Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2016 - L 11 R 1032/16

bei uns veröffentlicht am18.10.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) ab 01.02.2010 abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung besteht.
Der 1970 geborene Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt, stellvertretender ärztlicher Direktor der Universitätsklinik T., Abteilung Sportmedizin (Teilzeit zu 40%) und Gesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Die mit notariellem Vertrag vom 04.02.2010 gegründete Beigeladene zu 1) betreibt in der Rechtsform der GmbH eine sportmedizinische Einrichtung, insbesondere zur sportmedizinischen Versorgung der am Olympiastützpunkt St. trainierenden Kaderathleten und von Nachwuchsathleten. An dem Stammkapital von 170.000 EUR beteiligt sind mit je 20% die Sporthilfe Württemberg eV und das Universitätsklinikum T. sowie mit je 12% fünf Ärzte, darunter der Kläger. In der Gesellschafterversammlung gewähren je angefangene 1.000 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme (§ 12 Abs 2 Gesellschaftsvertrag). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, im Einzelnen genannte Beschlüsse – ua über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung – bedürfen einer ¾-Mehrheit (§ 15 Abs 1 Gesellschaftsvertrag). Rechtshandlungen der Geschäftsführung in Grundsatzfragen sowie in Einzelfällen von besonderer Bedeutung, darunter 1.) strategische Grundsatzentscheidungen, 2.) Erwerb, Veräußerung, Belastung, An- oder Vermietung, An- oder Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, soweit diese nicht im Wirtschaftsplan vorgesehen sind, 3.) Übernahme von Bürgschaften oder anderen Sicherungsleistungen, soweit diese nicht im Wirtschaftsplan vorgesehen sind, 4.) Einrichtung, Übernahme oder Auflösung von Einrichtungen, 5.) Gewährung von Darlehen ab einer vom Aufsichtsrat festzulegenden Betrag im Einzelfall an Mitarbeiter oder Dritte, 6.) Aufnahme von Darlehen ab einem vom Aufsichtsrat festzulegenden Betrag im Einzelfall soweit diese nicht im Wirtschaftsplan vorgesehen sind, 7.) Maßnahmen mit einem Aufwand bzw einer Investitionssumme ab einem vom Aufsichtsrat festzulegenden Betrag im Einzelfall, soweit diese nicht im Wirtschaftsplan vorgesehen sind (§ 11 Gesellschaftsvertrag).
Der Kläger ist seit 01.02.2010 alleinvertretungsbefugter und vom Selbstkontrahierungsverbot befreiter Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Der Geschäftsführervertrag enthält ua folgende Regelungen:
§ 3 Aufgabengebiet
(1) Der Geschäftsführer hat alle Geschäfte der Sp. M. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der Geschäftsordnung für den Geschäftsführer und der Gesellschafterbeschlüsse durchzuführen. …
(2) Geschäfte, zu denen der Geschäftsführer die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats benötigt, ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag der Sp. M.
(3) Die Tätigkeit des Geschäftsführers im Rahmen dieses Vertrags beinhaltet ausschließlich die geschäftsführende Tätigkeit und nicht die ärztliche Tätigkeit.
§ 4 Arbeitszeit
(1) Die Arbeitszeit richtet sich nach den in § 3 festgelegten Aufgaben sowie den betrieblichen Erfordernissen. Sie ist vom Geschäftsführer in diesem Rahmen frei und eigenverantwortlich zu gestalten.
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§ 8 Vergütung
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(1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ab dem 01.02.2010 folgende Bezüge:
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1. Ein festes Monatsgehalt iHv 600 EUR brutto, fällig am Ende des jeweiligen Kalendermonats.
2. Der Geschäftsführer erhält Ersatz aller Kosten, die durch erforderliche Geschäftsreisen entstehen. Maßgebend hierfür sind die steuerlichen Vorschriften.
3. In Abhängigkeit des Geschäftsergebnisses der Sp. M. und des tatsächlichen Aufwandes für die Geschäftsführung wird eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich einer zusätzlichen Vergütung für die Geschäftsführung getroffen.
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(2) Ist der Geschäftsführer durch Krankheit oder sonstige in seiner Person liegende Gründe eine längere Zeit an der Erfüllung seiner Vertragspflichten verhindert, so erhält er für die Dauer von sechs Wochen die Differenz zwischen Nettogehalt und Krankengeld.
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Daneben wurde zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) ein Vertrag über die freie Mitarbeit für die Tätigkeit als Arzt geschlossen, in dem ab dem 01.02.2010 eine Umsatzbeteiligung von 60% an den vom Kläger erbrachten Leistungen vereinbart war.
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Am 21.01.2011 beantragte der Kläger die Prüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und legte hierzu den Geschäftsführervertrag, den Vertrag über freie Mitarbeit und den Gesellschaftsvertrag vor. Mit Schreiben vom 24.02.2011 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Feststellung einer abhängigen Beschäftigung als Arzt und Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) an. Der Kläger führte hierauf ergänzend aus, die Tätigkeiten als Arzt und als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) seien strikt voneinander zu trennen. Sie umfassten unterschiedliche Aufgabenfelder und Fachkompetenzen ohne Überschneidungen. Bei der Tätigkeit als Arzt handele es sich eindeutig um eine freiberufliche Tätigkeit. Jeder bei der Beigeladenen zu 1) tätige Arzt könne sich die Zeiten, an denen er ärztlich tätig sei, völlig frei einteilen. Er allein lege fest, wann und in welchem Umfang er Sprechstunden abhalte. Wolle er keine Sprechstunde abhalten, würden für ihn auch keine Patienten einbestellt. Jeder Arzt lege selbst fest, an welchem Ort er diese Sprechstunden erbringe. Es stünden die Betriebsräume der Beigeladenen zu 1) zur Verfügung, in vielen Fällen erfolge aber auch eine abweichende Vereinbarung zwischen ihm und dem Patienten zur Leistung vor Ort, etwa in Betrieben oder Sportstätten. Jeder Arzt erhalte eine vorher vereinbarte Umsatzbeteiligung, die nur zweimal jährlich abgerechnet werde. Es bestehe absolut weisungsfreie, unternehmerische Eigenverantwortlichkeit. Es bestehe auch weder eine persönliche noch wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beigeladenen zu 1). Bei der Tätigkeit als Geschäftsführer handele es sich ebenfalls um eine freiberufliche Tätigkeit. Nach dem Geschäftsführervertrag sei eine Beteiligung am Geschäftserfolg vorgesehen, welche 10.000 EUR für 2010 betragen solle, womit die Grundvergütung von 600 EUR pro Monat deutlich überschritten sei. Der Geschäftsführer könne frei entscheiden, wann, wo und wie er seinen Aufgaben nachkomme. Dass der Geschäftsführer als Einzelperson mit 12% Beteiligung nur einen bedingten Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe, liege bei fünf Gesellschaftern, die natürliche Personen seien, in der Natur der Sache und könne kein Kriterium sein. Bis zu einem Betrag von 25.000 EUR könne er ohne Zustimmung des Aufsichtsrats und bis zu einem Betrag von 50.000 EUR ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Maßnahmen selbst durchführen, auch wenn diese nicht im Wirtschaftsplan vorgesehen seien, gleiches gelte für die Aufnahme von Darlehen. Die Beigeladene zu 1) erziele einen Jahresumsatz von rund 0,5 Mio EUR, so dass nahezu alle Maßnahmen unter die Grenze von 25.000 EUR fielen. Damit habe der Geschäftsführer weitgehende Alleinentscheidungsbefugnis.
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Mit Bescheid vom 01.04.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) seit 01.02.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Zu beurteilen sei die Tätigkeit als Geschäftsführer. Für abhängige Beschäftigung spreche, dass der vorgelegte Arbeitsvertrag arbeitsvertraglich typische Regelungen enthalte, es werde eine Vergütung iHv 600 EUR pro Monat gezahlt und kraft seines Anteils am Stammkapital könne der Kläger keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche die Beteiligung am Stammkapital und die Weisungsfreiheit der Tätigkeit. Allein aus einer weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne jedoch nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden, da der Kläger ansonsten in die von der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert sei und der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterliege.
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Hiergegen legte der Kläger am 29.04.2011 Widerspruch ein und wiederholte und vertiefte sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Er wies darauf hin, dass er seit Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sei.
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Mit Bescheid vom 23.04.2012 nahm die Beklagte die Feststellung des Bestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung wieder zurück, da der Kläger in den letzten drei Jahren vor Aufnahme der hier zu beurteilenden Tätigkeit die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe und daher ab 01.02.2010 Versicherungsfreiheit in der Kranken- und dem folgend in den Pflegeversicherung bestehe. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012 zurück. Mangels mehrheitlicher Beteiligung am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) habe der Kläger keine Einflussmöglichkeiten auf die grundsätzliche Ausgestaltung seiner Tätigkeit und die Geschicke der Gesellschaft; er könne weder Beschlüsse zu Gunsten seines Mitarbeitsverhältnisses erwirken noch zu seinen Ungunsten verhindern.
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Hiergegen richtet sich die am 17.10.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung verweist der Kläger erneut auf die freie Gestaltung seiner Tätigkeit (§ 4 Geschäftsführervertrag) und die weitgehende Alleinentscheidungsbefugnis. Die Beigeladene zu 1) könne dem Kläger keine allgemeinen oder für den Einzelfall geltenden Weisungen erteilen, sie sei an Fristen und Formalien des Gesellschaftsvertrags gebunden. Faktisch seien auch seit Beginn der Tätigkeit keine Weisungen erteilt worden. Bei schlechter Geschäftslage müsste er zudem befürchten, dass ein Großteil seiner Bezüge als Geschäftsführer wegfalle. Im Unterschied zu den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen habe der Kläger nur einen Bruchteil seiner Arbeitskraft für die Geschäftsführung einzusetzen.
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Nach Erörterung des Sachverhalts am 24.01.2014 hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2016 die Klage abgewiesen. Zunächst spreche die vertragliche Regelung für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Arbeitszeit richte sich nach dem Geschäftsführervertrag nach den betrieblichen Erfordernissen, nur in diesem Rahmen könne der Kläger frei und eigenverantwortlich über Art und Umfang seiner Tätigkeit entscheiden. Nach § 8 Geschäftsführervertrag erhalte er ein festes Monatsgehalt von 600 EUR sowie Ersatz für Kosten, die für Geschäftsreisen anfielen. § 8 Abs 2 Geschäftsführervertrag sehe eine Fortzahlung des Gehalts für den Fall einer längeren Erkrankung vor. Diese Regelungen seien typisch für einen Arbeitsvertrag. Der Kläger unterhalte keine eigene Betriebsstätte, sondern sei auf die räumlichen Vorgaben der Beigeladenen zu 1) angewiesen. Gegen eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass der Kläger mit einem Anteil von 12% am Stammkapital nicht über eine Sperrminorität verfüge und weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage sei, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Nur Einzelmaßnahmen bis zu einem Betrag von 25.000 EUR könne er ohne Zustimmung des Aufsichtsrats und bis zu einem Betrag von 50.000 EUR ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung durchführen. Auf der Grundlage des Geschäftsführervertrags könne auch nicht von einem maßgeblichen Unternehmerrisiko gesprochen werden, ein erhebliches Verlustrisiko sei nicht dargelegt. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot. Dieser Umstand sei aber nicht so außergewöhnlich, dass er als gewichtiges Argument für eine Selbstständigkeit herangezogen werden könnte. Das Weisungsrecht möge im Hinblick auf die Art der Tätigkeit des Klägers gelockert sein, dies unterscheide ihn jedoch nicht von einem im Krankenhaus angestellten Arzt.
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Gegen den ihm am 29.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16.03.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führt der Kläger aus, dass die Formulierung im Geschäftsführervertrag, die Arbeitszeit richte sich nach den betrieblichen Erfordernissen, im Rahmen freier Dienstverhältnisse üblich sei. Es sei nicht nachvollziehbar, hierin einen Anhaltspunkt für abhängige Beschäftigung zu sehen. In der Fortzahlung des Gehalts einen solchen Anhaltspunkt zu sehen sei abwegig vor dem Hintergrund, dass das fix vereinbarte Pauschalhonorar deutlich im einstelligen Prozentbereich des gesamten Bruttoeinkommens des Klägers liege. Der Kläger unterhalte auch eine eigene Betriebsstätte als Rechtsanwalt. Einen nicht unerheblichen Teil seiner Geschäftsführertätigkeit erbringe er in den Räumen seiner Kanzlei. Nicht aussagekräftig sei zudem die Beschränkung auf bestimmte Beträge, über die der Kläger ohne Zustimmung von Aufsichtsrat oder Gesellschafterversammlung entscheiden könne. In den sechs Jahren seiner Tätigkeit sei nur beim Kauf für ein einziges Gerät (Ultraschallgerät für brutto 48.000 EUR) der Betrag von 25.000 EUR überschritten worden. Dies zeige eindrücklich, wie frei der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) sei.
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Der Kläger beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.02.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011, abgeändert durch Bescheid vom 23.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) ab 01.02.2010 um eine selbstständige Tätigkeit handelt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die Auffassung des SG für zutreffend.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
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Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011, abgeändert durch Bescheid vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012, mit dem festgestellt worden ist, dass der Kläger seit 01.02.2010 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt ist und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 23.04.2012 festgestellt, so dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Tätigkeit des Klägers als Arzt für die Beigeladene zu 1). Zwar hat die Beklagte noch im Anhörungsverfahren auch die Beurteilung dieser Tätigkeit (als abhängige Beschäftigung) angekündigt, die Feststellungen im angefochtenen Bescheid beziehen sich jedoch ausdrücklich allein auf die Tätigkeit als Geschäftsführer, eine Beurteilung der ärztlichen Tätigkeit ist nicht erfolgt. Einer getrennten Betrachtung der Tätigkeiten als Geschäftsführer und als Arzt für die Beigeladene zu 1) stehen auch nicht die Grundsätze des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung sozialversicherungsrechtlich als einheitliche Beschäftigung zu werten, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint (BSG 03.02.1994, 12 RK 18/93, SozR 3-2400 § 14 Nr 8). Eine Grenze findet die einheitliche Beschäftigung jedoch dort, wo der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger mehr ist, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausübung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind (BSG 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 16 RdNr 17). So liegt der Fall hier. Die Tätigkeit als Arzt ist von der Geschäftsführertätigkeit nicht nur inhaltlich ohne jeden Überschneidungsbereich, sie hängt auch in keiner Weise von der Geschäftsführertätigkeit ab. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass auch andere Ärzte in vergleichbarer Weise wie der Kläger für die Beigeladene zu 1) tätig sind, die keine Geschäftsführerfunktion haben.
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Mit diesem Regelungsgegenstand ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011, abgeändert durch Bescheid vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01.02.2010 bei der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung ausübt und daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
31 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger am 21.01.2011 bei der Beklagten gestellt.
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Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
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Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris).
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Ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist ebenfalls nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen. Dies ist grundsätzlich auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern neben deren gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Das BSG hat insoweit mehrmals entschieden, dass eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft selbst im Rahmen einer Geschäftsführertätigkeit nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen ist. Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20; BSG 06.03.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 1). Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (BSG 06.03.2003, B 11 AL 25/02 R, aaO). Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Eine Sperrminorität in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der Gesellschafter nach dem Gesetz und den Abreden des Gesellschaftsvertrags Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13; BSG 23.06.1994, 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974). Dagegen liegt kein maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss - und damit in der Regel eine Stellung als Beschäftigter - vor, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw Entlassung nicht verhindern kann (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN zur Rechtsprechung des BSG).
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Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit 01.02.2010 in abhängiger Beschäftigung ausübt und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wird, ist der Geschäftsführervertrag. Dieser Vertrag enthält als einzigen Gesichtspunkt, der für eine abhängige Tätigkeit spricht, ein festes Gehalt von monatlich 600 EUR. Geregelt ist, dass die Tätigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt wird. Die Arbeitszeit ist dabei nicht näher festgelegt, sondern richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und ist in diesem Rahmen vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten (§ 4 Geschäftsführervertrag). Auch in der tatsächlichen Umsetzung in der Praxis ist diese Regelung nach den glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat so gelebt worden. So gab und gibt es Wochen, in denen er überhaupt nicht für die Beigeladene zu 1) tätig ist, mal fällt ein Aufwand von zwei Stunden wöchentlich an, bei Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung und/oder Aufsichtsratssitzung auch mehr. Es lassen sich auch ansonsten dem Geschäftsführervertrag keine Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung der Tätigkeit entnehmen, auch nicht wo sie auszuüben ist. Soweit in § 8 Abs 2 des Geschäftsführervertrags eine Art Lohnfortzahlung in Höhe der Differenz zwischen Nettogehalt und Krankengeld für 6 Wochen geregelt ist, kam dieser Passus nach den glaubhaften Angaben des Klägers nie zur Anwendung und ist in dem neuen Geschäftsführervertrag nach Ablauf der Befristung auf fünf Jahre zum 01.02.2015 nicht mehr enthalten. Ohne wesentliche Aussagekraft ist das Fehlen von Urlaubsansprüchen, da eine solche Gestaltung typisch ist, wenn die Beteiligten von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen. Soweit der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist und einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis (§ 8 Abs 1 Nr 3 Geschäftsführervertrag) hat, ist eine derartige Gestaltung sowohl bei selbstständiger Tätigkeit als auch bei einer abhängigen Beschäftigung möglich (Senatsurteil vom 30.09.2014 - L 11 R 2662/13 mwN). Ein gewisses Unternehmerrisiko liegt jedoch vor, da die gewinnabhängige Vergütung ihrer Höhe nach das relativ geringe feste Gehalt deutlich übersteigt und insoweit erst nach Abschluss des Geschäftsjahres feststeht, ob sich der Arbeitseinsatz des Klägers finanziell gelohnt hat.
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Auch wenn nach den vertraglichen Regelungen danach mehr für eine selbstständige Tätigkeit spricht, ist der Senat der Auffassung, dass gleichwohl ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb besteht, weil der Kläger als Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit an Gesellschafterbeschlüsse gebunden ist (§ 3 Abs 1 Geschäftsführervertrag, § 37 Abs 1 GmbHG); für bestimmte bedeutende Geschäfte ist vorliegend sogar die vorherige Zustimmung von Gesellschafterversammlung bzw Aufsichtsrat erforderlich. Entscheidend ist nicht, ob der Anstellungsvertrag für sich betrachtet bereits als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist. Maßgeblich ist bei einem GmbH-Geschäftsführer vielmehr, in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt (Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 R 4543/13, juris). Eingriffe in seinen Tätigkeitskreis muss der Geschäftsführer infolge seiner Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung hinnehmen, selbst wenn der Geschäftsführervertrag keine Bestimmungen hierüber enthielte (K. Sch. in S., GmbHG, 11. Aufl, § 46 RdNr 116). Trotz der arbeitnehmeruntypischen Freiheiten des Klägers und fehlender tatsächlicher Weisungen bleibt die Tätigkeit daher fremdbestimmt, denn sie geht in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs auf (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN). Insoweit ist auch zu beachten, dass Gesellschafter einer GmbH dem Geschäftsführer zwar große Freiheiten lassen können, doch dürfen sie ihn nicht ganz von der Überwachung befreien (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 46 RdNr 31; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl 2013, § 46 RdNr 51), zumal sie andernfalls gegenüber den Gesellschaftsgläubigern womöglich schadensersatzpflichtig werden (BSG 29.07.2015, B 12 R 1/15 R, juris).
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Der Kläger ist in einer Gesellschaft mit sechs weiteren Gesellschaftern tätig, wobei die vier weiteren natürlichen Personen ebenfalls einen Geschäftsanteil von 12% halten und die beiden juristischen Personen von jeweils 20%. Ein „freies Schalten und Walten“, wie es uU bei Familiengesellschaften denkbar ist, ergibt sich hieraus nicht. Zudem hat das BSG, dem der Senat folgt, die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung aufgegeben, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen. Diese Rechtsprechung ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24 = BSGE 119, 224). Der Kläger selbst trägt lediglich einen Geschäftsanteil von deutlich unter 50%, nämlich von 12%. Für Gesellschafterbeschlüsse ist die einfache Mehrheit erforderlich, bei einer Reihe von im Einzelnen genannten Geschäften sogar eine ¾-Mehrheit. Hierfür genügt der Geschäftsanteil des Klägers nicht. Auch über eine Sperrminorität verfügt er nicht. Der Kläger kann mithin kraft seines Geschäftsanteils keinen bestimmenden Einfluss auf die Willensbildung und Geschicke der Beigeladenen zu 1) ausüben und etwaige ihm unangenehme Weisungen im Bedarfsfall nicht jederzeit verhindern. Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, wie dies der Kläger geltend macht. Ausreichend ist, dass eine bestehende Rechtsmacht aufrecht erhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann; eine bloße „Schönwetter-Selbstständigkeit“ (so BSG 29.08.2012, B 12 KR 14/10 R, juris) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.
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Entgegen der Auffassung des Klägers vermag der Senat der Tatsache, dass hier die Geschäftsführertätigkeit nur als Nebenbeschäftigung zu einem sehr geringen Umfang ausgeübt wird, keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte, insbesondere die Bindung des Geschäftsführers an Gesellschafterbeschlüsse, hängt nicht vom Umfang seiner Tätigkeit ab. Eine abweichende Beurteilung ist daher nicht geboten.
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Nach alledem ist vorliegend nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, die zur Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung führt.
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Die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht für die Beschäftigung als Arzt gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI (Bescheid vom 13.09.1996 mWv 15.05.1996) wirkt sich auf die hier streitige Geschäftsführertätigkeit nicht aus. Sie ist nach § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI beschränkt auf die jeweilige Tätigkeit, für welche die Befreiung beantragt worden ist (BSG 22.10.1998, B 5/4 RA 80/97 R, SozR 3-2600 § 56 Nr 12 = BSGE 83, 74; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 6 RdNr 130 mwN). Die Geschäftsführertätigkeit ist jedoch schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine völlig andersgeartete Tätigkeit ohne Bezug zur ärztlichen Tätigkeit.
42 
Es liegt auch keine Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI vor. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die Befreiung ua im Fall des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Ungeachtet der Frage, ob die Befristung der Geschäftsführertätigkeit auf fünf Jahre noch eine hinreichende zeitliche Grenze darstellt (anders die Praxis der Rentenversicherungsträger, die in Analogie zu § 14 Abs 2 Teilzeitbefristungsgesetz von maximal zwei Jahren ausgehen), fehlt es an der erforderlichen Verwaltungsentscheidung. Über die Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI muss – ebenso wie über die ursprüngliche Befreiung selbst – vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden (BSG 31.10.2012, B 12 R 8/10 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 8). Da eine derartige Entscheidung hier nicht vorliegt (und auch bislang nicht beantragt wurde), muss es schon deshalb für die vom Kläger ausgeübte versicherungspflichtige Nebentätigkeit bei der Rentenversicherungspflicht bleiben.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
44 
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Maßgebend ist nach Auffassung des Senats die Frage, ob selbst bei Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags iS einer selbstständigen Tätigkeit schon allein die fehlende im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht des Geschäftsführers zum Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung führt. In den bisher vom BSG entschiedenen Konstellationen sprach – soweit ersichtlich – der Anstellungsvertrag stets für ein Arbeitsverhältnis und im zweiten Prüfungsschritt wurde geprüft, ob abweichend hiervon wegen einer aus dem Gesellschaftsrecht bestehenden Rechtsmacht gleichwohl eine selbstständige Tätigkeit vorlag.

Gründe

 
28 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
29 
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011, abgeändert durch Bescheid vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012, mit dem festgestellt worden ist, dass der Kläger seit 01.02.2010 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt ist und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Die Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 23.04.2012 festgestellt, so dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Tätigkeit des Klägers als Arzt für die Beigeladene zu 1). Zwar hat die Beklagte noch im Anhörungsverfahren auch die Beurteilung dieser Tätigkeit (als abhängige Beschäftigung) angekündigt, die Feststellungen im angefochtenen Bescheid beziehen sich jedoch ausdrücklich allein auf die Tätigkeit als Geschäftsführer, eine Beurteilung der ärztlichen Tätigkeit ist nicht erfolgt. Einer getrennten Betrachtung der Tätigkeiten als Geschäftsführer und als Arzt für die Beigeladene zu 1) stehen auch nicht die Grundsätze des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses entgegen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung sozialversicherungsrechtlich als einheitliche Beschäftigung zu werten, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint (BSG 03.02.1994, 12 RK 18/93, SozR 3-2400 § 14 Nr 8). Eine Grenze findet die einheitliche Beschäftigung jedoch dort, wo der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger mehr ist, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausübung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind (BSG 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 16 RdNr 17). So liegt der Fall hier. Die Tätigkeit als Arzt ist von der Geschäftsführertätigkeit nicht nur inhaltlich ohne jeden Überschneidungsbereich, sie hängt auch in keiner Weise von der Geschäftsführertätigkeit ab. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass auch andere Ärzte in vergleichbarer Weise wie der Kläger für die Beigeladene zu 1) tätig sind, die keine Geschäftsführerfunktion haben.
30 
Mit diesem Regelungsgegenstand ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.04.2011, abgeändert durch Bescheid vom 23.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01.02.2010 bei der Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung ausübt und daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
31 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger am 21.01.2011 bei der Beklagten gestellt.
32 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
33 
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris).
34 
Ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist ebenfalls nach den oben dargelegten Grundsätzen zu beurteilen. Dies ist grundsätzlich auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern neben deren gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Das BSG hat insoweit mehrmals entschieden, dass eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft selbst im Rahmen einer Geschäftsführertätigkeit nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen ist. Bei einem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20; BSG 06.03.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 1). Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (BSG 06.03.2003, B 11 AL 25/02 R, aaO). Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Eine Sperrminorität in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der Gesellschafter nach dem Gesetz und den Abreden des Gesellschaftsvertrags Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13; BSG 23.06.1994, 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974). Dagegen liegt kein maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss - und damit in der Regel eine Stellung als Beschäftigter - vor, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw Entlassung nicht verhindern kann (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN zur Rechtsprechung des BSG).
35 
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit 01.02.2010 in abhängiger Beschäftigung ausübt und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
36 
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wird, ist der Geschäftsführervertrag. Dieser Vertrag enthält als einzigen Gesichtspunkt, der für eine abhängige Tätigkeit spricht, ein festes Gehalt von monatlich 600 EUR. Geregelt ist, dass die Tätigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt wird. Die Arbeitszeit ist dabei nicht näher festgelegt, sondern richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und ist in diesem Rahmen vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten (§ 4 Geschäftsführervertrag). Auch in der tatsächlichen Umsetzung in der Praxis ist diese Regelung nach den glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat so gelebt worden. So gab und gibt es Wochen, in denen er überhaupt nicht für die Beigeladene zu 1) tätig ist, mal fällt ein Aufwand von zwei Stunden wöchentlich an, bei Vorbereitung einer Gesellschafterversammlung und/oder Aufsichtsratssitzung auch mehr. Es lassen sich auch ansonsten dem Geschäftsführervertrag keine Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung der Tätigkeit entnehmen, auch nicht wo sie auszuüben ist. Soweit in § 8 Abs 2 des Geschäftsführervertrags eine Art Lohnfortzahlung in Höhe der Differenz zwischen Nettogehalt und Krankengeld für 6 Wochen geregelt ist, kam dieser Passus nach den glaubhaften Angaben des Klägers nie zur Anwendung und ist in dem neuen Geschäftsführervertrag nach Ablauf der Befristung auf fünf Jahre zum 01.02.2015 nicht mehr enthalten. Ohne wesentliche Aussagekraft ist das Fehlen von Urlaubsansprüchen, da eine solche Gestaltung typisch ist, wenn die Beteiligten von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen. Soweit der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist und einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis (§ 8 Abs 1 Nr 3 Geschäftsführervertrag) hat, ist eine derartige Gestaltung sowohl bei selbstständiger Tätigkeit als auch bei einer abhängigen Beschäftigung möglich (Senatsurteil vom 30.09.2014 - L 11 R 2662/13 mwN). Ein gewisses Unternehmerrisiko liegt jedoch vor, da die gewinnabhängige Vergütung ihrer Höhe nach das relativ geringe feste Gehalt deutlich übersteigt und insoweit erst nach Abschluss des Geschäftsjahres feststeht, ob sich der Arbeitseinsatz des Klägers finanziell gelohnt hat.
37 
Auch wenn nach den vertraglichen Regelungen danach mehr für eine selbstständige Tätigkeit spricht, ist der Senat der Auffassung, dass gleichwohl ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb besteht, weil der Kläger als Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit an Gesellschafterbeschlüsse gebunden ist (§ 3 Abs 1 Geschäftsführervertrag, § 37 Abs 1 GmbHG); für bestimmte bedeutende Geschäfte ist vorliegend sogar die vorherige Zustimmung von Gesellschafterversammlung bzw Aufsichtsrat erforderlich. Entscheidend ist nicht, ob der Anstellungsvertrag für sich betrachtet bereits als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist. Maßgeblich ist bei einem GmbH-Geschäftsführer vielmehr, in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt (Senatsurteil vom 22.07.2014, L 11 R 4543/13, juris). Eingriffe in seinen Tätigkeitskreis muss der Geschäftsführer infolge seiner Abhängigkeit von der Gesellschafterversammlung hinnehmen, selbst wenn der Geschäftsführervertrag keine Bestimmungen hierüber enthielte (K. Sch. in S., GmbHG, 11. Aufl, § 46 RdNr 116). Trotz der arbeitnehmeruntypischen Freiheiten des Klägers und fehlender tatsächlicher Weisungen bleibt die Tätigkeit daher fremdbestimmt, denn sie geht in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs auf (Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13 mwN). Insoweit ist auch zu beachten, dass Gesellschafter einer GmbH dem Geschäftsführer zwar große Freiheiten lassen können, doch dürfen sie ihn nicht ganz von der Überwachung befreien (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 46 RdNr 31; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl 2013, § 46 RdNr 51), zumal sie andernfalls gegenüber den Gesellschaftsgläubigern womöglich schadensersatzpflichtig werden (BSG 29.07.2015, B 12 R 1/15 R, juris).
38 
Der Kläger ist in einer Gesellschaft mit sechs weiteren Gesellschaftern tätig, wobei die vier weiteren natürlichen Personen ebenfalls einen Geschäftsanteil von 12% halten und die beiden juristischen Personen von jeweils 20%. Ein „freies Schalten und Walten“, wie es uU bei Familiengesellschaften denkbar ist, ergibt sich hieraus nicht. Zudem hat das BSG, dem der Senat folgt, die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung aufgegeben, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen. Diese Rechtsprechung ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24 = BSGE 119, 224). Der Kläger selbst trägt lediglich einen Geschäftsanteil von deutlich unter 50%, nämlich von 12%. Für Gesellschafterbeschlüsse ist die einfache Mehrheit erforderlich, bei einer Reihe von im Einzelnen genannten Geschäften sogar eine ¾-Mehrheit. Hierfür genügt der Geschäftsanteil des Klägers nicht. Auch über eine Sperrminorität verfügt er nicht. Der Kläger kann mithin kraft seines Geschäftsanteils keinen bestimmenden Einfluss auf die Willensbildung und Geschicke der Beigeladenen zu 1) ausüben und etwaige ihm unangenehme Weisungen im Bedarfsfall nicht jederzeit verhindern. Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, wie dies der Kläger geltend macht. Ausreichend ist, dass eine bestehende Rechtsmacht aufrecht erhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann; eine bloße „Schönwetter-Selbstständigkeit“ (so BSG 29.08.2012, B 12 KR 14/10 R, juris) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.
39 
Entgegen der Auffassung des Klägers vermag der Senat der Tatsache, dass hier die Geschäftsführertätigkeit nur als Nebenbeschäftigung zu einem sehr geringen Umfang ausgeübt wird, keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte, insbesondere die Bindung des Geschäftsführers an Gesellschafterbeschlüsse, hängt nicht vom Umfang seiner Tätigkeit ab. Eine abweichende Beurteilung ist daher nicht geboten.
40 
Nach alledem ist vorliegend nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, die zur Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung führt.
41 
Die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht für die Beschäftigung als Arzt gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI (Bescheid vom 13.09.1996 mWv 15.05.1996) wirkt sich auf die hier streitige Geschäftsführertätigkeit nicht aus. Sie ist nach § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI beschränkt auf die jeweilige Tätigkeit, für welche die Befreiung beantragt worden ist (BSG 22.10.1998, B 5/4 RA 80/97 R, SozR 3-2600 § 56 Nr 12 = BSGE 83, 74; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 6 RdNr 130 mwN). Die Geschäftsführertätigkeit ist jedoch schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine völlig andersgeartete Tätigkeit ohne Bezug zur ärztlichen Tätigkeit.
42 
Es liegt auch keine Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI vor. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die Befreiung ua im Fall des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Ungeachtet der Frage, ob die Befristung der Geschäftsführertätigkeit auf fünf Jahre noch eine hinreichende zeitliche Grenze darstellt (anders die Praxis der Rentenversicherungsträger, die in Analogie zu § 14 Abs 2 Teilzeitbefristungsgesetz von maximal zwei Jahren ausgehen), fehlt es an der erforderlichen Verwaltungsentscheidung. Über die Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI muss – ebenso wie über die ursprüngliche Befreiung selbst – vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden (BSG 31.10.2012, B 12 R 8/10 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 8). Da eine derartige Entscheidung hier nicht vorliegt (und auch bislang nicht beantragt wurde), muss es schon deshalb für die vom Kläger ausgeübte versicherungspflichtige Nebentätigkeit bei der Rentenversicherungspflicht bleiben.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
44 
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Maßgebend ist nach Auffassung des Senats die Frage, ob selbst bei Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags iS einer selbstständigen Tätigkeit schon allein die fehlende im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht des Geschäftsführers zum Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung führt. In den bisher vom BSG entschiedenen Konstellationen sprach – soweit ersichtlich – der Anstellungsvertrag stets für ein Arbeitsverhältnis und im zweiten Prüfungsschritt wurde geprüft, ob abweichend hiervon wegen einer aus dem Gesellschaftsrecht bestehenden Rechtsmacht gleichwohl eine selbstständige Tätigkeit vorlag.

Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2016 - L 11 R 1032/16

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2016 - L 11 R 1032/16

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Okt. 2016 - L 11 R 1032/16 zitiert 17 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllu

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsste

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 6 Befreiung von der Versicherungspflicht


(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit1.Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öff

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 117 Scheingeschäft


(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdec

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 37 Beschränkungen der Vertretungsbefugnis


(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt,

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Referenzen

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10 573,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen die Heranziehung von "Aufwandsentschädigungen", die ihre Rechtsvorgängerin Mitarbeitern für die Werbung neuer Mitglieder gezahlt hat, zur Bemessung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.

2

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Kaufmännischen Krankenkasse (im Folgenden einheitlich: die Klägerin). Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 1.1.1998 bis 31.12.2001 forderte der beklagte Rentenversicherungsträger (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover) mit Bescheid vom 28.10.2002 von der Klägerin die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Von der Gesamtforderung (13 536,82 Euro) entfielen 10 573,62 Euro auf Beiträge, die nach der Summe als sog "Aufwandsentschädigung" erfolgter Zahlungen erhoben wurden. Diese "Aufwandsentschädigung" von jeweils 30,00 DM wurde ca 400 Innendienstmitarbeitern der Klägerin, die andere dienstliche Aufgaben als die Mitgliederwerbung hatten und arbeitsvertraglich hierzu nicht verpflichtet waren, als Prämie für neu geworbene Krankenkassenmitglieder gezahlt. Hierzu hatte die Beklagte in einer Mitteilung "Aufwandsentschädigung für die Werbung neuer Mitglieder durch Innendienst-Mitarbeiter/innen" vom 18.6.1998 auf die "Notwendigkeit" der Bereitschaft von Innendienstmitarbeitern, neue Mitglieder zu gewinnen, hingewiesen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Berücksichtigung der "Aufwandsentschädigung" als Arbeitsentgelt wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2004). Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 18.2.2009).

3

Die Berufung der Klägerin hat das LSG unter Änderung der Kostenentscheidung des SG zurückgewiesen (Urteil vom 5.11.2010): Die "Aufwandsentschädigungen" seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, denn sie seien an Innendienstmitarbeiter der Klägerin im ursächlichen Zusammenhang mit deren sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit gezahlt worden, auch wenn diese zur Mitgliederwerbung nicht verpflichtet gewesen seien. Dieser Zusammenhang bestehe, weil gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die Mitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um neue Mitglieder zu werben. Diesen Zusammenhang habe auch die Klägerin erkannt, wie ihre Mitteilung vom 18.6.1998 belege. Im Ergebnis abweichende einkommensteuerrechtliche Rechtsprechung des BFH (BFHE 181, 488) sei für das Sozialversicherungsrecht nicht maßgeblich.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 14 Abs 1 SGB IV. Die Innendienstmitarbeiter seien nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, sondern als Krankenkassenmitglieder werbend tätig geworden. Die Mitteilung vom 18.6.1998 sei ein bloßes internes Informationsschreiben an alle Landesverwaltungen, Regionalgeschäftsstellen und Geschäftsstellen zur Klärung der Frage gewesen, ob überhaupt Aufwandsentschädigungen hätten gezahlt werden dürfen. Selbst wenn man der Auffassung sei, es handele sich bei den Werbeaktivitäten der Betroffenen um eine selbstständige Tätigkeit neben der Beschäftigung, liege keine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Die Vorinstanzen gingen zu Unrecht davon aus, die Mitarbeiter hätten sich "Insiderwissen" bei der Werbung zunutze gemacht. Der Status als Mitarbeiter sei weder von ihr (der Klägerin) als besonderer Vorteil angesehen worden, noch begründe er ein besonderes Vertrauen bei den Umworbenen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit demjenigen der vom LSG zitierten BSG-Rechtsprechung vergleichbar, insbesondere weil die Prämie an alle Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden sei, dh auch ohne dass diese bei ihr beschäftigt gewesen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 aufzuheben, soweit darin die Zahlung von mehr als 2963,20 Euro gefordert wird.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sachverhalt sei ebenso zu beurteilen wie der des Urteils des BSG vom 15.2.1989 (12 RK 34/87 - SozR 2200 § 165 Nr 95).

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der klagenden Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

9

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin in der Zeit vom 1.1.1998 bis 31.12.2001 an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung in den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung heranzuziehen waren, wie die Vorinstanzen übereinstimmend mit der von der Beklagten bei ihrer Betriebsprüfung gewonnenen Einschätzung meinen.

10

1. Das LSG ist in prozessrechtlicher Hinsicht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beiladung der Arbeitnehmer, an die die streitige "Aufwandsentschädigung" gezahlt wurde, nicht erforderlich war, da die Beklagte die diesbezügliche Beitragsforderung durch Summenbescheid von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Beträge geltend machte (vgl BSGE 89, 158, 159 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3 S 4). Jedoch ist auch im Rechtstreit über einen Summenbescheid die Beiladung der Fremdversicherungsträger geboten (BSG aaO). Daher wird das LSG vor der erneuten Verhandlung und Entscheidung nicht nur die notwendige Beiladung (§ 75 Abs 2 SGG) der Pflegekasse bei der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit nachzuholen haben. Vielmehr wird das LSG auch zu prüfen haben, ob im Betrieb der Klägerin noch andere Krankenkassen als sie selbst vertreten waren, auf die die durch Summenbescheid erhobenen Beiträge nach § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3. der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352) aufzuteilen waren. In diesem Fall wären auch diese Krankenkassen, deren Pflegekassen sowie die Rechtsnachfolger der Landesversicherungsanstalten, in deren Bezirk diese Krankenkassen ihren Sitz hatten (§ 28k Abs 1 S 3 SGB IV idF durch Gesetz vom 20.12.1996, BGBl I 2049), notwendig beizuladen.

11

2. Die Revision ist nicht etwa bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagte die streitigen Beiträge im Rahmen der bei der Klägerin vorgenommenen Betriebsprüfung nicht im Wege eines Summenbescheids hätte geltend machen dürfen. Nach § 28p Abs 1 S 1 und 5 SGB IV(idF durch Gesetz vom 16.12.1997, BGBl I 2970) prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest. Dazu kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs 2 SGB IV(idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594) den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können und das Arbeitsentgelt nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG festgestellt, ohne dass insoweit Rechtsfehler erkennbar sind und die Beteiligten dies mit Revisionsrügen angreifen.

12

3. Die Revision der Klägerin führt indessen aus anderen Gründen jedenfalls zur Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die von der Klägerin im streitigen Zeitraum an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" für die Werbung von Neumitgliedern als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind.

13

Bemessungsgrundlage der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 226 Abs 1 S 1 SGB V, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III; jeweils in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung). Arbeitsentgelt sind nach dem bis heute inhaltlich unveränderten § 14 Abs 1 S 1 SGB IV (bis 31.3.1999 § 14 Abs 1 SGB IV) "alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden".

14

Eine Beitragspflicht der streitigen "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt in diesem Sinne folgt - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht bereits aus den im Urteil des Senats vom 15.2.1989 (BSG SozR 2200 § 165 Nr 95) aufgestellten Grundsätzen. Abweichend vom damaligen Sachverhalt wurden die "Aufwandsentschädigungen" vorliegend nämlich nicht unmittelbar aus der Beschäftigung erzielt. In dem genannten Urteil hatte der Senat dagegen Vergütungen, die Zeitungsausträger für die Werbung neuer Abonnenten gezahlt wurden, als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen, denn die sog Werbetätigkeit war kein von der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung als Zeitungsausträger abtrennbarer und - als neben dieser ausgeübte selbstständige Tätigkeit - einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung fähiger Teil der Gesamttätigkeit. Hierfür fehlte es an einer für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Werbeinitiative. Vielmehr hatten die Zeitungsausträger nur im Sinne einer im Wesentlichen "mechanischen Botentätigkeit" die Wünsche von Interessenten an den Verlag weiterzugeben.

15

Demgegenüber gehörte im nun zu entscheidenden Fall nach den insoweit nicht mit zulässigen Revisionsrügen oder Gegenrügen angefochtenen und für den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG die Mitgliederwerbung weder zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Empfänger der "Aufwandsentschädigungen" im Rahmen ihrer Beschäftigung als Innendienstmitarbeiter, noch beschränkte sich der "Aufwand" auf die bloße Weitergabe von Beitrittswünschen. Vielmehr wurde nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der Mitteilung der Klägerin vom 18.6.1998 gerade die Bereitschaft dieser Mitarbeiter zum Gewinnen neuer Mitglieder, also zur aktiv werbenden Tätigkeit erwartet und das hiermit verbundene Engagement mit der "Aufwandsentschädigung" in Form eines Geldbetrages erfolgsabhängig im Einzelfall honoriert.

16

Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zu den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden, und damit zum Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV jedoch auch solche aus selbstständigen Tätigkeiten in einer sogenannten einheitlichen Beschäftigung. Eine einheitliche Beschäftigung ist anzunehmen, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint (BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 8 S 16 ff und Nr 15 S 28 f). Die Art der Verbindung, die zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bestehen muss, um eine einheitliche Beschäftigung annehmen zu können, lässt sich nicht abstrakt für alle selbstständigen Tätigkeiten umschreiben. Sie wird vielmehr von der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit bestimmt. Diese muss nicht notwendig weitergehend mit der abhängigen Beschäftigung verbunden sein, etwa in der Art, dass sie in diese zeitlich, örtlich, organisatorisch und inhaltlich eingebunden ist, um eine einheitliche Beschäftigung anzunehmen. Abhängig von der Art der Tätigkeit kann eine einheitliche Beschäftigung auch bereits dann bejaht werden, wenn aus der Beschäftigung gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen für die Tätigkeit genutzt werden müssen und die Tätigkeit dem Arbeitgeber nützlich ist (so BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 29 f).

17

Der durch die einheitliche Beschäftigung erfolgenden Verklammerung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit steht eine möglicherweise abweichende steuerrechtliche Beurteilung (vgl zu Prämien, die ein Verlagsunternehmen seinen Zeitungsausträgern für die Werbung neuer Abonnenten gewährt, BFHE 181, 488) nicht entgegen. Eine steuerrechtliche Beurteilung als Arbeitslohn oder als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (= Arbeitseinkommen iS von § 15 Abs 1 SGB IV) ist für die Beurteilung der im Sozialversicherungsrecht eigenständig geregelten Arbeitsentgelteigenschaft (§ 14 SGB IV) nicht maßgebend oder vorgreiflich (vgl BSGE 66, 219, 221 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 31). Eine Grenze findet die einheitliche Beschäftigung jedoch dort, wo der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger mehr ist, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausübung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind. In diesem Sinne setzt schon die Entwurfsbegründung zu § 14 SGB IV für den Begriff des Arbeitsentgelts einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Zuwendung und der Beschäftigung voraus(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines SGB - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 S 32 zu § 14; vgl auch BSG SozR 2100 § 14 Nr 19 S 17 f).

18

Der ursächliche Zusammenhang ist - wie oben dargelegt - nach der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit zu bestimmen. Er würde vorliegend dann fehlen, wenn "Aufwandsentschädigungen" zu denselben Bedingungen in nennenswertem Umfang auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Personen gezahlt worden wären und die werbend tätigen Innendienstmitarbeiter der Klägerin aufgrund ihrer Beschäftigung gegenüber diesen Personen keine wesentlichen Vorteile hatten. Ein solcher Zusammenhang dürfte also auch dann bestehen, wenn werbende Innendienstmitarbeiter von Seiten der Klägerin für diese Tätigkeit Unterstützung erhielten, die nicht im selben Umfange auch Personen tatsächlich zuteil wurde, die nicht bei der Klägerin beschäftigt waren.

19

Ob im vorliegenden Fall eine einheitliche Beschäftigung und daher Arbeitsentgelt anzunehmen ist, kann der Senat auf Grundlage der wenigen Tatsachen, die das LSG festgestellt hat, selbst nicht abschließend beurteilen. Soweit das LSG einen Zusammenhang darauf gestützt hat, dass gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die werbenden Innendienstmitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um Mitglieder zu werben, ist - wie auch die Klägerin der Sache nach rügt - nicht erkennbar, welche tatsächlichen Feststellungen dieser Behauptung zugrunde liegen. Insoweit wird das LSG noch festzustellen haben, ob es für eine solche Annahme tatsächliche Anhaltspunkte gibt, auf deren Grundlage es sich rechtsfehlerfrei eine entsprechende Überzeugung bilden kann. Anderenfalls wird es zu ermitteln haben, ob die in der mündlichen Verhandlung protokollierte und in der Revisionsbegründung wiederholte Behauptung der Klägerin zutrifft, die Prämie sei auch an nicht bei ihr angestellte Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden. Dabei wird ua der von Januar 2003 stammende Ausdruck einer Internet-Seite der Klägerin in der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl 128) zu würdigen sein, wonach für eine durch externe Personen erfolgende Mitgliederwerbung (nur) eine "kleine Überraschung" und die Teilnahme an einer Verlosung ausgelobt wird. Sofern die "Aufwandsentschädigung" indessen tatsächlich in derselben Höhe auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Mitglieder gezahlt wurde, wird das LSG weiter Ermittlungen darüber anzustellen haben, ob die Innendienstmitarbeiter entgegen dem in der Mitteilung vom 18.6.1998 erweckten Anschein tatsächlich keinerlei Zugriff auf den Datenbestand der Klägerin hatten und von dieser auch nicht in anderer Weise unterstützt wurden, dh, ob sie einen "Wettbewerbsvorteil" gegenüber betriebsexternen Werbern hatten. Sollte das LSG anschließend dazu gelangen, dass das die gezahlten "Aufwandsentschädigungen" dem Grunde nach Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV darstellen, so wird es weiter zu prüfen haben, ob dieses möglicherweise nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung(in den Fassungen vom 18.12.1984, BGBl I 1642 und vom 12.12.1989, BGBl I 2177) gleichwohl nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen war. Sofern auf die "Aufwandsentschädigungen" grundsätzlich Beiträge zu erheben waren, wird das LSG sodann auch zu prüfen haben, ob die im angefochtenen Bescheid angenommene Zuständigkeit der Klägerin als Einzugsstelle für die gesamte nach der Summe festgestellte Beitragsforderung im Hinblick auf § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3 der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352, dort Ziff 5.3.3) zutreffend war und ob sich anderenfalls auch aufgrund unterschiedlicher Beitragssätze Auswirkungen auf die Höhe der Beitragsforderung ergeben.

20

4. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten. Die dennoch notwendige Streitwertfestsetzung durch den Senat (vgl BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 24) beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1 und 3 GKG.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

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2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

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3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

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a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

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Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

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bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

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cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.

(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) sozialversicherungspflichtig ausübt.
Die Klägerin zu 2) wurde durch notariellen Vertrag vom 18.12.1995 mit einem Stammkapital von 50.000,-- EUR gegründet. Ab 04.03.2005 war der Kläger zu 1) an der Klägerin zu 2) zu 50 % beteiligt. Weiterer Gesellschafter war Herr M. L. mit einer Beteiligung von ebenfalls 50 %. Der Kläger zu 1) und Herr L. waren daneben zu jeweils 50 % Gesellschafter der Firma EDV-Büro Sch. GmbH. Während Herr L. alleiniger Geschäftsführer der G. GmbH war, war der Kläger zu 1) alleiniger Geschäftsführer der Firma EDV-Büro Sch. GmbH.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 12.02.2010 wurden die Gesellschaften auf die Klägerin zu 2) verschmolzen. Die Gesellschafter der Firma EDV-Büro Sch. GmbH haben dabei ihre Gesellschaftsanteile in die Klägerin zu 2) eingebracht. An den Beteiligungsverhältnissen hat sich hierdurch nichts geändert. Beide Gesellschafter hielten weiterhin eine Beteiligung von jeweils 50 %.
Im Juli 2011 veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile an die Firma A. IT S. AG. Ein Teil des Verkaufspreises der Gesellschaftsanteile des Klägers zu 1) wurde dabei an den zukünftigen Erfolg der Gesellschaft gebunden (Earn-out-Klausel).
Nach dem Vortrag der Kläger war vereinbart, dass aufgrund der Verschmelzung auch der Kläger zu 1) förmlich zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2) bestellt wird. Dies unterblieb allerdings zunächst. Die Bestellung erfolgte erst am 05.08.2011 zur Eintragung im Handelsregister. Der Bestellung des Klägers zu 1) zum Geschäftsführer lag dabei der Geschäftsführervertrag vom 02.08.2011 zugrunde. Auszugsweise lautet der Vertrag wie folgt:
1.Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis
1.1Dem Geschäftsführer obliegt - sofern er allein bestellt ist - die gesamte Führung der Geschäfte der Gesellschaft. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so führen diese gemeinsam die Geschäfte der Gesellschaft.
1.2Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages der jeweiligen Gesellschaft, einer etwaigen Geschäftsordnung sowie dieses Dienstvertrages. Er wird Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge leisten.
1.3Die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft ist befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen. Dazu wird sie vorab den Geschäftsführer anhören. Die Gesellschafterversammlung ist weiterhin befugt nach vorheriger Abstimmung mit dem Geschäftsführer einen oder mehreren Prokuristen zu berufen.
10 
1.4Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gemäß den Vorschriften des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft. Entsprechend der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Möglichkeit ist der Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung generell zur Einzelvertretung berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
11 
2.Pflichten und Verantwortlichkeit, Dienstsitz
12 
2.1Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und die ihm nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.
13 
2.2Der Geschäftsführer nimmt gegenüber den Mitarbeitern der Gesellschaft die Rechten und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne des arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
14 
2.3(…)
15 
2.4Der Gesellschafter wird - gegebenenfalls auf Anfrage - mit der Gesellschafterversammlung und der Gesellschafterin jederzeit engen Kontakt halten und sich mit ihr auch über den Katalog der zustimmungspflichtigen Maßnahme in der Geschäftsordnung hinaus regelmäßig abstimmen.
16 
2.5Dienstsitz ist für den Geschäftsführer der Sitz der Gesellschaft.
17 
3.Arbeitszeit und Nebentätigkeit
18 
3.1Der Geschäftsführer hat nach Maßgabe der nachfolgenden Ziffer 3.2 seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Er ist in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei, hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wahl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen.
19 
3.2Dem Geschäftsführer ist während der Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Falle eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit berücksichtigt werden.
20 
(…)
21 
4.Vergütung, Tantieme, Auslagen
22 
4.1Für seine Tätigkeit erhält der Geschäftsführer eine feste Jahresvergütung in Höhe von 140.000,-- EUR, die in 12 monatlichen Raten jeweils zum Monatsende unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge auf ein vom Geschäftsführer zu benennendes Bankkonto überwiesen wird.
23 
4.2Der Geschäftsführer erhält ferner nachträglich einmal pro Jahr eine erfolgsabhängige Vergütung. Diese ist jeweils sechs Wochen nach Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft für das betreffende Geschäftsjahr fällig.
24 
(…)
25 
5.Vergütung bei Dienstverhinderung und Tod
26 
5.1Der Geschäftsführer wird Erkrankungen und deren voraussichtliche Dauer der Gesellschaft unverzüglich mitteilen und bei einer Erkrankung von mehr als zwei Arbeitstagen ein ärztliches Attest vorlegen.
27 
5.2Im Falle der Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Dienstverhinderung des Geschäftsführers werden die vertragsgemäßen Leistungen gemäß Ziffer 4 für die Dauer von drei Monaten unter Anrechnung der von der Krankenversicherung geleisteten Krankengeldzahlungen fortgezahlt.
28 
(…)
29 
6.Urlaub
30 
6.1Dem Geschäftsführer steht jährlich ein Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu.
31 
(…)
32 
Mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, beantragte der Kläger zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status und legte den Kaufvertrag sowie den Geschäftsführeranstellungsvertrag vor.
33 
Am 12.12.2011 hörte die Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status an. Nach erfolgter Prüfung sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, weshalb beabsichtigt sei, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft mehr bestünde, unangenehme Entscheidungen könnten nicht beeinflusst werden, es bestehe ein gesonderter Anstellungsvertrag, der die mitarbeitende Gesellschaft regele und für die Geschäftsführertätigkeit werde ein festes Monatsgehalt geschuldet. Weiterhin bestehe Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub. Für eine Selbständigkeit spreche hingegen lediglich die erfolgsabhängige Tantiemenzahlung.
34 
Zu der Anhörung nahmen die Kläger dahingehend Stellung, dass zu berücksichtigen sei, dass das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB abgedungen worden sei. Auch das Bestehen besonderer Branchenkenntnisse sowie ein bestehendes unternehmerisches Risiko sei zu berücksichtigen. Letzteres ergebe sich aus einem variablen Kaufpreisanteil, dessen Höhe sich nach den erreichten Ergebnissen vor Steuern und Zinsen in den Jahren 2011 bis 2013 richte. Damit entspreche die Tätigkeit weitgehend der Situation eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Darüber hinaus wurde eine Zustimmungserklärung zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) vorgelegt.
35 
Mit zwei Bescheiden vom 10.01.2012 stellte die Beklagte eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 13.01.2012 fest und legte ergänzend dar, dass aufgrund einer fehlenden Beteiligung am Stammkapital kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft mehr genommen und unangenehme Entscheidungen nicht verhindert werden könnten. Es bestehe ein gesonderter Anstellungsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Weiter erhalte der Kläger zu 1) für seine Geschäftsführertätigkeit ein festes Monatsgehalt. Eine Kürzung bzw der Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage müsse nicht befürchtet werden. Im Krankheitsfall bestehe ein Gehaltsanspruch für drei Monate und ein Anspruch auf 30 Tage bezahlten Urlaub. Für eine selbständige Tätigkeit spreche lediglich eine erfolgsabhängige Tantiemenzahlung und der Umstand, dass der Kläger zu 1) alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der variablen Kaufpreisgestaltung.
36 
Gegen die Bescheide erhoben die Kläger am 07.02.2012 Widerspruch, den sie damit begründeten, dass bei Gesamtwürdigung die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen würden. Es müsse insbesondere die Gründungs- und Entstehungsgeschichte der Klägerin zu 2) berücksichtigt werden. Der Kläger zu 1) sei zusammen mit Herrn L. Kopf und Seele des Unternehmens, der Erfolg desselben hinge von diesen ab. Letztlich ergebe sich die Selbständigkeit auch aus der Earn-out-Klausel im Kaufvertrag und dem somit bestehenden variablen Kaufpreisanteil.
37 
Mit den Widerspruchsbescheiden vom 02.11.2012 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück und führte zur Begründung aus, dass bei einem Fremdgeschäftsführer in der Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen werde. Ausnahmsweise könne in Fällen einer Familien-GmbH oder Gesellschaften, in denen familienhafte Bindungen bestünden, die Verhältnisse dafür sprechen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege. Sowohl die Gewährung von bezahltem Urlaub wie auch der Lohnfortzahlung sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Nachdem eine Vergütung von 140.000,-- EUR gezahlt werde, liege auch kein Verlustrisiko und damit kein unternehmerisches Risiko vor.
38 
Gegen die Widerspruchsbescheide haben die Kläger am 26.11.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie haben ergänzend zum Vortrag im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass nach den Bestimmungen des GmbH-Gesetzes eine unmittelbare Einflussnahme des Klägers zu 1) auf die Entscheidungen der Klägerin zu 2) zwar rechtlich nicht (mehr) möglich sei. Sie ergebe sich jedoch faktisch daraus, dass der Kläger zu 1) über das erforderliche Know-how verfüge, die Gesellschaft technisch und kaufmännisch zu führen. Die Inhaberin der Gesellschaftsanteile, die Firma A. IT S. AG, sei im Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 2) selbst nie tätig gewesen. Sie habe durch den Erwerb der Anteile nur ein ertragreiches Unternehmen hinzuerworben. Bei einem Ausfall des Klägers zu 1) könne die Gesellschaft eigentlich nur liquidiert werden, da das Geschäftsmodell der Klägerin zu 2) nicht nur von dem Kläger zu 1) entwickelt, sondern auch so speziell sei, dass Dritte diese Tätigkeit nicht fortsetzen könnten. Es bestehe somit von Seiten der Klägerin zu 2) faktisch der Zwang, den Vorschlägen des Klägers zu 1) Folge zu leisten.
39 
Mit Urteil vom 06.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei Geschäftsführern, die am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt seien, komme es für die Abhängigkeit auf den Umfang der Beteiligung und das Ausmaß der sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft an. Bei nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern liege regelmäßig eine abhängige Beschäftigung vor, da auf Gesellschafterbeschlüsse kein Einfluss genommen und insbesondere die eigene Abberufung oder Entlassung nicht verhindert werden könne. Da der Kläger zu 1) keine Anteile an der Gesellschaft mehr halte, stehe ihm keine Einflussmöglichkeit auf die Geschicke der Gesellschaft zu und er könne insbesondere seine Abberufung und Entlassung nicht verhindern. Auch aus der vereinbarten Earn-out-Klausel ergebe sich keine andere Rechtslage. Dies gelte auch für die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB. So beinhalte der Gesellschaftsvertrag zahlreiche Regelungen, die für abhängige Beschäftigungen typisch seien. Hierzu zählten insbesondere die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Urlaubsanspruch von 30 Kalendertagen jährlich sowie ein monatliches Fixgehalt. Die Höhe des Kaufpreises sei zwar ebenso wie die Tantieme an den wirtschaftlichen Erfolg der Firma gekoppelt, am erfolgsunabhängigen Fixgehalt ändere sich jedoch nichts. Da der Kläger zu 1) auch keine sonstigen finanziellen Pflichten, wie beispielsweise Nachschusspflichten, treffe, bestehe lediglich ein Lohnausfallrisiko, wie bei jedem abhängigen Beschäftigten auch.
40 
Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 19.09.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
41 
Hiergegen richtet sich die am 18.10.2013 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung. Zur Begründung wird erneut vorgetragen, dass der Kläger zu 1) zusammen mit Herrn L. der „Know-how-Träger“ des Unternehmens sei, das damit ohne die beiden Geschäftsführer nicht fortgeführt werden könne, so dass es der Kläger zu 1) zumindest faktisch in der Hand habe, Gesellschafterbeschlüsse gegen ihn zu vermeiden. Die wirtschaftliche Situation des Klägers zu 2) sei im Übrigen mit der wirtschaftlichen Situation eines Allein-Gesellschafters einer GmbH vergleichbar. Das wirtschaftliche Risiko des Klägers zu 1) sei darin zu sehen, dass dieser Gefahr laufe, einen vertraglich bereits vereinbarten Kaufpreis wieder zu verlieren, wenn die Gesellschaft nicht den angestrebten Erfolg erreiche. Der Kläger zu 1) trage daher nicht nur ein Lohnausfallrisiko in Form der vereinbarten Festvergütung und der vereinbarten Tantiemen. Er sei darüber hinaus unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligt und laufe Gefahr, die bereits verbindlich vereinbarte weitere Kaufpreisrate zu verlieren, wenn der Erfolg des Unternehmens nicht die hierfür vorausgesetzte Größenordnung erreiche.
42 
Die Kläger beantragen,
43 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.09.2013 und die Bescheide der Beklagten vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) nicht versicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist.
44 
Die Beklagte beantragt,
45 
die Berufung zurückzuweisen.
46 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogene Akte des SG sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
48 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend in ihren Bescheiden vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
49 
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen, zudem hat die Beklagte die Anforderungen erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen einer Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 1 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08, juris; hierzu auch ausführlich Mehrtens, SGb 2010, 271).
50 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, S 2) eingeführten Anfrageverfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen gegenteilige Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, S 6).
51 
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch ein anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
52 
Materiell sind die Bescheide ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
53 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei eine in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
54 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr 7 Rdnr 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
55 
Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein Gesellschafter aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft, dass er jedem ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so kann es an der versicherungspflichtigen Beschäftigung wesentlich gekennzeichneten persönlichen Abhängigkeit fehlen (vgl BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Im Fall des Geschäftsführers ist von einem solchen Fall auszugehen, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSGE 23, 83, 84) und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 und 8). Unter Umständen kann auch schon ein geringerer Kapitalanteil genügen, insbesondere wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, die sich unter anderem darauf erstreckt, nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Art der Tätigkeit zu verhindern (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8; SozR 3-4100 § 68 Nr 8).
56 
Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger zu 1) im streitigen Zeitraum ab dem 13.01.2012 weder über die Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung noch war er im Besitz einer Sperrminorität, nachdem sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma A. IT S. AG übertragen worden waren. Er war daher im Hinblick auf die Beteiligung in der Gesellschaft nicht in der Lage, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Unerheblich ist dabei, ob tatsächlich Weisungen erfolgt sind. Ausreichend ist vielmehr nach den obigen Ausführungen die bestehende Rechtsmacht. Ebenso wie beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG (hierzu EuGH 11.11.2010, C-232/09, Dita Danosa, NZA 2011, 143) und im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG (25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168) kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsführer einer GmbH hat, ob und in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen durch andere Gesellschaftsorgane unterliegt. Relevant ist insbesondere die Abberufbarkeit des Geschäftsführers (Schaupp ZESAR 2013, 5; Fischer NJW 2011, 2329).
57 
Zwar kann kein Umkehrschluss gezogen werden, dass mangels eines durch Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft zwangsläufig ein Abhängigkeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen ist (BSGE 13, 196, 200). In solchen Fällen ist das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon abhängig, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem in seiner persönlichen Abhängigkeit begründeten Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der Geschäftsführer über keine Mehrheit im Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindert (vgl BSG SozR 2100 § 7 Nr 7). Dies kann zB der Fall sein, wenn er auch als externer (angestellter) Geschäftsführer einer GmbH „schalten und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschaft persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Von dieser - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts ergangenen Rechtsprechung - hat sich der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG freilich inzwischen abgegrenzt (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2021 - 182 = juris).
58 
Gemessen an diesen Maßstäben war der Kläger zu 1) mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) in der streitigen Zeit ab dem 13.01.2012 abhängig beschäftigt. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Beschäftigung des Klägers zu 1). Diejenigen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen jedoch.
59 
Prüfungsmaßstab sind die im Anstellungsvertrag zur Rechtsstellung des Klägers zu 1) getroffenen Regelungen. Die vertraglichen Vereinbarungen im Anstellungsvertrag zur regelmäßigen monatlichen Vergütung, zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und zum Anspruch auf Urlaub sprechen für eine abhängige Tätigkeit des Klägers zu 1). Auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1) gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags neben der Bindung an Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung verpflichtet ist, Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge zu leisten, spricht für eine abhängige Beschäftigung. Insoweit ist gemäß Ziffer 1.3 die Gesellschafterversammlung auch befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen.
60 
Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, dass er die Gesellschaft wirtschaftlich und persönlich dominiert, war er nicht in der Stellung, die Klägerin zu 2) faktisch zu beherrschen. Hierfür genügen nicht bereits besondere Branchenkenntnisse, da diese üblicherweise Voraussetzung sind, um eine Person zum Geschäftsführer zu bestellen. Diese können daher allein keine selbständige unternehmerische Tätigkeit begründen (BSG 08.12.1987, 7 Rar 14/86 mwN). Zwar übersieht der Senat keineswegs, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er über das notwendige Know-how in der GmbH verfügt. Der weitere Geschäftsführer, Herr L., ist jedoch seit der Gründung der GmbH im Jahr 1995 Geschäftsführer der GmbH. Erst am 05.08.2011 wurde der Kläger zu 1) als weiterer Geschäftsführer eingetragen. Insoweit spricht bereits der zeitliche Ablauf dagegen, dass die Klägerin zu 2) allein von der Tätigkeit des Klägers zu 1) als Geschäftsführer abhängt. Im Übrigen hat der Klägervertreter auf die ergänzende Nachfrage mit Schreiben vom 27.02.2014 mitgeteilt, dass neben dem Kläger auch der Mitgeschäftsführer Herr L. von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen ist, wobei eine Aufteilung nach Aufgabengebieten nicht ersichtlich ist, so dass der Kläger zu 1) gerade nicht allein „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist.
61 
Auch die übrigen Regelungen des Anstellungsvertrags sprechen mehrheitlich für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gemäß Ziffer 2.5 hat der Geschäftsführer seine Leistungen am Sitz der Gesellschaft zu erbringen. Gemäß Ziffer 3.1 und 3.2 ist er zwar in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen. Er hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Dem Geschäftsführer ist für eine Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit einmal erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Fall eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit zu berücksichtigen sind. Damit ist aber eine weitgehende zeitliche Bindung des Klägers zu 1) gegeben.
62 
Soweit der Kläger zu 1) innerhalb dieser engen Regelungen den Ort, die Zeit und die Art seine Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen kann, steht dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Denn diese Möglichkeit hat in der Regel auch ein leitender Angestellter (BSG 13.08.1996, 10 RKg 28/95, SozR 3-5870 § 1 Nr 10 mwN). Ähnliches gilt für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Im Hinblick darauf, dass auch im Bereich leitender Angestellter, zB bei Prokuristen üblicherweise solche Freiheiten eingeräumt werden, ist die Indizwirkung hier allenfalls schwach ausgeprägt.
63 
Eine selbständige Tätigkeit kann auch nicht aus der im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelung über den Anspruch auf Tantiemen abgeleitet werden. Zum einen ist eine solche Regelung bei leitenden Angestellten nicht unüblich. Zum anderen resultiert auch aus dieser Regelung kein wirtschaftliches Risiko. Der Kläger zu 1) hat Anspruch auf ein Fixgehalt, das seinen Lebensunterhalt unter allen Umständen sichert. Selbst wenn - zB in einer Krisensituation - die erfolgsabhängige Tantieme nicht gezahlt wird, kann der Kläger zu 1) sein Fixgehalt in voller Höhe weiter beanspruchen. Der Anstellungsvertrag enthält keine Klauseln, nach denen der Kläger zu 1) in seiner Position als Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, auf seine Grundvergütung zu verzichten oder gar frisches Kapital ihn die Gesellschaft einzubringen. Dass die Tantieme und die Höhe derselben aufgrund der Bemessung am Gewinn der Gesellschaft letztlich auch vom persönlichen Einsatz des Klägers zu 1) abhängt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Eine Jahressonderprämie neben den zustehenden festen Vergütungsbestandteilen ist nicht mit dem Wagniskapital eines Unternehmers gleichzusetzen (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; LSG Baden-Württemberg, 22.03.2013, L 4 KR 3725/11).
64 
Schließlich resultiert auch aus der Earn-out-Klausel zur Überzeugung des Senats kein derart starkes Unternehmerrisiko, dass hierdurch die Annahme einer selbständigen Tätigkeit gerechtfertigt ist. Das hiermit eingegangene Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen ist vom Kapitaleinsatz für das Unternehmen zu trennen und tritt deshalb gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Einsätze privaten Vermögens sind auch seitens unstreitig abhängiger Beschäftigter nicht unüblich. Eine Unternehmerstellung wird allein hierdurch nicht begründet. Mit der geschlossenen Earn-out-Klausel verfolgte der Kläger zu 1) lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Insoweit stehen abtrennbare private Interessen im Vordergrund, nicht jedoch eine (unmittelbare) Beteiligung am Unternehmenserfolg. Zwar mag der Kläger zu 1) seine persönliche wirtschaftliche Situation ganz erheblich auch an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin zu 2) geknüpft haben. Die vollständige Veräußerung ohne Einräumung spezifischer Sperrminoritäten zeigt allerdings auch, dass eine Beteiligung des Klägers zu 1) an der Klägerin zu 2) nicht gewollt war und ist. So hat die vom Kläger zu 1) mit der Firma A. IT S. AG vereinbarte Earn-out-Klausel keine förmliche oder materielle Beteiligung am Unternehmer der Klägerin zu 2) herbeigeführt. Eine rechtsverbindlich gewollte Mitunternehmerschaft ist im streitigen Zeitraum nämlich nicht begründet worden. Die alleinige Rechtsmacht verblieb bei den Gesellschaftern der Klägerin zu 2), die allein für Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Sie hatten auch die tatsächliche Rechtsmacht unabhängig davon, ob sie hiervon Gebrauch gemacht haben, andere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Der Kläger zu 1) konnte deshalb nicht wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen. Deshalb ist auch hier ein Ausnahmefall, dass trotz fehlender Kapitalbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht anzunehmen sei, nicht gegeben (vgl LSG Baden-Württemberg 22.03.2013; L 4 KR 3725/11).
65 
Damit aber überwiegen im vorliegenden Fall die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, weshalb nach einer Berücksichtigung und Abwägung der unterschiedlichen Merkmale nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist.
66 
Damit aber sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung mit der Kostenfolge zu § 193 SGG zurückzuweisen war.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
47 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
48 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend in ihren Bescheiden vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
49 
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen, zudem hat die Beklagte die Anforderungen erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen einer Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 1 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08, juris; hierzu auch ausführlich Mehrtens, SGb 2010, 271).
50 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, S 2) eingeführten Anfrageverfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen gegenteilige Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, S 6).
51 
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch ein anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
52 
Materiell sind die Bescheide ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
53 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei eine in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
54 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr 7 Rdnr 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
55 
Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein Gesellschafter aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft, dass er jedem ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so kann es an der versicherungspflichtigen Beschäftigung wesentlich gekennzeichneten persönlichen Abhängigkeit fehlen (vgl BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Im Fall des Geschäftsführers ist von einem solchen Fall auszugehen, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSGE 23, 83, 84) und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 und 8). Unter Umständen kann auch schon ein geringerer Kapitalanteil genügen, insbesondere wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, die sich unter anderem darauf erstreckt, nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Art der Tätigkeit zu verhindern (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8; SozR 3-4100 § 68 Nr 8).
56 
Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger zu 1) im streitigen Zeitraum ab dem 13.01.2012 weder über die Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung noch war er im Besitz einer Sperrminorität, nachdem sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma A. IT S. AG übertragen worden waren. Er war daher im Hinblick auf die Beteiligung in der Gesellschaft nicht in der Lage, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Unerheblich ist dabei, ob tatsächlich Weisungen erfolgt sind. Ausreichend ist vielmehr nach den obigen Ausführungen die bestehende Rechtsmacht. Ebenso wie beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG (hierzu EuGH 11.11.2010, C-232/09, Dita Danosa, NZA 2011, 143) und im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG (25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168) kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsführer einer GmbH hat, ob und in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen durch andere Gesellschaftsorgane unterliegt. Relevant ist insbesondere die Abberufbarkeit des Geschäftsführers (Schaupp ZESAR 2013, 5; Fischer NJW 2011, 2329).
57 
Zwar kann kein Umkehrschluss gezogen werden, dass mangels eines durch Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft zwangsläufig ein Abhängigkeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen ist (BSGE 13, 196, 200). In solchen Fällen ist das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon abhängig, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem in seiner persönlichen Abhängigkeit begründeten Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der Geschäftsführer über keine Mehrheit im Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindert (vgl BSG SozR 2100 § 7 Nr 7). Dies kann zB der Fall sein, wenn er auch als externer (angestellter) Geschäftsführer einer GmbH „schalten und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschaft persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Von dieser - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts ergangenen Rechtsprechung - hat sich der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG freilich inzwischen abgegrenzt (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2021 - 182 = juris).
58 
Gemessen an diesen Maßstäben war der Kläger zu 1) mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) in der streitigen Zeit ab dem 13.01.2012 abhängig beschäftigt. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Beschäftigung des Klägers zu 1). Diejenigen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen jedoch.
59 
Prüfungsmaßstab sind die im Anstellungsvertrag zur Rechtsstellung des Klägers zu 1) getroffenen Regelungen. Die vertraglichen Vereinbarungen im Anstellungsvertrag zur regelmäßigen monatlichen Vergütung, zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und zum Anspruch auf Urlaub sprechen für eine abhängige Tätigkeit des Klägers zu 1). Auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1) gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags neben der Bindung an Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung verpflichtet ist, Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge zu leisten, spricht für eine abhängige Beschäftigung. Insoweit ist gemäß Ziffer 1.3 die Gesellschafterversammlung auch befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen.
60 
Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, dass er die Gesellschaft wirtschaftlich und persönlich dominiert, war er nicht in der Stellung, die Klägerin zu 2) faktisch zu beherrschen. Hierfür genügen nicht bereits besondere Branchenkenntnisse, da diese üblicherweise Voraussetzung sind, um eine Person zum Geschäftsführer zu bestellen. Diese können daher allein keine selbständige unternehmerische Tätigkeit begründen (BSG 08.12.1987, 7 Rar 14/86 mwN). Zwar übersieht der Senat keineswegs, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er über das notwendige Know-how in der GmbH verfügt. Der weitere Geschäftsführer, Herr L., ist jedoch seit der Gründung der GmbH im Jahr 1995 Geschäftsführer der GmbH. Erst am 05.08.2011 wurde der Kläger zu 1) als weiterer Geschäftsführer eingetragen. Insoweit spricht bereits der zeitliche Ablauf dagegen, dass die Klägerin zu 2) allein von der Tätigkeit des Klägers zu 1) als Geschäftsführer abhängt. Im Übrigen hat der Klägervertreter auf die ergänzende Nachfrage mit Schreiben vom 27.02.2014 mitgeteilt, dass neben dem Kläger auch der Mitgeschäftsführer Herr L. von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen ist, wobei eine Aufteilung nach Aufgabengebieten nicht ersichtlich ist, so dass der Kläger zu 1) gerade nicht allein „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist.
61 
Auch die übrigen Regelungen des Anstellungsvertrags sprechen mehrheitlich für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gemäß Ziffer 2.5 hat der Geschäftsführer seine Leistungen am Sitz der Gesellschaft zu erbringen. Gemäß Ziffer 3.1 und 3.2 ist er zwar in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen. Er hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Dem Geschäftsführer ist für eine Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit einmal erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Fall eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit zu berücksichtigen sind. Damit ist aber eine weitgehende zeitliche Bindung des Klägers zu 1) gegeben.
62 
Soweit der Kläger zu 1) innerhalb dieser engen Regelungen den Ort, die Zeit und die Art seine Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen kann, steht dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Denn diese Möglichkeit hat in der Regel auch ein leitender Angestellter (BSG 13.08.1996, 10 RKg 28/95, SozR 3-5870 § 1 Nr 10 mwN). Ähnliches gilt für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Im Hinblick darauf, dass auch im Bereich leitender Angestellter, zB bei Prokuristen üblicherweise solche Freiheiten eingeräumt werden, ist die Indizwirkung hier allenfalls schwach ausgeprägt.
63 
Eine selbständige Tätigkeit kann auch nicht aus der im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelung über den Anspruch auf Tantiemen abgeleitet werden. Zum einen ist eine solche Regelung bei leitenden Angestellten nicht unüblich. Zum anderen resultiert auch aus dieser Regelung kein wirtschaftliches Risiko. Der Kläger zu 1) hat Anspruch auf ein Fixgehalt, das seinen Lebensunterhalt unter allen Umständen sichert. Selbst wenn - zB in einer Krisensituation - die erfolgsabhängige Tantieme nicht gezahlt wird, kann der Kläger zu 1) sein Fixgehalt in voller Höhe weiter beanspruchen. Der Anstellungsvertrag enthält keine Klauseln, nach denen der Kläger zu 1) in seiner Position als Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, auf seine Grundvergütung zu verzichten oder gar frisches Kapital ihn die Gesellschaft einzubringen. Dass die Tantieme und die Höhe derselben aufgrund der Bemessung am Gewinn der Gesellschaft letztlich auch vom persönlichen Einsatz des Klägers zu 1) abhängt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Eine Jahressonderprämie neben den zustehenden festen Vergütungsbestandteilen ist nicht mit dem Wagniskapital eines Unternehmers gleichzusetzen (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; LSG Baden-Württemberg, 22.03.2013, L 4 KR 3725/11).
64 
Schließlich resultiert auch aus der Earn-out-Klausel zur Überzeugung des Senats kein derart starkes Unternehmerrisiko, dass hierdurch die Annahme einer selbständigen Tätigkeit gerechtfertigt ist. Das hiermit eingegangene Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen ist vom Kapitaleinsatz für das Unternehmen zu trennen und tritt deshalb gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Einsätze privaten Vermögens sind auch seitens unstreitig abhängiger Beschäftigter nicht unüblich. Eine Unternehmerstellung wird allein hierdurch nicht begründet. Mit der geschlossenen Earn-out-Klausel verfolgte der Kläger zu 1) lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Insoweit stehen abtrennbare private Interessen im Vordergrund, nicht jedoch eine (unmittelbare) Beteiligung am Unternehmenserfolg. Zwar mag der Kläger zu 1) seine persönliche wirtschaftliche Situation ganz erheblich auch an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin zu 2) geknüpft haben. Die vollständige Veräußerung ohne Einräumung spezifischer Sperrminoritäten zeigt allerdings auch, dass eine Beteiligung des Klägers zu 1) an der Klägerin zu 2) nicht gewollt war und ist. So hat die vom Kläger zu 1) mit der Firma A. IT S. AG vereinbarte Earn-out-Klausel keine förmliche oder materielle Beteiligung am Unternehmer der Klägerin zu 2) herbeigeführt. Eine rechtsverbindlich gewollte Mitunternehmerschaft ist im streitigen Zeitraum nämlich nicht begründet worden. Die alleinige Rechtsmacht verblieb bei den Gesellschaftern der Klägerin zu 2), die allein für Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Sie hatten auch die tatsächliche Rechtsmacht unabhängig davon, ob sie hiervon Gebrauch gemacht haben, andere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Der Kläger zu 1) konnte deshalb nicht wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen. Deshalb ist auch hier ein Ausnahmefall, dass trotz fehlender Kapitalbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht anzunehmen sei, nicht gegeben (vgl LSG Baden-Württemberg 22.03.2013; L 4 KR 3725/11).
65 
Damit aber überwiegen im vorliegenden Fall die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, weshalb nach einer Berücksichtigung und Abwägung der unterschiedlichen Merkmale nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist.
66 
Damit aber sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung mit der Kostenfolge zu § 193 SGG zurückzuweisen war.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. November 2013 und des Sozialgerichts Halle vom 25. Januar 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 4295,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 anlässlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Fremdgeschäftsführer der Klägerin.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Meister des Glas- und Holzhandwerks. Er betrieb seit 2.8.1994 ein einzelkaufmännisches Unternehmen, in dem seine Lebensgefährtin beschäftigt war. Nach der Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2000 wurde das Unternehmen durch Gründung der Klägerin in der Rechtsform einer GmbH fortgeführt. Die Klägerin wurde am 19.7.2002 mit einer Einlage in Höhe von 25 000 Euro in das Handelsregister eingetragen, Alleingesellschafterin war die Lebensgefährtin des Beigeladenen zu 1., mit der er am 12.5.2012 die Ehe einging. Der Beigeladene zu 1. wurde am 2.5.2002 - noch von der Vorgesellschaft - unter Befreiung von § 181 BGB als Geschäftsführer bestellt.

3

Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2.5.2002 bis 31.12.2003 stellte die Beklagte durch Bescheid vom 22.12.2006 fest, dass für den Beigeladenen zu 1. im Prüfzeitraum keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entrichtet worden seien und forderte diese in Höhe von 4295,50 Euro nach. Die Beitragshöhe bestimmte sie unter Annahme eines monatlichen Entgelts in der Zeit vom 2.5. bis 31.12.2002 in Höhe von 1915 Euro und für die Zeit ab 1.1.2003 in Höhe von 1565 Euro. Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass der Beigeladene zu 1. von der Sozialversicherung befreit sei. Entsprechende Unterlagen könnten aber wegen Baumaßnahmen nicht gesichtet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 zurück.

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten mit der Begründung aufgehoben, der Beigeladene zu 1. habe mangels Beschäftigung nicht der Versicherungspflicht unterlegen (Urteil vom 25.1.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1. sei als Geschäftsführer der Klägerin selbstständig tätig gewesen. Er sei "Kopf und Seele" des Betriebes gewesen, ohne an Weisungen gebunden oder in eine "fremde" Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen zu sein. Zwar sei bei Fremdgeschäftsführern in der Regel von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Es sei aber eine Mehrzahl von besonderen Umständen gegeben, sodass in der Gesamtabwägung der zu berücksichtigenden Merkmale auf einen Ausnahmefall eines selbstständig tätigen Fremdgeschäftsführers zu erkennen sei. Insbesondere aufgrund der Lebenspartnerschaft und späteren Ehe zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin sei bereits im Prüfzeitraum "im Kern" eine Familien-GmbH angelegt gewesen. Dementsprechend habe der Beigeladene zu 1. die Geschäfte der Klägerin auch nach eigenem "Gutdünken" faktisch weiter geführt wie zuvor als Alleininhaber. Er sei nach wie vor "Kopf und Seele" des Betriebes gewesen. Hinsichtlich der Betriebsführung habe er nach innen wie auch in Bezug auf die Vertretung nach außen keiner tatsächlichen Weisung oder Überwachung unterlegen. Der Beigeladene zu 1. sei nicht in einen fremden Betrieb eingegliedert gewesen; auch nach Umwandlung in die GmbH habe er den Betrieb so weiter geführt, als wäre es sein eigener Betrieb. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Tätigkeit und der Verkehrsanschauung bestünden keine vernünftigen Zweifel an einer selbstständigen Tätigkeit (Urteil vom 14.11.2013).

5

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. verneint. Fremdgeschäftsführer einer GmbH seien regelmäßig als abhängig beschäftigt anzusehen. Soweit das LSG sein gegenteiliges Ergebnis auf die im Leistungsrecht formulierte Rechtsauffassung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua auf BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) stütze, sei dem jedenfalls für das Versicherungs- und Beitragsrecht nicht zu folgen. Insoweit könne offenbleiben, ob die im streitigen Zeitraum zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft überhaupt als familiäre Verbundenheit im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen sei. Jedenfalls stehe der Auffassung des LSG ein obiter dictum des 12. Senats des BSG entgegen, worin dieser Bedenken äußere, diese Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht zu übernehmen (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Demnach könne auch eine außergewöhnlich überragende Stellung eines Fremdgeschäftsführers in einer GmbH unabhängig von deren Gründen es nicht rechtfertigen, seine Tätigkeit als selbstständig einzustufen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. November 2013 und des Sozialgerichts Halle vom 25. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig.

10

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007.

11

Materiell betrifft der Rechtsstreit nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Teilvergleich nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der GKV in der Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 und die Rechtmäßigkeit der hieraus folgenden Beitragsforderung.

12

2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der GKV zu Unrecht verneint. Der Beigeladene zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitete (hierzu c).

13

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der GKV (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit besonders BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

14

b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu aa). Liegen - anders als es hier im Prüfzeitraum der Fall war - schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen(dazu bb). Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu cc) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

15

aa) Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG im Prüfzeitraum noch kein schriftlicher Geschäftsführervertrag zugrunde, erst nachträglich hätte durch einen Geschäftsführervertrag vom 4.6.2004 und einen Dienstvertrag vom 1.8.2008 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschaffen werden sollen. Zum Inhalt der bis dahin bestehenden Vereinbarungen hat das LSG lediglich festgestellt, der Beigeladene zu 1. sei ohne Anteil an der Klägerin unter Befreiung von § 181 BGB zu deren Geschäftsführer bestellt worden, in dieser Tätigkeit nicht an bestimmte Dienstzeiten gebunden gewesen und habe seinen 30 Arbeitstage umfassenden Urlaub selbst bestimmen können. Neben einem vom jeweiligen Monatsabschluss abhängigen Gehalt habe er gewinnabhängige Tantiemen bezogen und Anspruch auf Entgeltfortzahlung für drei Monate gehabt.

16

bb) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. auch nicht nur zum Schein getroffen. Vielmehr setzte der mit der Überführung des zuvor als Einzelunternehmen durch den Beigeladenen zu 1. geführten Unternehmens in die Rechtsform der GmbH mit seiner Lebensgefährtin als Alleingesellschafterin und ihm als gegen Entgelt tätigen Geschäftsführer im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung seiner Ehe erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit der zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte voraus.

17

cc) Die vertraglichen Abreden zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen (siehe vorstehend aa und bb) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. Der Beigeladene zu 1. war ohne auch nur Mitgesellschafter der Klägerin zu sein als deren (Fremd-)Geschäftsführer tätig. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der Vereinbarungen über diese Tätigkeit, überwiegen noch die für einen Arbeitsvertrag sprechenden Elemente, wie zB die Regelungen über ein monatliches Entgelt zzgl gewinnabhängiger Tantiemen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Auch wenn dem Beigeladenen zu 1. arbeitnehmeruntypische Freiheiten bezüglich der Gestaltung von Dienstzeiten und Urlaubszeitpunkt eingeräumt waren, so ist nicht erkennbar, dass seine Weisungsgebundenheit gegenüber der Klägerin vertraglich eingeschränkt gewesen wäre oder er - nach Gründung der GmbH - ein wesentliches Unternehmerrisiko zu tragen gehabt hätte.

18

c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor: Der Beigeladene zu 1. übte iS von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigen zudem weder das besondere Fachwissen noch die langjährige Erfahrung des Beigeladenen zu 1. ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil der Beigeladene zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte (dazu dd).

19

aa) Der Beigeladene zu 1. war in einem fremden Betrieb und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin, die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18). Der Beigeladene zu 1. war auch nicht als Gesellschafter am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Dass das Unternehmen zuvor von ihm als Einzelunternehmen geführt wurde, ist mangels rechtlicher Relevanz ohne Belang.

20

bb) Die vom Beigeladenen zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit, wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Alleingesellschafterin der Klägerin unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182 = Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN). Schließlich ist auch zu beachten, dass Gesellschafter einer GmbH dem Geschäftsführer zwar große Freiheiten lassen können, doch dürfen sie ihn nicht ganz von der Überwachung befreien (Liebscher in Münchener Komm zum GmbHG, 1. Aufl 2012, § 46 RdNr 207; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl 2004, § 46 RdNr 18; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl 2013, § 46 RdNr 51), zumal sie andernfalls gegenüber den Gesellschaftsgläubigern womöglich schadensersatzpflichtig werden (so schon BSG SozR Nr 22 zu § 3 AVG Aa 23).

21

Entscheidend ist insoweit, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter am Stammkapital der Klägerin beteiligt war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen der Alleingesellschafterin der Klägerin, zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch einer Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität - und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

22

cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigen auch das besondere Fachwissen und die langjährige Erfahrung des Beigeladenen zu 1. kein anderes Ergebnis, auch wenn er hierdurch der Alleingesellschafterin der Klägerin faktisch überlegen war. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine vermeintliche "faktische Machtposition" selbst gegenüber einer Einzelunternehmerin grundsätzlich nicht die Annahme von Selbstständigkeit rechtfertigt (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28). Dies gilt erst recht im Verhältnis zu einer juristischen Person wie der Klägerin, einer GmbH. Zwar sind ein besonderes Fachwissen und die Erfahrung eines Geschäftsführers für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens durchaus von Bedeutung. Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29-30) - hatte es aber allein die Alleingesellschafterin der Klägerin in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Beigeladenen zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck der Klägerin zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Beigeladenen zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Geschäftsführer zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Alleingesellschafterin der Klägerin zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen möglicherweise höhere Betriebskosten oder gar wirtschaftliche "Turbulenzen" der Klägerin ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden Rechtsmacht des Beigeladenen zu 1., solche Maßnahmen seiner Lebensgefährtin abzuwenden, nichts.

23

dd) Eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitete.

24

Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem "Gutdünken" führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31). Da der Senat der sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht nicht folgt, ist es ohne Belang, dass zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin im streitigen Zeitraum ohnehin keine familiären Bindungen bestanden, da sie lediglich eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bildeten.

25

Eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV). Darüber hinaus vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten (dazu unter c bb).

26

Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschiedenen Motiven geleitet werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall der besonderen Lebenssituation. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen hinzunehmen.

27

An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen § 7 Abs 1 SGB IV(vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7 SGB IV RdNr 1)sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl § 1 Abs 3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72 = Juris RdNr 15). Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.

28

3. Für Fehler bei der Berechnung der geforderten Beiträge bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

29

4. Die Kostenentscheidung folgt, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 159 S 2, § 162 Abs 3 VwGO.

30

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 und des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 werden aufgehoben, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betreffen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern 40 vH der notwendigen außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner bei der Klägerin zu 2. ausgeübten Tätigkeit als Vertriebsleiter in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.

2

Der Kläger zu 1. ist ausgebildeter Diplomkaufmann. Er ist - neben seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2. - Geschäftsführer und Gesellschafter von zwei weiteren Unternehmen (J.
GmbH und L. J. GmbH) und Kommanditist eines vierten Unternehmens (Ha CE L. J. GmbH & Co KG).

3

Bei der Klägerin zu 2. handelt es sich um eine 1998 gegründete GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Vertrieb von Lockenwicklern und Vogelnetzen, die sie von einem der anderen Unternehmen bezieht. Das Stammkapital beläuft sich auf 358 000 Euro. Alleinige Gesellschafterin sowie Geschäftsführerin war ab Oktober 2005 die Ehefrau des Klägers zu 1., eine gelernte Zahnarzthelferin und Bürokauffrau. Gemäß "Anstellungsvertrag" vom 30.4.2006 war der Kläger zu 1. ab 1.5.2006 Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. für die Bereiche Netze und Lockenwickler. Seit dem 17.8.2011 ist auch der Kläger zu 1. deren Geschäftsführer und seit dem 13.3.2012 zudem Gesellschafter mit der Hälfte des Stammkapitals. Bereits am 12.4.2001 übernahm der Kläger zu 1. zugunsten der Klägerin zu 2. ua eine Bürgschaft in Höhe von 384 000 Euro, die 2005 auf 375 000 Euro reduziert wurde.

4

Auf Antrag des Klägers zu 1. auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 10.3.2006 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 27.6.2007 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. seit Aufnahme dieser Tätigkeit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Kläger wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008 zurück.

5

Nach Klageerhebung hat die Beklagte mit Bescheiden vom 14.12.2009 gegenüber beiden Klägern unter Änderung ihrer früheren Bescheide festgestellt, dass wegen der Vertriebsleitertätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der mündlichen Verhandlung über die verbundenen Klagen hat die Beklagte diese Bescheide wegen des Einkommens des Klägers zu 1. hinsichtlich dessen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgehoben. Das SG hat die Bescheide der Beklagten auch im Übrigen aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. um eine insgesamt sozialversicherungsfreie Tätigkeit handele (Urteil vom 9.2.2011).

6

Das LSG hat die auf die Zeit bis zum 17.8.2011 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ausnahmsweise liege keine Beschäftigung vor, wenn es bei Familienunternehmen aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts des Arbeitgebers gegenüber dem vermeintlich Beschäftigten völlig mangele. Hiervon könne insbesondere bei demjenigen auszugehen sein, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten könne. Dies sei beim Kläger zu 1. der Fall gewesen. Er sei auch nicht in einem fremden, sondern in seinem eigenen Betrieb tätig gewesen und habe dabei keinen Weisungen unterlegen. Seine Ehefrau sei lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen in die Stellung als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. gerückt, ohne dass sie zu irgendeiner Zeit die Geschicke der Klägerin zu 2. beeinflusst oder gar bestimmt hätte. Sie habe sich vielmehr um die vier Kinder gekümmert und die Unternehmensleitung dem Kläger zu 1. überlassen. Dieser habe durch seine Ausbildung und seine einschlägige Berufserfahrung aufgrund seiner Tätigkeit für die anderen Unternehmen - im Gegensatz zu seiner Ehefrau - die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt, um die Geschäfte führen zu können. Im Fall eines Konfliktes mit seiner Ehefrau hätte er aufgrund seiner maßgeblichen Stellung in den anderen Unternehmen die Kunden der Klägerin zu 2. abziehen können. Damit hätten dem Kläger zu 1. erhebliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Zudem hätte er maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2. nehmen und ihm nicht genehme Weisungen abwenden können. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. gegenüber der Klägerin zu 2. eine Bürgschaft über einen Betrag in einer Höhe abgegeben, welche in etwa dem Stammkapital der Klägerin zu 2. entspreche (Urteil vom 22.11.2012).

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Auch wenn der Kläger zu 1. - wie in den anderen Unternehmen - unstreitig auch in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. vollkommen freie Hand gehabt habe und wie ein Alleininhaber habe frei schalten und walten können, habe das LSG gestützt auf die zum Leistungsrecht ergangene Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) zu Unrecht Selbstständigkeit angenommen. Entscheidendes Kriterium sei allein, ob der Betroffene rechtlich in der Lage sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Im Falle eines möglichen familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten komme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen in einem solchen Fall eine Weisungsunterworfenheit bestehen könne. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar. Auch die Übernahme einer Bürgschaft in beträchtlicher Höhe vermöge an der Statusbeurteilung nichts zu ändern, da es im Wirtschaftsleben üblich sei, die Ehepartner eines Unternehmensinhabers ohne Rücksicht auf deren Stellung im Unternehmen zu Bürgschaften heranzuziehen.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 die Klage abzuweisen, soweit sie die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betrifft.

9

Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

11

Die Beigeladene teilt die Rechtsauffassung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit die Klage die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 betrifft. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich in diesem Umfang als rechtmäßig.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 27.6.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008, abgeändert durch den nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 14.12.2009.

14

Materiell betrifft der Rechtsstreit nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG bzw vor dem Senat ihre Bescheide teilweise aufgehoben und ihre Berufung hinsichtlich des Zeitraums ab 17.8.2011 zurückgenommen.

15

2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Unrecht verneint. Der Kläger zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die für die Tätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Klägers zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete (hierzu c).

16

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754 bzw ab 1.1.2007 idF des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926; § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 S 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu aa). Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (dazu bb). Diese sind ebenfalls nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen(dazu cc). Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu dd) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

18

aa) Der Tätigkeit des Klägers zu 1. lag eine schriftliche, ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung vom 30.4.2006 zugrunde. Danach wurde der Kläger zu 1. zum 1.5.2006 als Vertriebsleiter für die Bereiche Netze und Lockenwickler - also unterhalb der Ebene eines Geschäftsführers und nur mit einem beschränkten Aufgabengebiet - von der Klägerin zu 2. angestellt. Hierfür erhielt er ein festes monatliches Gehalt von zunächst 6000 Euro bzw 8000 Euro ab dem 1.11.2006. Es wurden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten sowie ein Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen vereinbart. Der Anstellungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Kündigung war nur aus wichtigen Gründen möglich. Eine Beteiligung des Klägers zu 1. an anderen Unternehmen sowie die Mitgliedschaft in Organen fremder Gesellschaften waren anzeigepflichtig.

19

bb) Ausdrückliche Änderungen des schriftlichen Anstellungsvertrags hat das LSG im noch streitigen Zeitraum nicht festgestellt. Erst danach änderte sich die Tätigkeit des Klägers zu 1. in rechtlich anzuerkennender Weise, indem er am 17.8.2011 als weiterer Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ins Handelsregister eingetragen wurde und später die Hälfte der Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 2. erwarb. Dem hat die Beklagte durch eine teilweise Rücknahme der Berufung bereits Rechnung getragen.

20

Darüber hinaus ergeben sich - unabhängig vom vereinbarten Schriftformerfordernis - auch keine Anhaltspunkte für eine rechtlich anzuerkennende konkludente Vertragsänderung. Dass der Kläger zu 1. nach den Feststellungen des LSG vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. hatte, also faktisch wie deren Geschäftsführer aufgetreten ist und gehandelt hat, ändert an seiner vertraglichen Stellung schon deshalb nichts, weil nach § 6 Abs 3 S 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Bestellung der Geschäftsführer entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG(ua im Fall der Führungslosigkeit, hierzu § 35 Abs 1 S 2 GmbHG) erfolgt und nach § 39 Abs 1 GmbHG jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Dies ist im noch streitigen Zeitraum nicht erfolgt.

21

cc) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Klägern auch nicht nur zum Schein getroffen. Vielmehr erfolgte die Bestellung der Ehefrau des Klägers zu 1. zur Alleingesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. nach diesen Feststellungen aus wirtschaftlichen Gründen und damit absichtlich. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Anstellung des Klägers zu 1. unterhalb der Geschäftsführung von den Beteiligten ganz bewusst so gewollt war, sodass der erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes voraussetzte (vgl hierzu Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 117 RdNr 4 mwN).

22

dd) Die vertraglichen Abreden zwischen den Klägern sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen (siehe vorstehend aa bis cc) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. In der ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, wie zB die Regelungen über ein festes Entgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vertragliche Stellung des Klägers zu 1. bei der Klägerin zu 2. noch unterhalb der Stellung eines Geschäftsführers und damit auf der Ebene eines leitenden Angestellten angesiedelt ist. Dagegen spricht nicht die Beschränkung der Kündigung auf wichtige Gründe, die uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für beide Seiten vereinbart werden kann (vgl Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 622 RdNr 9).

23

c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor: Der Kläger zu 1. übte iS von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil der Kläger zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte (dazu dd).

24

aa) Entgegen der Auffassung des LSG war der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum in einem fremden und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin zu 2., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18).

25

bb) Die vom Kläger zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit, wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit "im Alltag" keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182, Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN).

26

Entscheidend ist insoweit, dass der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter an der Klägerin zu 2. beteiligt war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen von Seiten der Geschäftsführung der Klägerin zu 2., zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität - und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 7, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

27

cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis. Dies hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits herausgearbeitet (zur Bürgschaft vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN; zur "faktischen Machtposition" vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28 f): Zwar können nach der Rechtsprechung des BSG auch wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten beachtenswert sein, soweit sie - was hier nicht der Fall ist - dem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f; vgl auch BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN). Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29) - hatte es aber allein die Ehefrau des Klägers zu 1. als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Kläger zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck der Klägerin zu 2. zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Kläger zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Vertriebsleiter zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Ehefrau des Klägers zu 1. zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen sowie auf die Bürgschaft möglicherweise höhere Betriebskosten oder gar wirtschaftliche Turbulenzen der Klägerin zu 2. ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden Rechtsmacht des Klägers zu 1., solche Maßnahmen seiner Ehefrau abzuwenden, nichts. Bezüglich der Bewertung wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten ist zudem zu beachten, dass die Übernahme einer Bürgschaft nicht mit der Gewährung eines Darlehens (hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f) zu vergleichen ist, denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber durch die Kündigung des Darlehens in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer Bürgschaft, da diese idR nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten dient und selbst im Fall ihrer Kündigung bzw Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann.

28

dd) Eine Selbstständigkeit des Klägers zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete.

29

Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31).

30

Eine solche Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d) SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV). Schließlich vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten (dazu oben unter bb).

31

Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschieden Motiven geleitet werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall unternehmenspolitischen Notwendigkeiten. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen hinzunehmen.

32

An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen § 7 Abs 1 SGB IV(vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7 SGB IV RdNr 1)sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl § 1 Abs 3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr 15). Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.

33

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Daher ist die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der VwGO bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 1. - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört(vgl BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 11, so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2014 - L 1 KR 271/13 - Juris RdNr 32 mwN).

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Beigeladenen zu 3. bis 5. in ihren Tätigkeiten als sozialpädagogische Familienhelfer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlagen.

2

Der klagende Landkreis setzte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Sicherstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe - neben freien Trägern der Jugendhilfe - sowohl bei ihm beschäftigte Fachkräfte ein als auch von ihm als selbstständig tätig angesehene Mitarbeiter. Die Aufgabe der Mitarbeiter bestand darin, jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufzusuchen und diese vor Ort zu unterstützen. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. sind Diplom-Sozialpädagogen und waren als Familienhelfer von 1997 bzw 1998 bis 22.10.2000 (Beigeladene zu 4.), bis 30.11.2000 (Beigeladener zu 5.) und bis Mai 2006 (Beigeladene zu 3.) für den Kläger tätig. Die vom Kläger mit den Beigeladenen zu 3. bis 5. geschlossenen schriftlichen Vereinbarungen über die Betreuung einer bestimmten, jeweils benannten Familie im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe sahen ua vor, dass die Tätigkeit im Rahmen einer selbstständigen Berufsausübung stattfinden sollte und die Betreuung und Begleitung der Familie im Sinne der Konzeption der sozialpädagogischen Hilfe des Klägers zu erfolgen hatte; im Übrigen sollten die Arbeitsbedingungen frei gestaltet werden können, insbesondere konnten die Einsatzzeiten durch Absprache frei bestimmt werden, und sollte das (monatlich auszuzahlende) Bruttohonorar 60 DM - später 34 Euro - pro abrechenbarer Stunde betragen. Weiter war vereinbart, dass pro Monat und Familie bis zu 60 Stunden - später bis zu 100 Stunden - abrechenbar waren, welche Tätigkeiten der Honorarrechnung zugrunde gelegt werden durften und welche Tätigkeiten nicht abrechenbar waren. Für die Versteuerung der Honorare hatten die Beigeladenen zu 3. bis 5. selbst Sorge zu tragen; Ansprüche auf Erholungsurlaub sowie im Krankheitsfall sollten nicht bestehen. Berichte waren im halbjährlichen Abstand sowie zum Abschluss der Maßnahme, ab 2005 auch vor der Fortschreibung des Hilfeplans, zu erstellen. Bei einer Kindeswohlgefährdung war nach eigener Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine erfahrene Fachkraft hinzuzuziehen und ggf das Jugendamt zu informieren. Die Vereinbarungen sahen schließlich eine dreimonatige Probezeit sowie eine Verlängerungsmöglichkeit, seit 2005 für je ein halbes Jahr, und die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung vor, insbesondere wenn das Betreuungsziel erreicht wurde oder die Mitarbeit der Familien nicht mehr gewährleistet war. Aufträge durften jederzeit abgelehnt werden.

3

Die Beigeladenen zu 3. bis 5. beantragten 1999 bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung ihrer Sozialversicherungspflicht. Mit jeweils an diese Beigeladenen und den Kläger gerichteten Bescheiden vom 11.10.1999 und 14.10.1999 stellte die Beklagte fest, dass sie in ihrer Tätigkeit als sozialpädagogische Familienhelfer bei dem Kläger beschäftigt gewesen seien und deshalb der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlägen. Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 11.1.2001 zurück.

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 30.1.2008). Die Berufungen des zu 1. beigeladenen Rentenversicherungsträgers und der Beigeladenen zu 3. hat das LSG zurückgewiesen: Die Beigeladenen zu 3. bis 5. seien vom 1.1.1999 bis zum Ende ihrer jeweiligen Beschäftigung nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die getroffenen Vereinbarungen böten wenige Anhaltspunkte für eine Beschäftigung, sondern sprächen für eine selbstständige Tätigkeit. Es habe an einer Eingliederung in den Betrieb des Klägers gefehlt. Eine solche ergebe sich weder aus dem Konzept der sozialpädagogischen Familienhilfe des Klägers noch aus einer nicht verpflichtenden, aber vom Kläger gewünschten Teilnahme an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen. Den Familienhelfern sei es im Hinblick auf den relativ geringen zeitlichen Umfang möglich gewesen, ihre Arbeitskraft anderen Auftraggebern anzubieten. Ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. habe sich weder aus den Vereinbarungen noch aus dem Konzept der Familienhilfe ergeben und sei auch in der Praxis nicht wahrgenommen worden. Den Berichtspflichten und der vereinbarten Verfahrensweise bei Kindeswohlgefährdung sei keine Ermächtigung zu entnehmen, konkrete Anweisungen zu erteilen. Aus der in § 79 Abs 1 SGB VIII geregelten Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lasse sich nicht die Unzulässigkeit des Einsatzes selbstständig tätiger Familienhelfer herleiten. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten ein Unternehmerrisiko getragen, weil sie nicht mit gleich hohen Einnahmen hätten rechnen können und weil sie die Möglichkeit gehabt hätten, auch für andere Träger tätig zu werden (Urteil vom 21.5.2010).

5

Die Beigeladene zu 1. rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Das BAG habe in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327) bei einem Einsatz in der sozialpädagogischen Familienhilfe nach § 31 SGB VIII ein Arbeitsverhältnis der Familienhelfer bejaht. Aus § 79 SGB VIII ergäben sich Weisungsbefugnisse und Überwachungsmöglichkeiten des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe, die einer freien Gestaltung der Tätigkeit und Bestimmung der Arbeitszeit der Familienhelfer entgegenstünden. Der Träger sei danach verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung sowie in Erfüllung seines Schutzauftrages gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und sonstigen Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten und ihnen Weisungen erteilt werden könnten. Dementsprechend müssten die geschlossenen Vereinbarungen dahin ausgelegt werden, dass von den Vertragsparteien eine Beschäftigung gewollt sei. In der Termingestaltung seien Familienhelfer an den sich aus dem Hilfeplan ergebenden Umfang und an die Wünsche und Bedürfnisse der betreuten Familie gebunden gewesen. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei der geringe Umfang der Tätigkeit. Ein Unternehmerrisiko hätten die Beigeladenen zu 3. bis 5. nicht getragen.

6

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 und des Sozialgerichts München vom 30. Januar 2008 zu ändern und die Klage gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Beigeladenen zu 3. bis 5. in den Bescheiden vom 11. Oktober 1999 und 14. Oktober 1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Januar 2001 abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 1. zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

9

Die Beklagte, die zu 2. beigeladene Bundesagentur für Arbeit, die Beigeladenen zu 3. bis 5. sowie die zu 6. beigeladene Pflegekasse stellen keinen Antrag.

10

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2. und 3. schließen sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1. an. Die Beigeladene zu 3. führt ergänzend aus, für eine abhängige Beschäftigung sprächen die Teambesprechungen, Supervisionen und Fortbildungen in Räumen des Klägers und unter Leitung seiner Fachkraft.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 1. (Rentenversicherungsträger) ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

12

Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beigeladenen zu 1. - soweit sie die Feststellung der Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. betrifft - gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle rechtswidrig seien, weil die Beigeladenen zu 3. bis 5. in ihren Tätigkeiten als Familienhelfer ua in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig gewesen seien. Die aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. gewonnene Beurteilung des LSG, dass diese selbstständig tätig waren, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Beschäftigte zu Recht festgestellt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

13

1. Im Revisionsverfahren sind die Bescheide vom 11.10.1999 und 14.10.1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.1.2001 nur insoweit zu überprüfen, als die Beklagte mit ihnen die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt hat. Die Beigeladene zu 1. hat ihre Revision entsprechend beschränkt, weil sie durch die ihre Berufung zurückweisende Entscheidung des LSG nur insoweit beschwert ist, als es die die Rentenversicherung betreffenden Feststellungen der Beklagten betrifft (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 15/10 R - USK 2011-124, Juris RdNr 19). Insoweit war sie rechtsmittelbefugt, obwohl sie die Bescheide nicht selbst mit der Klage angefochten hatte (vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr 9).

14

2. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.

15

In den hier streitigen, vom LSG zugrunde gelegten Zeiträumen der Tätigkeit ab 1.1.1999 bis längstens Mai 2006 (Beigeladene zu 3.) unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Das kann bei manchen Tätigkeiten - auch in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17 ; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN).

16

3. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).

17

a) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1. ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit von Familienhelfern - wie den Beigeladenen zu 3. bis 5. - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.

18

Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 - BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlich maßgebliche Form der Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.

19

Auch § 8a SGB VIII konnte nicht ohne Weiteres die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. vom Kläger begründen. Zum einen wurde die Regelung erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt und galt damit im hier streitigen Zeitraum größtenteils noch nicht. Zum anderen besagen auch der darin ausgesprochene Schutzauftrag des Jugendamts bei Kindeswohlgefährdung und die näher geregelten, dem Jugendamt obliegenden Pflichten in dieser Allgemeinheit nichts darüber, wie bzw mit welchem Status Mitarbeiter zur Erfüllung der Aufgaben heranzuziehen sind. Weshalb die von der Beigeladenen zu 1. im Revisionsverfahren angeführten Vorschriften speziell des Berliner Landesrechts Einfluss auf die Beurteilung der Rechtslage im hier betroffenen Freistaat Bayern haben sollten, erschließt sich nicht.

20

Ob - wie die Beigeladene zu 1. meint - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in der Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.

21

b) Das LSG hat die unter 2. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff). Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.

22

Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und schließlich eine Gesamtschau der Indizien vorgenommen. So hat es die getroffenen schriftlichen Vereinbarungen betrachtet und daraus hergeleitet, dass diese wenige Anhaltspunkte für eine Beschäftigung böten, sondern für eine selbstständige Tätigkeit sprächen. Eine - für Beschäftigung sprechende - Eingliederung in den Betrieb des Klägers hat es verneint, weil diese weder aus seinem Konzept der sozialpädagogischen Familienhilfe noch aus der Teilnahme der Beigeladenen an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen hergeleitet werden könne. Ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. folge nicht aus den Vereinbarungen und sei auch in der Praxis nicht wahrgenommen worden. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten so Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit im Wesentlichen unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmt. In den Berichtspflichten der Beigeladenen und der vereinbarten Verfahrensweise bei Kindeswohlgefährdung hat das LSG keinen Anhaltspunkt für die Erteilung konkreter Anweisungen gesehen. Für die Selbstständigkeit hat es sodann als ausschlaggebend angesehen, dass es den Familienhelfern im Hinblick auf den relativ geringen zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit (sechs Stunden wöchentlich) möglich gewesen sei, ihre Arbeitskraft anderen Auftraggebern anzubieten. Auch eine "Umetikettierung" bislang abhängiger Beschäftigungsverhältnisse in eine selbstständige Tätigkeit habe nicht vorgelegen. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten ein Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - aaO, RdNr 25 mwN) getragen, weil sie nicht mit gleich hohen Einnahmen hätten rechnen können, und jederzeit die Möglichkeit gehabt hätten, Aufträge abzulehnen und auch anderweitig in ihrem Beruf tätig zu werden. Weitere Hinweise für eine selbstständige Tätigkeit seien das Fehlen von Ansprüchen auf Erholungsurlaub und von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gewesen.

23

c) Das Urteil des LSG kann jedoch trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ausgangspunkts keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten bislang nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladenen zu 3. bis 5. seien als sozialpädagogische Familienhelfer für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.

24

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 2. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).

25

Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.

26

So hätte vor allem zunächst genauer ermittelt und dann gewürdigt werden müssen, in welchen konkreten Punkten sich der Einsatz der vom Kläger als selbstständig angesehenen Beigeladenen zu 3. bis 5. als sozialpädagogische Familienhelfer von demjenigen der Familienhelfer in einem Beschäftigungsverhältnis unterschied. Dazu bestand im vorliegenden Fall besonderer Anlass. Nach dem eigenen protokollierten Vorbringen des Klägers und den Ausführungen der Beigeladenen zu 3. in der mündlichen Verhandlung beim SG am 30.1.2008 wurde die sozialpädagogische Familienhilfe bei dem Kläger nämlich ursprünglich (jedenfalls noch) im Jahr 1989 mit festangestellten Mitarbeitern des Jugendamtes durchgeführt und erst dann (auch?) mittels "Honorarkräften" wahrgenommen; zudem hat der Kläger im Verfahren vor dem SG (Schriftsatz vom 15.11.2005) ausgeführt, dass im betroffenen Landkreis "ca 50 % aller Fälle der sozialpädagogischen Familienhilfe freien Trägern übertragen" würden, die entschieden, "mit welchen Arbeitnehmern oder mit welchen Subunternehmern" sie ihre gegenüber dem Kläger eingegangenen Verpflichtungen erfüllten. Gleiches folgt aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beim LSG am 21.5.2010, wonach für den Kläger zwei Personen auch "fest angestellt in der Familienhilfe" tätig waren. Wurden die vom Kläger als Jugendhilfeträger gegenüber den jugendhilferechtlich anspruchsberechtigten Familien zu erbringenden Leistungen danach aber ursprünglich sogar durchgehend und später jedenfalls "auch" von Beschäftigten erbracht, hätten im sozialgerichtlichen Verfahren zunächst nähere Ermittlungen dazu nahegelegen, durch welche Umstände von Gewicht sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. etwa von einer (ggf befristeten, möglicherweise projektbezogenen) Teilzeitbeschäftigung von Familienhelfern unterschied. Vor diesem Hintergrund könnte es sich hier so verhalten, dass auch Letztere sich in ihrer Tätigkeit in erster Linie nur jugendhilferechtlichen Rahmenvorgaben gegenübersahen und sie sich - ähnlich wie die Beigeladenen zu 3. bis 5. - in ihrer Betreuungstätigkeit bei den Familien in deren Wohnung ausschließlich an den Zeitvorgaben und Bedürfnissen der Hilfebedürftigen ausrichten mussten, mit der Folge, dass sich die Gestaltungsfreiräume in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit und die Bedingungen in Bezug auf erforderlichen Kapitaleinsatz nicht unterschieden, also möglicherweise gleichartig waren. Allein die Nichtgewährung von arbeitnehmertypischen Leistungen wie Erholungsurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf die das LSG bei seiner Würdigung ergänzend abgestellt hat, könnte einen Erwerbstätigen, der in persönlicher Abhängigkeit arbeitnehmertypische Dienste gegen eine erfolgsunabhängige Stundenvergütung zu verrichten hat, dann noch nicht als Selbstständigen qualifizieren.

27

Bei alledem haben die Vorinstanzen auch dem Umstand keine hinreichende Beachtung geschenkt, dass im Zuge des Einsatzes der Beigeladenen zu 3. bis 5. als sozialpädagogische Familienhelfer - mit Grundlage in den schriftlichen Vereinbarungen - engmaschig, nämlich in ca zweiwöchigem Rhythmus, mehrstündige "Teamgespräche" erfolgten, die von einem Sozialarbeiter des Klägers geleitet wurden, in Räumlichkeiten des Klägers stattfanden und deren Teilnahme den Beigeladenen zu 3. bis 5. als bei der Honorarberechnung berücksichtigungsfähiger Zeitaufwand vergütet wurde. Zwar hat das LSG ausgeführt, die Teambesprechungen hätten zum gegenseitigen Austausch und zur Beratung zur Verfügung gestanden; welchen genauen Ablauf und Inhalt diese Besprechungen hatten und welchem Zweck sie dienten, hat das Berufungsgericht jedoch nicht ermittelt. Diese Veranstaltungen könnten über die bloße Information für Abrechnungszwecke und zur Vorbereitung behördlicher Entscheidungen über die Fortgewährung von Jugendhilfeleistungen hinausgegangen, nämlich etwa zu Kontrollzwecken genutzt worden sein. Der Umstand, dass - wie das LSG festgestellt hat - die Teilnahme an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen nicht verpflichtend, aber erwünscht war, könnte dafür sprechen, dass die Beigeladenen zu 3. bis 5. wie bei dem Kläger beschäftigte Familienhelfer infolge enger kontinuierlicher Anbindung in dessen Betriebsorganisation eingegliedert waren und ggf auch Weisungen unterlagen. Insgesamt ist unklar, welchen tatsächlichen Inhalt und welche Konsequenzen diesen wiederholten mehrstündigen Zusammenkünften und Besprechungen zukam. Insoweit ist im Verfahren von Erfahrungsaustausch und Beratung, aber auch von Maßnahmen zur Qualitätssicherung die Rede. Gerade aus einer näheren Betrachtung dieser Veranstaltungen könnten Erkenntnisse folgen, die in eine Gesamtabwägung aller Indizien eingehen müssen, insbesondere was die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation und die Ausübung von Weisungsrechten betrifft.

28

Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob über die jeweils nur auf eine Familie bezogenen schriftlichen, allerdings sehr detailliert ausgearbeiteten Einzelvereinbarungen hinaus aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 3. bis 5. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelfer, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der genannten Beigeladenen sprechen.

29

d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladenen zu 3. bis 5. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelfer in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig waren. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.

30

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben, allerdings - anders als von ihm angenommen - gemäß § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) am 2.1.2002 geltenden Fassung (aF). In Verfahren, die wie hier vor dem Inkrafttreten des 6. SGGÄndG anhängig gewesen sind, ergeht die Kostenentscheidung in jedem Rechtszug unabhängig vom Entscheidungszeitpunkt auf der Grundlage des § 193 SGG aF; § 197a SGG idF des 6. SGGÄndG ist nicht anwendbar (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 1 RdNr 7).

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass er Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren nicht zu entrichten hat.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer für eine Tätigkeit als Steuerberater erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).

2

Der 1977 geborene Kläger war als Steuerberater in einer Steuerberaterkanzlei beschäftigt. Auf seinen Antrag befreite ihn die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund durch Bescheid vom 7.4.2005 von der Versicherungspflicht in der GRV ab 10.2.2005 hinsichtlich seiner Beschäftigung bzw Tätigkeit als Steuerberater aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und seiner Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung in der Bayerischen Versorgungskammer. Mit Schreiben vom 22.3.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er zum 3.4.2006 als Referendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten und demzufolge seine Steuerberaterzulassung mit Ablauf des 31.3.2006 niederlegen werde. Die Bayerische Versorgungskammer informierte die Beklagte darüber, dass der Kläger bis 31.3.2006 kraft Gesetzes ihr Pflichtmitglied gewesen sei; die Mitgliedschaft werde ab 1.4.2006 freiwillig fortgesetzt. Die Beklagte hob daraufhin den früheren Befreiungsbescheid mit Bescheid vom 17.5.2006 auf, da der Kläger aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden sei. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs 5 SGB VI über den 31.3.2006 hinaus. Er habe auf seine Zulassung als Steuerberater für die Dauer des Referendariats verzichten müssen; die bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei werde als genehmigte Nebentätigkeit zum Referendariat auf 400-Euro-Basis fortgeführt; an die zuständige Versorgungskammer werde er den Grundbeitrag abführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

3

Die dagegen erhobene Klage hat das SG durch Urteil vom 14.2.2008 abgewiesen, die Berufung hat das LSG durch Urteil vom 17.12.2009 zurückgewiesen: Bei der vom Kläger während der Referendarzeit ausgeübten Beschäftigung als Steuerberater habe es sich um die Beschäftigung gehandelt, für die die Beklagte ursprünglich die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine "andere" versicherungspflichtige Tätigkeit iS von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI gehandelt habe. Mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Steuerberaterkammer seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI entfallen. Über den zusätzlichen Antrag des Klägers auf Abführung der Rentenversicherungsbeiträge an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung sei nicht zu entscheiden, weil er erstmals nach Ablauf der Klagefrist geltend gemacht worden sei. Der Antrag setze zudem die Aufhebung der angefochtenen Bescheide voraus, dem schon nicht stattzugeben sei.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG, § 75 Abs 2 SGG sowie von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI. Das LSG habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, indem es seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, dass er während des Referendariats als Steuerberater weitergearbeitet habe. Tatsächlich habe es sich bei der Tätigkeit mit einem wöchentlichen Zeitdeputat von fünf Stunden um eine Hilfstätigkeit gehandelt, die eine Qualifikation als Steuerberater nicht voraussetzte. Die Abweisung des zweiten Klageantrags wegen Verfristung sei verfahrensfehlerhaft überraschend erfolgt. Die DRV Knappschaft-Bahn-See habe als zuständige Einzugsstelle beigeladen werden müssen. In der Sache erfülle die ab 1.4.2006 ausgeübte Beschäftigung die Voraussetzungen nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI, da sie befristet gewesen sei und die Vorschrift das weitere Vorliegen der Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 SGB VI nicht verlange.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 und des Sozialgerichts München vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2006 aufzuheben und

        

1.    

festzustellen, dass die im Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch die ab dem 1. April 2006 ausgeübte Beschäftigung in einer Steuerberaterkanzlei erfasst,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die in ihrem Bescheid vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch auf diese Beschäftigung zu erstrecken,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die für ihn im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2008 an die Einzugsstelle abgeführten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 1896 Euro zu seinen Gunsten an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zu überführen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Sie verweist auf den Gesetzeswortlaut von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI, der ausdrücklich von einer "Erstreckung" der Befreiung von der Versicherungspflicht spreche. Demzufolge müssten die Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 SGB VI auch bei Ausübung einer Tätigkeit oder Beschäftigung iS von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI weiterhin vorliegen. Dafür gebe es entgegen der Ansicht des Klägers auch durchaus Anwendungsfälle.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist insgesamt unbegründet.

9

Die vorinstanzlichen Urteile lassen Rechtsfehler zu Lasten des Klägers nicht erkennen. Das LSG hat die Rechtmäßigkeit der durch die angegriffenen Bescheide der beklagten DRV erfolgten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV zu Recht angenommen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht entfallen sind und daher die ursprüngliche Befreiung von der Versicherungspflicht die im streitigen Zeitraum vom 1.4.2006 bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG ferner entschieden, dass sich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV nicht auf die ab 1.4.2006 ausgeübte Beschäftigung "erstreckt". Schließlich hat es die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Überführung der insoweit geleisteten Rentenversicherungsbeiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung rechtsfehlerfrei abgewiesen.

10

1. Die Klage ist hinsichtlich der Frage der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Anfechtungs- und Feststellungsklage, der Hilfsantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (dazu a); hinsichtlich der Überführung der geleisteten Beiträge zur GRV an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist die Klage unzulässig (dazu b). Einer Beiladung der DRV Knappschaft-Bahn-See zum Rechtsstreit noch im Revisionsverfahren (vgl § 168 S 2 SGG) bedurfte es bei alledem nicht (dazu c).

11

a) Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2006 wendet, ist seine Klage als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) verbunden mit einer Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) bzw verbunden mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) zulässig. Eine isolierte Anfechtungsklage würde seinem Begehren nur unzureichend Rechnung tragen. Es ist nämlich nicht auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV beschränkt. Vielmehr macht der Kläger geltend, dass er auch in der im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung von der Versicherungspflicht befreit bzw zu befreien sei.

12

Für das Hauptbegehren des Klägers ist die Feststellungsklage statthaft und zulässig, weil er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens und des Umfangs seiner Befreiung von der Versicherungspflicht hat. Für sein Hilfsbegehren ist die Verpflichtungsklage statthaft. Zwar legt der Wortlaut von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI nicht zwingend des Schluss nahe, dass über die Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil der darin verwendete Begriff der "Erstreckung" dahingehend verstanden werden könnte, dass es lediglich um eine unmittelbar aus dem Gesetz abzuleitende Definition der Reichweite der Befreiung von der Versicherungspflicht geht(so werden die Ausführungen in BSG SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 9 interpretiert; vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung 5/2008, K § 6 RdNr 136 mwN; Gürtner in Kasseler Komm, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011, § 6 SGB VI RdNr 31). Hiergegen spricht jedoch, dass über die "Erstreckung" der Befreiung - ebenso wie über die ursprüngliche Befreiung selbst - vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden muss (vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung 5/2008, K § 6 RdNr 136). Ein solcher ist mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten.

13

b) Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung hat das LSG die Klage insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger sein Begehren erstmalig im Klageverfahren geltend gemacht hat, damit nicht zuvor an die Beklagte herangetreten, keine entsprechende Verwaltungsentscheidung ergangen und auch kein Vorverfahren durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Klage insoweit auch nicht als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig, weil dies voraussetzen würde, dass ein entsprechender Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der Kläger schon deshalb ein über die Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Beiträge nach § 26 Abs 2 SGB IV hinaus gehendes Begehren verfolgt, weil er ausdrücklich eine unmittelbare Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung beantragt hat. Darüber hinaus wäre eine Entscheidung der Beklagten auch deshalb erforderlich, weil ein Beitragserstattungsanspruch nach § 26 Abs 3 S 1 SGB IV nur demjenigen zusteht, der die Beiträge "getragen" hat. Da der Kläger auch eine Überführung des von seinem Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils begehrt und sich insoweit auf eine entsprechende Abtretung beruft, wäre eine Entscheidung der Beklagten über deren Wirksamkeit erforderlich gewesen.

14

c) Einer abschließenden Sachentscheidung des Senats steht in prozessualer Hinsicht die unterbliebene Beiladung der DRV Knappschaft-Bahn-See nicht entgegen. Auf eine Beiladung im Revisionsverfahren kann nämlich verzichtet werden, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits den Beizuladenden weder verfahrens- noch materiell-rechtlich benachteiligen kann (so zB BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 20 mwN; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34). So verhält es sich hier. Da die Klage hinsichtlich der begehrten Überführung der Beiträge bereits unzulässig ist, ist eine Betroffenheit der DRV Knappschaft-Bahn-See unter keinem verfahrens- oder materiell-rechtlichen Aspekt denkbar.

15

2. Die Vorinstanzen haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind (dazu a) und zutreffend angenommen, dass die ursprünglich ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV die im streitigen Zeitraum vom 1.4.2006 bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst (dazu b), sowie - im Ergebnis - zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die spätere Beschäftigung abgelehnt (dazu c).

16

a) Die Aufhebung des die Befreiung von der Versicherungspflicht regelnden ursprünglichen Verwaltungsakts vom 7.4.2005 durch die hier angefochtenen Bescheide der Beklagten ist rechtmäßig, weil in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

17

aa) Die Beklagte war grundsätzlich zur auf diese Regelung gestützten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides berechtigt, weil das Recht des SGB VI insoweit keine Sonderregelung iS von § 37 S 1 SGB I enthält.

18

Zwar hat der 5. Senat des BSG entschieden, dass sich aus dem Tätigkeitsbezug der Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 und § 231 SGB VI eine von vornherein auf die jeweilige Tätigkeit oder Beschäftigung beschränkte Wirkung der Befreiung ergebe. In Bezug auf eine andere Beschäftigung werde der Befreiungsbescheid nicht rechtswidrig, sondern lediglich gegenstandslos (so BSGE 83, 74, 78 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59). Ein solcher Befreiungsbescheid erledige sich auch nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise, da er bei der erneuten Aufnahme der ursprünglichen Beschäftigung Wirkungen entfalte und es insoweit keines neuen Befreiungsantrags bedürfe. Der - im vorliegenden Revisionsverfahren zuständige - 12. Senat des BSG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und ausgeführt, dass ein Befreiungsbescheid selbst bei Befreiungen, die vor dem 1.1.1992 nach § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben werden muss, da die Versicherungspflicht in einer anderen Beschäftigung kraft Gesetzes eintritt(SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 10). Gegenstand dieser Rechtsprechung waren allerdings jeweils Sachverhalte, in denen über die Reichweite einer früher ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht gestritten wurde, nicht aber ging es - wie vorliegend - um die Rechtmäßigkeit einer erfolgten ausdrücklichen Aufhebung eines Verwaltungsakts über die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die zitierte Rechtsprechung schließt daher nicht aus, dass der Rentenversicherungsträger jedenfalls gleichwohl einen entsprechenden Verwaltungsakt über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs 1 SGB X - quasi deklaratorisch - aufhebt.

19

bb) Eine von der Beklagten zugrunde gelegte Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist hier bereits deshalb anzunehmen, weil der Kläger mit Ablauf des 31.3.2006 nicht länger als Steuerberater tätig war. Mit der Niederlegung seiner Zulassung als Steuerberater und infolgedessen seinem Ausscheiden aus der Steuerberaterkammer mit Ablauf des 31.3.2006 entfiel die von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) vorausgesetzte, kraft gesetzlicher Verpflichtung bestehende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer. Der nachträgliche Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen führt regelmäßig zur Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft(so für das Ausscheiden aus der Berufsgruppe, für die die Versorgungseinrichtung errichtet wurde, BSGE 80, 215, 217 und LS 1 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 1997-9733).

20

cc) Die Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist auch "wesentlich" iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, da sie zum Wegfall einer Voraussetzung für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führt und ein Fortbestand des Befreiungsstatus nicht in Betracht kommt. Bereits die Aufgabe der Tätigkeit als (zugelassener) Steuerberater ist als "wesentliche" Änderung zu qualifizieren, da § 6 Abs 5 S 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt(vgl bereits BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 mwN; BSG SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 9 ff; s hierzu nunmehr auch näher Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R und B 12 R 5/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht konnte daher weder die in der Steuerberaterkanzlei ab 1.4.2006 verrichtete Beschäftigung umfassen (dazu b) noch kommt eine "Erstreckung" der Befreiung auf diese Beschäftigung in Betracht (dazu c).

21

dd) Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 17.5.2006 ist im Übrigen nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den Kläger nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X vor Erlass des Bescheids angehört hatte. Die Anhörung holte die Beklagte im Widerspruchsverfahren nach, wodurch Heilung eintrat (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X).

22

b) Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass der Kläger in seiner im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung, hinsichtlich derer der Kläger nach den Feststellungen des LSG auf die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung (vgl § 5 Abs 2 S 2 SGB VI idF vom 23.12.2002, BGBl I 4621) verzichtete, nicht von der Versicherungspflicht in der GRV befreit war. Die insoweit ausgeübte Beschäftigung führte auch nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und erfüllte daher nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Schließlich umfasste die für die frühere Tätigkeit als Steuerberater ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht nicht die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung, da der Verwaltungsakt über die Befreiung von der Versicherungspflicht zu Recht von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde.

23

c) Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die vom Kläger hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die ursprüngliche Befreiung von der Versicherungspflicht auch auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung als andere versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI zu "erstrecken".

24

aa) Der Auffassung des LSG, die Anwendung von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung mit der zuvor verrichteten Tätigkeit als Steuerberater identisch gewesen sei und daher keine andere versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne der Vorschrift vorgelegen habe, ist allerdings nicht zu folgen. Zwar führte der Kläger noch im Widerspruchsverfahren aus, dass er seine bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei J. K., auf die sich die bisherige Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI bezog, als genehmigte Tätigkeit zum Referendariat auf "400 Euro-Basis" fortführe. Eine "Identität" der früheren Tätigkeit als Steuerberater mit der ab 1.4.2006 ausgeübten Beschäftigung kann aber schon deshalb nicht vorliegen, weil der Kläger nach eigenen Angaben mit Ablauf des 31.3.2006 seine Zulassung als Steuerberater niedergelegt hatte; nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) war er aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden und durfte daher nicht länger als Steuerberater tätig sein (vgl § 32 Abs 2, § 40 Abs 1 S 1, § 46 Abs 2 Steuerberatungsgesetz).

25

bb) Im Ergebnis zutreffend hat das LSG eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI abgelehnt. Es kann offenbleiben, ob die Erstreckung nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI - ebenso wie die ursprüngliche Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI - von einem vorherigen Antrag(§ 6 Abs 2 SGB VI) abhängig ist. Hierfür könnte sprechen, dass nach der Systematik des Befreiungsrechts ggf auch die Erstreckung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit in der Dispositionsfreiheit des Versicherungspflichtigen liegen muss. Jedenfalls verlangt die Anwendung der Vorschrift ua das ununterbrochene Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck.

26

(1) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 5 S 2 SGB VI "erstreckt" sich die Befreiung in den Fällen des Abs 1 Nr 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Die danach vorgesehene "Erstreckung" der Befreiung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit kommt nur in Betracht, wenn der zur ursprünglichen Befreiung führende Sachverhalt (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) auch weiterhin vorliegt; denn nach dem Wortsinn kann nur ein überhaupt noch bestehender Befreiungsstatus auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden.

27

(2) Die systematische Stellung der Vorschrift im Anschluss an die gesetzliche Definition des auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Bezugspunkts der Befreiung von der Versicherungspflicht in § 6 Abs 5 S 1 SGB VI verdeutlicht im Zusammenhang mit der in ihr genannten Tatbestandsvoraussetzung einer zeitlich begrenzten anderen Tätigkeit, dass die Vorschrift lediglich eine Regelung enthält, die sich auf eine andere vorübergehende selbstständige Tätigkeit bzw Beschäftigung bezieht, und daher keinen von den grundlegenden Voraussetzungen in § 6 Abs 1 S 1 SGB VI losgelösten eigenständigen Befreiungstatbestand darstellt. Da im vorliegenden Fall diese frühere Tätigkeit unterbrochen wurde, braucht der Senat die in der sozialrechtlichen Literatur umstrittene Frage der Anwendbarkeit von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI auf eine andere Tätigkeit, die neben einer zur Befreiung von der Versicherungspflicht führenden Tätigkeit ausgeübt wird, nicht zu entscheiden(verneinend: Boecken in GK-SGB VI, Stand Januar 2007, § 6 RdNr 182; bejahend: Voelzke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - Rentenversicherungsrecht, 1999, § 17 RdNr 74; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung VI/08 Lfg 5/08, K § 6 RdNr 133; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 6 RdNr 96).

28

(3) Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Zum Zweck der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) angeführt, sie solle sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt. Die Regelung solle insbesondere für die Zeit des Wehrdienstes gelten (Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 11/4124 S 152 zu § 6 Abs 5). Diese Begründung knüpft ebenfalls allein an den vorübergehenden Tätigkeitswechsel an (vgl Boecken, aaO). Sie beinhaltet keine Aussage dahin, dass das Ziel der Vermeidung eines Wechsels des Alterssicherungssystem auch dann eine Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht legitimieren soll, wenn die grundlegenden Befreiungsvoraussetzungen - insbesondere die Pflichtmitgliedschaften in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und in der berufsständischen Kammer - nicht bzw nicht mehr vorliegen.

29

(4) Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 6 Abs 5 S 2 SGB VI bei der aufgezeigten Auslegung nicht etwa ohne Anwendungsbereich. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf eine Konstellation hingewiesen, die sich aus dem Berufsrecht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ergeben kann: Die dortige Regelung der Untersagung der Ausübung des Berufs als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt in § 47 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat einen weitergehenden Anwendungsbereich als die entsprechende Regelung im Recht der Steuerberaterinnen und Steuerberater in § 59 S 1 StBerG und erfasst ua Verwendungen als Richter oder Beamte, ohne auf Lebenszeit ernannt zu sein. Im Anwendungsbereich des § 47 Abs 1 BRAO behält der Rechtsanwalt aber seine Zulassung und ist ua verpflichtet, den Kammerbeitrag zu zahlen(vgl Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 3, 12 mwN). Eine derart weitgehende zulassungserhaltende Untersagung der Berufsausübung ist dem Berufsrecht der Steuerberater fremd. § 59 S 1 StBerG sieht ein Verbot der Berufsausübung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter grundsätzlich nur in den Fällen vor, in denen ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis als Wahlbeamter auf Zeit oder ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis eingegangen ist. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Inkompatibilität mit anderen Tätigkeiten die Grundnorm in § 57 StBerG. Ein weiterer Anwendungsfall des § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI ist etwa bei einem Privatschullehrer denkbar, der vorübergehend, zB zu Fortbildungszwecken, an eine staatliche Schule abgeordnet wird, seine Bezüge aber weiterhin von einer Privatschule erhält(vgl KomGRV, Stand September 2011, § 6 RdNr 11).

30

3. Die gewonnene Auslegung verletzt im Übrigen keine Grundrechte des Klägers. Von Verfassungswegen besteht kein Wahlrecht, das es ermöglichen würde, im Laufe eines Berufslebens die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit zu wählen oder an ihr festzuhalten und die Anwendung aller anderen Versicherungspflichttatbestände auszuschließen (BVerfG Kammerbeschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 - SozR 4-2600 § 6 Nr 1 RdNr 11). Demzufolge hat es das BVerfG (ebenda) - unter Bestätigung der Rechtsprechung des Senats (BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4) - als mit dem GG vereinbar angesehen, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk endet, wenn der Betroffene der Berufsgruppe nicht mehr angehört, für die das Versorgungswerk errichtet wurde. Daran ist festzuhalten.

31

4. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel führen schließlich zu keinem ihm günstigen Ergebnis.

32

Die Feststellung des LSG, wonach der Kläger sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis als Steuerberater im streitigen Zeitraum fortgeführt habe, ist zwar unzutreffend, wirkt sich auf das Ergebnis des Rechtsstreits nicht aus, weil das LSG ebenfalls - im Revisionsverfahren unbeanstandet - festgestellt hat, dass der Kläger seine Zulassung zum Steuerberater zum 31.3.2006 niederlegte. Diese Feststellung hat das LSG - wie dargelegt - zu Recht seinem Urteil zugrunde gelegt und entschieden, dass damit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI entfielen.

33

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat hat die demgegenüber vom LSG getroffene, auf § 192 SGG gestützte Kostenentscheidung geändert(vgl allgemein zur entsprechenden Befugnis des Rechtsmittelgerichts Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 193 RdNr 2a mwN), weil hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der qualifizierten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 192 Abs 1 S 1 SGG, insbesondere diejenigen der Nr 2 (Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung) nicht ersichtlich sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10 573,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen die Heranziehung von "Aufwandsentschädigungen", die ihre Rechtsvorgängerin Mitarbeitern für die Werbung neuer Mitglieder gezahlt hat, zur Bemessung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung.

2

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Kaufmännischen Krankenkasse (im Folgenden einheitlich: die Klägerin). Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 1.1.1998 bis 31.12.2001 forderte der beklagte Rentenversicherungsträger (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover) mit Bescheid vom 28.10.2002 von der Klägerin die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Von der Gesamtforderung (13 536,82 Euro) entfielen 10 573,62 Euro auf Beiträge, die nach der Summe als sog "Aufwandsentschädigung" erfolgter Zahlungen erhoben wurden. Diese "Aufwandsentschädigung" von jeweils 30,00 DM wurde ca 400 Innendienstmitarbeitern der Klägerin, die andere dienstliche Aufgaben als die Mitgliederwerbung hatten und arbeitsvertraglich hierzu nicht verpflichtet waren, als Prämie für neu geworbene Krankenkassenmitglieder gezahlt. Hierzu hatte die Beklagte in einer Mitteilung "Aufwandsentschädigung für die Werbung neuer Mitglieder durch Innendienst-Mitarbeiter/innen" vom 18.6.1998 auf die "Notwendigkeit" der Bereitschaft von Innendienstmitarbeitern, neue Mitglieder zu gewinnen, hingewiesen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Berücksichtigung der "Aufwandsentschädigung" als Arbeitsentgelt wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2004). Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 18.2.2009).

3

Die Berufung der Klägerin hat das LSG unter Änderung der Kostenentscheidung des SG zurückgewiesen (Urteil vom 5.11.2010): Die "Aufwandsentschädigungen" seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, denn sie seien an Innendienstmitarbeiter der Klägerin im ursächlichen Zusammenhang mit deren sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit gezahlt worden, auch wenn diese zur Mitgliederwerbung nicht verpflichtet gewesen seien. Dieser Zusammenhang bestehe, weil gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die Mitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um neue Mitglieder zu werben. Diesen Zusammenhang habe auch die Klägerin erkannt, wie ihre Mitteilung vom 18.6.1998 belege. Im Ergebnis abweichende einkommensteuerrechtliche Rechtsprechung des BFH (BFHE 181, 488) sei für das Sozialversicherungsrecht nicht maßgeblich.

4

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 14 Abs 1 SGB IV. Die Innendienstmitarbeiter seien nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, sondern als Krankenkassenmitglieder werbend tätig geworden. Die Mitteilung vom 18.6.1998 sei ein bloßes internes Informationsschreiben an alle Landesverwaltungen, Regionalgeschäftsstellen und Geschäftsstellen zur Klärung der Frage gewesen, ob überhaupt Aufwandsentschädigungen hätten gezahlt werden dürfen. Selbst wenn man der Auffassung sei, es handele sich bei den Werbeaktivitäten der Betroffenen um eine selbstständige Tätigkeit neben der Beschäftigung, liege keine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Die Vorinstanzen gingen zu Unrecht davon aus, die Mitarbeiter hätten sich "Insiderwissen" bei der Werbung zunutze gemacht. Der Status als Mitarbeiter sei weder von ihr (der Klägerin) als besonderer Vorteil angesehen worden, noch begründe er ein besonderes Vertrauen bei den Umworbenen. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit demjenigen der vom LSG zitierten BSG-Rechtsprechung vergleichbar, insbesondere weil die Prämie an alle Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden sei, dh auch ohne dass diese bei ihr beschäftigt gewesen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 aufzuheben, soweit darin die Zahlung von mehr als 2963,20 Euro gefordert wird.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sachverhalt sei ebenso zu beurteilen wie der des Urteils des BSG vom 15.2.1989 (12 RK 34/87 - SozR 2200 § 165 Nr 95).

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der klagenden Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

9

Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin in der Zeit vom 1.1.1998 bis 31.12.2001 an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung in den Zweigen der Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung heranzuziehen waren, wie die Vorinstanzen übereinstimmend mit der von der Beklagten bei ihrer Betriebsprüfung gewonnenen Einschätzung meinen.

10

1. Das LSG ist in prozessrechtlicher Hinsicht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beiladung der Arbeitnehmer, an die die streitige "Aufwandsentschädigung" gezahlt wurde, nicht erforderlich war, da die Beklagte die diesbezügliche Beitragsforderung durch Summenbescheid von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Beträge geltend machte (vgl BSGE 89, 158, 159 = SozR 3-2400 § 28f Nr 3 S 4). Jedoch ist auch im Rechtstreit über einen Summenbescheid die Beiladung der Fremdversicherungsträger geboten (BSG aaO). Daher wird das LSG vor der erneuten Verhandlung und Entscheidung nicht nur die notwendige Beiladung (§ 75 Abs 2 SGG) der Pflegekasse bei der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit nachzuholen haben. Vielmehr wird das LSG auch zu prüfen haben, ob im Betrieb der Klägerin noch andere Krankenkassen als sie selbst vertreten waren, auf die die durch Summenbescheid erhobenen Beiträge nach § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3. der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352) aufzuteilen waren. In diesem Fall wären auch diese Krankenkassen, deren Pflegekassen sowie die Rechtsnachfolger der Landesversicherungsanstalten, in deren Bezirk diese Krankenkassen ihren Sitz hatten (§ 28k Abs 1 S 3 SGB IV idF durch Gesetz vom 20.12.1996, BGBl I 2049), notwendig beizuladen.

11

2. Die Revision ist nicht etwa bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagte die streitigen Beiträge im Rahmen der bei der Klägerin vorgenommenen Betriebsprüfung nicht im Wege eines Summenbescheids hätte geltend machen dürfen. Nach § 28p Abs 1 S 1 und 5 SGB IV(idF durch Gesetz vom 16.12.1997, BGBl I 2970) prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest. Dazu kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs 2 SGB IV(idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594) den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können und das Arbeitsentgelt nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG festgestellt, ohne dass insoweit Rechtsfehler erkennbar sind und die Beteiligten dies mit Revisionsrügen angreifen.

12

3. Die Revision der Klägerin führt indessen aus anderen Gründen jedenfalls zur Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die von der Klägerin im streitigen Zeitraum an Innendienstmitarbeiter gezahlten "Aufwandsentschädigungen" für die Werbung von Neumitgliedern als Arbeitsentgelt zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind.

13

Bemessungsgrundlage der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI iVm § 226 Abs 1 S 1 SGB V, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III; jeweils in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung). Arbeitsentgelt sind nach dem bis heute inhaltlich unveränderten § 14 Abs 1 S 1 SGB IV (bis 31.3.1999 § 14 Abs 1 SGB IV) "alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden".

14

Eine Beitragspflicht der streitigen "Aufwandsentschädigungen" als Arbeitsentgelt in diesem Sinne folgt - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht bereits aus den im Urteil des Senats vom 15.2.1989 (BSG SozR 2200 § 165 Nr 95) aufgestellten Grundsätzen. Abweichend vom damaligen Sachverhalt wurden die "Aufwandsentschädigungen" vorliegend nämlich nicht unmittelbar aus der Beschäftigung erzielt. In dem genannten Urteil hatte der Senat dagegen Vergütungen, die Zeitungsausträger für die Werbung neuer Abonnenten gezahlt wurden, als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen, denn die sog Werbetätigkeit war kein von der versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung als Zeitungsausträger abtrennbarer und - als neben dieser ausgeübte selbstständige Tätigkeit - einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung fähiger Teil der Gesamttätigkeit. Hierfür fehlte es an einer für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Werbeinitiative. Vielmehr hatten die Zeitungsausträger nur im Sinne einer im Wesentlichen "mechanischen Botentätigkeit" die Wünsche von Interessenten an den Verlag weiterzugeben.

15

Demgegenüber gehörte im nun zu entscheidenden Fall nach den insoweit nicht mit zulässigen Revisionsrügen oder Gegenrügen angefochtenen und für den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG die Mitgliederwerbung weder zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Empfänger der "Aufwandsentschädigungen" im Rahmen ihrer Beschäftigung als Innendienstmitarbeiter, noch beschränkte sich der "Aufwand" auf die bloße Weitergabe von Beitrittswünschen. Vielmehr wurde nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der Mitteilung der Klägerin vom 18.6.1998 gerade die Bereitschaft dieser Mitarbeiter zum Gewinnen neuer Mitglieder, also zur aktiv werbenden Tätigkeit erwartet und das hiermit verbundene Engagement mit der "Aufwandsentschädigung" in Form eines Geldbetrages erfolgsabhängig im Einzelfall honoriert.

16

Nach der Rechtsprechung des BSG gehören zu den Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden, und damit zum Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IV jedoch auch solche aus selbstständigen Tätigkeiten in einer sogenannten einheitlichen Beschäftigung. Eine einheitliche Beschäftigung ist anzunehmen, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einer abhängigen Beschäftigung derart verbunden ist, dass sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden kann und insgesamt wie ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint (BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 8 S 16 ff und Nr 15 S 28 f). Die Art der Verbindung, die zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bestehen muss, um eine einheitliche Beschäftigung annehmen zu können, lässt sich nicht abstrakt für alle selbstständigen Tätigkeiten umschreiben. Sie wird vielmehr von der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit bestimmt. Diese muss nicht notwendig weitergehend mit der abhängigen Beschäftigung verbunden sein, etwa in der Art, dass sie in diese zeitlich, örtlich, organisatorisch und inhaltlich eingebunden ist, um eine einheitliche Beschäftigung anzunehmen. Abhängig von der Art der Tätigkeit kann eine einheitliche Beschäftigung auch bereits dann bejaht werden, wenn aus der Beschäftigung gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen für die Tätigkeit genutzt werden müssen und die Tätigkeit dem Arbeitgeber nützlich ist (so BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 29 f).

17

Der durch die einheitliche Beschäftigung erfolgenden Verklammerung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit steht eine möglicherweise abweichende steuerrechtliche Beurteilung (vgl zu Prämien, die ein Verlagsunternehmen seinen Zeitungsausträgern für die Werbung neuer Abonnenten gewährt, BFHE 181, 488) nicht entgegen. Eine steuerrechtliche Beurteilung als Arbeitslohn oder als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (= Arbeitseinkommen iS von § 15 Abs 1 SGB IV) ist für die Beurteilung der im Sozialversicherungsrecht eigenständig geregelten Arbeitsentgelteigenschaft (§ 14 SGB IV) nicht maßgebend oder vorgreiflich (vgl BSGE 66, 219, 221 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 31). Eine Grenze findet die einheitliche Beschäftigung jedoch dort, wo der Zusammenhang zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kein notwendiger mehr ist, insbesondere wenn weder die selbstständige Tätigkeit als solche noch die konkrete Art und Weise ihrer Ausübung vom Bestand der Beschäftigung abhängig sind. In diesem Sinne setzt schon die Entwurfsbegründung zu § 14 SGB IV für den Begriff des Arbeitsentgelts einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Zuwendung und der Beschäftigung voraus(Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines SGB - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 S 32 zu § 14; vgl auch BSG SozR 2100 § 14 Nr 19 S 17 f).

18

Der ursächliche Zusammenhang ist - wie oben dargelegt - nach der Eigenart der jeweiligen selbstständigen Tätigkeit zu bestimmen. Er würde vorliegend dann fehlen, wenn "Aufwandsentschädigungen" zu denselben Bedingungen in nennenswertem Umfang auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Personen gezahlt worden wären und die werbend tätigen Innendienstmitarbeiter der Klägerin aufgrund ihrer Beschäftigung gegenüber diesen Personen keine wesentlichen Vorteile hatten. Ein solcher Zusammenhang dürfte also auch dann bestehen, wenn werbende Innendienstmitarbeiter von Seiten der Klägerin für diese Tätigkeit Unterstützung erhielten, die nicht im selben Umfange auch Personen tatsächlich zuteil wurde, die nicht bei der Klägerin beschäftigt waren.

19

Ob im vorliegenden Fall eine einheitliche Beschäftigung und daher Arbeitsentgelt anzunehmen ist, kann der Senat auf Grundlage der wenigen Tatsachen, die das LSG festgestellt hat, selbst nicht abschließend beurteilen. Soweit das LSG einen Zusammenhang darauf gestützt hat, dass gerade das Wissen über die Aufgaben ihrer Organisation und die Kenntnisse über die Besonderheiten ihrer Krankenkasse sowie das hierdurch begründete besondere Vertrauen die werbenden Innendienstmitarbeiter in die Lage versetzt hätten, wirksam um Mitglieder zu werben, ist - wie auch die Klägerin der Sache nach rügt - nicht erkennbar, welche tatsächlichen Feststellungen dieser Behauptung zugrunde liegen. Insoweit wird das LSG noch festzustellen haben, ob es für eine solche Annahme tatsächliche Anhaltspunkte gibt, auf deren Grundlage es sich rechtsfehlerfrei eine entsprechende Überzeugung bilden kann. Anderenfalls wird es zu ermitteln haben, ob die in der mündlichen Verhandlung protokollierte und in der Revisionsbegründung wiederholte Behauptung der Klägerin zutrifft, die Prämie sei auch an nicht bei ihr angestellte Mitglieder für eine erfolgreiche Werbung gezahlt worden. Dabei wird ua der von Januar 2003 stammende Ausdruck einer Internet-Seite der Klägerin in der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl 128) zu würdigen sein, wonach für eine durch externe Personen erfolgende Mitgliederwerbung (nur) eine "kleine Überraschung" und die Teilnahme an einer Verlosung ausgelobt wird. Sofern die "Aufwandsentschädigung" indessen tatsächlich in derselben Höhe auch an nicht bei der Klägerin beschäftigte Mitglieder gezahlt wurde, wird das LSG weiter Ermittlungen darüber anzustellen haben, ob die Innendienstmitarbeiter entgegen dem in der Mitteilung vom 18.6.1998 erweckten Anschein tatsächlich keinerlei Zugriff auf den Datenbestand der Klägerin hatten und von dieser auch nicht in anderer Weise unterstützt wurden, dh, ob sie einen "Wettbewerbsvorteil" gegenüber betriebsexternen Werbern hatten. Sollte das LSG anschließend dazu gelangen, dass das die gezahlten "Aufwandsentschädigungen" dem Grunde nach Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IV darstellen, so wird es weiter zu prüfen haben, ob dieses möglicherweise nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung(in den Fassungen vom 18.12.1984, BGBl I 1642 und vom 12.12.1989, BGBl I 2177) gleichwohl nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen war. Sofern auf die "Aufwandsentschädigungen" grundsätzlich Beiträge zu erheben waren, wird das LSG sodann auch zu prüfen haben, ob die im angefochtenen Bescheid angenommene Zuständigkeit der Klägerin als Einzugsstelle für die gesamte nach der Summe festgestellte Beitragsforderung im Hinblick auf § 28i S 3 SGB IV iVm § 175 Abs 3 S 3 SGB V(jeweils idF durch Gesetz vom 21.12.1992, BGBl I 2266) und Ziff 5.3.3 der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht vom 22.11.2001 (Die Beiträge 2002, 312, 347, 352, dort Ziff 5.3.3) zutreffend war und ob sich anderenfalls auch aufgrund unterschiedlicher Beitragssätze Auswirkungen auf die Höhe der Beitragsforderung ergeben.

20

4. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten. Die dennoch notwendige Streitwertfestsetzung durch den Senat (vgl BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 24) beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1 und 3 GKG.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund einer Tätigkeit im sog Rackjobbing.

2

Die Klägerin - eine GmbH - präsentierte sich im Zeitraum der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für sie vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 als Dienstleisterin auf dem Retailmarkt. Sie verstand sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern von Waren (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) und bot ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept zur Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern an. Teil ihres Angebots war sog Rackjobbing (= Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieses Angebot umfasste einen Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange), die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets, die regelmäßige Kontrolle der Bestände, die Regalpflege einschließlich der Regaloptimierung, die Layout-Erstellung für die jeweiligen Sortimente einschließlich der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen, Neueinrichtungen und generelle Umbauten, fundierte Zahlen für zukünftige Strategien sowie die Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen.

3

Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag ein mehrseitiger schriftlicher Vertrag vom 1.11.1999 zugrunde, in dem ua - durch Einzelbestimmungen in zahlreichen §§ aufgegliedert - Folgendes vereinbart worden war: Der Beigeladene zu 1. solle als "freier Mitarbeiter" zur selbstständigen Warengestaltung und -darbietung bzw Merchandising tätig werden und werde insbesondere mit der Ausführung folgender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin beauftragt: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, Sortimentüberwachung, Warendisposition, Warenplatzierung, Preisauszeichnung, Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), Layout-Prüfungen und Inventuren. Einzelheiten der Vertragsausführung seien dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten. Die Aufträge habe der Beigeladene zu 1. in eigener Verantwortung auszuführen und dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen. Er unterliege keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin, habe jedoch deren fachliche Vorgaben zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten. Er sei nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet, sondern könne die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen erfüllen, soweit deren fachliche Qualifikation sichergestellt sei. Er habe das Recht, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu werden; einer vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfe dies nur, sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handele. Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit erfolge in dem jeweiligen Einzelauftrag. Für seine Tätigkeit erhalte der Beigeladene zu 1. ein Stundenhonorar in Höhe von 24 DM zzgl Umsatzsteuer, die Abrechnung habe auf fünf Minuten genau zu erfolgen; die Auftragserfüllung sei wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Er habe die Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstige im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallende Kosten zu tragen. Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw sonstige Sozialleistungen seien ausgeschlossen. Der Beigeladene zu 1. sei vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren. Für Schäden, die er bzw seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, habe er zu haften. Der Beigeladene zu 1. bestätigte der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es ihm, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren, vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen (bereits zum 29.1.1992 hatte er ein Gewerbe als selbstständiger Handelsvertreter angemeldet), seine Selbstständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommen- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Schließlich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, für den Fall, dass "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Ergänzungen und Änderungen des Vertrages bedurften der Schriftform.

4

Nach einem Antrag des Beigeladenen zu 1. auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Funktionsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich "die Beklagte") mit gleichlautenden Bescheiden vom 18.8.2003 gegenüber der Klägerin sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1. fest, dass dieser seine Tätigkeit im Bereich Regalservice bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.1.2005).

5

Auf die Klage der Klägerin hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht abhängig beschäftigt gewesen sei (Urteil vom 20.10.2008). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die vorgenannten Bescheide geändert und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt (Bescheid vom 24.9.2012). Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände. Anknüpfungspunkt sei zunächst der Vertrag vom 1.11.1999, der als Rahmenvertrag (im Folgenden: RV) die Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstelle und überwiegend für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Regelungen enthalte. Dem hierin dokumentierten Willen der Vertragsparteien komme indizielle Bedeutung zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich nur um eine formale Vereinbarung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich sei der Beigeladene zu 1. schon vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig und auch während dieser Zeit für mehrere andere Unternehmen tätig gewesen. Deshalb habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin ausführen können und Auftragsübernahmen abgelehnt. Die Klägerin habe nicht jederzeit über seine Arbeitsleistung verfügen können, was gegen eine Eingliederung in deren Betrieb spreche. Zudem habe der Beigeladene zu 1. die Aufträge nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Zwar habe er mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt, doch sei in zwei Parallelverfahren bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, wobei diese die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewährten Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung hätten vereinnahmen können. Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. habe es sich nicht um klassische Regalauffüllertätigkeiten gehandelt, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt würden. Vielmehr seien diese durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt worden. So hätten die Auftragnehmer der Klägerin - wie durch Zeugen in Parallelverfahren bestätigt worden sei - über das mechanische Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus auch über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden, Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen gehabt. Die zeitliche Abhängigkeit vom Warenwirtschaftsturnus und Warenabverkauf sei ebenso der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin, wie der Umstand, dass die Tätigkeit in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen sei. Für eine Beschäftigung spreche demgegenüber die Vergütung mittels Stundenhonorar bei einer auf fünf Minuten genauen Abrechnung sowie der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten von den Marktleitern bzw deren Vertretern habe bestätigen lassen müssen. Allerdings rechneten auch viele Selbstständige nach Stundensätzen ab und der Beigeladene zu 1. habe zumindest durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte Einfluss auf die Höhe der Vergütung nehmen können, in dem er über die Anfahrtszeiten seine Vergütung optimiere. Im Ergebnis gehöre der Beigeladene zu 1. als sog Solo-Selbstständiger zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen, deren wirtschaftliche Situation in vielerlei Hinsicht der von Beschäftigten ähnele. Es bestehe zudem auch keine Versicherungspflicht als Solo-Selbstständiger in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI, weil der Beigeladene zu 1. für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei (Urteil vom 14.3.2013).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Das LSG habe bei seiner Gesamtwürdigung wesentliche Umstände, aus denen es auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen habe, in ihrer Tragweite verkannt. Insbesondere habe es den RV vom 1.11.1999 im Wortlaut herangezogen, ohne die dahinter liegende Bedeutung zu beachten. Die Möglichkeit, einzelne Aufträge abzulehnen, entspreche der Entschließungsfreiheit eines Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder nicht. Das BSG habe bereits klargestellt, dass stets die einzelnen "Einsatzaufträge" zu prüfen seien. Dem Ausschluss von Sozialleistungen als solchem komme eine indizielle Wirkung für eine Selbstständigkeit ebenso wenig zu, wie der Möglichkeit, auch für weitere Auftraggeber tätig zu sein. Mit der vom LSG festgestellten Ergänzung der Tätigkeit des Regalauffüllers durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente werde die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten" beschrieben, der zumindest im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess fremdbestimmte Arbeit leiste; entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1. nach Annahme eines Einzelauftrags zu den Vertragspartnern der Klägerin gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach deren Vorgaben auszuführen. Zudem habe für ihn kein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestanden, da eine Vergütung nach Stunden und keine Umsatzbeteiligung vereinbart gewesen sei. Die eingeräumte Delegationsbefugnis könne ebenfalls keine Selbstständigkeit begründen, da von ihr - anders als in Parallelverfahren - kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb die bloße Befugnis für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht prägend gewesen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe das LSG festgestellt, dass ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und ihr (der Klägerin) nicht nur formal vereinbart worden sei. Dem im RV dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme daher ausschlaggebende Bedeutung zu (Hinweis auf BSG Urteile vom 12.10.1979 - 12 RK 24/78 - und vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene zu 1. sei - anders als von der Beklagten unterstellt - nicht als Rackjobber (Regalauffüller), sondern als Merchandiser tätig gewesen. Beide Tätigkeiten seien nicht einander vergleichbar, denn der Merchandiser benötige vielfältige qualifizierte Kenntnisse und habe weitreichende Entscheidungsbefugnisse.

10

Die Beigeladene zu 2. (Bundesagentur für Arbeit) schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass der Beigeladene zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin eingebunden gewesen sei. Die Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber Dienstleistungen zu erbringen, stehe dem nicht entgegen, zumal das LSG nicht festgestellt habe, dass der Beigeladene zu 1. hiervon tatsächlich und "im Wesentlichen" (Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 15 RdNr 25) Gebrauch gemacht habe. Einen Antrag stellt weder sie, noch ein anderer Beigeladener.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 SGG)begründet.

12

Das Urteil des LSG weist revisionsrechtlich bedeutsame Fehler auf; der Senat kann jedoch nicht abschließend selbst entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang das LSG die Berufung der Beklagten gegen das ihren Bescheid vom 18.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2005 vollständig aufhebende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen und den Bescheid vom 24.9.2012 aufgehoben hat, sowie ob und ggf in welchem Umfang diese Bescheide rechtmäßig sind. Das Berufungsgericht hat insbesondere zu Unrecht keine Konsequenzen daraus gezogen, dass eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zur Leistungserbringung überhaupt erst mit der Übernahme des jeweiligen Einzelauftrags entstand. Ob der Beigeladene zu 1. während der Abwicklung der jeweiligen Einzelaufträge versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war, lässt sich aufgrund insoweit fehlender entscheidungserheblicher Tatsachenfeststellungen des LSG derzeit noch nicht endgültig beurteilen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 24.9.2012. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht bestand) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 24.9.2012 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).

14

2. Soweit das LSG - von den Beteiligten im Revisionsverfahren unbeanstandet gelassen - auch entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der GRV nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).

15

3. Die Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) reichen nicht aus, um ausgehend von den dafür rechtlich maßgebenden Umständen und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.11.1999 bis 31.8.2003 bzw während einzelner Zeiträume innerhalb dieses Rahmens abschließend zu beurteilen. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von Versicherungspflicht begründender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen RV, wonach eine Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. zu entgeltlichen Dienstleistungen für die Klägerin erst mit Annahme eines Einzelauftrags entstand, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Um über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge entscheiden zu können, sind weitere Tatsachenfeststellungen des LSG notwendig (hierzu c). Zugleich hat die vorliegende Vertragskonstruktion Auswirkungen auf die Gewichtung einzelner Umstände im Rahmen der vom LSG erneut vorzunehmenden Gesamtabwägung, was dieses Gericht nach § 170 Abs 5 SGG ebenso zu beachten haben wird, wie die weitere Beurteilung seiner rechtlichen Erwägungen im angegriffenen Urteil durch den Senat(hierzu d).

16

a) In den Jahren 1999 und 2003, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (zum Vorstehenden vgl insgesamt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - unter II.2.b, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

18

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das LSG - insoweit zutreffend - zunächst vom Inhalt des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. am 1.11.1999 geschlossenen schriftlichen Vertrags ausgegangen und hat geprüft, ob die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen. Dabei hat das LSG richtig erkannt, dass es sich bei dem Vertrag vom 1.11.1999 um einen RV handelte, der die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellte. Dies folgt insbesondere aus § 1 Abs 2, § 4 und § 6 RV, wonach die Einzelheiten der Vertragsdurchführung sowie die Bestimmung des Orts der Tätigkeit dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten blieben(§ 1 Abs 2, § 6 RV) und dem Beigeladenen zu 1. die - nach den nicht mit zulässigen Revisionsrügen angefochtenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG nicht nur theoretische - Möglichkeit eingeräumt war, ihm von der Klägerin angebotene Aufträge ohne Begründung abzulehnen.

19

Nicht ausreichend berücksichtigt hat das LSG hingegen die Konsequenzen dieser Vertragsgestaltung für den Gegenstand der im Hinblick auf eine mögliche Versicherungspflicht vorzunehmenden Prüfung und die Gewichtung bestimmter Umstände hierbei (zum Letzteren unten d). Bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art ist für die Frage der Versicherungspflicht nämlich nicht auf den gesamten vom RV erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 35; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 24; BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27; vgl insbesondere auch das Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R -, das einen einzelnen Projektvertrag über eine Tätigkeit im Rackjobbing zum Gegenstand hatte; zur Bedeutung einer durchgehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19). Dies folgt aus dem Umstand, dass in den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. keinen Auftrag der Klägerin angenommen und durchzuführen hatte, schon keine - die Versicherungspflicht begründende - "entgeltliche" Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV bestand(zum Inhalt dieser Voraussetzung der Versicherungspflicht vgl BSGE 101, 273 = SozR 4-2400 § 7 Nr 10, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 RdNr 13 ff): Vor Annahme eines Auftrags durch den Beigeladenen zu 1. traf diesen keine - auch keine latente - Verpflichtung, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben. Umgekehrt hatte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. kein Entgelt zu leisten. Ob die gegenseitigen Leistungspflichten jemals (wieder) in Vollzug gesetzt werden würden, war nach der Ausgestaltung des RV vollkommen ungewiss; denn weder war die Klägerin verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1. überhaupt Aufträge anzubieten, noch bestand eine Pflicht des Beigeladenen zu 1., einen der ihm von der Klägerin angebotenen Aufträge anzunehmen. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide in Bezug auf Zeiträume ohne (entgeltliche) Beschäftigung. Die notwendigen Feststellungen dazu, in welchen Zeiträumen Einzelaufträge tatsächlich vorlagen und durchzuführen waren, hat das LSG - von seinem Ansatz her konsequent - jedoch nicht getroffen.

20

c) Ob die Verhältnisse während der Durchführung der einzelnen Aufträge tatsächlich die vom LSG für die gesamte Laufzeit des RV getroffene Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit insgesamt oder zumindest für Teilzeiträume rechtfertigen, kann der Senat auf Grundlage der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Hierfür fehlen neben Feststellungen zu den Zeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1. tatsächlich für die Klägerin Einzelaufträge durchführte, auch die erforderlichen konkreten Feststellungen zu Inhalt und Ausgestaltung dieser einzelnen Aufträge. Diese Einzelheiten waren nach § 1 Abs 2 des RV ausdrücklich erst den mit dem jeweiligen Einzelauftrag verbundenen Bestimmungen vorbehalten. Ob und ggf in welchem Umfang hierbei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit (zB bzgl der Besuchshäufigkeit), Dauer (zB tolerierte Höchstdauer der Besuche) und Art der Ausführung (zB Richtlinien oder gar konkrete Anweisungen für die Bestückung einzelner Regale) durch die Klägerin gemacht wurden, hat das LSG im Einzelnen nicht festgestellt. Dies muss es im Rahmen der erneuten Verhandlung nachholen.

21

Zugleich hält es der Senat für geboten, dass das LSG bei dieser Gelegenheit von Amts wegen (vgl § 103 SGG) auch weitere Umstände aufklärt, die Bedeutung für die vorzunehmende Gesamtabwägung haben könnten:

22

So war der Beigeladene zu 1. zwar nach § 9 Abs 2 RV verpflichtet, bei Krankheit und Urlaub die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen, im Verhinderungsfall hatte er die Klägerin unverzüglich zu informieren. Jedoch begründet es Zweifel an der Verbindlichkeit bzw Ernsthaftigkeit der Sicherstellungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1., wenn nach dessen - im angefochtenen Urteil wiedergegebenen - Angaben vor dem SG (in der mündlichen Verhandlung am 20.10.2008) die Konsequenz einer längeren Verhinderung lediglich darin bestand, dass der Händler die vorgesehenen Tätigkeiten selbst ausführen musste.

23

Ferner deutet die vom Beigeladenen zu 1. ebenfalls in der mündlichen Verhandlung beim SG gemachte Angabe, der RV sei ua deswegen gekündigt worden, weil er (der Beigeladene zu 1.) nach Auffassung der Klägerin "zu lange gebraucht (habe), um die Arbeiten auszuführen", auf eine zumindest konkludent verabredete zeitliche Vorgabe für die Durchführung eines Einzelauftrags sowie eine über die bloße Bestätigung von Anwesenheitszeiten durch die Marktleiter hinausgehende Überwachung der Auftragsausführung hin.

24

Schließlich wäre es im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, wenn zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1. auch der von der Klägerin angebotene Dispositions-Service per Fax-OCR-Erkennung, die Auftragsübertragung per EDI sowie die Erfassung oder Aufbereitung fundierter Zahlen für zukünftige Strategien der Kunden gehört hätten und die hierfür notwendigen Geräte oder Software-Programme ganz oder zumindest teilweise durch die Klägerin gestellt worden wären.

25

d) Die aus der festgestellten Vertragsgestaltung folgende Notwendigkeit einer Prüfung der jeweiligen Einzelaufträge hat zudem materiell-rechtliche Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Umstände im Rahmen der - jedenfalls beim Vorliegen relevanter Unterschiede - für jedes Auftragsverhältnis gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung. Gleichzeitig vermag der Senat den rechtlichen Erwägungen des LSG auch aus anderen Gründen nicht in jeder Hinsicht zu folgen.

26

aa) Zutreffend ist das LSG in Würdigung der einzelnen Klauseln des RV zu dem Ergebnis gelangt, dieser dokumentiere den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen kommt - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausführt - nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16). Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht dieses Indizes umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (zum Fall der Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr vgl BAG Urteil vom 9.6.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Juris RdNr 33).

27

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zulassen (vgl nämlich § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen - insbesondere der Ausschluss ansonsten zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Rechte und Pflichten - bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und - jedenfalls für das Sozialrecht - das Fehlen der unter II.3.a genannten, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRspr, vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 2400 § 2 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332).

28

bb) Nicht gerechtfertigt ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch das hohe Gewicht, welches das LSG in seiner auf den RV fokussierten Gesamtabwägung der dem Beigeladenen zu 1. eingeräumten Möglichkeit beigemessen hat, Auftragsangebote der Klägerin abzulehnen und auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist - wie oben unter II.3.b dargelegt - das einzelne angenommene Auftragsverhältnis. Daher stellte sich - wie von der Beklagten mit der Revision zu Recht geltend gemacht - für den Beigeladenen zu 1. die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitsuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Zugleich haben jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssen angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden oder gesetzliche Arbeitszeitgrenzen erreicht sind. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Ein Werben für seine Tätigkeit hatte der Beigeladene zu 1. aber - wie auch im Urteil des LSG wiedergegeben - im Verwaltungsverfahren gerade verneint.

29

cc) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass eine im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit auf Selbstständigkeit hindeuten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bzgl der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren. Ob dies vorliegend der Fall ist, hängt in erster Linie vom Inhalt der jeweiligen Einzelaufträge und deren praktischer Durchführung ab, was vom LSG noch weiter aufzuklären ist.

30

Zwar ist die Auffassung des LSG, dass allein aus der zeitlichen und örtlichen Abhängigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. vom Warenturnus und Warenabverkauf bzw der Belegenheit der zu befüllenden Regale in den jeweiligen Verbrauchermärkten nicht auf ein diesbezügliches einseitiges Direktionsrecht der Klägerin geschlossen werden kann, im Ansatz zutreffend. Allerdings spricht es auch nicht gegen das Vorliegen eines - ggf verfeinerten - Weisungsrechts, wenn sich beispielsweise Arbeitsort und/oder Arbeitszeit bereits aus "der Natur der Tätigkeit" (zu diesem Topos vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Die Beiträge Beilage 2004, 154 = USK 2004-25) ergeben, also aus den mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten. Ausschlaggebend ist insoweit vielmehr, ob nach den konkreten Vereinbarungen ein Weisungsrecht hinsichtlich aller Modalitäten (zB auch hinsichtlich Inhalt, Durchführung oder Dauer) der zu erbringenden Tätigkeit besteht oder aber ausgeschlossen ist, und sich die Fremdbestimmtheit der Arbeit auch nicht über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt.

31

Ebenso kommt der vom LSG ausführlich beschriebenen besonderen Qualität der Tätigkeit als solcher keine Indizfunktion im Sinne einer Selbstständigkeit zu. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit eines "klassischen" Regalauffüllers mit weiteren, verantwortungsvolleren Aufgaben angereichert und mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung bei der Umsetzung des Auftrags bzw der Arbeitsaufgabe versehen wird, spricht noch nicht gegen Beschäftigung. Insoweit vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse selbst eines "leitenden Angestellten" diesen nicht schon zum Selbstständigen machen, solange er in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt (vgl zB BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (vgl BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 20). Solches wird typischerweise eher anzunehmen sein, wenn es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt (vgl bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 16 mwN; BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) und die Honorierung des Auftragnehmers vom Arbeitsergebnis und -erfolg abhängig ist (zB von Umsatz- und Verkaufszahlen, gestaffelten Provisionen, usw), nicht dagegen in gleicher Weise, wenn sich - wie nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall - die Vergütung vornehmlich nach dem zeitlichen Umfang des geleisteten Arbeitsaufwandes richtet (vgl bereits BSG SozR 2200 § 165 Nr 32 S 40; BSG SozR 2200 § 165 Nr 51 S 73 f; andererseits für Beschäftigung trotz erfolgsabhängiger Vergütung zB BSG SozR 2200 § 165 Nr 63 S 87 f; BSG SozR Nr 10 zu § 2 AVG Aa 14).

32

Entgegen dem diesbezüglichen Vortrag der Beteiligten im Revisionsverfahren spielt es insoweit keine Rolle, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. noch derjenigen eines Regalauffüllers entspricht, derjenigen eines kaufmännischen Angestellten angenähert ist oder entsprechend den Ausführungen des LSG zur soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbstständigen ("Solo-Selbstständigen") im Wirtschaftsleben ein völlig neues Berufsbild darstellt. Erst recht ist es ohne Belang, mit welchem "Etikett" die am Vertragsverhältnis Beteiligten einer Tätigkeit versehen (vorliegend etwa "Rackjobber" oder "Merchandiser"). Die für das Sozialversicherungsrecht maßgebende Abgrenzung von Versicherungspflicht auslösender Beschäftigung einerseits und Selbstständigkeit andererseits erfolgt vielmehr - wie dargelegt - anhand abstrakter Merkmale (vgl oben II.3.a) und auf Grundlage der konkreten Ausgestaltung einer Tätigkeit im Einzelfall und nicht etwa anhand von Berufs- bzw Tätigkeitskatalogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 19 RdNr 20; vgl auch BSG Beschluss vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.8.2013 - B 12 KR 93/12 B - Juris RdNr 16, jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Dementsprechend hat der Senat schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass bestimmte berufliche Tätigkeiten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbstständigkeit wahrgenommen werden können und dass es für die Zuordnung insoweit auf die Gesamtschau der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl zB Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN; Senatsurteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17, 30 ; Senatsurteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 42 ; vgl auch Urteil des Senats vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27 ).

33

dd) Dem LSG ist im Ansatz auch darin zuzustimmen, dass eine dem Beigeladenen zu 1. eingeräumte Möglichkeit, sich zur Durchführung von Aufträgen auch Erfüllungsgehilfen zu bedienen, gegen das Vorliegen von Beschäftigung spricht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen von Beschäftigung typisch, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 22). Auch nach der Rechtsprechung des BAG stellt die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar, auch wenn nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat(vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne. Sie stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Entscheidend ist insoweit, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl BSG SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 35; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17 f).

34

Im Rahmen der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das LSG auch zu beachten haben, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen tatsächlich keine Delegation erfolgt ist, die Delegationsbefugnis allenfalls dann ein Indiz für Selbstständigkeit darstellen kann, wenn von ihr realistischerweise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17). Dagegen spricht vorliegend die Feststellung des LSG, der Beigeladene zu 1. habe mangels Auftragsvolumens selbst keine Erfüllungsgehilfen eingesetzt. Zugleich kommt es auch hier auf die Verhältnisse während der jeweiligen Auftragsdurchführung an. Insoweit steht die Delegationsbefugnis sogar schon nach dem Vertragstext unter dem Vorbehalt, dass "der jeweilige Auftrag dies gestattet". Bereits aus diesem Grunde kann dem vom LSG gezogenen Schluss, in zwei - den Beigeladenen zu 1. nicht betreffenden - Parallelverfahren sei bestätigt worden, dass die Klägerin dies ihren Auftragnehmern tatsächlich ermögliche, weshalb auch der Beigeladene zu 1. Dritte habe tatsächlich einsetzen können, nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Vielmehr wird das LSG zu prüfen haben, ob dem Beigeladenen zu 1. nach den Bedingungen des ihm nach Angebotsannahme jeweils obliegenden Auftrags dessen Durchführung mittels Erfüllungsgehilfen gestattet und realistischerweise möglich war.

35

ee) Anlässlich der erneuten Verhandlung wird das LSG auch der Frage weiter nachzugehen haben, ob und in welchem Umfang der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko trug. Im Unterschied zu den vorgehend angesprochenen Umständen sind hierbei nicht nur die Verhältnisse bei Durchführung der einzelnen Aufträge in den Blick zu nehmen. Ein typisches unternehmerisches Risiko kann sich nämlich gerade daraus ergeben, dass vorgreiflich Investitionen (auch) im Hinblick auf eine ungewisse Vielzahl zukünftig am Markt noch einzuwerbender Aufträge getätigt werden.

36

Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 f) oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (vgl zB BSG SozR 2400 § 2 Nr 19 S 30; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 27). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl der einzelnen Einsätze (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Zudem wird angesichts zunehmender Freiheiten bzgl Arbeitsort und Arbeitszeitgestaltung, die im Zuge moderner Entwicklungen der Arbeitswelt auch Arbeitnehmern eingeräumt werden (vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Grünbuch Arbeiten 4.0, 2015, S 64 ff; hierzu zB Bissels/Meyer-Michaelis, DB 2015, 2331 ff) zu prüfen sein, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft zukünftig nur dann als Indiz für Selbstständigkeit angesehen werden können, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen (zum Gesichtspunkt zeitabhängige versus erfolgsabhängige Honorierung vgl im Übrigen bereits oben cc).

37

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1. im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft eingesetzt hat. Ein Selbstständigkeit indizierendes Verlustrisiko im vorgenannten Sinne bestand dabei nicht, da er einen unbedingten Anspruch auf Vergütung seiner für die Durchführung der jeweiligen Aufträge aufgewandten - gegenüber der Klägerin engmaschig, nämlich fünf-Minuten-genau und in spezifischen Firmenvordrucken in bestimmter Weise zu dokumentierenden - Arbeitszeit hatte. Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrags- bzw Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise. Soweit der Beigeladene zu 1. - wie vom LSG im Sachverhalt des Urteils berichtet - gegenüber der Beklagten angegeben hat, für seine Tätigkeit nutze er seinen PKW, seinen Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät, lässt dies ebenfalls nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiterer Aufträge als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht ohne spezielle diesbezügliche Tatsachenfeststellungen unterstellt werden.

38

ff) Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das LSG ggf schließlich zu prüfen haben, ob trotz bestehender Beschäftigung während der Durchführung der jeweiligen Aufträge Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung iS des § 8 SGB IV vorlag(zu den insoweit zu beachtenden Konstellationen vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 27 ff).

39

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

40

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.

(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) sozialversicherungspflichtig ausübt.
Die Klägerin zu 2) wurde durch notariellen Vertrag vom 18.12.1995 mit einem Stammkapital von 50.000,-- EUR gegründet. Ab 04.03.2005 war der Kläger zu 1) an der Klägerin zu 2) zu 50 % beteiligt. Weiterer Gesellschafter war Herr M. L. mit einer Beteiligung von ebenfalls 50 %. Der Kläger zu 1) und Herr L. waren daneben zu jeweils 50 % Gesellschafter der Firma EDV-Büro Sch. GmbH. Während Herr L. alleiniger Geschäftsführer der G. GmbH war, war der Kläger zu 1) alleiniger Geschäftsführer der Firma EDV-Büro Sch. GmbH.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 12.02.2010 wurden die Gesellschaften auf die Klägerin zu 2) verschmolzen. Die Gesellschafter der Firma EDV-Büro Sch. GmbH haben dabei ihre Gesellschaftsanteile in die Klägerin zu 2) eingebracht. An den Beteiligungsverhältnissen hat sich hierdurch nichts geändert. Beide Gesellschafter hielten weiterhin eine Beteiligung von jeweils 50 %.
Im Juli 2011 veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile an die Firma A. IT S. AG. Ein Teil des Verkaufspreises der Gesellschaftsanteile des Klägers zu 1) wurde dabei an den zukünftigen Erfolg der Gesellschaft gebunden (Earn-out-Klausel).
Nach dem Vortrag der Kläger war vereinbart, dass aufgrund der Verschmelzung auch der Kläger zu 1) förmlich zum Geschäftsführer der Klägerin zu 2) bestellt wird. Dies unterblieb allerdings zunächst. Die Bestellung erfolgte erst am 05.08.2011 zur Eintragung im Handelsregister. Der Bestellung des Klägers zu 1) zum Geschäftsführer lag dabei der Geschäftsführervertrag vom 02.08.2011 zugrunde. Auszugsweise lautet der Vertrag wie folgt:
1.Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis
1.1Dem Geschäftsführer obliegt - sofern er allein bestellt ist - die gesamte Führung der Geschäfte der Gesellschaft. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so führen diese gemeinsam die Geschäfte der Gesellschaft.
1.2Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages der jeweiligen Gesellschaft, einer etwaigen Geschäftsordnung sowie dieses Dienstvertrages. Er wird Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge leisten.
1.3Die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft ist befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen. Dazu wird sie vorab den Geschäftsführer anhören. Die Gesellschafterversammlung ist weiterhin befugt nach vorheriger Abstimmung mit dem Geschäftsführer einen oder mehreren Prokuristen zu berufen.
10 
1.4Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gemäß den Vorschriften des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft. Entsprechend der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Möglichkeit ist der Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung generell zur Einzelvertretung berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
11 
2.Pflichten und Verantwortlichkeit, Dienstsitz
12 
2.1Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und die ihm nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.
13 
2.2Der Geschäftsführer nimmt gegenüber den Mitarbeitern der Gesellschaft die Rechten und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne des arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
14 
2.3(…)
15 
2.4Der Gesellschafter wird - gegebenenfalls auf Anfrage - mit der Gesellschafterversammlung und der Gesellschafterin jederzeit engen Kontakt halten und sich mit ihr auch über den Katalog der zustimmungspflichtigen Maßnahme in der Geschäftsordnung hinaus regelmäßig abstimmen.
16 
2.5Dienstsitz ist für den Geschäftsführer der Sitz der Gesellschaft.
17 
3.Arbeitszeit und Nebentätigkeit
18 
3.1Der Geschäftsführer hat nach Maßgabe der nachfolgenden Ziffer 3.2 seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Er ist in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei, hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wahl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen.
19 
3.2Dem Geschäftsführer ist während der Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Falle eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit berücksichtigt werden.
20 
(…)
21 
4.Vergütung, Tantieme, Auslagen
22 
4.1Für seine Tätigkeit erhält der Geschäftsführer eine feste Jahresvergütung in Höhe von 140.000,-- EUR, die in 12 monatlichen Raten jeweils zum Monatsende unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge auf ein vom Geschäftsführer zu benennendes Bankkonto überwiesen wird.
23 
4.2Der Geschäftsführer erhält ferner nachträglich einmal pro Jahr eine erfolgsabhängige Vergütung. Diese ist jeweils sechs Wochen nach Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft für das betreffende Geschäftsjahr fällig.
24 
(…)
25 
5.Vergütung bei Dienstverhinderung und Tod
26 
5.1Der Geschäftsführer wird Erkrankungen und deren voraussichtliche Dauer der Gesellschaft unverzüglich mitteilen und bei einer Erkrankung von mehr als zwei Arbeitstagen ein ärztliches Attest vorlegen.
27 
5.2Im Falle der Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Dienstverhinderung des Geschäftsführers werden die vertragsgemäßen Leistungen gemäß Ziffer 4 für die Dauer von drei Monaten unter Anrechnung der von der Krankenversicherung geleisteten Krankengeldzahlungen fortgezahlt.
28 
(…)
29 
6.Urlaub
30 
6.1Dem Geschäftsführer steht jährlich ein Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu.
31 
(…)
32 
Mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, beantragte der Kläger zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status und legte den Kaufvertrag sowie den Geschäftsführeranstellungsvertrag vor.
33 
Am 12.12.2011 hörte die Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status an. Nach erfolgter Prüfung sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen, weshalb beabsichtigt sei, Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft mehr bestünde, unangenehme Entscheidungen könnten nicht beeinflusst werden, es bestehe ein gesonderter Anstellungsvertrag, der die mitarbeitende Gesellschaft regele und für die Geschäftsführertätigkeit werde ein festes Monatsgehalt geschuldet. Weiterhin bestehe Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub. Für eine Selbständigkeit spreche hingegen lediglich die erfolgsabhängige Tantiemenzahlung.
34 
Zu der Anhörung nahmen die Kläger dahingehend Stellung, dass zu berücksichtigen sei, dass das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB abgedungen worden sei. Auch das Bestehen besonderer Branchenkenntnisse sowie ein bestehendes unternehmerisches Risiko sei zu berücksichtigen. Letzteres ergebe sich aus einem variablen Kaufpreisanteil, dessen Höhe sich nach den erreichten Ergebnissen vor Steuern und Zinsen in den Jahren 2011 bis 2013 richte. Damit entspreche die Tätigkeit weitgehend der Situation eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Darüber hinaus wurde eine Zustimmungserklärung zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) vorgelegt.
35 
Mit zwei Bescheiden vom 10.01.2012 stellte die Beklagte eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 13.01.2012 fest und legte ergänzend dar, dass aufgrund einer fehlenden Beteiligung am Stammkapital kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft mehr genommen und unangenehme Entscheidungen nicht verhindert werden könnten. Es bestehe ein gesonderter Anstellungsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Weiter erhalte der Kläger zu 1) für seine Geschäftsführertätigkeit ein festes Monatsgehalt. Eine Kürzung bzw der Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage müsse nicht befürchtet werden. Im Krankheitsfall bestehe ein Gehaltsanspruch für drei Monate und ein Anspruch auf 30 Tage bezahlten Urlaub. Für eine selbständige Tätigkeit spreche lediglich eine erfolgsabhängige Tantiemenzahlung und der Umstand, dass der Kläger zu 1) alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der variablen Kaufpreisgestaltung.
36 
Gegen die Bescheide erhoben die Kläger am 07.02.2012 Widerspruch, den sie damit begründeten, dass bei Gesamtwürdigung die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen würden. Es müsse insbesondere die Gründungs- und Entstehungsgeschichte der Klägerin zu 2) berücksichtigt werden. Der Kläger zu 1) sei zusammen mit Herrn L. Kopf und Seele des Unternehmens, der Erfolg desselben hinge von diesen ab. Letztlich ergebe sich die Selbständigkeit auch aus der Earn-out-Klausel im Kaufvertrag und dem somit bestehenden variablen Kaufpreisanteil.
37 
Mit den Widerspruchsbescheiden vom 02.11.2012 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück und führte zur Begründung aus, dass bei einem Fremdgeschäftsführer in der Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen werde. Ausnahmsweise könne in Fällen einer Familien-GmbH oder Gesellschaften, in denen familienhafte Bindungen bestünden, die Verhältnisse dafür sprechen, dass keine abhängige Beschäftigung vorliege. Sowohl die Gewährung von bezahltem Urlaub wie auch der Lohnfortzahlung sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Nachdem eine Vergütung von 140.000,-- EUR gezahlt werde, liege auch kein Verlustrisiko und damit kein unternehmerisches Risiko vor.
38 
Gegen die Widerspruchsbescheide haben die Kläger am 26.11.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie haben ergänzend zum Vortrag im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass nach den Bestimmungen des GmbH-Gesetzes eine unmittelbare Einflussnahme des Klägers zu 1) auf die Entscheidungen der Klägerin zu 2) zwar rechtlich nicht (mehr) möglich sei. Sie ergebe sich jedoch faktisch daraus, dass der Kläger zu 1) über das erforderliche Know-how verfüge, die Gesellschaft technisch und kaufmännisch zu führen. Die Inhaberin der Gesellschaftsanteile, die Firma A. IT S. AG, sei im Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 2) selbst nie tätig gewesen. Sie habe durch den Erwerb der Anteile nur ein ertragreiches Unternehmen hinzuerworben. Bei einem Ausfall des Klägers zu 1) könne die Gesellschaft eigentlich nur liquidiert werden, da das Geschäftsmodell der Klägerin zu 2) nicht nur von dem Kläger zu 1) entwickelt, sondern auch so speziell sei, dass Dritte diese Tätigkeit nicht fortsetzen könnten. Es bestehe somit von Seiten der Klägerin zu 2) faktisch der Zwang, den Vorschlägen des Klägers zu 1) Folge zu leisten.
39 
Mit Urteil vom 06.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei Geschäftsführern, die am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt seien, komme es für die Abhängigkeit auf den Umfang der Beteiligung und das Ausmaß der sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft an. Bei nicht am Gesellschaftskapital beteiligten Geschäftsführern liege regelmäßig eine abhängige Beschäftigung vor, da auf Gesellschafterbeschlüsse kein Einfluss genommen und insbesondere die eigene Abberufung oder Entlassung nicht verhindert werden könne. Da der Kläger zu 1) keine Anteile an der Gesellschaft mehr halte, stehe ihm keine Einflussmöglichkeit auf die Geschicke der Gesellschaft zu und er könne insbesondere seine Abberufung und Entlassung nicht verhindern. Auch aus der vereinbarten Earn-out-Klausel ergebe sich keine andere Rechtslage. Dies gelte auch für die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB. So beinhalte der Gesellschaftsvertrag zahlreiche Regelungen, die für abhängige Beschäftigungen typisch seien. Hierzu zählten insbesondere die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Urlaubsanspruch von 30 Kalendertagen jährlich sowie ein monatliches Fixgehalt. Die Höhe des Kaufpreises sei zwar ebenso wie die Tantieme an den wirtschaftlichen Erfolg der Firma gekoppelt, am erfolgsunabhängigen Fixgehalt ändere sich jedoch nichts. Da der Kläger zu 1) auch keine sonstigen finanziellen Pflichten, wie beispielsweise Nachschusspflichten, treffe, bestehe lediglich ein Lohnausfallrisiko, wie bei jedem abhängigen Beschäftigten auch.
40 
Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 19.09.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
41 
Hiergegen richtet sich die am 18.10.2013 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung. Zur Begründung wird erneut vorgetragen, dass der Kläger zu 1) zusammen mit Herrn L. der „Know-how-Träger“ des Unternehmens sei, das damit ohne die beiden Geschäftsführer nicht fortgeführt werden könne, so dass es der Kläger zu 1) zumindest faktisch in der Hand habe, Gesellschafterbeschlüsse gegen ihn zu vermeiden. Die wirtschaftliche Situation des Klägers zu 2) sei im Übrigen mit der wirtschaftlichen Situation eines Allein-Gesellschafters einer GmbH vergleichbar. Das wirtschaftliche Risiko des Klägers zu 1) sei darin zu sehen, dass dieser Gefahr laufe, einen vertraglich bereits vereinbarten Kaufpreis wieder zu verlieren, wenn die Gesellschaft nicht den angestrebten Erfolg erreiche. Der Kläger zu 1) trage daher nicht nur ein Lohnausfallrisiko in Form der vereinbarten Festvergütung und der vereinbarten Tantiemen. Er sei darüber hinaus unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligt und laufe Gefahr, die bereits verbindlich vereinbarte weitere Kaufpreisrate zu verlieren, wenn der Erfolg des Unternehmens nicht die hierfür vorausgesetzte Größenordnung erreiche.
42 
Die Kläger beantragen,
43 
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.09.2013 und die Bescheide der Beklagten vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) nicht versicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist.
44 
Die Beklagte beantragt,
45 
die Berufung zurückzuweisen.
46 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogene Akte des SG sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
48 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend in ihren Bescheiden vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
49 
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen, zudem hat die Beklagte die Anforderungen erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen einer Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 1 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08, juris; hierzu auch ausführlich Mehrtens, SGb 2010, 271).
50 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, S 2) eingeführten Anfrageverfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen gegenteilige Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, S 6).
51 
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch ein anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
52 
Materiell sind die Bescheide ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
53 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei eine in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
54 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr 7 Rdnr 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
55 
Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein Gesellschafter aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft, dass er jedem ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so kann es an der versicherungspflichtigen Beschäftigung wesentlich gekennzeichneten persönlichen Abhängigkeit fehlen (vgl BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Im Fall des Geschäftsführers ist von einem solchen Fall auszugehen, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSGE 23, 83, 84) und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 und 8). Unter Umständen kann auch schon ein geringerer Kapitalanteil genügen, insbesondere wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, die sich unter anderem darauf erstreckt, nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Art der Tätigkeit zu verhindern (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8; SozR 3-4100 § 68 Nr 8).
56 
Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger zu 1) im streitigen Zeitraum ab dem 13.01.2012 weder über die Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung noch war er im Besitz einer Sperrminorität, nachdem sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma A. IT S. AG übertragen worden waren. Er war daher im Hinblick auf die Beteiligung in der Gesellschaft nicht in der Lage, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Unerheblich ist dabei, ob tatsächlich Weisungen erfolgt sind. Ausreichend ist vielmehr nach den obigen Ausführungen die bestehende Rechtsmacht. Ebenso wie beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG (hierzu EuGH 11.11.2010, C-232/09, Dita Danosa, NZA 2011, 143) und im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG (25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168) kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsführer einer GmbH hat, ob und in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen durch andere Gesellschaftsorgane unterliegt. Relevant ist insbesondere die Abberufbarkeit des Geschäftsführers (Schaupp ZESAR 2013, 5; Fischer NJW 2011, 2329).
57 
Zwar kann kein Umkehrschluss gezogen werden, dass mangels eines durch Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft zwangsläufig ein Abhängigkeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen ist (BSGE 13, 196, 200). In solchen Fällen ist das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon abhängig, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem in seiner persönlichen Abhängigkeit begründeten Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der Geschäftsführer über keine Mehrheit im Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindert (vgl BSG SozR 2100 § 7 Nr 7). Dies kann zB der Fall sein, wenn er auch als externer (angestellter) Geschäftsführer einer GmbH „schalten und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschaft persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Von dieser - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts ergangenen Rechtsprechung - hat sich der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG freilich inzwischen abgegrenzt (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2021 - 182 = juris).
58 
Gemessen an diesen Maßstäben war der Kläger zu 1) mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) in der streitigen Zeit ab dem 13.01.2012 abhängig beschäftigt. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Beschäftigung des Klägers zu 1). Diejenigen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen jedoch.
59 
Prüfungsmaßstab sind die im Anstellungsvertrag zur Rechtsstellung des Klägers zu 1) getroffenen Regelungen. Die vertraglichen Vereinbarungen im Anstellungsvertrag zur regelmäßigen monatlichen Vergütung, zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und zum Anspruch auf Urlaub sprechen für eine abhängige Tätigkeit des Klägers zu 1). Auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1) gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags neben der Bindung an Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung verpflichtet ist, Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge zu leisten, spricht für eine abhängige Beschäftigung. Insoweit ist gemäß Ziffer 1.3 die Gesellschafterversammlung auch befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen.
60 
Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, dass er die Gesellschaft wirtschaftlich und persönlich dominiert, war er nicht in der Stellung, die Klägerin zu 2) faktisch zu beherrschen. Hierfür genügen nicht bereits besondere Branchenkenntnisse, da diese üblicherweise Voraussetzung sind, um eine Person zum Geschäftsführer zu bestellen. Diese können daher allein keine selbständige unternehmerische Tätigkeit begründen (BSG 08.12.1987, 7 Rar 14/86 mwN). Zwar übersieht der Senat keineswegs, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er über das notwendige Know-how in der GmbH verfügt. Der weitere Geschäftsführer, Herr L., ist jedoch seit der Gründung der GmbH im Jahr 1995 Geschäftsführer der GmbH. Erst am 05.08.2011 wurde der Kläger zu 1) als weiterer Geschäftsführer eingetragen. Insoweit spricht bereits der zeitliche Ablauf dagegen, dass die Klägerin zu 2) allein von der Tätigkeit des Klägers zu 1) als Geschäftsführer abhängt. Im Übrigen hat der Klägervertreter auf die ergänzende Nachfrage mit Schreiben vom 27.02.2014 mitgeteilt, dass neben dem Kläger auch der Mitgeschäftsführer Herr L. von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen ist, wobei eine Aufteilung nach Aufgabengebieten nicht ersichtlich ist, so dass der Kläger zu 1) gerade nicht allein „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist.
61 
Auch die übrigen Regelungen des Anstellungsvertrags sprechen mehrheitlich für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gemäß Ziffer 2.5 hat der Geschäftsführer seine Leistungen am Sitz der Gesellschaft zu erbringen. Gemäß Ziffer 3.1 und 3.2 ist er zwar in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen. Er hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Dem Geschäftsführer ist für eine Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit einmal erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Fall eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit zu berücksichtigen sind. Damit ist aber eine weitgehende zeitliche Bindung des Klägers zu 1) gegeben.
62 
Soweit der Kläger zu 1) innerhalb dieser engen Regelungen den Ort, die Zeit und die Art seine Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen kann, steht dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Denn diese Möglichkeit hat in der Regel auch ein leitender Angestellter (BSG 13.08.1996, 10 RKg 28/95, SozR 3-5870 § 1 Nr 10 mwN). Ähnliches gilt für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Im Hinblick darauf, dass auch im Bereich leitender Angestellter, zB bei Prokuristen üblicherweise solche Freiheiten eingeräumt werden, ist die Indizwirkung hier allenfalls schwach ausgeprägt.
63 
Eine selbständige Tätigkeit kann auch nicht aus der im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelung über den Anspruch auf Tantiemen abgeleitet werden. Zum einen ist eine solche Regelung bei leitenden Angestellten nicht unüblich. Zum anderen resultiert auch aus dieser Regelung kein wirtschaftliches Risiko. Der Kläger zu 1) hat Anspruch auf ein Fixgehalt, das seinen Lebensunterhalt unter allen Umständen sichert. Selbst wenn - zB in einer Krisensituation - die erfolgsabhängige Tantieme nicht gezahlt wird, kann der Kläger zu 1) sein Fixgehalt in voller Höhe weiter beanspruchen. Der Anstellungsvertrag enthält keine Klauseln, nach denen der Kläger zu 1) in seiner Position als Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, auf seine Grundvergütung zu verzichten oder gar frisches Kapital ihn die Gesellschaft einzubringen. Dass die Tantieme und die Höhe derselben aufgrund der Bemessung am Gewinn der Gesellschaft letztlich auch vom persönlichen Einsatz des Klägers zu 1) abhängt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Eine Jahressonderprämie neben den zustehenden festen Vergütungsbestandteilen ist nicht mit dem Wagniskapital eines Unternehmers gleichzusetzen (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; LSG Baden-Württemberg, 22.03.2013, L 4 KR 3725/11).
64 
Schließlich resultiert auch aus der Earn-out-Klausel zur Überzeugung des Senats kein derart starkes Unternehmerrisiko, dass hierdurch die Annahme einer selbständigen Tätigkeit gerechtfertigt ist. Das hiermit eingegangene Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen ist vom Kapitaleinsatz für das Unternehmen zu trennen und tritt deshalb gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Einsätze privaten Vermögens sind auch seitens unstreitig abhängiger Beschäftigter nicht unüblich. Eine Unternehmerstellung wird allein hierdurch nicht begründet. Mit der geschlossenen Earn-out-Klausel verfolgte der Kläger zu 1) lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Insoweit stehen abtrennbare private Interessen im Vordergrund, nicht jedoch eine (unmittelbare) Beteiligung am Unternehmenserfolg. Zwar mag der Kläger zu 1) seine persönliche wirtschaftliche Situation ganz erheblich auch an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin zu 2) geknüpft haben. Die vollständige Veräußerung ohne Einräumung spezifischer Sperrminoritäten zeigt allerdings auch, dass eine Beteiligung des Klägers zu 1) an der Klägerin zu 2) nicht gewollt war und ist. So hat die vom Kläger zu 1) mit der Firma A. IT S. AG vereinbarte Earn-out-Klausel keine förmliche oder materielle Beteiligung am Unternehmer der Klägerin zu 2) herbeigeführt. Eine rechtsverbindlich gewollte Mitunternehmerschaft ist im streitigen Zeitraum nämlich nicht begründet worden. Die alleinige Rechtsmacht verblieb bei den Gesellschaftern der Klägerin zu 2), die allein für Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Sie hatten auch die tatsächliche Rechtsmacht unabhängig davon, ob sie hiervon Gebrauch gemacht haben, andere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Der Kläger zu 1) konnte deshalb nicht wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen. Deshalb ist auch hier ein Ausnahmefall, dass trotz fehlender Kapitalbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht anzunehmen sei, nicht gegeben (vgl LSG Baden-Württemberg 22.03.2013; L 4 KR 3725/11).
65 
Damit aber überwiegen im vorliegenden Fall die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, weshalb nach einer Berücksichtigung und Abwägung der unterschiedlichen Merkmale nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist.
66 
Damit aber sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung mit der Kostenfolge zu § 193 SGG zurückzuweisen war.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
47 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
48 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend in ihren Bescheiden vom 10.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.11.2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen.
49 
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen, zudem hat die Beklagte die Anforderungen erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen einer Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 1 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08, juris; hierzu auch ausführlich Mehrtens, SGb 2010, 271).
50 
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, S 2) eingeführten Anfrageverfahren sollte eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen gegenteilige Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, S 6).
51 
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 31.08.2011, welches bei der Beklagten am 16.09.2011 einging, gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch ein anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
52 
Materiell sind die Bescheide ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.
53 
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei eine in Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111,257 mwN).
54 
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder es sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Ein im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4; SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSGE 87, 53, 56). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr 7 Rdnr 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
55 
Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Versicherungspflicht eines Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein Gesellschafter aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft, dass er jedem ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so kann es an der versicherungspflichtigen Beschäftigung wesentlich gekennzeichneten persönlichen Abhängigkeit fehlen (vgl BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Im Fall des Geschäftsführers ist von einem solchen Fall auszugehen, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSGE 23, 83, 84) und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 5 und 8). Unter Umständen kann auch schon ein geringerer Kapitalanteil genügen, insbesondere wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, die sich unter anderem darauf erstreckt, nicht genehme Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Art der Tätigkeit zu verhindern (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8; SozR 3-4100 § 68 Nr 8).
56 
Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger zu 1) im streitigen Zeitraum ab dem 13.01.2012 weder über die Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung noch war er im Besitz einer Sperrminorität, nachdem sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma A. IT S. AG übertragen worden waren. Er war daher im Hinblick auf die Beteiligung in der Gesellschaft nicht in der Lage, nicht genehme Weisungen zu verhindern. Unerheblich ist dabei, ob tatsächlich Weisungen erfolgt sind. Ausreichend ist vielmehr nach den obigen Ausführungen die bestehende Rechtsmacht. Ebenso wie beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG (hierzu EuGH 11.11.2010, C-232/09, Dita Danosa, NZA 2011, 143) und im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG (25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168) kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich darauf an, welche Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsführer einer GmbH hat, ob und in welchem Maße er der Kontrolle und den Weisungen durch andere Gesellschaftsorgane unterliegt. Relevant ist insbesondere die Abberufbarkeit des Geschäftsführers (Schaupp ZESAR 2013, 5; Fischer NJW 2011, 2329).
57 
Zwar kann kein Umkehrschluss gezogen werden, dass mangels eines durch Kapitalbeteiligung hervorgerufenen beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft zwangsläufig ein Abhängigkeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen ist (BSGE 13, 196, 200). In solchen Fällen ist das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen wesentlich davon abhängig, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem in seiner persönlichen Abhängigkeit begründeten Weisungsrecht der GmbH unterliegt. Denn auch wenn der Geschäftsführer über keine Mehrheit im Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung unter Umständen ausgeschlossen sein, wenn ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindert (vgl BSG SozR 2100 § 7 Nr 7). Dies kann zB der Fall sein, wenn er auch als externer (angestellter) Geschäftsführer einer GmbH „schalten und walten“ kann, wie er will, weil er die Gesellschaft persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R). Von dieser - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts ergangenen Rechtsprechung - hat sich der für das Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG freilich inzwischen abgegrenzt (BSG 29.08.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2021 - 182 = juris).
58 
Gemessen an diesen Maßstäben war der Kläger zu 1) mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) in der streitigen Zeit ab dem 13.01.2012 abhängig beschäftigt. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Beschäftigung des Klägers zu 1). Diejenigen Anhaltspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen jedoch.
59 
Prüfungsmaßstab sind die im Anstellungsvertrag zur Rechtsstellung des Klägers zu 1) getroffenen Regelungen. Die vertraglichen Vereinbarungen im Anstellungsvertrag zur regelmäßigen monatlichen Vergütung, zur Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und zum Anspruch auf Urlaub sprechen für eine abhängige Tätigkeit des Klägers zu 1). Auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1) gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrags neben der Bindung an Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnung verpflichtet ist, Weisungen und Richtlinien der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft Folge zu leisten, spricht für eine abhängige Beschäftigung. Insoweit ist gemäß Ziffer 1.3 die Gesellschafterversammlung auch befugt, ein oder mehrere weitere Geschäftsführer zu berufen und ihnen - und dabei zugleich dem Geschäftsführer - im Innenverhältnis bestimmte Geschäftsführungsbereiche zur verantwortlichen Leitung zuzuweisen.
60 
Soweit der Kläger zu 1) vorträgt, dass er die Gesellschaft wirtschaftlich und persönlich dominiert, war er nicht in der Stellung, die Klägerin zu 2) faktisch zu beherrschen. Hierfür genügen nicht bereits besondere Branchenkenntnisse, da diese üblicherweise Voraussetzung sind, um eine Person zum Geschäftsführer zu bestellen. Diese können daher allein keine selbständige unternehmerische Tätigkeit begründen (BSG 08.12.1987, 7 Rar 14/86 mwN). Zwar übersieht der Senat keineswegs, dass der Kläger vorgetragen hat, dass er über das notwendige Know-how in der GmbH verfügt. Der weitere Geschäftsführer, Herr L., ist jedoch seit der Gründung der GmbH im Jahr 1995 Geschäftsführer der GmbH. Erst am 05.08.2011 wurde der Kläger zu 1) als weiterer Geschäftsführer eingetragen. Insoweit spricht bereits der zeitliche Ablauf dagegen, dass die Klägerin zu 2) allein von der Tätigkeit des Klägers zu 1) als Geschäftsführer abhängt. Im Übrigen hat der Klägervertreter auf die ergänzende Nachfrage mit Schreiben vom 27.02.2014 mitgeteilt, dass neben dem Kläger auch der Mitgeschäftsführer Herr L. von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen ist, wobei eine Aufteilung nach Aufgabengebieten nicht ersichtlich ist, so dass der Kläger zu 1) gerade nicht allein „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist.
61 
Auch die übrigen Regelungen des Anstellungsvertrags sprechen mehrheitlich für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gemäß Ziffer 2.5 hat der Geschäftsführer seine Leistungen am Sitz der Gesellschaft zu erbringen. Gemäß Ziffer 3.1 und 3.2 ist er zwar in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er hat jedoch jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen. Er hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Dem Geschäftsführer ist für eine Dauer dieses Vertrages jede entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit für sich oder Dritte untersagt, der die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt hat. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit einmal erteilte Zustimmung ist jederzeit widerruflich, wobei im Fall eines Widerrufs etwaige Fristvorschriften für die Beendigung der übernommenen Nebentätigkeit zu berücksichtigen sind. Damit ist aber eine weitgehende zeitliche Bindung des Klägers zu 1) gegeben.
62 
Soweit der Kläger zu 1) innerhalb dieser engen Regelungen den Ort, die Zeit und die Art seine Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen kann, steht dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Denn diese Möglichkeit hat in der Regel auch ein leitender Angestellter (BSG 13.08.1996, 10 RKg 28/95, SozR 3-5870 § 1 Nr 10 mwN). Ähnliches gilt für die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Im Hinblick darauf, dass auch im Bereich leitender Angestellter, zB bei Prokuristen üblicherweise solche Freiheiten eingeräumt werden, ist die Indizwirkung hier allenfalls schwach ausgeprägt.
63 
Eine selbständige Tätigkeit kann auch nicht aus der im Geschäftsführervertrag enthaltenen Regelung über den Anspruch auf Tantiemen abgeleitet werden. Zum einen ist eine solche Regelung bei leitenden Angestellten nicht unüblich. Zum anderen resultiert auch aus dieser Regelung kein wirtschaftliches Risiko. Der Kläger zu 1) hat Anspruch auf ein Fixgehalt, das seinen Lebensunterhalt unter allen Umständen sichert. Selbst wenn - zB in einer Krisensituation - die erfolgsabhängige Tantieme nicht gezahlt wird, kann der Kläger zu 1) sein Fixgehalt in voller Höhe weiter beanspruchen. Der Anstellungsvertrag enthält keine Klauseln, nach denen der Kläger zu 1) in seiner Position als Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, auf seine Grundvergütung zu verzichten oder gar frisches Kapital ihn die Gesellschaft einzubringen. Dass die Tantieme und die Höhe derselben aufgrund der Bemessung am Gewinn der Gesellschaft letztlich auch vom persönlichen Einsatz des Klägers zu 1) abhängt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Eine Jahressonderprämie neben den zustehenden festen Vergütungsbestandteilen ist nicht mit dem Wagniskapital eines Unternehmers gleichzusetzen (BSG 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; LSG Baden-Württemberg, 22.03.2013, L 4 KR 3725/11).
64 
Schließlich resultiert auch aus der Earn-out-Klausel zur Überzeugung des Senats kein derart starkes Unternehmerrisiko, dass hierdurch die Annahme einer selbständigen Tätigkeit gerechtfertigt ist. Das hiermit eingegangene Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen ist vom Kapitaleinsatz für das Unternehmen zu trennen und tritt deshalb gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Einsätze privaten Vermögens sind auch seitens unstreitig abhängiger Beschäftigter nicht unüblich. Eine Unternehmerstellung wird allein hierdurch nicht begründet. Mit der geschlossenen Earn-out-Klausel verfolgte der Kläger zu 1) lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Insoweit stehen abtrennbare private Interessen im Vordergrund, nicht jedoch eine (unmittelbare) Beteiligung am Unternehmenserfolg. Zwar mag der Kläger zu 1) seine persönliche wirtschaftliche Situation ganz erheblich auch an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin zu 2) geknüpft haben. Die vollständige Veräußerung ohne Einräumung spezifischer Sperrminoritäten zeigt allerdings auch, dass eine Beteiligung des Klägers zu 1) an der Klägerin zu 2) nicht gewollt war und ist. So hat die vom Kläger zu 1) mit der Firma A. IT S. AG vereinbarte Earn-out-Klausel keine förmliche oder materielle Beteiligung am Unternehmer der Klägerin zu 2) herbeigeführt. Eine rechtsverbindlich gewollte Mitunternehmerschaft ist im streitigen Zeitraum nämlich nicht begründet worden. Die alleinige Rechtsmacht verblieb bei den Gesellschaftern der Klägerin zu 2), die allein für Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Sie hatten auch die tatsächliche Rechtsmacht unabhängig davon, ob sie hiervon Gebrauch gemacht haben, andere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Der Kläger zu 1) konnte deshalb nicht wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen. Deshalb ist auch hier ein Ausnahmefall, dass trotz fehlender Kapitalbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht anzunehmen sei, nicht gegeben (vgl LSG Baden-Württemberg 22.03.2013; L 4 KR 3725/11).
65 
Damit aber überwiegen im vorliegenden Fall die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, weshalb nach einer Berücksichtigung und Abwägung der unterschiedlichen Merkmale nach dem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist.
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Damit aber sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung mit der Kostenfolge zu § 193 SGG zurückzuweisen war.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. November 2013 und des Sozialgerichts Halle vom 25. Januar 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 4295,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 anlässlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Fremdgeschäftsführer der Klägerin.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Meister des Glas- und Holzhandwerks. Er betrieb seit 2.8.1994 ein einzelkaufmännisches Unternehmen, in dem seine Lebensgefährtin beschäftigt war. Nach der Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2000 wurde das Unternehmen durch Gründung der Klägerin in der Rechtsform einer GmbH fortgeführt. Die Klägerin wurde am 19.7.2002 mit einer Einlage in Höhe von 25 000 Euro in das Handelsregister eingetragen, Alleingesellschafterin war die Lebensgefährtin des Beigeladenen zu 1., mit der er am 12.5.2012 die Ehe einging. Der Beigeladene zu 1. wurde am 2.5.2002 - noch von der Vorgesellschaft - unter Befreiung von § 181 BGB als Geschäftsführer bestellt.

3

Nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2.5.2002 bis 31.12.2003 stellte die Beklagte durch Bescheid vom 22.12.2006 fest, dass für den Beigeladenen zu 1. im Prüfzeitraum keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entrichtet worden seien und forderte diese in Höhe von 4295,50 Euro nach. Die Beitragshöhe bestimmte sie unter Annahme eines monatlichen Entgelts in der Zeit vom 2.5. bis 31.12.2002 in Höhe von 1915 Euro und für die Zeit ab 1.1.2003 in Höhe von 1565 Euro. Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass der Beigeladene zu 1. von der Sozialversicherung befreit sei. Entsprechende Unterlagen könnten aber wegen Baumaßnahmen nicht gesichtet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 zurück.

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten mit der Begründung aufgehoben, der Beigeladene zu 1. habe mangels Beschäftigung nicht der Versicherungspflicht unterlegen (Urteil vom 25.1.2010). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1. sei als Geschäftsführer der Klägerin selbstständig tätig gewesen. Er sei "Kopf und Seele" des Betriebes gewesen, ohne an Weisungen gebunden oder in eine "fremde" Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen zu sein. Zwar sei bei Fremdgeschäftsführern in der Regel von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Es sei aber eine Mehrzahl von besonderen Umständen gegeben, sodass in der Gesamtabwägung der zu berücksichtigenden Merkmale auf einen Ausnahmefall eines selbstständig tätigen Fremdgeschäftsführers zu erkennen sei. Insbesondere aufgrund der Lebenspartnerschaft und späteren Ehe zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin sei bereits im Prüfzeitraum "im Kern" eine Familien-GmbH angelegt gewesen. Dementsprechend habe der Beigeladene zu 1. die Geschäfte der Klägerin auch nach eigenem "Gutdünken" faktisch weiter geführt wie zuvor als Alleininhaber. Er sei nach wie vor "Kopf und Seele" des Betriebes gewesen. Hinsichtlich der Betriebsführung habe er nach innen wie auch in Bezug auf die Vertretung nach außen keiner tatsächlichen Weisung oder Überwachung unterlegen. Der Beigeladene zu 1. sei nicht in einen fremden Betrieb eingegliedert gewesen; auch nach Umwandlung in die GmbH habe er den Betrieb so weiter geführt, als wäre es sein eigener Betrieb. Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Tätigkeit und der Verkehrsanschauung bestünden keine vernünftigen Zweifel an einer selbstständigen Tätigkeit (Urteil vom 14.11.2013).

5

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. verneint. Fremdgeschäftsführer einer GmbH seien regelmäßig als abhängig beschäftigt anzusehen. Soweit das LSG sein gegenteiliges Ergebnis auf die im Leistungsrecht formulierte Rechtsauffassung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua auf BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) stütze, sei dem jedenfalls für das Versicherungs- und Beitragsrecht nicht zu folgen. Insoweit könne offenbleiben, ob die im streitigen Zeitraum zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft überhaupt als familiäre Verbundenheit im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen sei. Jedenfalls stehe der Auffassung des LSG ein obiter dictum des 12. Senats des BSG entgegen, worin dieser Bedenken äußere, diese Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht zu übernehmen (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Demnach könne auch eine außergewöhnlich überragende Stellung eines Fremdgeschäftsführers in einer GmbH unabhängig von deren Gründen es nicht rechtfertigen, seine Tätigkeit als selbstständig einzustufen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. November 2013 und des Sozialgerichts Halle vom 25. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig.

10

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007.

11

Materiell betrifft der Rechtsstreit nach dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Teilvergleich nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der GKV in der Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 und die Rechtmäßigkeit der hieraus folgenden Beitragsforderung.

12

2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der GKV zu Unrecht verneint. Der Beigeladene zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 2.5.2002 bis 13.10.2003 Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitete (hierzu c).

13

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der GKV (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit besonders BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

14

b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu aa). Liegen - anders als es hier im Prüfzeitraum der Fall war - schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen(dazu bb). Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu cc) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

15

aa) Der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin lag nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG im Prüfzeitraum noch kein schriftlicher Geschäftsführervertrag zugrunde, erst nachträglich hätte durch einen Geschäftsführervertrag vom 4.6.2004 und einen Dienstvertrag vom 1.8.2008 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschaffen werden sollen. Zum Inhalt der bis dahin bestehenden Vereinbarungen hat das LSG lediglich festgestellt, der Beigeladene zu 1. sei ohne Anteil an der Klägerin unter Befreiung von § 181 BGB zu deren Geschäftsführer bestellt worden, in dieser Tätigkeit nicht an bestimmte Dienstzeiten gebunden gewesen und habe seinen 30 Arbeitstage umfassenden Urlaub selbst bestimmen können. Neben einem vom jeweiligen Monatsabschluss abhängigen Gehalt habe er gewinnabhängige Tantiemen bezogen und Anspruch auf Entgeltfortzahlung für drei Monate gehabt.

16

bb) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. auch nicht nur zum Schein getroffen. Vielmehr setzte der mit der Überführung des zuvor als Einzelunternehmen durch den Beigeladenen zu 1. geführten Unternehmens in die Rechtsform der GmbH mit seiner Lebensgefährtin als Alleingesellschafterin und ihm als gegen Entgelt tätigen Geschäftsführer im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung seiner Ehe erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit der zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte voraus.

17

cc) Die vertraglichen Abreden zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen (siehe vorstehend aa und bb) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. Der Beigeladene zu 1. war ohne auch nur Mitgesellschafter der Klägerin zu sein als deren (Fremd-)Geschäftsführer tätig. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der Vereinbarungen über diese Tätigkeit, überwiegen noch die für einen Arbeitsvertrag sprechenden Elemente, wie zB die Regelungen über ein monatliches Entgelt zzgl gewinnabhängiger Tantiemen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Auch wenn dem Beigeladenen zu 1. arbeitnehmeruntypische Freiheiten bezüglich der Gestaltung von Dienstzeiten und Urlaubszeitpunkt eingeräumt waren, so ist nicht erkennbar, dass seine Weisungsgebundenheit gegenüber der Klägerin vertraglich eingeschränkt gewesen wäre oder er - nach Gründung der GmbH - ein wesentliches Unternehmerrisiko zu tragen gehabt hätte.

18

c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor: Der Beigeladene zu 1. übte iS von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigen zudem weder das besondere Fachwissen noch die langjährige Erfahrung des Beigeladenen zu 1. ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil der Beigeladene zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte (dazu dd).

19

aa) Der Beigeladene zu 1. war in einem fremden Betrieb und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin, die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18). Der Beigeladene zu 1. war auch nicht als Gesellschafter am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Dass das Unternehmen zuvor von ihm als Einzelunternehmen geführt wurde, ist mangels rechtlicher Relevanz ohne Belang.

20

bb) Die vom Beigeladenen zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit, wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Alleingesellschafterin der Klägerin unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182 = Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN). Schließlich ist auch zu beachten, dass Gesellschafter einer GmbH dem Geschäftsführer zwar große Freiheiten lassen können, doch dürfen sie ihn nicht ganz von der Überwachung befreien (Liebscher in Münchener Komm zum GmbHG, 1. Aufl 2012, § 46 RdNr 207; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl 2004, § 46 RdNr 18; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl 2013, § 46 RdNr 51), zumal sie andernfalls gegenüber den Gesellschaftsgläubigern womöglich schadensersatzpflichtig werden (so schon BSG SozR Nr 22 zu § 3 AVG Aa 23).

21

Entscheidend ist insoweit, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter am Stammkapital der Klägerin beteiligt war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen der Alleingesellschafterin der Klägerin, zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch einer Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität - und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

22

cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigen auch das besondere Fachwissen und die langjährige Erfahrung des Beigeladenen zu 1. kein anderes Ergebnis, auch wenn er hierdurch der Alleingesellschafterin der Klägerin faktisch überlegen war. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine vermeintliche "faktische Machtposition" selbst gegenüber einer Einzelunternehmerin grundsätzlich nicht die Annahme von Selbstständigkeit rechtfertigt (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28). Dies gilt erst recht im Verhältnis zu einer juristischen Person wie der Klägerin, einer GmbH. Zwar sind ein besonderes Fachwissen und die Erfahrung eines Geschäftsführers für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens durchaus von Bedeutung. Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29-30) - hatte es aber allein die Alleingesellschafterin der Klägerin in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Beigeladenen zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck der Klägerin zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Beigeladenen zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Geschäftsführer zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Alleingesellschafterin der Klägerin zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen möglicherweise höhere Betriebskosten oder gar wirtschaftliche "Turbulenzen" der Klägerin ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden Rechtsmacht des Beigeladenen zu 1., solche Maßnahmen seiner Lebensgefährtin abzuwenden, nichts.

23

dd) Eine Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitete.

24

Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem "Gutdünken" führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31). Da der Senat der sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht nicht folgt, ist es ohne Belang, dass zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Alleingesellschafterin der Klägerin im streitigen Zeitraum ohnehin keine familiären Bindungen bestanden, da sie lediglich eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bildeten.

25

Eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV). Darüber hinaus vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten (dazu unter c bb).

26

Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschiedenen Motiven geleitet werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall der besonderen Lebenssituation. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen hinzunehmen.

27

An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen § 7 Abs 1 SGB IV(vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7 SGB IV RdNr 1)sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl § 1 Abs 3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72 = Juris RdNr 15). Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.

28

3. Für Fehler bei der Berechnung der geforderten Beiträge bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

29

4. Die Kostenentscheidung folgt, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 159 S 2, § 162 Abs 3 VwGO.

30

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 und des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 werden aufgehoben, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betreffen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern 40 vH der notwendigen außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner bei der Klägerin zu 2. ausgeübten Tätigkeit als Vertriebsleiter in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.

2

Der Kläger zu 1. ist ausgebildeter Diplomkaufmann. Er ist - neben seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2. - Geschäftsführer und Gesellschafter von zwei weiteren Unternehmen (J.
GmbH und L. J. GmbH) und Kommanditist eines vierten Unternehmens (Ha CE L. J. GmbH & Co KG).

3

Bei der Klägerin zu 2. handelt es sich um eine 1998 gegründete GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Vertrieb von Lockenwicklern und Vogelnetzen, die sie von einem der anderen Unternehmen bezieht. Das Stammkapital beläuft sich auf 358 000 Euro. Alleinige Gesellschafterin sowie Geschäftsführerin war ab Oktober 2005 die Ehefrau des Klägers zu 1., eine gelernte Zahnarzthelferin und Bürokauffrau. Gemäß "Anstellungsvertrag" vom 30.4.2006 war der Kläger zu 1. ab 1.5.2006 Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. für die Bereiche Netze und Lockenwickler. Seit dem 17.8.2011 ist auch der Kläger zu 1. deren Geschäftsführer und seit dem 13.3.2012 zudem Gesellschafter mit der Hälfte des Stammkapitals. Bereits am 12.4.2001 übernahm der Kläger zu 1. zugunsten der Klägerin zu 2. ua eine Bürgschaft in Höhe von 384 000 Euro, die 2005 auf 375 000 Euro reduziert wurde.

4

Auf Antrag des Klägers zu 1. auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 10.3.2006 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 27.6.2007 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. seit Aufnahme dieser Tätigkeit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Kläger wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008 zurück.

5

Nach Klageerhebung hat die Beklagte mit Bescheiden vom 14.12.2009 gegenüber beiden Klägern unter Änderung ihrer früheren Bescheide festgestellt, dass wegen der Vertriebsleitertätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der mündlichen Verhandlung über die verbundenen Klagen hat die Beklagte diese Bescheide wegen des Einkommens des Klägers zu 1. hinsichtlich dessen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgehoben. Das SG hat die Bescheide der Beklagten auch im Übrigen aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. um eine insgesamt sozialversicherungsfreie Tätigkeit handele (Urteil vom 9.2.2011).

6

Das LSG hat die auf die Zeit bis zum 17.8.2011 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ausnahmsweise liege keine Beschäftigung vor, wenn es bei Familienunternehmen aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts des Arbeitgebers gegenüber dem vermeintlich Beschäftigten völlig mangele. Hiervon könne insbesondere bei demjenigen auszugehen sein, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten könne. Dies sei beim Kläger zu 1. der Fall gewesen. Er sei auch nicht in einem fremden, sondern in seinem eigenen Betrieb tätig gewesen und habe dabei keinen Weisungen unterlegen. Seine Ehefrau sei lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen in die Stellung als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. gerückt, ohne dass sie zu irgendeiner Zeit die Geschicke der Klägerin zu 2. beeinflusst oder gar bestimmt hätte. Sie habe sich vielmehr um die vier Kinder gekümmert und die Unternehmensleitung dem Kläger zu 1. überlassen. Dieser habe durch seine Ausbildung und seine einschlägige Berufserfahrung aufgrund seiner Tätigkeit für die anderen Unternehmen - im Gegensatz zu seiner Ehefrau - die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt, um die Geschäfte führen zu können. Im Fall eines Konfliktes mit seiner Ehefrau hätte er aufgrund seiner maßgeblichen Stellung in den anderen Unternehmen die Kunden der Klägerin zu 2. abziehen können. Damit hätten dem Kläger zu 1. erhebliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Zudem hätte er maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2. nehmen und ihm nicht genehme Weisungen abwenden können. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. gegenüber der Klägerin zu 2. eine Bürgschaft über einen Betrag in einer Höhe abgegeben, welche in etwa dem Stammkapital der Klägerin zu 2. entspreche (Urteil vom 22.11.2012).

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Auch wenn der Kläger zu 1. - wie in den anderen Unternehmen - unstreitig auch in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. vollkommen freie Hand gehabt habe und wie ein Alleininhaber habe frei schalten und walten können, habe das LSG gestützt auf die zum Leistungsrecht ergangene Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) zu Unrecht Selbstständigkeit angenommen. Entscheidendes Kriterium sei allein, ob der Betroffene rechtlich in der Lage sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Im Falle eines möglichen familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten komme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen in einem solchen Fall eine Weisungsunterworfenheit bestehen könne. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar. Auch die Übernahme einer Bürgschaft in beträchtlicher Höhe vermöge an der Statusbeurteilung nichts zu ändern, da es im Wirtschaftsleben üblich sei, die Ehepartner eines Unternehmensinhabers ohne Rücksicht auf deren Stellung im Unternehmen zu Bürgschaften heranzuziehen.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 die Klage abzuweisen, soweit sie die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betrifft.

9

Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

11

Die Beigeladene teilt die Rechtsauffassung der Beklagten.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit die Klage die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 betrifft. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich in diesem Umfang als rechtmäßig.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 27.6.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008, abgeändert durch den nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 14.12.2009.

14

Materiell betrifft der Rechtsstreit nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG bzw vor dem Senat ihre Bescheide teilweise aufgehoben und ihre Berufung hinsichtlich des Zeitraums ab 17.8.2011 zurückgenommen.

15

2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Unrecht verneint. Der Kläger zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die für die Tätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Klägers zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete (hierzu c).

16

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754 bzw ab 1.1.2007 idF des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926; § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 S 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).

17

b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu aa). Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (dazu bb). Diese sind ebenfalls nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen(dazu cc). Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu dd) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

18

aa) Der Tätigkeit des Klägers zu 1. lag eine schriftliche, ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung vom 30.4.2006 zugrunde. Danach wurde der Kläger zu 1. zum 1.5.2006 als Vertriebsleiter für die Bereiche Netze und Lockenwickler - also unterhalb der Ebene eines Geschäftsführers und nur mit einem beschränkten Aufgabengebiet - von der Klägerin zu 2. angestellt. Hierfür erhielt er ein festes monatliches Gehalt von zunächst 6000 Euro bzw 8000 Euro ab dem 1.11.2006. Es wurden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten sowie ein Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen vereinbart. Der Anstellungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Kündigung war nur aus wichtigen Gründen möglich. Eine Beteiligung des Klägers zu 1. an anderen Unternehmen sowie die Mitgliedschaft in Organen fremder Gesellschaften waren anzeigepflichtig.

19

bb) Ausdrückliche Änderungen des schriftlichen Anstellungsvertrags hat das LSG im noch streitigen Zeitraum nicht festgestellt. Erst danach änderte sich die Tätigkeit des Klägers zu 1. in rechtlich anzuerkennender Weise, indem er am 17.8.2011 als weiterer Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ins Handelsregister eingetragen wurde und später die Hälfte der Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 2. erwarb. Dem hat die Beklagte durch eine teilweise Rücknahme der Berufung bereits Rechnung getragen.

20

Darüber hinaus ergeben sich - unabhängig vom vereinbarten Schriftformerfordernis - auch keine Anhaltspunkte für eine rechtlich anzuerkennende konkludente Vertragsänderung. Dass der Kläger zu 1. nach den Feststellungen des LSG vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. hatte, also faktisch wie deren Geschäftsführer aufgetreten ist und gehandelt hat, ändert an seiner vertraglichen Stellung schon deshalb nichts, weil nach § 6 Abs 3 S 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Bestellung der Geschäftsführer entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG(ua im Fall der Führungslosigkeit, hierzu § 35 Abs 1 S 2 GmbHG) erfolgt und nach § 39 Abs 1 GmbHG jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Dies ist im noch streitigen Zeitraum nicht erfolgt.

21

cc) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Klägern auch nicht nur zum Schein getroffen. Vielmehr erfolgte die Bestellung der Ehefrau des Klägers zu 1. zur Alleingesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. nach diesen Feststellungen aus wirtschaftlichen Gründen und damit absichtlich. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Anstellung des Klägers zu 1. unterhalb der Geschäftsführung von den Beteiligten ganz bewusst so gewollt war, sodass der erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes voraussetzte (vgl hierzu Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 117 RdNr 4 mwN).

22

dd) Die vertraglichen Abreden zwischen den Klägern sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen (siehe vorstehend aa bis cc) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. In der ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, wie zB die Regelungen über ein festes Entgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vertragliche Stellung des Klägers zu 1. bei der Klägerin zu 2. noch unterhalb der Stellung eines Geschäftsführers und damit auf der Ebene eines leitenden Angestellten angesiedelt ist. Dagegen spricht nicht die Beschränkung der Kündigung auf wichtige Gründe, die uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für beide Seiten vereinbart werden kann (vgl Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 622 RdNr 9).

23

c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor: Der Kläger zu 1. übte iS von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil der Kläger zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte (dazu dd).

24

aa) Entgegen der Auffassung des LSG war der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum in einem fremden und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin zu 2., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18).

25

bb) Die vom Kläger zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit, wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit "im Alltag" keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182, Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN).

26

Entscheidend ist insoweit, dass der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter an der Klägerin zu 2. beteiligt war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen von Seiten der Geschäftsführung der Klägerin zu 2., zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität - und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 7, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.

27

cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis. Dies hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits herausgearbeitet (zur Bürgschaft vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN; zur "faktischen Machtposition" vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28 f): Zwar können nach der Rechtsprechung des BSG auch wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten beachtenswert sein, soweit sie - was hier nicht der Fall ist - dem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f; vgl auch BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN). Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29) - hatte es aber allein die Ehefrau des Klägers zu 1. als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Kläger zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck der Klägerin zu 2. zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Kläger zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Vertriebsleiter zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Ehefrau des Klägers zu 1. zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen sowie auf die Bürgschaft möglicherweise höhere Betriebskosten oder gar wirtschaftliche Turbulenzen der Klägerin zu 2. ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden Rechtsmacht des Klägers zu 1., solche Maßnahmen seiner Ehefrau abzuwenden, nichts. Bezüglich der Bewertung wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten ist zudem zu beachten, dass die Übernahme einer Bürgschaft nicht mit der Gewährung eines Darlehens (hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f) zu vergleichen ist, denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber durch die Kündigung des Darlehens in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer Bürgschaft, da diese idR nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten dient und selbst im Fall ihrer Kündigung bzw Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann.

28

dd) Eine Selbstständigkeit des Klägers zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete.

29

Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31).

30

Eine solche Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d) SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV). Schließlich vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten (dazu oben unter bb).

31

Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschieden Motiven geleitet werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall unternehmenspolitischen Notwendigkeiten. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen hinzunehmen.

32

An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen § 7 Abs 1 SGB IV(vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7 SGB IV RdNr 1)sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl § 1 Abs 3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr 15). Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.

33

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Daher ist die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der VwGO bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 1. - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört(vgl BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 11, so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2014 - L 1 KR 271/13 - Juris RdNr 32 mwN).

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Beigeladenen zu 3. bis 5. in ihren Tätigkeiten als sozialpädagogische Familienhelfer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlagen.

2

Der klagende Landkreis setzte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Sicherstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe - neben freien Trägern der Jugendhilfe - sowohl bei ihm beschäftigte Fachkräfte ein als auch von ihm als selbstständig tätig angesehene Mitarbeiter. Die Aufgabe der Mitarbeiter bestand darin, jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufzusuchen und diese vor Ort zu unterstützen. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. sind Diplom-Sozialpädagogen und waren als Familienhelfer von 1997 bzw 1998 bis 22.10.2000 (Beigeladene zu 4.), bis 30.11.2000 (Beigeladener zu 5.) und bis Mai 2006 (Beigeladene zu 3.) für den Kläger tätig. Die vom Kläger mit den Beigeladenen zu 3. bis 5. geschlossenen schriftlichen Vereinbarungen über die Betreuung einer bestimmten, jeweils benannten Familie im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe sahen ua vor, dass die Tätigkeit im Rahmen einer selbstständigen Berufsausübung stattfinden sollte und die Betreuung und Begleitung der Familie im Sinne der Konzeption der sozialpädagogischen Hilfe des Klägers zu erfolgen hatte; im Übrigen sollten die Arbeitsbedingungen frei gestaltet werden können, insbesondere konnten die Einsatzzeiten durch Absprache frei bestimmt werden, und sollte das (monatlich auszuzahlende) Bruttohonorar 60 DM - später 34 Euro - pro abrechenbarer Stunde betragen. Weiter war vereinbart, dass pro Monat und Familie bis zu 60 Stunden - später bis zu 100 Stunden - abrechenbar waren, welche Tätigkeiten der Honorarrechnung zugrunde gelegt werden durften und welche Tätigkeiten nicht abrechenbar waren. Für die Versteuerung der Honorare hatten die Beigeladenen zu 3. bis 5. selbst Sorge zu tragen; Ansprüche auf Erholungsurlaub sowie im Krankheitsfall sollten nicht bestehen. Berichte waren im halbjährlichen Abstand sowie zum Abschluss der Maßnahme, ab 2005 auch vor der Fortschreibung des Hilfeplans, zu erstellen. Bei einer Kindeswohlgefährdung war nach eigener Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine erfahrene Fachkraft hinzuzuziehen und ggf das Jugendamt zu informieren. Die Vereinbarungen sahen schließlich eine dreimonatige Probezeit sowie eine Verlängerungsmöglichkeit, seit 2005 für je ein halbes Jahr, und die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung vor, insbesondere wenn das Betreuungsziel erreicht wurde oder die Mitarbeit der Familien nicht mehr gewährleistet war. Aufträge durften jederzeit abgelehnt werden.

3

Die Beigeladenen zu 3. bis 5. beantragten 1999 bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung ihrer Sozialversicherungspflicht. Mit jeweils an diese Beigeladenen und den Kläger gerichteten Bescheiden vom 11.10.1999 und 14.10.1999 stellte die Beklagte fest, dass sie in ihrer Tätigkeit als sozialpädagogische Familienhelfer bei dem Kläger beschäftigt gewesen seien und deshalb der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlägen. Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 11.1.2001 zurück.

4

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 30.1.2008). Die Berufungen des zu 1. beigeladenen Rentenversicherungsträgers und der Beigeladenen zu 3. hat das LSG zurückgewiesen: Die Beigeladenen zu 3. bis 5. seien vom 1.1.1999 bis zum Ende ihrer jeweiligen Beschäftigung nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die getroffenen Vereinbarungen böten wenige Anhaltspunkte für eine Beschäftigung, sondern sprächen für eine selbstständige Tätigkeit. Es habe an einer Eingliederung in den Betrieb des Klägers gefehlt. Eine solche ergebe sich weder aus dem Konzept der sozialpädagogischen Familienhilfe des Klägers noch aus einer nicht verpflichtenden, aber vom Kläger gewünschten Teilnahme an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen. Den Familienhelfern sei es im Hinblick auf den relativ geringen zeitlichen Umfang möglich gewesen, ihre Arbeitskraft anderen Auftraggebern anzubieten. Ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. habe sich weder aus den Vereinbarungen noch aus dem Konzept der Familienhilfe ergeben und sei auch in der Praxis nicht wahrgenommen worden. Den Berichtspflichten und der vereinbarten Verfahrensweise bei Kindeswohlgefährdung sei keine Ermächtigung zu entnehmen, konkrete Anweisungen zu erteilen. Aus der in § 79 Abs 1 SGB VIII geregelten Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lasse sich nicht die Unzulässigkeit des Einsatzes selbstständig tätiger Familienhelfer herleiten. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten ein Unternehmerrisiko getragen, weil sie nicht mit gleich hohen Einnahmen hätten rechnen können und weil sie die Möglichkeit gehabt hätten, auch für andere Träger tätig zu werden (Urteil vom 21.5.2010).

5

Die Beigeladene zu 1. rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Das BAG habe in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327) bei einem Einsatz in der sozialpädagogischen Familienhilfe nach § 31 SGB VIII ein Arbeitsverhältnis der Familienhelfer bejaht. Aus § 79 SGB VIII ergäben sich Weisungsbefugnisse und Überwachungsmöglichkeiten des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe, die einer freien Gestaltung der Tätigkeit und Bestimmung der Arbeitszeit der Familienhelfer entgegenstünden. Der Träger sei danach verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung sowie in Erfüllung seines Schutzauftrages gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und sonstigen Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten und ihnen Weisungen erteilt werden könnten. Dementsprechend müssten die geschlossenen Vereinbarungen dahin ausgelegt werden, dass von den Vertragsparteien eine Beschäftigung gewollt sei. In der Termingestaltung seien Familienhelfer an den sich aus dem Hilfeplan ergebenden Umfang und an die Wünsche und Bedürfnisse der betreuten Familie gebunden gewesen. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei der geringe Umfang der Tätigkeit. Ein Unternehmerrisiko hätten die Beigeladenen zu 3. bis 5. nicht getragen.

6

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 und des Sozialgerichts München vom 30. Januar 2008 zu ändern und die Klage gegen die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Beigeladenen zu 3. bis 5. in den Bescheiden vom 11. Oktober 1999 und 14. Oktober 1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Januar 2001 abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 1. zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

9

Die Beklagte, die zu 2. beigeladene Bundesagentur für Arbeit, die Beigeladenen zu 3. bis 5. sowie die zu 6. beigeladene Pflegekasse stellen keinen Antrag.

10

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2. und 3. schließen sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1. an. Die Beigeladene zu 3. führt ergänzend aus, für eine abhängige Beschäftigung sprächen die Teambesprechungen, Supervisionen und Fortbildungen in Räumen des Klägers und unter Leitung seiner Fachkraft.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 1. (Rentenversicherungsträger) ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).

12

Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beigeladenen zu 1. - soweit sie die Feststellung der Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. betrifft - gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle rechtswidrig seien, weil die Beigeladenen zu 3. bis 5. in ihren Tätigkeiten als Familienhelfer ua in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig gewesen seien. Die aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. gewonnene Beurteilung des LSG, dass diese selbstständig tätig waren, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Beschäftigte zu Recht festgestellt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

13

1. Im Revisionsverfahren sind die Bescheide vom 11.10.1999 und 14.10.1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.1.2001 nur insoweit zu überprüfen, als die Beklagte mit ihnen die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt hat. Die Beigeladene zu 1. hat ihre Revision entsprechend beschränkt, weil sie durch die ihre Berufung zurückweisende Entscheidung des LSG nur insoweit beschwert ist, als es die die Rentenversicherung betreffenden Feststellungen der Beklagten betrifft (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 15/10 R - USK 2011-124, Juris RdNr 19). Insoweit war sie rechtsmittelbefugt, obwohl sie die Bescheide nicht selbst mit der Klage angefochten hatte (vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr 9).

14

2. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.

15

In den hier streitigen, vom LSG zugrunde gelegten Zeiträumen der Tätigkeit ab 1.1.1999 bis längstens Mai 2006 (Beigeladene zu 3.) unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Das kann bei manchen Tätigkeiten - auch in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17 ; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN).

16

3. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).

17

a) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1. ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit von Familienhelfern - wie den Beigeladenen zu 3. bis 5. - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.

18

Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 - BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlich maßgebliche Form der Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.

19

Auch § 8a SGB VIII konnte nicht ohne Weiteres die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. vom Kläger begründen. Zum einen wurde die Regelung erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt und galt damit im hier streitigen Zeitraum größtenteils noch nicht. Zum anderen besagen auch der darin ausgesprochene Schutzauftrag des Jugendamts bei Kindeswohlgefährdung und die näher geregelten, dem Jugendamt obliegenden Pflichten in dieser Allgemeinheit nichts darüber, wie bzw mit welchem Status Mitarbeiter zur Erfüllung der Aufgaben heranzuziehen sind. Weshalb die von der Beigeladenen zu 1. im Revisionsverfahren angeführten Vorschriften speziell des Berliner Landesrechts Einfluss auf die Beurteilung der Rechtslage im hier betroffenen Freistaat Bayern haben sollten, erschließt sich nicht.

20

Ob - wie die Beigeladene zu 1. meint - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in der Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.

21

b) Das LSG hat die unter 2. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff). Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.

22

Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und schließlich eine Gesamtschau der Indizien vorgenommen. So hat es die getroffenen schriftlichen Vereinbarungen betrachtet und daraus hergeleitet, dass diese wenige Anhaltspunkte für eine Beschäftigung böten, sondern für eine selbstständige Tätigkeit sprächen. Eine - für Beschäftigung sprechende - Eingliederung in den Betrieb des Klägers hat es verneint, weil diese weder aus seinem Konzept der sozialpädagogischen Familienhilfe noch aus der Teilnahme der Beigeladenen an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen hergeleitet werden könne. Ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 5. folge nicht aus den Vereinbarungen und sei auch in der Praxis nicht wahrgenommen worden. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten so Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit im Wesentlichen unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmt. In den Berichtspflichten der Beigeladenen und der vereinbarten Verfahrensweise bei Kindeswohlgefährdung hat das LSG keinen Anhaltspunkt für die Erteilung konkreter Anweisungen gesehen. Für die Selbstständigkeit hat es sodann als ausschlaggebend angesehen, dass es den Familienhelfern im Hinblick auf den relativ geringen zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit (sechs Stunden wöchentlich) möglich gewesen sei, ihre Arbeitskraft anderen Auftraggebern anzubieten. Auch eine "Umetikettierung" bislang abhängiger Beschäftigungsverhältnisse in eine selbstständige Tätigkeit habe nicht vorgelegen. Die Beigeladenen zu 3. bis 5. hätten ein Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - aaO, RdNr 25 mwN) getragen, weil sie nicht mit gleich hohen Einnahmen hätten rechnen können, und jederzeit die Möglichkeit gehabt hätten, Aufträge abzulehnen und auch anderweitig in ihrem Beruf tätig zu werden. Weitere Hinweise für eine selbstständige Tätigkeit seien das Fehlen von Ansprüchen auf Erholungsurlaub und von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gewesen.

23

c) Das Urteil des LSG kann jedoch trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ausgangspunkts keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten bislang nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladenen zu 3. bis 5. seien als sozialpädagogische Familienhelfer für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.

24

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 2. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).

25

Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.

26

So hätte vor allem zunächst genauer ermittelt und dann gewürdigt werden müssen, in welchen konkreten Punkten sich der Einsatz der vom Kläger als selbstständig angesehenen Beigeladenen zu 3. bis 5. als sozialpädagogische Familienhelfer von demjenigen der Familienhelfer in einem Beschäftigungsverhältnis unterschied. Dazu bestand im vorliegenden Fall besonderer Anlass. Nach dem eigenen protokollierten Vorbringen des Klägers und den Ausführungen der Beigeladenen zu 3. in der mündlichen Verhandlung beim SG am 30.1.2008 wurde die sozialpädagogische Familienhilfe bei dem Kläger nämlich ursprünglich (jedenfalls noch) im Jahr 1989 mit festangestellten Mitarbeitern des Jugendamtes durchgeführt und erst dann (auch?) mittels "Honorarkräften" wahrgenommen; zudem hat der Kläger im Verfahren vor dem SG (Schriftsatz vom 15.11.2005) ausgeführt, dass im betroffenen Landkreis "ca 50 % aller Fälle der sozialpädagogischen Familienhilfe freien Trägern übertragen" würden, die entschieden, "mit welchen Arbeitnehmern oder mit welchen Subunternehmern" sie ihre gegenüber dem Kläger eingegangenen Verpflichtungen erfüllten. Gleiches folgt aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung beim LSG am 21.5.2010, wonach für den Kläger zwei Personen auch "fest angestellt in der Familienhilfe" tätig waren. Wurden die vom Kläger als Jugendhilfeträger gegenüber den jugendhilferechtlich anspruchsberechtigten Familien zu erbringenden Leistungen danach aber ursprünglich sogar durchgehend und später jedenfalls "auch" von Beschäftigten erbracht, hätten im sozialgerichtlichen Verfahren zunächst nähere Ermittlungen dazu nahegelegen, durch welche Umstände von Gewicht sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. bis 5. etwa von einer (ggf befristeten, möglicherweise projektbezogenen) Teilzeitbeschäftigung von Familienhelfern unterschied. Vor diesem Hintergrund könnte es sich hier so verhalten, dass auch Letztere sich in ihrer Tätigkeit in erster Linie nur jugendhilferechtlichen Rahmenvorgaben gegenübersahen und sie sich - ähnlich wie die Beigeladenen zu 3. bis 5. - in ihrer Betreuungstätigkeit bei den Familien in deren Wohnung ausschließlich an den Zeitvorgaben und Bedürfnissen der Hilfebedürftigen ausrichten mussten, mit der Folge, dass sich die Gestaltungsfreiräume in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit und die Bedingungen in Bezug auf erforderlichen Kapitaleinsatz nicht unterschieden, also möglicherweise gleichartig waren. Allein die Nichtgewährung von arbeitnehmertypischen Leistungen wie Erholungsurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf die das LSG bei seiner Würdigung ergänzend abgestellt hat, könnte einen Erwerbstätigen, der in persönlicher Abhängigkeit arbeitnehmertypische Dienste gegen eine erfolgsunabhängige Stundenvergütung zu verrichten hat, dann noch nicht als Selbstständigen qualifizieren.

27

Bei alledem haben die Vorinstanzen auch dem Umstand keine hinreichende Beachtung geschenkt, dass im Zuge des Einsatzes der Beigeladenen zu 3. bis 5. als sozialpädagogische Familienhelfer - mit Grundlage in den schriftlichen Vereinbarungen - engmaschig, nämlich in ca zweiwöchigem Rhythmus, mehrstündige "Teamgespräche" erfolgten, die von einem Sozialarbeiter des Klägers geleitet wurden, in Räumlichkeiten des Klägers stattfanden und deren Teilnahme den Beigeladenen zu 3. bis 5. als bei der Honorarberechnung berücksichtigungsfähiger Zeitaufwand vergütet wurde. Zwar hat das LSG ausgeführt, die Teambesprechungen hätten zum gegenseitigen Austausch und zur Beratung zur Verfügung gestanden; welchen genauen Ablauf und Inhalt diese Besprechungen hatten und welchem Zweck sie dienten, hat das Berufungsgericht jedoch nicht ermittelt. Diese Veranstaltungen könnten über die bloße Information für Abrechnungszwecke und zur Vorbereitung behördlicher Entscheidungen über die Fortgewährung von Jugendhilfeleistungen hinausgegangen, nämlich etwa zu Kontrollzwecken genutzt worden sein. Der Umstand, dass - wie das LSG festgestellt hat - die Teilnahme an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen nicht verpflichtend, aber erwünscht war, könnte dafür sprechen, dass die Beigeladenen zu 3. bis 5. wie bei dem Kläger beschäftigte Familienhelfer infolge enger kontinuierlicher Anbindung in dessen Betriebsorganisation eingegliedert waren und ggf auch Weisungen unterlagen. Insgesamt ist unklar, welchen tatsächlichen Inhalt und welche Konsequenzen diesen wiederholten mehrstündigen Zusammenkünften und Besprechungen zukam. Insoweit ist im Verfahren von Erfahrungsaustausch und Beratung, aber auch von Maßnahmen zur Qualitätssicherung die Rede. Gerade aus einer näheren Betrachtung dieser Veranstaltungen könnten Erkenntnisse folgen, die in eine Gesamtabwägung aller Indizien eingehen müssen, insbesondere was die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation und die Ausübung von Weisungsrechten betrifft.

28

Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob über die jeweils nur auf eine Familie bezogenen schriftlichen, allerdings sehr detailliert ausgearbeiteten Einzelvereinbarungen hinaus aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 3. bis 5. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelfer, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der genannten Beigeladenen sprechen.

29

d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladenen zu 3. bis 5. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelfer in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig waren. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.

30

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben, allerdings - anders als von ihm angenommen - gemäß § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I 2144) am 2.1.2002 geltenden Fassung (aF). In Verfahren, die wie hier vor dem Inkrafttreten des 6. SGGÄndG anhängig gewesen sind, ergeht die Kostenentscheidung in jedem Rechtszug unabhängig vom Entscheidungszeitpunkt auf der Grundlage des § 193 SGG aF; § 197a SGG idF des 6. SGGÄndG ist nicht anwendbar (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 f; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 1 RdNr 7).

(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit

1.
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a)
am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b)
für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c)
aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
2.
Lehrer oder Erzieher, die an nicht-öffentlichen Schulen beschäftigt sind, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und wenn diese Personen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 erfüllen,
3.
nichtdeutsche Besatzungsmitglieder deutscher Seeschiffe, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben,
4.
Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden sind.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach Satz 1 Nr. 1 befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind. Für die Bestimmung des Tages, an dem die Erweiterung des Kreises der Pflichtmitglieder erfolgt ist, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Personen, die nach bereits am 1. Januar 1995 geltenden versorgungsrechtlichen Regelungen verpflichtet sind, für die Zeit der Ableistung eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu sein, werden auch dann nach Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer für die Zeit der Ableistung des Vorbereitungs- oder Anwärterdienstes nicht besteht. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für die in Satz 1 Nr. 4 genannten Personen.

(1a) Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, werden von der Versicherungspflicht befreit

1.
für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt,
2.
nach Vollendung des 58. Lebensjahres, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt. Eine Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist.

(1b) Personen, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, werden auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Der schriftliche oder elektronische Befreiungsantrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. § 8 Absatz 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese versicherungspflichtig ist. Der Antrag kann bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich gestellt werden und ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend. Satz 1 gilt nicht für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach § 1 Satz 1 Nummer 2 bis 4 beschäftigt sind oder von der Möglichkeit einer stufenweisen Wiederaufnahme einer nicht geringfügigen Tätigkeit (§ 74 des Fünften Buches) Gebrauch machen.

(2) Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 auf Antrag des Arbeitgebers. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Versicherte den Antrag elektronisch über die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung zu stellen. Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung an den Träger der Rentenversicherung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer und über die Pflicht zur Zahlung einkommensbezogener Beiträge zur Entscheidung unverzüglich weiter. Der Träger der Rentenversicherung teilt seine Entscheidung dem Antragsteller in Textform und der den Antrag weiterleitenden berufsständischen Versorgungseinrichtung elektronisch mit. Der Eingang des Antrags bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist für die Wahrung der in Absatz 4 bestimmten Frist maßgeblich. Der Datenaustausch erfolgt über die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen und die Datenstelle der Rentenversicherung. Die technische Ausgestaltung des Verfahrens regeln die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. in gemeinsamen Grundsätzen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu genehmigen sind.

(3) Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung. Abweichend von Satz 1 entscheidet in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt worden ist

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 von der für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde und
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 von der obersten Verwaltungsbehörde desjenigen Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
In den Fällen des Absatzes 1b gilt die Befreiung als erteilt, wenn die nach § 28i Satz 5 des Vierten Buches zuständige Einzugsstelle nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches dem Befreiungsantrag des Beschäftigten widerspricht. Die Vorschriften des Zehnten Buches über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und über das Rechtsbehelfsverfahren gelten entsprechend.

(4) Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. In den Fällen des Absatzes 1b wirkt die Befreiung bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a des Vierten Buches bei der zuständigen Einzugsstelle rückwirkend vom Beginn des Monats, in dem der Antrag des Beschäftigten dem Arbeitgeber zugegangen ist, wenn der Arbeitgeber den Befreiungsantrag der Einzugsstelle mit der ersten folgenden Entgeltabrechnung, spätestens aber innerhalb von sechs Wochen nach Zugang, gemeldet und die Einzugsstelle innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers nicht widersprochen hat. Erfolgt die Meldung des Arbeitgebers später, wirkt die Befreiung vom Beginn des auf den Ablauf der Widerspruchsfrist nach Absatz 3 folgenden Monats. In den Fällen, in denen bei einer Mehrfachbeschäftigung die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen, hat die Einzugsstelle die weiteren Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung unverzüglich durch eine Meldung zu unterrichten.

(5) Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass er Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren nicht zu entrichten hat.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer für eine Tätigkeit als Steuerberater erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).

2

Der 1977 geborene Kläger war als Steuerberater in einer Steuerberaterkanzlei beschäftigt. Auf seinen Antrag befreite ihn die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund durch Bescheid vom 7.4.2005 von der Versicherungspflicht in der GRV ab 10.2.2005 hinsichtlich seiner Beschäftigung bzw Tätigkeit als Steuerberater aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und seiner Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung in der Bayerischen Versorgungskammer. Mit Schreiben vom 22.3.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er zum 3.4.2006 als Referendar in den juristischen Vorbereitungsdienst eintreten und demzufolge seine Steuerberaterzulassung mit Ablauf des 31.3.2006 niederlegen werde. Die Bayerische Versorgungskammer informierte die Beklagte darüber, dass der Kläger bis 31.3.2006 kraft Gesetzes ihr Pflichtmitglied gewesen sei; die Mitgliedschaft werde ab 1.4.2006 freiwillig fortgesetzt. Die Beklagte hob daraufhin den früheren Befreiungsbescheid mit Bescheid vom 17.5.2006 auf, da der Kläger aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden sei. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs 5 SGB VI über den 31.3.2006 hinaus. Er habe auf seine Zulassung als Steuerberater für die Dauer des Referendariats verzichten müssen; die bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei werde als genehmigte Nebentätigkeit zum Referendariat auf 400-Euro-Basis fortgeführt; an die zuständige Versorgungskammer werde er den Grundbeitrag abführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

3

Die dagegen erhobene Klage hat das SG durch Urteil vom 14.2.2008 abgewiesen, die Berufung hat das LSG durch Urteil vom 17.12.2009 zurückgewiesen: Bei der vom Kläger während der Referendarzeit ausgeübten Beschäftigung als Steuerberater habe es sich um die Beschäftigung gehandelt, für die die Beklagte ursprünglich die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine "andere" versicherungspflichtige Tätigkeit iS von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI gehandelt habe. Mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Steuerberaterkammer seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI entfallen. Über den zusätzlichen Antrag des Klägers auf Abführung der Rentenversicherungsbeiträge an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung sei nicht zu entscheiden, weil er erstmals nach Ablauf der Klagefrist geltend gemacht worden sei. Der Antrag setze zudem die Aufhebung der angefochtenen Bescheide voraus, dem schon nicht stattzugeben sei.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG, § 75 Abs 2 SGG sowie von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI. Das LSG habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, indem es seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, dass er während des Referendariats als Steuerberater weitergearbeitet habe. Tatsächlich habe es sich bei der Tätigkeit mit einem wöchentlichen Zeitdeputat von fünf Stunden um eine Hilfstätigkeit gehandelt, die eine Qualifikation als Steuerberater nicht voraussetzte. Die Abweisung des zweiten Klageantrags wegen Verfristung sei verfahrensfehlerhaft überraschend erfolgt. Die DRV Knappschaft-Bahn-See habe als zuständige Einzugsstelle beigeladen werden müssen. In der Sache erfülle die ab 1.4.2006 ausgeübte Beschäftigung die Voraussetzungen nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI, da sie befristet gewesen sei und die Vorschrift das weitere Vorliegen der Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 SGB VI nicht verlange.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 und des Sozialgerichts München vom 14. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2006 aufzuheben und

        

1.    

festzustellen, dass die im Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch die ab dem 1. April 2006 ausgeübte Beschäftigung in einer Steuerberaterkanzlei erfasst,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die in ihrem Bescheid vom 7. April 2005 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch auf diese Beschäftigung zu erstrecken,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die für ihn im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. März 2008 an die Einzugsstelle abgeführten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 1896 Euro zu seinen Gunsten an die Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung zu überführen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Sie verweist auf den Gesetzeswortlaut von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI, der ausdrücklich von einer "Erstreckung" der Befreiung von der Versicherungspflicht spreche. Demzufolge müssten die Voraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 SGB VI auch bei Ausübung einer Tätigkeit oder Beschäftigung iS von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI weiterhin vorliegen. Dafür gebe es entgegen der Ansicht des Klägers auch durchaus Anwendungsfälle.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist insgesamt unbegründet.

9

Die vorinstanzlichen Urteile lassen Rechtsfehler zu Lasten des Klägers nicht erkennen. Das LSG hat die Rechtmäßigkeit der durch die angegriffenen Bescheide der beklagten DRV erfolgten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV zu Recht angenommen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht entfallen sind und daher die ursprüngliche Befreiung von der Versicherungspflicht die im streitigen Zeitraum vom 1.4.2006 bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG ferner entschieden, dass sich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV nicht auf die ab 1.4.2006 ausgeübte Beschäftigung "erstreckt". Schließlich hat es die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Überführung der insoweit geleisteten Rentenversicherungsbeiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung rechtsfehlerfrei abgewiesen.

10

1. Die Klage ist hinsichtlich der Frage der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Anfechtungs- und Feststellungsklage, der Hilfsantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (dazu a); hinsichtlich der Überführung der geleisteten Beiträge zur GRV an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ist die Klage unzulässig (dazu b). Einer Beiladung der DRV Knappschaft-Bahn-See zum Rechtsstreit noch im Revisionsverfahren (vgl § 168 S 2 SGG) bedurfte es bei alledem nicht (dazu c).

11

a) Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2006 wendet, ist seine Klage als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) verbunden mit einer Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) bzw verbunden mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) zulässig. Eine isolierte Anfechtungsklage würde seinem Begehren nur unzureichend Rechnung tragen. Es ist nämlich nicht auf die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Aufhebung des ursprünglichen Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV beschränkt. Vielmehr macht der Kläger geltend, dass er auch in der im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung von der Versicherungspflicht befreit bzw zu befreien sei.

12

Für das Hauptbegehren des Klägers ist die Feststellungsklage statthaft und zulässig, weil er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Bestehens und des Umfangs seiner Befreiung von der Versicherungspflicht hat. Für sein Hilfsbegehren ist die Verpflichtungsklage statthaft. Zwar legt der Wortlaut von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI nicht zwingend des Schluss nahe, dass über die Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil der darin verwendete Begriff der "Erstreckung" dahingehend verstanden werden könnte, dass es lediglich um eine unmittelbar aus dem Gesetz abzuleitende Definition der Reichweite der Befreiung von der Versicherungspflicht geht(so werden die Ausführungen in BSG SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 9 interpretiert; vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung 5/2008, K § 6 RdNr 136 mwN; Gürtner in Kasseler Komm, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011, § 6 SGB VI RdNr 31). Hiergegen spricht jedoch, dass über die "Erstreckung" der Befreiung - ebenso wie über die ursprüngliche Befreiung selbst - vom Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt entschieden werden muss (vgl hierzu Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung 5/2008, K § 6 RdNr 136). Ein solcher ist mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten.

13

b) Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung hat das LSG die Klage insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger sein Begehren erstmalig im Klageverfahren geltend gemacht hat, damit nicht zuvor an die Beklagte herangetreten, keine entsprechende Verwaltungsentscheidung ergangen und auch kein Vorverfahren durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Klage insoweit auch nicht als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG zulässig, weil dies voraussetzen würde, dass ein entsprechender Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der Kläger schon deshalb ein über die Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Beiträge nach § 26 Abs 2 SGB IV hinaus gehendes Begehren verfolgt, weil er ausdrücklich eine unmittelbare Überführung der geleisteten Beiträge an die Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung beantragt hat. Darüber hinaus wäre eine Entscheidung der Beklagten auch deshalb erforderlich, weil ein Beitragserstattungsanspruch nach § 26 Abs 3 S 1 SGB IV nur demjenigen zusteht, der die Beiträge "getragen" hat. Da der Kläger auch eine Überführung des von seinem Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils begehrt und sich insoweit auf eine entsprechende Abtretung beruft, wäre eine Entscheidung der Beklagten über deren Wirksamkeit erforderlich gewesen.

14

c) Einer abschließenden Sachentscheidung des Senats steht in prozessualer Hinsicht die unterbliebene Beiladung der DRV Knappschaft-Bahn-See nicht entgegen. Auf eine Beiladung im Revisionsverfahren kann nämlich verzichtet werden, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits den Beizuladenden weder verfahrens- noch materiell-rechtlich benachteiligen kann (so zB BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 20 mwN; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34). So verhält es sich hier. Da die Klage hinsichtlich der begehrten Überführung der Beiträge bereits unzulässig ist, ist eine Betroffenheit der DRV Knappschaft-Bahn-See unter keinem verfahrens- oder materiell-rechtlichen Aspekt denkbar.

15

2. Die Vorinstanzen haben in der Sache zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind (dazu a) und zutreffend angenommen, dass die ursprünglich ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV die im streitigen Zeitraum vom 1.4.2006 bis 31.3.2008 ausgeübte Beschäftigung nicht umfasst (dazu b), sowie - im Ergebnis - zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die spätere Beschäftigung abgelehnt (dazu c).

16

a) Die Aufhebung des die Befreiung von der Versicherungspflicht regelnden ursprünglichen Verwaltungsakts vom 7.4.2005 durch die hier angefochtenen Bescheide der Beklagten ist rechtmäßig, weil in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

17

aa) Die Beklagte war grundsätzlich zur auf diese Regelung gestützten Aufhebung des ursprünglichen Bescheides berechtigt, weil das Recht des SGB VI insoweit keine Sonderregelung iS von § 37 S 1 SGB I enthält.

18

Zwar hat der 5. Senat des BSG entschieden, dass sich aus dem Tätigkeitsbezug der Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 5 und § 231 SGB VI eine von vornherein auf die jeweilige Tätigkeit oder Beschäftigung beschränkte Wirkung der Befreiung ergebe. In Bezug auf eine andere Beschäftigung werde der Befreiungsbescheid nicht rechtswidrig, sondern lediglich gegenstandslos (so BSGE 83, 74, 78 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59). Ein solcher Befreiungsbescheid erledige sich auch nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X auf andere Weise, da er bei der erneuten Aufnahme der ursprünglichen Beschäftigung Wirkungen entfalte und es insoweit keines neuen Befreiungsantrags bedürfe. Der - im vorliegenden Revisionsverfahren zuständige - 12. Senat des BSG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und ausgeführt, dass ein Befreiungsbescheid selbst bei Befreiungen, die vor dem 1.1.1992 nach § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben werden muss, da die Versicherungspflicht in einer anderen Beschäftigung kraft Gesetzes eintritt(SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 10). Gegenstand dieser Rechtsprechung waren allerdings jeweils Sachverhalte, in denen über die Reichweite einer früher ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht gestritten wurde, nicht aber ging es - wie vorliegend - um die Rechtmäßigkeit einer erfolgten ausdrücklichen Aufhebung eines Verwaltungsakts über die Befreiung von der Versicherungspflicht. Die zitierte Rechtsprechung schließt daher nicht aus, dass der Rentenversicherungsträger jedenfalls gleichwohl einen entsprechenden Verwaltungsakt über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs 1 SGB X - quasi deklaratorisch - aufhebt.

19

bb) Eine von der Beklagten zugrunde gelegte Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist hier bereits deshalb anzunehmen, weil der Kläger mit Ablauf des 31.3.2006 nicht länger als Steuerberater tätig war. Mit der Niederlegung seiner Zulassung als Steuerberater und infolgedessen seinem Ausscheiden aus der Steuerberaterkammer mit Ablauf des 31.3.2006 entfiel die von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004 (BGBl I 3242) vorausgesetzte, kraft gesetzlicher Verpflichtung bestehende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer. Der nachträgliche Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen führt regelmäßig zur Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft(so für das Ausscheiden aus der Berufsgruppe, für die die Versorgungseinrichtung errichtet wurde, BSGE 80, 215, 217 und LS 1 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 20/96 - USK 1997-9733).

20

cc) Die Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist auch "wesentlich" iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, da sie zum Wegfall einer Voraussetzung für die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht führt und ein Fortbestand des Befreiungsstatus nicht in Betracht kommt. Bereits die Aufgabe der Tätigkeit als (zugelassener) Steuerberater ist als "wesentliche" Änderung zu qualifizieren, da § 6 Abs 5 S 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt(vgl bereits BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 mwN; BSG SozR 3-2600 § 6 Nr 5 S 9 ff; s hierzu nunmehr auch näher Senatsurteile vom 31.10.2012 - B 12 R 3/11 R und B 12 R 5/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht konnte daher weder die in der Steuerberaterkanzlei ab 1.4.2006 verrichtete Beschäftigung umfassen (dazu b) noch kommt eine "Erstreckung" der Befreiung auf diese Beschäftigung in Betracht (dazu c).

21

dd) Der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 17.5.2006 ist im Übrigen nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte den Kläger nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X vor Erlass des Bescheids angehört hatte. Die Anhörung holte die Beklagte im Widerspruchsverfahren nach, wodurch Heilung eintrat (§ 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X).

22

b) Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass der Kläger in seiner im streitigen Zeitraum ausgeübten Beschäftigung, hinsichtlich derer der Kläger nach den Feststellungen des LSG auf die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung (vgl § 5 Abs 2 S 2 SGB VI idF vom 23.12.2002, BGBl I 4621) verzichtete, nicht von der Versicherungspflicht in der GRV befreit war. Die insoweit ausgeübte Beschäftigung führte auch nicht zu einer Pflichtmitgliedschaft in der Steuerberaterkammer und erfüllte daher nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Schließlich umfasste die für die frühere Tätigkeit als Steuerberater ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht nicht die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung, da der Verwaltungsakt über die Befreiung von der Versicherungspflicht zu Recht von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wurde.

23

c) Im Ergebnis zu Recht hat das LSG die vom Kläger hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten abgelehnt, die ursprüngliche Befreiung von der Versicherungspflicht auch auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung als andere versicherungspflichtige Tätigkeit nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI zu "erstrecken".

24

aa) Der Auffassung des LSG, die Anwendung von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung mit der zuvor verrichteten Tätigkeit als Steuerberater identisch gewesen sei und daher keine andere versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne der Vorschrift vorgelegen habe, ist allerdings nicht zu folgen. Zwar führte der Kläger noch im Widerspruchsverfahren aus, dass er seine bisher ausgeübte Tätigkeit in der Steuerberaterkanzlei J. K., auf die sich die bisherige Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI bezog, als genehmigte Tätigkeit zum Referendariat auf "400 Euro-Basis" fortführe. Eine "Identität" der früheren Tätigkeit als Steuerberater mit der ab 1.4.2006 ausgeübten Beschäftigung kann aber schon deshalb nicht vorliegen, weil der Kläger nach eigenen Angaben mit Ablauf des 31.3.2006 seine Zulassung als Steuerberater niedergelegt hatte; nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) war er aus der Steuerberaterkammer ausgeschieden und durfte daher nicht länger als Steuerberater tätig sein (vgl § 32 Abs 2, § 40 Abs 1 S 1, § 46 Abs 2 Steuerberatungsgesetz).

25

bb) Im Ergebnis zutreffend hat das LSG eine Verpflichtung der Beklagten zur "Erstreckung" der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die im streitigen Zeitraum ausgeübte Beschäftigung nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI abgelehnt. Es kann offenbleiben, ob die Erstreckung nach § 6 Abs 5 S 2 SGB VI - ebenso wie die ursprüngliche Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 SGB VI - von einem vorherigen Antrag(§ 6 Abs 2 SGB VI) abhängig ist. Hierfür könnte sprechen, dass nach der Systematik des Befreiungsrechts ggf auch die Erstreckung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit in der Dispositionsfreiheit des Versicherungspflichtigen liegen muss. Jedenfalls verlangt die Anwendung der Vorschrift ua das ununterbrochene Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck.

26

(1) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 5 S 2 SGB VI "erstreckt" sich die Befreiung in den Fällen des Abs 1 Nr 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Die danach vorgesehene "Erstreckung" der Befreiung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit kommt nur in Betracht, wenn der zur ursprünglichen Befreiung führende Sachverhalt (= Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) auch weiterhin vorliegt; denn nach dem Wortsinn kann nur ein überhaupt noch bestehender Befreiungsstatus auf eine andere Tätigkeit erstreckt werden.

27

(2) Die systematische Stellung der Vorschrift im Anschluss an die gesetzliche Definition des auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Bezugspunkts der Befreiung von der Versicherungspflicht in § 6 Abs 5 S 1 SGB VI verdeutlicht im Zusammenhang mit der in ihr genannten Tatbestandsvoraussetzung einer zeitlich begrenzten anderen Tätigkeit, dass die Vorschrift lediglich eine Regelung enthält, die sich auf eine andere vorübergehende selbstständige Tätigkeit bzw Beschäftigung bezieht, und daher keinen von den grundlegenden Voraussetzungen in § 6 Abs 1 S 1 SGB VI losgelösten eigenständigen Befreiungstatbestand darstellt. Da im vorliegenden Fall diese frühere Tätigkeit unterbrochen wurde, braucht der Senat die in der sozialrechtlichen Literatur umstrittene Frage der Anwendbarkeit von § 6 Abs 5 S 2 SGB VI auf eine andere Tätigkeit, die neben einer zur Befreiung von der Versicherungspflicht führenden Tätigkeit ausgeübt wird, nicht zu entscheiden(verneinend: Boecken in GK-SGB VI, Stand Januar 2007, § 6 RdNr 182; bejahend: Voelzke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts - Rentenversicherungsrecht, 1999, § 17 RdNr 74; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Einzelkommentierung VI/08 Lfg 5/08, K § 6 RdNr 133; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 6 RdNr 96).

28

(3) Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Zum Zweck der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) angeführt, sie solle sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt. Die Regelung solle insbesondere für die Zeit des Wehrdienstes gelten (Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 11/4124 S 152 zu § 6 Abs 5). Diese Begründung knüpft ebenfalls allein an den vorübergehenden Tätigkeitswechsel an (vgl Boecken, aaO). Sie beinhaltet keine Aussage dahin, dass das Ziel der Vermeidung eines Wechsels des Alterssicherungssystem auch dann eine Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht legitimieren soll, wenn die grundlegenden Befreiungsvoraussetzungen - insbesondere die Pflichtmitgliedschaften in der berufsständischen Versorgungseinrichtung und in der berufsständischen Kammer - nicht bzw nicht mehr vorliegen.

29

(4) Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 6 Abs 5 S 2 SGB VI bei der aufgezeigten Auslegung nicht etwa ohne Anwendungsbereich. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf eine Konstellation hingewiesen, die sich aus dem Berufsrecht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ergeben kann: Die dortige Regelung der Untersagung der Ausübung des Berufs als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt in § 47 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat einen weitergehenden Anwendungsbereich als die entsprechende Regelung im Recht der Steuerberaterinnen und Steuerberater in § 59 S 1 StBerG und erfasst ua Verwendungen als Richter oder Beamte, ohne auf Lebenszeit ernannt zu sein. Im Anwendungsbereich des § 47 Abs 1 BRAO behält der Rechtsanwalt aber seine Zulassung und ist ua verpflichtet, den Kammerbeitrag zu zahlen(vgl Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl 2010, § 47 RdNr 3, 12 mwN). Eine derart weitgehende zulassungserhaltende Untersagung der Berufsausübung ist dem Berufsrecht der Steuerberater fremd. § 59 S 1 StBerG sieht ein Verbot der Berufsausübung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter grundsätzlich nur in den Fällen vor, in denen ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis als Wahlbeamter auf Zeit oder ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis eingegangen ist. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Inkompatibilität mit anderen Tätigkeiten die Grundnorm in § 57 StBerG. Ein weiterer Anwendungsfall des § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI ist etwa bei einem Privatschullehrer denkbar, der vorübergehend, zB zu Fortbildungszwecken, an eine staatliche Schule abgeordnet wird, seine Bezüge aber weiterhin von einer Privatschule erhält(vgl KomGRV, Stand September 2011, § 6 RdNr 11).

30

3. Die gewonnene Auslegung verletzt im Übrigen keine Grundrechte des Klägers. Von Verfassungswegen besteht kein Wahlrecht, das es ermöglichen würde, im Laufe eines Berufslebens die jeweils günstigste Versorgungsmöglichkeit zu wählen oder an ihr festzuhalten und die Anwendung aller anderen Versicherungspflichttatbestände auszuschließen (BVerfG Kammerbeschluss vom 31.8.2004 - 1 BvR 1776/97 - SozR 4-2600 § 6 Nr 1 RdNr 11). Demzufolge hat es das BVerfG (ebenda) - unter Bestätigung der Rechtsprechung des Senats (BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4) - als mit dem GG vereinbar angesehen, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk endet, wenn der Betroffene der Berufsgruppe nicht mehr angehört, für die das Versorgungswerk errichtet wurde. Daran ist festzuhalten.

31

4. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel führen schließlich zu keinem ihm günstigen Ergebnis.

32

Die Feststellung des LSG, wonach der Kläger sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis als Steuerberater im streitigen Zeitraum fortgeführt habe, ist zwar unzutreffend, wirkt sich auf das Ergebnis des Rechtsstreits nicht aus, weil das LSG ebenfalls - im Revisionsverfahren unbeanstandet - festgestellt hat, dass der Kläger seine Zulassung zum Steuerberater zum 31.3.2006 niederlegte. Diese Feststellung hat das LSG - wie dargelegt - zu Recht seinem Urteil zugrunde gelegt und entschieden, dass damit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI entfielen.

33

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat hat die demgegenüber vom LSG getroffene, auf § 192 SGG gestützte Kostenentscheidung geändert(vgl allgemein zur entsprechenden Befugnis des Rechtsmittelgerichts Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 193 RdNr 2a mwN), weil hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der qualifizierten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 192 Abs 1 S 1 SGG, insbesondere diejenigen der Nr 2 (Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung) nicht ersichtlich sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.