Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 16. Mai 2012 - 3 T 90/12

ECLI:ECLI:DE:LGLANPF:2012:0516.3T90.12.0A
bei uns veröffentlicht am16.05.2012

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 24.04.2012, Az. 2 XIV 21/12 B (2), wird zurückgewiesen.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtskosten erster Instanz werden nicht erhoben. Von der Erhebung der Kosten für die Hinzuziehung der Dolmetscherin im Beschwerdeverfahren ist abzusehen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist guineischer Staatsbürger. Er reiste am 08.03.2008 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 25.03.2008 einen Asylantrag stellte. Dieser wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 16.04.2008 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Mit diesem Bescheid wurde der Betroffene aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichtausreise wurde ihm die Abschiebung angedroht. Der Bescheid ist am 26.04.2008 bestandskräftig geworden.

2

Im Juni 2008 wurde der Betroffene der kreisfreien Stadt Landau in der Pfalz zugewiesen.

3

Am 03.09.2009 sollte der Betroffene bei der guineischen Botschaft in Berlin vorsprechen, um sich Passpapiere zu beschaffen. Nachdem er an diesem Tag nicht erschienen war, suchte er am 07.09.2009 die Botschaft auf, wo ihm eine Bescheinigung ausgestellt wurde, dass Reisedokumente nur in Conakry/Guinea durch das Ministerium des Inneren ausgestellt werden. Um Passersatzpapiere zu beschaffen, sollte der Betroffene am 12.10.2009 der Botschaft vorgeführt werden. An diesem Tag konnte der Betroffene trotz mehrmaliger Versuche nicht in der ihm zugewiesenen Wohnung angetroffen werden, wobei festgestellt wurde, dass der Briefkasten nicht geleert und der Kühlschrank leer war, sodass er abgemeldet und zur Personenfahndung ausgeschrieben wurde. Der Betroffene wurde sodann in Belgien unter dem Aliasnamen Saidou Sow, geb. am 31.12.1984 in Kindia / Guinea, aufgegriffen und am 12.11.2009 nach Deutschland zurückgeschoben. Am 11.11.2009 war deshalb durch Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz die Ingewahrsamnahme des Betroffenen zwecks Vorführung bei der Botschaft am 19.11.2009 angeordnet worden. Im Rahmen der Vorführung gab der Betroffene an, dass eine freiwillige Ausreise nach Guinea für ihn nicht in Betracht komme. Er sei lediglich bereit, freiwillig nach Belgien zu gehen. Am 30.11.2009 gab er diese Erklärung nochmals schriftlich ab.

4

In der Folgezeit wurde der Betroffene mehrmals von der antragstellenden Behörde aufgefordert, Passpapiere oder Passersatzpapiere vorzulegen. Deshalb sprach er am 26.05.2011 und 05.01.2012 erneut bei der Botschaft von Guinea in Berlin vor, wo er um die Ausstellung eines Reisepasses bat. Ihm wurde erneut mitgeteilt, dass Reisepässe nur in Conakry / Guinea im Ministerium des Inneren beantragt und ausgestellt würde. Um Passersatzpapiere bemühte er sich nicht.

5

Am 12.03.2012 war die dem Betroffenen ausgestellte Duldung abgelaufen. Nachdem er nicht bei der antragstellenden Behörde erschienen war, um eine Duldungsverlängerung zu beantragen, wurde der Betroffene in der ihm zugewiesenen Wohnung aufgesucht, in der er trotz mehrmaliger Versuche nicht angetroffen werden konnte. Von einer Nachbarin wurde der antragstellenden Behörde mitgeteilt, dass diese den Betroffenen das letzte Mal in der 11. Kalenderwoche gesehen habe. Daraufhin wurde der Betroffene erneut zur Personenfahndung ausgeschrieben. Auf Betreiben der Clearingstelle Rheinland-Pfalz in Trier wurde für den Betroffenen am 05.04.2012 von der guineischen Botschaft ein für sechs Monate gültiges Passersatzpapier (Titre de Voyage) ausgestellt. Auch am 17.04.2012 konnte der Betroffene noch immer nicht in seiner Wohnung angetroffen werden. Am 24.04.2012 erschien der Betroffene bei der antragstellenden Behörde, um seine Duldung nunmehr doch verlängern zu lassen, woraufhin er festgenommen wurde.

6

Mit Antrag vom 24.04.2012 beantragte die Ausländerbehörde der Stadt Landau beim Amtsgericht Landau in der Pfalz, den Betroffenen bis zum Abschluss des Abschiebeverfahrens für die Dauer von 2 Monaten in Sicherungshaft zu nehmen. Zur Begründung führt sie aus, dass der Asylantrag des Betroffenen bestandskräftig abgelehnt worden sei und dass vorgesehen sei, den Betroffenen am 09.05.2012 ab Flughafen Frankfurt nach Guinea abzuschieben. Das erforderliche Passersatzpapier läge vor. Für den Fall, dass eine Abschiebung am 09.05.2012 nicht möglich sei, würde der Zeitraum von 2 Monaten genügen, um eine erneute Abschiebung zu organisieren. Als Haftgrund gibt die Behörde an, dass sich der Betroffene bereits in der Vergangenheit versucht habe, sich den deutschen Behörden zu entziehen und untergetaucht sei, wodurch er gezeigt habe, dass er mit allen Mitteln versuchen würde, sich einer Abschiebung zu entziehen. Das wegen eines gegen den Betroffenen geführten Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen durch die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz sei erteilt worden.

7

Am 24.04.2012 wurde der Betroffene vor dem zuständigen Richter in Anwesenheit einer Dolmetscherin angehört. Eine Belehrung nach WÜK wurde nicht durchgeführt. Mit Beschluss vom selben Tage wurde sodann gegen den Betroffenen Sicherungshaft für 2 Monate sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Gegen den Betroffenen bestünden Haftgründe gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, da er vor seiner Festnahme unbekannten Aufenthaltes gewesen sei und bereits 2009 nach Belgien untergetaucht war. Darüber hinaus bestünde ein Haftgrund gem. § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, da die organisatorischen Voraussetzungen im wesentlichen abgeschlossen seien und eine Abschiebung nicht daran scheitern solle, dass der Betroffene nicht rechtzeitig präsent sei.

8

Gegen diesen Beschluss wurde am 04.05.2012 sowie vom nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten am 10.05.2012 Beschwerde eingelegt. Zunächst wurde geltend gemacht, eine Abschiebung nach Guinea sei aufgrund der dort herrschenden Unruhen faktisch nicht möglich. Zudem entspreche der Antrag nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Mit Schriftsatz vom 10.05.2012 wird vorgetragen, dass eine Abschiebung nicht möglich sei, da kein Passersatzpapier vorläge. Für Fluchtgefahr bestünden keine Anhaltspunkte, da der Betroffene der Ausländerbehörde jederzeit zur Verfügung gestanden hätte. Eine Ausreise nach Belgien sei die einzige Möglichkeit, ohne Passersatzpapier auszureisen. Zudem habe er sich am 24.04.2012 freiwillig zur Behörde begeben, um seine Duldung verlängern zu lassen. Der Beschluss des Amtsgerichts sei fehlerhaft, da er sowohl Sicherungshaft als auch Vorbereitungshaft anordne. Der Haftantrag hätte dem Betroffenen vor der Anhörung eröffnet werden müssen. Mit Schriftsatz vom 15.05.2012 wird weiter vorgebracht, dass die Abschiebung am 09.05.2012 gescheitert und deshalb die Aufrechterhaltung von Sicherungshaft rechtswidrig sei, da nicht das Verhalten des Betroffenen hierzu geführt habe. Es hätte mithin ein neuer Antrag gestellt werden müssen, was nicht geschehen sei. Die Behörde habe angegeben, dass sich der Betroffene geweigert habe, abgeschoben zu werden und man deshalb überlegt habe, eine begleitete Abschiebung durchzuführen. Gleichwohl wolle man am 22.05.2012 erneut versuchen, den Betroffenen unbegleitet abzuschieben und erst dann eine begleitete Abschiebung organisieren, was gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoße. Zudem fehle eine schriftliche Ausführung des erklärten Einvernehmens der Staatsanwaltschaft. Nach Erhalt des Passersatzpapiers hätte die Behörde dem Betroffenen zunächst ermöglichen müssen, freiwillig auszureisen.

9

Mit Beschluss vom 08.05.2011 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Kammer hat im Beschwerdeverfahren die Akten der Ausländerbehörde beigezogen und den Betroffenen im Beisein seines Verfahrensbevollmächtigten und einer Dolmetscherin angehört. Zu Beginn der Anhörung hat die Kammer den Antrag der Ausländerbehörde verlesen und übersetzen lassen und vor Abschluss der Anhörung gem. Art. 36 Abs. 1 WÜK belehrt und diese Belehrung ebenfalls übersetzen lassen. Der Betroffene hat keine Erklärungen hierzu abgeben.

II.

10

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG statthafte und nach den §§ 63 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG zulässig eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

11

1. Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, der für die Beurteilung maßgeblich ist, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebehaft vor.

12

a) Es liegt ein zulässiger Antrag auf Anordnung der Abschiebehaft vor, § 417 FamFG.

13

aa) Die antragstellende Behörde ist als zuständige Behörde zur Stellung des Antrages nach § 417 Abs. 1 FamFG berechtigt, da der Betroffene der Stadt Landau zugewiesen worden war.

14

bb) Der Antrag war infolge der im Anhörungstermin erfolgten Erläuterungen durch die antragstellende Behörde, gemessen an den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG, ausreichend begründet.

15

Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (BGH, Beschl. v. 29.04.2010, V ZB 218/09, zit. nach juris). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299). Dabei ist es genügend, wenn eine ausreichende Begründung des Haftantrages noch in der Beschwerdeinstanz erfolgt und aktenkundig wird (vgl. BGH, Beschl v. 29.04.2010, V 218/09).

16

Diese Voraussetzungen sind mit den erfolgten Erläuterungen in der Anhörung des Betroffenen, die diesem übersetzt wurden, erfüllt:

17

Es wurde angegeben, dass die Abschiebung nunmehr für den 22.05.2012 geplant sei. Ein Passersatzpapier läge vor sowie die zusätzlich erforderliche Durchbeförderungsbescheinigung aus Belgien. Die Abschiebung sei nunmehr auch von der deutschen Botschaft angemeldet.

18

Hieraus und aus dem Antrag der Behörde ergibt sich die Identität des Betroffenen, dessen vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund eines bestandskräftigen Bescheides, mit dem der Asylantrag abgelehnt wurde, die Erforderlichkeit der Haft wegen des Verdachtes, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wird, die Möglichkeit der Abschiebung und die voraussichtliche Haftdauer.

19

Der Antrag basiert entgegen des Einwandes des Verfahrensbevollmächtigten auch nicht auf der Vorspiegelung falscher Angaben über einen Abschiebungstermin. Aus dem Antrag ergibt sich lediglich, dass für den 09.05.2012 vorgesehen war, dass der Betroffene abgeschoben wird, nicht jedoch, dass für diesen Termin bereits ein Flug gebucht war und es sich somit um einen fixen Termin handelte. Es wurde vielmehr zusätzlich dargelegt, dass eine Abschiebung, sogar in begleiteter Form, innerhalb von 2 Monaten ab Erlass des Beschlusses möglich sein wird, wenn der Termin am 09.05.2012 nicht haltbar sein würde. Dass sich die Bemühungen der Behörde, die Haft so kurz wie möglich andauern zu lassen, letztlich nicht realisiert haben, hat keine Auswirkung auf die Zulässigkeit des Antrages.

20

b) Der Betroffene ist gem. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Mit Bescheid vom 16.04.2008 wurde sein Asylantrag abgelehnt. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der Nichtausreise wurde ihm die Abschiebung angedroht. Dieser Bescheid ist seit 26.04.2008 bestandskräftig.

21

c) Es liegen die Voraussetzungen gem. § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, unter denen Sicherungshaft anzuordnen ist.

22

Es besteht der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene einer Abschiebung entziehen will. Hiervon ist auszugehen, wenn konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten bzw. nahelegen, der Ausländer beabsichtige unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann. Der Betroffene war seit spätestens 15.03.2012 untergetaucht und wurde zur Personenfahndung ausgeschrieben. Dies geschah in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf seiner Duldung. Darüber hinaus war er bereits 2009 nach Belgien untergetaucht. Die "freiwillige" Ausreise eines Betroffenen in einen Drittstaat, der sogleich dessen Rückführung in das Bundesgebiet veranlasst, lässt die Entziehungsabsicht nicht entfallen (BGH, Beschl. v. 19.05.2011, V ZB 15/11, zitiert nach juris). Gegen das Vorbringen seines Verfahrensbevollmächtigen, dass der Betroffene, der sich in der Anhörung selbst nicht einlassen wollte, nur seiner Ausreisepflicht habe nachkommen wollen, als er nach Belgien gegangen sei, spricht, dass der Betroffene "ausgereist" ist, als ihm eine Vorführung zu einer Anhörung in der guineischen Botschaft mit dem Ziel, ihm Passersatzpapiere zu besorgen, um sodann eine Abschiebung zu ermöglichen, unmittelbar bevorstand. Darüber hinaus hat der Betroffene in Belgien falsche Angaben zu seiner Identität, sowohl was seinen Namen, sein Geburtsdatum und seinen Geburtsort anbelangt. Als er nach der Zurückschiebung in die Bundesrepublik der Botschaft vorgeführt wurde, erklärte er sodann, nicht bereit zu sein, freiwillig in seine Heimat zurückzukehren. Dies hat er auch zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber der Ausländerbehörde wiederholt und schriftlich bestätigt. Auch in der Anhörung vor dem Amtsgericht hat er angeben, dass er nicht in sein Land zurückreisen wolle. Dies hat er im Rahmen der Anhörung vor der Kammer ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht. Daraus lässt sich erkennen, dass der Betroffene bestrebt ist, hier in der Bundesrepublik zu bleiben und sich der Abschiebung zu entziehen.

23

Dass der Betroffene sodann am 24.04.2012 doch bei der Ausländerbehörde vorgesprochen hat, lässt den Haftgrund nicht entfallen. Das freiwillige Erscheinen bei der Ausländerbehörde lässt den Haftgrund nur dann entfallen, wenn er mit einer Festnahme rechnen musste (OLG Celle, Beschl. v. 08.04.2002, 17 W 16/02, zit. nach juris). Vorliegend war dies jedoch gerade nicht der Fall. Dem Betroffenen war nicht bekannt, dass der Ausländerbehörde zwischenzeitlich ein Passersatzpapier ausgestellt wurde und eine Abschiebung nunmehr zeitnah möglich war.

24

d) Auch § 72 Abs. 4 AufenthG steht der Abschiebung nicht entgegen. Zwar scheidet danach die Anordnung der Haft eines Ausländers, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren anhängig ist, zur Sicherung der Abschiebung aus, solange die Staatsanwaltschaft der beabsichtigten Abschiebung nicht zugestimmt hat (BGH, Beschl. 17.06.2010, V ZB 93/10, zit. nach juris). Das erforderliche Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz ist jedoch bereits am 24.04.2012 telefonisch (vgl. Vermerk Bl. 149 der Akte der Ausländerbehörde) hergestellt worden. § 72 Abs. 4 AufenthG sieht nicht vor, dass die Staatsanwaltschaft eine schriftliche Erklärung abzugeben hat.

25

e) Es liegt auch kein Fall einer gescheiterten Abschiebung im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 5 AufenthG vor, durch die die Haftanordnung ihre Wirksamkeit verloren hätte.

26

Gescheitert im Sinne dieser Vorschrift ist eine Abschiebung erst dann, wenn tatsächlich mit ihrem Vollzug begonnen wurde, nicht jedoch bereits, wenn der Termin aus organisatorischen Gründen verschoben wurde (OLG München, Beschl. v. 08.10.2009, 34 Ws 65709; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.01.2009, 20 W 154/08, zit. nach juris).

27

Hierin liegt auch kein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz. Dieser verlangt, dass die Abschiebungshaft als Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG und Art. 5 Abs. 1 EMRK auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird. Die Ausländerbehörde muss die Abschiebung mit der größtmöglichen zumutbaren Beschleunigung, also ohne unnötige Verzögerung betreiben (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 03.07.2006, 3 W 109/06, zit. nach juris). Das Beschleunigungsgebot schließt jedoch eine organisatorischen Spielraum der Behörde nicht aus (OLG München, a.a.O.). Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Ausländerbehörde das Abschiebungsverfahren zögerlich behandelt. Vielmehr hat die Behörde versucht, bereits zwei Wochen nach Wiederauftauchen des Betroffenen und dessen Inhaftierung, ihn abschieben zu können. Die Verschiebung des Termins war zum einen durch das Verhalten des Betroffenen erforderlich, der - wie die Vertreter der Behörde im Rahmen der Anhörung angaben - durch sein Verhalten in der Haftanstalt Zweifel aufkommen ließ, ob eine unbegleitete Abschiebung überhaupt möglich sein wird. Zum anderen lag zwar das Passersatzpapier vor, ein Voranmeldung der deutschen Botschaft in Guinea konnte in der kurzen Zeit nicht eingeholt werden, da dies in der Regel drei Wochen benötigt. Auch die erforderliche Bewilligung aus Belgien für die Durchbeförderung konnte bis 09.05.2012 noch nicht erlangt werden. Zu Recht hat der Verfahrensbevollmächtigte zwar eingewandt, dass die Bewilligung, für die es nach Angaben der Behördenvertreter eine Vorlaufzeit von 14 Tagen bedarf, bei Beantragung am 24.04.2012 am 08.05.2012 und somit rechtzeitig hätte vorliegen können. Voraussetzung für die Beantragung einer solchen Bewilligung ist jedoch, dass die Buchung eines Fluges genehmigt wird. Eine solche Genehmigung lag am 24.04.2012 noch nicht vor, da die Behörde nicht damit rechnen konnte, dass der Betroffene an diesem Tag wieder auftaucht und damit eine Abschiebung realisierbar würde. Einen neuen Termin auf weniger als 2 Wochen nach dem ersten anvisierten Termin festzusetzen, entspricht den Anforderungen an das Beschleunigungsgebot. Die Abschiebung ist damit bereits vier Wochen nach der Inhaftierung möglich.

28

f) Die Sicherungshaft für längstens 2 Monate anzuordnen, ist auch verhältnismäßig. Die Anordnung über den 22.05.2012 hinaus ist auch erforderlich, da zu diesem Zeitpunkt zunächst einen unbegleitete Abschiebung versucht werden soll und für den Fall ihres Scheiterns aufgrund des Verhaltens des Betroffenen kann innerhalb des verbleibenden Zeitraumes eine begleitete Abschiebung organisiert werden. Die angeordnete Haftdauer bewegt sich dabei erheblich unter der abstrakten Grenze des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG von 3 Monaten.

29

g) Dass das Amtsgericht in seiner Begründung zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass auch der Haftgrund gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG und des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorliegt, steht der Aufrechterhaltung der Abschiebehaft nicht entgegen. Für die Entscheidung der Kammer hierüber ist nicht maßgeblich, ob der Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts Rechtsfehler aufweist, sondern allein, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebehaft vorliegen. Entscheidend ist daher, ob der Antrag der Ausländerbehörde den einschlägigen Haftgrund enthält, was vorliegend der Fall war.

30

h) Auch die im Rahmen der Anhörung des Amtsgerichtes zunächst nicht erfolgte Belehrung gem. Art. 36 Abs. 1 WÜK führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

31

aa) Nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 3 WÜK haben die zuständigen Behörden die konsularische Vertretung unverzüglich von der Inhaftierung zu unterrichten, wenn der Betroffene dies verlangt. Über dieses Recht ist der Betroffenen ebenso unverzüglich zu belehren. Diese Belehrung ist ein unerlässlicher Bestandteil eines rechtsstaatlichen fairen Verfahrens. Unterbleibt die Belehrung, so leidet die Anordnung der Freiheitsentziehung an einem Verfahrensmangel, der zu ihrer Rechtswidrigkeit führt (BGH, Beschl. v. 06.05.2010, V ZB 223/09, zit. nach juris).

32

bb) Durch die von der Kammer in der Anhörung vorgenommene Belehrung des Betroffenen nach Art. 36 Abs. 1 WÜK, die ihm übersetzt worden ist, ist der Verfahrensfehler jedoch geheilt worden, da der Betroffene nunmehr in der Lage ist, darüber zu entscheiden, ob er konsularische Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Damit ist dem Sinn und Zweck der Belehrung des Art. 36 WÜK ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen (BGH, Beschl. v. 25.08.2011, V ZB 188/11, zit. nach juris). Für eine Heilbarkeit des Mangels spricht auch, dass es der Ausländerbehörde nach der Entlassung wegen des Verfahrensfehler sofort wieder möglich wäre, einen Antrag auf Abschiebehaft zu stellen, dem in der vorliegenden Konstellation - Ablauf der Ausreisepflicht und Vorliegen des Haftgrundes gem. § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG - erneut stattzugeben wäre.

33

Eine Benachrichtigung des Konsulats musste nicht erfolgen, da der Betroffene auf Frage nach Erteilung der Belehrung dies nicht verlangt hat.

34

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK sowie auf § 84 FamFG.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Landau in der Pfalz Beschluss, 16. Mai 2012 - 3 T 90/12

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entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 218/09
vom
29. April 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Abschiebungshaftsachen muss aus den Verfahrensakten zu ersehen sein, dass
der Haftanordnung ein vollständiger Antrag der zuständigen Behörde zugrunde liegt.
BGH, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2010 durch die Richter
Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. November 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Oktober 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Im Übrigen findet keine Auslagenerstattung statt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland ohne Pass und Visum mit Hilfe einer Schleuserorganisation in das Bundesgebiet ein. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 wies er sich mit einem gefälschten französischen Identitätspapier aus und wurde festgenommen. Der Betroffene äußerte in seiner polizeilichen Vernehmung, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Die Beteiligte zu 2 verfügte die Zurückschiebung des Betroffenen nach Griechenland.
2
Bei dem Amtsgericht gingen nach dem Inhalt der Verfahrensakten per Telefax die ersten beiden Seiten des Formularantrags der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung ein; die dritte Seite mit der Darstellung des Sachverhalts, der Antragsbegründung und der Unterschrift fehlte. Das Amtsgericht ordnete am 19. Oktober 2009 nach Anhörung des Betroffenen die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 18. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei dem ein am 19. Oktober 2009 gestellter Asylantrag registriert ist, richtete ein Übernahmeersuchen an die griechischen Behörden.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Betroffene die fehlende Vorlage der "Ausländerakten" gerügt, auf seinen zwischenzeitlich gestellten Asylantrag hingewiesen, eine inhaltlich unzureichende Anhörung durch den Haftrichter und ferner geltend gemacht hat, dass die Zurückschiebung nach Griechenland vor dem Hintergrund der verwaltungsgerichtlichen Praxis nicht innerhalb des angeordneten Haftzeitraums durchgeführt werden könne, hat das Beschwerdegericht ohne erneute Anhörung des Betroffenen nach Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 16. November 2009 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Asylantrag stehe nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Der im Rahmen der Vernehmung formlos gestellte Antrag des aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Betroffenen habe noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG zur Folge. Der förmliche Asylantrag sei erst aus der Haft heraus gestellt worden.
5
Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen Festnahme und Anhörung des Betroffenen habe das Amtsgericht nicht auf den Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 zurückgreifen müssen. Ausländerakten seien im Übrigen noch nicht angelegt gewesen. Zudem sei ein etwaiger Verfahrensfehler durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
6
Zwar lägen wegen des Asylantrags die Voraussetzungen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrundes nicht mehr vor. Die Sicherungshaft könne jedoch auf den begründeten Verdacht gestützt werden, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Die Haftfristen seien gewahrt, die Inhaftierung sei nicht unverhältnismäßig. Da die Personalien des Betroffenen feststünden, sei nicht ersichtlich, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG durchgeführt werden könne. Der Haftrichter sei an die Entscheidung der Beteiligten zu 2, den Betroffenen nach Griechenland zurückzuschieben, gebunden.
7
Schließlich sei der Betroffene nicht nach Ablauf von vier Wochen seit Stellung des Asylantrags aus der Haft zu entlassen. Denn diese Frist gelte nach § 14 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AsylVfG nicht, weil das BAMF ein Übernahmeersuchen an einen zur Übernahme verpflichteten Staat gestellt habe.
8
Von der mündlichen Anhörung habe abgesehen werden können, weil hiervon neue Erkenntnisse nicht zu erwarten gewesen seien und die wesentlichen Feststellungen anhand des Verwaltungsvorgangs hätten getroffen werden können.

III.

9
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert die zwischenzeitliche Erledigung der Hauptsache nichts. Die Regelung in § 62 FamFG, nach der das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung - wie hier - ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 9). Denn unter dem Blickwinkel effektiven Rechtsschutzes ist es unerheblich, in welchem Stadium des Verfahrens sich die angegriffene Entscheidung in der Hauptsache erledigt (vgl. BVerfGK 6, 303, 311).
10
Mit dem auf Feststellung gerichteten Antrag greift der Betroffene einen Beschluss an, der eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet; damit bleibt die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG zulassungsfrei (Senat, aaO, Rdn. 10).
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 14), als auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist fehlerhaft und hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
13
aa) Ob es im Hinblick auf die Sollvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 FamFG zwingend eines unterschriebenen Antrags auf Freiheitsentziehung bedarf , kann allerdings ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der von dem Vertreter der Beteiligten zu 2 bei der Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht mündlich gestellte Haftantrag rechtswirksam war (vgl. hierzu BKBahrenfuss /Rüntz, FamFG, § 25 Rdn. 9; Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 25 Rdn. 19; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG [2009], § 23 Rdn. 10, § 25 Rdn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, aaO, § 25 Rdn. 30 f.). Denn der Antrag war jedenfalls mangels vollständiger Begründung unzulässig.
14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).
15
cc) Danach war der dem Amtsgericht nach dem Inhalt der Verfahrensakten vorliegende schriftliche Antrag der Beteiligten zu 2 unzureichend begründet.
16
(1) Aus dem per Telefax übersandten Antragsfragment und den zusätzlich überreichten Unterlagen ergaben sich die Identität des Betroffenen, die unerlaubte Einreise über den Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 und das Fehlen eines festen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Hieraus konnte der Haftrichter zu den Voraussetzungen der Haft, zu ihrer Verhältnismäßigkeit sowie zu der Erforderlichkeit der Haftdauer keine Anhaltspunkte für eine Überprüfung und weitere Aufklärung des Sachverhalts entnehmen. Über die fehlende Antragsbegründung können die Angaben des Betroffenen in seiner Anhörung nicht hinweghelfen.
17
(2) Daran ändert das Vorbringen der Beteiligten zu 2 nichts, dass anhand des in ihrem Verwaltungsvorgang enthaltenen Telefax-Sendeberichts und auf Grund der Angaben des Betroffenen von einem vollständigen Zugang des Haftantrags auszugehen sei. Sinn und Zweck der Antragsbegründung (s. dazu die Ausführungen unter 2. a) bb) a.E.) erfordern es, dass ihr Vorliegen bei der Anhörung des Betroffenen aus den Verfahrensakten ersichtlich ist. Diese müssen entweder den vollständigen schriftlichen Haftantrag enthalten, oder die Antragsbegründung muss sich aus dem Protokoll über die Anhörung ergeben. Fehlt beides, ist eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Haftanordnung in den Rechtsmittelinstanzen nicht möglich. Das wirkt zu Lasten der antragstellenden Behörde.
18
(3) Da hier aus den Verfahrensakten, die der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 1092; Jansen /Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 27 Rdn. 90; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 74 Rdn. 27), nicht ersichtlich ist, dass ein vollständiger Haftantrag vorlag oder gestellt wurde, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass er fehlte.
19
dd) Durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit dem vollständigen Haftantrag in der Beschwerdeinstanz konnte der Verstoß gegen § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht geheilt werden (vgl. hierzu KG InfAuslR 2009, 356, 357; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Denn bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine Verfahrensgarantie , deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 24; Prütting/ Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 10).
20
ee) Wegen des Verstoßes gegen diese Verfahrensgarantie hat die Entscheidung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt ebenfalls nicht stand.
22
aa) Da ihm der Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 vorlag, fehlte es allerdings nicht mehr an dem Antrag der zuständigen Behörde auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG).
23
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die Stellung des Haftantrags sachlich und örtlich zuständig. Sie ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde. Ihr sind nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 13).
24
(2) Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung lag der Haftantrag der Beteiligten zu 2 dem Beschwerdegericht im Original vor. Aus der Seite 3 des Antrags ergeben sich die für die Haftanordnung nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Darlegungen. Darauf hat die Beteiligte zu 2 in ihrer Beschwerdeerwiderung Bezug genommen.
25
bb) Mit Erfolg macht der Betroffene jedoch geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) lagen nicht vor. Der Betroffene hatte nämlich zuvor keine Gelegenheit, zu einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Haft und damit zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung zu äußern und persönlich zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentzie- hung ankommt, insbesondere zu den von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Grundlagen. Nach dem Protokoll der Anhörung am 19. Oktober 2010 ist nämlich davon auszugehen, dass dem Betroffenen bei dem Amtsgericht lediglich der fragmentarisch vorhandene Haftantrag übersetzt worden ist.
26
cc) Wegen dieses Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 12 m.w.N.).

IV.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Bundesrepublik Deutschland als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffen zu verpflichten.

28
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 19.10.2009 - 381 XIV 198/09 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.11.2009 - 84 T 441/09 B -

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.

(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.

(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.

(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer

1.
unerlaubt eingereist ist,
2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder
3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
Im Übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist.

(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer

1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet,
2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist,
3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist,
4.
mittellos ist,
5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt,
6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder
7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.

(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.

(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.

(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.

(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.

(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 15/11
vom
19. Mai 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die gesetzliche Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kommt erst zum
Tragen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Betroffene auch ab diesem
Zeitpunkt seine geänderte Anschrift nicht mitteilt.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 15/11 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts NürnbergFürth vom 27. Dezember 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 16. Dezember 2010 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen der Betroffenen werden dem Regierungsbezirk Mittelfranken auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, eine russische Staatsangehörige, reiste am 23. Januar 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Das zuständige Bundesamt forderte sie mit seit 15. November 2010 bestandskräftigem Ablehnungsbescheid vom 15. Juni 2010 unter Androhung der Abschiebung in die russische Föderation zur Ausreise auf. In der Folgezeit reiste die Betroffene in die Schweiz aus. Aufgrund eines Wiederaufnahmeersuchens des schweizerischen Bundesamtes für Migration wurde sie am 15. Dezember 2010 nach Deutschland rücküberstellt und auf der Grundlage einer einstweiligen Sicherungshaftanordnung des Amtsgerichts festgenommen. Am 16. Dezember 2010 hat das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 15. März 2010 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2010 zurückgewiesen.
2
Die Beschwerdeentscheidung ist der Betroffenen am 10. Januar 2011 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit Schreiben vom 27. Januar 2011 Beschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt. Am 1. Februar 2011 wurde die Betroffene nach Russland abgeschoben. Am 1. März 2011 hat sie Rechtsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerde- und Rechtsbeschwerdebegründungsfrist beantragt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will sie die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung vom 16. Dezember 2010 und die Beschwerdeentscheidung sie in ihren Rechten verletzt haben.

II.

3
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG seien erfüllt. Die Betroffene habe am 8. Juli 2010 ihren Aufenthaltsort gewechselt und sei seitdem für die Ausländerbehörde nicht mehr greifbar gewesen. Die ihr gesetzte Ausreisefrist sei am 15. Dezember 2010 abgelaufen. Wie das Untertauchen der Betroffenen, ihre Ausreise in die Schweiz und ihre Einlassung vor dem Amtsgericht, sie wolle keinesfalls in ihr Heimatland zurückkehren, belegten, sei davon auszugehen, dass sie sich auch zukünftig der Abschiebung entziehen werde.

III.

4
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
5
1. Der nach Erledigung der Hauptsache gestellte Feststellungsantrag ist statthaft (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 Rn. 9) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wahrt die am 1. März 2011 formwirksam eingelegte Rechtsbeschwerde die einmonatige Beschwerdefrist des § 71 Abs. 1 FamFG. Die am 10. Januar 2011 bewirkte Zustellung der Beschwerdeentscheidung an die Betroffene setzte den Lauf der Rechtsbeschwerdefrist nicht in Gang.
6
a) Die Wirksamkeit der Zustellung der Beschwerdeentscheidung beurteilt sich hier nach den §§ 41 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. FamFG i.V.m. § 172 ZPO. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat in einem anhängigen Verfahren die Zustellung ausschließlich an den für diese Instanz bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen. Diese Vorschrift ist für den Anwendungsbereich des § 15 FamFG jedenfalls dann anwendbar, wenn der Beteiligte einem Rechtsanwalt eine unbeschränkte Verfahrensvollmacht erteilt und dieser dem Gericht seine Bestellung angezeigt hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, Rn. 8, juris; Sternal in Keidel, FamFG, 16. Auflage, § 15 Rn. 24; Bumiller/Harders, FamFG, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Auflage, § 15 Rn. 7). Ein Verstoß gegen § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO führt zur Unwirksamkeit der Zustellung , und die Rechtsmittelfrist beginnt nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980 - I ZR 51/80, NJW 1981, 1673, 1674). Jedoch setzt die Pflicht des Gerichts, Zustellungen an den Verfahrensbevollmächtigten zu richten , erst ein mit der Kenntnis des Gerichts von dessen Bestellung. Diese Kenntnis muss dem Gericht bis spätestens zu Beginn der Zustellung vermittelt worden sein. Maßgebend ist danach, ob die Geschäftsstelle in dem Zeitpunkt, in dem sie die gerichtliche Entscheidung zur Post gibt oder dem Gerichts- http://www.juris.de/jportal/portal/t/12l0/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR195010004BJNE006902310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - wachtmeister aushändigt, Kenntnis von der Bestellung des Prozessbevollmächtigten hat bzw. haben müsste (BGH, aaO).
7
b) Hier ging am 3. Januar 2011 beim Landgericht ein Schriftsatz einer Rechtsanwältin vom 29. Dezember 2010 ein, mit dem diese unter Vorlage einer Vollmacht der Betroffenen Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft einlegte. Der Schriftsatz lag am 4. Januar 2011 der zuständigen Richterin des Landgerichts vor. Am 5. Januar 2011 gab die Geschäftsstelle die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 27. Dezember 2010 zur Post. Die Zustellung hätte daher an die Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen erfolgen müssen.
8
c) Die mangelhafte Zustellung ist nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. FamFG i.V.m. § 189 ZPO geheilt worden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen die Beschwerdeentscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; insbesondere lässt sich der gerichtlichen Mitteilung vom 24. Januar 2011 an die Verfahrensbevollmächtigte , über die Beschwerde sei bereits entschieden, nicht entnehmen , dass ihr zugleich die Beschwerdeentscheidung zur Kenntnisnahme übersandt wurde.
9
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
10
a) Das Amtsgericht und das Beschwerdegericht haben zu Unrecht das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bejaht.
11
aa) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel begründet in diesem Fall die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts lief die Ausreisefrist der Betroffenen am 15. Dezember 2010 ab. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Betroffene aufgrund einer vorläufigen Inhaftierung nach ihrer Rücküberstellung aus der Schweiz bereits in öffentlichem Gewahrsam. Damit war sie für die Ausländerbehörde erreichbar, so dass eine Pflicht der Betroffenen zur Anzeige ihres Aufenthalts nicht bestand.
12
Soweit das Amtsgericht und das Beschwerdegericht daran anknüpfen, dass die Betroffene vor Ablauf der Ausreisefrist ihren Aufenthaltswechsel nicht angezeigt habe, vermag dies den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht zu begründen. Maßgeblich für die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird, ist der Umstand, dass der Betroffene nach Ablauf der Ausreisefrist für die Durchführung der Abschiebung nicht zur Verfügung steht, weil er die Ausländerbehörde nicht über seinen Aufenthaltsort unterrichtet hat (vgl. OLG München, OLGR 2007, 144, 145, juris Rn. 12; OLG Hamm, OLGR 2002, 332, juris Rn. 14). Wird dem Betroffenen eine Frist zur Ausreise gewährt, muss er vor Ablauf der Frist mit Abschiebungsmaßnahmen nicht rechnen. Daher begründet eine vor Ablauf der Ausreisefrist unterlassene Mitteilung eines Aufenthaltswechsels nicht die Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, der Betroffene werde für eine Abschiebung nicht zur Verfügung stehen. Die gesetzliche Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG kommt vielmehr erst dann zum Tragen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Betroffene nun seine geänderte Anschrift nicht mitteilt; denn ab diesem Zeitpunkt muss er sich auf Abschiebungsmaßnahmen einstellen und seine Erreichbarkeit für eine Abschiebung gewährleisten. Geschieht dies nicht, ist allein aufgrund der Nichtanzeige seines Aufenthalts die Vermutung gerechtfertigt, dass er sich dem Zugriff der Ausländerbehörde entziehen will.
13
bb) Im Übrigen lässt sich weder den Feststellungen des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts noch den von der Behörde eingereichten Unterlagen entnehmen, dass die Ausländerbehörde die Betroffene über die Folgen einer unterlassenen Mitteilung über den Aufenthalt hingewiesen hat. Angesichts der in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG normierten einschneidenden Folgen einer unterlassenen Anzeige des Wohnortwechsels muss die Ausländerbehörde in der Regel auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 5 AufenthG und die mit einem Unterlassen der Anzeige des Aufenthaltswechsels verbundenen Folgen hinweisen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, vgl. auch OLG Celle, InfAuslR 2004, 118; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 AufenthG Rn. 44).
14
b) Die Feststellungen tragen auch nicht eine Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG.
15
Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, Rn. 15, juris). Aus der Ausreise der Betroffenen in die Schweiz lässt sich nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung ziehen, dass sie sich einer Abschiebung entziehen wollte. Zwar hat die Betroffene, die aufgrund des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Schweizerischen Bundesrat über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (BGBl. 1996 II S. 945) wieder in das Bundesgebiet rücküberstellt wurde, rückschauend betrachtet ihre Ausreisepflicht nicht erfüllt (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 62. Aktual. Februar 2009, § 57 AufenthG Rn. 16). Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer Entziehungsabsicht. Weitere Umstände, die den Schluss rechtfertigen, die Betroffene sei allein mit dem Ziel des Untertauchens in die Schweiz ausgereist und nicht, um ihrer Ausreisepflicht nachzukommen, haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht festgestellt.

IV.

16
1. Die Sache ist zur Entscheidung reif, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die fehlenden Feststellungen noch getroffen werden können. Solche Ergebnisse könnten allerdings nur dann zum Nachteil der Betroffenen verwertet werden, wenn sie hierzu persönlich angehört würde. Dies ist aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung nicht mehr möglich.
17
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Regierungsbezirk Mittelfranken , dem die beteiligte Behörde angehört (§ 430 FamFG), zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 f. Rn. 19). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 16.12.2010 - 68 XIV 85/10 B -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 27.12.2010 - 18 T 10247/10 -

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

BUNDESGERICHTSHOF

Beschluss
V ZB 93/10
vom
17. Juni 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Anordnung der Haft eines Ausländers, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren
anhängig ist, zur Sicherung der Abschiebung scheidet aus, solange die
Staatsanwaltschaft der beabsichtigten Abschiebung nicht zugestimmt hat.
BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10 - LG Kassel
AG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Dr. Toussaint beigeordnet.
Auf die Rechtsmittel des Betroffenen werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 2. März 2010 und der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 26. Februar 2010 aufgehoben.
Der Antrag auf Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen wird zurückgewiesen.
Die Stadt Kassel trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste seit 1992 mehrfach nach Deutschland ein und wurde wiederholt ab- beziehungsweise zurückgeschoben. Nach seiner letzten Einreise wurde er am 19. März 2006 festgenommen. Das Landgericht Frankfurt verhängte gegen ihn im September 2007 eine Freiheitsstrafe, die er bis zum 4. März 2010 verbüßte. Die von der beteiligten Behörde erstrebte Abschiebung des Betroffenen aus der Strafhaft scheiterte an dem Fehlen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft.
2
Gegen den Betroffenen wird ein weiteres Strafverfahren geführt. Aufgrund eines in diesem Verfahren am 11. Januar 2010 ergangenen Haftbefehls befindet sich der Betroffene seit der Verbüßung seiner Strafe in Untersuchungshaft. Im Hinblick auf seine weiterhin angestrebte Abschiebung erklärte die Staatsanwaltschaft, bei einer Aufhebung des Untersuchungshaftbefehls in Erwägung zu ziehen, nach § 154b Abs. 3 StPO vorzugehen.
3
Daraufhin beantragte die beteiligte Behörde, den Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung zu inhaftieren. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und am 26. Februar 2010 die Haft des Betroffenen für die Dauer von einem Monat, beginnend mit der Beendigung der Strafhaft und der Untersuchungshaft des Betroffenen, längstens jedoch bis zum 25. August 2010, angeordnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Aufhebung der Haftanordnung erstrebt.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei aufgrund seiner unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Dass er sich der Abschiebung nicht entziehen werde, habe er nicht glaubhaft gemacht. Die Anordnung der Haft sei auch nicht unverhältnismäßig, weil davon auszugehen sei, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb eines Monats nach dessen Entlassung aus der Untersuchungshaft durchgeführt werden könne. Das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu der Abschiebung des Betroffenen erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft sei in deren Ankündigung zu sehen, im Falle der Aufhebung des Untersuchungshaftbefehls ein Vorgehen nach § 154b Abs. 3 StPO zu erwägen.

III.

5
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet.
6
Der Erlass eines Haftbefehls zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers , gegen den öffentliche Klage erhoben worden ist oder gegen den ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, scheidet aus, solange die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen hierzu nicht erklärt hat. So liegt es hier.
7
1. Ist gegen einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer ein Ermittlungs - oder Strafverfahren eingeleitet, treten das Interesse an der Durchführung des Strafverfahrens und das Interesse an der schleunigen Ausreise bzw. der Abschiebung des Ausländers zueinander in Widerspruch. Nach der in § 72 Abs. 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden Wertung gebührt dem Interesse an der Strafverfolgung der Vorrang. Die Abschiebung darf nur im Einvernehmen mit der ermittelnden bzw. der Staatsanwaltschaft erfolgen, die gegen den Ausländer Anklage erhoben hat. Das "Einvernehmen" der Staatsanwaltschaft ist gegeben, wenn diese der Abschiebung des Betroffenen zugestimmt hat (HkAuslR /Hofmann, § 72 Rdn. 30).
8
Der Vorrang des Strafverfolgungsinteresses hat umgekehrt zur Folge, dass die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung des Ausländers ausscheidet, solange die Staatsanwaltschaft der von der Ausländerbehörde beabsichtigten Abschiebung nicht zugestimmt hat (vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130; OLG Zweibrücken InfAuslR 2003, 157; FGPrax 2006, 188; OLG Hamburg InfAuslR 2006, 27). Weil eine Abschiebung nicht erfolgen darf, ist für ihre Sicherung durch eine Inhaftierung des Betroffenen kein Raum.
9
Das zur Abschiebung notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft bedeutet kein zeitweiliges Abschiebungshindernis, das ein ausreisepflichtiger Ausländer in den Grenzen von § 62 Abs. 2, 3 AufenthG hinzunehmen hat. Ein derartiges Hindernis bilden nur Umstände, die von den deutschen Behörden nicht beherrscht werden. So liegt es bei dem Ausstehen des zur Abschiebung eines Ausländers, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren anhängig ist, notwendigen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht (a.M. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130; OLG Zweibrücken InfAuslR 2003, 157). Die Erteilung des Einvernehmens bedeutet vielmehr eine Entscheidung, die die Staatanwaltschaft nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat. Wird das Einvernehmen erteilt, tritt das Interesse an der Strafverfolgung des Betroffenen hinter das Interesse an dessen Abschiebung zurück. Wird die Zustimmung verweigert, scheidet die Abschiebung des Betroffenen bis zur Beendigung der gegen diesen laufenden Ermittlungen bzw. des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens aus.
10
2. Dass die Staatsanwaltschaft im Falle der Aufhebung der Untersuchungshaft des Betroffenen "erwägt, nach § 154 Abs. 3 StPO vorzugehen", be- deutet, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, weder, dass die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zur Abschiebung des Betroffenen erklärt hat, noch ist diese Feststellung mit dem Inhalt des Untersuchungshaftbefehls zu vereinbaren, nach welchem seitens der Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Betroffenen erhoben worden ist.

III.

11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Beteiligte zu 2 zu Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
12
Die Festsetzung des Gegenstandwerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 26.02.2010 - 700 XIV 7 B/2010 -
LG Kassel, Entscheidung vom 02.03.2010 - 3 T 160/10 -

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 223/09
vom
6. Mai 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Unterbleibt die Belehrung eines Betroffenen nach dem Konsularvertrag zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien
vom 30. Juli 1956 bzw. nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK bei der Inhaftierung, leidet
die Anordnung der Freiheitsentziehung an einem Verfahrensmangel, der zu ihrer
Rechtswidrigkeit führt.
BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09 - LG Meiningen
AG Suhl
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 27. November 2009 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R. beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die Anordnung der Haft des Betroffenen durch den Beschluss des Amtsgerichts Pößneck vom 5. November 2009, soweit sie für einen längeren Zeitraum als bis zum 13. November 2009 erfolgt ist, und die Anordnung der Haft durch den Beschluss des Amtsgerichts Suhl vom 17. November 2009 insgesamt rechtswidrig waren. Von den gerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht Pößneck trägt der Betroffene 9/14 mit der Maßgabe, dass von der Erhebung von Dolmetscherkosten abzusehen ist. Weitere gerichtliche Kosten werden nicht erhoben. Der Landkreis Saale-Orla trägt die 5/14 der durch das Verfahren vor dem Amtsgericht Pößneck und die weiteren dem Betroffenen entstandenen außergerichtlichen Kosten. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist Staatsangehöriger von Sierra Leone. Er reiste 2002 illegal nach Deutschland ein. Ein von ihm bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellter Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Der Betroffene wurde unter Androhung der Abschiebung aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats zu verlassen.
2
Am 30. Oktober 2009 beantragte der Beteiligte zu 2 bei dem Amtsgericht Pößneck, den Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung für den Zeitraum vom 5. bis zum 13. November 2009 in Haft zu nehmen. Das Amtsgericht hat den Betroffenen angehört und dem Antrag dahin stattgegeben, dass es mit Beschluss vom 5. November 2009 Sicherungshaft des Betroffen für die Dauer von längstens zwei Wochen und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet hat. Der Betroffene wurde inhaftiert und in die Vollzugsanstalt G. verbracht. Seine für den 13. November geplante Abschiebung wurde wegen eines am 12. November 2009 von dem Betroffenen gestellten weiteren Asylantrag nicht vollzogen.
3
Am 17. November 2009 ersuchte der Beteiligte zu 2 das Amtsgericht Pößneck um Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Suhl, weil eine Verlängerung der Haft beantragt werden solle und aufgrund der Inhaftierung des Betroffenen in G. das Amtsgericht Suhl zuständig geworden sei. Daraufhin beschloss das Amtsgericht Pößneck am 17. November 2009, die Sache an das Amtsgericht Suhl abgegeben.
4
Mit am 17. November 2009 bei dem Amtsgericht Suhl eingegangenem Antrag hat der Beteilige zu 2 die Anordnung von Sicherungshaft des Betroffenen für die Dauer vom 19. November 2009 bis zum 19. Februar 2010 beantragt. Der Betroffene ist wiederum angehört worden. Mit Beschluss vom 17. November 2009 hat das Amtsgericht Suhl die Haft des Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von längstens drei Monaten beginnend mit dem Ende anderer richterlich angeordneter Haftarten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
5
Das Landgericht Meiningen, zu dessen Bezirk das Amtsgericht Suhl gehört , hat die Beschwerde des Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft spätestens mit Ablauf des 20. Dezember 2009 ende. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 wurde die Haftanordnung vom 17. November 2009 am 14. Dezember 2009 aufgehoben und der Betroffene aus der Abschiebehaft entlassen.
6
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene, die Rechtswidrigkeit der Anordnung seiner Haft für den Zeitraum seit dem 14. November 2009 festzustellen.

II.


7
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Ein Selbstmordversuch des Betroffenen und die Begründung seines Asylfolgeantrags, sich im Falle der Abschiebung in Sierra Leone umbringen zu wollen, zeigten, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Die Haftanordnung sei indessen zu beschränken, weil die Abschiebung für den 15. Dezember 2009 beabsichtigt sei und es an einer schlüssigen Begründung für eine längere Inhaftierung fehle.

III.


8
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, zulässig und begründet.
9
1. Das Rechtsmittel ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen auch dann ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft, wenn sich die Hauptsache durch den Ablauf der für die Haft angeordneten Dauer oder die Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat und mit dem Rechtsmittel allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG festzustellen (Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris Rdn. 9 ff.).
10
2. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Einer Entscheidung in der Sache steht nicht entgegen, dass die Beschwerde des Betroffenen am Montag, dem 7. Dezember 2009, bei dem Amtsgericht Pößneck eingegangen und erst am 9. Dezember 2009 von dort an das Amtsgericht Suhl weitergegeben worden ist.
11
a) Die uneingeschränkte Abgabe des Verfahrens hat zur Folge, dass die Sache so anzusehen ist, als wäre das abgegebene Verfahren von Anfang an bei dem annehmenden Gericht anhängig gewesen, an das das Verfahren abgegeben worden ist (OLG München FGPrax 2009, 239; OLG Oldenburg, Beschl. v. 19. August 2009, 13 W 31/09, juris, Rdn. 20). Folge hiervon ist, dass das für das annehmende Amtsgericht zuständige Landgericht auch für das ge- gen eine Entscheidung des abgebenden Amtsgerichts gerichtete Rechtsmittel zuständig ist (BayObLGZ 1982, 261; 1985, 296; BayObLG FamRZ 2004, 1899; OLG München, aaO; OLG Oldenburg, aaO). Damit aber ist die bei dem Amtsgericht Suhl am 9. Dezember 2009 eingegangene Beschwerde verspätet, soweit sie gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pößneck vom 5. November 2009 gerichtet ist.
12
b) Die Beschwerdefrist ist jedoch dadurch gewahrt, dass der Betroffene nicht nur schriftlich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, sondern ausweislich des Protokolls seiner Anhörung durch das Amtsgericht Suhl am 17. November 2009 auch selbst Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt hat. Die Beschwerde ist nicht nur gegen den unmittelbar zuvor bekannt gegebenen Beschluss von diesem Tag gerichtet, sondern nach den Einlassungen des Betroffenen im Rahmen seiner Anhörung dahin auszulegen, dass sie gegen die Inhaftierung des Betroffenen im Allgemeinen und damit auch gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pößneck vom 5. November 2009 gerichtet ist.
13
3. Gegenstand des Fortsetzungsfeststellungsantrags sind die Anordnung der Haft des Betroffenen durch den Beschluss des Amtsgerichts Pößneck, soweit sie für einen längeren Zeitraum als bis zum 13. November 2009 erfolgt ist, und die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht Suhl. Eine solche Antragstellung ist im Fortsetzungsfeststellungsverfahren zulässig, weil in diesem die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung der Haftanordnung zu prüfen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris Rdn. 14).
14
4. Die Anordnung der Haft des Betroffenen durch das Amtsgericht Pößneck für den Zeitraum vom 14. bis zum 19. November 2009 ist schon deshalb rechtswidrig, weil es an einem hierher gehenden Antrag des Beteiligten zu 2 fehlt.
15
Nach § 417 Abs. 1 FamFG darf das Gericht die Freiheitsentziehung nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. Der Antrag muss die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung angeben, § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG. Die Anordnung einer über den Antrag der Behörde hinausgehenden Dauer der Freiheitsentziehung ist unzulässig.
16
5. Das Verfahren gegenüber dem Betroffenen leidet zudem daran, dass er zu keinem Zeitpunkt über sein Recht belehrt worden ist, die konsularische Vertretung seines Heimatlands von seiner Inhaftierung zu unterrichten.
17
Dieses Recht ergibt sich entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zwar nicht aus Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 WÜK, weil Sierra Leone dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen nicht beigetreten ist. Im Verhältnis zu Sierra Leone gilt jedoch der Konsularvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland vom 30. Juli 1956 (BGBl II 1957 S. 285) weiter (Fundstellennachweis zum Bundesgesetzblatt B, S. 162). Art. 17 dieses Abkommens entspricht Art. 36 WÜK. Nach Art. 17 Abs. 3 des Abkommens hat jeder Angehörige eines Staates, für den das Abkommen gilt, "das Recht, jederzeit mit dem zuständigen Konsul in Verbindung zu treten", ohne dass eine Pflicht zur Belehrung hierüber ausdrücklich vereinbart ist. Sie ergibt sich jedoch ohne weiteres daraus, dass das Recht auf konsularische Hilfe ohne eine solche Pflicht im Fall der Inhaftierung und damit im wichtigsten Fall des Rechts im Ergebnis leer läuft. Konsularische Hilfe kann nur gewährt werden, wenn der Konsul von der Situati- on Kenntnis hat, in der sein Tätigwerden von einem Betroffenen möglicherweise gesucht wird.
18
Die Belehrung ist unerlässlicher Bestandteil eines rechtsstaatlichen fairen Verfahrens (vgl. BVerfG NJW 2007, 499, 500). Unterbleibt die Belehrung bei der Inhaftierung, leidet die Anordnung der Freiheitsentziehung an einem grundlegenden Verfahrensmangel, der zu ihrer Rechtswidrigkeit führt. So verhält sich hier.

IV.


19
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Beteiligten zu 2 zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Anlagen des Betroffen zu verpflichten. Von der Erhebung von Dolmetscherkosten ist in Abschiebungshaftsachen abzusehen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 20, juris).

20
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth

Vorinstanzen:
AG Suhl, Entscheidung vom 17.11.2009 - XIV 12/09 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 27.11.2009 - 2 T 298/09 (3) -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 188/11
vom
6. Oktober 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Oktober 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 5. August 2011 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein vietnamesischer Staatsbürger, reiste im März 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde im Juni 2009 bestandskräftig abgelehnt. Aufgrund dieser Entscheidung ist der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen. Seit Juli 2010 war der Aufenthalt des Betroffenen unbekannt. Seine letzte bekannte Wohnanschrift war in Prenzlau.
2
Der Betroffene verfügt über keine Identitätspapiere. Die Beschaffung eines Passes scheiterte, weil die zuständigen Behörden die Ausstellung von Heimreisedokumenten wegen offensichtlich unvollständiger oder unrichtiger Angaben des Betroffenen verweigerten.
3
Er wurde am 25. Juli 2011 in Oranienburg durch die Polizei festgenommen. An demselben Tag hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Auf die Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 5. August 2011 festgestellt, dass die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht den Betroffenen bis zum 1. August 2011 in seinen Rechten verletzt hat; im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen.
4
Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung , soweit er durch sie beschwert ist, die Aufhebung der Haftanordnung erreichen. Zugleich hat er die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der aufrechterhaltenen Haft im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 25. August 2011 zurückgewiesen.

II.

5
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts war die Haftanordnung rechtswidrig , weil das Amtsgericht den Betroffenen nicht über seine Rechte nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK belehrt hat. Jedoch hätten die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung vorgelegen. Die Staatsanwaltschaft habe der Abschiebung des Betroffenen zugestimmt; er sei über seine Rechte nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) belehrt worden; es liege der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor; der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig und seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen , sondern seit Juli 2010 untergetaucht; zudem habe er in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht erklärt, nicht freiwillig ausreisen zu wollen. Es sei zu erwarten, dass der Betroffene nach seiner Teilnahme an einer Vorführungsrunde zur Feststellung seiner Identität zwischen dem 13. und 20. September 2011 sowie unter Berücksichtigung der Regelungen in dem mit der Republik Vietnam vereinbarten Rückübernahmeabkommen mit einem Sammelflug am 18. Oktober 2011 abgeschoben werden könne.

III.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG).
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
9
a) Die Beteiligte zu 2 ist die für die Stellung des Haftantrags zuständige Verwaltungsbehörde (vgl. § 1 Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZV des Landes Brandenburg). Zudem bleibt diejenige Ausländerbehörde, die für den dem Asylbewerber zugewiesenen Aufenthaltsort zuständig ist, für diesen auch dann zuständig, wenn der Ausländer sich unerlaubt aus ihrem Bezirk entfernt, um sich einer angedrohten Abschiebung zu entziehen (Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156, 157 Rn. 13).
10
b) Die Rüge des Betroffenen, das Beschwerdegericht habe die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, weil das notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erstmals in dem Beschwerdeverfahren vorgelegen habe, bleibt ohne Erfolg.
11
aa) Zutreffend ist, dass in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG dargelegt werden muss, dass die zuständige(n) Staatsanwaltschaft(en) allgemein oder im Einzelfall ihr Einvernehmen mit der Abschiebung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erklärt hat (haben), wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen anhängig ist; das Fehlen entsprechender Ausführungen ist dann schon ein Begründungsmangel, der zur Unzulässigkeit des Antrags führt (s. nur Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10 Rn. 9, juris). Ob der Umstand, dass in dem Haftantrag ausgeführt ist, das erforderliche Einvernehmen müsse noch eingeholt werden, die Unzulässigkeit zur Folge hat oder der Haftantrag in diesen Fällen unbegründet ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung lag das Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft vor.
12
bb) Unerheblich ist, dass nach der Rechtsprechung des Senats die mit der Inhaftierung aufgrund eines unzulässigen Haftantrags einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10 Rn. 7, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 14, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19). Liegt nämlich im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) vor, kann das dazu führen, dass insoweit erstmals ein zulässiger Haftantrag vorhanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Das ist dann der Fall, wenn die den Haftantrag stellende Behörde die Antragsbegründung um die Darlegungen zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Ab diesem Zeitpunkt fehlt es jedenfalls im Hinblick auf das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) nicht mehr an einem zulässigen - und insoweit begründeten - Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft.
13
So ist es hier. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen am 1. August 2011 im Beisein seines Verfahrensbevollmächtigten und eines Dolmetschers persönlich angehört. Der dabei ebenfalls anwesende Vertreter der beteiligten Behörde hat laut Protokoll über den Anhörungstermin Ablichtungen der staatsanwaltschaftlichen Zustimmungen zu der Abschiebung überreicht. Diese befinden sich auch in den Ausländerakten.
14
c) Die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Belehrung des Betroffenen nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl. 1969 II S. 1585 - Wiener Konsularübereinkommen, WÜK), dessen Vertragsstaat Vietnam ist (BGBl. II 1994, 308), reicht für das Aufrechterhalten der Haft aus. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass das Recht auf konsularische Hilfe nur dann effektiv in Anspruch genommen werden kann, wenn die Vertretung des jeweiligen Heimatlandes , wie in Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 WÜK vorgeschrieben, unverzüglich von der Inhaftierung unterrichtet wird (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 aE), so dass eine Heilung nicht in Betracht kommt, wenn etwa die Botschaft in dem späteren Verlauf des Verfahrens Kenntnis von der Inhaftierung eines Staatsangehörigen erhält (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 23/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10, InfAuslR 2011, 119, 120 Rn. 7). Es ist hier aber weder über eine rückwirkende Heilung des Verfahrensfehlers noch über eine zufällige Kenntnis der Vertretung des Heimatstaates von der Inhaftierung zu entscheiden. Es geht vielmehr allein um die Rechtmäßigkeit der Beschwer- deentscheidung, mit der die Haft für die Zukunft aufrechterhalten worden ist. Sie ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Betroffene ist während seiner Anhörung belehrt worden und war nunmehr in der Lage zu entscheiden, ob er konsularische Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Damit ist dem Sinn und Zweck des Art. 36 WÜK ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen.
15
d) Die nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG von dem Beschwerdegericht angestellte Prognose ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift darf Sicherungshaft nur angeordnet werden, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 14 mwN). Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Vorführungsrunde im September 2011 sowie der Regelung über das Listenverfahren in dem Protokoll zu dem deutschvietnamesischen Rückübernahmeabkommen vom 21. Juli 1995 die Abschiebung des Betroffenen am 18. Oktober 2011 und somit innerhalb des verbleibenden Haftzeitraums erfolgen kann. Eine etwaige mit diesen Erwägungen verbleibende Ungewissheit geht bei der - wie hier - erstmaligen Anordnung der Haft für drei Monate zu Lasten des Betroffenen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 122/11 Rn. 14, juris; BVerfG, NJW 2009, 2659 f. Rn. 19).
16
e) Die Beteiligte zu 2 hat auch das Beschleunigungsgebot (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) beachtet. Dass die Vorführungsrunde erst im September 2011 stattfinden konnte, ist der Behörde nicht zuzurechnen, weil sie auf die Bearbeitung der Verfahren durch die beteiligten ausländischen Behörden keinen Einfluss hat und der Ausländerbehörde dortige Verzögerungen nicht zuzurechnen sind (Senat , Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZA 2/10 Rn. 16, juris).
17
f) Ob und in welchem Umfang das amtsgerichtliche Verfahren an Mängeln leidet, bedarf keiner Entscheidung. Die entsprechenden Rügen in der Beschwerdebegründung gehen ins Leere. Das Beschwerdegericht hat nämlich festgestellt, dass die Haftanordnung rechtswidrig war und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Damit hat es im Wege der Auslegung des Rechtsschutzinteresses des Betroffenen über den aufgrund der Vollstreckung bis zum 1. August 2011 erledigten Teil der amtsgerichtlichen Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden. Dass das Beschwerdegericht daneben die Haftanordnung für diesen Zeitraum nicht (auch) ausdrücklich aufgehoben hat, ist unschädlich. Die konkludente Aufhebung ergibt sich aus dem Tenor im Zusammenhang mit den Gründen seiner Entscheidung.

IV.

18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 und § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO.
19
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Oranienburg, Entscheidung vom 25.07.2011 - 43c XIV 3/11 -
LG Neuruppin, Entscheidung vom 05.08.2011 - 5 T 154/11 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.