der Wohnung. Mit Schreiben vom 23. April 2008 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. Januar 2009. In dem Kündigungsschreiben wird mitgeteilt, dass die Tochter der Klägerin volljährig werde und einen eigenen Hausstand gründen wolle; die an den Beklagten zu 1 vermietete Wohnung sei dafür ideal, da sie mit 45 qm Wohnfläche (1 Zimmer , Küche, Diele, Bad) eine für die Gründung eines eigenen Hausstandes geeignete Größe habe.
2
Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Sie sind der Auffassung, dass die Kündigung nicht hinreichend begründet worden sei, da aus dem Schreiben vom 23. April 2008 die bisherige Wohnsituation der Tochter der Klägerin nicht hervorgehe. Weiter haben die Beklagten vorgetragen, während des Laufs der Kündigungsfrist sei im Anwesen E. im ersten Stock eine Wohnung frei geworden, die die Klägerin inzwischen anderweitig vermietet habe. In diese Wohnung, deren von der Klägerin angegebene Größe von 60 qm mit Nichtwissen bestritten werde, habe die Tochter der Klägerin ziehen können. Jedenfalls hätte diese Wohnung den Beklagten angeboten werden müssen.
3
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der angemieteten Wohnung in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Kündigung vom 23. April 2008 sei nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB hinreichend begründet worden. In dem Schreiben sei darauf verwiesen worden, dass die Tochter der Klägerin nach ihrer Volljährigkeit einen eigenen Hausstand gründen wolle. Dies impliziere, dass sie bisher in dem elterlichen Haus lebe und keinen eigenen Hausstand habe. Die Absicht, im Erwachsenenalter selbständig von den Eltern zu leben, sei ein vernünftiger, nachvollziehbarer Grund für den Eigenbedarf und bedürfe keiner näheren Darlegung. Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen der Tochter der Klägerin habe es nicht bedurft.
7
Der Vortrag der Beklagten, die Tochter der Klägerin hätte ihren Wohnbedarf auch mit der während der Kündigungsfrist im gleichen Anwesen frei gewordenen Wohnung im ersten Stock befriedigen können, sei nicht substantiiert genug. Es sei grundsätzlich Sache des Vermieters, welche von mehreren Wohnungen er zur Befriedigung seines Eigenbedarfs heranziehe. Trage der Mieter gegen die vom Vermieter getroffene Wahl vor, es habe noch eine Alternative dazu bestanden, trage der Mieter hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Vorliegend hätten sich die Beklagten darauf beschränkt, die Größe der Wohnung mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies reiche nicht aus; sie hätten vielmehr konkret darlegen und gegebenenfalls unter Beweis stellen müssen, dass und weshalb es unvernünftig gewesen sein sollte, nicht die frei gewordene Wohnung zu wählen , sondern an der Eigenbedarfskündigung festzuhalten.
8
Schließlich habe die Klägerin auch die sie grundsätzlich treffende Pflicht, den Beklagten während der Kündigungsfrist frei werdende vergleichbare Wohnungen anzubieten, nicht dadurch verletzt, dass sie die Wohnung im ersten Stock des Anwesens E. den Beklagten nicht angeboten habe. Denn die Beklagten hätten nicht vorgetragen, dass die Wohnung im ersten Stock vergleichbar zu der bisher angemieteten Wohnung gewesen sei; jedenfalls fehle es an Vortrag, die Beklagten hätten die Wohnung angemietet, wenn sie ihnen denn angeboten worden wäre.

II.

9
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Mietverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Klägerin vom 23. April 2008 nicht beendet worden. Zwar kann sich die Klägerin auf § 573 Abs. 2 Satz 2 BGB (Eigenbedarf) stützen; die Kündigung stellt sich jedoch als rechtsmissbräuchlich dar, weil die Klägerin ihre Pflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), den Beklagten die während der Kündigungsfrist frei gewordene Wohnung im ersten Stock des Anwesens E. anzubieten , verletzt hat.
10
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass das Kündigungsschreiben vom 23. April 2008 im Sinne des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB eine hinreichende Begründung enthält. Der Zweck des Begründungszwangs besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so benennt, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann (Senatsurteile vom 16. Januar 2008 - VIII ZR 254/06, NZM 2008, 281 Rn. 24; vom 27. Juni 2006 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 23). Diesen Anforderungen wird das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 23. April 2008 gerecht.
11
Die Auffassung der Revision, aus dem Kündigungsschreiben werde nicht ausreichend deutlich, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Tochter im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB "benötigt", da es sich zu der bisherigen Wohnsituation der Tochter nicht verhalte, geht fehl. Nach der Rechtsprechung des Senats reicht es bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung aus, dass der Vermie- ter für seinen Willen, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, vernünftige Gründe hat (Senatsbeschluss vom 20. Januar 1988 - VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91, 96). Dies ist bei dem Wunsch des Vermieters, einem demnächst volljährigen Kind die Begründung eines eigenen Hausstands in einer dafür geeigneten Wohnung zu ermöglichen, regelmäßig der Fall. Eine darüber hinausgehende Begründung in Gestalt von Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen bedarf es daher grundsätzlich nicht.
12
2. Auch ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein solches Interesse des Vermieters unter anderem dann vor, wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich selbst oder einen Familienangehörigen benötigt. Dabei genügt es, wenn für den Willen des Vermieters in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, ein vernünftiger, nachvollziehbarer Grund besteht (Senatsbeschluss vom 20. Januar 1988 - VIII ARZ 4/87, aaO S. 95 ff.; Senatsurteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 unter II 1). Die von dem volljährigen Kind geteilte Intention der Eltern, die Selbständigkeit des Kindes zu fördern und ihm die Gründung eines von den Eltern unabhängigen, eigenen Hausstandes zu ermöglichen, ist ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund. Insbesondere kann den Eltern/Vermietern nicht entgegengehalten werden, das Kind sei im elterlichen Haus ausreichend untergebracht (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Januar 1988 - VIII ARZ 4/87, aaO).
13
3. Dagegen ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen, soweit es annimmt, die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten die während des Laufs der Kündigungsfrist frei gewordene Wohnung im ersten Obergeschoss des Anwesens E. zur Anmietung anzubieten.
14
Nach der Rechtsprechung des Senats hat der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist zur Anmietung anzubieten , sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Andernfalls ist die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam (Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - VIII ZR 276/02, NJW 2003, 2604 unter II 2; vom 9. November 2005 - VIII ZR 339/04, NJW 2006, 220 Rn. 12). Bei der Kündigung einer Mietwohnung wegen Eigenbedarfs ist zwar grundsätzlich die Entscheidung des Vermieters, welche der ihm gehörenden Wohnungen er nutzen will, zu respektieren. Es kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kündigung von Wohnraum in die Lebensführung eines Mieters besonders stark eingreift. Der Vermieter ist deshalb gehalten, diesen Eingriff abzumildern, soweit ihm dies möglich ist. Ausnahmsweise ist eine (berechtigte) Eigenbedarfskündigung daher dann rechtsmissbräuchlich, wenn dem Vermieter eine vergleichbare andere Wohnung im selben Anwesen oder in derselben Wohnanlage zur Verfügung steht und er diese dem Mieter nicht anbietet, obwohl er die Wohnung erneut vermieten will (Senatsurteil vom 9. Juli 2003 - VIII ZR 276/02 aaO).
15
So ist es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde im Anwesen E. während der Kündigungsfrist eine nach den Angaben der Klägerin 60 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung frei, die die Klägerin im Sommer 2008 anderweitig vermietete. Diese Wohnung hätte die Klägerin dem Beklagten zu 1 anbieten müssen, da eine Vergleichbarkeit mit der gekündigten Wohnung nicht von vornherein ausschied. Nach der Größe der Wohnung (60 qm) ist sie für den Wohnbedarf eines Zwei-Personen-Haushalts ohne weiteres geeignet. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagten hätten vorab erklären müssen, dass sie die Wohnung im ersten Stock anmieten wür- den, wenn sie ihnen denn angeboten würde. Es ist Sache des Mieters, über die Eignung einer Wohnung für seine persönlichen Zwecke zu entscheiden (BVerfG, NJW 1992, 1220, 1221). Um eine verantwortliche Entscheidung hierüber treffen zu können, muss der Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung informiert sein. Hierzu gehören neben der Größe und Ausstattung der Wohnung jedenfalls auch die Mietkonditionen (Miete/Nebenkosten). Vor Erhalt dieser Informationen eine rechtsverbindliche Erklärung über die Anmietung abzugeben, ist dem Mieter regelmäßig unzumutbar. Der Vermieter erfüllt seine Anbietpflicht daher grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß, wenn er den gekündigten Mieter über die genannten wesentlichen Vertragsbedingungen der Anmietung einer während der Kündigungsfrist frei werdenden Wohnung in Kenntnis setzt. Daran fehlt es im Streitfall.

III.

16
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuweisen, da sich die am 23. April 2008 ausgesprochene Kündigung als rechtsmissbräuchlich erweist und der Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung unbegründet ist. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Richterin Dr. Fetzer ist erkrankt und kann daher nicht unterschreiben. Ball
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 05.11.2009 - 202 C 58/09 -
LG Bonn, Entscheidung vom 18.03.2010 - 6 S 5/10 -

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 57/13 Verkündet am:
16. Oktober 2013
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Durch eine mietvertragliche Bestimmung, der zu Folge der Vermieter das Mietverhältnis
"nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen
kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung
des Mietverhältnisses notwendig machen", wird dem Mieter ein gegenüber den
gesetzlichen Vorschriften erhöhter Bestandsschutz eingeräumt. Für eine Kündigung
genügt dann das in § 573 Abs. 2 BGB genannte berechtigte Interesse des Vermieters
nicht.
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 - VIII ZR 57/13 - LG Berlin
AG Berlin-Schöneberg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 19. Februar 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 12. März 1998 von der D. Aktiengesellschaft (im Folgenden: D. ) eine Wohnung im 2. Obergeschoß eines Anwesens in Berlin. Bei Vertragsschluss befanden sich in dem Gebäude drei jeweils abgeschlossene, einzeln vermietete Wohnungen.
2
§ 4 des Mietvertrags enthält zur Mietdauer und zur Kündigung folgende Bestimmungen: "(1) Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. […] (3) Die D. wird das Mietverhältnis grundsätzlich nicht auflösen. Sie kann jedoch in besonderen Ausnahmefällen das Mietverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen der D. eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Die fristlose Kündigung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (siehe Nr. 9 AVB)."
3
Am 1. Juli 2006 verkaufte die D. das Gebäude an die K. GmbH. Der notarielle Kaufvertrag enthielt eine an spätere Erwerber weiterzugebende Mieterschutzbestimmung, mit der die Kündigung wegen Eigenbedarfs und die Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB) ausgeschlossen wurden. Die D. bestätigte gegenüber der Beklagten mit einem Schreiben vom 8. September 2006, dass der Kaufvertrag eine entsprechende Mieterschutzklausel enthalte.
4
Am 30. März 2009 veräußerte die K. GmbH das Gebäude an die Kläger, ohne die Mieterschutzklausel in den notariellen Kaufvertrag aufzunehmen. Die Kläger legten die beiden Wohnungen im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss zusammen und bewohnen sie seitdem.
5
Mit Schreiben vom 2. November 2009 kündigten die Kläger das Mietverhältnis unter Hinweis darauf, dass sie die Wohnung der Schwester der Klägerin und deren Familie überlassen wollten, zum 31. Juli 2010. Mit der Klageschrift vom 30. Juni 2010 kündigten die Kläger vorsorglich nochmals wegen Eigenbedarfs und stützten die Kündigung hilfsweise auf § 573a BGB. Die Beklagte widersprach beiden Kündigungen unter Berufung auf Härtegründe.
6
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Landgericht hat ihr unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Kündigung der Kläger in der Klageschrift vom 30. Juni 2010 sei gemäß § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB begründet. Das streitgegenständliche Haus werde von den Klägern bewohnt und habe nicht mehr als zwei Wohnungen. Für die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Kündigung vorlägen, komme es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Falls der Vermieter im Einzelfall die gegebenen Möglichkeiten rechtsmissbräuchlich ausnutze oder der Mieter aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen dürfe, dass sich die bei Vertragsbeginn erkennbaren Kündigungsmöglichkeiten nicht ausweiteten, sei dies im Rahmen der Grundsätze von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Für einen Verstoß gegen diese Grundsätze lägen keine Anhaltspunkte vor.
10
Der Räumungsverpflichtung der Beklagten stünden auch keine Härtegründe gemäß § 574 BGB entgegen. Nach den gutachterlichen Feststellungen sei eine Aufgabe der Wohnung durch die Beklagte trotz der Erkrankung an Multipler Sklerose nicht schlechterdings ausgeschlossen. Ein Umzug stelle zwar eine erhebliche Belastung für die Beklagte dar. Bei der vorliegend schleichend verlaufenden Krankheit sei ein Zusammenhang zwischen belastenden Situationen und einer Krankheitsverschlechterung unklar, aber letztlich nicht auszuschließen. Letzteres sei aber auch aufgrund anderer äußerer Umstände möglich , etwa einer Virusinfektion. Die geäußerten Suizidgedanken könnten nie si- cher vermieden werden. Für eine begleitende Psychotherapie sei die Bereitschaft der Beklagten nötig, sich hierauf einzulassen. Unter diesen Umständen gehe die Kammer davon aus, dass die Beklagte trotz der nicht zu verkennenden Schwierigkeiten aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen einen Umzug grundsätzlich bewerkstelligen könne, erforderlichenfalls unter therapeutischer Begleitung; hieran mitzuwirken, sei die Beklagte grundsätzlich verpflichtet.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger auf Räumung der von der Beklagten bewohnten Wohnung nicht bejaht werden. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass eine Kündigung der Kläger nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die in § 4 des Mietvertrages enthaltene Kündigungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Räumung stelle für die Beklagte keine unzumutbare Härte dar, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
12
1. Gemäß § 4 Abs. 3 des Mietvertrags kann der Vermieter das Mietverhältnis nur in besonderen Ausnahmefällen kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Eine solche Bestimmung schließt nach dem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck die erleichterte Kündigung gemäß § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB, die kein berechtigtes Interesse des Vermieters im Sinne des § 573 BGB voraussetzt, aus (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 89 f.; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573a BGB Rn. 6). Diesem Verständnis der Kündigungsbeschränkung steht nicht entgegen, dass in dem Gebäude zum Zeitpunkt des Vertrags- schlusses drei Wohnungen vorhanden waren und eine erleichterte Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB damals schon tatbestandlich nicht in Betracht kam. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Kündigung des Vermieters im Mietvertrag auf besondere Ausnahmefälle beschränkt worden ist, in denen wichtige berechtigte Interessen des Vermieters die Beendigung des Mietvertrages erforderlich machen.
13
b) Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber vermieteten Wohnraums anstelle des Vermieters in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Das gilt auch für eine wirksam vereinbarte Kündigungsbeschränkung (Staudinger /Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rn. 241; OLG Karlsruhe, aaO S. 90). Zwar bezieht sich die Kündigungsbeschränkung ihrem Wortlaut nach auf "wichtige berechtigte Interessen der D. ". Dies erklärt sich jedoch daraus, dass es hinsichtlich des berechtigten Interesses grundsätzlich auf die Person des Vermieters – damals der D. – ankommt. Es bestehen keine Anhaltspunkte , dass die damaligen Parteien des Mietvertrages die Kündigungsbeschränkung konkludent nur für den Zeitraum hätten vereinbaren wollen, in dem die Wohnung im Eigentum der D. stand.
14
2. Feststellungen zu dem von den Klägern mit den streitgegenständlichen Kündigungen geltend gemachten Eigenbedarf hat das Berufungsgericht – ausseiner Sicht folgerichtig – nicht getroffen. Entgegen der Auffassung der Revision ist den Klägern allerdings eine Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) nicht grundsätzlich verwehrt.
15
Die Kündigungsbeschränkung in § 4 Abs. 3 des Mietvertrags schließt eine Eigenbedarfskündigung nicht generell aus. Sie verschärft lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen, so dass das in § 573 Abs. 2 BGB genannte "berechtigte Interesse" nicht ausreicht, sondern darüber hinaus ein besonderer Ausnahmefall vorliegen muss, in dem wichtige Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Mit einer solchen Klausel wird dem Mieter ein gegenüber üblichen Mietverhältnissen erhöhter Bestandsschutz zugebilligt (Senatsurteil vom 9. Mai 2012 – VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 27; OLG Karlsruhe, aaO S. 90).
16
3. Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass die Würdigung des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Beklagte nach § 574 Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
17
a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte sich krankheitsbedingt besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt sieht, die sich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben und deshalb als Härtegrund in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 233/12, NJW 2013, 1596 Rn. 15). Die eingehende Darstellung des gerichtlichen Sachverständigen zu den schwerwiegenden Krankheitssymptomen und deren Auswirkungen auf die Belastbarkeit und Umstellfähigkeit der Beklagten hat das Berufungsgericht in seinem wesentlichen Kern indes nicht zur Kenntnis genommen, wie sich aus seiner pauschalen und bagatellisierenden Würdigung ergibt, ein Umzug der Beklagten sei nicht „schlechterdings ausgeschlossen“ und könne von dieser mit entsprechender therapeutischer Begleitung bewerkstelligt werden.
18
Nach dem schriftlichen Gutachten und den Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung wirkt sich die Krankheit der Beklagten auf alle Aspekte der Lebensführung in erheblichem Umfang negativ aus. Die bestehenden schwerwiegenden Defizite in der Motorik könnten nur unter Aufbietung maximaler mentaler Ressourcen und auch nur partiell kompensiert werden. Das Erlernen von neuen motorischen Abläufen, Handlungsfolgen und Tagesabläufen stelle einen zusätzlichen Stressfaktor dar. Die Beklagte sei wegen der reduzierten kognitiven Umstellfähigkeit auf langfristige und stabile soziale Beziehungen angewiesen. Eine komplette geographische Umorganisation der Routen zu den Therapeuten sei ebenfalls ein Stressfaktor. Ein erzwungener Wohnungswechsel würde - vor dem Hintergrund sowohl der zuvor beschriebenen konkreten krankheitsbedingten Einschränkungen als auch der Gefahr einer Verschlechterung der Grunderkrankung - im Alltag eine Überforderung ("ungeheure Belastung") bedeuten und wäre mit physischen und psychischen Konsequenzen verbunden, die mindestens den Verlust der selbständigen Lebensführung bedeuten würden. Mit diesen zentralen Feststellungen des Sachverständigen hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Soweit es darauf abstellt, dass die Beklagte zur Mitwirkung an einer therapeutischen Begleitung des Umzugs verpflichtet wäre, hat es, wie die Revision mit Recht rügt, nicht zur Kenntnis genommen, dass der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht erläutert hat, dass eine solche Begleitung nicht den gewünschten Erfolg hätte, weil es der Beklagten (krankheitsbedingt) an der dazu erforderlichen Grundvoraussetzung, dem Vertrauen zu einem solchen Therapeuten, fehlen würde.
19
b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass das Berufungsgericht eine konkrete Abwägung der von ihm jedenfalls im Ansatz anerkannten krankheitsbedingten Schwierigkeiten der Beklagten beim Umzug sowie der Gefahr einer Krankheitsverschlechterung mit dem Erlangungsinteresse der Kläger, auf das es in keiner Weise eingegangen ist, unterlassen hat.
20
c) Schließlich lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts, das darauf abstellt, der Umzug sei für die Beklagte zwar mit erheblichen Belastungen verbunden, aber nicht unmöglich oder schlechterdings ausgeschlossen, besor- gen, dass es unangemessen hohe Anforderungen an das Vorliegen einer unzumutbaren Härte stellt und verkennt, dass nicht nur sichere Folgen einer Räumung zu berücksichtigen sind, sondern bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen kann.

III.

21
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht – vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig – nur über die hilfsweise erklärte, auf § 573a BGB gestützte Kündigung der Kläger entschieden und deshalb zur Wirksamkeit der weiteren, auf Eigenbedarf (bezüglich der Schwester) gestützten Kündigung keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit der Verweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 24.05.2012 - 18 C 200/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 19.02.2013 - 63 S 232/12 -

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 21/02
vom
17. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Die Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts
nach § 91a ZPO ist nicht geeignet, Rechtsfragen von grundsätzlicher
Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des
materiellen Rechts geht.
BGH, Beschluß vom 17. März 2004 - IV ZB 21/02 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
Felsch
am 17. März 2004

beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Der Streitwert des Berufungsverfahrens und der Wert des Vergleichs werden auf 56.927,52 DM = 29.106,58 € festgesetzt.
3. Streitwert des Beschwerdeverfahrens: Die Hälfte der bis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde entstandenen Kosten.

Gründe:


I. Der Kläger nahm die Beklagte aus einer bei ihr unterhaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf Zahlung von Rente und Beitragsbefreiung in Anspruch. Vor dem Oberlandesgericht haben die Par-

teien einen Vergleich geschlossen und streiten jetzt noch über die Kosten des Rechtsstreits, über die das Berufungsgericht nach § 91a ZPO entschieden hat.
Der Kläger unterrichtet, inzwischen als Oberstudie nrat, am Gymnasium Mathematik, Biologie und Informatik. Er erlitt 1993 einen Verkehrsunfall , der zu einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall bei beiden Augen führte. Wegen dieser Augenerkrankung beträgt der Grad seiner Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz 70%. Die Schulbehörde hat deshalb seine Unterrichtsverpflichtung von 24 auf 19 Stunden reduziert bei vollem Gehalt.
Der Kläger behauptete, zu mindestens 50% berufsunf ähig zu sein, obwohl er 19 Stunden unterrichte. Sein über der Hälfte liegendes Unterrichtspensum beruhe auf einem überobligationsmäßigen Einsatz in verschiedener Hinsicht.
Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlande sgericht wies sie ab. Der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 11. Oktober 2000 - IV ZR 208/99 - VersR 2001, 89).
Das Berufungsgericht hat die Parteien, insbesonder e den Kläger, durch Aufklärungsbeschlüsse zu weiterem Sachvortrag veranlaßt. Beweis hat es nicht mehr erhoben. Im Vergleich haben die Parteien sich darauf geeinigt, daß die Rentenansprüche durch Zahlung etwa des hälftigen Barwerts abgefunden werden, Beiträge in Höhe von 948,95 € durch

die Beklagte erstattet werden und die Lebensversicherung mit eingeschlossener Unfallzusatzversicherung von September 1995 bis zu ihrem Ablauf beitragsfrei geführt wird. Sodann haben sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und um Kostenentscheidung nach § 91a ZPO gebeten.
Das Berufungsgericht hat die Kosten des Rechtsstre its den Parteien jeweils zur Hälfte auferlegt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der Kläger, der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen.
II. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO mi t Bindungswirkung für den Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerde hätte allerdings nicht zugelassen werden dürfen, wie die Beschwerdeerwiderung zutreffend ausführt. Die Rechtssache hat, anders als das Berufungsgericht meint, weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts im Sinne von § 574 Abs. 2 ZPO. Die Zulassung ist damit begründet worden, in der Rechtsprechung und in der rechtswissenschaftlichen Literatur sei bislang nicht abschließend geklärt, nach welchen Kriterien im Rahmen einer Gesamtschau zu beurteilen sei, ob eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50% vorliege, wenn der Versicherte überobligationsmäßige Leistungen erbringe oder wenn er einzelne Tätigkeiten, die zu seinem Beruf gehörten, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben könne.

a) Es ist nicht Zweck einer Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeu-

tung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht. Die Kostenentscheidung ergeht, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, nur nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Grundlage der Entscheidung ist demgemäß lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht - auch bei einer Entscheidung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren - grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen abzuhandeln (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2003 - I ZB 40/02 - NJW-RR 2003, 1075 unter 2 und vom 16. November 1999 - KVR 10/98 - NJW-RR 2000, 776 unter 1, jeweils m.w.N.; BVerfG NJW 1993, 1060 f.).

b) Abgesehen davon handelt es sich bei der angefüh rten Zulassungsfrage weitgehend nicht um eine Rechtsfrage. Die wertende Gesamtschau aller Umstände, die bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit nicht selten geboten sein wird, ist in erster Linie Sache des Tatrichters und im Revisions- und Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 546, 576 Abs. 3 ZPO nur beschränkt nachprüfbar (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juni 1993 - IV ZR 145/92 - VersR 1994, 45 unter II 2 a und b und vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95 - VersR 1996, 1090 unter II 3 b bb; MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband-Wenzel, § 546 Rdn. 15; Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung Rdn. 310-316). Mangels abschließender Feststellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen läuft die Zulassung der Rechtsbeschwerde zudem auf die Klärung abstrakter Rechtsfragen hinaus. Das ist nicht der Zweck von § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg .

a) Das Berufungsgericht hat die Kosten den Parteie n je zur Hälfte mit der Begründung auferlegt, nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen sei völlig offen, aber auch nicht auszuschließen , daß der Kläger hätte nachweisen können, zu mindestens 50% berufsunfähig zu sein. Ohne weitere Aufklärung und Beweisaufnahme zu mehreren Punkten - die auf S. 24 des angefochtenen Beschlusses zusammenfassend dargelegt sind - lasse sich nicht mit einiger Sicherheit vorhersagen, wie der Rechtsstreit ausgegangen wäre.

b) Die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts hä lt der allein gebotenen summarischen rechtlichen Nachprüfung stand. Der Kläger meint unter Hinweis auf BGHZ 123, 264, 266, eine mindestens überwiegende Wahrscheinlichkeit seines Obsiegens hätte ausgereicht, die Kosten der Beklagten allein aufzuerlegen. Er zeigt aber nicht auf, daß das Berufungsgericht dies rechtsfehlerhaft verneint hat. Das Beschwerdevorbringen bewegt sich weitgehend im Bereich der im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlichen eigenen Sachverhaltswürdigung. Auch die Beschwerde räumt ein, daß einige Fragen in tatsächlicher Hinsicht noch nicht abschließend geklärt sind. Das betrifft unter anderem den zeitlichen Mehraufwand insgesamt, den der Kläger benötigt, um seine schulischen Aufgaben zu erfüllen, die objektive Qualität seiner Leistungen und die Auswirkung seiner Sehbehinderung auf das Mikroskopieren. Schon das steht der Annahme entgegen, im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen habe eine mindestens überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Klägers bestanden. Eine solche Beurteilung hätte zudem kaum rechtsfehlerfrei vorgenommen werden können, weil das von beiden Par-

teien angeregte (erst noch einzuholende) berufskundliche Gutachten nicht vorlag.
III. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beruf ungsverfahren wird gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG geändert.
Der Streitwert ist im ersten Berufungsverfahren un d im Revisionsverfahren nach §§ 3, 9 ZPO (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 25. November 1998 - IV ZR 199/98 - NVersZ 1999, 239 unter a) auf 56.927,52 DM festgesetzt worden (12.770,40 DM rückständige Rente und Beitragsrückzahlung bei Klageeinreichung, 42.000 DM künftige Rente und 2.157,12 DM Feststellung der künftigen Beitragsfreiheit). Nunmehr hat das Berufungsgericht den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 84.262,88 DM festgesetzt. Es hat hierbei die vollen Rentenbeträge von 80.000 DM für die Zeit von September 1995 bis zum Abschluß des Vergleichs im April 2002 zugrunde gelegt, ferner eine bezifferte Beitragsrückforderung von 770,40 DM und die Beiträge von September 1996 bis April 2002 abzüglich 20% Feststellungsabschlag in Höhe von 3.492,48 DM.
Diese Streitwertfestsetzung ist nicht richtig. Auc h bei Abschluß eines Prozeßvergleichs bleibt es dabei, daß für den Streitwert der bei Klageeinreichung noch nicht fälligen künftigen Ansprüche auf Rente und Beitragsbefreiung § 9 ZPO maßgebend ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl. § 3 Rdn. 16 Abfindungsvergleich, Vergleich; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 3 Rdn. 68 Vergleich [Allgemeines], § 9 Rdn. 17; Baumbach /Hartmann, ZPO 62. Aufl. Anh. nach § 3 Rdn. 127; Schnei-

der/Herget, Streitwertkommentar 11. Aufl. Rdn. 4567, 4569, 4675). Da durch den Vergleich (nur) die Ansprüche erledigt wurden, die bisher schon Gegenstand des Rechtsstreits waren, beträgt der Streitwert unverändert 56.927,52 DM = 29.106,58 €. Das ist auch der Wert des Vergleichs.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch