Landgericht München II Endurteil, 15. Nov. 2018 - 31 S 2182/18

bei uns veröffentlicht am15.11.2018

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 01.02.2018, Az. 472 C 18927/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.473,18 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Vornahme einer Mietminderung durch die beklagte Mieterin aufgrund einer benachbarten Großbaustelle im Rahmen einer Zahlungsklage der Klägerin als Vermieterin.

Das Erstgericht hat der Klage in Höhe von € 63,80 stattgegeben mit der Begründung, dass der Klagepartei nur ein Anspruch auf Zahlung des rückständigen Mietzinses für Monat April 2016 in Höhe von 63,80 € gem. § 535 Abs. 2 BGB zustehe. Im Übrigen bestehe für die Monate Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 kein weiterer Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses, da die restlichen Mietzinszahlungsansprüche wegen einer berechtigten Mietminderung der Beklagten aufgrund der von der benachbarten Großbaustelle ausgehenden Einwirkungen nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes gemindert sei.

Mit der klägerseits eingelegten Berufung verfolgt diese ihre ursprünglichen Klageanträge soweit ihnen nicht stattgegeben wurde weiter.

Hierzu trägt die Klagepartei insbesondere vor, es läge auf der Hand, dass in einer Großstadt wie München, in der eine erhebliche Nachfrage nach Wohnungen bestehe, mit Bautätigkeit gerechnet werden müsse, wenn in einem bevorzugten Wohngebiet unmittelbar neben der Wohnbebauung auf dem Grundstück alte Gewerbegebäude stehen, die nicht mehr genutzt würden. Auch dann handle es sich bei deren Abriss mit nachfolgender Neubebauung um eine vorübergehende Erscheinung, die nur so lange andauere, bis eben die Bebauung des Grundstücks fertiggestellt worden sei. Hierbei sei die grundsätzliche Entwicklung zu berücksichtigen, dass Gewerbebetriebe, die in den Städten ursprünglich auch in Mischgebieten vorhanden gewesen seien, immer mehr abnehmen. Diese Änderung der Lebenswirklichkeit mit dem positiven Effekt, dass auch die negativen Begleiterscheinungen einer Gewerbeansiedlung wie zum Beispiel störende Immissionen abnehmen, komme den Bewohnern und somit auch den Mietern zugute. Umgekehrt müssten dann lediglich temporär auftretende Belastungen durch Abriss und Bebauung eines Nachbargrundstücks, die letztlich zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes wie hier für die Wohnung der Beklagten führen, hingenommen werden.

Diese Sicht sei auch konsequent, weil der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf habe, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestünden.

Es gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko, dass Mieter im Laufe eines Vertragsverhältnisses mit sich ändernden Umweltbedingungen, die insoweit auch Auswirkungen auf die tatsächlichen Mietverhältnisse haben könnten, rechnen müssen. Dadurch werde der Mieter nicht benachteiligt, schon gar nicht, wenn im Endeffekt eine vorteilhafte Entwicklung für ihn eintrete, nämlich die Beseitigung eines störenden Gewerbebetriebs und stattdessen die Errichtung einer Wohnbebauung, von der derartige störende Einflüsse nicht ausgehen würden.

Es sei systemwidrig, die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Sachen rechtliche Vorschrift, die ausschließlich das nachbarschaftliche Verhältnis des Eigentums und nicht das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter regle, auf das Schuldverhältnis zwischen Vermieter und Mieter, auch nur als Ausgleichsmaßstab anzuwenden.

Vielmehr müsse das streitgegenständliche Problem im Rahmen des schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter gelöst werden. Dies biete sich auch anhand des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12, an.

Die streitgegenständliche Baumaßnahme sei, wie sich dem Sachverständigengutachten entnehmen lasse, in der konkret durchgeführten Art und Weise ortsüblich.

Eine schuldrechtliche Lösung des Problems sei unter Hinzuziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben möglich.

Wenn dann, wie hier, die Umstände in einer Großstadt zu berücksichtigen seien, der Vermieter auch keine Möglichkeiten habe, den Baulärm durch Verhinderung der Baumaßnahme selbst zu beeinflussen und die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages und angesichts solcher Entwicklung und eine Gewähr für den Zustand des Nachbargrundstücks, wie er bei Abschluss des Mietvertrages bestand, nicht übernommen haben, wäre es unbillig und ungerechtfertigt, die Klägerin nunmehr mit den Mietminderungen zu belasten (BGH Entscheidung vom 29.04.2015 Az.: VIII ZR 197/14).

Der bisherigen Rechtsprechung der hiesigen Berufungskammer, Landgericht München I, Urteil vom 27.10.2016 - 31 S 58/16 -, sei entgegenzuhalten, dass der BGH jedenfalls auch die Meinung vertreten habe, dass in Innenstadtlagen mit vorübergehenden Lärmbelästigungen immer gerechnet werden müsse, so lange sie sich in den üblichen Grenzen halten und insofern das Recht des Mieters, die Miete in solchen Fällen zu mindern, verneine (BGH Entscheidung vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12). Die Klägerin wendet sich auch gegen die Höhe der durch das Amtsgericht festgestellten Mietminderung. Vorliegend wäre höchstens eine Minderung von 10 bis 15% der Miete unter Berücksichtigung der gutachterlichen Ausführungen sowie der Ausführungen der vernommenen Zeugen in Anlehnung an die Rechtsprechung des Berufungsgerichts richtig gewesen.

Die Klägerin beantragt,

  • 1.das Urteil des Amtsgerichts München vom 01.02.2018, Az.: 472 C 18927/16, wird aufgehoben, soweit darin die Anträge der Klägerin abgelehnt worden sind.

  • 2.die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.536,98 nebst fünf Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu bezahlen und zwar aus 197,82 € seit dem 06.10.2015, 197,82 € seit dem 05.11.2015, 197,82 € seit dem 04.12.2015, 45,97 € seit dem 06.01.2016, 45,97 € seit dem 04.02.2016, 45,97 € seit dem 04.03.2016, 311,07 € seit dem 06.04.2016, 247,27 € seit dem 05.05.2016, 247,27 € seit dem 04.06.2016.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts München vom 01.02.2018, Az.: 472 C 18927/16, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Erstgerichts für zutreffend. Sie trägt hierzu nochmals vor, die Beklagte habe in einer umfassenden Dokumentation, die aus vielen Texten und auch einer großen Anzahl von Bildern bestehe, nachgewiesen, dass Lärm- und Schmutzbelästigungen in erheblichen Umfange bestanden hätten. Diese Immissionen seien auch weit über den Zeitraum hinausgegangen, für den eine Mietminderung geltend gemacht worden sei. Als die Beklagte schließlich wieder den vollen Mietzins entrichtet habe, sei dies unter dem Vorbehalt der Rückforderung geschehen.

Die Ansicht der Klagepartei, dass § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegend nicht anwendbar sei, sei unzutreffend. Zwar lasse § 906 BGB Einwirkungen zu, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, gestehe aber den Betroffenen einen angemessenen Ausgleich zu, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, § 902 Abs. 2 S. 2 BGB.

Der BGH habe in seiner Entscheidung vom 29.04.2015, Az.: VIII ZR 197/14, festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietparteien untereinander keine Anwendung finde, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten nicht ausschließe, wie es auch die hiesige Kammer des Landgerichts in der Entscheidung 31 S 58/16 gesehen habe. Eine Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 152/12, sei nicht gegeben, da sich dieses Urteil ausschließlich mit erhöhtem Verkehrslärm aufgrund von Straßenbauarbeiten, aber nicht mit reinem Baulärm befasse. Straßenbauarbeiten dienten der Allgemeinheit, während nachbarlicher Baulärm durch individuelle Baumaßnahmen erzeugt werde, der nicht der Allgemeinheit zugute komme, sondern nur einzelnen Personen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts München Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in 2. Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Urteil des Erstgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine anderweitige Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Insbesondere begründen nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Erstgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht ist zutreffend wegen Baulärms zu Minderungsansprüchen der Beklagten gemäß § 536 Abs. 1 BGB in der auf Seite 9 Ziffer 3 ausgeurteilten Beträge gelangt. Das Gericht hat bei Unterteilung des Baulärms für den Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 in Bauphase I (Abriss und Grundarbeiten) und für den Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2016 in Bauphase II (Hochbauarbeiten) eine Minderungsquote von 30% pro Monat für die Bauphase I und von 25% für die Bauphase II für angemessen erachtet.

Die hiesige Berufungskammer hält auch in teilweise geänderter Besetzung an ihrer Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 fest (vgl.LG München I, Urteile vom 14.01.2016, Az. 31 S 20691/14; vom 27.10.2016, Az: 31 S 58/16).

1. Der Ansicht der Klägerin, dass temporär auftretende Belastungen durch Abriss- und Bebauung eines Nachbargrundstücks, die letztlich zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes, wie hier für die Wohnung der beklagten Mieterin führen, hingenommen werden müssen, ist nicht zutreffend. Dies gilt auch nicht deshalb, weil ein Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen.

Zutreffend ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen haben, dass der im Rahmen dieser Vereinbarung näher zu definierende übliche Lärm geduldet werden muss. Üblicher Baulärm ist nicht grundsätzlich zu dulden.

2. Die Beweislast für die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms liegt bei der Klägerin als Vermieterin, soweit diese sich in der Klageschrift auf die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms in Abwesenheit einer die Baumaßnahme erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung beruft.

Vorliegend hat das Amtsgericht auf Seite 6 seines Urteils zutreffend festgestellt, dass hier keine konkrete Parteiabrede zur Beschaffenheitsvereinbarung der Mietsache vorliegt. Zutreffend führt das Erstgericht sodann weiter aus, dass mangels Vorliegens einer Beschaffenheitsvereinbarung eine ergänzende Vertragsauslegung zu erfolgen hat (Seite 7 des Ersturteils).

Hierzu hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass sich den Parteien bei Vertragsschluss, wenn sie die erhöhten Geräuschimmissionen bei Vertragsschluss bedacht hätten, die Frage hätte aufdrängen müssen, ob die Vermieterpartei überhaupt in der Lage sein würde, dem erhöhten Immissionsanfall durch die benachbarte Großbaustelle zu begegnen. Wobei hier gleichzeitig die Gegebenheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 906 BGB und die Duldungspflicht gemäß § 906 Abs. 1 S. 2 BGB bei unwesentlichen Beeinträchtigungen sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und Ausgleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen wären. Deshalb wäre auch vorliegend § 906 BGB zur ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen gewesen.

Das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um für ihn zu dem positiven Ergebnis zu gelangen, dass kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache vorliegt, ist ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (vgl. Landgericht München I, Az: 31 S 58/16, Urteil vom 27.10.2016, Seite 7; ebenso Klimesch, ZMR 2016, 516; MeyerAbich, NZM 2018, 427, 431).

Vorliegend handelt es sich um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzten Mangel, welche auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser erhält zum einen die eigentliche tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter die Beweislast trägt und zum anderen muss hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies ist eine Ausnahme bei der kein Mangel vorliegt, für die die Darlegungs- und Beweislast der Vermieter trägt, da dies nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat, sondern es sich um einen den Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand handelt. Dem Vermieter kommt damit letztlich dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu, wie einem Emittenten, im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden (BGH, Urteil vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82). Danach sei es u.a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGB Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grund8sätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebensowenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks - wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine „größere Nähe“ bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“ (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u.a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

3. Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (NZM 2016, 239) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch aaO.; vgl. auch Flatow, jurisPR-MietR 25/2016 Anm. 1, welche die Argumentation von Selk als nicht zwingend und beide Ansichten als sicherlich dogmatisch begründbar ansieht). Von daher besteht für die Kammer keine Veranlassung, von ihrer bisherigen Ansicht abzuweichen.

4. Zutreffend führt das Erstgericht aus, dass eine Minderung entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht deshalb von vorneherein ausgeschlossen ist, weil in Großstädten Baulärm regelmäßig hinzunehmen sei. Denn ein solcher Grundsatz ist gerade nicht anzuerkennen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Straßenbauarbeiten in einer Innenstadtlage, wonach eine vorübergehende, erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigten Mangel der vermieteten Wohnung darstellt (BGH Urteil vom 19.12.2012, Az.: VIII ZR 15212), steht dem nicht entgegen, denn für Baulärm gilt diese Rechtsprechung nach Überzeugung des Gerichts nicht. Die Rechtsprechung zu Verkehrslärm ist auf Baulärm nicht übertragbar. Dies folgt aus der sogenannten Bolzplatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.04.2015 - Az.: VIII ZR 197/14. Wie das Erstgericht auf Seite 8 seines Urteils ausführt, hat der Bundesgerichtshof die Übertragbarkeit der Grundsätze der Verkehrslärmentscheidung auf die Einwirkungen von Baulärm einer benachbarten Baustelle in seiner Entscheidung vom 29.04.2015, VIII ZR 197/14, dort Ziffer 35, gerade nicht aufrechterhalten. In Großstadtlagen ist nicht generell mit Baulärm zu rechnen, im Gegensatz zu Straßenlärm, der dort regelmäßig auftritt.

5. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Die Kammer ist nach § 529 Abs. 1 2. HS ZPO an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH Urteil vom 12.03.2004 - V ZR 257/03, NJW 2004, 1876 unter II 2 a, Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171).

Ein solcher Verfahrensfehler läge vor, wenn die Beweiswürdigung des Amtsgerichts den Anforderungen der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO nicht genügen würde. Dies wäre dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen würde (BGH Urteil vom 09.07.1999 - V ZR 12/98, NJW 1999, 3481 unter II 2; BGH Urteil vom 12.03.2004 - V ZR 257/03).

An diesen Grundsätzen gemessen, ist das amtsgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden. Es verstößt auch nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Das Amtsgericht hat nach einer umfassenden Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung die Zeugen W., M. und E. sowie die Beklagte informatorisch angehört und ist im Urteil rechtsfehlerfrei und für die Kammer unangreifbar zu der Überzeugung gelangt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum erhebliche Lärmeinwirkungen auf die Wohnung der Beklagten durch die benachbarte Großbaustelle erfolgt sind (Seiten 9ff. des Ersturteils) und diese so erheblich waren, dass auch die Klagepartei diese gegenüber dem Bauherren nicht nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB hinnehmen mußte, sondern vielmehr nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB einen angemessenen Entschädigungsbetrag vom Verursacher verlangen kann (Seite 12 des Ersturteils). Die umfassende Beweiswürdigung der amtsgerichtlichen Entscheidung durch Zeugen sowie Sachverständigenbeweis ist nicht zu beanstanden.

6. Auch ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat. Denn bei jeder Baustelle, insbesondere bei besonders großen Baustellen, unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Immissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch keine Arbeiten durchgeführt werden. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung ggf. über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden, und damit für den Mieter besonders gravierenden, Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage, ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung, angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - eine geringe Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2016, Az. I ZR 90/14, wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis einer richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

7. Auch die Höhe der hier erstgerichtlich festgesetzten Minderungsquoten nach Unterteilung in Bauphasen I (Abriss und Grundarbeiten) von 30% pro Monat sowie für Bauphase II (Hochbauarbeiten) von 25% pro Monat für zutreffend. Das Amtsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise zu diesem Ergebnis gelangt. Denn das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte ausreichend substantiiert zu den Umständen vorgetragen hat, die zur Mietminderung führen. Hier war für den Zeitraum Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 in einem Abstand von um die 14 Metern zur Wohnung der Beklagten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung Bl. 990 d.A.) eine Großbaustelle, die die Beklagtenpartei anhand der von ihr zu den Akten gereichten Fotoaufnahmen nebst Protokoll der Bauarbeiten eindringlich geschildert hat (Blatt 32 bis 115 d.A.). Gemäß der Projektbeschreibung des Bauprojekts gemäß Anlage B 2 (Blatt 119 d.A.) betrug die BGF m2, worauf Wohneinheiten errichtet werden sollten.

Dass für die Bewältigung eines solchen Großprojektes ein erhebliches Aufkommen an Baufahrzeugen, Verkehr, Maschineneinsatz und daraus notwendigerweise folgenden Lärm und Schmutzimmissionen erforderlich ist, liegt auf der Hand und ist auch durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) G. vom 03.11.2017 sowie dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2018 bestätigt worden. Auf die hierzu ausführlichen Ausführungen des Erstgerichts auf Seite 11 des Ersturteils wird Bezug genommen. Die erstgerichtlich festgesetzten Minderungsquoten, die immer eine Einzelfallbeurteilung anhand des konkreten Parteivorbringens nebst der durchgeführten Beweisaufnahme durch Zeugen und Sachverständigenbeweis beinhalten, sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Klagepartei kann hier nicht lediglich eine Minderung von 15% als gerechtfertigt erachtet werden, weil die Kammer im Verfahren 31 S 20691/14 durch Entscheidung vom 14.01.2016 zu einer Minderungsquote im dortigen Verfahren von 15% gelangt ist. Denn für jeden konkreten Fall ist eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Eine generelle Vergleichbarkeit einer Großbaustelle mit einer anderen ist nicht gegeben. Die Bemessung der Höhe des Schadenersatzanspruches ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 Abs. 1 ZPO berufenen Tatrichters. Es ist nicht ersichtlich, dass das Erstgericht die Grundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hätte.

8. Zutreffend geht das Erstgericht auch davon aus, dass das Minderungsrecht der Beklagten nicht nach § 536b BGB ausgeschlossen ist, da für die Beklagte bei Anmietung allenfalls eine abstrakte Möglichkeit bestand, dass das Gebäude möglicherweise in Zukunft abgerissen werden könnte und dies für § 536 BGB gerade nicht ausreicht (Seite 11 des Ersturteils). Die Beklagte hat die Wohnung 1997 bezogen. Damals konnte die Beklagte, die auch in der informatorischen Anhörung in der Berufungsverhandlung nochmals geschildert hat, dass das streitgegenständliche alte Gebäude zu Beginn des Mietverhältnisses noch genutzt wurde -insoweit nicht protokolliert-, nicht konkret damit rechnen, dass das gesamte Areal abgerissen und neu bebaut wird. Auch das Erstgericht ist auf Seite 11 unten zur Überzeugung gelangt, dass zur Zeit des Einzugs der Beklagten 1997 keineswegs ein leerstehendes Fabrikgebäude auf dem Gelände der heutigen Großbaustelle vorhanden war, sondern ein Gebäude der Firma A., auf welchem bis Ende 2013 Personen- und Arbeitsverkehr war. Dies deckt sich mit den Angaben der Beklagten in der Berufungsverhandlung. Erforderlich sind konkrete und nicht lediglich abstrakte Anhaltspunkte einer Vorhersehbarkeit von Baumaßnahmen (vgl. Entscheidung der Kammer Az: 31 S 58/16 Seite 10 Ziffer 4).

9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, ZPO. Der Streitwert wurde gemäß §§ 3, 47 GKG festgesetzt.

10. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO zuzulassen. Die Frage der Beweislastverteilung im Falle einer Mietminderung bei nachträglich erhöhten Immissionen durch Großbaustellen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung, kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig und kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Gerade die Frage der Darlegungs- und Beweislast ist in vielen Fällen prozessentscheidend.

Urteilsbesprechung zu Landgericht München II Endurteil, 15. Nov. 2018 - 31 S 2182/18

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 536b Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme


Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den

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Landgericht München II Endurteil, 15. Nov. 2018 - 31 S 2182/18 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landgericht München II Endurteil, 15. Nov. 2018 - 31 S 2182/18 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2012 - VIII ZR 152/12

bei uns veröffentlicht am 19.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 152/12 Verkündet am: 19. Dezember 2012 Vorusso, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2004 - V ZR 257/03

bei uns veröffentlicht am 12.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 257/03 Verkündet am: 12. März 2004 W i l m s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: j

Landgericht München I Endurteil, 14. Jan. 2016 - 31 S 20691/14

bei uns veröffentlicht am 14.01.2016

Gründe Landgericht München I Az: 31 S 20691/14 IM NAMEN DES VOLKES Urteil vom 14.01.2016 vorgehend: 417 C 12574/14 AG München Leitsätze: In dem Rechtsstreit ... wegen Forderung erlässt das

Landgericht München I Urteil, 27. Okt. 2016 - 31 S 58/16

bei uns veröffentlicht am 27.10.2016

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergeric

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2016 - I ZR 90/14

bei uns veröffentlicht am 21.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 90/14 Verkündet am: 21. Januar 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2015 - VIII ZR 197/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 197/14 Verkündet am: 29. April 2015 Vorusso, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: j

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(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 152/12 Verkündet am:
19. Dezember 2012
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug
auf die Mietsache (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. September 2009
- VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133).

b) Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der zum vertragsgemäßen
Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache nach der Verkehrsanschauung
unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des
Grundsatzes von Treu und Glauben.

c) Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von Straßenbauarbeiten
stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie
sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung
berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12 - LG Berlin
AG Berlin-Pankow/Weißensee
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 17. April 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 22. März 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind seit dem Jahr 2004 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Das Mietshaus befindet sich in der S. , die zu Mietbeginn keine unmittelbare Verbindung mit der davor liegenden P. S. hatte. Von Juni 2009 bis November 2010 wurde der stadteinwärts fahrende Ver- kehr, den bis dahin die P. S. aufgenommen hatte, über die S. geleitet, die zu diesem Zweck als Einbahnstraße und mit einem direkten Zugang zur P. S. ausgestattet wurde. Der Grund für die geänderte Verkehrsführung lag in (vorübergehenden) umfangreichen Straßenbauarbeiten auf der gesamten Länge der P. S. . Die Beklagten minderten wegen der gestiegenen Lärmbelastung die Miete ab Oktober 2009.
2
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete von Oktober 2009 bis November 2010 in Höhe von insgesamt 1.386,19 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgege- ben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Verurteilung der Beklagten - unter Klageabweisung im Übrigen - auf 553,22 € nebst Zinsen ermäßigt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
5
Die von den Beklagten zu zahlende Miete sei ab 1. Dezember 2009 gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB um 10 % gemindert, weil die Lärmbelästigung durch die umgeleiteten Verkehrsströme erheblich über dem bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbarten Zustand liege. Für die Monate Oktober und November 2009 stehe den Beklagten dagegen kein Recht auf Minderung zu.
6
Zwar sei es anerkannt, dass Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs durch Baulärm, auch von Straßenbaustellen, zu einer Mietminderung führen könnten. Die Kammer halte es jedoch in Anlehnung an vorangegangene Instanzrechtsprechung (AG Fürth, WuM 2007, 317; AG Frankfurt/ Oder, ZMR 2003, 268) für angemessen, mittelbare Beeinträchtigungen durch hoheitliche Straßenbaumaßnahmen - wie hier die erhöhte Lärmbelastung aufgrund der temporären Umleitung von Verkehrsströmen - grundsätzlich als das allgemeine Lebensrisiko eines jeden Bürgers einzuordnen, dessen Folgen ihn nicht zur Minderung der Miete berechtigten. Dies finde jedoch dort seine Grenze , wo die Beeinträchtigungen den zeitlichen Umfang dessen überschritten, womit ein Mieter als allgemeines Lebensrisiko rechnen müsse. Diese Grenze sei bei straßenbaubedingten Lärmbelästigungen nach Ablauf von sechs Monaten ab Beginn der erhöhten Lärmbelastung zu ziehen.

II.

7
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Den Beklagten steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hinsichtlich des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums kein Recht auf Minderung der vereinbarten Miete zu.
8
1. Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertrag- lich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien (Senatsurteile vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133 Rn. 11; vom 17. Juni 2009 - VIII ZR 131/08, NJW 2009, 2442 Rn. 9; vom 6. Oktober 2004 - VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218 unter II 1), die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können (Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 14; Senatsbeschluss vom 2. November 2006 - VIII ZR 52/05, WuM 2005, 774 Rn. 2). Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler; vgl. zu diesem Begriff: MünchKommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 536 Rn. 14 f.; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 3. Aufl., § 536 Rn. 29a; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 536 Rn. 26 ff.; Soergel/ Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 536 Rn. 8 ff.), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 12 ff:, BGH, Urteil vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03, NJW 2006, 899 Rn. 19). Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO; BGH, Urteil vom 10. Mai 2006 - XII ZR 23/04, NZM 2006, 582 Rn. 10).
9
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, die gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss in der Wohnung vernehmbare erhöhte Lärmbelastung stelle jedenfalls ab dem siebten Monat seit dem Entstehen der erhöhten Lärmwerte einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar, durchgreifenden Bedenken.
10
a) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht nicht näher begründete Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages hinsichtlich zukünftiger, von Dritten verursachter Lärmbelästigungen den zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags als unverändert bestehend bleibend "stillschweigend vereinbart". Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand - wie hier den in der Wohnung zu vernehmenden Straßenlärm - in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnimmt (etwa: "ruhige Lage") und er sich (möglicherweise auch) wegen dieses Umstands dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 14). Die Voraussetzungen, unter denen hiernach eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, ergeben sich weder aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen noch aus den sonstigen Umständen.
11
b) Auch die Bestimmung des zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) führt nicht dazu, dass in der durch die straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verursachten erhöhten Lärmbelastung ein Mangel zu sehen wäre, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum zur Minderung berechtigte.
12
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Berufungsgericht in seinem Urteil Bezug nimmt, stellen die von den Beklagten vorgetragenen (gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsschluss erhöhten) Lärmwerte, ausgehend von der im Berliner Mietspiegel 2009 aufgestellten Grenze der Verkehrslärmbelastung, keine hohe Belastung dar. Unter Berücksichtigung dessen, dass sich die vermietete Wohnung in der Berliner Innenstadt befindet, mithin in einer Lage, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer zu rechnen ist, haben die Beklagten diese (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen. Davon ist im Ansatz auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Für seine Annahme, die vereinbarte Miete sei ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärmbelastung gemindert, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Denn eine vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich - wie hier - innerhalb der in Berliner Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar.

III.

13
Nach alledem kann das Berufungsurteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des die Klage im vollen Umfang zusprechenden amtsgerichtlichen Urteils durch Zurückweisung der Berufung. Ball Richter am BGH Dr. Frellesen Dr. Hessel ist dienstunfähig erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Ball Karlsruhe, den 16.01.2013 Dr. Achilles Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 22.03.2011 - 8 C 413/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 17.04.2012 - 65 S 181/11 -

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten zu 1) und 2). Diese tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.123,04 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Miete. Die Klägerin beruft sich auf eine Mietminderung aufgrund von Baustellenlärm auf dem Nachbargrundstück des von der Beklagten angemieteten Reihenhauses.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage in Bezug auf den hilfsweise gestellten Zahlungsanspruch in Höhe von 3.123,04 € stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, in dieser Höhe sei die Miete wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache aufgrund von Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung gemindert gewesen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das der Streithelferin zu 1), wie auch der Beklagten selbst am 03.12.2015 zugestellte Urteil hat die Streithelferin am Montag, den 04.01.2016, für die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.03.2016 an diesem Tag begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2016 erklärt, der Berufungseinlegung durch die Streithelferin nicht zu widersprechen und der Berufungsbegründung zu folgen.

Die Beklagte und die Streithelfer sind der Auffassung, dass die vom Amtsgericht vorgenommene taggenaue Minderungsberechnung willkürlich und im Übrigen nicht nachvollziehbar ist. Das Gericht habe zudem mehr zugesprochen als beantragt, weil maximal Minderungen von 30% beantragt waren, das Gericht aber zum Teil eine Minderungsquote von 60% angenommen habe. Eine pauschalierte Minderung sei nicht zulässig. Eine durchgehende unzumutbare Belastung habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil Baustellenlärm per se hinzunehmen sei, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte. Der klägerische Vortrag sei insoweit auch bereits unsubstantiiert, da nicht erkennbar sei, in welchem Zeitraum, zu welchen Tageszeiten und in welcher Frequenz die behaupteten Lärmbelastungen aufgetreten sein sollen. Die Klägerin hätte ihren Vortrag durch ein Lärmprotokoll substantiieren müssen. Die Annahme, dass die Minderung nicht wegen Vorhersehbarkeit nach § 536b BGB ausgeschlossen sei, grenze an Willkürlichkeit. Es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse. Konkrete Anhaltspunkte seien nicht notwendig. Es reiche daher, dass es unstreitig im Münchener Stadtteil Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gebe, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führe, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Gerade bei einer langen Dauer des Mietverhältnisses wie demjenigen der Klägerin müsse mit Veränderungen gerechnet werden. Die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms liege bei der Klägerin. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) sei keine Abkehr von der Verteilung der Beweislast des eine Minderung begehrenden Mieters verbunden. Dieser habe zunächst konkret Art, Umfang und Auswirkung der behaupteten Immissionen darzulegen. Die Frage der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit sei den üblichen Beweislastregeln folgend zu beurteilen und obliege demnach der Klägerin.

Die Beklagte und die Streithelfer beantragen,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 den Rechtsstreit an das AG München zu erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung, weil diese erst am 05.01.2016 an das Gericht gefaxt worden sei. Außerdem sei der Nebenintervenient nicht berechtigt, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die vom Amtsgericht angesetzte pauschalierte Minderungsquote sei nicht zu beanstanden. Bei umfangreichen Bauarbeiten sei grundsätzlich von einer Minderung während der gesamten Bauzeit auszugehen. Dies habe auch die Beweisaufnahme ergeben. Die Minderungsquote sei auch nachvollziehbar und das Amtsgericht habe nicht gegen die Antragsbindung nach § 308 ZPO verstoßen, da mit dem Leistungsantrag eine Zahlung beantragt worden ist, deren Höhe das Amtsgericht mit der ausgeurteilen Zahlungspflicht nicht überschritten habe. Schließlich habe das Amtsgericht zutreffend angenommen, dass die Minderung nicht gem. § 536b BGB ausgeschlossen ist. Die Klägerin habe bei Abschluss des Mietvertrages nicht mit Bauarbeiten diesen Ausmaßes rechnen müssen. Die Erkennbarkeitsdoktrin des Kammergerichts Berlin sei im Übrigen durch die Bolzplatzentscheidung des BGH hinfällig. Es reiche nicht schon die Vorhersehbarkeit bestimmter Umstände, sondern diese müssten erkennbar Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden sein. Die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit von Einwirkungen seien schließlich immer vom Emittenten nachzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2016 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO) und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO). Die Berufung ging ausweislich des Faxeingangsstempels am 04.01.2016 bei Gericht ein, was ausreicht (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO) und lediglich das Original folgte am nächsten Tag. Der Antrag der Streithelferin zu 1) auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkt auch zugunsten der Hauptpartei (BGH Urt. v. 26.03.1982 - V ZR 87/81).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Es beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs.1 ZPO). Insbesondere begründen nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht wegen Mietminderung einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.123,04 € zugesprochen.

1. Der klägerische Vortrag zum Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ist auch ohne Vorlage eines Lärmprotokolls hinreichend substantiiert. Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182). Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt und z.T. richtig gestellt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Geräusche in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben und Fotos vorgelegt. Bei einer derart nahe am Haus der Klägerin gelegenen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen sodann auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und auch angesichts der Dauer der Baumaßnahmen zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und die Beweisaufnahme habe eine durchgehende Beeinträchtigung über das übliche Maß hinaus nicht ergeben, weshalb keine durchgehende pauschalierte Minderungsquote angesetzt werden könne, teilt die Kammer nicht.

2.1. Dabei ist zunächst vor allem die Prämisse der Beklagten unzutreffend, Baulärm sei per se hinzunehmen, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte, und die Klägerin müsse nachweisen, dass und wann die Grenze des Üblichen überschritten worden ist. Richtig ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist dafür nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, aufgrund derer der Mieter den - darin näher zu definierenden - üblichen Lärm dulden muss. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, dass auch üblicher Baulärm nicht per se zu dulden ist.

3. Zu Recht hat das Amtsgericht auch angenommen, dass die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Beklagten als Vermieterin liegt, wenn diese sich in Abwesenheit einer die Baumaßnahmen erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung auf ihre eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen will. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) ist entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Verteilung der Beweislast verbunden, obgleich sich der BGH hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. Nach dieser Entscheidung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Die Folge ist, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt. Zwar soll hierdurch dogmatisch kein neben § 536b BGB stehender Minderungsausschluss begründet werden, sondern der BGH zieht § 906 BGB zur ergänzenden Auslegung der Vertragsabrede zwischen den Parteien heran und kommt zu dem Ergebnis, dass redlicherweise nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eines Mietvertrags bei Vertragsschluss davon ausgehen, der Vermieter solle den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard für die Vertragsdauer ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten. So ist auch im vorliegenden Fall, da die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über den Fall des Neubaus eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück getroffen haben, davon auszugehen, dass im Falle einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Bauherrn auch eine Duldungspflicht der Klägerin besteht. Trotz dieser dogmatischen Einordnung auf der Ebene der Beschaffenheitsvereinbarung ist das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um zu dem für ihn positiven Ergebnis zu gelangen, ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 286 Rn.111) darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (ebenso Klimesch, ZMR 2016, 516-518). So muss der Vermieter zum Beispiel auch eine etwaige Unerheblichkeit der Tauglichkeitsminderung beweisen (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536 Rn. 116).

Dem steht nicht entgegen, dass der BGH diese Frage auf der Ebene des Mangelbegriffs lösten wollte (so Selk NZM 2016, 239 - Anm. zu: LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) und der Mieter für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist. Es handelt sich vorliegend um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzen Mangel, welcher auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser enthält zum einen die eigentliche, tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter anerkanntermaßen die Beweislast trägt. Zum anderen muss aber noch hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies hat der BGH aber als Ausnahme insofern formuliert, als er dargestellt hat, unter welchen Umständen kein Mangel vorliegt. Bereits hieraus ergibt sich die Darlegung- und Beweislast des Vermieters für diesen, einen Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand, welcher nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat.

Letztlich kommt somit dem Vermieter dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden ( BGH, Urteil vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82). Danach sei es u. a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGH Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebenso wenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks - wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine „größere Nähe“ bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“ (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a. ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u. a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (a. a. O..) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch a. a. O..). Die Kammer hält somit an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) fest.

3.1. Soweit das Amtsgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, es habe im gesamten Zeitraum keine längere lärmfreie Zeit gegeben, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Bezug auf die durchgehende Lärmbelästigung wurde ohne Rechtsfehler vorgenommen, so dass die Kammer daran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. etwa BGH VersR 2005, 945; OLG München in st.Rspr., Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 und zuletzt Urt. v. 20.05.2011 - 10 U 3958/10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG München vom 06.07.2012 - 10 U 3111/11). Das Amtsgericht hat eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen und eine Vielzahl an Zeugen vernommen, außerdem lagen Fotos und eine DVD vor. Soweit die Beklagte bemängelt, dass den Zeugenaussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorgelegen habe, ist dies nach dem oben Gesagten unerheblich, da Seitens der Mieterin lediglich eine Beeinträchtigung der Mietsache nachzuweisen war, ohne dass es zunächst auf Zumutbarkeit und Ortsüblichkeit ankam. Soweit die Beklagte ferner meint, der Zeuge C. habe von einer längeren Pause der Bauarbeiten berichtet, weshalb eine durchgehende Minderungsquote nicht zu begründen ist, stützen die Angaben der übrigen Zeugen dies nicht. Die Beklagte setzt mit diesem Einwand offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts. Durchgreifende Mängel der Beweiswürdigung nach den oben aufgeführten Maßstäben kann die Kammer indes nicht erkennen.

3.2. Dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Bei jeder Baustelle - nicht nur bei besonders großen - unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung gegebenenfalls über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - eine geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher letztlich im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 90/14,0 wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

4. Zu Recht hat das Amtsgericht im Ergebnis auch angenommen, dass die Mietminderung nicht wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahmen nach § 536b BGB ausgeschlossen ist. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Erkennbarkeitsrechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, durch die Bolzplatzentscheidung des BGH überholt ist, wie die Klägerin meint. Der Auffassung der Beklagten, es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig seien, kann die Kammer jedenfalls nicht zustimmen. Nur konkrete Anhaltspunkte können dazu führen, dass mit baulichen Veränderungen gerechnet werden muss. Allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss der Mietminderung keinesfalls aus. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Rechtsprechung. Auch dort wird aufgrund konkreter Anhaltpunkte wie Baulücken oder baufälliger Gebäude bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass der Mieter mit Baulärm rechnen musste (OLG München Urteil v. 26.03.1993 - 21 U 6002/92; KG Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01), bzw. bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten bei Vertragsschluss von einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 04.09.2012 - 65 S 201/12). Aus diesem Grund reicht es für den Minderungsausschluss im vorliegenden Fall auch nicht aus, dass es unstreitig in Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gibt, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führt, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Zum einen erfasst der Zeitraum „seit einigen Jahren“ wohl eher nicht den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses im Jahr 1998. Dass die entsprechende bauliche Entwicklung von Solln bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Maße vorhersehbar war, dass der Klägerin vorgeworfen werden kann, dass sie positive Kenntnis von der nunmehr eingetretenen Entwicklung hatte bzw. ihr diese hätte ins Auge springen müssen, ist in keiner Weise erkennbar. Auch die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es hierfür bereits 1998 konkrete Anhaltspunkte gab, wie etwa eine weitgehende Abwesenheit von Einfamilienhäusern in Solln bereits zu diesem Zeitpunkt, eine Baufälligkeit des Nachbarhauses oder Anzeichen für konkrete Planungen. Auch musste die Klägerin nicht gerade wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses mit dieser Art von Baumaßnahmen rechnen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei einer langen Mietvertragsdauer die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in der Nachbarschaft bauliche Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Erkennbarkeit ist jedoch, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, erst dann auszugehen, wenn für den Mieter bei Vertragsschluss bereits Art und Umfang sowie Intensität und zeitliche Perspektive der bevorstehenden Baumaßnahmen abschätzbar sind (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 536 Rn.138). Während mit einer Renovierung von älteren Nachbarhäusern oder kleineren sonstigen Arbeiten oder Anbauten über kurz oder lang möglicherweise gerechnet werden muss, weil Häuser sich bekanntlich abnutzen und Schäden entstehen oder sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern, gilt dies für den Abriss eines bewohnten Einfamilienhaus zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses auch bei längerer Vertragsdauer nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte, da bloßer Zeitablauf nicht per se zu einem Strukturwandel eines Wohngebiets führt (dementsprechend differenziert auch das KG in dem Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01 - bei der Vorhersehbarkeit prinzipiell zwischen der Entkernung eines renovierungsbedürftigen Nachbargebäudes und einer bloßen Fassadenerneuerung).

5. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hat sie mit dem Hilfsantrag keine bestimmte Minderungsquote sondern eine Zahlung beantragt. Hinter diesem Antrag ist das Amtsgericht mit seinem Urteil zurückgeblieben.

6. Schließlich ist auch die Berechnung der Minderung ohne weiteres nachvollziehbar. Die auf S. 5 des erstinstanzlichen Urteils errechneten Minderungsbeträge von 1.302,32 €, 140,49 € und 1.109,16 € betreffen lediglich die vom Gericht identifizierten speziellen Bauphasen, in denen Minderungsquoten von 10%, 20% und 60% anzusetzen waren. Lediglich in dem übrigen Zeitraum (also vom 01.03.2013 bis zum 02.11.2014) hat das Gericht eine Minderung von 5% berechnet und diese mit 2,34 € pro Tag auch korrekt beziffert. Es wurden also keineswegs im Gesamtzeitraum zusätzlich zu den erhöhten Minderungsquoten weitere 5% angesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 47 GKG festgesetzt.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zuzulassen. Der Frage der Beweislastverteilung im Falle einer Mietminderung bei nachträglich erhöhten Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Diese Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig und kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Gerade die Frage der Darlegungs- und Beweislast ist in vielen Fällen prozessentscheidend.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht München I Prielmayerstraße 7 80335 München einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Die Ansprüche aus eingetragenen Rechten unterliegen nicht der Verjährung. Dies gilt nicht für Ansprüche, die auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind.

(2) Ein Recht, wegen dessen ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen ist, steht einem eingetragenen Recht gleich.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

Gründe

Landgericht München I

Az: 31 S 20691/14

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

vom 14.01.2016

vorgehend: 417 C 12574/14 AG München

Leitsätze:

In dem Rechtsstreit

...

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I - 31. Zivilkammer am 14.01.2016 folgendes

Endurteil

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.751,05 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger verfolgen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete für den Zeitraum von August 2013 bis Juli 2014. Dabei berufen sich die Kläger auf eine Mietminderung wegen des Lärms einer gegenüber ihrer Wohnung gelegenen Großbaustelle.

Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, verwiesen.

Das Amtsgericht hat den Klägern den Anspruch dem Grunde nach zugesprochen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits angesichts des unstreitigen Ausmaßes der Großbaustelle aufgrund der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass diese zwingend erheblichen Lärm verursacht. Im Hinblick auf die Wohnlage in einem verkehrsreichen Innenstadtbezirk sei die Minderungsquote allerdings lediglich mit 15% statt mit den geltend gemachten 20% zu bemessen. Diese Quote sei pauschal über den gesamten Zeitraum hinweg anzusetzen.

Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.10.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.11.2014, der an demselben Tag bei Gericht einging, Berufung eingelegt. Diese hat sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.01.2015 mit Schriftsatz vom 08.01.2015, der an demselben Tag bei Gericht einging, begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil müsse bereits deshalb aufgehoben werden, weil das Amtsgericht den Termin zur Urteilsverkündung unangekündigt vom 29.09.2014 auf den 18.09.2014 vorverlegt und damit die rechtlichen Ausführungen der Beklagten zur Minderungshöhe im Schriftsatz vom 26.09.2014 nicht mehr habe berücksichtigen können.

Ferner meint die Beklagte, der Vortrag der Kläger zum Zeitraum, Umfang und der Intensität der Baustelle und der daraus folgenden Beeinträchtigung der Kläger sei nicht hinreichend substantiiert. Hierzu seien Lärmprotokolle und -messungen erforderlich. Zumindest aber hätte das Amtsgericht über die diesbezüglichen Behauptungen der Kläger Beweis erheben müssen, da die genaue Beeinträchtigung der Kläger durch die Baustelle von der Beklagten bestritten worden sei. Bei der Zugrundelegung einer pauschalen Minderungsquote habe das Amtsgericht auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass aufgrund der Länge der Baustelle und ihrer Unterteilung in einzelne Abschnitte die auf die Wohnung der Kläger einwirkenden Emissionen erheblich schwankten. Aus diesem Grund müsse die Minderungsquote nach der konkreten Beeinträchtigung an einzelnen Tagen, Wochen oder Monaten bemessen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, insoweit aufzuheben, dass die Beklagte verurteilt wurde, an die Kläger 2.751,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basissatz aus 2.063,29 € seit dem 16.06.2014 und aus 687,76 € seit dem 15.09.2014 zu bezahlen und im Übrigen das Urteil aufrechtzuerhalten.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe den Vortrag der Kläger zur Beschaffenheit der Baustelle nicht bestritten. Das Verfassen von detaillierten Lärmprotokollen und -messungen zur Substantiierung ihres Vortrags sei den Mietern bei einer mehrere Jahre dauernden Baustelle nicht zumutbar. Eine gleichbleibende Minderungsquote über den gesamten Zeitraum hinweg sei angemessen, da es zwar Phasen mit geringerem Lärm aber auch Phasen mit einer Lärmbeeinträchtigung gegeben habe, die eine höhere Minderung als 15% gerechtfertigt hätten.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2015 Bezug genommen.

Die Kammer hat am 06.10.2015 und vom 18.11.2015 auf das Urteil des BGH vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14, hingewiesen und rechtliche Ausführungen hierzu gemacht.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO).

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung zuviel gezahlter Miete in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe aus § 812 BGB, da die Miete im streitgegenständlichen Zeitraum gem. § 536 Abs. 1 BGB gemindert war. Das Amtsgericht ist insoweit zu Recht von einer Minderungsquote von 15% während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums ausgegangen.

2.1 Das Amtsgericht hat nicht das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Zunächst ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht das Urteil tatsächlich bereits am 18.09.2014 verkündet hat, da das Sitzungsprotokoll der Urteilsverkündung korrekt vom 29.09.2014 datiert. Es ist daher anzunehmen, dass das Urteil lediglich am 18.09.2014 verfasst wurde, wogegen nichts einzuwenden ist, da das Urteil gem. § 310 Abs. 2 ZPO zum Verkündungstermin in vollständiger Form abgefasst sein muss. Vor allem aber hat die Beklagte den Schriftsatz vom 26.09.2014 nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht. Damit war dessen Inhalt gem. § 296 a S. 1 ZPO verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen. Ein Grund für die Wiedereröffnung der Verhandlung i. S. d. § 156 ZPO ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

2.2 Das Amtsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Miete der Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums um 15% gemindert war.

a. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger ausreichend substantiiert zu den Umständen vorgetragen haben, die zur Mietminderung führen.

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182).

Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift haben die Kläger ausführlich Ziel und Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Emissionen in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben. Bei einer derartigen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

b. Zwischen den Parteien war, wie das Amtsgericht richtig festgestellt hat, das Vorhandensein einer Großbaustelle mit dem Ziel der Errichtung eines neuen Quartiers mit 200 Wohnungen, Geschäften, Büros, Restaurants, einer Kindertagesstätte und eines Hotels auf einem Areal gegenüber der von den Klägern bewohnten Wohnung ebenso unstreitig wie die Notwendigkeit des vorherigen Abrisses sämtlicher zuvor auf dem Areal vorhandenen Gebäude. Auch die hieraus folgenden Belastungen für die Kläger hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten.

Dass für die Bewältigung des Großprojekts ein erhebliches Aufkommen an Baufahrzeugen, Verkehr und Maschineneinsatz mit den daraus notwendigerweise folgenden Lärm- und Schmutzemissionen erforderlich ist, wie von den Klägern geschildert, liegt auf der Hand. Wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist eine Großbaustelle ohne die geschilderten Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen nicht vorstellbar. Soweit die Beklagte die klägerische Darstellung im Schriftsatz vom 24.07.2014 pauschal mit Nichtwissen bestritten hat mit dem Hinweis, dass sie nicht Bauherr ist, reicht dies nicht aus. Zum einen war die Baustelle Gegenstand eigener Wahrnehmungen der Beklagten (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO). Dies ergibt sich aus dem weiteren Vortrag der Beklagten in demselben Schriftsatz sowie in weiteren Schriftsätzen, vor allem aber aus ihrer Stellung als Eigentümerin benachbarter Gebäude. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass die Beklagte ihr Grundstück in dem gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gerade auch in Anbetracht der daraus folgenden Auseinandersetzungen mit verschiedenen Mietern nicht betreten und die Baustelle in dem gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht zur Kenntnis genommen hat. Zum anderen stimmen der von der Beklagten in dem genannten Schriftsatz geschilderte Bauverlauf und auch ihre Ausführungen zur Ausdehnung der Baustelle und dem Inhalt des baulichen Vorhabens auch im Wesentlichen mit den Darlegungen der Kläger überein. Schließlich wären zur Erschütterung des klägerischen Vortrags auch Darlegungen der Beklagten erforderlich gewesen, weshalb im Fall der streitgegenständlichen Baustelle die ohne weiteres auf der Hand liegenden Belastungen der Kläger nicht eingetreten sein sollen.

Das Amtsgericht hat über die klägerischen Behauptungen zum Ausmaß der Beeinträchtigungen daher zu Recht eine Beweiserhebung nicht für erforderlich gehalten.

c. Auch die aus der Größe der Baustelle resultierenden Schwankungen bei der Einwirkung der Kläger hat das Amtsgericht zu Recht in einer pauschalen Minderungsquote aufgehen lassen. Bei jeder Baustelle - nicht nur bei besonders großen - unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung teilweise über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen.

Das Amtsgericht hat insoweit zurecht sowohl Spitzen der Beeinträchtigung als auch Tage, an denen die Baustelle brachlag, außer Acht gelassen und eine durchschnittliche Minderungsquote gebildet. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - die geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss.

2.3 Das Recht der Kläger zur Mietminderung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch die Beklagte als Vermieterin die Beeinträchtigungen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehrmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss (vgl. BGH Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14). Entgegen der Auffassung der Kläger soll hiermit nicht lediglich Kinderlärm privilegiert werden. Vielmehr ergibt sich aus der Entscheidung, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt.

Zwar hat die Beklagte sich nach dem entsprechenden Hinweis der Kammer auf diese eigene fehlende Abwehrmöglichkeit berufen. Auf den weiteren Hinweis der Kammer zur Darlegungs- und Beweislast hat die Beklagte im Schriftsatz vom 14.12.2015 behauptet, dass die gewählten Verfahren an der streitgegenständlichen Baustelle besonders emissionsarm seien und daher die Immissionsrichtwerte nicht überschritten. Die Kläger haben indes die Unwesentlichkeit und Ortsüblichkeit der Immissionen bestritten. Die Beklagte hat für ihre Behauptung aber keinen Beweis angeboten. Soweit die Beklagte sich wegen fehlender eigener Abwehrmöglickeit auf einen Ausschluss des Minderungsrechts der Kläger als Mieter beruft, ist sie hierfür darlegungs- und beweispflichtig, worauf die Kammer ebenfalls hingewiesen hat. Die Beklagte ist somit beweisfällig geblieben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten zu 1) und 2). Diese tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.123,04 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Miete. Die Klägerin beruft sich auf eine Mietminderung aufgrund von Baustellenlärm auf dem Nachbargrundstück des von der Beklagten angemieteten Reihenhauses.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage in Bezug auf den hilfsweise gestellten Zahlungsanspruch in Höhe von 3.123,04 € stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, in dieser Höhe sei die Miete wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache aufgrund von Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung gemindert gewesen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das der Streithelferin zu 1), wie auch der Beklagten selbst am 03.12.2015 zugestellte Urteil hat die Streithelferin am Montag, den 04.01.2016, für die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.03.2016 an diesem Tag begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2016 erklärt, der Berufungseinlegung durch die Streithelferin nicht zu widersprechen und der Berufungsbegründung zu folgen.

Die Beklagte und die Streithelfer sind der Auffassung, dass die vom Amtsgericht vorgenommene taggenaue Minderungsberechnung willkürlich und im Übrigen nicht nachvollziehbar ist. Das Gericht habe zudem mehr zugesprochen als beantragt, weil maximal Minderungen von 30% beantragt waren, das Gericht aber zum Teil eine Minderungsquote von 60% angenommen habe. Eine pauschalierte Minderung sei nicht zulässig. Eine durchgehende unzumutbare Belastung habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil Baustellenlärm per se hinzunehmen sei, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte. Der klägerische Vortrag sei insoweit auch bereits unsubstantiiert, da nicht erkennbar sei, in welchem Zeitraum, zu welchen Tageszeiten und in welcher Frequenz die behaupteten Lärmbelastungen aufgetreten sein sollen. Die Klägerin hätte ihren Vortrag durch ein Lärmprotokoll substantiieren müssen. Die Annahme, dass die Minderung nicht wegen Vorhersehbarkeit nach § 536b BGB ausgeschlossen sei, grenze an Willkürlichkeit. Es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse. Konkrete Anhaltspunkte seien nicht notwendig. Es reiche daher, dass es unstreitig im Münchener Stadtteil Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gebe, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führe, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Gerade bei einer langen Dauer des Mietverhältnisses wie demjenigen der Klägerin müsse mit Veränderungen gerechnet werden. Die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms liege bei der Klägerin. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) sei keine Abkehr von der Verteilung der Beweislast des eine Minderung begehrenden Mieters verbunden. Dieser habe zunächst konkret Art, Umfang und Auswirkung der behaupteten Immissionen darzulegen. Die Frage der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit sei den üblichen Beweislastregeln folgend zu beurteilen und obliege demnach der Klägerin.

Die Beklagte und die Streithelfer beantragen,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 den Rechtsstreit an das AG München zu erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung, weil diese erst am 05.01.2016 an das Gericht gefaxt worden sei. Außerdem sei der Nebenintervenient nicht berechtigt, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die vom Amtsgericht angesetzte pauschalierte Minderungsquote sei nicht zu beanstanden. Bei umfangreichen Bauarbeiten sei grundsätzlich von einer Minderung während der gesamten Bauzeit auszugehen. Dies habe auch die Beweisaufnahme ergeben. Die Minderungsquote sei auch nachvollziehbar und das Amtsgericht habe nicht gegen die Antragsbindung nach § 308 ZPO verstoßen, da mit dem Leistungsantrag eine Zahlung beantragt worden ist, deren Höhe das Amtsgericht mit der ausgeurteilen Zahlungspflicht nicht überschritten habe. Schließlich habe das Amtsgericht zutreffend angenommen, dass die Minderung nicht gem. § 536b BGB ausgeschlossen ist. Die Klägerin habe bei Abschluss des Mietvertrages nicht mit Bauarbeiten diesen Ausmaßes rechnen müssen. Die Erkennbarkeitsdoktrin des Kammergerichts Berlin sei im Übrigen durch die Bolzplatzentscheidung des BGH hinfällig. Es reiche nicht schon die Vorhersehbarkeit bestimmter Umstände, sondern diese müssten erkennbar Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden sein. Die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit von Einwirkungen seien schließlich immer vom Emittenten nachzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2016 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO) und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO). Die Berufung ging ausweislich des Faxeingangsstempels am 04.01.2016 bei Gericht ein, was ausreicht (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO) und lediglich das Original folgte am nächsten Tag. Der Antrag der Streithelferin zu 1) auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkt auch zugunsten der Hauptpartei (BGH Urt. v. 26.03.1982 - V ZR 87/81).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Es beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs.1 ZPO). Insbesondere begründen nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht wegen Mietminderung einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.123,04 € zugesprochen.

1. Der klägerische Vortrag zum Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ist auch ohne Vorlage eines Lärmprotokolls hinreichend substantiiert. Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182). Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt und z.T. richtig gestellt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Geräusche in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben und Fotos vorgelegt. Bei einer derart nahe am Haus der Klägerin gelegenen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen sodann auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und auch angesichts der Dauer der Baumaßnahmen zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und die Beweisaufnahme habe eine durchgehende Beeinträchtigung über das übliche Maß hinaus nicht ergeben, weshalb keine durchgehende pauschalierte Minderungsquote angesetzt werden könne, teilt die Kammer nicht.

2.1. Dabei ist zunächst vor allem die Prämisse der Beklagten unzutreffend, Baulärm sei per se hinzunehmen, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte, und die Klägerin müsse nachweisen, dass und wann die Grenze des Üblichen überschritten worden ist. Richtig ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist dafür nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, aufgrund derer der Mieter den - darin näher zu definierenden - üblichen Lärm dulden muss. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, dass auch üblicher Baulärm nicht per se zu dulden ist.

3. Zu Recht hat das Amtsgericht auch angenommen, dass die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Beklagten als Vermieterin liegt, wenn diese sich in Abwesenheit einer die Baumaßnahmen erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung auf ihre eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen will. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) ist entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Verteilung der Beweislast verbunden, obgleich sich der BGH hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. Nach dieser Entscheidung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Die Folge ist, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt. Zwar soll hierdurch dogmatisch kein neben § 536b BGB stehender Minderungsausschluss begründet werden, sondern der BGH zieht § 906 BGB zur ergänzenden Auslegung der Vertragsabrede zwischen den Parteien heran und kommt zu dem Ergebnis, dass redlicherweise nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eines Mietvertrags bei Vertragsschluss davon ausgehen, der Vermieter solle den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard für die Vertragsdauer ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten. So ist auch im vorliegenden Fall, da die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über den Fall des Neubaus eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück getroffen haben, davon auszugehen, dass im Falle einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Bauherrn auch eine Duldungspflicht der Klägerin besteht. Trotz dieser dogmatischen Einordnung auf der Ebene der Beschaffenheitsvereinbarung ist das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um zu dem für ihn positiven Ergebnis zu gelangen, ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 286 Rn.111) darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (ebenso Klimesch, ZMR 2016, 516-518). So muss der Vermieter zum Beispiel auch eine etwaige Unerheblichkeit der Tauglichkeitsminderung beweisen (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536 Rn. 116).

Dem steht nicht entgegen, dass der BGH diese Frage auf der Ebene des Mangelbegriffs lösten wollte (so Selk NZM 2016, 239 - Anm. zu: LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) und der Mieter für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist. Es handelt sich vorliegend um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzen Mangel, welcher auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser enthält zum einen die eigentliche, tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter anerkanntermaßen die Beweislast trägt. Zum anderen muss aber noch hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies hat der BGH aber als Ausnahme insofern formuliert, als er dargestellt hat, unter welchen Umständen kein Mangel vorliegt. Bereits hieraus ergibt sich die Darlegung- und Beweislast des Vermieters für diesen, einen Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand, welcher nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat.

Letztlich kommt somit dem Vermieter dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden ( BGH, Urteil vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82). Danach sei es u. a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGH Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebenso wenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks - wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine „größere Nähe“ bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“ (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a. ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u. a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (a. a. O..) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch a. a. O..). Die Kammer hält somit an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) fest.

3.1. Soweit das Amtsgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, es habe im gesamten Zeitraum keine längere lärmfreie Zeit gegeben, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Bezug auf die durchgehende Lärmbelästigung wurde ohne Rechtsfehler vorgenommen, so dass die Kammer daran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. etwa BGH VersR 2005, 945; OLG München in st.Rspr., Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 und zuletzt Urt. v. 20.05.2011 - 10 U 3958/10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG München vom 06.07.2012 - 10 U 3111/11). Das Amtsgericht hat eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen und eine Vielzahl an Zeugen vernommen, außerdem lagen Fotos und eine DVD vor. Soweit die Beklagte bemängelt, dass den Zeugenaussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorgelegen habe, ist dies nach dem oben Gesagten unerheblich, da Seitens der Mieterin lediglich eine Beeinträchtigung der Mietsache nachzuweisen war, ohne dass es zunächst auf Zumutbarkeit und Ortsüblichkeit ankam. Soweit die Beklagte ferner meint, der Zeuge C. habe von einer längeren Pause der Bauarbeiten berichtet, weshalb eine durchgehende Minderungsquote nicht zu begründen ist, stützen die Angaben der übrigen Zeugen dies nicht. Die Beklagte setzt mit diesem Einwand offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts. Durchgreifende Mängel der Beweiswürdigung nach den oben aufgeführten Maßstäben kann die Kammer indes nicht erkennen.

3.2. Dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Bei jeder Baustelle - nicht nur bei besonders großen - unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung gegebenenfalls über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - eine geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher letztlich im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 90/14,0 wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

4. Zu Recht hat das Amtsgericht im Ergebnis auch angenommen, dass die Mietminderung nicht wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahmen nach § 536b BGB ausgeschlossen ist. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Erkennbarkeitsrechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, durch die Bolzplatzentscheidung des BGH überholt ist, wie die Klägerin meint. Der Auffassung der Beklagten, es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig seien, kann die Kammer jedenfalls nicht zustimmen. Nur konkrete Anhaltspunkte können dazu führen, dass mit baulichen Veränderungen gerechnet werden muss. Allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss der Mietminderung keinesfalls aus. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Rechtsprechung. Auch dort wird aufgrund konkreter Anhaltpunkte wie Baulücken oder baufälliger Gebäude bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass der Mieter mit Baulärm rechnen musste (OLG München Urteil v. 26.03.1993 - 21 U 6002/92; KG Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01), bzw. bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten bei Vertragsschluss von einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 04.09.2012 - 65 S 201/12). Aus diesem Grund reicht es für den Minderungsausschluss im vorliegenden Fall auch nicht aus, dass es unstreitig in Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gibt, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führt, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Zum einen erfasst der Zeitraum „seit einigen Jahren“ wohl eher nicht den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses im Jahr 1998. Dass die entsprechende bauliche Entwicklung von Solln bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Maße vorhersehbar war, dass der Klägerin vorgeworfen werden kann, dass sie positive Kenntnis von der nunmehr eingetretenen Entwicklung hatte bzw. ihr diese hätte ins Auge springen müssen, ist in keiner Weise erkennbar. Auch die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es hierfür bereits 1998 konkrete Anhaltspunkte gab, wie etwa eine weitgehende Abwesenheit von Einfamilienhäusern in Solln bereits zu diesem Zeitpunkt, eine Baufälligkeit des Nachbarhauses oder Anzeichen für konkrete Planungen. Auch musste die Klägerin nicht gerade wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses mit dieser Art von Baumaßnahmen rechnen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei einer langen Mietvertragsdauer die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in der Nachbarschaft bauliche Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Erkennbarkeit ist jedoch, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, erst dann auszugehen, wenn für den Mieter bei Vertragsschluss bereits Art und Umfang sowie Intensität und zeitliche Perspektive der bevorstehenden Baumaßnahmen abschätzbar sind (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 536 Rn.138). Während mit einer Renovierung von älteren Nachbarhäusern oder kleineren sonstigen Arbeiten oder Anbauten über kurz oder lang möglicherweise gerechnet werden muss, weil Häuser sich bekanntlich abnutzen und Schäden entstehen oder sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern, gilt dies für den Abriss eines bewohnten Einfamilienhaus zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses auch bei längerer Vertragsdauer nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte, da bloßer Zeitablauf nicht per se zu einem Strukturwandel eines Wohngebiets führt (dementsprechend differenziert auch das KG in dem Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01 - bei der Vorhersehbarkeit prinzipiell zwischen der Entkernung eines renovierungsbedürftigen Nachbargebäudes und einer bloßen Fassadenerneuerung).

5. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hat sie mit dem Hilfsantrag keine bestimmte Minderungsquote sondern eine Zahlung beantragt. Hinter diesem Antrag ist das Amtsgericht mit seinem Urteil zurückgeblieben.

6. Schließlich ist auch die Berechnung der Minderung ohne weiteres nachvollziehbar. Die auf S. 5 des erstinstanzlichen Urteils errechneten Minderungsbeträge von 1.302,32 €, 140,49 € und 1.109,16 € betreffen lediglich die vom Gericht identifizierten speziellen Bauphasen, in denen Minderungsquoten von 10%, 20% und 60% anzusetzen waren. Lediglich in dem übrigen Zeitraum (also vom 01.03.2013 bis zum 02.11.2014) hat das Gericht eine Minderung von 5% berechnet und diese mit 2,34 € pro Tag auch korrekt beziffert. Es wurden also keineswegs im Gesamtzeitraum zusätzlich zu den erhöhten Minderungsquoten weitere 5% angesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 47 GKG festgesetzt.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zuzulassen. Der Frage der Beweislastverteilung im Falle einer Mietminderung bei nachträglich erhöhten Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Diese Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig und kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Gerade die Frage der Darlegungs- und Beweislast ist in vielen Fällen prozessentscheidend.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht München I Prielmayerstraße 7 80335 München einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten zu 1) und 2). Diese tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.123,04 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückzahlung überzahlter Miete. Die Klägerin beruft sich auf eine Mietminderung aufgrund von Baustellenlärm auf dem Nachbargrundstück des von der Beklagten angemieteten Reihenhauses.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts München vom 30.11.2015, Az. 417 C 23160/14, Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage in Bezug auf den hilfsweise gestellten Zahlungsanspruch in Höhe von 3.123,04 € stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, in dieser Höhe sei die Miete wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache aufgrund von Lärm- und Schmutzbeeinträchtigung gemindert gewesen. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das der Streithelferin zu 1), wie auch der Beklagten selbst am 03.12.2015 zugestellte Urteil hat die Streithelferin am Montag, den 04.01.2016, für die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.03.2016 an diesem Tag begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.03.2016 erklärt, der Berufungseinlegung durch die Streithelferin nicht zu widersprechen und der Berufungsbegründung zu folgen.

Die Beklagte und die Streithelfer sind der Auffassung, dass die vom Amtsgericht vorgenommene taggenaue Minderungsberechnung willkürlich und im Übrigen nicht nachvollziehbar ist. Das Gericht habe zudem mehr zugesprochen als beantragt, weil maximal Minderungen von 30% beantragt waren, das Gericht aber zum Teil eine Minderungsquote von 60% angenommen habe. Eine pauschalierte Minderung sei nicht zulässig. Eine durchgehende unzumutbare Belastung habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil Baustellenlärm per se hinzunehmen sei, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte. Der klägerische Vortrag sei insoweit auch bereits unsubstantiiert, da nicht erkennbar sei, in welchem Zeitraum, zu welchen Tageszeiten und in welcher Frequenz die behaupteten Lärmbelastungen aufgetreten sein sollen. Die Klägerin hätte ihren Vortrag durch ein Lärmprotokoll substantiieren müssen. Die Annahme, dass die Minderung nicht wegen Vorhersehbarkeit nach § 536b BGB ausgeschlossen sei, grenze an Willkürlichkeit. Es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse. Konkrete Anhaltspunkte seien nicht notwendig. Es reiche daher, dass es unstreitig im Münchener Stadtteil Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gebe, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führe, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Gerade bei einer langen Dauer des Mietverhältnisses wie demjenigen der Klägerin müsse mit Veränderungen gerechnet werden. Die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms liege bei der Klägerin. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) sei keine Abkehr von der Verteilung der Beweislast des eine Minderung begehrenden Mieters verbunden. Dieser habe zunächst konkret Art, Umfang und Auswirkung der behaupteten Immissionen darzulegen. Die Frage der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit sei den üblichen Beweislastregeln folgend zu beurteilen und obliege demnach der Klägerin.

Die Beklagte und die Streithelfer beantragen,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des AG München vom 09.11.2015, Az. 417 C 23160/14 den Rechtsstreit an das AG München zu erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Berufung, weil diese erst am 05.01.2016 an das Gericht gefaxt worden sei. Außerdem sei der Nebenintervenient nicht berechtigt, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen. Die vom Amtsgericht angesetzte pauschalierte Minderungsquote sei nicht zu beanstanden. Bei umfangreichen Bauarbeiten sei grundsätzlich von einer Minderung während der gesamten Bauzeit auszugehen. Dies habe auch die Beweisaufnahme ergeben. Die Minderungsquote sei auch nachvollziehbar und das Amtsgericht habe nicht gegen die Antragsbindung nach § 308 ZPO verstoßen, da mit dem Leistungsantrag eine Zahlung beantragt worden ist, deren Höhe das Amtsgericht mit der ausgeurteilen Zahlungspflicht nicht überschritten habe. Schließlich habe das Amtsgericht zutreffend angenommen, dass die Minderung nicht gem. § 536b BGB ausgeschlossen ist. Die Klägerin habe bei Abschluss des Mietvertrages nicht mit Bauarbeiten diesen Ausmaßes rechnen müssen. Die Erkennbarkeitsdoktrin des Kammergerichts Berlin sei im Übrigen durch die Bolzplatzentscheidung des BGH hinfällig. Es reiche nicht schon die Vorhersehbarkeit bestimmter Umstände, sondern diese müssten erkennbar Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden sein. Die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit von Einwirkungen seien schließlich immer vom Emittenten nachzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2016 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO) und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO). Die Berufung ging ausweislich des Faxeingangsstempels am 04.01.2016 bei Gericht ein, was ausreicht (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO) und lediglich das Original folgte am nächsten Tag. Der Antrag der Streithelferin zu 1) auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkt auch zugunsten der Hauptpartei (BGH Urt. v. 26.03.1982 - V ZR 87/81).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Es beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs.1 ZPO). Insbesondere begründen nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht wegen Mietminderung einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.123,04 € zugesprochen.

1. Der klägerische Vortrag zum Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ist auch ohne Vorlage eines Lärmprotokolls hinreichend substantiiert. Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182). Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt und z.T. richtig gestellt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Geräusche in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben und Fotos vorgelegt. Bei einer derart nahe am Haus der Klägerin gelegenen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen sodann auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und auch angesichts der Dauer der Baumaßnahmen zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und die Beweisaufnahme habe eine durchgehende Beeinträchtigung über das übliche Maß hinaus nicht ergeben, weshalb keine durchgehende pauschalierte Minderungsquote angesetzt werden könne, teilt die Kammer nicht.

2.1. Dabei ist zunächst vor allem die Prämisse der Beklagten unzutreffend, Baulärm sei per se hinzunehmen, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte, und die Klägerin müsse nachweisen, dass und wann die Grenze des Üblichen überschritten worden ist. Richtig ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist dafür nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, aufgrund derer der Mieter den - darin näher zu definierenden - üblichen Lärm dulden muss. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, dass auch üblicher Baulärm nicht per se zu dulden ist.

3. Zu Recht hat das Amtsgericht auch angenommen, dass die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Beklagten als Vermieterin liegt, wenn diese sich in Abwesenheit einer die Baumaßnahmen erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung auf ihre eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen will. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) ist entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Verteilung der Beweislast verbunden, obgleich sich der BGH hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. Nach dieser Entscheidung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Die Folge ist, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt. Zwar soll hierdurch dogmatisch kein neben § 536b BGB stehender Minderungsausschluss begründet werden, sondern der BGH zieht § 906 BGB zur ergänzenden Auslegung der Vertragsabrede zwischen den Parteien heran und kommt zu dem Ergebnis, dass redlicherweise nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eines Mietvertrags bei Vertragsschluss davon ausgehen, der Vermieter solle den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard für die Vertragsdauer ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten. So ist auch im vorliegenden Fall, da die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über den Fall des Neubaus eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück getroffen haben, davon auszugehen, dass im Falle einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Bauherrn auch eine Duldungspflicht der Klägerin besteht. Trotz dieser dogmatischen Einordnung auf der Ebene der Beschaffenheitsvereinbarung ist das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um zu dem für ihn positiven Ergebnis zu gelangen, ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln (vgl. Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 286 Rn.111) darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (ebenso Klimesch, ZMR 2016, 516-518). So muss der Vermieter zum Beispiel auch eine etwaige Unerheblichkeit der Tauglichkeitsminderung beweisen (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536 Rn. 116).

Dem steht nicht entgegen, dass der BGH diese Frage auf der Ebene des Mangelbegriffs lösten wollte (so Selk NZM 2016, 239 - Anm. zu: LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) und der Mieter für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist. Es handelt sich vorliegend um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzen Mangel, welcher auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser enthält zum einen die eigentliche, tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter anerkanntermaßen die Beweislast trägt. Zum anderen muss aber noch hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies hat der BGH aber als Ausnahme insofern formuliert, als er dargestellt hat, unter welchen Umständen kein Mangel vorliegt. Bereits hieraus ergibt sich die Darlegung- und Beweislast des Vermieters für diesen, einen Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand, welcher nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat.

Letztlich kommt somit dem Vermieter dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden ( BGH, Urteil vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82). Danach sei es u. a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGH Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebenso wenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks - wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine „größere Nähe“ bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“ (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a. ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u. a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (a. a. O..) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch a. a. O..). Die Kammer hält somit an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14) fest.

3.1. Soweit das Amtsgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, es habe im gesamten Zeitraum keine längere lärmfreie Zeit gegeben, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Bezug auf die durchgehende Lärmbelästigung wurde ohne Rechtsfehler vorgenommen, so dass die Kammer daran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. etwa BGH VersR 2005, 945; OLG München in st.Rspr., Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2965/09 und zuletzt Urt. v. 20.05.2011 - 10 U 3958/10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG München vom 06.07.2012 - 10 U 3111/11). Das Amtsgericht hat eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen und eine Vielzahl an Zeugen vernommen, außerdem lagen Fotos und eine DVD vor. Soweit die Beklagte bemängelt, dass den Zeugenaussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorgelegen habe, ist dies nach dem oben Gesagten unerheblich, da Seitens der Mieterin lediglich eine Beeinträchtigung der Mietsache nachzuweisen war, ohne dass es zunächst auf Zumutbarkeit und Ortsüblichkeit ankam. Soweit die Beklagte ferner meint, der Zeuge C. habe von einer längeren Pause der Bauarbeiten berichtet, weshalb eine durchgehende Minderungsquote nicht zu begründen ist, stützen die Angaben der übrigen Zeugen dies nicht. Die Beklagte setzt mit diesem Einwand offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts. Durchgreifende Mängel der Beweiswürdigung nach den oben aufgeführten Maßstäben kann die Kammer indes nicht erkennen.

3.2. Dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Bei jeder Baustelle - nicht nur bei besonders großen - unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung gegebenenfalls über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - eine geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher letztlich im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 90/14,0 wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

4. Zu Recht hat das Amtsgericht im Ergebnis auch angenommen, dass die Mietminderung nicht wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahmen nach § 536b BGB ausgeschlossen ist. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Erkennbarkeitsrechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, durch die Bolzplatzentscheidung des BGH überholt ist, wie die Klägerin meint. Der Auffassung der Beklagten, es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig seien, kann die Kammer jedenfalls nicht zustimmen. Nur konkrete Anhaltspunkte können dazu führen, dass mit baulichen Veränderungen gerechnet werden muss. Allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss der Mietminderung keinesfalls aus. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Rechtsprechung. Auch dort wird aufgrund konkreter Anhaltpunkte wie Baulücken oder baufälliger Gebäude bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass der Mieter mit Baulärm rechnen musste (OLG München Urteil v. 26.03.1993 - 21 U 6002/92; KG Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01), bzw. bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten bei Vertragsschluss von einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 04.09.2012 - 65 S 201/12). Aus diesem Grund reicht es für den Minderungsausschluss im vorliegenden Fall auch nicht aus, dass es unstreitig in Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gibt, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führt, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Zum einen erfasst der Zeitraum „seit einigen Jahren“ wohl eher nicht den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses im Jahr 1998. Dass die entsprechende bauliche Entwicklung von Solln bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Maße vorhersehbar war, dass der Klägerin vorgeworfen werden kann, dass sie positive Kenntnis von der nunmehr eingetretenen Entwicklung hatte bzw. ihr diese hätte ins Auge springen müssen, ist in keiner Weise erkennbar. Auch die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es hierfür bereits 1998 konkrete Anhaltspunkte gab, wie etwa eine weitgehende Abwesenheit von Einfamilienhäusern in Solln bereits zu diesem Zeitpunkt, eine Baufälligkeit des Nachbarhauses oder Anzeichen für konkrete Planungen. Auch musste die Klägerin nicht gerade wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses mit dieser Art von Baumaßnahmen rechnen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei einer langen Mietvertragsdauer die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in der Nachbarschaft bauliche Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Erkennbarkeit ist jedoch, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, erst dann auszugehen, wenn für den Mieter bei Vertragsschluss bereits Art und Umfang sowie Intensität und zeitliche Perspektive der bevorstehenden Baumaßnahmen abschätzbar sind (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 536 Rn.138). Während mit einer Renovierung von älteren Nachbarhäusern oder kleineren sonstigen Arbeiten oder Anbauten über kurz oder lang möglicherweise gerechnet werden muss, weil Häuser sich bekanntlich abnutzen und Schäden entstehen oder sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern, gilt dies für den Abriss eines bewohnten Einfamilienhaus zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses auch bei längerer Vertragsdauer nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte, da bloßer Zeitablauf nicht per se zu einem Strukturwandel eines Wohngebiets führt (dementsprechend differenziert auch das KG in dem Urteil v. 03.06.2002 - 8 U 74/01 - bei der Vorhersehbarkeit prinzipiell zwischen der Entkernung eines renovierungsbedürftigen Nachbargebäudes und einer bloßen Fassadenerneuerung).

5. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hat sie mit dem Hilfsantrag keine bestimmte Minderungsquote sondern eine Zahlung beantragt. Hinter diesem Antrag ist das Amtsgericht mit seinem Urteil zurückgeblieben.

6. Schließlich ist auch die Berechnung der Minderung ohne weiteres nachvollziehbar. Die auf S. 5 des erstinstanzlichen Urteils errechneten Minderungsbeträge von 1.302,32 €, 140,49 € und 1.109,16 € betreffen lediglich die vom Gericht identifizierten speziellen Bauphasen, in denen Minderungsquoten von 10%, 20% und 60% anzusetzen waren. Lediglich in dem übrigen Zeitraum (also vom 01.03.2013 bis zum 02.11.2014) hat das Gericht eine Minderung von 5% berechnet und diese mit 2,34 € pro Tag auch korrekt beziffert. Es wurden also keineswegs im Gesamtzeitraum zusätzlich zu den erhöhten Minderungsquoten weitere 5% angesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 47 GKG festgesetzt.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zuzulassen. Der Frage der Beweislastverteilung im Falle einer Mietminderung bei nachträglich erhöhten Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen ohne ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Diese Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig und kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Gerade die Frage der Darlegungs- und Beweislast ist in vielen Fällen prozessentscheidend.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht München I Prielmayerstraße 7 80335 München einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 197/14 Verkündet am:
29. April 2015
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung
erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass
dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt
ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner
Form zustimmend reagiert (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile
vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 10; vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).

b) Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist
auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten
Wohnung zu berücksichtigen.

c) Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück
ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen
grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur
Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der
Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit
nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.
Insoweit hat der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit
des Mietgrundstücks teil (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile
vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 12; vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 15, 17).
BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 197/14 - LG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. April 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Kläger und ihrer Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 7 - vom 26. Juni 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind auf Grund Mietvertrags vom 22. Februar 1993 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg gelegenen Erdgeschosswohnung der Kläger nebst Terrasse. Unmittelbar an das Wohngrundstück grenzte damals schon ein Schulgelände der Streithelferin an. Auf diesem Schulgelände errichtete die Streithelferin im Jahre 2010 in 20 m Entfernung zur Terrasse der Beklagten einen mit einem Metallzaun versehenen Bolzplatz, der nach einem dort angebrachten Hinweisschild Kindern im Alter bis zu 12 Jahren jeweils von Montags bis Freitags bis 18 Uhr zur Benutzung offenstehen soll.
2
Ab Sommer 2010 beanstandeten die Beklagten gegenüber den Klägern fortdauernde Lärmstörungen durch außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielende Jugendliche. Von der vereinbarten Gesamtmiete in Höhe von 586 € behielten sie schließlich im Zeitraum von Oktober 2012 bis März 2013 durchschnittlich 117,20 € je Monat ein, was einer Mietminderung von 20 % entspricht.
3
Unter Verrechnung mit einem Betriebskostenguthaben der Beklagten aus dem Jahr 2011 von 359,06 € begehren die Kläger, die die Mietminderung für unberechtigt halten, von den Beklagten die Zahlung restlicher Miete in Höhe von 344,14 € nebst Zinsen; ferner beantragen sie die Feststellung, dass die Beklagten nicht berechtigt sind, wegen Lärms, der von dem angrenzenden Schulgelände ausgeht, die Miete zu mindern. Das Amtsgericht hat nach Erhebung von Zeugenbeweis eine Mietminderung um 20 % für gerechtfertigt gehalten und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger und ihre Streithelferin das Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht (LG Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2014 - 307 S 11/14, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Das Amtsgericht habe den geltend gemachten Anspruch auf Miete zu Recht wegen Bestehens eines Minderungsrechts der Beklagten (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) verneint und die Klage aus diesem Grunde abgewiesen. Denn die Beklagten hätten den von dem Schulgelände ausgehenden Lärm entgegen der Auffassung der Kläger und ihrer Streithelferin auch nicht mit Rücksicht auf § 22 Abs. 1a BImSchG und den von ihnen geltend gemachten Umstand hinnehmen müssen, dass die Errichtung des Bolzplatzes bereits bei Mietvertragsabschluss für die Beklagten vorhersehbar gewesen sei. Die Frage, ob ein "Umweltfehler" einen mietrechtlichen Mangel darstelle, beurteile sich grundsätzlich nach der bei Vertragsschluss konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien.
7
Hiervon ausgehend stelle die gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss in der Wohnung vernehmbare erhöhte Lärmbelastung, die seit der Einrichtung des Bolzplatzes eingetreten sei, jedenfalls einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar. Ohne Erfolg machten die Beklagten insoweit allerdings auch Lärmstörungen während des Schulbetriebs geltend. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei die angrenzende Schule bereits in Betrieb gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem Schulgelände keine Veränderungen stattfinden würden und die Nutzung des Schulhofgeländes in der bei Vertragsschluss bestehenden Weise unverändert fortdauern würde.
8
Anders zu beurteilen sei jedoch der Umstand, dass die Streithelferin das Schulgelände über den Schulbetrieb hinaus der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich gemacht habe, dass die dortigen Spielplätze nach Schulschluss noch Kindern bis zu zwölf Jahren von Montags bis Freitags bis 18 Uhr sowie an Wochenenden zur Verfügung gestellt worden seien. Nach dem Ergebnis des erhobenen Zeugenbeweises stellten die vom Schulgelände ausgehenden Lärmstörungen außerhalb des Schulbetriebs eine erhebliche Lärmbelästigung dar. Danach stehe fest, dass auch an Wochenenden und nach 18 Uhr Spielbetrieb auf dem Schulgelände und namentlich auf dem Bolzplatz stattfinde, der etwa durch Schüsse mit dem Ball gegen den Metallzaun erhebliche Lärmbelästigungen zur Folge habe. Jedenfalls die über den Schulbetrieb hinausgehende weitergehende Nutzung ab 18 Uhr und an Wochenenden sei bei Abschluss des Mietvertrages von keiner Seite vorhersehbar gewesen. Insbesondere hätten die Parteien nicht damit rechnen können, dass eine derartig widmungswidrige weitergehende Nutzung an Wochenenden und ab 18 Uhr von der Streithelferin nicht unterbunden werde und nicht sichergestellt sei, dass über die der Öffentlichkeit gewidmeten Zeiten hinaus keine derartige Nutzung stattfinde.
9
Die Kläger und die Streithelferin könnten sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf § 22 Abs. 1a BImSchG berufen, selbst wenn diese Vorschrift den Zeitraum ab 18 Uhr und an Wochenenden erfassen sollte. Diese im Jahr 2011 in Kraft getretene Norm könne, da andernfalls ein unzulässiger Eingriff in die durch Art. 2 GG garantierte Vertragsfreiheit vorläge, nicht die bei Mietvertragsschluss im Jahr 1993 konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien verändern. Zwar entfalte diese Norm öffentlichen Rechts durchaus Rechtswirkungen in zivilrechtlichen Beziehungen, die - wie etwa § 906 BGB - nicht auf vertraglichen Vereinbarungen beruhten. Selbst wenn es dadurch den Klägern verwehrt wäre, die Streithelferin nach § 906 BGB in Anspruch zu nehmen , wirke sich dies nicht auf das Mietverhältnis der Parteien und die sich daraus ergebenden mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche aus. Denn die Voraussetzungen und der Umfang dieser Gewährleistung seien nicht davon abhängig, ob der Vermieter gegen einen Dritten, der den Mangel der Mietsache verursacht habe, einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch erlangt habe oder ihn verwirklichen könne. Dies liege vielmehr allein im Risikobereich des Vermieters. Insoweit könne auch nicht angenommen werden, dass in der Folge der Einführung des § 22 Abs. 1a BImSchG Mietverträge am gesellschaftlichen Wandel teilnehmen würden und angepasst werden könnten. Die genannte Be- stimmung stelle vielmehr lediglich einen rechtlichen Umstand dar, der nicht unmittelbar und tatsächlich den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache selbst berühre und in diesen auch nicht eingreife.
10
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei für die streitgegenständliche Zeit zwar nur eine Minderungsquote von 10 % angemessen. Gleichwohl wirke sich dies nicht entscheidungserheblich aus, da der sich danach ergebende Zahlungsrest das von den Klägern selbst in Abzug gebrachte Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2011 nicht übersteige. Ebenso wenig wirke sich dies auf das Feststellungsbegehren aus. Insoweit sei darauf zu verweisen, dass es sich hinsichtlich der Minderungsquote nicht um eine starre und feste durchgängige Größe handle; sie sei vielmehr abhängig von der tatsächlichen Nutzung und den konkreten vom Schulgelände ausgehenden Störungen, die jahreszeitbedingt unterschiedlich ausfallen dürften.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Minderung der Miete nicht bejaht werden.

A

12
Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
13
Zwar hat das Berufungsgericht nach den die Urteilsformel insoweit einschränkenden Gründen seiner Entscheidung die Revision ausdrücklich nur beschränkt auf die von ihm ersichtlich für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage zugelassen, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf mietrechtliche Beschaffenheitsvereinbarungen Rechtswirkungen entfalten kann, die vor Inkrafttreten dieser Norm getroffen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324 unter I). Diese Beschränkung der Zulassung des Rechtsmittels ist indessen unzulässig. Denn die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte; unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 17. November 2009 - XI ZR 36/09, BGHZ 183, 169 Rn. 6; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, WM 2005, 996 unter II 1; jeweils mwN).
14
Letzteres ist hier der Fall. Denn die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig erachtete Frage betrifft lediglich eine von ihm für entscheidungserheblich erachtete rechtliche Vorfrage des von den Beklagten beanspruchten Mietminderungsrechts und damit nur ein unselbständiges Element des zur Beurteilung anstehenden Streitstoffs. Fehlt es danach an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam ; die Revision ist vielmehr unbeschränkt zugelassen (BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, aaO Rn. 12; vom 17. November 2009 - XI ZR 36/09, aaO; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, aaO; jeweils mwN).

B

15
Die danach ohne Einschränkung eröffnete Revision ist auch begründet.
16
Die vom Berufungsgericht als in erster Linie entscheidungserheblich behandelte Frage, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf eine vor seinem Inkrafttreten bereits konkludent getroffene mietrechtliche Beschaffenheitsvereinbarung Rechtswirkungen entfalten kann, geht an den tatsächlichen und rechtlichen Ge- gebenheiten des Falles vorbei. Abgesehen davon, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die von ihm angenommene Beschaffenheitsvereinbarung tragen, hat es verkannt, dass die Beklagten - wie sich aus den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts und einer im dortigen Rechtszug vorgenommenen Klarstellung der Beklagten ergibt - sich nicht gegen einen von ihnen als sozialadäquat hinnehmbar angesehenen Lärm spielender Kinder wenden, sondern gegen unzumutbare Lärmbelästigungen, welche insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund der Benutzung des Bolzplatzes außerhalb der durch die Beschilderung der Streithelferin zugelassenen Zeiten ausgehen. Ob derartige Geräuschimmissionen einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung darstellen, kann deshalb nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht an § 22 Abs. 1a BImSchG gemessen werden. Solche Lärmbelästigungen beurteilen sich vielmehr anhand anderer rechtlicher Maßstäbe, zu deren Einhaltung das Berufungsgericht - folgerichtig - keine zureichenden Feststellungen getroffen hat.
17
1. Das Berufungsgericht ist unzutreffend vom Vorliegen einer konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung zur (höchst-)zulässigen Lärmbelastung des Mietgrundstücks und einem hiernach zur Minderung berechtigenden Mangel ausgegangen.
18
a) Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Ver- halten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (zum Ganzen: Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 8 mwN).
19
b) Mit Erfolg wenden sich die Revisionen gegen die vom Berufungsgericht nicht näher begründete Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des Mietvertrages im Wege einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung festgelegt , dass während der unbestimmten Dauer des Mietverhältnisses von dem benachbarten Schulgelände keine höheren Lärmeinwirkungen ausgehen dürfen als bei Vertragsbeginn.
20
Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache einwirkenden Umstand - hier die von einem "normalen" Schulbetrieb ausgehenden Geräuschimmissionen - als für ihn hinnehmbar wahrnimmt und er sich ungeachtet dieser von ihm als (noch) erträglich empfundenen Vorbelastung dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur konkludent geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dau- er des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (Senatsurteile vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 10; vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).
21
Soweit es um Lärmimmissionen geht, die von öffentlichen Straßenoder - wie hier - von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken, ist im Übrigen der offensichtliche und beiden Parteien bekannte Umstand zu berücksichtigen , wonach der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des Mietvertrages unverändert fortbestehen. Der Mieter kann daher im Allgemeinen nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger "Umweltbedingungen" übernehmen will. Die Annahme einer dahingehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung wird deshalb allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für die Übernahme einer so weit gehenden und vom Vermieter nicht beherrschbaren Haftung voraussetzen.
22
Derartige Umstände sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung vom Berufungsgericht indes weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Insbesondere lassen sich auch der Mietvertragsurkunde keine Umstände entnehmen , die den sicheren Schluss auf die verbindliche Festlegung eines bestimmten Immissionsstandards über die Dauer der Mietzeit hinweg zuließen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 Rn. 26).
23
2. Soweit danach konkrete Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, beantwortet sich die Frage, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Wohnung gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in - gegebenenfalls ergänzender - Auslegung abzuleitenden Standards , insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04, NZM 2006, 626 Rn. 13; vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04, WuM 2007, 381 Rn. 8; vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 11; vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 8; jeweils mwN).
24
Aber auch nach den sich daraus ergebenden Maßstäben erweist sich das Berufungsurteil, das den Klägern einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf dem Nachbargrundstück zuweist, nicht als richtig. Es kommt vielmehr darauf an, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung, also die künftige Errichtung eines Bolzplatzes auf dem benachbarten Schulgelände und dessen unbeschränkte Zugänglichkeit und Benutzung durch die Öffentlichkeit über den "normalen" Schulbetrieb hinaus sowie die dadurch verursachte erhöhte Lärmbelastung, bewusst gewesen wäre (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13, WM 2015, 306 Rn. 26 mwN). Das hätte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht notwendig zu einer unbedingten Einstandspflicht der Kläger für diese nachteilige Entwicklung und damit zu einem Mangel der Mietsache geführt, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum ohne Weiteres zur Minderung der Miete berechtigt hätte.
25
a) Soweit das Berufungsgericht die Frage, ob die von ihm festgestellte erhöhte Lärmbelastung einen Mangel der Mietwohnung der Beklagten darstellt, im Wesentlichen nur an dem von ihm für erörterungswürdig erachteten § 22 Abs. 1a BImSchG und einem danach zu tolerierenden Kinderlärm gemessen hat, hat es nicht nur die hier heranzuziehenden Beurteilungsmaßstäbe unzulässig auf diesen Maßstab verengt. Es hat auch übersehen, dass nach den von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts der als Mangel bewertete Lärm möglicherweise gar nicht oder nur unwesentlich von Kindern, sondern von Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen ausgeht und auf einem Bolzplatz entsteht, so dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den § 22 Abs. 1a BImSchG nach seinem Anwendungsbereich nicht zugeschnitten ist.
26
aa) Der durch Art. 1 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BundesImmissionsschutzgesetzes - Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms vom 20. Juli 2011 (BGBl. I S. 1474) in § 22 BImSchG eingefügte Absatz 1a bestimmt, dass Geräuscheinwirkungen , die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung sind, und dass bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden dürfen. Für den Begriff der Kinder, deren Lärm als Ausdruck eines besonderen Toleranzgebots der Gesellschaft durch die Vorschrift privilegiert werden soll, hat der Gesetzgeber die Definition in § 7 Abs. 1 SGB VIII heranziehen wollen, wonach Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, und Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (BTDrucks. 17/4836, S. 4, 6). Hinsichtlich der gegenständlich in die Privilegierung einbezogenen Kinder- und Ballspielplätze hat der Gesetzgeber mit Blick auf den Nutzerkreis zugleich klargestellt, dass davon zu unterscheiden sind Spiel- und Bolzplätze sowie Skateranlagen und Streetballfelder für Jugendliche, die groß- räumiger angelegt seien und ein anderes Lärmprofil hätten als Kinderspielplätze (BT-Drucks. 17/4836, S. 6). Dass die danach erforderlichen Privilegierungsvoraussetzungen des vom Berufungsgericht für einschlägig erachteten § 22 Abs. 1a BImSchG im vorliegenden Fall überhaupt gegeben sind, kann den getroffenen Feststellungen indes nicht entnommen werden.
27
bb) Wenn - was die Feststellungen des Berufungsgerichts bislang nicht tragen - von Kindern ausgehender Lärm eine wesentliche Ursache für die als Mangel beanstandeten Geräuschimmissionen gewesen sein sollte, wäre entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings § 22 Abs. 1a BImSchG zur Bewertung der Lärmeinwirkungen als Mangel der gemieteten Wohnung mit heranzuziehen. Denn diese Privilegierungsregelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht , auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 204/11, WuM 2012, 515 Rn. 11).
28
Diese Ausstrahlungswirkungen, die zugleich die Verkehrsanschauung zu Art und Maß der als sozialadäquat hinzunehmenden Geräuschimmissionen prägen, würden sich insbesondere dahin äußern, dass bei einer - hier mangels abweichend vereinbarter Standards erforderlichen - Auslegung der beiderseitigen mietvertraglichen Rechte und Pflichten Kinderlärm der in § 22 Abs. 1a BImSchG beschriebenen Art jedenfalls bei Beachtung des Gebots zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme (vgl. dazu OVG Koblenz, NVwZ 2012, 1347, 1349) in der Regel als den Mietgebrauch nicht oder nur unerheblich beeinträchtigend einzustufen wäre. Dass das hierin zum Ausdruck kommende Toleranzgebot erst im Jahr 2011 und damit lange nach Abschluss des Mietvertrages seinen gesetzlichen Niederschlag in § 22 Abs. 1a BImSchG gefunden hat, stünde - anders als das Berufungsgericht meint - seiner Berücksichtigungsfähigkeit nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass dieses Gebot ohnehin nur die Konkretisierung einer bereits bei Mietvertragsschluss zumindest angelegten Verkehrsanschauung enthält (vgl. BVerwG, NJW 1992, 1779, 1780), könnte eine Weiterentwicklung der Verkehrsanschauungen jedenfalls im Hinblick auf hinzunehmende Umwelteinwirkungen bei Fehlen konkreter vertraglicher Regelungen zum "Soll-Zustand" auch zu gewissen Anpassungen des vertraglich geschuldeten Standards einer Gebrauchsgewährung führen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04, aaO; vom 10. Mai 2006 - XII ZR 23/04, NZM 2006, 582 Rn. 10).
29
b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Denn auf der Grundlage der vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Amtsgerichts, wonach die vom Schulgelände ausgehenden Lärmstörungen außerhalb des Schulbetriebs nach Schulschluss eine erhebliche Lärmbelastung darstellten, weil namentlich an Wochenenden und nach 18 Uhr ein Spielbetrieb auf dem Schulgelände und insbesondere auf dem Bolzplatz stattfinde, der etwa durch Schüsse mit dem Ball gegen den Metallzaun erhebliche Lärmbelästigungen zur Folge habe, lässt sich auch dann, wenn § 22 Abs. 1a BImSchG als heranzuziehender Beurteilungsmaßstab ausscheiden sollte, die Frage nicht abschließend beantworten, ob diese Geräuschimmissionen einen zur Minderung der Miete berechtigenden Mangel der Wohnung der Beklagten darstellen.
30
aa) Allerdings sind die Maßstäbe, die bei Fehlen konkreter Parteiabreden an eine Hinnahme von nachträglich entstehenden oder sich vergrößernden Geräuschimmissionen auf die Mietsache durch Dritte und die damit zusammen- hängende Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) anzulegen sind, umstritten.
31
(1) In Teilen der Instanzrechtsprechung (BayObLG, NJW 1987, 1950, 1951; OLG München, NJW-RR 1994, 654 f.; LG Itzehoe, Urteil vom 11. Oktober 2010 - 3 O 509/09, juris Rn. 24; LG Berlin, Urteil vom 13. März 2013 - 65 S 321/11, juris Rn. 20) sowie im mietrechtlichen Schrifttum (Staudinger/ Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 536 Rn. 29a f. mwN; Erman/ Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 536 Rn. 18; Lehmann-Richter, NZM 2012, 849, 852; ähnlich auch Kraemer, WuM 2000, 515, 519) wird maßgeblich darauf abgestellt , ob der Mieter bei Abschluss des Vertrages insbesondere aufgrund der Lage des Mietgrundstücks und der das Grundstück umgebenden Nachbarschaft bereits konkrete Anhaltspunkte für einen Eintritt oder eine Zunahme bestimmter Geräuschimmissionen hatte, aus diesem Grunde mit dem Entstehen einer später als Mangel gerügten Geräuschkulisse ohne Weiteres rechnen musste und dies deshalb bei Bemessung der Miethöhe (ermäßigend) berücksichtigen konnte (nur eine positive Kenntnis des Mieters für maßgeblich haltend : Blank, WuM 2012, 175, 178). Dabei wird zugleich ganz überwiegend angenommen , dass die im Nachbarschaftsrecht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedeutsame Ortsüblichkeit keinen Maßstab für die mietrechtliche Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB bilden könne (BayObLG, aaO S. 1952; OLG München, aaO S. 654; LG Itzehoe, aaO; Lehmann-Richter, aaO S. 850; Blank, aaO S. 176; Börstinghaus, NZM 2004, 48, 49; aA LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10, juris Rn. 27).
32
(2) Demgegenüber wird von einem anderen Teil der Instanzrechtsprechung eine abweichende Auffassung dahin vertreten, dass bei Fehlen konkreter Beschaffenheitsabreden nach der Verkehrsanschauung nicht schon jede nachteilige Veränderung des Wohnumfelds und der Geräuschsituation als Mangel der Mietsache angesehen werden könne. Vielmehr müsse ein Mieter grundsätzlich in Rechnung stellen, dass es im weiteren oder näheren Umfeld seiner Wohnung zu Veränderungen kommen könne, die sich auf die Mietsache nachteilig auswirken könnten. Es sei deshalb zu fragen, ob der Mieter bestimmte Eigenschaften seines Wohnumfeldes als unveränderlich habe voraussetzen dürfen oder ob er mit bestimmten nachteiligen Änderungen etwa wegen bestehender Gemengelagen grundsätzlich habe rechnen müssen (KG, NZM 2003, 718; LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10, aaO Rn. 25 f.; LG Heidelberg, NJOZ 2010, 2557 f.; LG Hamburg, WuM 1998, 19).
33
bb) Der Senat hat zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung genommen. Er hat allerdings in einer Fallgestaltung, in der es darum ging, ob in der durch die zeitweilige straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verursachten erhöhten Lärmbelastung ein zur Mietminderung berechtigender Mangel zu sehen ist, ausgesprochen, dass bei einer vermieteten Wohnung, die sich in einer bestimmten Innenstadtlage und damit in einer Lage befunden hat, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer zu rechnen ist, die Mieter die mit den Arbeiten verbundene (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen haben. Eine solche vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stellt deshalb unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in solchen Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar (Senatsurteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 12).
34
In einem weiteren Fall hat der Senat angenommen, dass die in einem Lichthof von den Zu- und Abluftleitungen ausgehenden Geräuschimmissionen auch bei ihrer nachträglichen Zunahme dann nicht zu einem Mangel der Mietsache führen, wenn bei Fehlen einer Abrede der Mietvertragsparteien zum Maß einer Immissionsbelastung der zum Lichthof hin gelegenen Räumlichkeiten die hierfür maßgeblichen technischen Normen eingehalten sind. Denn ein Mieter kann bei Fehlen gegenteiliger Abreden nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Vermieter Veränderungen, die durch die Nutzungsbedürfnisse anderer Mieter erforderlich werden, unterlässt, wenn dadurch die Geräuschimmissionen zwar steigen, die Belastung aber auch nach der Veränderung noch den technischen Normen genügt, deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet ist. Weist das Gebäude im Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses tatsächlich einen Immissionsstandard auf, der besser ist als der, den der Mieter nach den maßgeblichen technischen Normen vom Vermieter verlangen kann, kann er gleichwohl im Allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der Vermieter ihm gegenüber dafür einstehen will, dass dieser Zustand während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses erhalten bleibt (Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 15, 17).
35
cc) Der Senat führt diese Rechtsprechung nunmehr dahin fort, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.
36
(1) Die nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Mietvertrag entstehende Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zum einen dahin aus, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat (Überlassungspflicht ). Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die Verpflichtung , die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (Erhal- tungspflicht), was zugleich die Pflicht beinhaltet, eine nach Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen (BGH, Urteile vom 19. November 2014 - VIII ZR 191/13, NJW 2015, 699 Rn. 25 mwN, vom 3. April 2003 - IX ZR 163/02, NZM 2003, 472 unter II 2).
37
(2) Das dem Vermieter durch diese Regelungen auferlegte Besitzverschaffungsrisiko (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) hat jedoch nicht notwendig zur Folge, dass die Überlassungspflicht und die Erhaltungspflicht in jeder Hinsicht deckungsgleich sind. Während die Überlassungspflicht an einen gegenwärtigen Zustand der Mietsache anknüpft, über den der Vermieter sich ohne Weiteres vergewissern und dessen Beherrschung ihm deshalb auch ohne Weiteres zugemutet werden kann, bedarf es zur Erhaltungspflicht und der Beherrschbarkeit der dabei jedenfalls durch äußere Einflüsse auf die Mietsache einwirkenden Risiken eines prognostischen Blicks in die Zukunft, deren Entwicklung nicht in jeder Hinsicht überschaubar ist.
38
Dementsprechend bedarf es für den Umfang der Erhaltungspflicht einer differenzierteren Betrachtung. Denn auch für die Beurteilung eines übernommenen Beschaffungsrisikos ist es anerkannt, dass dieses sich bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte nicht darauf erstreckt, schlechthin für jedes Unvermögen zur Erfüllung der übernommenen Pflichten einstehen zu wollen, sondern nur auf die Fähigkeit zur Überwindung der typischen Beschaffungshindernisse bei Geschäften der fraglichen Art (BT-Drucks. 14/6040, S. 132; BeckOKBGB /Lorenz, Stand: 1. März 2011, § 276 Rn. 42; Erman/Westermann, aaO, § 276 Rn. 19 mwN). Die Übernahme eines Beschaffungsrisikos schließt deshalb insbesondere die Berücksichtigung des unvorhergesehenen Eintritts höherer Gewalt oder ähnlicher Umstände nicht aus, welche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) das Verlangen des Gläubigers nach uneingeschränkter Leistung als unbillig und ungerechtfertigt erscheinen lassen (RGZ 99, 1, 2; vgl. auch Senatsurteile vom 12. Juli 1972 - VIII ZR 200/71, WM 1972, 1251 unter III 1 b; vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 259/92, WM 1994, 301 unter II 2 b). Es ist in diesen Fällen vielmehr bereits durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, wie weit eine im Vertrag übernommene Beschaffungspflicht nach diesen Maßstäben reicht (MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl., § 276 Rn. 179 mwN).
39
(3) Dieser Gesichtspunkt ist auch bei der hier vorzunehmenden - ergänzenden - Auslegung des Mietvertrages der Parteien zur Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Mietwohnung gehört, den die Kläger insbesondere nach deren Lage und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit in Bezug auf Geräuschimmissionen zu erhalten haben. Dabei ist namentlich zu fragen, ob die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss die spätere Entwicklung der Verhältnisse auf dem benachbarten Schulgrundstück in Betracht gezogen hätten, diese als den geschuldeten Mietgebrauch nunmehr prägend hingenommen hätten, oder ob die Parteien die Kläger als verpflichtet angesehen hätten, den Mietgebrauch jedenfalls im Wesentlichen nach dem bei Vertragsschluss bestehenden Immissionsstandard aufrechtzuerhalten.
40
Insoweit ergibt eine Auslegung des Mietvertrags der Parteien, die der Senat selbst vornehmen kann, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 4), dass Letzteres zu verneinen ist.
41
(a) Hätten die Parteien bei Vertragsschluss die eingetretene Entwicklung mit den daraus resultierenden erhöhten Geräuschimmissionen bedacht, hätte sich ihnen die Frage aufdrängen müssen, ob und mit welchem Ergebnis die Kläger überhaupt in der Lage sein würden, dem erhöhten Immissionsanfall zu begegnen. Zwar trifft einen Vermieter - und zwar unabhängig von etwaigen eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters - im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. Februar 1966 - VIII ZR 63/64, WM 1966, 763 unter II 1; vom 10. Dezember 1986 - VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182, 191). Hierbei wären aber zugleich die Gegebenheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die in § 906 BGB konkretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und Ausgleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen, die auch bei Immissionen einer - wie hier - hoheitlich betriebenen Anlage den Maßstab bilden (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, BImSchG-Rspr. § 22 Nr. 187; VGH Mannheim, BImSchGRspr. § 22 Nr. 216; jeweils mwN).
42
Dass die Parteien vor diesem Hintergrund davon ausgegangen wären, die Kläger hätten den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten sollen, kann redlicherweise nicht angenommen werden. Denn damit hätten die Beklagten ihnen eine Erhaltungspflicht abverlangt, deren Erfüllung gemäß § 275 Abs. 1, 2 BGB tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich gewesen wäre. Dass sich die Kläger hierauf eingelassen hätten oder billigerweise hätten einlassen müssen, liegt fern. Vielmehr hätten sich die Parteien nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf verständigt, die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen, wenn die Kläger selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müssten. Im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin gegangen, dass sich ein dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen.
43
(b) Entgegen einer verbreitet vertretenen Auffassung (BayObLG, aaO S. 1951 f.; OLG München, aaO; LG Itzehoe, aaO; Lehmann-Richter, aaO; Blank, aaO; Börstinghaus, aaO), die allerdings die vorstehend dargestellte Risikoverteilung außer Acht lässt, spricht gegen das dargestellte Auslegungsergebnis auch nicht, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 180/03, BGHZ 157, 188, 192 f.). Denn das schließt eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht aus. Vielmehr nimmt der einem Mieter zukommende Mietgebrauch bei Fehlen entgegenstehender Abreden an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teil, den der an § 906 BGB gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billigerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen kann.

III.

44
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
45
Das Berufungsgericht wird dabei insbesondere zu prüfen haben, ob es sich bei dem Bolzplatz nach seiner Größe und Gestaltung überhaupt um einen Kinder- oder Ballspielplatz im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG handelt, ob und in welchem Ausmaß die von ihm ausgehenden Geräuschimmissionen von Kindern oder von anderen Personen verursacht werden und nach welchen (Lärmschutz -)Standards sich danach eine Wesentlichkeit der behaupteten Immissionen im Einzelnen bestimmt. Ferner wird es - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - zu prüfen haben, ob die Kläger nach den immissionsschutz - und bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten oder etwaigen sonstigen Emissionsumständen die Geräuschimmissionen zu dulden haben und ob ihnen bejahendenfalls zumindest ein Ausgleichsanspruch - etwa gegen die Streithelferin - zusteht. Denn danach beurteilt sich, ob ein Mangel vorliegt, der zur Minderung berechtigt. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 16.12.2013 - 644 C 148/13 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.06.2014 - 307 S 11/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 257/03 Verkündet am:
12. März 2004
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen
des erstinstanzlichen Gerichts begründen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern
ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen
sind.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1
Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht geboten, so beurteilt sich die
Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme verpflichtet ist, nach denselben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung
des Zivilprozeßreformgesetzes.
ZPO (2002) § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3
Wird in der Berufungsbegründung gerügt, das erstinstanzliche Gericht habe Parteivorbringen
übergangen, so ist eine genaue Bezeichnung unter Angabe der Fundstelle in den
Schriftsätzen der Vorinstanz nicht erforderlich.
ZPO (2002) § 529 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
Auch bei einem Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts obliegt dem Berufungsgericht
nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die tatsächliche Inhaltskontrolle
des erstinstanzlichen Urteils ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge.
Für schriftsätzlich angekündigtes Vorbringen kommt dem Urteilstatbestand keine negative
Beweiskraft zu.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 257/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war von der Stadt O. beauftragt, auf einem ehemaligen Kasernengelände gelegene Grundstücke und Wohnungen zu vermarkten. Mit notariellem Vertrag vom 8. Juli 1999 verkaufte sie eine durch Ausbau des Dachgeschosses eines Hauses noch zu errichtende Wohnung zum Preis von 444.000 DM an die Klägerin.
Dem Vertragsschluß vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin Dr. L. , und der Klägerin, die von ihrem Bekannten, dem Zeugen Rechtsanwalt W. , begleitet wur-
de. Nach den Behauptungen der Klägerin erklärte Dr. L. während der Verhandlungen, auf dem der künftigen Dachgeschoßwohnung gegenüber liegenden Grundstück der Beklagten solle ein lediglich zweigeschossiges Gebäude errichtet werden, so daß die Sicht aus der Wohnung auf den Taunus uneingeschränkt erhalten bleibe. Tatsächlich war bereits zu diesem Zeitpunkt der - zwischenzeitlich begonnene - Bau eines viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses durch einen Investor geplant, wovon die Klägerin erst nach Bezug der Wohnung Kenntnis erhielt. Die mehr als zweigeschossige Nachbarbebauung , so hat die Klägerin behauptet, habe zu einem um 20 % geminderten Wert der Wohnung geführt.
Sie verlangt daher Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises sowie entsprechend geminderter Erwerbskosten und nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von 47.613,80 Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen W. und der Zeugin Dr. L. über den Inhalt der Vertragsverhandlungen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gewandt und insbesondere gerügt, daß das Landgericht die Zeugen nicht gehört habe, die sie zur Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. benannt habe. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht hält die Klage auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen für unbegründet. Die von der Klägerin behaupteten Falschangaben der Zeugin Dr. L. zur zweigeschossigen Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks seien nicht bewiesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erneute Feststellungen in der Berufungsinstanz gebieten könnten, habe die Klägerin nicht aufgezeigt. Die von dem Eingangsgericht vorgenommene Beweiswürdigung unterliege zwar gewissen Zweifeln, sei im Ergebnis jedoch zutreffend. Soweit die Klägerin das Übergehen erstinstanzlicher Beweisanträge gerügt habe, betreffe dies einen nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel , der gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen könne, wenn er nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 ZPO in der Berufungsbegründung ordnungsgemäß geltend gemacht worden sei. Diesen Anforderungen entspreche die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht, weil es an einer konkreten Bezeichnung der angebotenen Zeugen und der Angabe des genauen Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote fehle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

II.


1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Für den Fall, daß - wie die Klägerin behauptet - die für die Beklagte handelnde Zeugin Dr. L. im Rahmen der Vertragsverhandlungen unzutreffende Angaben zu der geplanten Bebauung des gegenüberliegenden Grundstücks gemacht haben sollte, wären die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluß erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145; Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302). Die Gewährleistungsvorschriften des hier weiterhin anwendbaren früheren Rechts (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) sind nicht einschlägig und stehen mithin einer Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß nicht entgegen. Der Umstand, daß der gegenwärtige oder zukünftige Eigentümer eines benachbarten Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht den Willen hat, dieses entsprechend den baurechtlichen Möglichkeiten zu bebauen, stellt keine Eigenschaft des veräußerten Objekts, deren Fehlen als Sachmangel qualifiziert werden könnte (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1324).
2. Hingegen rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht erneute Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Inhalt der Vertragsverhandlungen unter Verletzung des Verfahrensrechts abgelehnt hat. Auch nach neuem Recht unterliegen Berufungsurteile auf entsprechende Verfahrensrüge hinsichtlich der vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs und der Beweisangebote der Überprüfung durch das Revisionsgericht (MünchKomm -ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 546 Rdn. 15). Dies führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an
der Vollständigkeit des von dem Eingangsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts , die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, sowohl aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil (a), als auch aus dem Übergehen erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin (b) ergeben.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann , NJW 2003, 169, 171).
aa) Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 529 Rdn. 21; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 529 Rdn. 8). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor,
wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können , oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH, Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 23. Januar 1997, I ZR 29/94, NJW 1997, 2757, 2759).
(1) Hieran gemessen ist die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil zumindest insoweit fehlerhaft, als es um die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. geht. Dessen Bekundungen hat das Gericht erster Instanz vor allem deshalb für unglaubhaft gehalten, weil der Zeuge die angebliche Zusicherung der Zeugin Dr. L. , das gegenüberliegende Grundstück werde nur zweigeschossig bebaut, nicht überprüft und sich insbesondere bei der Stadt O. nicht nach dem Bestand und dem Inhalt eines etwaigen Bebauungsplans erkundigt habe. Diesem Umstand kommt indes die ihm vom Gericht zuerkannte Indizwirkung nicht zu. Es ist nicht ersichtlich , aus welchem Grund für den Zeugen W. , der an den Vertragsverhandlungen nicht als beauftragter Rechtsanwalt, sondern allein wegen seiner Bekanntschaft mit der Klägerin teilgenommen hatte, Anlaß bestehen konnte, Erkundigungen zu den Äußerungen der Zeugin Dr. L. einzuholen. Zudem ist das herangezogene Indiz auch auf Grund seiner Ambivalenz nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen W. in Frage zu stellen. Selbst für die Klägerin gab es nämlich keine Veranlassung, die von der Zeugin Dr. L. erteilten Auskünfte zu überprüfen, wenn sie auf deren Richtigkeit vertraute. Daß die Angaben der Zeugin einen für den Vertragswillen der Klägerin bedeutsamen Punkt betrafen, steht dieser Möglichkeit nicht entgegen. Das Unterbleiben von Nachforschungen läßt deshalb nicht ohne weiteres darauf schließen, daß die Zeugin Dr. L. eine zweigeschossige Nachbarbebauung nicht zugesagt hat. Vielmehr läßt dieser Umstand auch den
Schluß zu, die Klägerin habe sich ebenso wie der Zeuge W. auf eine derartige Zusage verlassen. (2) Geht das Eingangsgericht - wie hier - auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 13, § 529 Rdn. 35). Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 32), weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (Rimmelspacher , NJW 2002, 1897, 1902). So liegt der Fall auch hier. Ausweislich seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung ist das erstinstanzliche Gericht nur deshalb zu dem Ergebnis der Nichterweislichkeit unzutreffender Angaben der Zeugin Dr. L. gelangt, weil es Anlaß gesehen hat, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen W. zumindest zu zweifeln. Können diese Bedenken ausgeräumt werden, so ist es möglich, daß der Tatrichter die Aussage des Zeugen W. als glaubhaft ansieht. Da die Beweiswürdigung dann auch zu einem anderen Ergebnis führen kann, besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses. In solcher Situation sind erneute oder auch erstmalige (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 12) neue Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geboten (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 14/6036, S. 123; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 36; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 529 Rdn. 24; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 11).
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich weder das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte noch die Erforderlichkeit erneuter Feststellungen mit der Erwägung verneinen, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiswürdigung unterliege zwar "gewissen Zweifeln", sei aber aus anderen Gründen richtig. Zu dieser Schlußfolgerung konnte das Berufungsgericht nur auf Grund einer eigenständigen Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise gelangen. Dies stellt jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, der Sache nach eine erneute Tatsachenfeststellung dar, die aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte und das Gebotensein nochmaliger Feststellungen gerade voraussetzt.
cc) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht deshalb als richtig dar (§ 561 ZPO), weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO gebotenen erneuten Tatsachenfeststellung zwar - fehlerhaft - verneint, eine solche aber doch vorgenommen hat. Die Tatsachenfeststellung in dem Berufungsurteil leidet nämlich ebenfalls an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht stützt seine Auffassung, die von der Klägerin behauptete Zusicherung einer zweigeschossigen Bebauung des Nachbargrundstücks sei nicht erwiesen , darauf, daß beide Zeugen ein persönliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits hätten. Damit stellt das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage, was - wie die Revision zu Recht rügt - nur auf Grund deren nochmaliger Vernehmung zulässig gewesen wäre, nachdem das erstinstanzliche Gericht beide Zeugen als glaubwürdig angesehen hat. Es hat sich mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und Dr. L. nur insoweit befaßt, als es angesichts der sich widersprechenden Aussagen erwogen hat, einer von beiden Zeugen müsse gelogen haben. Zu
einer Aufklärung hat sich das erstinstanzliche Gericht jedoch außer Stande gesehen, seine Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit daher nicht weiterverfolgt und seine weiteren Ausführungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für eine erneute Tatsachenfeststellung vorliegen, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (Musielak/Huber, aaO, § 398 Rdn. 5; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 13). Es verbleibt mithin dabei, daß das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muß, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1996, VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; Urt. v. 10. März 1998, VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223 m.w.N.).

b) Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ergeben sich zudem daraus, daß das Eingangsgericht die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, die Zeugin Dr. L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Bebauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Träfe diese Behauptung zu, so wäre sie geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin Dr. L. , sie habe die Klägerin ebenso wie alle übrigen Interessenten auf die geplante viergeschossige Bebauung hingewiesen, in Frage zu stellen. Besteht mithin unter Zugrundelegung der von der Klägerin behaupteten Tatsache zumindest die Möglichkeit eines anderen Beweisergebnisses, so ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO eine erneute Tatsachenfeststellung geboten. Entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts ist hierfür eine den formalen Anforderungen des Revisionsrechts genügende Berufungsrüge selbst dann nicht Voraussetzung , wenn - wie hier - zugleich auch ein Verfahrensfehler des Erstrichters vorliegt. Insoweit stellt das Berufungsgericht, was die Revision mit Erfolg geltend macht, zum einen zu hohe Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Verfahrensrüge gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (aa) und verkennt zum anderen auch die Bedeutung des § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO (bb).
aa) Das Berufungsgericht überspannt die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung, soweit es die Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erhobenen Berufungsrüge mit der Begründung verneint, es fehle an der erforderlichen namentlichen Benennung der in erster Instanz angebotenen Zeugen und an der Angabe des Aktenfundorts der jeweiligen Beweisangebote.
(1) Wendet sich der Berufungskläger - wie hier - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muß er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532). Dies hat die Klägerin bereits dadurch getan, daß sie die Feststellungen des Erstrichters unter Hinweis auf ein bereits in erster Instanz vorgelegtes Beschwerdeschreiben mehrerer Wohnungseigentümer angegriffen und ihre Behauptung wiederholt hat, die Zeugin Dr.
L. habe auch anderen Interessenten eine lediglich zweigeschossige Be- bauung des Nachbargrundstücks zugesagt. Da dieses Vorbringen die Glaubhaftigkeit der inhaltlich widersprechenden Aussage der Zeugin in Frage stellen kann und in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden ist, sind nach der Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen mit der Folge gegeben , daß das Berufungsgericht insoweit nicht mehr gebunden ist. Auf die von der Klägerin angebotenen Zeugen wäre es erst angekommen, wenn die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung ergeben hätte, daß die Behauptung der Klägerin von der Beklagten wirksam bestritten worden war.
(2) Nichts anderes folgt aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, falls diese Regelung für Angriffe gegen Tatsachenfeststellungen auf Grund von Verfahrensfehlern - zusätzlich - anwendbar sein sollte (befürwortend Fellner, MDR 2003, 721, 722; ablehnend MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 40). Hieraus ergeben sich im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen an den notwendigen Inhalt der Berufungsbegründung. Die ohnehin erforderliche Darlegung der in § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen reicht nämlich im Falle eines Verfahrensmangels auch für die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO gebotene Darlegung einer entscheidungskausalen Rechtsverletzung aus. Insbesondere muß der Berufungskläger zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensfehlers lediglich aufzeigen, daß das Eingangsgericht ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (Musielak /Ball, aaO, § 520 Rdn. 33).
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lassen sich strengere formale Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht daraus herleiten, daß ein Revisionskläger, der gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen von Tatsachenbehauptungen oder Beweisangeboten rügen will, diese unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Vorinstanzen genau bezeichnen muß (vgl. dazu BGHZ 14, 205, 209 f; BAG, ZIP 1983, 605, 606; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 554 Rdn. 13; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 551 Rdn. 21; Musielak/Ball, aaO, § 551 Rdn. 11). Dieses revisionsrechtliche Erfordernis ist auf das Berufungsverfahren nicht übertragbar (a.A. Musielak/Ball, aaO, § 520 Rdn. 32; Ball, WuM 2002, 296, 299; wohl auch Stackmann, NJW 2003, 169, 171 f). Es findet seine Rechtfertigung in der durch § 559 Abs. 1 ZPO allein für das Revisionsverfahren angeordneten Beschränkung des Prozeßstoffs. Danach kann aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll nicht ersichtliches Parteivorbringen nur über eine Nichtberücksichtigungsrüge zur Beurteilungsgrundlage des Revisionsgerichts werden (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 3, 7). Diese Rüge muß so konkret sein, daß keine Zweifel an dem vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Tatsachenstoff verbleiben. Das Berufungsverfahren kennt hingegen keine § 559 Abs. 1 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine entsprechende Anwendung der revisionsrechtlichen Regelung scheitert an den unterschiedlichen Funktionen der Rechtsmittel (Gaier, NJW 2004, 110, 111; a.A. Grunsky, NJW 2002, 800, 801; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901). Anders als im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil nicht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen, vielmehr gehört es gemäß § 513 Abs. 1 ZPO zu den Aufgaben der Berufung, das Urteil der Vorinstanz auch auf konkrete Anhaltspunkte für Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu prüfen und etwaige Fehler zu beseiti-
gen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f). Fehlt es mithin an einer begrenzenden Regelung, so gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte - wie noch auszuführen sein wird, aus den Akten ersichtliche - Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Barth, NJW 2002, 1702, 1703; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Damit steht auch der von dem Berufungsgericht zu berücksichtigende Tatsachenstoff fest, weshalb es einer Nichtberücksichtigungsrüge und der für sie geltenden formalen Anforderungen nicht bedarf. bb) Zudem hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die ihm nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO obliegende Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines - wie hier - zulässigen Rechtsmittels ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge besteht.
(1) Eine Bindung des Berufungsgerichts an solche Zweifel begründende Umstände, die in der Berufungsbegründung dargelegt sind, folgt insbesondere nicht aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO. Danach müssen zwar konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO in der Berufungsbegründung bezeichnet werden. Auf solche Umstände wird die Überprüfung durch das Berufungsgericht allerdings nicht beschränkt, sondern lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geregelt (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Notwendigkeit einer Rüge läßt sich dem Wortlaut anderer Gesetzesvorschriften ebensowenig entnehmen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom Partei-
vortrag auf Grund lediglich bei ihm gerichtskundiger Tatsachen gewonnen hat (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses , BT-Drucks. 14/4722, S. 100). Damit kann und muß das Berufungsgericht erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags von dem Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rdn. 12). Bemerkt das Berufungsgericht etwa anläßlich der Prüfung sonstiger Berufungsrügen, daß das Eingangsgericht eine für die Beweiswürdigung bedeutsame Tatsache oder ein erhebliches Beweisangebot übergangen hat, dann bestehen auch ohne dahingehende Rüge konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichten (a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, S. 11, 16).
(2) Dem steht nicht entgegen, daß das erstinstanzliche Gericht hier Parteivorbringen übergangen hat und darin ein Verfahrensfehler in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder des Verstoßes gegen § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2000, VIII ZR 31/99, NJW 2000, 2024, 2026) zu sehen ist. Zwar prüft das Berufungsgericht einen Mangel des Verfahrens - soweit er nicht von Amts wegen berücksichtigt werden muß - gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann, wenn er gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsbegründung gerügt worden ist. Hierdurch wird jedoch die durch § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO geregelte tatsächliche Inhaltskontrolle des Berufungsgerichts entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 520 Rdn. 53, § 529
Rdn. 14, 38; ders., NJW 2002, 1897, 1902; ders., NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 15; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 9, 23; Hinz, NZM 2001, 601, 605; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428) nicht eingeschränkt (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43; Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 529 Rdn. 12; Vorwerk, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 4, 6; Gaier, NJW 2004, 110, 112). Von der Aufgabe des Berufungsgerichts, konkreten Anhaltspunkten ungeachtet einer Berufungsrüge nachzugehen, macht das Gesetz keine Ausnahme, wenn sich - was ohnehin die weitaus praktischste Fallgestaltung darstellen dürfte - konkrete Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO aus Verfahrensfehlern des Erstrichters bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Dies zeigt sich an der Systematik des § 529 ZPO, der mit seinen Absätzen klar zwischen den Aufgaben des Berufungsgerichts bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht trennt (Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 8, § 529 Rdn. 27, 43). Für die tatsächliche Inhaltskontrolle ist ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO maßgebend, eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf mithin selbst dann nicht stattfinden, wenn die fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen.
(3) Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens nicht deshalb gehindert gewesen, weil dieser Vortrag weder durch eine Darstellung im Tatbestand noch durch eine § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Bezugnahme (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1954, IV ZR 126/53, LM § 295 ZPO Nr. 9) in dem erstinstanzlichen Urteil Erwähnung gefunden hat.
Die auf § 314 ZPO gestützte Annahme, daß nicht erwähnte Angriffsund Verteidigungsmittel, auch tatsächlich unterblieben sind (negative Beweiskraft des Tatbestandes), wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Parteivorbringen in dem Urteilstatbestand vollständig wiedergegeben werden müßte. Nur dann könnte nämlich von dem Fehlen einer Darstellung auf das Fehlen entsprechenden Vortrags geschlossen werden. Eine vollständige Wiedergabe des Parteivorbringens kann aber nicht mehr zu den Funktionen des Urteilstatbestandes zählen, nachdem sich das Gesetz in § 313 Abs. 2 ZPO mit einer "knappen" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs - und Verteidigungsmittel begnügt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 7; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 7, § 559 Rdn. 17; ders., in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20; Fischer, DRiZ 1994, 461, 462 f; Crückeberg, MDR 2003, 199, 200; Gaier, NJW 2004, 110, 111; Rixecker, NJW 2004, 705, 708; a.A. Rimmelspacher, NJW-Sonderheft 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, aaO, S. 11, 13). Dies hängt eng zusammen mit der Aufgabe der ursprünglichen Konzeption des Zivilprozesses als eines rein mündlichen Verfahrens, nach der mündlicher Vortrag weder durch ein Verlesen noch durch eine Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden konnte (§ 128 Abs. 3 Satz 1 CPO 1877/§ 137 Abs. 3 Satz 1 CPO 1900). Wurde hiernach ausschließlich das mündlich Vorgetragene zum Prozeßstoff, so konnte dieser nicht durch den Inhalt der Schriftsätze , sondern allein durch den - tunlichst vollständigen - Urteilstatbestand nachgewiesen werden. Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch die Neufassung des § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO (RGBl. I 1924, 135) stehen indessen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist (BGH,
Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, NJW-RR 2002, 381 m.w.N.), ergibt sich der Prozeßstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor dem Hintergrund dieser Überlegung - wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung zur negativen Beweiskraft - auf entsprechende Revisionsrüge Vorbringen berücksichtigt, das im Tatbestand nicht erwähnt war (BGH, Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148, 2149; Urt. v. 7. Dezember 1995, III ZR 141/93, NJW-RR 1996, 379; vgl. auch Urt. v. 28. November 2001, IV ZR 309/00, aaO). Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestandes kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Hingegen bleibt die negative Beweiskraft für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel von Bedeutung, die in der mündlichen Verhandlung ohne vorherige Ankündigung in einem vorbereitenden Schriftsatz vorgebracht werden (Ball, in Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 20). Allerdings hat die Rechtsprechung bisher dem Urteilstatbestand auf Grund des § 314 ZPO auch negative Beweiskraft hinsichtlich des mündlichen Parteivorbringens beigelegt. Danach soll der Tatbestand nicht nur Beweis dafür erbringen, daß das, was in ihm als Parteivortrag wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch beweisen, daß von den Parteien nichts behauptet worden ist, was nicht aus dem Tatbestand ersichtlich ist (Senat, Urt. v. 25. Mai 1984, V ZR 199/82, NJW 1984, 2463, insoweit in BGHZ 91, 282 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 27. Mai 1981, IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; Urt. v. 3. November 1982, IVa ZR 39/81, NJW 1983, 885, 886 m.w.N.; Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269). Dieser bereits vom Reichsgericht (RGZ 4, 418, 420; RG, JW 1887, 38; 1896, 72; 1897, 52, 53) vertretenen Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht beigetreten (BVerwG, Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89 m.w.N.). Gleichwohl bedarf es
hier weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG). Beide Vorlagen setzen voraus, daß die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Entscheidung des konkreten Falles nach Auffassung des vorlegenden Senats erforderlich wird, das vorlegende Gericht also bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einem anderen Ergebnis gelangen würde (BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG). An diesem Erfordernis fehlt es; denn das angefochtene Urteil ist bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit des zugrunde gelegten Sachverhalts aus den bereits erörterten Fehlern der Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil ergeben.

III.


Nach alledem war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst die gebotenen Feststellungen zum Inhalt der geführten Vertragsverhandlungen nachholen müssen. Sollte danach von dem Vorliegen der Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen sein, wären weitergehende Feststellungen zur Schadenshöhe erforderlich. Da die Klägerin an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, wäre als ersatzfähiger Schaden der Betrag anzusetzen, um den die Klägerin die Dachgeschoßwohnung im Vertrauen auf
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Dr. L. zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877 m.w.N.).
Wenzel Krüger Klein Gaier RiBGH Dr. Stresemann ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben. Wenzel

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 90/14 Verkündet am:
21. Januar 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Deltamethrin II

a) Ein Richter, der bei der Entscheidung mitgewirkt hat, ist durch einen Wechsel
zu einem anderen Spruchkörper desselben Gerichts nicht verhindert, das Urteil
zu unterschreiben. Wird seine Unterschrift ersetzt und nicht binnen fünf
Monaten nach Verkündung nachgeholt, ist das Urteil als nicht mit Gründen
versehen anzusehen und aus diesem Grund im Revisionsverfahren aufzuheben.

b) Dem Kläger, der berechtigt ist, vom Schädiger gemäß § 252 Satz 2 BGB
entgangenen Gewinn zu verlangen, kommt die Beweiserleichterung des
§ 287 ZPO zugute, die es dem Gericht gestattet, sich je nach Lage des Falles
anstelle einer an Sicherheit grenzenden mit einer mehr oder minder hohen
, mindestens aber überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu begnügen.
Hierzu muss der Kläger jedoch die erforderlichen und vom Beklagten bestrittenen
Anknüpfungstatsachen beweisen, bevor auf der so gesicherten Tatsachengrundlage
Schätzungen vorgenommen werden können.
BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 90/14 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
ECLI:DE:BGH:2016:210116UIZR90.14.0
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 3. Zivilsenat - vom 18. März 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine zum Bayer-Konzern gehörige Gesellschaft. Sie ist Inhaberin der vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erteilten Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "Decis flüssig". Es handelt sich um ein Insektizid, das als Wirkstoff 25 g/l Deltamethrin enthält. Im Jahr 2006 gab es kein weiteres in Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff.
2
Die in den Niederlanden ansässige Beklagte vertrieb im Wege des Parallelimports das nach ihren Angaben mit dem Produkt der Klägerin chemisch identische Pflanzenschutzmittel "RC Deltamethrin 25 g/l". In einem vorausgegangenen Prozess zwischen den Parteien wurde die Beklagte zur Unterlassung des Vertriebs des Pflanzenschutzmittels und zur Auskunftserteilung verurteilt; zudem wurde die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt. Nach der von der Beklagten erteilten Auskunft hat sie vom 7. August 2006 bis zum 15. Dezember 2006 6.110 Liter des Pflanzenschutzmittels in Fünf-LiterGebinden und 1.132 Liter in Ein-Liter-Gebinden vertrieben.
3
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihr infolge dieses im genannten Zeitraum erfolgten Vertriebs des Mittels "RC Deltamethrin 25 g/l" entstanden ist.
4
Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - die Beklagte zur Zahlung von 28.895,11 € nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil, das den vom Vorsitzenden unterschriebenen Vermerk trägt, einer der beisitzenden Richter sei wegen Ausscheidens aus dem Senat an der Unterschriftsleistung gehindert, angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
6
Die vom Landgericht gemäß § 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO vorgenommene Schadensschätzung sei nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Klägerin biete eine ausreichende Grundlage für die Schätzung des Gewinns, der ihr infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten entgangen sei. Das Landgericht habe davon ausgehen können, dass die von der Beklagten ausge- führten Lieferungen ohne diesen Wettbewerbsverstoß zu 90% von der Klägerin erbracht worden wären. Zu Recht habe das Landgericht der Bemessung des Schadens die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis der Klägerin zugrunde gelegt, hiervon Rabatte in Höhe von 10% abgezogen und auf dieser Grundlage die zuerkannte Summe errechnet.
7
II. Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil ist gemäß § 562 Abs. 1, § 545 Abs. 1, § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben, weil es nicht mit Gründen versehen ist.
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1. Ein Urteil muss neben den in § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten Bestandteilen eine Begründung enthalten. Bei einem Urteil eines Berufungsgerichts genügen dafür gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO statt des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nach § 313 Abs. 1 Nr. 5 und 6 ZPO eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Das Urteil muss gemäß § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO von allen mitwirkenden Richtern unterschrieben werden. Die fehlende Unterschrift eines Richters stellt einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 6 ZPO dar (BGH, Urteil vom 27. Januar 2006 - V ZR 243/04, NJW 2006, 1881 Rn. 15; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 101/05, NJW-RR 2007, 141 Rn. 9).
9
2. Das Berufungsurteil ist nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden.
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a) Nach § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Urteil grundsätzlich von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Allerdings kann nach § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unterschrift eines verhinderten Richters ersetzt werden. Die Wirksamkeit der Ersetzung erfordert, dass derjenige , dessen Unterschrift ersetzt wird, tatsächlich an der Unterschriftsleistung verhindert ist. Deshalb hat der Vorsitzende den Grund der Verhinderung nach § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Ersetzungsvermerk anzugeben. Der Vermerk des Vorsitzenden braucht den Verhinderungsgrund nur allgemein anzugeben. Einer Darlegung der konkreten Einzeltatsachen bedarf es nicht. So genügt zum Beispiel der Hinweis, der Richter sei krank, ebenso wie die Begründung, er sei aus dem Senat ausgeschieden, obwohl sich daraus nicht zwingend ergibt, dass er außerstande war, das Urteil zu unterzeichnen (BGH, Urteil vom 12. Januar 1961 - II ZR 149/60, NJW 1961, 782). Da die Feststellung der Verhinderung und des Verhinderungsgrundes im nicht nachprüfbaren pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden liegt, muss der Vermerk lediglich auf einen Umstand hinweisen , welcher einen Verhinderungsgrund darstellen kann (BGH, NJW 1961, 782; BGH, Urteil vom 11. April 1991 - IX ZR 207/90, BGHR ZPO § 315 Abs. 1 Satz 2 Verhinderungsvermerk 1 [Gründe]). Eine Nachprüfung, ob eine Verhinderung tatsächlich vorlag, findet grundsätzlich nicht statt (BGH, Urteil vom 21. Mai 1980 - VIII ZR 196/79, NJW 1980, 1849, 1850; BGH, Beschluss vom 27. Mai 1992 - VIII ZB 9/92, juris Rn. 8; BFH, BFH/NV 2011, 415 Rn. 24).
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b) Nur ausnahmsweise hat das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zu klären, ob der betreffende Richter tatsächlich verhindert war und ein Grund für die Ersetzung seiner Unterschrift vorgelegen hat. Dies gilt zunächst in den Fällen, in denen im Verhinderungsvermerk der Verhinderungsgrund nicht angegeben ist. Fehlt die Angabe des Verhinderungsgrundes, entfaltet der Verhinderungsvermerk die Wirkungen des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur, wenn tatsächlich ein Verhinderungsgrund vorliegt (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 448/78, NJW 1979, 663; BGH, NJW 1980, 1849, 1850; BAG, NJW 2010, 2300). Entsprechendes gilt, wenn geltend gemacht wird, dass der Verhinderungsvermerk auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen beruht, und die die Willkür begründenden Umstände substantiiert und schlüssig dargelegt werden (BGH, Urteil vom 18. Januar 1983 - 1 StR 757/82, BGHSt 31, 212, 214). Das Revisionsgericht hat auch dann im Wege des Freibeweises zu klären, ob der betreffende Richter tatsächlich verhindert war und ein Grund für die Ersetzung seiner Unterschrift vorgelegen hat, wenn bei unterstellter Richtigkeit des Vorbringens des Rechtsmittelführers aufgrund sonstiger Umstände des Einzelfalles davon auszugehen ist, dass der Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt worden ist (BAG, NZA 2000, 54).
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c) Im Streitfall hat das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der Verhinderung verkannt.
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aa) Die Revision hat vorgetragen, der Beisitzer, dessen Unterschrift der Vorsitzende "wegen Ausscheidens aus dem Senat" ersetzt habe, sei nach der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vom 11. Februar 2014 und vor der Verkündung des Berufungsurteils am 18. März 2014 mit Wirkung vom 16. März 2014 zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Nürnberg ernannt worden. Er sei zum selben Zeitpunkt aus dem erkennenden Senat ausgeschieden und habe den Vorsitz eines anderen Senats des Berufungsgerichts übernommen. Dieser Vortrag wird durch den von der Revision vorgelegten Beschluss des Präsidiums des Berufungsgerichts vom 25. Februar 2014 belegt. Die Revisionserwiderung ist dem nicht entgegengetreten.
14
bb) Der Wechsel zu einem anderen Spruchkörper desselben Gerichts ist kein Verhinderungsgrund (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 - 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476, 477 zur gleichlautenden Vorschrift des § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO; BayObLG, BayObLGSt 1982, 133, 134; vgl. zu § 96 Abs. 2 Satz 1 PatG: BPatG, Beschluss vom 27. Februar 2014 - 4 Ni 38/11, juris Rn. 10; MünchKomm.ZPO /Musielak, 4. Aufl., § 315 Rn. 6; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 315 Rn. 6; Elzer in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand: 1. Dezember 2015, § 315 Rn. 15; Saenger/Saenger, ZPO, 6. Aufl., § 315 Rn 7; Thole in Prütting/Gehrlein, ZPO, 7. Aufl., § 315 Rn. 5).
15
cc) Danach ist davon auszugehen, dass kein Verhinderungsgrund bestanden hat und dass deshalb das Berufungsurteil bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war. Ein solches Urteil ist als nicht mit Gründen versehen anzusehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603). Im Streitfall ist die fehlende Unterschrift des beisitzenden Richters wegen Ablaufs der FünfMonats -Frist des § 548 Halbsatz 2 ZPO nicht mehr nachholbar. Das Berufungsurteil ist damit als nicht mit Gründen versehen anzusehen und aus diesem Grund aufzuheben.
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III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von seiner internationalen Zuständigkeit ausgegangen.
18
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 212/13, TranspR 2015, 433 Rn. 18 mwN), ergibt sich im Streitfall aus Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO). Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung, eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO zählen auch unerlaubte Wettbewerbshandlungen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12, GRUR 2014, 601 Rn. 16 = WRP 2014, 548 - englischsprachige Pressemitteilung). Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO), die am 9. Januar 2013 in Kraft getreten ist und mit Ausnahme ihrer Artikel 75 und 76 ab dem 10. Januar 2015 gilt (Art. 81 Unterabs. 1 und 2 Brüssel-Ia-VO), ist im Streitfall zeitlich noch nicht anwendbar, weil die Klage hier vor dem 10. Januar 2015 erhoben worden ist (Art. 66 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO).
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2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin hinsichtlich der Höhe des ihr nach ihrer Behauptung konkret entstandenen Schadens darlegungs- und beweisbelastet ist.
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a) Aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses steht zwischen den Parteien fest, dass die Klägerin von der Beklagten gemäß den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes in der zum Zeitpunkt der Entscheidung im Vorprozess maßgeblichen Fassung die Unterlassung des Vertriebs des Pflanzenschutzmittels "RC Deltamethrin 25 g/l" beanspruchen kann und dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 9 Satz 1 UWG dem Grunde nach zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dieser durch den in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Vertrieb des Pflanzenschutzmittels "RC Deltamethrin 25 g/l" seit dem 7. August 2006 entstanden ist und noch entsteht (vgl. zur Rechtskraft des Feststellungsurteils BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 135/05, GRUR 2008, 933 Rn. 13 = WRP 2008, 1227 - Schmiermittel).
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b) Für die Bemessung der Höhe des zugunsten der Klägerin dem Grunde nach festgestellten Schadensersatzanspruchs gemäß § 9 UWG gelten die §§ 249 bis 254 BGB. Nach einem allgemeinen Erfahrungssatz des Wettbe- werbsrechts entsteht dem von einem Wettbewerbsverstoß unmittelbar Betroffenen regelmäßig ein Schaden (BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 57 - Tchibo/ROLEX II, insoweit in BGHZ 119, 20 nicht abgedruckt ). Ihm kommen bei der Darlegung und dem Nachweis eines entgangenen Gewinns die Erleichterungen gemäß § 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO zugute (BGH, Urteil vom 22. April 1993 - I ZR 52/91, GRUR 1993, 757, 758 f. = WRP 1993, 625 - Kollektion Holiday, insoweit in BGHZ 122, 262 nicht abgedruckt; BGH, GRUR 2008, 933 Rn. 19 - Schmiermittel). Demzufolge ist ein Gewinnentgang bereits dann zu bejahen, wenn es nach den gewöhnlichen Umständen des Falles wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden als dass er ausgeblieben wäre. Diese Prognose kann zwar nur dann angestellt werden, wenn der Geschädigte konkrete Anknüpfungstatsachen darlegt und nachweist; an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, GRUR 2008, 933 Rn. 19 - Schmiermittel). Wer Ersatz des Gewinns verlangt , der ihm infolge einer durch eine unlautere geschäftliche Handlung verursachten Verminderung seines Umsatzes entgangen ist, muss allerdings dem Gericht die Tatsachen vortragen, die es diesem ermöglichen zu beurteilen, dass er den als Schadenersatz verlangten Betrag tatsächlich als Gewinn erzielt hätte , wenn der Konkurrent das beanstandete Verhalten nicht vorgenommen hätte. Die Bestimmung des § 252 Satz 2 BGB, nach welcher der Gewinn als entgangen gilt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, und die Vorschrift des § 287 ZPO, nach der das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber entscheidet, wie hoch sich ein unter den Parteien streitiger Schaden beläuft, entheben den Verletzten zwar der Notwendigkeit, den entgangenen Gewinn genau zu belegen. Sie ersparen es ihm jedoch nicht, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1980 - X ZR 49/78, BGHZ 77, 16, 19 - Tolbutamid ; BGH, GRUR 1993, 757, 758 f. - Kollektion "Holiday", insoweit in BGHZ 122, 262 nicht abgedruckt).
22
3. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die vomBerufungsgericht gebilligte Schadensschätzung des Landgerichts nach § 287 ZPO.
23
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Tatsachenvortrag der Klägerin ermögliche immerhin im Groben eine Schätzung des dieser entgangenen Gewinns. Das Landgericht habe auf der Grundlage dieses Vortrags annehmen können, dass die Lieferungen der Beklagten ohne deren Tätigwerden ganz überwiegend von der Klägerin erbracht worden wären. Unstreitig habe die Klägerin im Jahr 2006 als einzige Anbieterin über eine Zulassung für ein deltamethrinhaltiges Pflanzenschutzmittel in Deutschland verfügt. Die Beklagte behaupte eine stoffliche Identität des von ihr vertriebenen Importmittels mit dem Mittel der Klägerin. Dies rechtfertige die Annahme, dass Kunden der Beklagten beim Kauf besonderen Wert auf die stoffliche Übereinstimmung beider Mittel gelegt hätten. Ohne Erfolg mache die Beklagte geltend, die Kunden hätten ihren Bedarf durch andere parallel importierte Mittel gedeckt. Die Klägerin habe ihre hervorgehobene Marktpräsenz, die Vertriebsstrukturen der in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel, das Kaufverhalten der Kunden und die geringe Bedeutung der Anbieter weiterer Konkurrenzprodukte hinreichend substantiiert vorgetragen. Zum Fehlen von Alternativangeboten als einer negativen Tatsache habe sie nur insoweit vortragen und Beweis anbieten müssen, als die Beklagte deren Existenz substantiiert vorgetragen habe. Erforderlich sei dies nur im Hinblick auf die fünf Importfirmen, die die Beklagte in der Klageerwiderung konkret benannt habe. Demgegenüber sei der weitere, auf eine Auskunft des BVL vom 15. Februar 2013 gestützte Vortrag der Beklagten, es seien von anderen Parallelimporteuren im Jahr 2006 63.634 kg deltamethrinhaltige Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht worden, zu pauschal. Aus diesem Grund habe sich die Klägerin auf das Bestreiten des behaupteten Absatzes möglicherweise vergleichbarer Importmittel beschränken können.
24
b) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 Abs. 1 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 14 mwN). Dem Berufungsgericht sind bei seiner Beurteilung solche Rechtsfehler unterlaufen.
25
aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die für die Schätzung erforderlichen Anknüpfungstatsachen im Ausgangspunkt hinreichend dargelegt hat.
26
(1) Sowohl § 287 ZPO wie § 252 BGB verlangen für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen. Sie sind die Grundlage, auf der das Ermessen bei einer Beweiswürdigung nach § 287 ZPO und die Wahrscheinlichkeitsprüfung nach § 252 Satz 2 BGB gründen. Für die Schadensberechnung benötigt der Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen lässt, wie die Dinge sich weiterentwickelt hätten (BGH, Urteil vom 15. März 1988 - VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016, 3017). Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht die Schadenshöhe schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1963 - III ZR 47/63, NJW 1964, 589; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 287 Rn. 2). Diese Prognose kann zwar nur dann angestellt werden, wenn der Geschädigte konkrete Anknüpfungstatsachen darlegt und nachweist; an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, GRUR 2008, 933 Rn. 19 - Schmiermittel). Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet (BGH, NJW 1964, 589; BGH, Urteil vom 11. März 2004 - VII ZR 339/02, NJW-RR 2004, 1023; Urteil vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23).
27
(2) Danach begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Klägerin zur Darlegung des entgangenen Gewinns die Umsätze herangezogen hat, die die Beklagte mit ihrem Pflanzenschutzmittel erzielt hat. Es kann zwar nicht einfach davon ausgegangen werden, dass der Umsatz des Verletzers in vollem Umfang dem Berechtigten zugute gekommen wäre. Der Umsatz des Verletzers kann jedoch als Anhaltspunkt für die Gewinneinbußen des Berechtigten von Bedeutung sein. Desgleichen ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin bei der Berechnung des Schadens den Gewinn zugrunde gelegt hat, den sie üblicherweise bei der Veräußerung ihres Pflanzenschutzmittels erzielt (vgl. BGH, GRUR 1993, 757, 759 - Kollektion Holiday, insoweit in BGHZ 122, 262 nicht abgedruckt; GRUR 2008, 933 Rn. 20 - Schmiermittel), und dass sie sich darauf berufen hat, die Anbieter von parallel importierten, Deltamethrin enthaltenden Pflanzenschutzmitteln hätten auf dem Markt nur eine geringe Bedeutung gehabt.
28
bb) Die Revision macht nicht geltend, die Klägerin habe ihre Kunden nicht beliefern können. Sie hat außerdem die vom Berufungsgericht gebilligte Berechnung des entgangenen Gewinns der Klägerin durch das Landgericht nicht beanstandet.
29
cc) Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe zum Fehlen von Alternativangeboten zu ihrem Pflanzenschutzmittel im Jahr 2006 nicht näher vortragen und Beweis anbieten müssen. Das Berufungsgericht durfte seiner Schadensschätzung eine hervorgehobene Marktpräsenz der Klägerin und eine geringe Bedeutung anderer Anbieter nicht zugrunde legen, weil die Beklagte substantiiert zu anderweitigen Möglichkeiten zum Erwerb des Original-Pflanzenschutzmittels der Klägerin vorgetragen hat und der eigene Vortrag der Klägerin es möglich erscheinen lässt, dass Kunden der Beklagten in größerem als vom Landgericht geschätzten Umfang auf Konkurrenzprodukte ausgewichen wären.
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(1) Der vom Berufungsgericht herangezogene Vortrag der Klägerin zu den Marktverhältnissen rechtfertigt nicht die Feststellung, lediglich 10% der Kunden der Beklagten hätten - wenn die Beklagte nicht auf dem Markt tätig geworden wäre - ihren Bedarf nicht bei der Klägerin gedeckt.
31
Die Beklagte war unstreitig nicht das einzige Unternehmen, das im fraglichen Zeitraum mit dem Mittel der Klägerin stofflich übereinstimmende Präparate parallel importiert hat. Die Klägerin hat vorgetragen, im gesamten Jahr 2006 seien etwa 100.000 Liter oder rund 100 Tonnen Deltamethrin enthaltende Pflanzenschutzmittel vertrieben worden. Davon seien lediglich 22.500 Liter oder 22,5 Tonnen Importprodukte gewesen. Der weit überwiegende Anteil sei auf das Original-Pflanzenschutzmittel der Klägerin entfallen. Nach dem Vortrag der Klägerin hätte damit der Marktanteil des Originalprodukts rund 77,5% und der Anteil der parallel importierten Pflanzenschutzmittel rund 22,5% betragen. Diese Behauptung hat die Beklagte bestritten und unter Vorlage einer Auskunft des BVL vom 15. Februar 2013 dargelegt, dass andere Parallelimporteure im Jahr 2006 einen Absatz von insgesamt 63.634 kg von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Deltamethrin gemeldet hätten, ohne dass darin der Umsatz der Beklagten enthalten sei. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten im streit- gegenständlichen Zeitraum abgesetzten Mengen ihres Pflanzenschutzmittels und der nach dem Klägervortrag vertriebenen Menge des Original-Pflanzenschutzmittels wäre danach der Marktanteil des Original-Pflanzenschutzmittels der Klägerin nicht wesentlich höher als derjenige von parallel importierten Pflanzenschutzmitteln.
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(2) Angesichts dieses streitigen Vortrags der Parteien zu den Marktverhältnissen entbehrt die auf nicht näher konkretisierten Vortrag der Klägerin gestützte Annahme des Berufungsgerichts, die Kunden der Beklagten hätten zu 90% das Originalprodukt der Klägerin erworben, einer tragfähigen Grundlage. Es ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Überlegungen das Berufungsgericht zu der Annahme gelangt ist, die Anbieter von Konkurrenzprodukten hätten nur geringe Bedeutung gehabt, in welcher Weise es den Anteil der Kunden, die zu der Klägerin gewechselt wären, berechnet hat und auf welchen konkreten Vortrag der Klägerin zu deren hervorgehobener Marktpräsenz, zu den Vertriebsstrukturen und zum Kaufverhalten der Kunden es abgestellt hat. Im Grundsatz kann zwar der Marktanteil des zum Schadensersatz berechtigten Mitbewerbers insoweit ein für die Schadensschätzung maßgebliches Indiz sein, als daraus geschlossen werden kann, in welchem Umfang sich Kunden bei Wegfall eines Lieferanten für sein Produkt entschieden hätten. Da die Klägerin ihren Marktanteil im maßgeblichen Zeitraum mit nicht mehr als 77,5% angegeben hat, kann der Schadensschätzung nicht ohne Weiteres die Annahme zugrunde gelegt werden, die Kunden der Beklagten hätten sich zu 90% für das Pflanzenschutzmittel der Klägerin entschieden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands , dass der Marktanteil der Klägerin ohne die Tätigkeit der Beklagten möglicherweise höher gewesen wäre. Darüber hinaus kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei den Kunden der Beklagten um solche handelt, die sich gegen das Originalprodukt der Klägerin und für ein preisgünstiges Parallelimportmittel entschieden haben. Damit spricht viel dafür, dass sie sich bei Wegfall des Angebots der Beklagten verstärkt um den Bezug eines anderen parallel importierten Pflanzenschutzmittels bemüht hätten. Diesem Umstand kann bei der Schätzung des dem Mitbewerber entstandenen Schadens durch einen anhand der Umstände des Einzelfalles zu bemessenden angemessenen Abschlag auf dessen Marktanteil Rechnung getragen werden.
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dd) Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren Feststellungen zu den im Jahr 2006 für den Vertrieb der in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel maßgeblichen Marktverhältnissen zu treffen haben, um auf dieser Grundlage den der Klägerin entstandenen Schaden gemäß § 287 ZPO schätzen zu können. Dabei wird es die von den Parteien angebotenen Beweise zu erheben haben.
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(1) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht davon abgesehen, über die von der Klägerin vorgetragenen und von der Beklagten bestrittenen Marktverhältnisse Beweis zu erheben und hierzu Feststellungen zu treffen. Zwar kommt der Klägerin die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, die es dem Gericht gestattet, sich je nach Lage des Falles anstelle einer an Sicherheit grenzenden mit einer mehr oder minder hohen, mindestens aber überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu begnügen. Hierzu muss die Klägerin jedoch die für die Schätzung erforderlichen und bestrittenen Anknüpfungstatsachen beweisen, bevor auf der so gesicherten Tatsachengrundlage Schätzungen vorgenommen werden können (BGH, NJW 1988, 3016, 3017; BGH, Urteil vom 29. März 2000 - VIII ZR 81/99, NJW 2000, 2272, 2275; Urteil vom 7. Juni 2006 - XII ZR 47/04, NJW-RR 2006, 1238 Rn. 13).
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(2) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung, die Beklagte habe nur pauschal vorgetragen, der Marktanteil der Parallelimporteure sei seinerzeit höher gewesen als von der Klägerin vorgetragen, von zu strengen Anforderungen ausgegangen. Die Beklagte hat dargelegt, der Absatz von parallel importierten deltamethrinhaltigen Pflanzenschutzmitteln habe nicht nur 22,5 Tonnen ausgemacht, sondern habe - ohne die von der Beklagten vertriebene Menge - bei 63,634 Tonnen gelegen. Soweit das Berufungsgericht Angaben dazu vermisst hat, um welche Importeure oder welche Importmittel es sich dabei gehandelt habe, welche stoffliche Zusammensetzung diese aufwiesen und ob sie unter Bezugnahme auf das Referenzmittel der Klägerin beworben worden seien, hat es die Anforderungen an die Darlegungen der Beklagten überspannt. Das Berufungsgericht hat dabei den Hinweis der Beklagten zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass das Pflanzenschutzgesetz im Jahr 2006 in § 19 PflSchG - in der seinerzeit geltenden Fassung in § 64 PflSchG - Herstellern und Importeuren von Pflanzenschutzmitteln eine Meldepflicht auferlegte, die sie verpflichtete , jährlich Mitteilung dazu zu machen, in welchem Umfang sie Pflanzenschutzmittel mit welchen Wirkstoffen gehandelt haben. Aus diesem Grund hätte das Berufungsgericht die Auskunft des BVL über die ihm mitgeteilten, im Jahr 2006 abgesetzten Mengen an Deltamethrin enthaltenden Pflanzenschutzmitteln nicht ohne Weiteres als unzureichend ansehen dürfen. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass die vom BVL mitgeteilten Mengen sich auf mit dem Produkt der Klägerin identische Mittel beziehen müssen, weil es für andere deltamethrinhaltige Pflanzenschutzmittel keinen Importmarkt gebe. Zu Recht macht die Revision geltend, dass angesichts dieses Vortrags und der den Importeuren gegenüber dem BVL obliegenden Meldepflicht die Beklagte nicht näher vortragen musste, welche Unternehmen welche Mengen abgesetzt haben, um substantiiert eine andere mögliche Bezugsquelle von parallel importierten, mit dem Produkt der Klägerin identischen Produkten darzulegen. Vielmehr hätte das Berufungsgericht zu der Behauptung der Klägerin Beweis erheben müssen, der Umsatz der Beklagten wäre ihr in dem vom Landgericht geschätzten Umfang zugute gekommen.
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(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann die Auskunft des BVL nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die darin genannten, im Jahr 2006 abgesetzten Mengen an deltamethrinhaltigen Pflanzenschutzmitteln für die Ermittlung des Marktanteils der Beklagten von August bis Dezember 2006 ungeeignet wären. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, der Hauptumsatz mit dem Original-Pflanzenschutzmittel der Klägerin werde nicht im Herbst und Winter, sondern im Frühjahr bis Anfang Mai eines jeden Jahres verbucht , beruft sie sich auf einen Sachverhalt, den die Beklagte bestritten und zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.
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(4) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nur fünf Unternehmen konkret genannt, die in Deutschland mit dem Pflanzenschutzmittel der Klägerin stofflich übereinstimmende Produkte angeboten hätten. Es hat hierbei auf die von der Beklagten vorgelegte Liste der nach § 16c PflSchG aF ab dem 1. Januar 2007 erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen Bezug genommen. Dagegen wenden sich die Revision und die Revisionserwiderung zu Recht. Aus der Anzahl der im Jahr 2007 erteilten Verkehrsfähigskeitsbescheinigungen für mit dem Original-Pflanzenschutzmittel der Klägerin chemisch identische Pflanzenschutzmittel kann nicht auf die Anzahl der im Jahr 2006 tätigen Parallelimporteure geschlossen werden.
38
Dies gilt schon deshalb, weil im Jahr 2006 Pflanzenschutzmittel, die im europäischen Ausland zugelassen waren und mit einem inländischen Referenzmittel stofflich übereinstimmten, ohne behördliche Genehmigung nach Deutschland importiert werden durften. Die Vorschrift des § 16c PflSchG aF, die das Erfordernis einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für den Parallelimport vorsah, wurde zum 29. Juni 2006 eingeführt, galt gemäß § 45 Abs. 12 PflSchG jedoch erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007. Aus diesem Grund ist die Liste von Unternehmen, denen ab dem 1. Januar 2007 eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung bezogen auf das Referenzmittel der Klägerin erteilt worden ist, kein Beleg dafür, dass es andere Anbieter von Parallelimporten von mit dem Pflanzenschutzmittel der Klägerin chemisch identischen Pflanzenschutzmitteln im Jahr 2006 nicht gegeben hat. Umgekehrt lässt sich dieser Liste nicht entneh- men, dass die Unternehmen, die im Jahr 2007 eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erhalten haben, bereits im Jahr 2006 tätig gewesen sind.
39
(5) Das Berufungsgericht hat im Grundsatz zu Recht angenommen, die Beklagte könne sich mit Erfolg nur auf solche Angebote weiterer Deltamethrin enthaltender Importmittel berufen, die in zulässiger Weise in den Verkehr gebracht worden seien, das heißt stofflich mit dem Referenzmittel der Klägerin übereinstimmten. Der Beklagten ist es aus Rechtsgründen untersagt, dem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegenzuhalten, ihre Kunden hätten ihren Bedarf an Deltamethrin enthaltenden Pflanzenschutzmitteln bei anderen Parallelimporteuren gedeckt, die ihrerseits ein nicht herstelleridentisches Produkt vertrieben haben. Der Beklagten kann es nicht zum Vorteil gereichen, wenn sich andere Parallelimporteure ebenfalls nicht nach den Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes richten.
40
Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass andere Importeure, die dem BVL den Import von Deltamethrin enthaltenden Pflanzenschutzmitteln gemeldet haben, gegen Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes verstoßen und stofflich nicht mit dem Referenzmittel identische Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht hätten.
41
c) Die Revision wendet sich dagegen ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Deltamethrin nicht enthaltende Substitutionsprodukte seien als Alternative für Kunden der Beklagten außer Betracht zu lassen.
42
aa) Das Landgericht hat angenommen, die Kunden der Beklagten wollten ein mit dem Produkt der Klägerin stofflich identisches Mittel erwerben und hätten deshalb nach der Lebenserfahrung nicht auf ein anderes Produkt mit anderer Zusammensetzung zurückgegriffen. Das Berufungsgericht hat dies gebilligt und ausgeführt, die Klägerin sei dem Vortrag der Beklagten, ihre Kunden wären auch auf andere nicht deltamethrinhaltige Substitutionsprodukte ausgewichen , unter Hinweis auf den erweiterten Zulassungs- und Anwendungsumfang ihres Mittels, die hiervon bestehenden Abweichungen anderer Pflanzenschutzmittel in deren Zusammensetzung, Anwendung und Wirkweise, das Risikobewusstsein und die Kaufentscheidung der Abnehmer, die auf das nach ihrer Erfahrung bewährte Referenzmittel zurückgreifen würden, durch substantiierten Vortrag und unter Beweisangebot überzeugend entgegengetreten.
43
bb) Diese tatrichterliche Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt nahe, dass Käufer von parallel importierten Produkten Wert darauf legen, ein mit dem Original identisches Produkt zu erhalten. Der Parallelimport zielt auf Kunden, die sich für das Originalprodukt interessieren, jedoch nicht bereit sind, den hierfür geforderten Preis zu zahlen und deshalb auf ein herstelleridentisches, aber preisgünstigeres Produkt ausweichen. Es entspricht deshalb der Lebenserfahrung anzunehmen, dass der Kunde, der ein parallel importiertes Produkt kauft, bei Wegfall eines Parallelimporteurs nicht auf Alternativprodukte ausweichen würde. Das Berufungsgericht musste dies nicht näher aufklären, sondern konnte gemäß § 252 Satz 2 BGB diesen Umstand seiner Berechnung des der Klägerin entstandenen Schadens zugrunde legen.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 08.05.2013 - 4 HKO 3915/12 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.03.2014 - 3 U 1138/13 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Gründe

Landgericht München I

Az: 31 S 20691/14

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

vom 14.01.2016

vorgehend: 417 C 12574/14 AG München

Leitsätze:

In dem Rechtsstreit

...

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I - 31. Zivilkammer am 14.01.2016 folgendes

Endurteil

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.751,05 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger verfolgen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete für den Zeitraum von August 2013 bis Juli 2014. Dabei berufen sich die Kläger auf eine Mietminderung wegen des Lärms einer gegenüber ihrer Wohnung gelegenen Großbaustelle.

Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, verwiesen.

Das Amtsgericht hat den Klägern den Anspruch dem Grunde nach zugesprochen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits angesichts des unstreitigen Ausmaßes der Großbaustelle aufgrund der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass diese zwingend erheblichen Lärm verursacht. Im Hinblick auf die Wohnlage in einem verkehrsreichen Innenstadtbezirk sei die Minderungsquote allerdings lediglich mit 15% statt mit den geltend gemachten 20% zu bemessen. Diese Quote sei pauschal über den gesamten Zeitraum hinweg anzusetzen.

Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.10.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.11.2014, der an demselben Tag bei Gericht einging, Berufung eingelegt. Diese hat sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.01.2015 mit Schriftsatz vom 08.01.2015, der an demselben Tag bei Gericht einging, begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil müsse bereits deshalb aufgehoben werden, weil das Amtsgericht den Termin zur Urteilsverkündung unangekündigt vom 29.09.2014 auf den 18.09.2014 vorverlegt und damit die rechtlichen Ausführungen der Beklagten zur Minderungshöhe im Schriftsatz vom 26.09.2014 nicht mehr habe berücksichtigen können.

Ferner meint die Beklagte, der Vortrag der Kläger zum Zeitraum, Umfang und der Intensität der Baustelle und der daraus folgenden Beeinträchtigung der Kläger sei nicht hinreichend substantiiert. Hierzu seien Lärmprotokolle und -messungen erforderlich. Zumindest aber hätte das Amtsgericht über die diesbezüglichen Behauptungen der Kläger Beweis erheben müssen, da die genaue Beeinträchtigung der Kläger durch die Baustelle von der Beklagten bestritten worden sei. Bei der Zugrundelegung einer pauschalen Minderungsquote habe das Amtsgericht auch nicht ausreichend berücksichtigt, dass aufgrund der Länge der Baustelle und ihrer Unterteilung in einzelne Abschnitte die auf die Wohnung der Kläger einwirkenden Emissionen erheblich schwankten. Aus diesem Grund müsse die Minderungsquote nach der konkreten Beeinträchtigung an einzelnen Tagen, Wochen oder Monaten bemessen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.09.2014, Az. 417 C 12574/14, insoweit aufzuheben, dass die Beklagte verurteilt wurde, an die Kläger 2.751,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basissatz aus 2.063,29 € seit dem 16.06.2014 und aus 687,76 € seit dem 15.09.2014 zu bezahlen und im Übrigen das Urteil aufrechtzuerhalten.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe den Vortrag der Kläger zur Beschaffenheit der Baustelle nicht bestritten. Das Verfassen von detaillierten Lärmprotokollen und -messungen zur Substantiierung ihres Vortrags sei den Mietern bei einer mehrere Jahre dauernden Baustelle nicht zumutbar. Eine gleichbleibende Minderungsquote über den gesamten Zeitraum hinweg sei angemessen, da es zwar Phasen mit geringerem Lärm aber auch Phasen mit einer Lärmbeeinträchtigung gegeben habe, die eine höhere Minderung als 15% gerechtfertigt hätten.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2015 Bezug genommen.

Die Kammer hat am 06.10.2015 und vom 18.11.2015 auf das Urteil des BGH vom 29.04.2015, Az. VIII ZR 197/14, hingewiesen und rechtliche Ausführungen hierzu gemacht.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO).

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung zuviel gezahlter Miete in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe aus § 812 BGB, da die Miete im streitgegenständlichen Zeitraum gem. § 536 Abs. 1 BGB gemindert war. Das Amtsgericht ist insoweit zu Recht von einer Minderungsquote von 15% während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums ausgegangen.

2.1 Das Amtsgericht hat nicht das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Zunächst ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht das Urteil tatsächlich bereits am 18.09.2014 verkündet hat, da das Sitzungsprotokoll der Urteilsverkündung korrekt vom 29.09.2014 datiert. Es ist daher anzunehmen, dass das Urteil lediglich am 18.09.2014 verfasst wurde, wogegen nichts einzuwenden ist, da das Urteil gem. § 310 Abs. 2 ZPO zum Verkündungstermin in vollständiger Form abgefasst sein muss. Vor allem aber hat die Beklagte den Schriftsatz vom 26.09.2014 nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht. Damit war dessen Inhalt gem. § 296 a S. 1 ZPO verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen. Ein Grund für die Wiedereröffnung der Verhandlung i. S. d. § 156 ZPO ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

2.2 Das Amtsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Miete der Kläger während des streitgegenständlichen Zeitraums um 15% gemindert war.

a. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger ausreichend substantiiert zu den Umständen vorgetragen haben, die zur Mietminderung führen.

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182).

Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift haben die Kläger ausführlich Ziel und Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Emissionen in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben. Bei einer derartigen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

b. Zwischen den Parteien war, wie das Amtsgericht richtig festgestellt hat, das Vorhandensein einer Großbaustelle mit dem Ziel der Errichtung eines neuen Quartiers mit 200 Wohnungen, Geschäften, Büros, Restaurants, einer Kindertagesstätte und eines Hotels auf einem Areal gegenüber der von den Klägern bewohnten Wohnung ebenso unstreitig wie die Notwendigkeit des vorherigen Abrisses sämtlicher zuvor auf dem Areal vorhandenen Gebäude. Auch die hieraus folgenden Belastungen für die Kläger hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten.

Dass für die Bewältigung des Großprojekts ein erhebliches Aufkommen an Baufahrzeugen, Verkehr und Maschineneinsatz mit den daraus notwendigerweise folgenden Lärm- und Schmutzemissionen erforderlich ist, wie von den Klägern geschildert, liegt auf der Hand. Wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist eine Großbaustelle ohne die geschilderten Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen nicht vorstellbar. Soweit die Beklagte die klägerische Darstellung im Schriftsatz vom 24.07.2014 pauschal mit Nichtwissen bestritten hat mit dem Hinweis, dass sie nicht Bauherr ist, reicht dies nicht aus. Zum einen war die Baustelle Gegenstand eigener Wahrnehmungen der Beklagten (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO). Dies ergibt sich aus dem weiteren Vortrag der Beklagten in demselben Schriftsatz sowie in weiteren Schriftsätzen, vor allem aber aus ihrer Stellung als Eigentümerin benachbarter Gebäude. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass die Beklagte ihr Grundstück in dem gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gerade auch in Anbetracht der daraus folgenden Auseinandersetzungen mit verschiedenen Mietern nicht betreten und die Baustelle in dem gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht zur Kenntnis genommen hat. Zum anderen stimmen der von der Beklagten in dem genannten Schriftsatz geschilderte Bauverlauf und auch ihre Ausführungen zur Ausdehnung der Baustelle und dem Inhalt des baulichen Vorhabens auch im Wesentlichen mit den Darlegungen der Kläger überein. Schließlich wären zur Erschütterung des klägerischen Vortrags auch Darlegungen der Beklagten erforderlich gewesen, weshalb im Fall der streitgegenständlichen Baustelle die ohne weiteres auf der Hand liegenden Belastungen der Kläger nicht eingetreten sein sollen.

Das Amtsgericht hat über die klägerischen Behauptungen zum Ausmaß der Beeinträchtigungen daher zu Recht eine Beweiserhebung nicht für erforderlich gehalten.

c. Auch die aus der Größe der Baustelle resultierenden Schwankungen bei der Einwirkung der Kläger hat das Amtsgericht zu Recht in einer pauschalen Minderungsquote aufgehen lassen. Bei jeder Baustelle - nicht nur bei besonders großen - unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung teilweise über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen.

Das Amtsgericht hat insoweit zurecht sowohl Spitzen der Beeinträchtigung als auch Tage, an denen die Baustelle brachlag, außer Acht gelassen und eine durchschnittliche Minderungsquote gebildet. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter - anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln - die geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss.

2.3 Das Recht der Kläger zur Mietminderung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch die Beklagte als Vermieterin die Beeinträchtigungen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehrmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss (vgl. BGH Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14). Entgegen der Auffassung der Kläger soll hiermit nicht lediglich Kinderlärm privilegiert werden. Vielmehr ergibt sich aus der Entscheidung, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt.

Zwar hat die Beklagte sich nach dem entsprechenden Hinweis der Kammer auf diese eigene fehlende Abwehrmöglichkeit berufen. Auf den weiteren Hinweis der Kammer zur Darlegungs- und Beweislast hat die Beklagte im Schriftsatz vom 14.12.2015 behauptet, dass die gewählten Verfahren an der streitgegenständlichen Baustelle besonders emissionsarm seien und daher die Immissionsrichtwerte nicht überschritten. Die Kläger haben indes die Unwesentlichkeit und Ortsüblichkeit der Immissionen bestritten. Die Beklagte hat für ihre Behauptung aber keinen Beweis angeboten. Soweit die Beklagte sich wegen fehlender eigener Abwehrmöglickeit auf einen Ausschluss des Minderungsrechts der Kläger als Mieter beruft, ist sie hierfür darlegungs- und beweispflichtig, worauf die Kammer ebenfalls hingewiesen hat. Die Beklagte ist somit beweisfällig geblieben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den §§ 536 und 536a nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.