Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13

bei uns veröffentlicht am23.04.2015

Gericht

Landgericht Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet ist, die Kosten für die Sitzschale nach Maß mit Zubehör (Abduktionskeil, Beckenfixierung, Thoraxpelotten, Armlehnen, Therapietisch, Inkontinenzbezug) gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K2 v. 26.09.2012 über 4.983,53 € und für das Sitzschalenuntergestell Sch. Mod. F. mit Zubehör für Sitzschale nach Maß gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K3 v. 27.02.2013 über 4.591,37 für den mitversicherten Sohn J K, geb. …1997, zu übernehmen und den Kläger von sämtlichen Folgekosten für den vorgenannten Rollstuhl, Sitzschale und Sitzschalenuntergestell abzüglich einer etwaigen zum Leistungszeitpunkt noch nicht erbrachten Selbstbeteiligung des Klägers über 1.280,00 € freizustellen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 729,23 € gegenüber dem Klägervertreter freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 33% und die Beklagte 67% zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird bis zum  27.12.2014 auf 22.046,22 € und für die Zeit danach auf 22.155,34 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistungsansprüche aus einem Krankheitskostenvollversicherungsvertrag.

Der Kläger hält bei der Beklagten als Versicherungsnehmer einen Krankheitskostenvollversicherungsvertrag. In diesem ist (u.a.) der Sohn des Klägers, J, geb. am …1997 (im Folgenden: der Versicherte) im Tarif GS3 mitversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung“ (im Folgenden: AVB) zugrunde (Anlage K 4). Diese bestehen in Teil I aus den Musterbedingungen MB/KK 2009 und in Teil II aus den zugehörigen Tarifbedingungen. Zusätzlich gelten als Teil III weitere Bedingungen für den Krankheitskostentarif GS (Anlage K 3). Der Versicherte ist seit seiner Geburt mehrfach schwer behindert und leidet unter anderem an Epilepsie. Er lebt überwiegend in einer Behinderteneinrichtung für Kinder und Jugendliche. Der Versicherte ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen, da seine motorischen Fähigkeiten eingeschränkt sind und er sich nur eingeschränkt bewegen kann. Nach § 4 Nr. 3.3 AVB sind vom Versicherungsschutz u.a. erfasst Hilfsmittel, die von näher bestimmenden Behandlern verordnet werden. Als Hilfsmittel aufgeführt sind in § 4 Nr. 3.3 AVB u.a. Krankenfahrstühle. Die Beklagte stellte dem Kläger im Dezember 2010 über ihren Kooperationspartner einen Rollstuhl zu Verfügung. An diesem Rollstuhl trat ein Rahmenbruch ein. Im Dezember 2011 stellte die Beklagte dem Kläger einen „Fallpauschalenrollstuhl“ zu Verfügung. Mit Verordnung des Dr. Bettendorf vom 08.10.2012 wurde dem Versicherten ein „Sitzschalenuntergestell mit Zubehör, für Sitzschale nach Maß“, eine „Sitzschale nach Maß mit Zubehör“ und „ein Radnabenantrieb“ verschrieben (Anlage K 9 bis K 10).

Der Kläger ist der Ansicht, dass auch für die Folgekosten des Rollstuhls ein Feststellungsinteresse bestehe, da die Beklagte bestreite, dass aufgrund des individuellen Krankheitsbildes des Versicherten und der Tatsache, dass dessen Wachstum noch nicht abgeschlossen sei, Anpassungen und Folgekosten zwangsweise entstünden. Diese Folgekosten könnten innerhalb von drei Jahren die Kosten einer Neuanschaffung erreichen. Der Kläger meint, dass aufgrund der Erkrankung des Versicherten für diesen die Nutzung eines individuell angepassten Rollstuhls, bestehend aus Sitzschalenuntergestell und einer individuell angepassten Sitzschale medizinisch erforderlich sei. Eine solche medizinisch notwendige Ausstattung sei durch das im Klageantrag näher bezeichnete Sitzschalenuntergestell der Firma Sch. und die entsprechende Sitzschale gewährleistet, wie sie sich im Einzelnen aus den Kostenvoranschlägen der Firma S. ergäbe. Der begehrte Rollstuhl mit Radnabenantrieb sei ein Krankenfahrstuhl im Sinne der Tarifbedingungen. Auch der Elektroantrieb, der eine Schiebehilfe für den Rollstuhlfahrer selbst sei, sei medizinisch erforderlich. Bei der Sitzschale nebst Sitzschalenuntergestell handle es sich jedenfalls um ein sogenanntes Freistehgerät, das als „Stützapparat“ dem Hilfsmittelkatalog unterfalle. Obliegenheiten habe der Kläger durch den Schaden am überlassenen Rollstuhl nicht verletzt; der Rahmenbruch sei durch Materialermüdung eingetreten. Dass die Gerätschaften einer hohen Beanspruchung ausgesetzt seien, führe nicht zum Ausschluss der Leistungspflicht der Beklagten. Auf eine Übermaßversorgung nach § 5 Nr. 2 MB/KK könne sich die Beklagte nicht berufen, da Kostengesichtspunkte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit außer Betracht zu bleiben hätten. Der Kläger trägt außerdem vor, dass am 15.11.2012 die Reparatur des Rollstuhls des Versicherten notwendig gewesen sei. Dabei seien zur Erneuerung eines Bowdenzugs und eines Bremsgriffs Kosten von 109,12 EUR entstanden. Diese Kosten sind dem Kläger mit Rechnung des Sanitätshauses S. vom 28.11.2012 (Anlage K 25) in Rechnung gestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 27.12.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag und der Beklagten zugestellt am 13.01.2015, hat der Kläger die Klage um den nachfolgenden Antrag III. erweitert.

Der Kläger beantragt zuletzt:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet ist, die Kosten für den Rollstuhl A. Mod E 25 nebst Zubehör gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K1 v. 26.09.2012 über 6.218,94 €, für die Sitzschale nach Maß mit Zubehör (Abduktionskeil, Beckenfixierung, Thoraxpelotten, Armlehnen, Therapietisch, Inkontinenzbezug) gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K2 v. 26.09.2012 über 4.983,53 €, für das Sitzschalenuntergestell Sch. Mod. F. mit Zubehör für Sitzschale nach Maß gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K3 v. 27.02.2013 über 4.591,37 für den mitversicherten Sohn J K, geb. ...1997, zu übernehmen und den Kläger von sämtlichen Folgekosten für den vorgenannten Rollstuhl, Sitzschale und Sitzschalenuntergestell abzüglich einer etwaigen zum Leistungszeitpunkt noch nicht erbrachten Selbstbeteiligung des Klägers über 1.280,00 € freizustellen.
hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.557,77 € (Kosten für den Rollstuhl A. Mod E 25 nebst Zubehör gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K1 v. 26.09.2012 über 6.218,94 €, Kosten für die Sitzschale nach Maß mit Zubehör  (Abduktionskeil, Beckenfixierung, Thoraxpelotten, Armlehnen, Therapietisch, Inkontinenzbezug) gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K2 v. 26.09.2013 über 4.983,53 €, Kosten für das Sitzschalenuntergestell Sch. Mod. F. mit Zubehör für Sitzschale nach Maß gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K3 v. 27.02.2013 über 4.591,37) für den mitversicherten Sohn J K, geb. ...1997, zu bezahlen und den Kläger von sämtlichen Folgekosten für den vorgenannten Rollstuhl, Sitzschale und Sitzschalenuntergestell abzüglich einer etwaigen zum Leistungszeitpunkt noch nicht erbrachten Selbstbeteiligung des Klägers über 1.280,00 € freizustellen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten über 1.196,43 € freizustellen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 109,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klage hinsichtlich der begehrten Freistellung von Folgekosten unzulässig sei. Mangels Bestimmbarkeit der freizustellenden Forderung handle es sich dabei tatsächlich um einen Feststellungsantrag. Insoweit fehle aber das Feststellungsinteresse, da die Folgekosten nur eventuell und in ferner Zukunft überhaupt entstehen könnten. Die genaueren Voraussetzungen der Erstattungsgrundlagen für etwaige Folgekosten seien nicht erkennbar und bestimmbar. Zumindest sei die Klage aber unbegründet. Der Anspruch des Klägers scheitere schon daran, dass es sich bei den begehrten (Haupt-)Leistungen nicht um erstattungsfähige Hilfsmittel handele. Der begehrte Rollstuhl mit Elektroantrieb, Sitzschale und Sitzschalenuntergestell unterfalle nicht der abschließend definierten Aufzählung der Tarifbedingungen. Zumindest das Sitzschalensystem und der elektrische Antrieb seien jedenfalls keine „Krankenfahrstühle“ im Sinne der Bedingungen. Die elektrische Antriebshilfe sei auch nicht erforderlich, da es sich hierbei lediglich um eine Unterstützung der Fremdbedienung für eine leichtere Bewegung durch Pflege- und Betreuungspersonal handle. Insoweit sei der elektrische Antrieb unnötig, weil ein Rollstuhl auch manuell geschoben werden könne. Eine medizinische Notwendigkeit für eine solche Versorgung bestehe nicht. Allenfalls könne eine Erstattungspflicht für eine elektrische Schiebehilfe zur reinen Fremdbedienung bestehen. Allerdings könne der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung den Elektroantrieb gar nicht selbst bedienen. Ein Elektroantrieb stelle deshalb eine Übermaßversorgung nach § 5 Nr. 2 MB/KK dar. Auch eine Indikation für eine individuell angepasste Sitzschale bestehe nicht, weil die Anpass- und Verstellmöglichkeiten von Standard- oder Leichtgewichtrollstühlen ausreichend seien. Aufgrund des konkreten Krankheitsbildes sei eine individuell angepasste Sitzschale tatsächlich sogar kontraproduktiv. Erforderlich - und ausreichend - sei tatsächlich ein punktuell verstärkter Rollstuhl mit individueller Sitzeinheit. Zudem seien aufgrund der zu erwartenden extrem hohen Beanspruchung einer individuell angepassten Sitzschale durch den Versicherten in Folge epileptischer Anfälle ein erheblicher Reparaturbedarf und eine frühzeitige neue Versorgung wahrscheinlich. Auch das vom Kläger begehrte Sitzschalenuntergestell sei aufgrund der enormen Kräfte, die bei Spastiken wirken würden, wenn der Versicherte im Gestell fixiert sei, den Belastungen nicht gewachsen und würde nicht auf Dauer funktionsfähig bleiben können und Materialschwäche zeigen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf einen anderen Rollstuhl habe, da er seine Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 9 Nr. 4 MB/KK verletzt habe. Der Kläger habe den sachgemäßen Gebrauch des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhls nicht sichergestellt und auch nicht geschildert, wie es zu dem Totalschaden an diesem Rollstuhl gekommen sei. Die Beklagte sei deshalb nach § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Die Beklagte bestreitet außerdem, dass die vom Kläger aus dem Jahr 2012 geltend gemachten Reparaturkosten für einen Rollstuhl erforderlich seien. Die Beklagte habe dem Kläger am 12.03.2012 über ihren Kooperationspartner SMB einen Rollstuhl zur Verfügung gestellt. Damit sei auch eine Übernahme sämtlicher Reparaturkosten für vier Jahre (bis 02.12.2015) verbunden. Der Kläger habe einen etwaigen Reparaturbedarf deshalb gegenüber dem Kooperationspartner SMB geltend machen müssen. Einen gesonderten Anspruch auf Zahlung der 109,12 EUR habe er somit nicht.

Es wurde zunächst Beweis erhoben mit Beweisbeschluss vom 19.08.2013 i.V.m. Beschluss vom 23.09.2013 durch Erholung eines schriftlichen fachorthopädischen Gutachtens. Auf entsprechendes Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 10.01.2014 hat das OLG Nürnberg nach entsprechender sofortiger Beschwerde der Beklagten die Ablehnung der Sachverständigen Dr. T für begründet erklärt. Mit Beweisbeschluss vom 03.07.2014 (Gerichtsakte S. 141) wurde sodann die Sachverständige Dr. B mit der (neuerlichen) Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen vom 28.11.2014 (Gerichtsakte S. 159 ff.) wird Bezug genommen. Des Weiteren wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2013 (Gerichtsakte S. 32 ff.) sowie im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 05.03.2015 wurde mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren beschlossen, wobei die Frist zu Einreichung von Schriftsätzen auf den 02.04.2015 bestimmt war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

A.

Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.

I. Die vom Kläger im Hauptantrag erhobene Feststellungsklage auf Kostentragungspflicht der Beklagten für ein Sitzschalenuntergestell, eine Sitzschale nach Maß und einen Elektroantrieb ist als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

1. Nach st. Rspr. des BGH kann bei einer Krankheitskostenversicherung auf Feststellung der Eintrittspflicht des Versicherers für die Kosten einer Behandlung geklagt werden, wenn die Feststellung ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis in dem Sinne betrifft, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Das ist der Fall, wenn das Begehren nach der Behauptung des Klägers nicht nur auf künftige, mögliche, sondern auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlungen gerichtet ist (BGH VersR 2006, 1351). Außerdem muss ein Feststellungsinteresse dahingehend bestehen, dass durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten zu erwarten ist (BGH VersR 2006, 535 m.w.N.). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für einen Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht für ein Hilfsmittel (anstatt einer Behandlung).

2. Gemessen daran ist die Zulässigkeit hier zu bejahen.

Die Beklagte stellt zwar nicht grundsätzlich ihre vertragliche Leistungspflicht in Abrede, soweit es um die Anschaffung eines Rollstuhls für den Versicherten geht. Sie bestreitet aber zum einen ihre Einstandspflicht mit dem Argument, dass die begehrten Leistungen keine tariflich vereinbarten Hilfsmittel seien; zum anderen stellt sie die medizinische Notwendigkeit eines elektrischen Hilfsantriebes und einer individuell angepassten Sitzschale in Abrede. Der Kläger richtet sein Feststellungsbegehren zudem auf ganz konkrete Hilfsmittel, die durch individuelle Kostenvoranschläge der Firma S. (Anlagen K 5 bis K 7) individualisiert sind. Es geht um einen aktuellen Bedarf für den Versicherten, den grundsätzlich auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Keinesfalls ist es so, dass es nur um eine mögliche, gegebenenfalls überhaupt nicht virulent werdende Versorgung mit Hilfsmitteln geht. Gegenüber der Beklagten als großem Krankenversicherer kann im Übrigen erwartet werden, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung dem Feststellungsausspruch Folge geleistet wird, ohne dass ein weiterer Rechtsstreit erforderlich ist (vgl. BGH VersR 2006, 830 m.w.N.).

Hinsichtlich der Hilfsmittelversorgung ist die Feststellungsklage deshalb zulässig.

II. Die Feststellungsklage ist aber auch zulässig, soweit der Kläger die Freistellung von Folgekosten aus der Anschaffung des Hilfsmittels begehrt.

Der Beklagten ist insoweit allerdings zuzustimmen, dass es sich bei diesem Antrag nicht um einen (zulässigen) Freistellungsantrag handelt. Eine Freistellung wäre nur bei einer hinreichend bestimmten Forderung möglich. Der Freistellungsantrag setzt die bestimmte Angabe von Grund und Höhe der Schuld voraus, von der freigestellt zu werden der Kläger begehrt (BGH NJW-RR 2005, 494, 497 f.). Soweit der Gläubiger Grund und Höhe nicht bezeichnen kann, ist ein Freistellungsantrag unzulässig und stattdessen auf Feststellung zu klagen (vgl. BGH NJW 2013, 155, 158 a.E.). Der unbestimmte Leistungsantrag kann aber in einen Feststellungsantrag umgedeutet werden (BGH NJW-RR 2005, 494, 498).

Insoweit ist das Feststellungsinteresse gegeben: Der Kläger weist zutreffend daraufhin, dass die Beklagte ihre Einstandspflicht für etwaig zukünftig entstehende Reparaturen des Hilfsmittels in Abrede stellt. Nach Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger auf ein bestimmtes - nach Ansicht der Beklagten genauso gut geeignetes und weniger folgekostenanfälliges - Rollstuhlmodell verweisen lassen. Dies ist indes nicht zutreffend (dazu noch sogleich). Es besteht deshalb ein gegenwärtiges rechtliches Interesse, die aus dem Versicherungsvertrag resultierende Leistungspflicht der Beklagten auch hinsichtlich etwaiger Folgekosten für die Reparatur und Instandhaltung des Rollstuhls klären zu lassen.

Damit ist die Freistellungsklage als Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

B.

Die Klage ist begründet, soweit mit ihr die Einstandspflicht der Beklagten für eine Sitzschale nach Maß mit Sitzschalenuntergestell und die Übernahme von Folgekosten festgestellt werden soll.

I. Der Kläger hat bedingungsgemäß Anspruch auf das im Klageantrag I. näher bezeichnete Sitzschalenuntergestell samt Sitzschale nach Maß (§ 1 S. 1 VVG).

1. Das Sitzschalenuntergestell und die Sitzschale sind als Hilfsmittel nach § 4 Nr. 3.3 AVB vom Leistungsumfang erfasst.

a) Hilfsmittel i.S.d. der Versicherungsbedingungen sind technische Mittel, die körperliche Defekte über längere Zeit auszugleichen suchen und damit unmittelbar eine Ersatzfunktion für ein krankes Organ wahrnehmen sollen, ohne dessen Funktionsfähigkeit wiederherzustellen (BGH VersR 2009, 1106). Dabei begegnet eine Beschränkung der erstattungsfähigen Hilfsmittel durch eine – wie hier - abschließende Aufzählung keinen rechtlichen Bedenken (BGH VersR 2004, 1035).

b) Sitzschalenuntergestell und Sitzschale stellen als Einheit einen „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Aufzählung des § 4 Nr. 3.3 AVB dar.

Wie sich aus dem vorgelegten Kostenvoranschlag für das Sitzschalenuntergestell (Anlage K 7) i.V.m. dem zu Anlage K 18 vorgelegten Prospektauszug bzw. Kostenvoranschlag der Firma Sch. ersehen lässt, stellt das streitgegenständliche Sitzschalenuntergestell Sch. „Modell F.“ ein Fahrgestell für den Außenbereich dar, das neben verschiedenen Anbauteilen zu seiner Verwendbarkeit noch des Aufbaus bzw. der Montage einer Sitzschale (i.e. Sitzauflage bzw. Sitzkissen) bedarf. Es kann keinem vernünftigen Zweifel begegnen, dass es sich bei der Kombination von Sitzschale und Sitzschalenuntergestell um einen Krankenfahrstuhl im Sinne der Tarifbedingungen handelt. Dies ist auf den ersten Blick für jeden durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, auf den es auch bei der Auslegung des Begriffs des „Krankenfahrstuhls“ als Teil der Versicherungsbedingungen ankommt (st. Rspr. BGH; vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab zuletzt BGH, Urteil vom 01. April 2015 – IV ZR 104/13).

2. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass das streitgegenständliche Sitzschalenuntergestell und die Sitzschale nach Maß (je mit Zubehör) medizinisch notwendig im Sinne der Definition des Versicherungsfalls in § 1 Nr. 2 Satz 1 MBKK sind.

a) Versicherungsfall ist danach die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Medizinisch notwendige Heilbehandlung ist nach st. Rspr. anhand eines objektiven Maßstabes zu ermitteln. Die Beurteilung hängt nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung (BGH r+s 2014, 25; BGH VersR 1996, 1224). Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGH r+s 2014, 25). Ob dies der Fall ist bzw. gegenwärtig bereits geklärt werden kann, lässt sich nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmen (BGH VersR 2006, 535; BGH VersR 2005, 1673, jew. mwN).

b) Die bestellte Sachverständige ist nach persönlicher Untersuchung des Versicherten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Versicherte selbst nicht in der Lage ist adäquat zu kommunizieren oder Kontakt aufzunehmen. Er sitze im Rollstuhl, artikuliere sich mit lautem Brummen, gestikuliere ungerichtet und mache teils heftige, unkontrollierte und amotorische und ruckartige Bewegungen mit den Armen oder auch dem ganzen Körper im Rollstuhl, indem er beispielsweise mehrfach hintereinder mit dem Oberkörper vor und zurück wippe. Die von den Eltern im Rahmen der Fremdanamnese geschilderten Umstände ließen sich aufgrund der eigenen durchgeführten klinischen Untersuchungen nachvollziehen. Der Versicherte sei nach alledem nicht in der Lage, sich selbstständig und selbstbestimmt mit dem Rollstuhl fortzubewegen. Er verbringe bis auf die Ruhezeiten den ganzen Tag im Rollstuhl, da er nicht geh- oder stehfähig sei oder sich selbst ausreichend stabilisieren könne. Es bestünden körperliche Einschränkungen, wie Fehlstellungen, Fehlhaltungen und Kontrakturen.

Vor diesem Hintergrund sei eine Rollstuhlausstattung erforderlich, die individuell und im Verlauf der sich erwartungsgemäß immer wieder verändernden Gegebenheiten angepasst werden sollte. Ein „Gerät von der Stange“ sei nicht geeignet, sondern ein individuell angepasster Rollstuhl sei notwendig. Hinsichtlich der Grundvorraussetzungen, die der Rollstuhl für den Versicherten konkret erfüllen müssen, wird auf die Ausführungen der Sachverständigen im Gutachten S.15 ff. (Gerichtsakte S. 166 ff.) Bezug genommen. Hervorzuheben ist, dass die Sachverständige feststellt, dass eine Sitzschale nach Maß, ein Kaltschaumkissen oder eine Kombination aus Kaltschaum mit viskoelastischem Schaum erforderlich sei, um hierdurch ein Optimum an kongruenter Auflagefläche für den Versicherten zu gewährleisten. Alle großen Rollstuhlhersteller böten entsprechende Möglichkeiten einer Rollstuhlausstattung. Dabei müsse es sich aber immer um eine Rollstuhlversorgung nach individuellem Maß und medizinischer Notwendigkeit des Versicherten handeln.

Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen sind die Parteien in inhaltlicher Hinsicht nicht entgegen getreten. Sie überzeugen auch den Richter, insbesondere vor dem Hintergrund der beigefügten Fotoaufnahmen des Versicherten. Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass der Kläger als Versicherungsnehmer für den Versicherten Anspruch auf einen individuell angepassten Rollstuhl nach Maß hat.

c) Die vorgenannten Hilfsmittel sind wie nach § 4 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 2 AVB erforderlich auch ärztlich verordnet. Auf die vorgelegten ärztlichen Verordnungen (Rezepte) der Anlagen K 9 bis  K 10 kann insoweit Bezug genommen werden.

3. Die Beklagte ist von ihrer Erstattungspflicht für das Sitzschalenuntergestell samt Sitzschale nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 9 Nr. 4, § 10 Nr. 1 und Nr. 3 MBKK befreit.

a) Danach hat die versicherte Person nach Möglichkeit für die Minderung des Schadens zu sorgen. Wird diese Obliegenheit verletzt, ist der Versicherer mit den in § 28 Abs. 2 bis 4 VVG vorgeschriebenen Einschränkungen ganz oder teilweise von der Verpflichtung zur Leistung frei. Die Beklagte gründet ihren Einwand auf die Tatsache, dass der von ihr dem Versicherten zur Verfügung gestellte Rollstuhl als „Totalschaden“ mit gebrochenem Rahmen zurückgegeben worden sei.

b) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme - wie auch bereits auch durch Einsatz gesunden Menschenverstandes - ist aber klar, dass dem Versicherten ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Beschädigung bzw. Zerstörung des durch die Beklagten mittels ihres Kooperationspartners zur Verfügung gestellten Rollstuhls - wie auch sämtlichen weiteren von der Beklagten noch zu erstattenden Krankenfahrstühlen - nicht ansatzweise gemacht werden kann. Die Sachverständige hat das im Rahmen der Exploration des Versicherten, also durch eigene Beobachtung gemachte Verhalten des Versicherten mit motorischer Unruhe, die häufig auftritt und mit heftigen Bewegungen des Oberkörpers nach vorne und hinten geschildert. Hierdurch bringe der Versicherte den gesamten Rollstuhl zum Wackeln bzw. Wanken. Auch bei epileptischen Anfällen komme es nach Angaben der Sachverständigen durch die auftretenden Streckspasmen dazu, dass erhebliche Kräfte auf die Konstruktion des Rollstuhls einwirkten. Wörtlich die Sachverständige: „Der Versicherte selbst ist weder kognitiv noch motorisch in der Lage entsprechend schonend mit dem Rollstuhl umzugehen,...“.

Dies bedeutet, dass für einen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Versicherten mangels Schuldfähigkeit i.S.d. § 827 S. 1 BGB von vornherein kein Raum ist (zur Anwendbarkeit des § 827 BGB im Rahmen der Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung bereits BGH VersR 1967, 944). Wer wie der Versicherte dauerhaft schon nicht in der Lage ist, die zu eventuellen Obliegenheitsverletzungen führenden Körperhandlungen zu steuern oder zu beeinflussen, kann begriffsnotwendig die Obliegenheit nicht schuldhaft verwirklichen. Für eine Leistungsfreiheit der Beklagten ist deshalb kein Raum.

c) Auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass der Kläger nicht geschildert habe, wie es zu dem Totalschaden an dem Rollstuhl gekommen sei, trägt im Ergebnis eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nicht.

Zum einen handelt es sich bei diesen verlangten Informationen nicht um eine Auskunft i.S.d. § 9 Nr. 2 MB/KK, „die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfanges erforderlich ist.“ Zum anderen hat der Kläger die gewünschte Auskunft jedenfalls mit Schriftsatz vom 31.07.2013 (aaO S. 7; Gerichtsakte S. 29) erteilt, indem er darauf hingewiesen hat, dass der Rahmenbruch durch die erhöhte Belastung des Rollstuhls infolge des Krankheitsbildes des Versicherten eingetreten sei. Damit wäre zumindest ab diesem Zeitpunkt Fälligkeit der Leistung nach § 6 Nr. 1, 2 MBKK - als Voraussetzung der streitgegenständlichen Feststellung - eingetreten. Schließlich scheiterte eine Leistungsfreiheit aber auch schon daran, dass seitens der insoweit vortrags- und beweisbelasteten Beklagten (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. § 28 Rn. 270) nichts dafür vorgetragen ist, dass der Kläger durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit hingewiesen worden ist (§ 10 Nr. 1 MB/KK i.V.m. § 28 Abs. 4 VVG).

d) Im Übrigen kann sich die Beklagte auf eine etwaige Obliegenheitsverletzung aber auch schon deshalb nicht berufen, da sie bereits dem Grunde nach ihre Einstandspflicht ablehnt.

Allen Obliegenheiten des § 9 MB/KK ist gemein, dass ihre Verletzung nach § 10 Nr. 1 MB/KK jedenfalls dann folgenlos bleibt, wenn – und solange – der Versicherer seine Leistungspflicht abschließend verneint und der Versicherungsnehmer auch eine weitere Überprüfung dieser Entscheidung anstrebt. Die Obliegenheiten sollen lediglich dem erfüllungsbereiten Versicherer dazu dienen, die Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen und zu erleichtern (BGH r+s 2013, 273; BGH VersR 1999, 1535).

4. Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass sich der Kläger auf das von der Beklagten vorgelegte „Alternativangebot“ für einen Rollstuhl mit Gesamtkosten in Höhe von 5.445,91 EUR (Anlage zu S. 199) verweisen lassen muss.

a) Zum einen ist dieser Rollstuhl nach „Alternativangebot“ schon der streitgegenständlichen „Kombination“ nicht vergleichbar, da es sich bei dieser um einen individuellen, auf die (Körper-)Größe des Versicherten angepassten Rollstuhl bzw. eben eine „Sitzschale nach Maß“ handelt, während das „Alternativangebot“ ein Kissen mit fest vorgegebenen Standardmaßen (wenngleich anatomisch geformt) enthält. Nach den Ausführungen der Sachverständigen, die insoweit eindeutig und auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden sind, ist für den Versicherten jedoch ein „Gerät von der Stange“ nicht geeignet, sondern es ist tatsächlich ein individuell angepasster Rollstuhl notwendig. Der Rollstuhl muss nach den Worten der Sachverständigen „so gut wie möglich individuell angepasst sein“. Dem wird das von der Beklagten vorgelegte „Alternativangebot“ nicht gerecht.

Zum anderen ist es aber auch so, dass die zwischen den Parteien maßgeblichen Versicherungsbedingungen wie auch die Gesetzeslage keine Grundlage für die Verweisung des Klägers als Versicherungsnehmer auf ein konkretes, von diesem zu beschaffendes Hilfsmittel hergeben. Der Versicherungsnehmer hat nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen Anspruch auf einen medizinisch notwendigen Krankenfahrstuhl. Welches konkrete Modell welchen konkreten Herstellers der Versicherungsnehmer dann - im Rahmen der medizinischen Notwendigkeit - auswählt, bleibt diesem selbst vorbehalten. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – die Versicherungsbedingungen keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art des erstattungsfähigen Hilfsmittels formulieren (z.B. LG Dortmund NJW-RR 2011, 903: Begrenzung auf Hilfsmittel „in einfacher Ausführung“ – allerdings wegen Intransparenz unwirksam).

Schließlich ist es dem Wesen der Krankheitskostenversicherung als Passivenversicherung immanent, dass der Versicherungsnehmer mit der Anschaffung eines konkreten Hilfsmittels in Vorleistung tritt und dann die hierfür erforderlichen Kosten bei seinem Krankenversicherer einfordert. Die private Krankheitskostenversicherung, so wie sie dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde liegt, ist nicht wie die Gesetzliche Krankenversicherung auf eine Realversorgung gerichtet („Sachleistungsprinzip“: z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 8 SO 23/13 R, juris Rn. 14), in deren Rahmen die Beklagte ein Auswahlrecht für das konkrete Hilfsmittel im Sinne eines „ersten Zugriffs“ hätte.

b) Auch wenn man den  Einwand der Beklagten zu ihrem „Alternativangebot“ als einen generellen Verweis auf ein günstigeres Hilfsmittel verstehen wollte, hätte die Beklagte damit keinen Erfolg.

Den MB/KK lässt sich keine Beschränkung der Leistungspflicht des Versicherers auf die kostengünstigste Behandlung bzw. das kostengünstigste Hilfsmittel entnehmen (BGH VersR 2003, 581). § 5 Nr. 2 S. 1 MB/KK berechtigt nur im Falle einer sog. medizinischen Übermaßbehandlung zur Kürzung, wenn also die Behandlung bzw. Ausstattung mit einem Hilfsmittel in vollem Umfang schon gar nicht medizinisch notwendig i.S.d. § 1 Nr. 2 S. 1 MB/KK war. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

Die Beklagte könnte den Kläger deshalb lediglich auf der Grundlage des § 5 Nr. 2 S. 2 MBKK bzw. § 192 Abs. 2 VVG einer „Kostenkontrolle“ unterwerfen. Danach ist der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Der Regelungsgehalt beschränkt sich auf ein Verbot der Übermaßvergütung (Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 192 Rn. 153; HK-VVG/Rogler, 2. Aufl. § 192 Rn. 20). Dass die vom Kläger konkret geforderte Rollstuhlversorgung ein unangemessenes „Preis-Leistungs-Verhältnis“ aufweist, hat die Beklagte jedoch nicht behauptet.

Ein allgemeines Wirtschaftlichkeitsgebot, das zur Verweisung auf ein günstigeres – gleichwertiges – Hilfsmittel berechtigen würde, enthalten hingegen weder die MB/KK, noch § 192 Abs. 2 VVG (HK-VVG/Rogler, 2. Aufl. § 192 Rn. 19 f.).

c) Nach dem Vorstehenden spielt es deshalb auch keine Rolle, dass die Sachverständige im Rahmen ihres schriftlichen Gutachtens nicht konkret auf die streitgegenständlichen Hilfsmittel eingeht. Die Sachverständige beschreibt in ihrem Gutachten die medizinisch-orthopädischen Voraussetzungen, die ein Rollstuhl für den Versicherten erfüllen muss. Die Sachverständige hat dazu jedenfalls festgestellt, dass eine Sitzschale nach Maß ein Optimum an kongruenter Auflagefläche für den Versicherten ermöglicht und deshalb für den Versicherten, der bis auf die Ruhezeiten den ganzen Tag im Rollstuhl verbringt, die medizinisch gebotene Versorgung darstellt.

Dass die Sachverständige in ihrem Gutachten ausführt, dass mit einer Sitzschale nach Maß noch abgewartet werden „könnte“, bis der Versicherte endgültig ausgewachsen ist, ändert an der medizinischen Notwendigkeit des streitgegenständlichen Modells mit individuell angepasster Sitzschale zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Der Streitfall nötigt nicht dazu, durch Auslegung der Versicherungsbedingungen zu ermitteln, wie oft der Kläger bei wachstumsbedingter Änderung der Anforderungen an den Rollstuhl eine Neuversorgung verlangen könnte. Betrachtet man nämlich zum einen den Zeitraum, der seit dem Zurverfügungstellen des aktuell vom Versicherten verwendeten Rollstuhls durch die Beklagte seit 03.12.2011 vergangen ist, zum anderen die Fotos der Sachverständigen, die den Versicherten zeigen, wie er in diesem größenmäßig völlig unpassenden Rollstuhl buchstäblich „hängt“, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Urteilsverkündung dem Kläger für den Versicherten ein Anspruch auf einen exakt passenden Rollstuhl zusteht.

II. Die Feststellungsklage ist nicht begründet, soweit der Kläger auch die Erstattungsfähigkeit „für den Rollstuhl A. Mod E 25 nebst Zubehör gemäß Kostenvoranschlag der Firma B.S. GmbH Nr. K1 v. 26.09.2012 über 6.218,94 €“ festgestellt wissen will.

Hinter dieser Formulierung verbirgt sich ausweislich des auf den Klagebetrag von 6.218,94 EUR lautenden Kostenvoranschlags (Anlage K 6) letztlich nichts anderes als ein elektrischer Antrieb für einen Rollstuhl. Dies wird aus den dort genannten Positionen wie „Radnabenantrieb“, „Akkubox“, etc. deutlich.

Nach den Erkenntnissen der Sachverständigen ist es jedoch so, dass der Versicherte aufgrund seines individuellen Krankheitsbildes selbst nicht in der Lage ist, den Rollstuhl mittels eines Elektroantriebes zu bedienen und zu steuern. In der Person des Versicherten liegt deshalb keine medizinische Notwendigkeit einer entsprechenden (technischen) Versorgung vor. Der Umstand, dass der elektrische Antrieb eines Rollstuhls für eine dritte Person, die den Versicherten mit dem Rollstuhl bewegt, eine Erleichterung darstellt bzw. darstellen kann, begründet für sich keine medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels in der Person des Versicherten (auf den es insoweit ankommt).

Da der elektrische Antrieb des Rollstuhls somit schon nicht medizinisch notwendig ist, kommt es auf die Frage einer Übermaßversorgung, die die Beklagte – ausdrücklich nur hinsichtlich gerade des elektrischen Antriebes - nach § 5 Nr. 2 MBKK erhoben hat, nicht (mehr) an.

Da betreffend den elektrischen Antrieb des Rollstuhls keine Leistungspflicht der Beklagten besteht, ist die Klage insoweit auch im - auf Zahlung statt Feststellung gerichteten - Hilfsantrag unbegründet.

III. Die Feststellungsklage ist auch insoweit begründet, als der Kläger die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für Folgekosten für den streitgegenständlichen Rollstuhl samt Sitzschale begehrt.

Welchen konkreten „Krankenfahrstuhl“ der Versicherungsnehmer erstattet verlangt werden kann, wird in den Tarifbedingungen nicht näher konkretisiert (s.o.). Damit sind grundsätzlich sämtliche Krankenfahrstühle, die die übrigen Voraussetzungen - vor allem einer medizinischen Notwendigkeit - der Versicherungsbedingungen erfüllen, vom Anspruch des Versicherungsnehmers umfasst. Auch die Zahl der vom Versicherungsnehmer für den Versicherten zu beanspruchenden Krankenfahrstühle ist in den Versicherungsbedingungen nicht näher bestimmt. Jedem verständigen Versicherungsnehmer wird jedoch einleuchten, dass – bei im Übrigen unveränderten Bedingungen, insbesondere in der Person des Versicherten (z.B. Wachstum) - ein Anspruch auf einen neuen Rollstuhl nicht etwa jährlich besteht. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 9 Nr. 4 MB/KK bzw. § 82 Abs. 1 VVG gebietet, dass unnötige Kosten vermieden werden. Schaden i.d.S ist die Belastung mit einer Verbindlichkeit, denn bei der Schadensversicherung wie sie die streitgegenständliche Krankheitskostenversicherung ist, wird die Leistung des Versicherers durch die Höhe des Schadens bestimmt und begrenzt (vgl. BGH VersR 1969, 1036). Damit wird auch der verständige Versicherungsnehmer, auf den es bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen ankommt (st. Rspr. BGH, Urteil vom 01. April 2015 – IV ZR 104/13 m.w.N.) nicht zu dem Schluss gelangen, dass „Schaden“ i.S.d. § 9 Nr. 4 MB/KK der Gesundheitsschaden, also die Krankheit ist (ebenso Bach/Moser/Sauer, Private Krankenversicherung 4. Aufl. § 10 MBKK Rn. 22 f.; a.A. wohl Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 9 MB/KK 2009 Rn. 12).

Der Versicherte hat sich also so zu verhalten, wie er sich verhalten würde, wenn er nicht versichert wäre (Langheid/Wandt/Kalis, VVG § 194 VVG Rn. 21; Bach/Moser/Sauer, Private Krankenversicherung 4. Aufl. § 10 MBKK Rn. 23; HK-VVG/Rogler, 2. Aufl. § 9 Rn. 6). Dies geschieht bei der Versorgung mit Hilfsmitteln jedenfalls auch dadurch, dass etwaige Schäden am Hilfsmittel durch eine - sofern kostengünstiger - Reparatur und nicht eine Ersatz- bzw. Neuanschaffung beseitigt werden.

Dies bedeutet dann aber wiederum, dass die Beklagte auch für erforderliche und wirtschaftliche Reparaturkosten von zu erstattenden Hilfsmitteln leistungspflichtig ist. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten ausgeführt, dass aufgrund der krankheitsbedingten Belastung des Rollstuhls durch den Versicherten „damit zu rechnen (ist), dass immer wieder Reparaturen fällig werden, die mit entsprechenden Folgekosten verbunden sind“. Nachdem die Beklagte diese Verpflichtung jedoch grundsätzlich, wenngleich unter Hinweis auf die fehlende medizinische Erforderlichkeit, in Abrede stellt, ist die auf Feststellung der entsprechenden Einstandspflicht gerichtete Klage begründet.

IV. Soweit der Kläger klageerweiternd (zulässig: §§ 263, 267 ZPO) die Erstattung von Reparaturkosten in Höhe von 109,12 EUR begehrt, ist die Klage unbegründet.

Einem solchem Leistungsanspruch steht jedenfalls der Einwand einer Obliegenheitsverletzung nach § 9 Nr. 4 MB/KK entgegen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass Reparaturkosten betreffend den durch den Kooperationspartner der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhl in der entsprechenden Fallpauschale enthalten sind. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Aus dem vorgelegten Abrechnungsschreiben vom 25.02.2013 lässt sich dies auch entnehmen. Damit handelte der Kläger insoweit vorsätzlich, so dass nach § 28 Abs. 2 VVG Leistungsfreiheit der Beklagten besteht. Einer Belehrung bedurfte es insoweit nicht (§ 28 Abs. 4 VVG).

Nach alledem hätte es dem Kläger zur Geringhaltung des Schadens oblegen, nicht Reparaturkosten bei Dritten zu verursachen, sondern die bereits im Rahmen der Fallpauschale gedeckten Kosten durch die Inanspruchnahme des Kooperationspartners der Beklagten für die entsprechenden Reparaturen zu vermeiden.

V. Der Kläger hat schließlich Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlich entstanden Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte hat sich durch die unberechtigte Leistungsverweigerung gegenüber dem Kläger schadensersatzpflichtig gemacht (§ 280 Abs. 1 BGB). Wie sich aus dem als Anlage K 20 vorgelegten Schreiben des Klägervertreters ergibt, hat der Kläger die Beklagte im Vorfeld selbst zu einer Erklärung zu den streitgegenständlichen Hilfsmitteln aufgefordert, ohne dass es zu einer entsprechenden (positiven) Reaktion gekommen wäre. Die daraufhin erfolge Einschaltung des Klägervertreters ist deshalb kausaler Schaden. Der geforderte Schadensersatzanspruch geht auf Freistellung von den erforderlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe des letztlich berechtigten Gegenstandswertes (vgl. BGH NJW 2005, 1112). Dieser errechnet sich nach dem Vorstehenden auf insgesamt 7.659,92 EUR (s. B.), so dass bei einer 1,3 Verfahrensgebühr zzgl. Auslagenpauschale 19 % Mehrwertsteuer von 729,23 € freizustellen ist.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war der Feststellungsantrag mit 80% der bezifferten Kosten anzusetzen. Die Folgekosten sind nach dem Hinweis des Klägers, dass diese sich in einem Zeitraum von vier Jahren auf den Wert einer Neuanschaffung belaufen können, mit weiteren 9.000,00 EUR (abzgl. Abschlag 20%) zu bewerten. Unter Berücksichtigung des klageerweiternd geltend gemachten Betrages sind damit für den Streitwert 22.155,34 € festzusetzen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13

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Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13 zitiert 14 §§.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 263 Klageänderung


Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit


(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Ke

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 1 Vertragstypische Pflichten


Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versiche

Zivilprozessordnung - ZPO | § 267 Vermutete Einwilligung in die Klageänderung


Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 192 Vertragstypische Leistungen des Versicherers


(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solc

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 827 Ausschluss und Minderung der Verantwortlichkeit


Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 82 Abwendung und Minderung des Schadens


(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. (2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weis

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 194 Anzuwendende Vorschriften


(1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 4 ist auf die Krankenv

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Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Apr. 2015 - 8 O 3675/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

BGH IV ZR 104/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invalidi

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 8 SO 23/13 R

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(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. Oktober 2005 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 150.000 € und für den Fall einer Invalidität durch Unfall eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ("Treuebonus") von 10%.

2

Unter "2.1 Invaliditätsleistung" heißt es in den Bedingungen unter anderem:

"2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2 Art und Höhe der Leistung

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe):

Arm     

70%

Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks          

65%

Arm unterhalb des Ellenbogengelenks

60%

Hand   

55%

Daumen

20%

Zeigefinger

10%

anderer Finger

5%

…       

        

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen."

3

Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der linken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Schulterblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine "Gebrauchsminderung der li. Schulter".

4

Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte seinerzeit unter Heranziehung der Gliedertaxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Schädigung nicht objektivierbar sei.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, der Grad seiner Invalidität betrage mindestens 3/7 des Armwerts; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere des Sternoklavikulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträchtigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätsleistung von 45.000 € (30% von 150.000 €) zuzüglich des Treuebonus von 10%, mithin 49.500 €.

6

Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einholung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach 10.500 € (7% von 150.000 €) zuzüglich 10% Treuebonus, zusammen 11.550 €, zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die weitergehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter anderem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beurteilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 € als Differenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit Hilfe des Armwerts der Gliedertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbstzweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Einsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken Armes, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die Beeinträchtigung auf einen Sehnenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der entsprechenden Gliedmaße "im Gelenk" anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T.    habe überzeugend dargelegt, dass die Gebrauchsminderung des linken Arms mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckgelenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert bewertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1/7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden.

9

Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavikulargelenk verletzt worden sei, habe der Kläger bisher nicht erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall fehle (Nr. 2.1.1.1 AUB 2000). Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer dauerhaften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavikulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich festgestellt.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Bestimmung des Invaliditätsgrades anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000.

12

Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereckgelenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist.

13

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.).

14

b) Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt dem Leistungsversprechen aus Nr. 2.1 AUB 2000 und der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 getroffenen Regelung über die Gliedertaxe zunächst, dass der Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der Versicherungsnehmer Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe in den AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 10 m.w.N.).

15

Der Systematik der Gliedertaxe kann der Versicherungsnehmer ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5% beginnen und des (gesamten) Armes mit 70% enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste - entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit - mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen (Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 11 m.w.N.).

16

Nimmt der Versicherungsnehmer - ausgehend von dieser Systematik - den Wortlaut der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes getroffenen Regelung in den Blick, weist ihn - anders als bei der in früheren Bedingungen gebräuchlichen Formulierung "Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Armes im Schultergelenk" (vgl. zu § 7 I (2) a AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12; zu § 7 I (2) a AUB 94: Senatsurteil vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff.) - nichts darauf hin, dass der gesamte Schultergürtel zum Arm zählen und eine dort eintretende Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades als bedingungsgemäße Funktionsstörung des Armes gelten soll. Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer der von 5% bis 70% reichenden Staffelung entnehmen, dass zum Arm nur dessen in der Gliedertaxe im Einzelnen benannte Teile, nämlich die Finger, die Hand, der Arm unterhalb und bis oberhalb des Ellenbogens, schließlich der restliche Arm zählen sollen. Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten, wird er nicht als vom Bedingungswortlaut erfasst ansehen.

17

c) Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in den die Taxenregelung über den Arm gestellt ist, ergeben sich keine anderslautenden Hinweise. Nichts deutet in den unter Nr. 2.1.2.2.1 und Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 getroffenen Regelungen zur Bestimmung des Invaliditätsgrades darauf hin, dass auch die Schädigung von nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperpartien nach der Gliedertaxe eingestuft werden soll, sofern sich diese Schädigung lediglich auf den Gebrauch der in der Gliedertaxe aufgeführten Gliedmaßen auswirkt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Gliedertaxe durchgängig auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abstellt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 10 m.w.N.). Anders als die Beklagte meint, gilt das nicht nur für die Einordnung einer Schädigung in die von der Gliedertaxe angeführten Teilbereiche eines Armes oder Beines, sondern auch für die Abgrenzung zu nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteilen.

18

d) Soweit sich das Berufungsgericht für seine anderslautende Auffassung auf die Senatsrechtsprechung zu früheren Fassungen der AUB stützt (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02, r+s 2003, 427 = VersR 2003, 1163 unter II 2 c (2) - "Hand im Handgelenk"; vom 24. Mai 2006 - IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk") und meint, der Senat habe dabei letztlich für die Anwendung der Gliedertaxe auf eine Funktionsunfähigkeit im jeweiligen Gelenk abgestellt, lässt sich dies auf den hier vereinbarten Bedingungswortlaut nicht übertragen, weil in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 vom Schultergelenk im Zusammenhang mit dem Verlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung des Armes nicht mehr die Rede ist und der Versicherungsnehmer mithin keinen Hinweis darauf erhält, dass das Schultergelenk oder gar der gesamte Schultergürtel der Gliedertaxe unterfallen soll.

19

2. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht für entbehrlich erachtet, weiteren Beweis darüber zu erheben, ob der Unfall des Klägers vom 8. Oktober 2005 zusätzlich zu einer - inzwischen fehlverheilten - Verletzung des linken Sternoklavikulargelenks geführt hat; anders, als das Berufungsgericht meint, wäre eine solche Verletzung von der binnen der 15-Monatsfrist der Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 getroffenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 13. Oktober 2006 erfasst.

20

a) Seine anderslautende Auffassung kann das Berufungsgericht nicht auf die Senatsentscheidung vom 7. März 2007 (IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 = r+s 2007, 255 Rn. 10 ff.) stützen.

21

Der Senat (aaO Rn. 10 ff.) hat dort ausgeführt, die 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führe selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden treffe. Allerdings seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müsse sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und brauche hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens noch nicht einmal richtig zu sein. Es müssten sich aus ihr aber die ärztlicherseits für einen Dauerschaden angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, denn die Invaliditätsbescheinigung solle dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.

22

b) Das lässt sich auf den Streitfall nicht in der Weise übertragen, dass die behauptete Verletzung des Sternoklavikulargelenks nicht von der hier vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfasst wäre. Die ärztliche Bescheinigung über eine durch den Unfall verursachte dauerhafte "Gebrauchsminderung der li. Schulter" gab dem beklagten Versicherer ausreichenden Anlass, zur Prüfung seiner Leistungspflicht alle Körperteile im Bereich der linken Schulter in den Blick zu nehmen, die Einfluss auf diese Gebrauchsminderung haben konnten. Das sind vor allem sämtliche zum linken Schultergürtel des Klägers gehörenden knöchernen Teile, mithin auch das Sternoklavikulargelenk, zumal bereits die festgestellte Verletzung des Schultereckgelenks durch mechanische Gewalt es nicht fernliegend erscheinen ließ, dass die Unfallkräfte auch das andere Ende des linken Schlüsselbeins in Mitleidenschaft gezogen haben konnten. Die vom Senat in seinem Urteil vom 7. März 2007 formulierten Maßstäbe sind nicht dahin zu verstehen, dass bereits im Rahmen der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung eine möglichst präzise Diagnose des Umfangs und der Ursachen eines Dauerschadens gefordert wäre. Gemessen am Zweck der fristgebundenen ärztlichen Feststellung genügt es vielmehr, wenn diese Feststellung die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißt, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss und vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird.

23

Im Streitfall konnte der Versicherer der ärztlichen Feststellung entnehmen, dass der Unfall, bei dem der Kläger mit der Schulter aufgeprallt war, zu deren dauerhafter Gebrauchsminderung geführt hatte. Das schließt alle Verletzungen und Schäden ein, die infolge des Aufpralls mechanisch im Bereich der linken Schulter hervorgerufen worden waren. Nicht erfasst wären hingegen Unfallschäden, die zwar aufgrund desselben Unfalls, aber entweder - wie etwa psychisch bedingte Einschränkungen - mittels einer anderen Kausalkette entstünden oder sich an anderen Körperstellen, beispielsweise der Wirbelsäule oder der Hüfte, auswirkten.

24

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach den vorgenannten Maßstäben zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis führt. Wird sein linker Schultergürtel nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 untersucht und dabei möglicherweise zusätzlich eine unfallbedingte Verletzung des Sternoklavikulargelenks festgestellt, deren Berücksichtigung das Berufungsgericht bisher abgelehnt hat, so ist nicht auszuschließen, dass die Einstufung des Dauerschadens höher ausfällt als bisher angenommen.

25

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht einen Abzug wegen Vorinvalidität mit der bisher gegebenen Begründung nicht hätte vornehmen dürfen. Nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad gemindert, wenn "betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt" waren. Die Vorschädigung des Klägers aus seinem früheren Unfall vom August 1999 betrifft nach der Behauptung der Beklagten den linken Arm mit 1/7 Armwert infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Ordnet man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem Unfall vom 8. Oktober 2005 erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zu, bedarf es nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen ist.

26

III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

27

Die Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität nach Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 soll den Versicherer davor schützen, für dauerhafte Spätfolgen eines Unfalls eintreten zu müssen, die sich erst später als ein Jahr nach einem Unfall erstmals zeigen. Geschützt wird damit das Kalkulationsinteresse des Versicherers. Tritt ein Dauerschaden binnen der Jahresfrist ein, besagt diese Frist aber nicht, dass bei der nachfolgenden Bemessung des Invaliditätsgrades ausschließlich diejenigen Umstände herangezogen werden dürften, die innerhalb der Jahresfrist erkennbar geworden sind. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit um die Erstbemessung seiner Invalidität im Grundsatz alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände heranziehen (Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - IV ZR 328/07, r+s 2009, 293 = VersR 2009, 920 Rn. 19). Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung medizinischer Umstände bei der Erstfestsetzung ist auch nicht der in Nr. 9.4 AUB 2000 gesetzten Dreijahresfrist für die Neubemessung der Invalidität zu entnehmen. Zwar wird daraus ersichtlich, dass sich nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades gesundheitliche Veränderungen auf die Leistungspflicht des Versicherers nur dann auswirken sollen, wenn sie spätestens binnen drei Jahren nach dem Unfall eingetreten sind. Das gilt aber nur im Neufestsetzungsverfahren. Ist dieses mangels Erstfestsetzung gar nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum.

Mayen                               Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                    Dr. Schoppmeyer

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass lediglich der Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2011 aufgehoben wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 440,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 440,65 Euro für die ambulante Pflege der im August 2011 verstorbenen Hilfeempfängerin E. S. (S).

2

Die Klägerin, Betreiberin einer nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung, erbrachte der am 11.8.2011 verstorbenen Hilfeempfängerin, die keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhielt, im Juli 2011 häusliche Pflege; Grundlage war die zwischen diesen abgeschlossene Vereinbarung über die Erbringung von Pflegeleistungen vom 20.7.2011. Gegenüber S hatte die Beklagte die Übernahme angemessener Kosten für die Inanspruchnahme besonderer Pflegekräfte nach § 65 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) "ab sofort bis 31.7.2011" erklärt (bestandskräftiger Bescheid vom 15.7.2011). Dem Bescheid war in Anlage ein Schreiben der Beklagten an die Klägerin beigefügt, in dem diese eine "Kostenzusage für ambulante Pflegeleistungen" erteilte (Schreiben vom 15.7.2011). Gegen die Forderung der Klägerin vom 17.8.2011, für erbrachte Leistungen in der Zeit vom 1. bis 31.7.2011 440,65 Euro zu zahlen (575,65 Euro abzüglich eines "Eigenanteils" von 135 Euro), wandte die Beklagte ein, S sei bereits am 11.8.2011 verstorben. Da mit dem Tod deren Hilfeanspruch geendet habe, sei die Rechnung nicht mehr zu begleichen. Die Klägerin sei darauf zu verweisen, ihre Forderung gegenüber den Erben geltend zu machen (Schreiben vom 19.8.2011). Nachdem sich die Klägerin hiergegen mit einer erneuten Zahlungsaufforderung (vom 2.9.2011) gewandt hatte, erließ die Beklagte (unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter) einen Widerspruchsbescheid (vom 26.10.2011), mit dem sie "den Widerspruch" zurückwies und zusätzlich darauf verwies, dass sich auch kein Anspruch der Klägerin aus § 19 Abs 6 SGB XII ergebe.

3

Die auf Zahlung von 440,65 Euro gerichtete Klage, gestützt auf die im Bewilligungsbescheid enthaltene Zusage, hatte in beiden Instanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.8.2012; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23.9.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung wegen des Schuldbeitritts der Beklagten im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses, das auch für Leistungsbeziehungen mit ambulanten Pflegediensten Geltung beanspruche. Dass die Hilfeempfängerin vor der Rechnungserstellung gestorben sei, lasse den Anspruch unberührt.

4

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung des § 19 Abs 6 SGB XII (Sonderrechtsnachfolge nach dem Tod des Sozialhilfeberechtigten nur für Einrichtungen). Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass diese Vorschrift, die von einem grundsätzlichen Untergang des Sozialhilfeanspruchs ausgehe, davon aber für Einrichtungen eine Ausnahme mache, nicht für ambulante Dienste gelte. Mithin sei mit dem Tod der Berechtigten der Anspruch der Klägerin erloschen. § 19 Abs 6 SGB XII stelle eine iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII abweichende Regelung dar.

5

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

8

Die vom LSG beigeladenen Rechtsnachfolger der S haben weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 440,65 Euro gegen die Beklagte aus Schuldbeitritt zu, der auch nicht mit dem Tod der S untergegangen ist. Allerdings war entgegen der Entscheidung des SG und des LSG nur der Widerspruchsbescheid aufzuheben, ohne dass dadurch die Klägerin teilweise unterliegen würde.

10

Gegenstand des Verfahrens ist der Widerspruchsbescheid vom 26.10.2011, mit dem die Beklagte aus der schlichten Erklärung (vom 19.8.2011) einen Verwaltungsakt gemacht hat (s zu dieser Konstellation nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 85 RdNr 7a mwN zur Rspr). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 iVm § 56 SGG) vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 SGG), auch wenn es sich bei der geltend gemachten Forderung um eine solche handelt, die ihre Grundlage im Zivilrecht findet (vgl: BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 3; Senatsbeschluss vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R). Dies hat der Senat jedoch im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz), sodass auch nicht mehr darüber zu befinden ist, ob das SG den (zivilrechtlichen) Streit um die Kostenerstattung vom Anfechtungsbegehren hätte abtrennen können. Für die Anfechtung des Widerspruchsbescheids kann, unabhängig von seinem Inhalt, nur der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet sein. Mit der Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids entfällt dessen umgestaltende Wirkung.

11

Von Amts wegen zu berücksichtigende sonstige Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Ob, wie geschehen, die Erben der S noch nach der Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils des LSG beigeladen werden konnten (zweifelnd wegen der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs <§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz> BSGE 108, 206 ff RdNr 17 mwN = SozR 4-2500 § 33 Nr 34), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls aber wären die Erben als Gesamtschuldner nicht notwendig (§ 75 Abs 2 SGG), sondern allenfalls einfach beizuladen gewesen; denn die Entscheidung hat jedem Gesamtschuldner gegenüber schon deshalb nicht einheitlich zu ergehen, weil von jedem die Begleichung der gesamten Schuld verlangt werden kann (§ 426 Bürgerliches Gesetzbuch). Für die Beigeladenen entstehen durch die Beiladung ohnedies keine nachteiligen Folgen, weil der Klägerin der gegen die Beklagte geltend gemachte Zahlungsanspruch zusteht (dazu gleich).

12

Die Anfechtungsklage war jedoch nur erfolgreich, soweit sie den Widerspruchsbescheid betrifft. Zum Erlass dieses Bescheids war die Widerspruchsstelle wegen des Fehlens eines Ausgangsbescheids funktional und sachlich unzuständig (vgl BSG, Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R). Mit dem Schreiben vom 19.8.2011 hat die Beklagte nämlich zu Recht keinen Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -) erlassen. Denn in dem durch den Schuldbeitritt begründeten Gleichordnungsverhältnis zur Klägerin fehlte es ihr an der Befugnis dazu. Für den Erlass eines Verwaltungsakts bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage, die sich entweder ausdrücklich aus dem Gesetz oder der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses der Beteiligten ergeben kann (vgl nur BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 mwN). Doch existiert hier weder eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Handeln durch Verwaltungsakt - was ohnehin in einem an sich zivilrechtlichen Verhältnis (dazu gleich) kaum vorstellbar wäre -, noch ergibt sich die Befugnis zum hoheitlichen Handeln aus der (zivilrechtlichen) Rechtsbeziehung beider. Das Schreiben der Beklagten vom 19.8.2011, mit dem sie abgelehnt hat, den von der Klägerin geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung zu erfüllen, ist deshalb zu Recht nicht als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X ergangen. Gegen diese Ablehnung hat sich die Klägerin folgerichtig auch nicht mit einem Widerspruch gewandt, sondern lediglich in der Sache ausgeführt, warum sie mit der Ablehnung durch die Beklagte nicht einverstanden ist und weiter eine Zahlung verlangt. An der funktionalen und sachlichen Unzuständigkeit der Widerspruchsstelle ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid erstmals neben dem zivilrechtlichen einen Anspruch der Klägerin aus § 19 Abs 6 SGB XII abgelehnt hat. Der Tenor der SG-Entscheidung war deshalb abzuändern.

13

Die Beklagte hat es in der Sache zudem zu Unrecht abgelehnt, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten zu zahlen, denn dieser Anspruch steht der Klägerin zu. Die Beklagte ist der, nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in dieser Höhe sachlich und rechnerisch zutreffend bezeichneten Schuld der S aus der Pflegevereinbarung (§§ 241, 421 BGB) mit der Klägerin beigetreten. Nach § 75 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB XII richten sich bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen nach den Vorschriften des 8. Kapitels des SGB XI, wenn die Vereinbarungen - wie hier - im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind (Versorgungsvertrag im Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe über ambulante Pflegeleistungen nach § 72 SGB XI zwischen der Klägerin und den Landesverbänden der Pflegekassen und den Ersatzkassen vom 28.2.2005; Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Pflegeleistungen in Nordrhein-Westfalen zwischen der Klägerin und der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in NRW und der Ersatzkassen sowie dem örtlichen Träger der Sozialhilfe vom 28.12.2009; Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 SGB XI ua zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, deren Mitglied das Diakonische Werk als Träger der Klägerin ist, und den Landesverbänden der Pflegekassen in NRW vom 12.10.1995). Auch wenn unklar ist, ob S in der sozialen Pflegeversicherung versichert war, also § 75 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB XII unmittelbar zur Anwendung kommen, steht dies einer Entscheidung des Senats nicht entgegen; denn in der Pflegevereinbarung zwischen der Klägerin und S ist auf die insoweit maßgeblichen Verträge Bezug genommen worden, sodass diese jedenfalls kraft Vereinbarung Anwendung fänden, wäre S nicht pflegeversichert gewesen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist nicht davon auszugehen, dass in der Erklärung vom 15.7.2011 abweichend vom Regelfall ein (öffentlich-rechtliches) Schuldanerkenntnis liegt (vgl dazu Senatsbeschluss vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R - mwN).

14

Das Leistungserbringungsrecht in der Sozialhilfe ist nicht nur im Bereich stationärer Leistungen (vgl BSGE 102, 1 ff, RdNr 15 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), sondern gemäß § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII auch im Bereich der ambulanten Dienste(vgl Senatsurteil vom 25.9.2014 - B 8 SO 8/13 R -, SozR 4-3500 § 53 Nr 4) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt, das als Sachleistungsprinzip in der Gestalt der Sachleistungsverschaffung/Gewährleistungsverantwortung ausgestaltet ist. Das gesetzliche Regelungskonzept geht also auch für die ambulanten Dienste davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von ambulanten Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet. Der Sozialhilfeträger übernimmt in diesem Zusammenhang nur die Vergütung, die der Hilfeempfänger vertraglich dem ambulanten Dienst schuldet und tritt damit (lediglich) einer bestehenden zivilrechtlichen Schuld (als Gesamtschuldner) bei. Dadurch wird ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Dienstes gegenüber dem Sozialhilfeträger geschaffen; der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger ist auf Zahlung an diesen Dritten gerichtet.

15

S hatte mit der Klägerin am 20.7.2011 wirksam einen Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen (Pflegevereinbarung) abgeschlossen, die auszulegen der Senat wegen ihres Charakters als Formularvertrag berechtigt war (vgl BSG SozR 3-4220 § 11 Nr 3 S 6 f; zu den Heimverträgen vgl die Senatsentscheidung vom 25.9.2014 - B 8 SO 8/13 R -, SozR 4-3500 § 53 Nr 4 RdNr 17). Danach hatte sich S vertraglich verpflichtet, für die im Einzelnen aufgeführten Leistungen je Wochentag an die Klägerin einen bestimmten Preis zu zahlen; zusätzlich waren die monatlichen Gesamtkosten abzüglich eines "Eigenanteils" aufgeführt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hat die Klägerin die vereinbarten Leistungen im geltend gemachten Umfang auch erbracht. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht nicht entgegen, dass im Bereich der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XII die ambulanten Dienstleister einen unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch in Höhe der gesetzlichen Pflegeleistungen gegen die Pflegekasse besitzen (vgl BSG SozR 4-3300 § 72 Nr 1). Auch lag in der Vereinbarung zwischen Klägerin und der Verstorbenen kein Verstoß gegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), wonach privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB abweichen, nichtig sind. Denn zumindest wenn unklar ist, ob eine Pflegeversicherung oder entsprechende Leistungsansprüche bestehen, müssen Individualvereinbarungen zulässig und wirksam sein (zum gleichartigen Problem in der gesetzlichen Krankenversicherung BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 21).

16

Der Wirksamkeit des Schuldbeitritts selbst steht weder entgegen, dass er vor Abschluss des Pflegevertrags erfolgte, noch, dass im Bescheid und Schreiben vom 15.7.2011 die Schuld nicht summenmäßig aufgeführt ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Schuldbeitritts ist lediglich, dass die Verpflichtung nach Inhalt und Beschaffenheit im Zeitpunkt der Entscheidung hinreichend bestimmt war, wodurch vermieden werden kann, dass die Schuld des Beitretenden durch spätere Rechtsgeschäfte des Hauptschuldners ohne sein Zutun erweitert und damit gegen das Verbot der Fremddisposition verstoßen wird (vgl BGH, Urteil vom 7.11.1995 - XI ZR 235/94 - mwN). Diese Kriterien gelten gleichermaßen für die Wirksamkeit des Beitritts zu einer künftigen Schuld (dazu BGHZ 133, 220 ff). Diesen Anforderungen genügt der Bescheid der Beklagten iVm der Erklärung vom 15.7.2011. Denn die Häufigkeit und die Art der gegenüber der S zu erbringenden Leistungen mit der Zuordnung zu den Leistungskomplexen der Vergütungsvereinbarung - die der Senat als Normvertrag ebenfalls auszulegen berechtigt ist (vgl BSG SozR 4-3500 § 62 Nr 1 RdNr 15) - sind im Einzelnen aufgeführt. Zudem ist in Anlage 1 der Vergütungsvereinbarung jedem Leistungskomplex ein konkreter Preis zugeordnet, sodass lediglich die Nennung des jeweiligen Preises der so bestimmten Leistungen fehlt. Dies macht die Bewilligung noch nicht zu einem unzulässigen Schuldbeitritt "dem Grunde nach"; denn der Umfang der Schuld ist bestimmbar.

17

Der Tod der S vor der Rechnungserstellung durch die Klägerin hat die zivilrechtliche Schuld der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht entfallen lassen. Ihr Tod führte nur dazu, dass die Beigeladenen als ihre Erben (§ 1922 BGB) für ihre Schuld als Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) haften. Er lässt die Stellung der Beklagten aus dem Schuldbeitritt und damit das Recht der Klägerin unberührt, auch allein die Beklagte für die gesamte Schuld in Anspruch zu nehmen. Der zusätzliche sozialhilferechtliche Anspruch der S gegenüber der Beklagten auf Zahlung durch diese an die Klägerin mag durch deren Tod "erloschen" sein; gleichwohl hat die Beklagte gegenüber der Hilfeempfängerin ihrer Sachleistungsverschaffungspflicht bereits mit dem Schuldbeitritt genügt und damit ihre Leistung teilweise erbracht. Die daraus resultierende Zahlungspflicht unmittelbar gegenüber der Klägerin ist (nur) die Folge des Schuldbeitritts, mithin die Erfüllung dieser Schuld, die nicht mit dem Tod der S nachträglich wieder erlöschen kann.

18

§ 19 Abs 6 SGB XII führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung dem Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Mit der Norm wird nichts Abweichendes iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII bestimmt. Sie schließt, anders als die Beklagte meint, nicht jeglichen Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes gegen den Sozialhilfeträger nach dem Tod des Hilfebedürftigen aus, sondern basiert nur auf der Rechtsprechung zur Unvererblichkeit sozialhilferechtlicher Ansprüche und schafft dafür in bestimmten Konstellationen ein sozialhilferechtliches Korrektiv (vgl: BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2; BSGE 110, 93 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 3). Zudem käme die Anwendung des § 19 Abs 6 SGB XII - außerhalb der Leistungsbeziehungen mit ambulanten Diensten - ohnehin nur in Betracht, wenn es, anders als hier, entweder um die Übernahme von Kosten vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid geht(vgl BSGE 102, 1 ff RdNr 27 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9) oder wenn die Übernahme von Kosten geltend gemacht wird, die gerade nicht vom Schuldbeitritt erfasst sind (vgl BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2).

19

Entgegen der Auffassung der Beklagten laufen damit die Regelungen zum Anspruchsübergang nach den §§ 93, 94 SGB XII nicht leer. Zwar ist Voraussetzung für die Überleitungsanzeige bzw den Anspruchsübergang ua, dass Leistungen erbracht worden sind. Da aber mit dem Schuldbeitritt die Leistung gegenüber dem Hilfeempfänger teilweise erbracht ist, dürfte den Bedenken der Beklagten hiermit hinreichend Rechnung getragen sein. Dies gilt für den Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB XII gleichermaßen(zum Verhältnis beider vgl BVerwGE 85, 136, 139).

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

21

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs 1, § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.

(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.

(2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen.

(3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, insbesondere

1.
die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher Leistungen;
2.
die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1;
3.
die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1;
4.
die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der sich hieraus ergebenden Folgen;
5.
die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1 mit deren Erbringern.

(4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.

(5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. Er ist außerdem verpflichtet, den Verdienstausfall, der während der Schutzfristen nach § 3 Absatz 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes sowie am Entbindungstag entsteht, durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen, soweit der versicherten Person kein anderweitiger angemessener Ersatz für den während dieser Zeit verursachten Verdienstausfall zusteht.

(6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt.

(7) Bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Leistungserbringer seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis haften Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch. Soweit im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes der Versicherer die aus dem Versicherungsverhältnis geschuldete Leistung an den Leistungserbringer oder den Versicherungsnehmer erbringt, wird er von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Leistungserbringer frei. Der Versicherer kann im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes nicht mit einer ihm aus der Krankheitskostenversicherung oder der privaten Pflege-Pflichtversicherung zustehenden Prämienforderung gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers aus diesen Versicherungen aufrechnen. § 35 ist nicht anwendbar.

(8) Der Versicherungsnehmer kann vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2 000 Euro überschreiten werden, in Textform vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Ist die Durchführung der Heilbehandlung dringlich, hat der Versicherer eine mit Gründen versehene Auskunft unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, zu erteilen, ansonsten nach vier Wochen; auf einen vom Versicherungsnehmer vorgelegten Kostenvoranschlag und andere Unterlagen ist dabei einzugehen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Ist die Auskunft innerhalb der Frist nicht erteilt, wird bis zum Beweis des Gegenteils durch den Versicherer vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

(2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unterschiedliche Weisungen, hat der Versicherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln.

(3) Bei Verletzung einer Obliegenheit nach den Absätzen 1 und 2 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(4) Abweichend von Absatz 3 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. Oktober 2005 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 150.000 € und für den Fall einer Invalidität durch Unfall eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ("Treuebonus") von 10%.

2

Unter "2.1 Invaliditätsleistung" heißt es in den Bedingungen unter anderem:

"2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2 Art und Höhe der Leistung

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe):

Arm     

70%

Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks          

65%

Arm unterhalb des Ellenbogengelenks

60%

Hand   

55%

Daumen

20%

Zeigefinger

10%

anderer Finger

5%

…       

        

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen."

3

Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der linken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Schulterblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine "Gebrauchsminderung der li. Schulter".

4

Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte seinerzeit unter Heranziehung der Gliedertaxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Schädigung nicht objektivierbar sei.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, der Grad seiner Invalidität betrage mindestens 3/7 des Armwerts; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere des Sternoklavikulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträchtigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätsleistung von 45.000 € (30% von 150.000 €) zuzüglich des Treuebonus von 10%, mithin 49.500 €.

6

Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einholung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach 10.500 € (7% von 150.000 €) zuzüglich 10% Treuebonus, zusammen 11.550 €, zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die weitergehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter anderem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beurteilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 € als Differenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit Hilfe des Armwerts der Gliedertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbstzweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Einsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken Armes, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die Beeinträchtigung auf einen Sehnenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der entsprechenden Gliedmaße "im Gelenk" anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T.    habe überzeugend dargelegt, dass die Gebrauchsminderung des linken Arms mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckgelenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert bewertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1/7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden.

9

Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavikulargelenk verletzt worden sei, habe der Kläger bisher nicht erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall fehle (Nr. 2.1.1.1 AUB 2000). Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer dauerhaften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavikulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich festgestellt.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Bestimmung des Invaliditätsgrades anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000.

12

Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereckgelenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist.

13

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.).

14

b) Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt dem Leistungsversprechen aus Nr. 2.1 AUB 2000 und der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 getroffenen Regelung über die Gliedertaxe zunächst, dass der Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der Versicherungsnehmer Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe in den AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 10 m.w.N.).

15

Der Systematik der Gliedertaxe kann der Versicherungsnehmer ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5% beginnen und des (gesamten) Armes mit 70% enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste - entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit - mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen (Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 11 m.w.N.).

16

Nimmt der Versicherungsnehmer - ausgehend von dieser Systematik - den Wortlaut der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes getroffenen Regelung in den Blick, weist ihn - anders als bei der in früheren Bedingungen gebräuchlichen Formulierung "Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Armes im Schultergelenk" (vgl. zu § 7 I (2) a AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12; zu § 7 I (2) a AUB 94: Senatsurteil vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff.) - nichts darauf hin, dass der gesamte Schultergürtel zum Arm zählen und eine dort eintretende Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades als bedingungsgemäße Funktionsstörung des Armes gelten soll. Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer der von 5% bis 70% reichenden Staffelung entnehmen, dass zum Arm nur dessen in der Gliedertaxe im Einzelnen benannte Teile, nämlich die Finger, die Hand, der Arm unterhalb und bis oberhalb des Ellenbogens, schließlich der restliche Arm zählen sollen. Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten, wird er nicht als vom Bedingungswortlaut erfasst ansehen.

17

c) Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in den die Taxenregelung über den Arm gestellt ist, ergeben sich keine anderslautenden Hinweise. Nichts deutet in den unter Nr. 2.1.2.2.1 und Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 getroffenen Regelungen zur Bestimmung des Invaliditätsgrades darauf hin, dass auch die Schädigung von nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperpartien nach der Gliedertaxe eingestuft werden soll, sofern sich diese Schädigung lediglich auf den Gebrauch der in der Gliedertaxe aufgeführten Gliedmaßen auswirkt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Gliedertaxe durchgängig auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abstellt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 10 m.w.N.). Anders als die Beklagte meint, gilt das nicht nur für die Einordnung einer Schädigung in die von der Gliedertaxe angeführten Teilbereiche eines Armes oder Beines, sondern auch für die Abgrenzung zu nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteilen.

18

d) Soweit sich das Berufungsgericht für seine anderslautende Auffassung auf die Senatsrechtsprechung zu früheren Fassungen der AUB stützt (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02, r+s 2003, 427 = VersR 2003, 1163 unter II 2 c (2) - "Hand im Handgelenk"; vom 24. Mai 2006 - IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk") und meint, der Senat habe dabei letztlich für die Anwendung der Gliedertaxe auf eine Funktionsunfähigkeit im jeweiligen Gelenk abgestellt, lässt sich dies auf den hier vereinbarten Bedingungswortlaut nicht übertragen, weil in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 vom Schultergelenk im Zusammenhang mit dem Verlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung des Armes nicht mehr die Rede ist und der Versicherungsnehmer mithin keinen Hinweis darauf erhält, dass das Schultergelenk oder gar der gesamte Schultergürtel der Gliedertaxe unterfallen soll.

19

2. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht für entbehrlich erachtet, weiteren Beweis darüber zu erheben, ob der Unfall des Klägers vom 8. Oktober 2005 zusätzlich zu einer - inzwischen fehlverheilten - Verletzung des linken Sternoklavikulargelenks geführt hat; anders, als das Berufungsgericht meint, wäre eine solche Verletzung von der binnen der 15-Monatsfrist der Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 getroffenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 13. Oktober 2006 erfasst.

20

a) Seine anderslautende Auffassung kann das Berufungsgericht nicht auf die Senatsentscheidung vom 7. März 2007 (IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 = r+s 2007, 255 Rn. 10 ff.) stützen.

21

Der Senat (aaO Rn. 10 ff.) hat dort ausgeführt, die 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führe selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden treffe. Allerdings seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müsse sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und brauche hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens noch nicht einmal richtig zu sein. Es müssten sich aus ihr aber die ärztlicherseits für einen Dauerschaden angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, denn die Invaliditätsbescheinigung solle dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.

22

b) Das lässt sich auf den Streitfall nicht in der Weise übertragen, dass die behauptete Verletzung des Sternoklavikulargelenks nicht von der hier vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfasst wäre. Die ärztliche Bescheinigung über eine durch den Unfall verursachte dauerhafte "Gebrauchsminderung der li. Schulter" gab dem beklagten Versicherer ausreichenden Anlass, zur Prüfung seiner Leistungspflicht alle Körperteile im Bereich der linken Schulter in den Blick zu nehmen, die Einfluss auf diese Gebrauchsminderung haben konnten. Das sind vor allem sämtliche zum linken Schultergürtel des Klägers gehörenden knöchernen Teile, mithin auch das Sternoklavikulargelenk, zumal bereits die festgestellte Verletzung des Schultereckgelenks durch mechanische Gewalt es nicht fernliegend erscheinen ließ, dass die Unfallkräfte auch das andere Ende des linken Schlüsselbeins in Mitleidenschaft gezogen haben konnten. Die vom Senat in seinem Urteil vom 7. März 2007 formulierten Maßstäbe sind nicht dahin zu verstehen, dass bereits im Rahmen der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung eine möglichst präzise Diagnose des Umfangs und der Ursachen eines Dauerschadens gefordert wäre. Gemessen am Zweck der fristgebundenen ärztlichen Feststellung genügt es vielmehr, wenn diese Feststellung die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißt, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss und vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird.

23

Im Streitfall konnte der Versicherer der ärztlichen Feststellung entnehmen, dass der Unfall, bei dem der Kläger mit der Schulter aufgeprallt war, zu deren dauerhafter Gebrauchsminderung geführt hatte. Das schließt alle Verletzungen und Schäden ein, die infolge des Aufpralls mechanisch im Bereich der linken Schulter hervorgerufen worden waren. Nicht erfasst wären hingegen Unfallschäden, die zwar aufgrund desselben Unfalls, aber entweder - wie etwa psychisch bedingte Einschränkungen - mittels einer anderen Kausalkette entstünden oder sich an anderen Körperstellen, beispielsweise der Wirbelsäule oder der Hüfte, auswirkten.

24

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach den vorgenannten Maßstäben zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis führt. Wird sein linker Schultergürtel nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 untersucht und dabei möglicherweise zusätzlich eine unfallbedingte Verletzung des Sternoklavikulargelenks festgestellt, deren Berücksichtigung das Berufungsgericht bisher abgelehnt hat, so ist nicht auszuschließen, dass die Einstufung des Dauerschadens höher ausfällt als bisher angenommen.

25

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht einen Abzug wegen Vorinvalidität mit der bisher gegebenen Begründung nicht hätte vornehmen dürfen. Nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad gemindert, wenn "betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt" waren. Die Vorschädigung des Klägers aus seinem früheren Unfall vom August 1999 betrifft nach der Behauptung der Beklagten den linken Arm mit 1/7 Armwert infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Ordnet man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem Unfall vom 8. Oktober 2005 erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zu, bedarf es nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen ist.

26

III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

27

Die Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität nach Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 soll den Versicherer davor schützen, für dauerhafte Spätfolgen eines Unfalls eintreten zu müssen, die sich erst später als ein Jahr nach einem Unfall erstmals zeigen. Geschützt wird damit das Kalkulationsinteresse des Versicherers. Tritt ein Dauerschaden binnen der Jahresfrist ein, besagt diese Frist aber nicht, dass bei der nachfolgenden Bemessung des Invaliditätsgrades ausschließlich diejenigen Umstände herangezogen werden dürften, die innerhalb der Jahresfrist erkennbar geworden sind. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit um die Erstbemessung seiner Invalidität im Grundsatz alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände heranziehen (Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - IV ZR 328/07, r+s 2009, 293 = VersR 2009, 920 Rn. 19). Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung medizinischer Umstände bei der Erstfestsetzung ist auch nicht der in Nr. 9.4 AUB 2000 gesetzten Dreijahresfrist für die Neubemessung der Invalidität zu entnehmen. Zwar wird daraus ersichtlich, dass sich nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades gesundheitliche Veränderungen auf die Leistungspflicht des Versicherers nur dann auswirken sollen, wenn sie spätestens binnen drei Jahren nach dem Unfall eingetreten sind. Das gilt aber nur im Neufestsetzungsverfahren. Ist dieses mangels Erstfestsetzung gar nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum.

Mayen                               Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                    Dr. Schoppmeyer

(1) Soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird, sind die §§ 74 bis 80 und 82 bis 87 anzuwenden. Die §§ 23 bis 27 und 29 sind auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden. § 19 Abs. 4 ist auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Abweichend von § 21 Abs. 3 Satz 1 beläuft sich die Frist für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers auf drei Jahre.

(2) Steht dem Versicherungsnehmer oder einer versicherten Person ein Anspruch auf Rückzahlung ohne rechtlichen Grund gezahlter Entgelte gegen den Erbringer von Leistungen zu, für die der Versicherer auf Grund des Versicherungsvertrags Erstattungsleistungen erbracht hat, ist § 86 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Die §§ 43 bis 48 sind auf die Krankenversicherung mit der Maßgabe anzuwenden, dass ausschließlich die versicherte Person die Versicherungsleistung verlangen kann, wenn der Versicherungsnehmer sie gegenüber dem Versicherer in Textform als Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung benannt hat; die Benennung kann widerruflich oder unwiderruflich erfolgen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann nur der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung verlangen. Einer Vorlage des Versicherungsscheins bedarf es nicht.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er, ohne der Änderung zu widersprechen, sich in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.