Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 21. Jan. 2016 - 3 OLG 7 Ss 130/15
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 9. Oktober 2015 im Ausspruch über die Gesamtstrafe unter Aufrechterhaltung der zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.
II.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
1. Der Schuldspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2003, 1198), die auch durch die von der Revision zitierte Rspr. des Bundesverfassungsgerichts nicht infrage gestellt wird, rechtsfehlerfrei einen Vermögensschaden bejaht.
2. Ausweislich der Urteilsgründe war sich das Landgericht der Möglichkeit, auch Geldstrafen zu verhängen, durchaus bewusst. Eine Pflicht zur Begründung dafür, dass Freiheitsstrafen statt Geldstrafen verhängt wurden, sieht das Gesetz in Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 StGB nicht vor (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 2. Halbs. 2 StPO).
3. Die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB, der im Falle der Wiedergutmachung materieller Schäden in Betracht kommt, liegen angesichts der vom Landgericht festgestellten, deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten von vornherein nicht vor.
4. Die in der Gegenerklärung thematisierte Frage der angeblichen Rechtswidrigkeit des Entzugs der zahnärztlichen Kassenzulassung ist zum einen urteilsfremd; denn die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das nicht rechtskräftig gewordene Urteil des Sozialgerichts belegt noch nicht, dass der Entzug auch rechtswidrig war. Zum anderen würde selbst die Rechtswidrigkeit des Entzugs weder für die Tatbestandserfüllung noch für die Strafzumessung von Bedeutung sein, weil die Zulassung durch den vor dem Landessozialgericht geschlossenen Vergleich erloschen ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen strafbarer Werbung gemäß § 16 Abs. 2 UWG in zwei Fällen schuldig gesprochen und sie – jeweils unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Leipzig vom 26. März 2009 – zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und zwei Monaten (Angeklagte H. ), einem Jahr und acht Monaten (Angeklagter K. Y. ) und zwei Jahren und sechs Monaten (Angeklagter L. ) verur- teilt. Die gegen den Angeklagten K. Y. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem wurden gegen die Angeklagten K. Y. und L. Verfallsanordnungen getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen der Angeklagten haben nur zum Gesamtstrafenausspruch Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Bemessung der (nachträglichen) Gesamtstrafe hält bei allen drei Angeklagten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 3
- a) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB ist ein eigenständiger Strafzumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtschau vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Die Erhöhung der Einsatzstrafe hat in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238; Beschluss vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08). Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Kommt die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe, ist eine eingehende Darlegung erforderlich, aus welchen Gründen der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 StGB vorgesehene Rahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft wurde (BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238; Beschluss vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08).
- 4
- b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsausführungen zur Begründung der Gesamtstrafe bei allen drei Angeklagten nicht gerecht.
- 5
- Der Gesamtstrafe von drei Jahren und zwei Monaten für die Angeklagte H. liegen Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten, acht Monaten und einem Jahr und vier Monaten zugrunde. Die gegen den Angeklagten K. Y. festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten wurde aus Einzelstrafen von einem Jahr, acht Monaten und sechs Monaten gebildet. Die für den Angeklagten L. festgesetzte Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten setzt sich aus Einzelstrafen von einem Jahr und vier Monaten, sechs Monaten und zehn Monaten zusammen. Damit hat das Landgericht bei allen drei Angeklagten die Einsatzstrafen deutlich erhöht und bei den Angeklagten H. und L. den Rahmen für die Gesamtstrafenbildung weitgehend ausgeschöpft. Eine an gesamtstrafenspezifischen Gesichtspunkten orientierte besondere Begründung für diese Bemessung der Gesamtstrafe fehlt. Soweit das Landgericht darauf abhebt, dass die Angeklagten über einen längeren Zeitraum ohne Unterbrechung ein System strafbarer Werbung am Markt etabliert hatten, wird nicht bedacht, dass die festgestellte Systemidentität nicht gegen, sondern für einen engen Zusammenzug der Einzelstrafen spricht, weil es sich damit um gleichartige Taten von geringer Selbstständigkeit handelt.
- 6
- 2. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den neuen Tatrichter nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO auf eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß §§ 460, 462 StPO zu verweisen.
Mutzbauer Quentin
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. März 2014 wegen verschiedener Betäubungsmittelstraftaten verhängten Einzelstrafen (dreimal jeweils ein Jahr und drei Monate, dreimal jeweils neun Monate) und Auflösung der dort gebildeten, zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, von der wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung ein Monat als vollstreckt gilt, und ihn im Übrigen freigesprochen. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuldspruch und im Ausspruch über die für die Tat verhängte Einzelstrafe (neun Monate Freiheitsstrafe) unbegründet.
- 2
- Der Gesamtstrafausspruch hat aber keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Einzelstrafe zu Recht eine außergewöhnliche Häufung gewichtiger Strafmilderungsgründe berücksichtigt. Es hat jedoch im Rahmen der Gesamtstrafenbildung (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht dargetan, aus welchen Gründen nicht auch eine nach der Strafhöhe aussetzungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe noch schuldangemessen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 1991 – 5 StR 298/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 3; vom 13. Mai 1992 – 5 StR 440/91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18; vom 10. August 1993 – 5 StR 462/93, NStZ 1993, 584). Die verfahrensgegenständliche Sexualstraftat zum Nachteil der früheren Ehefrau des Angeklagten liegt mehr als zehn Jahre zurück. Die dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten zugrundeliegenden Straftaten beging der Angeklagte im Zusammenhang mit seinem eigenen Cannabis-Konsum, den er nach erlittenem Herzinfarkt beendet hat. Im Übrigen ist der Angeklagte unbestraft. Bei dieser Sachlage hätte die Jugendkammer prüfen müssen, ob nicht auch eine aussetzungsfähige Gesamtstrafe hätte verhängt werden können. Das Landgericht war auch nicht aus Rechtsgründen verpflichtet, trotz Einbeziehung einer weiteren Strafe eine höhere Gesamtstrafe als die frühere zu verhängen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1972 – 1 StR 348/72, NJW 1973, 63).
- 3
- Der Gesamtstrafausspruch bedarf deshalb erneuter Überprüfung. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die Feststellungen bestehen bleiben; sie dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
- 4
- Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück, da Verfahrensgegenstand nur noch die gegen die erwachsene Geschädigte gerichtete Sexualstraftat ist.
Berger Bellay
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.