Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 08. Nov. 2016 - 7 S 1713/16

bei uns veröffentlicht am08.11.2016

Tenor

1. Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 04.02.2016, Az. 11 C 146/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 2.908,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.02.2015 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Im Übrigen werden beide Berufungen zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 42,5%, die Beklagten als Gesamtschuldner 57,5%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.235,36 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hersbruck verurteilte die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.923,85 € nebst Zinsen. Des Weiteren verurteilte es die Kläger unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zur Zahlung von Schadensersatz und Mietrückstand unter Abzug unstreitiger Guthaben in Höhe von 449,32 € nebst Zinsen. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen.

Gegen das am 09.02.2016 an beide Parteivertreter zugestellte Urteil legten die Kläger mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2016, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tage, Berufung ein, die mit Schriftsatz vom 06.05.2016, eingegangen am 09.05.2016, innerhalb verlängerter Frist begründet wurde.

Auch die Beklagten legten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.03.2016, eingegangen bei Gericht per Fax am selben Tage, Berufung ein, die sie mit Schriftsatz vom 28.04.2016, eingegangen per Fax am selben Tage, innerhalb verlängerter Frist begründeten.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Kläger wird auf die Schriftsätze vom 06.05. und 27.06.2016 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

  • 1.Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hersbruck vom 04.02.2016, Az. 11 C 146/15, werden die Beklagten verurteilt, an die Kläger über die Entscheidung des Amtsgerichts Hersbruck hinaus noch weitere 2.056,14 € (also insgesamt 5.979,99 €) zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.02.2015 zu bezahlen.

  • 2.Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagten beantragen,

  • 1.Das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck wird aufgehoben. Die. Klage wird abgewiesen.

  • 2.Auf die Widerklage der Beklagten werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt über die Entscheidung des AG Hersbruck hinaus noch weitere 806,05 € (insgesamt also 1.255,37 €) nebst 5%-Punkte über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung der Widerklage zu bezahlen.

Beide Parteien beantragen jeweils:

Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten nimmt die Kammer auf die Schriftsätze vom 08.03., 14.03. und 28.04.2016 Bezug.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat nur insoweit Erfolg, wie sie sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage der Beklagten hin richtet.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat ebenfalls nur teilweise Erfolg und führt zu einer Reduzierung ihrer Schadensersatzpflicht gegenüber den Klägern.

1. a. Die Kläger haben dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, da sie das Mietverhältnis wirksam ordentlich zum 31.10.2014 gekündigt und Anspruch auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens haben. Auf die insoweit sehr ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts wird vollumfänglich Bezug genommen.

Weder kann die Berufung der Kläger damit durchdringen, die erklärte außerordentliche Kündigung sei bereits wirksam. Noch können die Beklagten mit ihrem Berufungsvorbringen überzeugen, es liege gar keine Nebenpflichtverletzung vor, die eine Kündigung rechtfertigen würde.

Auch nach Auffassung der Kammer liegt eine massiver Pflichtverstoß der Beklagten darin, dass sie die Kläger trotz mehrfacher Aufforderung über den Umfang des Legionellen-Befalls im Anwesen im Unklaren ließen. Dies obwohl nicht nur eine Wohnung ganz massiv befallen war, sondern durchaus auch in vielen anderen Wohnungen in dem Gesamtkomplex Werte erheblich oberhalb des technischen Maßnahmewertes von 100 KBE/100 ml festgestellt worden waren, bei dessen Überschreitung nach Aussage des Zeugen … ebenfalls bereits die Anordnung einer Gefährdungsanalyse veranlasst werden muss und nach den Leitlinien zur Trinkwasserverordnung Nr. 2.7.5. eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist. Die Beklagten hätten auch - anders als die Kläger - gegenüber der Hausverwaltung die Herausgabe der Ergebnisse der Gefährdungsanalyse durchsetzen können; bei datenschutzrechtlichen Bedenken hätten die Ergebnisse dann unter Schwärzung der Namen und/oder Wohnungsnummern an die Kläger weitergeleitet werden können. Ein zusätzliches berechtigtes Interesse benötigten die Kläger nicht; vielmehr genügt es, dass sie als Mieter mit einem so belasteten Gesamtsystem in Kontakt kommen - jedem Mieter ist es in einer solchen Situation unbenommen, nach Erhalt der Informationen über etwaige eigene Schutzmaßnahmen, die über die behördlichen Empfehlungen hinausgehen, nachzudenken.

Hingegen war den Klägern ein Zuwarten bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin zumutbar. Sie haben nach fruchtlosem Ablauf beider von ihnen gesetzten Fristen zunächst am 12.05.2014 (Anlage K 13) und dann unter Ausspruch einer Abmahnung und Androhung einer fristlosen Kündigung am 08.06.2014 (Anlage K 15) noch weitere 9 Wochen zugewartet, bevor sie am 04.08.2014 die außerordentliche Kündigung aussprachen. Zwar ist ihnen ein gewisser Überlegungszeitraum zuzubilligen, auch zur Inanspruchnahme anwaltlichen Rates. § 314 Abs. 3 BGB ist nach BGH, Urt. v. 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15, auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß § 543 BGB nicht anwendbar. Allerdings ist eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung bei der Frage der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung bis zum nächsten ordentlichen Kündigungszeitpunkt zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist unter Berücksichtigung dessen, dass im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich die erforderlichen Maßnahmen seitens der Wohnungseigentümer veranlasst worden waren, um eine Gesundheitsgefahr auszuschließen, die hier in Anspruch genommene Überlegungsfrist von 9 Wochen nach Ablauf der bereits selbst gesetzten Fristen auch unter Berücksichtigung dessen, dass die ordentliche Kündigungsfrist der Mieter lediglich 3 Monate beträgt, eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht zu bejahen. Um Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche vorzubeugen, hätte auch die außerordentliche Kündigung auch unter freiwilliger Zubilligung einer Auslauffrist erfolgen können (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 542 BGB, Rn. 21 (2)).

b. Hinsichtlich der Höhe des Ersatzanspruchs der Kläger, insbesondere zu den Kosten des Umzugs (34,11 €, 59,95 €, 19,90 €, 1.338,79 €, 297,50 €, 460,00 €), wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen.

Zu kürzen waren allerdings die geltend gemachten Maklerkosten (1.713,60 €), da diese den Klägern bereits am 26.07.2014, also vor Ausspruch der Kündigung, in Rechnung gestellt worden waren und auch bereits bezahlt wurden. Bei dem gebotenen Vergleich der Vermögenslage vor und nach der Kündigung fehlt es daher an einem kausalen Schaden.

Hinzu kommen aber die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 697,82 €, da die Kläger angesichts der schwierigen Rechtsfragen zum Thema Kündigung schon aufgrund des fruchtlosen Ablaufs der selbst gesetzten Fristen anwaltliche Hilfe und Beratung in Anspruch nehmen durften, auch wenn im Ergebnis dann der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung genügt hätte.

Weitere Ansprüche stehen den Klägern nicht zu. Hinsichtlich der geltend gemachten Arbeitsstunden handelt es sich überwiegend um nicht ersatzfähigen Zeitaufwand. Die vom Erstgericht vorgenommene Schätzung der auf den eigentlichen Umzug entfallenden - ersatzfähigen - Arbeitstunden wie auch die festgesetzte Stundensatzhöhe ist nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Rechnung der Fa. … über 237,76 € fehlte es erstinstanzlich an jeglichem Sachvortrag. Soweit die Kläger in der Berufungserwiderung nunmehr erstmals vorbringen, es handele sich um die Kosten einer neuen Küchenarbeitsplatte, ist dies nicht nur verspätet, sondern rechtfertigt auch aus rechtlichen Gründen jedenfalls keinen Ersatzanspruch. Den Kosten der Neuanschaffung steht nämlich bei dem gebotenen Vermögensvergleich ein entsprechender bleibender Wert im Vermögen gegenüber. Die Ausführungen des Erstgerichts zur Fälligkeit des Nebenkostenguthabens von 104,56 € aus der Abrechnung vom 15.05.2014 greift die Berufung nicht an.

2. Nachdem die außerordentliche Kündigung nicht wirksam war, ist folgerichtig die Widerklage der Beklagten in Höhe von 1.140,00 € Mietrückstand für September und Oktober 2014 auch begründet.

Allerdings steht den Beklagten kein Anspruch auf Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der außerordentlichen Kündigung der Kläger zu. Zwar kann die Ausübung eines nicht bestehenden Gestaltungsrechts eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen (mit der Folge des § 280 Abs. 1 BGB). Allerdings haben die Kläger diese Pflichtverletzung vorliegend nicht zu vertreten, da ihr Rechtsstandpunkt, insbesondere nachdem ein Kündigungsgrund vorlag und die außerordentliche Kündigung lediglich aufgrund fehlender Unzumutbarkeit nicht durchgriff, nicht von vorneherein unplausibel war (vgl. zu den Voraussetzungen der Ersatzpflicht BGH, Urt. v. 16.01.2009, Az. V ZR 133/08). Es gehörte daher im Ergebnis zum allgemeinen Lebensrisiko der Beklagten, mit einem unberechtigten Anspruch konfrontiert zu werden.

Auch ein Schadensersatzanspruch steht den Beklagten nicht zu. Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zur Verjährung wird Bezug genommen. Rückerhalt i.S.v. § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus, dass der Mieter keine Einwirkungsmöglichkeit mehr auf die Mietsache hat und der Vermieter die Möglichkeit hat, diese zu untersuchen. Diese Voraussetzungen sind auch beim einseitigen Zurücklassen der Schlüssel jedenfalls gegeben. Ob hierdurch gleichzeitig eine Rückgabe der Mietsache i.S.v. § 546 BGB stattfand, kann an dieser Stelle offen bleiben.

Unter Verrechnung der Kaution, deren Höhe von 1.321,21 € unstreitig feststeht, ist daher kein Widerklageanspruch der Beklagten mehr gegeben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Kläger obsiegen mit ihrer Klageforderung in Höhe von 2.908,07 € und unterliegen insoweit mit 3.071,92 €. Des Weiteren obsiegen die Kläger hinsichtlich der Widerklage insgesamt (1.255,37 €), so dass sich die im Tenor ersichtliche Quote ergibt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 08. Nov. 2016 - 7 S 1713/16

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 08. Nov. 2016 - 7 S 1713/16

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 08. Nov. 2016 - 7 S 1713/16 zitiert 10 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 546 Rückgabepflicht des Mieters


(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. (2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch

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Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 3.923,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.02.2015 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Auf die Widerklage werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagten und Widerkläger 449,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2015 zu bezahlen.

4. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 34%, die Beklagten als Gesamtschuldner 66%.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird bis 10.03.2015 auf 5.979,99 €; danach auf 7.235,36 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um wechselseitige Schadensersatzansprüche aufgrund eines zwischenzeitlichen beendeten Wohnraummietverhältnisses.

Aufgrund Mietvertrag vom 31.05.2013 mieteten die Kläger von den Beklagten die Wohnung im 4. OG, Mitte, ...

Im März 2014 wurde im Trinkwasserleitungssystem des Anwesens ... ein Legionellenbefall festgestellt. Die durchgeführte mikrobiologische Wasseruntersuchung auf Legionellen erbrachte an verschiedenen Messstellen im Anwesen unterschiedlich hohe Werte, wobei der höchste Wert bei 11.500 Kolonie-bildenden Einheiten (im Folgenden: KBE) pro 100 ml lag. Dieser Wert betraf eine andere Wohnung als die der Kläger.

Die eingesetzte Hausverwaltung, die Firma ... erstellte unter dem 20.03.2014 ein Informationsschreiben zur durchgeführten Trinkwasseranalyse mit folgendem Inhalt:

„Aus gegebenem Anlass weisen wir Sie darauf hin, dass die festgestellte Konzentration von Legionellen im Trinkwassersystem Ihres Objektes erhöht ist. Weitere Informationen zum Thema Legionellen finden Sie im Internet unter: http://www.l...htm.

Um eine zukünftige Grenzwertüberschreitung zu vermeiden, bitten wir um regelmäßiges Spülen sämtlicher Warmwasserzapfstellen (einmal wöchentlich für ca. 2 Minuten).

Die betroffenen Bewohner werden gesondert informiert.

Weitere Maßnahmen geben wir baldmöglichst bekannt.“

Seitens des Landratsamtes ... wurde aufgrund der festgestellten Legionellenbelastung die Durchführung einer Gefährdungsanalyse aufgegeben. Betreffend die Wohnung, bei welcher die Belastung über 10.000 KBE/100 ml gelegen hat, wurde ein Duschverbot ausgesprochen. Der Hausverwaltung wurde aufgegeben, die anderen Wohneinheiten entsprechend zu informieren bzw. zu warnen. Die durchzuführenden Maßnahmen wurden seitens des staatlichen Gesundheitsamtes in einem Schreiben vom 21.03.2014 an die Immobilienverwaltung zusammenfasst.

Die vom Gesundheitsamt geforderte Gefährdungsanalyse wurde seitens der Hausverwaltung bei der Hygieneinspektionsstelle für Trinkwassersysteme (AHT) in Auftrag gegeben. Eine Ortsbesichtigung fand in diesem Zusammenhang am 10.04.2014 statt. Eine erneute Beprobung des Trinkwassers erfolgte am 31.03.2014.

Mit E-Mails vom 06.05.2014 unter Fristsetzung zum 12.05.2014 und 01.06.2014 unter Fristsetzung zum 08.06.2014 forderten die Kläger die Beklagten auf, das Ergebnis der Trinkwasserbeprobung vom 31.03.2014 sowie die Erkenntnisse aus der Gefährdungsanalyse mitzuteilen. Dennoch wurden die entsprechenden Ergebnisse seitens der Beklagten oder der Hausverwaltung den Klägern nicht offengelegt. Am 07.07.2014 wurde den Klägern mitgeteilt, dass betreffend ihrer Wohnung ein einmaliger Wert von 500 KBE/100 ml gemessen worden sei.

Mit Schreiben vom 04.08.2014 durch den damaligen Bevollmächtigten der Kläger wurde die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gegenüber den Beklagten erklärt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass ein Aufenthalt in der Wohnung wegen akuter Gesundheitsgefahren nicht mehr möglich sei. Das Trinkwasserleitungssystem des Anwesens sei weitergehenden Untersuchungen und Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu unterziehen. Die entsprechende Gefährdungsanalyse sei den Klägern trotz mehrfacher Aufforderung nicht bekannt gemacht und herausgegeben worden. Auch fehle es an einer Information der Kläger über den derzeitigen Stand der Sanierungsmaßnahmen und den Umfang des Legionellenbefalls.

Hilfsweise wurde die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Weiter wurden die Beklagten aufgefordert, im Hinblick auf Schadensersatzansprüche der Kläger einen Vorschuss in Höhe von 5.000,- € zu bezahlen.

Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stehe ein außerordentliches Kündigungsrecht aufgrund einer Pflichtverletzung der Beklagten zu. Insbesondere hätten die Beklagten ihre Pflicht verletzt, die Kläger vollständig und wahrheitsgemäß über eine etwaige Gesundheitsgefährdung im Mietobjekt zu informieren. Die Beklagten hätten sich nicht darauf zurückziehen dürfen, dass betreffend die Wohnung der Kläger ein verhältnismäßig geringer Messwert festgestellt wurde. Vielmehr hätte die Pflicht bestanden, die Kläger umfassend über die in der Wohnanlage bestehende Gefährdungslage zu informieren. Diese Pflichtverletzung der Beklagten sei für die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch die Kläger ursächlich geworden.

Die Kläger machen gegenüber den Beklagten Schadensersatzpositionen in Höhe von insgesamt 5.875,43 € geltend, wobei 697,82 € auf Rechtsanwaltskosten im Hinblick auf die fristlose Kündigung entfallen, 1.713,60 € auf Maklerkosten für die Vermittlung des neuen Mietverhältnisses, 34,11 € auf Kosten für die Anschaffung von Umzugskartons, 19,90 € auf Kosten für den Nachsendeauftrag der Post, 1.338,79 € sowie 297,50 € entfallen auf Umzugskosten bei der Firma ..., 59,95 € auf Umzugskosten für den DSL- und Internetanschluss und weitere 237,76 € auf Anschaffungen bei der Firma ... Daneben machen die Kläger 1.476,- € Schadensersatz für 123 aufgewendete eigene Arbeitsstunden der Kläger zu einem Stundensatz von 12,- € geltend und legen eine Aufstellung der im einzelnen aufgewandten Arbeitsleistungen vor.

Daneben begehren die Kläger die Auszahlung des Guthabenbetrages der Nebenkostenabrechnung 2013 in Höhe von 104,56 €.

Die Kläger beantragen:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger 5.979,99 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Die Beklagten wenden ein, es fehle bereits an einer erheblichen Pflichtverletzung ihrerseits. In Anbetracht dessen, die Grenzwertüberschreitung von über 10.000 KBE/100 ml eine Wohnung in einem anderen Haus betroffen habe, habe für die von den Klägern angemietete Wohnung zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsgefährdung bestanden. Hier habe eine lediglich geringfügige Kontamination mit Legionellen festgestellt werden können, welche die Kläger nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt habe. Auch hätten die Beklagten nicht insoweit pflichtwidrig gehandelt, als sie den Klägern die Gefährdungsanalyse nicht zur Verfügung gestellt haben. Es sei ausreichend gewesen, den Klägern die Beprobungsergebnisse für ihre Wohnung bekannt zu geben. Hinsichtlich der Gefährdungsanalyse seien die Beklagten gar nicht berechtigt gewesen, diese Dritten Personen offen zu legen.

Des Weiteren wenden die Beklagten ein, hätten die Kläger tatsächlich aufgrund einer befürchteten Gesundheitsgefährdung die Kündigung ausgesprochen, so hätten sie dies unmittelbar nach Bekanntwerden des Legionellenbefalls im März 2014, jedenfalls aber nach Bekanntgabe des Beprobungsergebnisses am 07.07.2014 und nicht erst im August 2014 tun müssen. Es sei den Klägern ersichtlich darum gegangen, das Mietverhältnis zu beenden, um sich einer doppelten Mietzahlungspflicht für zwei Wohnungen zu entheben.

Außerdem erheben die Beklagten Widerklage und machen insoweit offene Mietzahlungen für die Monate September und Oktober 2014, Rechtsanwaltskosten in Höhe von 697,82 € und Kosten für die Beseitigung verschiedener Schäden an der Wohnung in Höhe von 806,05 € abzüglich des Kautionsguthabens der Kläger in Höhe von 1.321,21 € und des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2013 in Höhe von 67,29 €, insgesamt als einen Betrag in Höhe von 1.255,37 € geltend. Sie führen hierzu aus, die Restmieten für die Monate September und Oktober 2014 seien von den Klägern geschuldet, nachdem kein Recht zur außerordentlichen des Mietverhältnisses bestanden habe.

Des Weiteren hätten an der von den Klägern zugegebenen Wohnung zahlreiche Schäden bestanden. Die Kläger hätten die Beseitigung dieser Schäden sofort nach Fristsetzung nicht vorgenommen, weshalb die Beklagten berechtigt gewesen seien, die Schäden durch eine Firma beheben zu lassen. Im Einzelnen hätten die Kläger in die Elektrik im Bad eingegriffen, indem die elektrische Entlüftung von der Lichtkopplung getrennt wurde; es seien Wände und Decken teilweise nicht fachgerecht gestrichen gewesen und außerdem Dübellöcher nicht verputzt und nicht überstrichen worden. Außerdem haben der Fußboden und die Fußbodenleisten Schäden durch Kratzspuren aufgewiesen.

Hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung 2013 seien von den Klägern Einwendungen erhoben worden, so dass eine neue Abrechnung der Firma ... beauftragt worden sei. Die neue Abrechnung vom 20.06.2014 ergebe ein Guthaben von 67,29 €.

Die Beklagten beantragen insoweit widerklagend:

Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagten einen Betrag von 1.255,37 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Zustellung der Widerklage zu bezahlen.

Die Kläger beantragen,

die Widerklage abzuweisen und wenden ein, dass entsprechende Schäden an der Wohnung nicht vorgelegen hätten. Außerdem erheben die Kläger insoweit die Einrede der Verjährung und tragen hierzu vor, maßgeblich sei für den Verjährungsbeginn der Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache am 04.09.2014.

Was die Nebenkostenabrechnung 2013 anbelangt, tragen die Kläger vor, eine korrigierte Abrechnung sei ihnen nicht übermittelt worden. Die nun beklagtenseits als Anlage B 8 vorgelegte Abrechnung sei schon formell nicht ordnungsgemäß, da weder die ...-Abrechnung beigefügt ist noch der Umlageschlüssel, die Einzelpositionen nach der Betriebskostenverordnung, die Gesamtkosten und die jeweiligen Einzelkosten aufgeführt sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das wechselseitige schriftsätzliche Vorbringen nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen ... Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.01.2016 (Bl. 92 bis 97 d. A.) verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 3.923,85 € zu.

Es liegt eine Nebenpflichtverletzung seitens der Beklagten vor, aufgrund derer die Kläger zur Kündigung des Mietverhältnisses veranlasst wurden, allerdings stand den Klägern kein Recht zur außerordentlichen, sondern nur zur ordentlichen Kündigung zu.

Die Beklagten als Vermieter haben ihre Verpflichtungen aus dem Mietvertrag mit den Klägern insoweit verletzt, als sie die Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung nicht über die Einzelheiten des Legionellenbefalls im Trinkwasserleitungssystem des Anwesens informiert haben. Im Falle eines Legionellenbefalls der Trinkwasseranlage obliegt dem Vermieter die Verpflichtung, die Mieter über Art und Umfang einer gegebenenfalls vorhandenen Gesundheitsgefährdung zu informieren, damit Mieter ggf. Selbstschutzmaßnahmen ergreifen können, um einen möglichen Gesundheitsschaden abzuwehren. Diese Hinweis- und Aufklärungspflicht des Vermieters ergibt sich letztlich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen: auf Seiten der Mieter gilt es eine je nach dem Maß der individuellen Disposition bestehende Gefährdung der Gesundheit und körperlichen Integrität abzuwenden, während dem Vermieter ein relativ geringer Aufwand entsteht, indem er die Ergebnisse ohnehin durchgeführter Beprobungen an seine Mieter mitteilt. Zur Aufklärungsverpflichtung des Vermieters gehört es nach Überzeugung des Gerichts, dass den Mietparteien die im Trinkwasserleitsystem gemessenen Legionellenkonzentrationen mitgeteilt werden, damit für die Mieter die Möglichkeit besteht, eine eigene Gefahreinschätzung - ggf. unter Hinzuziehung medizinischen oder sonstigen sachverständigen Rates - anzustellen. Diese Verpflichtung wurde von den Beklagten verletzt. Unstreitig wurde unter dem 07.07.2014 den Klägern nur die Legionellenkonzentration mitgeteilt, welche am 31.03.2014 in der zur Wohnung der Kläger führenden Stichleitung gemessen wurde. Diese stellt eine zum einem verspätete und zum anderen unzureichende Informationsgabe dar, da - wie auch der sachverständige Zeuge in der Sitzung vom 14.01.2016 angegeben hat - für die Gefährdungsabschätzung jeweils das Gesamtsystem zu betrachten ist, in welchem eine insgesamt deutlich höhere Belastung gegeben gewesen ist. Auch wurde der einzelne Messwert den Klägern erst nach Ablauf zweier Fristen und damit verspätet mitgeteilt.

Durch diese Nebenpflichtverletzung der Beklagten wurde das Vertragsverhältnis zwischen Mietern und Vermietern derart nachhaltig gestört, dass den Mietern ein Recht zur Kündigung zusteht. Allerdings bedurfte es keiner außerordentlichen fristlosen Kündigung. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine so schwerwiegende Vertragsverletzung des anderen Teils vorliegt, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, § 543 BGB RN 164 m. w. N.). In diese Interessenabwägung war vorliegend einzustellen, dass den Beklagten zwar ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, da sie sich insoweit auf die Richtigkeit des Vorgehens der Hausverwaltungsfirma verlassen haben, ohne sich selbst der Problematik und der daraus resultierenden Vermieterpflichten, wie sie aus dem Schreiben des Landratsamtes vom 21.03.2014 ersichtlich waren, gekümmert haben. Allerdings wiegt dieser Verschuldensvorwurf nicht besonders schwer. Eine gewisse Information der Mietparteien ist durch das seitens der Immobilienverwaltung ausgehängte Informationsblatt vom 20.03.2014 erfolgt. Dieses Blatt enthält einen Verweis auf eine weitergehende Informationsquelle im Internet. Dem Schreiben des staatlichen Gesundheitsamtes vom 21.03.2014, welches an die Immobilienfirma gerichtet war, lassen sich Handlungsempfehlungen auch nur mittelbar entnehmen, soweit es nicht um das Duschverbot hinsichtlich der am höchsten belasteten Wohnung geht. Dieses Schreiben enthält zwar Anweisungen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes, nicht aber die ausdrückliche Empfehlung, entsprechende Informationen auch zu den in der Gesamtanlage gemessenen Werten an die Mietparteien zur Verfügung zu stellen. Damit war es den Beklagten und der von ihnen beauftragten Firma zwar möglich, eine entsprechende Informationsverpflichtung zu erkennen, die diesbezügliche Fahrlässigkeit bewegt sich aber im unteren Bereich.

Außerdem darf im Rahmen der Interessenabwägung nicht unbeachtet bleiben, dass die Kläger trotz unterbleibender Information seitens der Beklagten bis Anfang August 2014 zugewartet haben, bis dann die Kündigung ausgesprochen wurde. Wären die Kläger tatsächlich von einer hohen individuellen Gefährdungslage ihrerseits ausgegangen - z. B. gesundheitlicher Prädisposition - so wäre zu erwarten gewesen, dass sie das Mietverhältnis umgehend nach Ausbleiben der Information seitens der Beklagten fristlos kündigen. Indem die Kläger trotz Kenntnis von einem vorhandenen Legionellenbefall im Anwesen noch Monate weiter dort wohnen geblieben sind, haben sie gewissermaßen selbst ihr Bedürfnis nach einer sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses widerlegt. Es war ihnen daher zuzumuten, eine ordentliche Kündigung auszusprechen und den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten, zumal eine konkrete Gesundheitsgefährdung zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig nicht mehr gegeben war.

2. Vor dem Hintergrund dieser Überlegung können die Kläger zwar den Ersatz der Maklerkosten, der Kosten für Umzugskartons, der Nachsendekosten für die Post, der Umzugskosten wie in Anlage K7 und K8 sowie K9 aufgeführt, nicht aber die Rechtsanwaltskosten für eine fristlose Kündigung ersetzt verlangen. Einer solchen fristlosen Kündigung bedurfte es gerade nicht, vielmehr hätte der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung genügt, für welche es keines rechtsanwaltlichen Rates bedurft hätte.

Die Schadenspositionen der Kläger wurden beklagtenseits zwar bestritten, allerdings hätte es im Hinblick auf die vorgelegten Rechnungen (Anlagen K 4-K 9) eines substantiierten Bestreitens bedurft, aus welchen Gründen die in den Rechnungsbelegen aufgeführten Kosten tatsächlich nicht entstanden sein sollen. Als ausreichend wird das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der bei der Firma ... angefallenen Kosten erachtet, da sich hier aus den Rechnungen (K 10, 11) nicht ergibt, wofür die Kosten angefallen sein sollen. Auch fehlt es hierzu an einem substantiierten Sachvortrag der Klägerseite.

Hinsichtlich der von den Klägern aufgestellten 123 Arbeitsstunden à 12,- € ist zu differenzieren. Nach den allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ist der Zeitaufwand des Geschädigten grundsätzlich keine ersatzpflichtige Schadensposition (vgl. BGH, NJW 1976, 1256; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 249 RN 59 m. w. N.). Erbringt der Geschädigte zur Schadensbeseitigung eigene Arbeitsleistungen, ist deren Wert nur dann ersatzfähig soweit sie nach der Verkehrsanschauung einen Marktwert haben (vgl. BGH, NJW 1996, 921; Palandt/Grüneberg a. a. O. RN 67 m. w. N.). Diese Voraussetzungen treffen für die von den Klägern aufgestellten Stunden nur insoweit zu, als Stunden für das Verpacken von Umzugsgut abgerechnet werden. Für das Besichtigen von Wohnungen gibt es nach der Verkehrsanschauung ebensowenig einen Marktwert wie für das Korrespondieren mit verschiedenen Maklern und Umzugsunternehmen. Auf eigentliche Umzugsarbeiten entfallen 46 Stunden aus der Aufstellung der Kläger. Allerdings erachtet das Gericht insoweit unter Berücksichtigung der zu erbringenden relativ einfach gelagerten Tätigkeiten einen Stundensatz von 10,00 € für angemessen, aber auch ausreichend, so dass sich insoweit ein ersatzfähiger Schaden von 460,00 € ergibt.

3. Hinsichtlich des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2013 fehlt es jedenfalls an der Fälligkeit der Forderung. Die Kläger haben den Sachvortrag der Beklagten, es seien Einwendungen gegen die ursprüngliche Abrechnung erhoben worden, nicht bestritten. Damit steht eine neue Abrechnung ihrem eigenen Vorbringen nach noch aus.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

II.

1. Die Widerklage erweist sich in Höhe eines Betrages von 449,32 € begründet und im Übrigen als unbegründet. Nachdem die Kläger kein Recht zur außerordentlichen Kündigung hatten, durften die Beklagten eine solche durch Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Beratung und rechtsanwaltlichen Tätigwerdens abwenden. Insoweit steht den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu.

2. Darüber hinaus können die Beklagten die offenen Mieten für September und Oktober 2014 beanspruchen, nachdem das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 04.08.2014 erst zum 31.10.2014 beendet wurde.

3. Kein Schadensersatzanspruch steht den Beklagten hinsichtlich der an der Wohnung geltend gemachten Schäden und der zu deren Behebung in Rechnung gestellten Arbeiten der Firma ... vom 03.12.2014 in Höhe von 806,05 € zu. Diesbezüglich können die Kläger sich mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in 6 Monaten, wobei die Verjährung nach § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vermieter die Mietsache zurück erhält.

Zurückerhalten haben die Vermieter die Mietwohnung hier am 04.09.2014. An diesem Tag fand eine Begehung der Wohnung im Beisein einer Vertreterin der Beklagten statt. Im Rahmen dieses Termins haben die Kläger nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten die Wohnungsschlüssel auf das Fensterbrett geworfen und damit ihrem Besitz an der Mietsache endgültig aufgegeben. In diesem Zeitpunkt liegt mithin eine Rückgabe der Mietsache an die Vermieter vor. Diese waren ab dem 04.09.2014 in der Lage, den Zustand der Mietsache zu untersuchen und ggf. Schäden gegenüber den Klägern geltend zu machen. Dies ist erst mit Erhebung der Widerklage vom 06.03.2015, welche den Klägern am 13.03.2015 zugestellt wurde, erfolgt. Die Verjährung war aber am 04.03.2015 bereits beendet.

4. Damit steht den Beklagten ein Betrag von 1.837,82 € zu, wovon die einbezahlte Kaution in Höhe von 1.321,21 € und das jedenfalls in dieser Höhe unstreitige Nebenkostenguthaben in Höhe von 67,29 € in Abzug zu bringen ist.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabeantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2015 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte mietete im Jahr 2006 von der Klägerin eine Wohnung in Düsseldorf, deren Miete zuletzt monatlich 619,50 € zuzüglich Vorauszahlung auf die Nebenkosten betrug. Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate Februar und April 2013 nicht. Die Klägerin mahnte die Zahlung dieser Beträge deswegen mit Schreiben vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom 3. September 2013 teilte die Beklagte mit, sie habe diese Mieten leider nicht überwiesen und entschuldige sich dafür, beglich die Mietrückstände aber in der Folgezeit nicht. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2013 die fristlose Kündigung.

2

Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung für das Jahr 2012 in Höhe von 1.577,50 € nebst Zinsen gerichteten Klage - bis auf einen Betrag von 515,21 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert, indem es die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg.

4

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - VIII ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klage auf Räumung sei unbegründet. Zwar habe sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit zwei Monatsmieten im Verzug befunden. Dabei könne dahinstehen, ob die Miete wegen der von der Beklagten behaupteten Mängel der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert gewesen sei, weil es jedenfalls am Zugang einer Mängelanzeige gefehlt habe. Die Beklagte sei daher gemäß § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB mit der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen.

7

Die Kündigungserklärung vom 15. November 2013 sei aber gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von dem Kündigungsgrund erfolgt sei. Die Vorschrift finde im Wohnraummietverhältnis Anwendung. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn seit der Kenntniserlangung des Vermieters von dem Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen längere Zeit vergangen sei und der Mieter aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, dass der Vermieter von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.

8

Für die Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB spreche, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund handele. Die Interessenabwägung gehe in den Fällen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu Lasten des Mieters aus, weil der Vermieter erhebliche finanzielle Einbußen durch Mietrückstände erleide. Es sei aber nicht ersichtlich, warum der Vermieter noch weiter geschützt werden solle, indem er das ihm zustehende Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben könne. Vielmehr sei einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses zuzumuten. In diesen Fällen sei der Mieter schutzwürdiger, der aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.

9

Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass eine fristlose Kündigung wegen der Mietrückstände aus Februar und April 2013 mehr als sieben Monate später im November 2013 nicht mehr erfolgen werde. Es seien bis zum Zeitpunkt der Kündigung keine weiteren Umstände hinzugetreten, die das Zuwarten der Klägerin und die im Anschluss erfolgte Kündigung nachvollziehbar machten, wie etwa die Entstehung weiterer Mietrückstände. Der Umstand, dass die Klägerin die Beklagte zuvor gemahnt habe, stehe einem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin zwar darauf bestehe, dass die offenen Mieten noch gezahlt werden, dies jedoch nicht zum Anlass nehmen werde, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.

10

In diesem Zusammenhang gewinne auch der Umstand an besonderer Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handele, der die Beklagte zudem früher als Küsterin auch beruflich verbunden gewesen sei. Es habe daher für die Beklagte durchaus nahegelegen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht aus sozialen oder auch ethischen Erwägungen keinen Gebrauch machen werde.

II.

11

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 15. November 2013 und die Begründetheit des hierauf gestützten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung (§§ 546, 985 BGB) nicht verneint werden. Denn der Zeitablauf von sieben Monaten zwischen der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzugs (5. April 2013) und der Erklärung der Kündigung am 15. November 2013 steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.

12

1. Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin (§§ 546, 985) verneint, weil die mit Schreiben vom 15. November 2015 erklärte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht beendet habe. Dabei hat das Berufungsgericht - insoweit rechtsfehlerfrei - einen Zahlungsverzug in Höhe von zwei Monatsmieten bejaht, der den Vermieter grundsätzlich zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei gleichwohl unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und deshalb nicht in einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 BGB) erklärt worden sei, ist indes mit Rechtsfehlern behaftet.

13

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB schon nicht anwendbar. Davon abgesehen wäre die vom Berufungsgericht innerhalb der von ihm bejahten Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB vorgenommene Beurteilung aber auch nach den Maßstäben dieser Bestimmung rechtsfehlerhaft. Denn die Annahme, die Kündigung sei nicht in angemessener Frist ausgesprochen worden, ist angesichts des vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstands, dass die Zahlungsrückstände trotz Mahnung fortbestanden und die Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung Rücksicht auf die Belange der Beklagten genommen hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht berechtigt. Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, dass ein für die Mieter gerade günstiges Zuwarten unterbliebe und der Vermieter gehalten wäre, zur Vermeidung eigener Nachteile, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.

14

a) § 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.

15

Allerdings hat der Senat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 - VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 29; vom 11. März 2009 - VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, NZM 2011, 32 Rn. 5; vgl. in diesem Zusammenhang ferner zur Gewerberaummiete BGH, Urteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886 Rn. 21: dort wurde eine illoyale Verspätung sowohl im Rahmen der Verwirkung als auch im Rahmen des § 314 Abs. 3 BGB verneint, ohne dass dessen Anwendbarkeit näher erörtert wurde), weil sie nicht entscheidungserheblich war. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass es (bei Anlegung eines zutreffenden Maßstabes) im Falle einer nach § 314 Abs. 3 BGB durchgreifenden illoyalen Verspätung typischerweise ebenso an einer Unzumutbarkeit nach § 543 Abs. 1 BGB fehlen wird oder die Voraussetzungen des Einwandes von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO Rn. 5 mwN), wohingegen es bei Einhaltung einer angemessenen Frist nach § 314 Abs. 3 BGB ohnehin bei der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach § 543 BGB verbliebe.

16

b) Nunmehr gibt die vom Berufungsgericht zugelassene Revision Anlass, die Frage zu klären, ob § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB überhaupt Anwendung findet oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um abschließende Sonderregelungen handelt.

17

aa) Schon der Wortlaut dieser Vorschriften spricht gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO). § 543 BGB, der - sei es als Generalklausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2) - die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regelt, bestimmt in seinen weiteren Absätzen im Einzelnen die Modalitäten der Kündigung. Eine zeitliche Beschränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibt diese Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig enthält sie einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB. Auch § 569 BGB, der für Wohnraummietverhältnisse die Vorschrift des § 543 BGB um weitere Tatbestände und Kündigungsmodalitäten ergänzt, sieht weder eine Zeitspanne, innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen ist, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB vor.

18

bb) Dies wird bestätigt durch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu §§ 543, 569 BGB und zu § 314 BGB ergibt sich eindeutig, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sind und von der Einfügung einer Bestimmung, wonach die Kündigung in "angemessener Frist" zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde.

19

(1) Die Neufassung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) sollte die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze ablösen und das zuvor aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitete fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe ablösen (BT-Drucks. 14/4553, S. 43). Mit Ausnahme der Verlängerung der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) sollte damit eine inhaltliche Änderung nicht verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, S. 64). Die Regelung des § 314 BGB oder eine vergleichbare allgemeine Vorschrift gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts nicht entwickelt worden.

20

Es war allerdings seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich zieht, etwa in der Weise, dass es bei Kündigungstatbeständen, die auf eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung abstellen, angesichts einer längeren Kündigungsverzögerung an einer solchen Unzumutbarkeit und somit an einem durchgreifenden Kündigungsgrund fehlen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. September 1987 - VIII ZR 265/86, NJW-RR 1988, 77, unter II 2 a mwN [zu § 554a BGB aF]). Ebenso stand und steht außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände treuwidrig, insbesondere verwirkt sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 17; vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04, NJW 2007, 147 Rn. 11; vgl. ferner die frühere Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Mieters gemäß § 542 BGB aF bei vorbehaltloser Weiterzahlung der Miete für eine gewisse Zeit, dazu BGH, Urteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98, NJW 2000, 2663 unter II 3).

21

(2) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bei der Mietrechtsreform vom 19. Juni 2001 bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer "angemessenen Zeit" ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat (BT-Drucks. 14/4553, S. 44) Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für eine solche Festlegung nicht bestehe. Zusätzlich wird darauf abgestellt, dass eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse nicht festgelegt werden könne und eine "offenere" Bestimmung eine Auslegung durch die Rechtsprechung erfordere und somit kaum etwas zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen könne. Wörtlich heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4553, S. 44):

"Es wird davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer angemessenen Zeit seit der Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann schon jetzt nach ständiger Rechtsprechung verwirkt werden […]. Eine einheitliche feste Ausschlussfrist in Anlehnung an § 626 Abs. 2 BGB sowie §§ 6, 24 und 70 VVG erscheint wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäftsraum, Grundstücke, bewegliche Sachen) nicht möglich […]. Eine offenere Bestimmung wäre durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig. Die mögliche Regelung könnte damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen."

22

(3) Hieran hat die Einführung des § 314 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nichts geändert. Es erschien dem Gesetzgeber zwar geboten, bei einer allgemeinen Überarbeitung des Leistungsstörungsrechts die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Dafür sprach sowohl die erhebliche praktische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu seinem Anwendungsbereich (BT-Drucks. 14/6040, S. 177). Schon der Gesetzgeber sah jedoch, dass § 314 BGB damit als lex generalis in einem Konkurrenzverhältnis zu zahlreichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze steht, in denen die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhältnissen besonders geregelt ist. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung hierzu:

"Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geändert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor § 314 RE haben." (BT-Drucks. 14/6040, S. 177).

23

Dementsprechend hat der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zwar an manchen Stellen im Mietrecht Anpassungen vorgenommen, so auch bei § 543 Abs. 4 Satz 1 BGB (vgl. die Übersicht zu den Änderungen bei Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., Einf v § 535 Rn. 77a), jedoch davon abgesehen, in §§ 543, 569 BGB einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB aufzunehmen.

24

Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist also in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt und eine Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB somit ausgeschlossen (ebenso MünchKommBGB/Gaier, 7. Aufl., § 314 Rn. 9; Erman/Böttcher, aaO, § 314 Rn 5; Palandt/Grüneberg, aaO, § 314 Rn. 4; Palandt/Weidenkaff, aaO, § 543 Rn. 44 f.). Die von Teilen der Literatur (vgl. Häublein, ZMR 2005, 1 f; Staudinger/V. Emmerich, Neubearb. 2014, § 543 BGB Rn. 2, 90; Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl., § 543 Rn. 12 ff., 49) vertretene gegenteilige Auffassung verkennt die aus den Materialien ersichtliche eindeutige Zielsetzung des Gesetzgebers.

25

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar finden - wie bereits oben unter II 1 a ausgeführt - bei einer auf § 543 Abs. 2 BGB gestützten Kündigungserklärung die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, Anwendung. Die vom Berufungsgericht beanstandete "Verzögerung" der Kündigung erfüllt jedoch die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es - offensichtlich - an einem Umstandsmoment (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 66) fehlt. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen der Beklagten, die Klägerin werde von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die Beklagte früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist.

III.

26

Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben, soweit bezüglich der Räumung zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

27

Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und somit zur vollständigen Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Räumungs- und Herausgabeklage ist begründet (§§ 546, 985 BGB), weil die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. November 2013 das Mietverhältnis beendet hat. Denn die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Kündigung mit den Mieten für die Monate Februar und April 2013 in Verzug, so dass die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt war.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dr. Milger                          Dr. Hessel                       Dr. Fetzer

                   Dr. Bünger                          Kosziol

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 133/08 Verkündet am:
16. Januar 2009
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach
dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht
, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt
im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.

b) Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese
Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition
in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition
auch nicht als plausibel ansehen durfte.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08 - OLG Köln
LG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2009 durch den Vorsitzender Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten und Widerklägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes Grundstück für 351.000 €. Das Grundstück sollte parzelliert und nach Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es in dem Vertrag: "Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der Genehmigung zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die entsprechende Zahl Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen obliegenden Leistung verpflichtet."
2
Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was dem Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem Schreiben vom 13. Februar 2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung des Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20. Februar 2006 in einem notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht seitens des Käufers", dass "der aus abzuschließenden Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den Verkäufer zu zahlen ist". Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch nicht beantragt.
3
Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21. Juli 2006 und vom 3. August 2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16. August 2006 zu zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und der fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
4
Mit Schreiben vom 23. August 2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5. September 2006 mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 unter Hinweis auf treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag.
5
Gegen die auf Rückabwicklung des - inzwischen vollzogenen - Kaufvertrags und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers der Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre Verteidigung gegen sein Zahlungsverlangen in Höhe von 3.301,20 € und gegen seinen Rücktritt in Höhe von 1.660,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung des Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt fällig gewesen sei. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht. Zwar habe der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die unberechtigte Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen könne. Das lasse sich aber nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche löse in anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und damit unzumutbar erschwert. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichts- hofs vom 23. Januar 2008 (VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen. Darin habe der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass eine unberechtigte Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er annehmen dürfen, die Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im Ergebnis genauso liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte Kündigung werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung sei aber für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran fehle es hier.

II.

7
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch führen (dazu BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber - wie hier - darin, dass der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm nach dem Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten in Betracht.
9
2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung. Diese liegt vor.
10
a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der Beklagten weder am 21. Juli 2006 noch am 3. August 2006 Zahlung des Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12. September 2006 erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt sich zwar nur hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen Abweisung der (auf Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage ableiten, folgt aber auch im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
11
b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
12
aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, das ist dem Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB (BGHZ 36, 18, 20 f.; 74, 9, 15 f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.; 154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148) noch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt. v. 20. März 1979, VI ZR 30/77, NJW 1980, 189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 4. November 1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2033; Senat, Urt. v. 12. November 2004, V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315, 316; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; vgl. auch Zeiss, NJW 1967, 703, 706 f., a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709, 1710 f.). Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiellrechtlich nicht ersatzfähig (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGHZ 74, 9, 15; 118, 201, 206). Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt , dass andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
13
bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung übertragen wird (KG, Urt. v. 18. August 2005, 8 U 251/04, juris, Rdn. 142, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006, IX ZR 167/05, juris; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rdn. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1995, VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389, 390; Beschl. v.
7. Dezember 2006, aaO; vor allem aber im Vorlagebeschluss v. 12. August 2004, I ZR 98/02, NJW 2004, 3322, 3323). Für diese Gleichstellung, die nicht immer näher begründet wird, werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt : Zum einen könne die außergerichtliche Geltendmachung von in Wirklichkeit nicht bestehenden Ansprüchen und Rechten nicht anders behandelt werden als deren gerichtliche Geltendmachung. Zum anderen gebe es auch in bestehenden Schuldverhältnissen ein Recht, in subjektiv redlicher Weise - wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage - Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen (KG aaO).
14
cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 15. Juli 2005 (BGHZ 164, 1) zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats vom 12. August 2004 (I ZR 98/02, aaO), mit welchem dieser die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGHZ 2, 387, 393; 38, 200, 204 ff.; 62, 29, 31ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt. v. 23. Februar 1995, I ZR 15/93, NJW-RR 1995, 810, 811; Urt. v. 30. November 1995, IX ZR 115/94, NJW 1996, 397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt ; Urt. v. 13. April 2000, I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717; RGZ 58, 24, 30 f.). Erfolgt der Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt - wie auch sonst - die Haftung (BGHZ 164, 1, 6). Diese Privilegierung findet ihrer Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in der verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO für den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig vollstreckbaren Urteil (BGHZ 164, 1, 7 f.). An beidem fehlt es, wenn eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
15
dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht so genannte "Recht auf Irrtum" bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten erkennt der Bundesgerichtshof bei bestehenden Schuldverhältnissen nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im Grundsatz pflichtwidrig ist.
16
(1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein (BGHZ 89, 296, 301 ff.; BGH, Urt. v. 14. Januar 1988, IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269; Urt. v. 18. Mai 2005, VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395, 2396). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt (BGH, Urt. v. 28. November 2001, XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730, 731). Das ergibt sich in diesen Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der Kündigung bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der den Vertrag unberechtigt "annulliert" (RGZ 57, 105, 113), oder dem Verkäufer, der sich unberechtigt weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ 67, 313, 317). Auf einen solchen - bei der Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen fehlenden - Bezug zu der Nichterfüllung eigener Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt (BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458 f.; ebenso OLG Braunschweig, OLG-Report 2001, 196, 198; LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105, 1106; AG Münster NJW-RR 1994, 1261, 1262 [für cic]; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 280 Rdn. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung , 2004, S. 85 f.; Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711). Dies hat der Bundesgerichtshof bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Für ein unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
17
(2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt , das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; a.A. Hösl, aaO, S. 34: Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis ebenso Hösl aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2; zu dem Argument der Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 362 f., 383 ff.).
18
ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers an die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Ver- trag nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
19
3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat.
20
a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1, 2 f.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Mit dieser Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712: Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2).
21
b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu vertreten , weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt hat.
22
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger Grund zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung als Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei. Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den seit der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden können. Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen Bebauung sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden, obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. September 2006, der Bauantrag sei "selbstverständlich" gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen. Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23. August 2006 sei er nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen Plausibilitätskontrolle.
23
bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus seiner - von dem Senat nicht geteilten - Sicht für die Annahme einer Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung angestellt hat.
24
cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003, VI ZR 425/02, NJW-RR 2004, 425, 426; Senat, Urt. v. 26. November 2004, V ZR 119/04, Mitt- BayNot 2005, 395; Urt. v. 5. Mai 2006, V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie ist in diesem Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
25
(1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt, dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21. Juli 2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene Obliegenheits - und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der Rückabwicklung des Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem - durch das Schweigen der Beklagten zur Baugenehmigung zudem begründeten - Verdacht konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Rückabwicklung des Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens ausschweige. Damit genügte der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
26
(2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter, unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im Kaufvertrag der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich auch nicht mit der Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie vielmehr. Wenn nämlich die Rechtslage schwierig zu überblicken und die eigene Rechtsposition jedenfalls vertretbar ist, muss sich der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht zurückhalten; es kann ihm nicht vorgehalten werden, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Dass dies mit - hier zudem nicht übertriebenem - Nachdruck geschieht, ändert daran nichts. Schon deshalb kam es nicht darauf an, wie die Klausel auszulegen ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht, wenn auch aus prozessualen Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beklagten davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
27
(3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um Verlängerung der im Schreiben vom 21. Juli 2006 gesetzten Äußerungsfrist nicht entsprochen , sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision trägt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, in welcher Form der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
28
4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das kann wiederum nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die Beklagte Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe die Erteilung der Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urt. v. 18. Januar 2008, V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1660). Das ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, da eine Haftung des Klägers schon dem Grunde nach ausscheidet.

III.

29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.05.2007 - 4 O 548/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2008 - 12 U 73/07 -

(1) Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.

(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

(3) (aufgehoben)

(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

(2) Hat der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen, so kann der Vermieter die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.