Landgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2015 - 22 O 218/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Bausparvertrags, nachdem die beklagte Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife dessen Kündigung ausgesprochen hat.
3Der Kläger schloss mit der beklagten Bausparkasse am 22.08.1990 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 26.000,- DM (13.293,59 €) mit einem Sparzins von 3 % (Anlage K 1, Bl. 4 d.A.). Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif D (i.d.F. ABB), Stand 1.1.1990 bis 30.06.1991, der Beklagten zugrunde (Anlage B 1, Bl. 35 ff. d. A.). Im Juli 2002 unterrichtete die Beklagte den Kläger von der Zuteilungsreife des Bausparvertrags zum 01.10.2002 (Anlage B 2, Bl. 38 d.A.). Der Kläger nahm die Zuteilung nicht an und entrichtete seit spätestens 2003 keine Sparleistungen auf den Bausparvertrag mehr.
4Mit Schreiben vom 18.12.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag (Anlage K 2, Bl. 5 d.A.) zum 01.07.2015. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Sparguthaben 9.747,81 €. Der Kläger wiedersprach der Kündigung mit Schreiben vom 05.01.2015 und erneut mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2015 (Anlage K 4, Bl. 7 d.A.). Die angesparte Summe wurde dem Kläger am 22.07.2015 ausgezahlt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.07.2015 erklärte der Kläger, die Einlösung des Schecks über die angesparte Summe komme keinem Anerkenntnis der Beendigung des Vertragsverhältnisses gleich.
5Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam; der Beklagten stehe ein Kündigungsrecht nach § 489 BGB nicht zu. Da die ABB in § 1 Abs. 1 nur ein Kündigungsrecht für Tilgungsdarlehen vorsähen, entziehe die Beklagte dem Sparer mit der Kündigung den Anspruch auf ein Tilgungsdarlehen. Ein weiteres Kündigungsrecht gewähre § 5 Abs. 3 ABB nur bei Rückstand des Bausparers mit den Sparraten, woraus sich ergebe, dass der Bausparvertrag unkündbar sei, solange die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich und die Bausparsumme nicht erreicht sei.
6Der Kläger hat ursprünglich beantragt, festzustellen, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung am 18.12.2014 des Bausparvertrags mit der Bausparnummer 4 211 111 2 01 das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat und nach Hinweis in der mündlichen Verhandlung den Klageantrag umformuliert.
7Er beantragt nunmehr,
8festzustellen, dass der Bausparvertrag mit der Nr. 4 211 111 2 01 über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht.
9Die Beklage beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte ist der Ansicht, ihr stehe ein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu: Bei dem Bausparvertrag handele es sich um eine Darlehensverhältnis mit festem Sollzinssatz i.S.d. § 489 Abs. 1 BGB; nach Eintritt der Zuteilungsreife habe sie den Darlehensbetrag vollständig i.S.d. Vorschrift empfangen; zu diesem Zeitpunkt habe der Kunde seine Verpflichtungen als Darlehensgeber vollständig erfüllt und habe nun seinerseits einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens oder Auszahlung des angesparten Betrags.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13I.
14Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger im Hinblick auf die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Bausparvertrags ein Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Vertragsverhältnisses, § 256 ZPO.
15Die Klage hat in der Sache indes keinen Erfolg, da die Beklagte das Vertragsverhältnis wirksam zum 01.07.2015 gekündigt hat.
16Die Beklagte war gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB zur Kündigung des Bausparvertrags berechtigt. Nach dieser Vorschrift kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen.
171.
18§ 489 BGB findet auf Bausparverträge Anwendung. Nach h.M. stellt ein Bausparvertrag in der Ansparphase, d.h. bis zur vollständigen Ansparung der Bausparsumme, einen Darlehensvertrag mit dem Bausparer als Darlehensgeber und der Bausparkasse als Darlehensnehmer dar (OLG Köln, Beschluss vom 23.03.2015, 13 U 104/14, zitiert nach juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.10.2013, 19 U 106/13, zitiert nach juris Rn. 14; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, zitiert nach juris Rn. 7; Staudinger/Mülbert, BGB, Neubearb. 2015, § 488 Rn. 539).
19Das Kündigungsrecht der Beklagten aus § 489 Abs. 1 BGB ist nicht durch die ABB ausgeschlossen, insbesondere steht die Regelung des § 5 Abs. 3 ABB, wonach die Bausparkasse für den Fall, dass der Bausparer mit mehr als sechs monatlichen Bausparbeiträgen in Rückstand gerät, den Bausparvertrag kündigen kann, sofern das Bausparguthaben 1.000,- DM unterschreitet, der Anwendbarkeit von § 489 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Denn nach § 489 Abs. 4 BGB kann das Kündigungsrecht eines Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 BGB nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden.
202.
21Die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sind erfüllt.
22a)
23Die Parteien haben mit dem streitgegenständlichen Bausparvertrag einen gebundenen Sollzinssatz vereinbart. Gemäß § 489 Abs. 5 S. 1 BGB ist Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden, § 489 Abs. 5 S. 2 BGB.
24Nach § 6 Abs. 1 ABB betrug der festgelegte jährliche Zins nach Wahl des Bausparers für das Bausparguthaben 3 % oder 4 %, wobei der Bausparer bis zur ersten Auszahlung der zugeteilten Bausparsumme auf eine Guthabenverzinsung von 4 % gegen entsprechende Zinsgutschrift wechseln konnte, § 6 Abs. 5 ABB. Damit liegt ein – im Gegensatz zu einem variablen Zinssatz i.S.d. § 489 Abs. 2 BGB – gebundener Zinssatz vor (Edelmann/Suchowerskyj, BB 2015, 1800, 1804).
25b)
26Die Beklagte hat die Darlehensvaluta, die ihr im Rahmen des Vertragsverhältnisses vom Bausparer in Gestalt der Sparbeiträge des Bausparers gewährt wurden, mit erstmaligem Erreichen der Zuteilungsreife des Bausparvertrags im Jahr 2002 i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vollständig empfangen. Mit dem Eintritt der Zuteilungsreife erlangt der Bausparer einen Rechtsanspruch auf Gewährung des Bauspardarlehens, womit der nach § 1 Abs. 1 ABB vorausgesetzte Vertragszweck erreicht ist (vgl. Staudinger/Mülbert, aaO., § 488 Rn. 550; LG Mainz, Urteil vom 28.07.2014, 5 O 1/14, zitiert nach juris Rn. 15; LG Aachen, Urteil vom 19.05.2015, 10 O 404/14, zitiert nach juris Rn. 23). Zugleich hat der Bausparer die Option, die Ansparphase fortzusetzen; dieses einseitige Bestimmungsrecht des Bausparers in seiner Rolle als Darlehensgeber stellt aber nur dann keinen unwirksamen Ausschluss des Kündigungsrechts des Darlehensnehmers, hier der Bausparkasse, i.S.d. § 489 Abs. 4 BGB dar, wenn der vollständige Empfang der Darlehensvaluta mit der Zuteilungsreife vorliegt (Staudinger/Mülbert, aaO., § 488 Rn. 550). Dies gilt zumal § 489 BGB kein ausschließlich auf Verbraucher beschränktes Kündigungsrecht normiert (Staudinger/Mülbert, aaO., § 488 Rn. 549) und damit auch der beklagten Bausparkasse zur Verfügung steht.
27c)
28Die Beklagte hat auch die in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen Frist eingehalten. Sie hat das Darlehen im Jahr 2014 und damit zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife im Jahr 2002 mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt.
29III.
30Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
31Streitwert: 13.293,59 €
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(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. August 2011 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses.
Gründe
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(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrages. Die Beklagte betreibt eine Bausparkasse. Die Klägerin schloss am 27.02.1987 zwei Bausparverträge über jeweils DM 20.000,00 (€ 10.255,84) mit den Nummern … und … ab. Die Garantieverzinsung betrug 2,5 %. Die Zuteilungsreife beider Bausparverträge war am 31.03.1994. Zum 31.12.2012 wurden beide Bausparverträge mit einem Guthaben von jeweils € 6.993,48 geführt. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB). Die Klägerin leistet seit Jahren keine Einzahlungen mehr auf das Bausparguthaben. Die Bausparguthaben der Klägerin erhöhten sich dementsprechend in der Vergangenheit jeweils nur durch die gutgeschriebenen Zinsen. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20.09.2013 zum 31.03.2014 beide Bausparverträge.
- 2
Die Klägerin ist der Ansicht,
- 3
der Beklagten stünde ein Kündigungsrecht nicht zu. § 489 Abs. 2 Nr. 2 BGB liege hier nicht vor, da es auf die Zuteilungsreife nicht ankomme. Es bestünde keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Darlehens bei Zuteilungsreife.
- 4
Die Klägerin beantragt,
- 5
1. festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bauverträge mit den Nummern … und Nummer … vom 20.09.2013 über den 31.03.2014 hinaus zu veränderten Bedingungen fortbestehen.
- 6
Die Beklagte beantragt,
- 7
die Klage abzuweisen.
- 8
Sie ist der Ansicht, der Klägerin gehe es nicht um die Inanspruchnahme eines zinsgünstigen Darlehens zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung sondern, ihr Geld dauerhaft zu einem festen und günstigen Zinssatz anzulegen. Das Recht zur Kündigung ergebe sich aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und sei weder durch die ABB noch durch Individualvereinbarung ausschließbar. Mit der Zuteilungsreife beginne die 10-jährige Frist des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
- 9
In Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2014 (Bl. 48 f. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 10
Die Klage ist zulässig, nachdem die Klägerin auf Hinweis des Gerichtes den Antrag umgestellt hat. Sie ist in der Sache unbegründet.
- 11
Die Beklagte hat beide Bausparverträge zum 31.03.2014 wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendet.
- 12
Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7 bzw. Präambel zu den ABB. Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Der Bausparer ist jedoch nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (§ 15 Abs. 2 ABB). Während der Ansparphase handelt es sich um einen Darlehensvertrag. Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag dahingehend zu sehen ist, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Für den Fall, dass der Bausparer nach Zuteilung das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt enthalten die ABB keine Regelung. Gemäß § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparerden Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Fall des Rückstandes von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.
- 13
Vorliegend hat die Klägerin ihre planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Sie hat indes seit nunmehr zehn Jahren ihre vertraglichen Rechte nicht ausgeübt. Die Ausrichtung des Bausparvertrages auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist jedoch der vereinbarte Vertragsgegenstand. Dass ein Darlehen über zehn Jahre hin nicht abgerufen wird ist nach Auffassung des Gerichtes kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand. Da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren ist, stellen die Einlagen des Bausparers, ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gemäß § 488 Abs. 3 BGB sind die Vorschriften über Darlehen grundsätzlich auch für Bauspardarlehen und Spareinlagen anzuwenden (Palandt, vor § 488 RN 17, 23).
- 14
Das Gericht verkennt nicht, dass der vorliegende Fall insoweit nicht mit, den Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt vom 22.02.2013 und des OLG Stuttgart vom 14.10.2011 (BeckRS 2012, 22642) übereinstimmt, weil in beiden Fällen die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart worden war, so dass die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich war. Insoweit hält das Gericht an seiner im Termin geäußerten Auffassung einer Kündbarkeit gem. § 488 Abs. 3 BGB zwar nicht fest. Dieser Unterschied führt vorliegend jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung der Sachlage im Hinblick auf die grundsätzliche Kündbarkeit.
- 15
Selbst wenn man nicht von einem Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB ausgeht, konnte die Beklagte unter den Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwingend ordentlich kündigen. § 489 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt und steht auch der Bausparkasse zu. Für die Bausparkasse besteht damit zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta eine Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zu. Und zwar ist ein vollständiger Empfang im Sinne der Vorschrift aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages frühestens, aber auch schon bei Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen. Bereits hiermit und nicht erst mit der Zuteilung wird der für den Bausparvertrag charakteristische Zweck erreicht (Vergleiche Staudinger, BGB, 2011, § 488 RN 546, 549, 550). Die Zuteilungsreife war vorliegend unstreitig der 31.03.1994. Die Kündigung erfolgte am 20.09.2013 zum 01.04.2014. Die Zehnjahresfrist war am 31.03.2014 abgelaufen. Der Bausparer wird durch den Beginn der 10-Jahresfrist nicht für die Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient.
- 16
Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Grundsatz berufen, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, da sie selbst durch die Nichtannahme der Zuteilung über nunmehr 10 Jahre dem Vertragszweck zuwider gehandelt hat. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Zweck des Bausparvertrages nicht die zinsgünstige Geldanlage sondern die Erlangung eines Darlehens ist. Dabei gibt die Höhe der Zinsen von 2,5 % keinen Ausschlag. Die Klägerin hat dies so gewählt, da sie sich im Zusammenhang von Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung durch einen niedrigen Guthabenzins eine niedrige Darlehensverzinsung gesichert hat.
- 17
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
- 18
Der Streitwert wird auf € 6.524,72 festgesetzt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger jeweils zur Hälfte
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eheleute und schlossen am 2./6.8.1999 bei der E AG zwei Bausparverträge mit einer Bausparsumme von jeweils 50.000 DM (25.564,59 €) ab. E AG fusionierte später mit der B AG zur B AG, der Beklagten. Die Bausparverträge der Kläger haben (nunmehr) die Nrn. 44854891 und 44855096. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB).
3Die Präambel der ABB lautet:
4„Bausparen ist das zielgerichtete Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist.“
5Gem. § 3 (1) wird das Bausparguthaben mit 2,00 % jährlich verzinst, nach § 9 (1) beträgt der jährliche Zinssatz für das Bauspardarlehen 4,90 %. In § 10 heißt es:„ Die Bausparkasse kann das Darlehen nur dann zur sofortigen Rückzahlung kündigen, wenn (…)“. Im Folgenden werden einzelne Kündigungsgründe aufgezählt.
6Wegen der Einzelheiten wird auf die ABB, vorgelegt durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger im Schriftsatz vom 17.10.2014, Bl. 11 ff. d. A., ergänzend Bezug genommen.
7Der Bausparvertrag mit der Nr. 44854891 war am 31.5.2002 zuteilungsreif, der Bausparvertrag mit der Nr. 44855096 war am 30.4.2002 zuteilungsreif. Die Kläger nahmen das Darlehen bis heute nicht in Anspruch, besparten die Verträge aber weiter. Zudem äußerten sie gegenüber der Beklagten, dass sie überlegten, die Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten und einem Hauskauf in Anspruch zu nehmen, taten dies in der Folge jedoch nicht. Zum 31.12.2013 betrug das Sparguthaben für den Vertrag mit der Nr. 44854891 20.573,18 € und für den Vertrag mit der Nr. 44855096 16.290,66 €. Die Beklagte kündigte beide Verträge mit Schreiben vom 19.5.2014 mit 6-monatiger Kündigungsfrist.
8Die Kläger sind der Ansicht, dass die Kündigungen der Beklagten nicht wirksam seien. Sie seien nicht verpflichtet gewesen, die Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, die Gewährung eines Darlehens sei grundsätzlich bis zur Erreichung der vollständigen, vertraglich vereinbarten Bausparsumme möglich. Die Beklagte habe jedenfalls gegenüber den Klägern solange auf das Kündigungsrecht verzichtet, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Die Tatsache, dass die Kläger als Bausparer nicht verpflichtet gewesen waren, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, ergebe sich im Übrigen auch aus den §§ 12 und 14 ABB. Erst wenn der Bausparer die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart hat, sei die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Da die Rollen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer vor Zuteilung des Bauspardarlehens vertauscht seien, hätten die Kläger als Darlehensgeber nach den ABB durch Änderung der Wahl des Tarifes den Sollzinssatz einseitig ändern können. Aus diesem Grund liege kein gebundener Sollzinssatz im Sinne von § 498 Abs. 5 BGB vor, so dass diese Vorschrift bereits deshalb nicht zur Anwendung komme. Die ABB würden zudem der Bausparkasse nur unter sehr engen Voraussetzungen ein Kündigungsrecht geben. Ein Kündigungsrecht außerhalb der Bedingungen hätte den Klägern bei Abschluss der Bausparverträge mitgeteilt werden müssen. Die Tatsache, dass die Bausparverträge für die Bausparkassen aufgrund der geänderten Zinslage nicht mehr wirtschaftlich interessant seien, könne ebenfalls kein Kündigungsrecht rechtfertigen. Der Empfang der Darlehensvaluta könne überdies nicht willkürlich auf den Zeitpunkt der ersten Zuteilungsreife festgelegt werden.
9Die Kläger beantragen,
10festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bausparverträge Nr. 44854891 und 44855096 der Kläger über den 19.11.2014 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten dadurch, dass sie das Darlehen seit über zehn Jahren nicht in Anspruch genommen haben, gezeigt, dass sie an einem Darlehen nicht mehr interessiert seien, sondern die Bausparverträge nur als günstigen Sparverträge verstünden. Sie ist der Ansicht, dass die §§ 488 ff. BGB auch auf Bausparverträge anwendbar seien; diese würden die ABB ergänzen. In der Ansparphase sei sie, die Beklagte, als Darlehensnehmerin anzusehen, mit Eintritt der Zuteilungsreife hätten die Kläger das Darlehen i.S.v. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zudem vollständig erhalten, unabhängig davon, ob sie das Darlehen in Anspruch nehmen oder nicht.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
17Die Kläger haben gemäß § 256 Abs. 1 ZPO das erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beklagte bereits angekündigt hat, das Darlehen an die Kläger zurückzuzahlen, wodurch diesen Zinseinbußen drohen. Es besteht auch keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit, weil die Kläger keine Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen, sondern lediglich dessen Bestehen bestätigt haben wollen. Der Antrag ist auf Feststellung, dass die Verträge über den 19.11.2014 hinaus zu unveränderten Konditionen bestehen, gerichtet, da die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2014 aufgrund der sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 19.11.2014 erfolgte
18Die Klage ist jedoch unbegründet, die Beklagte konnte die Verträge wirksam gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 19.11.2014 kündigen. Die Voraussetzungen des Kündigungsrechts nach dieser Vorschrift sind, dass es sich um ein Darlehen mit gebundenem Sollzinssatz handelt und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens 10 Jahre vergangen sind.
19Die Vorschriften über Darlehen, §§ 488 ff. BGB, gelten auch für Bausparverträge. Die Kammer schließt sich der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach ein Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag darstellt, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (vgl. Staudinger/ Mülbert 2010, § 488 Rn 539 ff. m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.10.2011, Az.: 9 U 151/11; LG Aachen, Urt. v. 26.06.2014, Az.: 1 O 78/14). Es handelt sich daher um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an, hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Damit ist der Bausparvertrag auch bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren.
20Der Kündigungsgrund nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann als gesetzliches Kündigungsrecht auch neben die Vorschriften der ABB treten. In den ABB der Beklagten sind die Kündigungsgründe der Beklagten als Bausparkasse nur in § 10 geregelt, die zum einen die gesetzlichen Kündigungsgründe nicht explizit ausschließen und sich im Übrigen nur auf die Zeit nach der Darlehensgewährung beziehen, für die Zeit davor also gerade nicht gelten. Da der hier in Rede stehende Kündigungsgrund gesetzlich normiert ist, bedurfte es zudem keiner ausdrücklichen Erwähnung bei Abschluss der Verträge.
21Gem. § 489 Abs. 5 BGB ist der Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Gebunden ist der Zinssatz dann, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Vorliegend betrug der festgelegte Zinssatz für das Bausparguthaben 2,00 % jährlich, § 3 Abs. 1 ABB, der Zinssatz für das Bausparspardarlehen sollte gem. § 9 Abs. 1 der ABB 4,90 % jährlich betragen. Die Kläger hatten lediglich die Möglichkeit, den Zinsbonus durch angepasste Zahlungen zu verändern, ein Tarifwechsel mit anderem Zinssatz war aber – entgegen der Auffassung der Kläger - nach den ABB gerade nicht vorgesehen.
22Nach Auffassung der Kammer steht in einem Bausparfall der vollständige Empfang der Darlehensvaluta i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB der eintretenden Zuteilungsreife gleich. Da die Zuteilungsreife beider Verträge im Jahr 2002 eintrat, waren zum Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2014 bereits mehr als 10 Jahre vergangen.
23Diese Beurteilung und Auffassung folgt aus der besonderen Konstruktion des Bausparvertrages. Auch wenn es dem Bausparer grundsätzlich freisteht, das Darlehen nach Zuteilungsreife abzurufen oder nicht, rechtfertigt sich die Anwendung der Norm aufgrund ihres Sinns und Zwecks. Denn Zweck der Vorschriften des § 489 BGB ist es, einen Interessenausgleich zu schaffen und den Darlehensnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze zu schützen. Auf diese Weise sollen marktgerechte Zinsen ermöglicht werden (vgl. Palandt – Weidenkaff, BGB 74. Aufl., 2015, § 489 Rn 1).
24Diese Überlegungen greifen auch zugunsten der beklagten Bausparkasse, die während der Ansparphase als Darlehensnehmerin einzuordnen ist. Wie sich aus Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Ratio der Vorschrift ergibt, ist das Kündigungsrecht nicht auf Verbraucher beschränkt (vgl. Staudinger - Mülbert 2010, § 488 Rn 549 ff., Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkredit-RL, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienst-RL sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, BT-Drucks 16/11643, 74).
25Die Anknüpfung an den Eintritt der Zuteilungsreife als Äquivalent zu dem in der Norm vorgesehenen vollständigen Empfang des Darlehensbetrages erscheint auch interessengerecht. Bei Bausparverträgen steht - eben aufgrund der Tatsache, dass der Bausparer nicht zum Abruf des Darlehens verpflichtet ist - kein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag fest, an dem man sich für den Zeitpunkt in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientieren könnte. Dies rechtfertigt es jedoch gerade nicht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, da die überlange Besparung eines Bausparvertrages nicht dem Zweck des Bausparens, nämlich der Erlangung eines zinsgünstigen Darlehens (vgl. Präambel der ABB), entspricht. Das Erreichen der Bausparsumme als Anknüpfungspunkt erscheint daher zu spät angesiedelt, da dies zugleich bedeuten würde, dass eine Darlehensgewährung überhaupt nicht mehr in Betracht kommt, der Bausparvertrag aber – nach seiner eingangs dargelegten Struktur - gerade aus zwei Stufen besteht. Als sachgerechter Anknüpfungspunkt bleibt daher der Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife. (Vgl. auch Staudinger - Mülbert 2010, § 488 Rn 549 ff.; Mülbert/ Schmitz in FS Horn 2006, 777, 785, 787; LG Mainz, Urt. v. 03.07.2014, Az.: 5 O 1/14; a.A. Münchener Kommentar - Berger, Vor § 488 Rn 29, der der Bausparkasse ein gesetzliches Kündigungsrecht lediglich aus § 490 BGB einräumt, allerdings ohne weitergehende Begründung).
26Die Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt (Urt. v. 22.02.2013, Az.: 2-21 O 69/12) und nachgehend des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss v. 02.10.2013, Az.: 19 U 106/13) stehen dieser Wertung nicht entgegen. Die Gerichte hatten die Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar für den dort zur Entscheidung stehenden Sachverhalt abgelehnt, allerdings vorwiegend mit der Begründung, dass kein gebundener Sollzinssatz i.S.d. Norm vorlag, da gemäß der dort geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bausparkasse der Bausparer die Zinssätze in der Ansparphase jederzeit durch Tarifänderungen selbstständig ändern konnte – was vorliegend gerade nicht der Fall ist. Da in der dortigen Konstellation die vereinbarte Bausparsumme erreicht war, bejahten die Gerichte aber eine Anwendung von § 488 Abs. 3 BGB. Letzteres nahm ebenfalls das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 14. 10.2011, Az.: 9 U 151/11, an. Hierauf kommt es jedoch – nach den obigen Ausführungen – für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht an.
27Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
28Streitwert: 51.129,18 €
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Dr. Q |
Richterin G3 ist wegen Krankheit an der Unterschriftsleistung gehindert Dr. Q |
T2 |
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.