Landgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 91 O 41/15

ECLI:ECLI:DE:LGK:2016:0317.91O41.15.00
bei uns veröffentlicht am17.03.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


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Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 91 O 41/15

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 16 Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten


(1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterlist
Landgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 91 O 41/15 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 16 Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten


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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2012 - II ZR 109/11

bei uns veröffentlicht am 24.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil II ZR 109/11 Verkündet am: 24. Januar 2012 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GmbHG §

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2006 - II ZR 30/05

bei uns veröffentlicht am 24.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 30/05 Verkündet am: 24. April 2006 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Mai 2015 - 18 U 181/14

bei uns veröffentlicht am 28.05.2015

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 25. September 2014 – teilweise abgeändert und insgesamt – wie folgt – neu gefasst: Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten

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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 25. September 2014 – teilweise abgeändert und insgesamt – wie folgt – neu gefasst:

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7. März 2014 mit dem Inhalt: „Die Geschäftsanteile des Gesellschafters M im Nennwert von Euro 62.000 sowie Euro 40.000 an der S GmbH werden gemäß § 12 Abs. 2 lit. cc des Gesellschaftsvertrages aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund eingezogen. Der Gesellschafter X wird beauftragt, die Einziehung durchzuführen.“ wird für nichtig erklärt.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7. März 2014 mit dem Inhalt: „Die Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters X im Nennbetrag von Euro 98.000 um insgesamt Euro 102.000 auf 200.000.“ wird für nichtig erklärt.

Die weitergehende Klage und die weitergehende Berufung werden ab- bzw. zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 37% zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt allerdings jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 30/05 Verkündet am:
24. April 2006
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AktG § 20 Abs. 1, 7 (Fassung ab 1.4.1998); § 243 Abs. 1; § 245 Nr. 1, Nr. 2

a) Der Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG über eine Kapitalbeteiligung von
mehr als 25 % an einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft unterliegen
Unternehmen bereits als Gründungsaktionäre.

b) Die Sanktion eines temporären Rechtsverlustes nach § 20 Abs. 7 Satz 1
AktG für den Zeitraum der Nichterfüllung der Mitteilungspflicht erfasst
- abgesehen von der Ausnahme in Satz 2 der Norm - alle aus der Aktie folgenden
Mitgliedschaftsrechte. Darunter fällt insbesondere auch die Anfechtungsbefugnis
des Aktionärs nach § 245 Nr. 1, Nr. 2 AktG.

c) Ein Hauptversammlungsbeschluss, der unter Mitwirkung eines nach § 20
Abs. 7 AktG nicht stimmberechtigten Aktionärs gefasst wurde, ist nicht nichtig
, sondern lediglich wegen Gesetzesverletzung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.

d) Ein vom Versammlungsleiter festgestellter Hauptversammlungsbeschluss ist
auch dann nicht nichtig, wenn er - weil sämtliche Aktionäre nach § 20 Abs. 7
AktG kein Stimmrecht hatten - "stimmlos" gefasst wurde.
BGH, Urteil vom 24. April 2006 - II ZR 30/05 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 24. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Dr. Strohn und
Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Januar 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 20. August 2003 zu TOP 4 und TOP 5 sowie der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 30. September 2003 hinsichtlich der Erhöhung des Grundkapitals der Beklagten auf 5,5 Mio. € nebst entsprechender Änderung des § 5 der Satzung für nichtig erklärt worden sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 8. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte - nicht börsennotierte - Aktiengesellschaft wurde von ihren Gründungsgesellschaftern, der L.bank S. (im Folgenden: S. LB), und der Klägerin im Mai 2000 errichtet und im Juli 2000 in das Handelsregister eingetragen. Am Grundkapital der Beklagten von 500.000,00 € waren die S. LB zu 51 % und die Klägerin zu 49 % beteiligt.
2
Auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 20. August 2003 wurde mit den 5.100 Stimmen der S. LB gegen die 4.900 Stimmen der Klägerin zu TOP 4 dem ehemaligen Mitglied des Vorstandes H. für das Geschäftsjahr 2002 die Entlastung verweigert und mit demselben Stimmenverhältnis zu TOP 5 dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates F. für dasselbe Geschäftsjahr Entlastung erteilt. Gegen beide Beschlüsse legte die Klägerin zur Niederschrift des Versammlungsleiters Widerspruch ein.
3
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 30. September 2003 erklärte der Versammlungsleiter die gegen den Beschlussantrag auf Erhöhung des Grundkapitals der Beklagten um 5 Mio. € auf 5,5 Mio. € abgegebenen Stimmen der Klägerin wegen angeblichen Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht zur Mitwirkung bei der als notwendig angesehenen sanierenden Kapitalerhöhung für nichtig, berücksichtigte sie bei der Auszählung nicht und stellte das Zustandekommen des Kapitalerhöhungsbeschlusses , der nach der Satzung einer Mehrheit von mindestens 3/ 4 der abgegebenen Stimmen bedurfte, fest. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch zur Niederschrift des Versammlungsleiters.
4
Mit ihrer am 19. September 2003 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Nichtigerklärung der beiden Hauptversammlungsbeschlüsse vom 20. August 2003 über die Verweigerung der Entlastung des ehemaligen Vorstands H. und über die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden F. sowie die positive Feststellung der Entlastung des ehemaligen Vorstandes beantragt. In einer weiteren, am 28. Oktober 2003 bei Gericht eingegangenen Klage, die mit dem ersten Prozess verbunden wurde, hat die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise die Nichtigerklärung des auf der außerordentlichen Hauptversammlung vom 30. September 2003 festgestellten Beschlusses über die Kapitalerhöhung um 5 Mio. € begehrt.
5
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2003 hat die Beklagte die Anfechtungsbefugnis der Klägerin bestritten, weil diese ihrer Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1 AktG über eine Beteiligung von mehr als 25 % am Grundkapital der Beklagten nicht nachgekommen sei. Daraufhin machte die Klägerin "vorsorglich" mit Schreiben vom 12. Februar 2004 der Beklagten eine entsprechende Mitteilung. Nachdem die Klägerin mit nachfolgendem Schriftsatz vom 17. Mai 2004 erstmals behauptet hatte, auch die S. LB habe ihrer Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG nicht genügt, hat die Beklagte erstmals unter dem 29. Juni 2004 vorgetragen, die S. LB habe ihr eine auf den 15. April 2003 datierte Erklärung über ihre Mehrheitsbeteiligung von 51 % zukommen lassen, deren Bekanntmachung im Bundesanzeiger sie, die Beklagte, unter dem 5. Mai 2004 veranlasst hatte.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin - mit Ausnahme des positiven Feststellungsantrags zur Entlastung des ehemaligen Vorstandsmitglieds H. - ihre Klageanträge mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass in erster Linie die Nichtigkeitsfeststellung und hilfsweise die Nichtigerklärung der auf den Hauptversammlungen vom 20. August 2003 (Entlastung) und vom 30. September 2003 (Kapitalerhöhung) gefassten Beschlüsse beantragt werde. Das Berufungsgericht hat nach Beweisaufnahme zum Zeitpunkt der Beteiligungsanzeige der S. LB den hilfsweise gestellten Anfechtungsanträgen stattgegeben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und damit zur vollständigen Abweisung der Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
8
I. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner - gegenteiligen - Entscheidung ausgeführt:
9
Die Anfechtungsklage gegen sämtliche angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse vom 20. August und vom 30. September 2003 sei begründet, weil diese wegen Verletzung von sowohl der Klägerin als auch der S. LB obliegenden Mitteilungspflichten aus § 20 Abs. 1 AktG stimmlos gefasst und unter solchen besonderen Umständen durch die Klägerin trotz des in § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG angeordneten (zeitweiligen) Verlustes der Rechte aus ihren Aktien anfechtbar seien. Sowohl die Klägerin als auch die S. LB seien - auch als Gründungsaktionäre - dem persönlichen Anwendungsbereich des § 20 AktG unterworfen gewesen. Die angefochtenen Beschlüsse seien entgegen den vom Versammlungsleiter festgestellten Abstimmungsergebnissen als stimmlos gefasst anzusehen, weil beide Aktionäre im Zeitpunkt der Beschlussfassungen die ihnen obliegenden Mitteilungspflichten zu ihren jeweils 25 % der gesamten Aktien der Beklagten übersteigenden Beteiligungen nicht erfüllt gehabt hätten und deshalb gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG nicht stimmberechtigt gewesen seien. Die Klägerin habe ihre Mitteilungspflicht unstreitig erst während des Anfechtungsprozesses mit Schreiben vom 12. Februar 2004 erfüllt. Auch hinsichtlich der S. LB deuteten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme alle relevanten Umstände darauf hin, dass sie ebenfalls erst nach dem 30. September 2003 ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sei; zumindest habe die - angesichts der Veröffentlichung der ihr angezeigten Mehrheitsbeteiligung erst am 5. Mai 2004 - beweispflichtige Beklagte nicht den Nachweis einer früheren Anzeige durch die S. LB geführt. Die solchermaßen wegen Verstoßes beider Aktionäre gegen die Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1 AktG stimmlos gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse seien - da sie nicht § 241 AktG unterfielen - nicht nichtig und wegen der Sanktion des Nichtbestehens der Aktionärsrechte gemäß § 20 Abs. 7 AktG an sich nicht einmal durch die betroffenen Aktionäre anfechtbar. Gleichwohl müsse der Klägerin trotz der von ihr selbst versäumten Mitteilung die Anfechtungsbefugnis - beschränkt auf den besonderen Mangel der Stimmlosigkeit - eröffnet werden, weil in einer solchen außergewöhnlichen Situation ein Ausschluss der Anfechtungsbefugnis aus §§ 243 Abs. 1, 245 Nr. 1 AktG unverhältnismäßig in das Mitgliedschafts- und Eigentumsrecht der Klägerin als Aktionärin eingreifen würde.
10
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt einer nur ausnahmsweise in Betracht kommenden Zubilligung der Anfechtungsbefugnis i.S. von § 245 AktG jedenfalls deshalb nicht stand, weil die Klägerin den auf der Verletzung der Anzeigepflicht auch der S. LB beruhenden Anfechtungsgrund der vollständigen Stimmlosigkeit hinsichtlich der angefochtenen Beschlüsse nicht rechtzeitig i.S. des § 246 Abs. 1 AktG geltend gemacht hat.
11
1. Die Klägerin unterfiel - wovon das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - sowohl hinsichtlich der mit der Klage vom 19. September 2003 angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse (zu TOP 4 und 5) vom 20. August 2003 als auch bezüglich des mit Klage vom 28. Oktober 2003 angegriffenen Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 30. September 2003 wegen Nichterfüllung der ihr - auch als Gründungsaktionärin - obliegenden Mitteilungspflicht über eine Kapitalbeteiligung von mehr als 25 % (§ 20 Abs. 1 AktG) dem (temporären) Verlust der Rechte aus Aktien der Beklagten gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG und damit gerade auch der Anfechtungsbefugnis (§§ 243 Abs. 1, 245 Nr. 1 AktG).
12
a) Unstreitig hat die Klägerin erst am 12. Februar 2004 - und damit geraume Zeit nach Erhebung der miteinander verbundenen Klagen gegen die drei Hauptversammlungsbeschlüsse - der Beklagten ihre Unternehmensbeteiligung von 49 % in einer den Anforderungen des § 20 Abs. 1 AktG genügenden Form (vgl. dazu BGHZ 114, 203, 213) mitgeteilt.
13
Die Klägerin war - auch in ihrer Eigenschaft als Gründungsaktionärin - dem persönlichen Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 AktG unterworfen (vgl. nur: Bayer in MünchKomm.z.AktG 2. Aufl. § 20 Rdn. 10 m.w.Nachw.). Die Vorschriften über die Mitteilung und Veröffentlichung von qualifizierten Beteiligungen von Unternehmens-Aktionären sind zwingendes Recht; sie dienen dem Zweck, Aktionäre, Gläubiger und die Öffentlichkeit über bestehende oder entstehende Konzernbildungen zu informieren und zugleich Rechtssicherheit über die Beteiligungsquoten zu schaffen (BGHZ aaO S. 215). Auch der Gründer einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft ist zu einer solchen Mitteilung verpflichtet, selbst wenn sich seine Beteiligung aus dem notariellen Gründungsprotokoll ergibt; denn erst wenn der Gesellschaft die Beteiligung schriftlich mit- geteilt worden ist, ist sie gemäß § 20 Abs. 6 AktG verpflichtet, diese in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen (vgl. Bayer aaO § 20 Rdn. 10; Koppensteiner in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl. § 20 Rdn. 15; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht 4. Aufl. § 20 AktG Rdn. 20; Dieckmann, DZWiR 1994, 13, 15; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 20 Rdn. 2; Mulert in Happ, Aktienrecht 2. Aufl. 2.01 Rdn. 68; Stucken in Happ aaO 7.01 Rdn. 5; a.A. Priester, AG 1974, 212, 214). Dem steht nicht entgegen, dass Aktionären börsennotierter Aktiengesellschaften nunmehr gemäß § 21 Abs. 2 WpHG i.V.m. § 20 Abs. 8 AktG nur noch die kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten nach § 21 WpHG, hingegen nicht mehr - zusätzlich - die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG obliegen. Denn unabhängig davon, ob danach etwa Gründungsaktionäre börsennotierter Aktiengesellschaften noch nicht einmal der - teilweise an andere Voraussetzungen anknüpfenden - kapitalmarktrechtlichen Meldepflicht nach § 21 WpHG unterlägen (so offenbar: Emmerich aaO § 20 AktG Rdn. 20; anders Stucken aaO 7.03 Rdn. 3), könnte aus einer solchen, anlässlich der Umsetzung der Transparenzrichtlinie 88/627/EWG vom 12. Dezember 1988 (ABl. Nr. L 348 vom 17. Dezember 1988, S. 62 ff.) entstandenen Divergenz - schon angesichts der unterschiedlichen Regelungszwecke - nicht abgeleitet werden, dass mit dem Inkrafttreten der kapitalmarktrechtlichen Norm des § 21 Abs. 1 WpHG bei den nicht börsennotierten Aktiengesellschaften - wie hier der Beklagten - die unverändert bestehen gebliebene aktienrechtliche Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG für deren Gründungsaktionäre entfallen wäre.
14
b) Die Verletzung der Mitteilungspflicht hatte zur Folge, dass für die Zeit bis zu ihrer Erfüllung am 12. Februar 2004 die Rechte der Klägerin aus ihren Aktien "nicht bestanden" (§ 20 Abs. 7 Satz 1 AktG). Von dieser Sanktion eines temporären Rechtsverlustes sind - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmen des § 20 Abs. 7 Satz 2 AktG - alle Rechte betroffen, die dem Aktionär aus seinen Aktien zustehen, d.h. sowohl die Herrschafts- als auch die Vermögensrechte. Der Verlust der Verwaltungsrechte erfasst damit auch die Rechte, die der Aktionär im Rahmen der Hauptversammlung wahrnehmen kann, namentlich das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung und das Stimmrecht (vgl. Bayer aaO § 20 Rdn. 51 ff.; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 20 Rdn. 12, 14; Koppensteiner aaO § 20 Rdn. 42 ff.; Windbichler in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 20 Rdn. 75 ff. - jeweils m.w.Nachw.). Dementsprechend entfällt auch die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 oder Nr. 2 AktG, weil mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte insoweit nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG überhaupt nicht bestehen (vgl. Hüffer aaO § 20 Rdn. 14; ders. in MünchKomm.z.AktG 2. Aufl. § 245 Rdn. 20 m.w.Nachw.). Hier war die Klägerin zwar in den betreffenden Hauptversammlungen erschienen und hatte gegen die angefochtenen Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift erklärt, sie hatte jedoch weder ein Teilnahme - noch ein Stimmrecht und auch kein Recht zur Erhebung des Widerspruchs.
15
c) Die Rechtsfolge der fehlenden Anfechtungsbefugnis als eines subjektiven , nur in den Grenzen des § 245 AktG bestehenden Rechts ist - wovon das Berufungsgericht ebenfalls noch zutreffend ausgegangen ist - die Unbegründetheit der Anfechtungsklage der Klägerin in Bezug auf sämtliche geltend gemachten - grundsätzlich der Anfechtbarkeit unterliegenden - Inhalts- und Verfahrensmängel der angegriffenen Beschlüsse.
16
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch - entgegen § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG - ausnahmsweise eine Anfechtungsbefugnis der Klägerin wegen des besonderen Mangels der sog. Stimmlosigkeit bejaht, der den angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüssen aufgrund des - von ihr erst nachträglich in den Prozess eingeführten - Umstandes anhaften soll, dass auch die S. LB wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Mitteilung ihrer Mehrheitsbeteiligung von 51 % gemäß § 20 Abs. 1 AktG trotz Nichtbestehens der Rechte aus § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG ihre Verwaltungsrechte, insbesondere Teilnahme- und Stimmrechte in den betreffenden Hauptversammlungen unzulässig ausgeübt habe.
17
Ob - wie das Oberlandesgericht gemeint hat - in der besonderen Fallkonstellation der "stimmlos" gefassten Beschlüsse überhaupt Raum für eine derartige Ausnahme von dem eindeutig gefassten, strikten Normbefehl des § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG zugunsten eines der säumigen, sich normpflichtwidrig verhaltenden Aktionäre zuzulassen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.
18
Denn die Klägerin hat - was das Berufungsgericht offenbar nicht bedacht hat - diesen potentiellen Anfechtungsgrund, aus dem sich zugleich ausnahmsweise ihre Anfechtungsbefugnis ergeben soll, in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern nicht innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG in den Rechtsstreit eingeführt. Nach § 246 Abs. 1 AktG ist nicht nur die nachträgliche Erhebung der Anfechtungsklage, sondern auch das Nachschieben von neuen Anfechtungsgründen ausgeschlossen (st. Senatsrechtsprechung, vgl. BGHZ 15, 177, 180 f.; 32, 318, 323; 120, 141, 156 f. sowie zuletzt Sen.Urt. v. 12. Dezember 2005 - II ZR 253/03, ZIP 2006, 227, 229 m.w.Nachw.). Aus der Senatsentscheidung vom 22. Juli 2002 (BGHZ 152, 1), in der es allein um den Umfang der Darlegung der Berufungsgründe ging, ergibt sich nicht, dass der Anfechtungskläger jederzeit neue Anfechtungsgründe in den Rechtsstreit einführen und damit die vom Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen geschaffene Vorschrift des § 246 Abs. 1 AktG funktionslos machen dürfte; vielmehr muss bei der Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist der nach der genannten Entscheidung einen Teil des Klagegrundes dieser Klage bildende maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen werden.
19
Im vorliegenden Fall ist demgegenüber der potentielle Anfechtungsgrund einer Nichterfüllung der Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 AktG auch seitens der S. LB, aus dem sich zugleich ausnahmsweise die Anfechtungsbefugnis der Klägerin nach § 245 Nr. 1 AktG ergeben soll, erstmals mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004 - also erst rund sechs Monate nach der letzten Klageerhebung vom 28. Oktober 2003 und damit verspätet i.S. des § 246 Abs. 1 AktG - in den Rechtsstreit eingeführt worden.
20
Entgegen der Ansicht der Klägerin reichte zur Einhaltung der Frist nicht aus, dass sie in beiden Klageschriften die Beteiligungsverhältnisse der beiden Aktionäre, also auch der S. LB, im Zusammenhang mit der Darstellung des Ablaufs des Zustandekommens der angefochtenen Beschlüsse dargelegt hat. Denn daraus ergab sich in keiner Weise, dass auch die Rechte der Beklagten nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG wegen Verletzung der Mitteilungspflicht nach Abs. 1 dieser Vorschrift suspendiert waren und erst dadurch die behauptete Sondersituation der Stimmlosigkeit herbeigeführt wurde.
21
Soweit die Klägerin meint, nicht sie, sondern die Beklagte sei in Bezug auf den Ausnahmefall einer Anfechtungsbefugnis bzw. des Anfechtungsgrundes wegen stimmloser Beschlüsse darlegungs- und beweisbelastet, beruht dies auf Rechtsirrtum. Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts trägt zunächst der Kläger die Darlegungslast sowohl hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis als auch hinsichtlich des Anfechtungsgrundes, auf den er seine Klage stützen will, und damit zugleich bezüglich der Rechtzeitigkeit der prozessualen Geltendmachung innerhalb der Frist des § 246 AktG. Gerade in der vorliegenden Fallkonstellation ergab sich der grundsätzliche Ausschluss der Anfech- tungsbefugnis der Klägerin bereits aus dem unstreitigen Umstand ihres eigenen Verstoßes gegen § 20 Abs. 1, Abs. 7 AktG. Deshalb oblag es zunächst ihr, die Umstände fristgerecht darzulegen, welche die Rechtsfolge der Stimmlosigkeit und eine daraus abgeleitete Anfechtungsbefugnis ausnahmsweise zu begründen vermochten. Dies hat die Klägerin versäumt. Angesichts dessen stellte sich hier nicht mehr die Frage, ob im Falle rechtzeitigen Primärvortrags der Klägerin etwa aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände des konkreten Einzelfalls die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast hätte treffen können.
22
Bei dem nachgeschobenen Vortrag bezüglich eines die Stimmlosigkeit der angefochtenen Beschlüsse und die eigene Anfechtungsbefugnis gegebenenfalls begründenden Umstands des Verstoßes auch der S. LB gegen § 20 Abs. 1, 7 AktG handelt es sich im Verhältnis zu dem in der Klageschrift geltend gemachten Klagegrund unzweifelhaft um einen anderen (neuen) Lebenssachverhalt.
23
III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
24
1. Allerdings hätte die nachträgliche Erfüllung der Mitteilungspflicht gemäß § 20 Abs. 1 AktG am 12. Februar 2004 zur Folge, dass die Klägerin - wegen der damit verbundenen Beendigung des bis dahin andauernden Verlustes ihrer Rechte aus den Aktien der Beklagten (§ 20 Abs. 7 AktG) - die Befugnis wieder erlangt hätte, bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen innerhalb der Frist des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG die von ihr beanstandeten, mehr als fünf Monate zurückliegenden Hauptversammlungsbeschlüsse im Wege der Nichtigkeitsklage anzugreifen.
25
2. Diese Beschlüsse sind jedoch - entgegen der von der Klägerin in der Revisionserwiderung erneut vorgetragenen Ansicht - nicht im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angenommene Stimmlosigkeit - über eine bloße Anfechtbarkeit hinaus - als nichtig anzusehen, so dass der Klage auch unter dem Blickwinkel des Nichtigkeitsfeststellungsbegehrens der Erfolg versagt bleiben musste.
26
Ein Hauptversammlungsbeschluss, bei dem entgegen § 20 Abs. 7 AktG vom Stimmrecht ausgeschlossene Stimmen mitgezählt wurden und bei dem der Beschluss darauf beruht, ist nach herrschender Meinung lediglich wegen Gesetzesverletzung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (vgl. Hüffer, AktG aaO § 20 Rdn. 17 m.w.Nachw.; Bayer aaO § 20 Rdn. 55). Dies entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, die in vergleichbaren Fällen, in denen einem Stimmrechtsverbot unterliegende Aktionäre an Hauptversammlungsbeschlüssen mitwirken und ihre Stimmen in einer das Abstimmungsergebnis beeinflussenden Weise vom Versammlungsleiter mitgezählt werden, von bloßer Anfechtbarkeit ausgeht (vgl. nur Sen.Urt. v. 12. Dezember 2005 - II ZR 253/03 aaO S. 228 m.w.Nachw.). Werden in derartigen Fällen die einem Abstimmungsverbot unterliegenden Stimmen mitgezählt und wirkt sich das auf das Ergebnis aus, so ist zwar die davon beeinflusste Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter unrichtig. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen (nichtigen) Scheinbeschluss; vielmehr bewirken die Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Leiter der Hauptversammlung und deren Aufnahme in die notarielle Niederschrift gemäß § 130 Abs. 2 AktG, dass ein Beschluss mit dem verkündeten und in der Niederschrift fixierten Inhalt existiert, solange und soweit er nicht wirksam angefochten ist. An diesem Befund ändert sich nichts dadurch, dass in einem Extremfall wie dem vorliegenden von einer völligen "Stimmlosigkeit" der Beschlüsse auszugehen ist (so im Ergebnis BayOblG NZG 2001, 128; OLG München NZG 1999, 1173; a.A. insbesondere Semler/Asmus, NZG 2004, 881, 887). In § 241 AktG sind die Nichtigkeitsgründe abschließend aufgezählt, ohne dass etwa die Stimmlosigkeit festgestellter Hauptversammlungsbeschlüsse darunter fällt. Derartige Beschlüsse sind - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch nicht etwa unter Normzweckaspekten dem Verdikt der Nichtigkeit zu unterwerfen, da eine Stimmlosigkeit der Beschlussfassung im materiellen Unrechtsgehalt den in § 241 AktG aufgeführten Gesetzes- und Satzungsverstößen keineswegs gleichzustellen ist.
27
3. Sonstige Beschlussmängel, die die Nichtigkeit zur Folge hätten, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler nicht festzustellen vermocht.
Goette Kurzwelly Kraemer
Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 08.09.2004 - 6 HKO 5863/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 11.01.2005 - 2 U 1728/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 109/11
Verkündet am:
24. Januar 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird, wird die Einziehung
mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung
der Abfindung wirksam.

b) Die Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, haften dem ausgeschiedenen
Gesellschafter anteilig, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen
Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Dr. Drescher und Born

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Mai 2011 aufgehoben , soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 14. Dezember 2010 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger war neben R. Gesellschafter der beklagten GmbH. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschloss am 19. April 2001, den Geschäftsanteil des Klägers ohne seine Zustimmung einzuziehen. Die Einziehung ist nach § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags ohne Zustimmung zum Zweck der Ausschließung des Gesellschafters zulässig, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Die nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags innerhalb von zwei Jahren an den ausscheidenden Gesellschafter zu zahlende Abfindung erhielt der Kläger bisher nicht.
2
In der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22. Februar 2007, zu der auch der Kläger eingeladen wurde, beantragte dieser, unter anderem zu beschließen, den einzigen weiteren Gesellschafter R. auf Zahlung von 251.871,07 DM in Anspruch zu nehmen und den Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche zu ermächtigen. Der Vertreter des Klägers stimmte für die beiden Anträge, der Vertreter von R. stimmte dagegen.
3
Der Kläger hat beantragt, die ablehnenden Beschlüsse für nichtig zu erklären und festzustellen, dass die beantragten Beschlüsse gefasst wurden. Das Landgericht hat entsprechend dem Klageantrag erkannt. Das Berufungsgericht hat, soweit die ablehnenden Beschlüsse für nichtig erklärt wurden, das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen, weil die Beschlüsse nicht von einem Versammlungsleiter festgestellt worden sind. Im Übrigen - hinsichtlich der Feststellungsanträge - hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage.
5
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei unbeschadet der bestandskräftigen Einziehung seines Geschäftsanteils in der Gesellschafterversammlung vom 22. Februar 2007 stimmberechtigt gewesen, weil er bisher nicht aus der Beklagten ausgeschieden sei. Sofern im Gesellschaftsvertrag - wie hier - nichts Gegenteiliges vereinbart sei, bewirke die Einziehung eines Geschäftsanteils das Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters auch bei der Zwangseinziehung durch Beschluss im Regelfall erst mit der Entrichtung des geschuldeten Abfindungsbetrags. Nur so sei es dem Gesellschafter möglich, nachhaltig darauf hinzuwirken, dass die Gesellschaft das zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs erforderliche Vermögen nicht verlagere, sondern das ihr Mögliche und Zumutbare unternehme, um den Abfindungsanspruch auch tatsächlich befriedigen zu können. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht eröffne ein flexibles und situationsbezogenes Instrumentarium, um in der Schwebephase die Belange aller Beteiligten ausgewogen auszutarieren.
6
II. Der Kläger hatte entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts in der Gesellschafterversammlung vom 22. Februar 2007 kein Stimmrecht mehr. Er war nicht mehr Gesellschafter der Beklagten. Mit der Einziehung seines Geschäftsanteils hat er auch das aus dem Geschäftsanteil folgende Stimmrecht (§ 47 Abs. 2 GmbHG) verloren. Die Einziehung wurde mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den Kläger wirksam.
7
1. Ein Einziehungsbeschluss ist entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 13; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07, ZIP 2009, 314 Rn. 7; Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 369 f.). Dass bei Beschlussfassung am 19. April 2001 feststand, dass die Abfindung , die nach § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags innerhalb von zwei Jahren bar zu bezahlen war, nicht aus dem freien Vermögen der Gesellschaft geleistet werden konnte (§ 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG), hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und hat keine der Parteien behauptet.
8
2. Wenn ein Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird (§ 241 Nr. 5 AktG), wird die Einziehung mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam.
9
a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Einziehung vor Zahlung des Abfindungsentgelts wirksam wird.
10
Teilweise wird angenommen, die Einziehung stehe unter der aufschiebenden Bedingung einer Abfindungszahlung aus freiem Vermögen (OLG Frankfurt , NJW-RR 1997, 612 f.; OLG Zweibrücken, GmbHR 1997, 939, 942; OLG Hamm, NZG 1999, 597, 598; OLG Köln, NZG 1999, 1222; KG, GmbHR 1999, 1202, 1203 f.; OLG Schleswig, NZG 2000, 703, 704 f.; OLG Dresden, GmbHR 2001, 1047, 1048; OLG Düsseldorf, ZIP 2007, 1064; Scholz/ Westermann, GmbHG, 10. Aufl., § 34 Rn. 60; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl., Anh. § 34 Rn. 17; Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 79; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Rn. 43; Wicke, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 10; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl., § 30 Rn. 63; Gehrlein, ZIP 1996, 1157, 1159; Bacher/ von Blumenthal, NZG 2008, 406, 407 f.; ebenso für die Ausschlussklage BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 173; für „Rechtsbedin- gung“ RGZ 142, 286, 290 f.).
11
Wegen der Probleme, die diese „Bedingungslösung“ für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter mit sich bringt, wenn ein Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil wegen der Unzumutbarkeit seines weiteren Verbleibens in der Gesellschaft eingezogen ist, während der Schwebezeit weiterhin Mitgliedschaftsrechte ausüben kann, vertreten andere, die Einziehung sei sofort wirksam (KG, NZG 2006, 437; OLG Hamm, GmbHR 1993, 743, 746 f.; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1983, S. 242; Niemeier, ZGR 1990, 314, 353; Ulmer, Festschrift Rittner, 1991, S. 735, 748 ff.; Ulmer, Festschrift Priester, 2007, S. 775, 793 ff.; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 34 Rn. 48; Lutz, DStR 1999, 1858, 1861 f.; Goette, Festschrift Lutter, 2000, S. 399, 409; Pentz, Festschrift Ulmer, 2003, S. 451, 467 ff.; Fietz/Fingerhut, DB 2007, 1179, 1181 ff.).
12
Zur Sicherung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters werden bei sofortiger Wirksamkeit der Einziehung verschiedene Lösungsvorschläge gemacht. Teilweise wird angenommen, die Einziehung stehe unter der auflösenden Bedingung, dass die Abfindung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht ohne Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gezahlt werden kann (Ulmer, Festschrift Rittner 1991, S. 735; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 34 Rn. 48). Andere wollen dem ausgeschiedenen Gesellschafter das Recht geben, mit der Auflösungsklage nach § 61 GmbHG die Liquidation der Gesellschaft herbeizuführen, teilweise verbunden mit einem Wiedereintrittsrecht (Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1983, S. 243; Niemeier, ZGR 1990, 314, 353; Goette, Festschrift Lutter, 2000, S. 399, 409). Schließlich wird vertreten, dass die Mitgesellschafter verpflichtet sind, dem ausgeschiedenen Gesellschafter die Abfindung pro rata ihrer Beteiligung zu zahlen, soweit die Gesellschaft die Abfindung nicht leisten darf (Altmeppen in Roth/ Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 34 Rn. 21 ff.; MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 76; Goette, Festschrift Lutter, 2000, S. 399, 410; Heckschen, GmbHR 2006, 1254, 1256; Kolb, NZG 2007, 815, 817; Heidinger/Blath, GmbHR 2007, 1184,

1187).

13
b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an. Grundsätzlich werden Beschlüsse wirksam und vollziehbar, sobald sie gefasst worden sind. Gesetzlich steht der Einziehungsbeschluss nicht unter der Bedingung, dass das Einziehungsentgelt gezahlt wird. § 34 Abs. 3 GmbHG soll im Interesse der Gläubiger sicherstellen, dass die Gesellschafter die Kapitalerhaltungspflicht nach § 30 Abs. 1 GmbHG nicht durch die Aufgabe der Mitgliedschaft umgehen, soll aber nicht den Abfindungsanspruch der Gesellschafter schützen.
14
Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen wird, muss allerdings davor geschützt werden, dass die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters aneignen und ihn aufgrund der gläubigerschützenden Kapitalerhaltungspflicht mit seinem Abfindungsanspruch leer ausgehen lassen. Dazu genügt es aber, die verbleibenden Gesellschafter selbst in die Haftung zu nehmen, wenn sie nicht auf andere Weise für die Auszahlung der Abfindung sorgen. Der Schutz des Abfindungsanspruchs gebietet es nicht, schon die Wirksamkeit der Einziehung von der Zahlung der Abfindung abhängig zu machen und die damit verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen.
15
aa) Die Schwebelage, die nach der Bedingungslösung entsteht, hat erhebliche Nachteile. Dem ausgeschiedenen Gesellschafter bleiben während der Schwebezeit seine mitgliedschaftlichen Rechte jedenfalls grundsätzlich erhalten , obwohl es zumindest dann, wenn ein wichtiger Grund in seiner Person zur Einziehung geführt hat, der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern gerade unzumutbar ist, dass er weiter in der Gesellschaft bleibt. Auch wenn mit der Einziehung unerwünschte Dritte von der Gesellschaft ferngehalten werden sollen, wie dies etwa bei der Pfändung des Geschäftsanteils als Einziehungsgrund der Fall ist, wird der Zweck der Einziehung bei einer Schwebelage nach der Bedingungslösung teilweise verfehlt. Selbst wenn die mitgliedschaftlichen Rechte wie das Stimmrecht eingeschränkt werden, können die Unklarheiten der Ausübungsbeschränkungen eine stete Quelle neuen Streits bilden. Insgesamt bietet das dem Gesellschafter einen Anreiz, seinen Lästigkeitswert zu steigern und das Abfindungsverfahren weiter in die Länge zu ziehen.
16
Diese Nachteile für die Gesellschaft entstehen bei der Bedingungslösung auch in den Fällen, in denen sich ein Schutz des Abfindungsanspruchs im Nachhinein als nicht erforderlich erweist. Wenn die Abfindung wie im gesetzlichen Regelfall (vgl. MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 218) mit der Einziehung fällig ist (§ 271 Abs. 1 BGB), steht auch objektiv fest, ob sie aus dem freien Vermögen geleistet werden kann. Ein Schutz des Abfindungsanspruchs ist nur erforderlich, wenn das Einziehungsentgelt erst später fällig wird oder die Auszahlung verzögert wird. Er erweist sich nachträglich als überflüssig, wenn die Gesellschaft die Abfindung in dem für die Kapitalerhaltung maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung ohne Beeinträchtigung des gebundenen Vermögens leisten kann. Die Bedingungslösung belastet die Gesellschaft aber auch in solchen Fällen mit der weiteren Mitgliedschaft des Störenfrieds und stellt damit das Interesse des ausgeschiedenen Gesellschafters in den Vordergrund, obwohl er einer Einziehung aus wichtigem Grund im Gesellschaftsvertrag zugestimmt hat (§ 34 Abs. 2 GmbHG). Wegen seiner antizipierten Zustimmung zur Einziehung in der Satzung ist er weniger schutzwürdig als ein Gesellschafter, der ohne eine solche Bestimmung im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen wird. Insoweit unterscheidet sich die Einziehung des Geschäftsanteils mittels Beschluss von der Ausschließung des Gesellschafters durch eine Klage, die ohne seine Zustimmung möglich ist und bei der nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Wirkung des Ausschließungsurteils von der Zahlung des Abfindungsentgelts abhängt (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 174).
17
Davor, dass sich die Vermögenslage der Gesellschaft verschlechtert und so der Abfindungsanspruch gefährdet wird, bietet auch die Bedingungslösung keinen Schutz. Der dem Gesellschafter nach der Bedingungslösung verbleibende Geschäftsanteil ist bei einer Verschlechterung der Vermögenslage ebenfalls entwertet. Auch soweit der ausscheidende Gesellschafter nach der Bedin- gungslösung das weitere Schicksal der Gesellschaft mitbestimmen kann, ist angesichts des häufig fortbestehenden Streites fraglich, ob er - wie das Berufungsgericht meint - seine berechtigten Interessen „effektiv“ verfolgen und eine Verschlechterung der Vermögenslage durch Entscheidungen der anderen Gesellschafter verhindern kann.
18
bb) Die weiteren vorgeschlagenen Wege zum Schutz des Abfindungsanspruchs - auflösende Bedingung oder Anspruch auf Auflösung - vermeiden zwar, dass der ausgeschiedene Gesellschafter stören kann, weisen aber ebenfalls Nachteile auf.
19
(1) Eine auflösende Bedingung der Nichtzahlung der Abfindung unterliegt ähnlichen Bedenken wie die aufschiebende Bedingung. Zwar kann der ausgeschiedene Gesellschafter wegen der Wirksamkeit der Einziehung nicht weiter als Störenfried auf die Gesellschaft einwirken. Es entsteht aber ebenfalls eine Schwebelage, deren Ende zudem nicht sicher zu bestimmen ist. Bei Bedingungseintritt muss der Gewinnverteilungsschlüssel, gegebenenfalls nach einer Inanspruchnahme der Gesellschafter auch der Haftungsschlüssel korrigiert werden. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, die ohne den ausgeschiedenen Gesellschafter gefasst wurden, müssen unter Umständen wiederholt oder neu gefasst werden. Nach einer Veränderung oder einer Abtretung der Geschäftsanteile ist eine automatische Herstellung des früheren Rechtszustands auch vor dem Hintergrund der Regelungen in § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 16 Abs. 3 GmbHG kaum mehr möglich.
20
(2) Ein Recht, bei einer Unterdeckung im Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindung die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben, steht dem Gesellschafter , der - wenn man nicht der Bedingungslösung folgt - ausgeschieden ist, nicht zu. Außerdem könnte jahrelang in der Schwebe bleiben, ob die Gesellschaft aufgelöst ist oder nicht. Dieser Schwebezustand besteht auch dann, wenn man dem ausgeschiedenen Gesellschafter aus diesem Grund ein Wiedereintrittsrecht gibt.
21
cc) Die Interessen der Beteiligten werden am besten dadurch ausgeglichen , dass die Gesellschafter, die den Einziehungsbeschluss gefasst haben, dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig haften, wenn sie nicht anderweitig dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen. Den verbliebenen Gesellschaftern wächst anteilig der Wert des eingezogenen Geschäftsanteils zu. Sie müssten, wenn sie sich redlich verhalten und eine Unterdeckung nicht auf andere Art und Weise ausgleichen, etwa durch Auflösung von stillen Reserven oder eine Herabsetzung des Stammkapitals (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 169), grundsätzlich die Gesellschaft auflösen, um so die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, den Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters soweit wie möglich zu erfüllen. Mit der Auflösung stellen sie den ausgeschiedenen Gesellschafter hinsichtlich seines Abfindungsanspruchs so, als sei er noch Gesellschafter. Sie verhalten sich treuwidrig, wenn sie sich dagegen mit der Fortsetzung der Gesellschaft den Wert des eingezogenen Geschäftsanteils auf Kosten des ausgeschiedenen Gesellschafters einverleiben, ihm aber eine Abfindung unter der berechtigten Berufung auf die Kapitalbindung der Gesellschaft verweigern.
22
Wenn die Gesellschafter die Gesellschaft fortsetzen, anstatt sie aufzulösen , weil sie darin einen wirtschaftlichen Vorteil und einen Mehrwert für ihren Anteil erblicken, ist es nicht unbillig, sie zum Ausgleich für den Abfindungsanspruch persönlich haften zu lassen, wenn die Gesellschaft ihn wegen der Kapitalbindung nicht erfüllen darf. Eine bei Fassung des Einziehungsbeschlusses unabsehbare persönliche Haftung ist damit nicht verbunden. Die Gesellschafter können ihre persönliche Inanspruchnahme durch Ausgleich derUnterdeckung oder durch die Auflösung der Gesellschaft vermeiden. Der Abfindungsanspruch wird dadurch zwar nicht in voller Höhe gegen Veränderungen geschützt. Auch in der Liquidation ist der Abfindungsanspruch erst nach den Ansprüchen der übrigen Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen (§ 73 GmbHG). Davor schützt den ausgeschiedenen Gesellschafter aber auch der weitere Verbleib in der Gesellschaft bei Annahme einer bedingten Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses nicht.
23
Die Nachteile der weiteren Mitgliedschaft eines „Störenfrieds“ werden weitgehend vermieden. Eine Ungewissheit über die Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte wegen eines Streits über den Einziehungsgrund oder die Höhe der Abfindung, der dazu führt, dass zunächst unklar sein kann, ob die Abfindung aus dem angegebenen Vermögen geleistet werden kann, kann nicht vermieden werden.
24
dd) Der Fortbestand der Mitgliedschaft des Gesellschafters, dessen Geschäftsanteil eingezogen wurde, ist auch nicht aus anderen Gründen erforderlich. Für die Wahrnehmung der Rechte gegen den Einziehungsbeschluss selbst ist von der weiteren Rechtsinhaberschaft auszugehen, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (BGH, Urteil vom 22. März 2011 - II ZR 229/09, BGHZ 189, 32 Rn. 8; Urteil vom 19. September 1977 - II ZR 11/76, NJW 1977, 2316).
25
c) Der Kläger ist nicht als stimmberechtigter Gesellschafter zu behandeln , weil er zu der Gesellschaftsversammlung vom 22. Februar 2007 eingeladen wurde. Die Beklagte ist damit nur den Unsicherheiten gerecht geworden, die aufgrund der ungeklärten Rechtslage zum Fortbestand von Mitgliedsrechten bestanden.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 14.12.2010 - 7 HKO 918/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2011 - 2 U 1956/10 -

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 25. September 2014 – teilweise abgeändert und insgesamt – wie folgt – neu gefasst:

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7. März 2014 mit dem Inhalt: „Die Geschäftsanteile des Gesellschafters M im Nennwert von Euro 62.000 sowie Euro 40.000 an der S GmbH werden gemäß § 12 Abs. 2 lit. cc des Gesellschaftsvertrages aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund eingezogen. Der Gesellschafter X wird beauftragt, die Einziehung durchzuführen.“ wird für nichtig erklärt.

Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 7. März 2014 mit dem Inhalt: „Die Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters X im Nennbetrag von Euro 98.000 um insgesamt Euro 102.000 auf 200.000.“ wird für nichtig erklärt.

Die weitergehende Klage und die weitergehende Berufung werden ab- bzw. zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 37% zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt allerdings jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56

(1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

(2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer.

(3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.