Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2015 - I-21 U 40/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.01.2015 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf – 39 O 27/14 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 09.01.2015 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf – 39 O 27/14 – teilweise abgeändert und die Beklagte über die durch das angefochtene Urteil erfolgte Verurteilung hinaus verurteilt, weitere 167.616,74 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05. 2015 zu zahlen.
Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen. Die Klage wird im Übrigen (soweit es um die Hauptforderung geht) als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen.
Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte – auch im Hinblick auf diese weitergehende Verurteilung – im Nachverfahren vorbehalten.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden der Beklagten auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 6 % und die Beklagte zu 94%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagten jeweils Sicherheit in selber Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.
Die Revision nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A)
3Die Klägerin macht im Urkundsprozess Zahlungsansprüche aus einem Grundstückskauf gelten. Sie verkaufte der Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 10.11.2011 des Notars A… (Anl. K1 Anlagenband = nachfolgend AB) ein Grundstück mit darauf stehendem Gebäude. Das Kaufobjekt sollte in Sonder- bzw. Wohnungseigentum aufgeteilt und die einzelnen Einheiten anschließend verkauft werden. Der Kaufpreis betrug gemäß III. des Vertrages 2.120.000 €. In III Abs. 3 haben die Parteien des Kaufvertrages folgende Anpassungsregelung bezüglich des Kaufpreises vereinbart:
4„ Der Käufer beabsichtigt, das Kaufobjekt in Sonder-/Wohnungseigentum aufzuteilen und die neu entstehenden Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten anschließend zu veräußern. Sofern bei der Veräußerung der Sonder-/Wohnungseigentums-einheiten die Summe aller Kaufpreise - ohne Berücksichtigung von Sonderwünschen gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts R… S…, …., Im Durchschnitt € 2860,--/m² Wfl. überschreitet, erhöht sich der Kaufpreis um 50 % des im Durchschnitt € 2860,-/m² Wfl. übersteigenden Betrages; beträgt also beispielsweise der Durchschnittskaufpreis € 3000/m² Wfl., Ist der Erhöhungsbetrag € 140,--; hiervon stehen sodann € 70,--/m² verkaufter Wohnfläche dem Verkäufer zu. Dem Verkäufer ist vom Käufer vor Aufnahme des Vertriebes eine Aufstellung der Verkaufspreise zu übermitteln, aus der die m²-Preise ersichtlich sind. (…)“
5Die Klägerin errechnete anhand der ihr von der Beklagten übermittelten Kaufvertragskopien einen weiteren Kaufpreis aufgrund der Anpassungsklausel i.H.v. 950.000 €, den sie mit Schreiben vom 21.01.2014 (K2 AB) geltend machte. Mit Schreiben vom 30.01.2014 (GA 56), unterzeichnet „im Auftrag“ von der „Projektentwicklerin“ S.... antwortete die Beklagte und übersandte eine Abrechnung, auf deren Grundlage sie – wie es im Schreiben heißt – zu einem anteiligen Mehrerlös für die Klägerin i.H.v. 176.347,38 € gelangte; weiter heißt es in dem Schreiben, wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens, in dem die Beklagte einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 165.900 € geltend mache, sehe sie keine Forderung zu Gunsten der Klägerin. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 31.3.2014 unter Bezugnahme auf das o.a. Schreiben der Beklagten vom 30.1.2014 die dort enthaltenen Berechnungen als fehlerhaft und nicht den vertragsgemäßen Grundlagen entsprechend und ebenfalls die Schadensersatzforderung der Beklagten zurückgewiesen und schließlich Zahlung zumindest des (nach ihrer Auffassung) im Schreiben vom 30.1.2014 anerkannten Betrages gefordert hatte, teilte Frau S…. ebenfalls unter dem Briefkopf der Beklagten und mit dem Zusatz „im Auftrag“ mit Schreiben vom 14.4.2014 (Anlage K 5 AB) mit, dass sie aufgrund einer Veräußerung von zwei weiteren Wohneinheiten eine neue Berechnung (ebenfalls als Anlage beigefügt) vorgenommen habe, wonach sich ein Mehrerlös von 198.097,38 € ergebe, der wegen der Schadensersatzforderung im Rechtsstreit nicht auszuzahlen sei.
6In dem erwähnten Rechtsstreit (32 O 111/12 Landgericht Düsseldorf) hatte die Klägerin eine Höchstbetragsbürgschaft zur Absicherung von Kaufpreiserhöhungen verlangt, während die Beklagte widerklagend Schadensersatz i.H.v. 165.900 € geltend gemacht hatte. Mit Urteil vom 15.5.2014 wurde die Beklagte zur Stellung der Bürgschaft verurteilt, während die Widerklage abgewiesen wurde.
7Die Klägerin hat erstinstanzlich die Zahlung des Mehrerlöses in der im Schreiben vom 14.4.2014 bezifferten Höhe sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Urkundsverfahren verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, Frau S.... habe zumindest mit Anscheinsvollmacht gehandelt. Sie hat behauptet, Frau S.... habe Vertretungsmacht gehabt, jedenfalls habe die Beklagte den Anschein ihrer Vollmacht gesetzt.
8Sie hat beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 198.097,36 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.2.2014 sowie weitere 2833,15 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2014 zu zahlen.
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, das Schreiben vom 14.4.2014 sei mangels Vertretungsmacht von Frau S.... kein Schuldanerkenntnis. Die dem Schreiben beigefügte Berechnung sei keine Urkunde, weil sie weder eine Gedankenäußerung noch eine Unterschrift enthalte. Der Urkundenprozess sei nicht statthaft, weil die Klägerin nicht alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden beweisen könne, insbesondere könne sie zum Nachweis der Kaufpreise aus dem Verkauf der einzelnen Einheiten allenfalls Kopien der Kaufverträge ohne Urkundenqualität vorlegen. Die Sonderwünsche, die von den Kaufpreisen abgesetzt werden müssten, seien jedoch nicht mittels Urkunden zu beweisen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im erstinstanzlichen Verfahren wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
12Das Landgericht – Kammer für Handelssachen – hat mit Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess die Beklagte antragsgemäß verurteilt und ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Kammer im Wesentlichen folgende Erwägungen angestellt: Die Klage sei im Urkundenprozess statthaft und begründet. Der Urkundenprozess sei statthaft, da die Klägerin die von ihr verlangte Forderung nach Grund und Höhe mit Urkunden nachweisen könne. Der Anspruch ergebe sich aus der Besserungsklausel in III. 1 Abs. 3 des Kaufvertrages, dessen Inhalt unstreitig sei und durch die vorgelegte Kaufvertragsurkunde in Kopie und im Original bewiesen sei. Der Anspruch der Klägerin belaufe sich auf 198.097,36 € und sei durch Urkunden bewiesen. Die Beklagte selbst habe in den von ihrer Mitarbeiterin erstellten Abrechnungen zuletzt einen Mehrerlös in dieser Höhe errechnet. Es könne dahinstehen, ob die Schreiben als Schuldanerkenntnis zu werten seien und die unterzeichnende Mitarbeiterin Vertretungsmacht gehabt habe. Die dem Schreiben beigefügten Abrechnungen enthielten zumindest eine Wissenserklärung der Mitarbeiterin zur Höhe der erzielten Erlöse und der abzuziehenden Sonderwünsche. Damit seien die Erlöse nachgewiesen, auf deren Basis der Anspruch auf Auskehrung der Mehrerlöse zu errechnen sei. Die Beklagte habe nicht einmal behauptet, dass die von ihrer Mitarbeiterin eingestellten Zahlen falsch seien. Durch Vorlage der Abrechnung habe die Klägerin die Höhe des Anspruchs urkundlich belegt. Es sei nicht erforderlich, dass die Klägerin zum Nachweis der Höhe ihres Anspruches die aus den jeweiligen Einzelverkäufen erzielten Kaufpreise und die abzuziehenden Sonderwünsche durch Vorlage der einzelnen Kaufverträge belege. Es genüge, wenn die im Urkundenprozess vorzulegenden Urkunden einen Indizienbeweis ermöglichten. Dieser Indizienbeweis werde durch Vorlage der Abrechnungen der Beklagten, die sie mit den Schreiben vom 30.1.2014 und 14.4.2014 übersandt habe, geführt. Die Höhe der Kaufpreise und abzuziehenden Sonderwünsche, aus denen sich die Höhe der Forderung der Klägerin errechnete, seien in den Abrechnungen enthalten. Die Kammer gehe davon aus, dass die Mitarbeiterin der Beklagten die für die Beklagte günstigsten Beträge, also die niedrigsten Kaufpreise und höchsten Beträge für Sonderwünsche aufgeführt habe, so dass allenfalls ein höherer aber keinesfalls ein niedrigerer Mehrerlös auszukehren sei. Zudem habe die Beklagte die angesetzten Beträge nicht bestritten. Der Anspruch auf den Mehrerlös sei jedenfalls gemäß III.4 Abs. 2 des Kaufvertrages fällig.
13Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie – unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils – die Abweisung der Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft erstrebt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte im Wesentlichen Folgendes vor:
14Das Landgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass der Urkundenprozess statthaft sei. Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch zumindest nicht der Höhe nach durch Urkunden nachweisen, so dass die Voraussetzungen für eine Geltendmachung des Zahlungsanspruches im Urkundenprozess gemäß § 592 ZPO nicht gegeben seien. Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten habe, die Erlöse seien aufgrund der von der Mitarbeiterin der Beklagten S.... erstellten Abrechnungen nachgewiesen, auf deren Basis die Klägerin ihren Anspruch auf Auskehrung des Mehrerlöses errechnet habe, verkenne es, dass es sich bei den den Schreiben vom 30.01. und 14.4.2014 beigefügten „Abrechnungen“ nicht um (selbstständige) Urkunden handele. Bei isolierter Betrachtung der Abrechnungen fehle es an einer Gedankenerklärung wie auch an einer Verständlichkeit aus sich heraus. Ohne das Anschreiben seien die Abrechnungen nicht verständlich. Die besagten Anschreiben seien ebenfalls keine Urkunden im Sinne der ZPO. Beiden Schreiben fehle bereits der Erklärungswert über streitiges Parteivorbringen. Nach der Vorstellung der Verfasserin der beiden Schreiben habe jedenfalls ein Beweis für streitiges Parteivorbringen nicht erbracht werden sollen.
15Beide Schreiben könnten ebenfalls nicht als (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis angesehen werden. Nach dem objektiven Empfängerhorizont habe die Verfasserin beider Schreiben nicht den Willen gehabt, ein solches deklaratorisches Schuldanerkenntnis abzugeben. Abseits dessen müsse sich die Beklagte weder das Schreiben vom 30.1.2014 noch dasjenige vom 14.4.2014 zurechnen lassen, da es an der erforderlichen Vertretungsmacht der Frau S.... fehle. Der Klägerin sei auch bekannt gewesen, dass Frau S.... zur Abgabe eines Anerkenntnisses oder einer gleichkommenden Erklärung in Höhe von rund 200.000 € nicht bevollmächtigt gewesen sei, was sich aus dem Unterschriftenzusatz „i.A.“ ergebe, zumal die Freigabe solcher Zahlungen nicht zum Aufgabenbereich eines Projektentwicklers gehöre.
16Darüber hinaus fehle es an der Statthaftigkeit des Urkundsverfahren, da die Klägerin nicht für alle anspruchsbegründenden Tatsachen Urkundenbeweis anbieten könne, was im Übrigen auch im Falle des Nichtbestreitens durch die Beklagte gelte. Zum einen habe die Klägerin bislang die Summe aller Kaufpreise nicht mit Urkunden belegt. Auch die Gesamtwohnfläche aller veräußerten Sonder-/Wohnungseigentums-einheiten sei bislang nicht durch Urkunden belegt. Darüber hinaus müsste die Klägerin die „Sonderwünsche gegenüber der Planung gemäß Baubeschreibung des Vergleichsobjektes R… S…“ mittels Urkunden belegen, was bedeute, dass die Urkunden Beweis dafür erbringen müssten, welche Leistungen Sonderwünsche gegenüber dem Vergleichsobjekt seien oder nicht.
17Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei auch nicht unbestritten, was sich bereits aus dem Klageabweisungsantrag der Beklagten ergebe.
18Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung der Beklagten. Sie beantragt darüber hinaus im Wege der Anschlussberufung,
19unter teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Beklagte zur Zahlung weiterer 190.191,30 € nebst 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung (29. Mai 2015 – GA 99 a) zu zahlen.
20Hierzu trägt sie vor:
21Die Beklagte habe auf entsprechende Anforderung der Klägerin unter Bezugnahme auf die vertragliche Vereinbarung Urkundenauszüge hinsichtlich sämtlicher verkaufter Wohnungen vorgelegt. Aus den (als Anl. BE1) vorgelegten Urkunden ergebe sich, dass nicht die Preise beurkundet seien, die die Beklagte als Kaufpreis angegeben habe. Jedoch stimme in der Regel der Kaufpreis in der vierten Spalte (aus der Anlage K 5) mit dem beurkundeten Kaufpreis überein. In der letzten Spalte habe die Klägerin in der Anlage K 5 Sonderwünsche/sonstige Reduzierungen Erwerber aufgelistet, wobei es mit einer einzigen Ausnahme in den überreichten Kaufvertragsauszügen nicht einmal den Hinweis auf Sonderwünsche gebe. Sie – die Klägerin – lege für die Berechnung ihres Anspruchs die Kaufpreise zu Grunde, die für die Wohnungen beurkundet seien. Eine Ausnahme gelte für die Wohnung 16 B 6, bei der sich aus der Urkunde unmittelbar entnehmen lasse, dass Sonderleistungen vereinbart seien, die in den Kaufpreis eingeflossen seien. Die Klägerin lasse sich im Rahmen des Urkundsverfahrens auf die von der Beklagten genannte Höhe von 11.293,01 € ein, die sie von dem Kaufpreis in Abzug bringe.
22Die Summe der solchermaßen berechneten Kaufpreise für die einzelnen Wohnungen betrage 14.053.807,-- €. Die hierbei zu Grunde gelegten Zahlen entsprächen der Spalte 4 aus der Anlage K 5 mit Ausnahme der Wohnung 16 G. Bei dieser sei der prognostizierte Kaufpreis von 470.000 € eingesetzt, während tatsächlich die Wohnung zu einem Kaufpreis von 524.000 €, mithin um 54.000 € über dem zunächst angegebenen Kaufpreis veräußert worden sei. Ausgehend von diesem Gesamtverkaufserlös ergebe sich bezogen auf eine Fläche von 4642 m² ein Quadratmeterpreis von 3027,28 €; dieser übersteige den im Kaufvertrag angenommenen Quadratmeterpreis von 2860 € um 167,20 €. Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen sei dieser Mehrerlös zwischen den Parteien aufzuteilen, so dass sich für die Klägerin ein Betrag von 83,64 €/Quadratmeter ergebe. Bei verkauften 4642,38 m² ergebe sich der der Klägerin bei Ansatz von 83,64 € zustehende Mehrerlös i.H.v. 388.288,66 €. Nachdem im landgerichtlichen Verfahren bereits 198.097,36 € zugesprochen worden seien, verbleibe ein Betrag von 190.191,30 €, der Gegenstand der Anschlussberufung sein. Vor diesem Hintergrund komme es nicht darauf an, ob die Bearbeiterin der Beklagten Vollmacht gehabt habe oder nicht.
23Soweit die Beklagte meine, sie könne nicht ergänzend vortragen, weil sie ihren Vortrag nicht mit Urkunden belegen könne, sei dies nicht zutreffend. Das Urkundsver-fahren unterliege bis auf die Besonderheiten des Urkundsprozesses den Regeln der ZPO. Wenn die Beklagte meine, ihren Vortrag zwar beweisen zu können, aber nicht mit den Mitteln des Urkundsverfahrens, wäre sie aufgrund der eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel an das Urkundenurteil in einem eventuellen Nachverfahren nicht gebunden. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte wegen der hier geltenden allgemeinen Vorschriften auch im Urkundenprozess gehalten, auf einen substantiierten Vortrag zu erwidern, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich abgespielt haben.
24Die Beklagte beantragt mit Blick auf die Anschlussberufung,
25unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage und die mit der Anschlussberufung erweiterte Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abzuweisen,
26hilfsweise, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage und die mit der Anschlussberufung erweiterte Klage abzuweisen,
27weiter hilfsweise der Beklagten im Bezug auf die Klage und die mit der Anschlussberufung erweiterte Klage die Ausführung ihrer Rechte gemäß § 599 Abs. 1 ZPO vorzubehalten.
28Ergänzend trägt sie vor: Bei ihrem prozessualen Vortrag und ihrer Berechnung eines weiteren Mehrerlöses verkenne die Klägerin, dass die Anpassungsklausel im Kaufvertrag auf die Kaufpreise Bezug nehme „ohne Berücksichtigung von Sonderwünschen gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts R... S...“. Deshalb müsste die Klägerin zur Begründung ihres Mehrerlösanspruches nicht nur „die Summe aller Kaufpreise“ sondern auch die hiervon in Abzug zu bringenden „Sonderwünsche gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts R.. S…. darlegen“ und mittels Urkunden beweisen. Die wegen der „Sonderwünsche“ vorzunehmenden Abzüge könne die Klägerin nicht mittels der Urkundenauszüge gemäß Anl. BE1 beweisen. Da sie – die Klägerin – auch in Bezug auf diese wegen der „Sonderwünsche“ vorzunehmenden Abzüge im Grunde wie auch der Höhe nach darlegungs- und beweisbelastet sei, sei die Anschlussberufung der Klägerin unschlüssig. Auch müsse die Klägerin darlegen und im Falle des Bestreitens mittels Urkunden beweisen, dass es weitere „Sonderwünsche“ gegenüber dem Referenzobjekt nicht gebe. Hierzu fehle es jedoch an jeglichem Vortrag der Klägerin.
29Entgegen der Auffassung der Klägerin umfassten die „Sonderwünsche gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts R... S...“ nicht nur die Sonderwünsche der Erwerber, sondern auch jedwede Ausführungsunterschiede zwischen dem streitgegenständlichen Objekt und dem Vergleichsobjekt. Über diese Unterschiede in der Ausführung existierten keine Urkunden, so dass weder die Klägerin noch die Beklagte solche vorlegen könnten. Tatsächlich wiesen die Projekte R... S... und das (streitgegenständliche) Projekt R… Quartier näher aufgeführte Unterschiede hinsichtlich der Art der Ausführung auf. Insoweit wird auf die Darstellung auf Seite 4- 6 des Beklagten Schriftsatzes vom 28.07.2015 = GA 122-124 Bezug genommen. Auch seien mit den Erwerbern Sonderwünsche vereinbart worden und mit dem vereinbarten Kaufpreis abgegolten. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Darstellung im o.a. Schriftsatz, dort Seite 6-14 = GA 124-132 Bezug genommen.
30Hilfsweise vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die Klage und die mit der Anschlussberufung erhöhte Klage unbegründet seien. Hierzu meint die Beklagte, der Klägerin stünden aus der in Rede stehenden Besserungsklausel keine Ansprüche zu, da diese Klausel rechtsunwirksam sei. Der Eintritt der in der Besserungsklausel enthaltenen aufschiebenden Bedingung sei ungewiss. Auch nach Veräußerung der Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten ließe sich der Bedingungseintritt nicht exakt feststellen. Die Formulierung der Bedingung sei nicht hinreichend bestimmt und auch durch Auslegung nicht bestimmbar. Der Vertrag definiere nicht, woraus sich der Durchschnittskaufpreis je Quadratmeter Wohnfläche errechne. Auch ergebe sich nicht aus der Klausel, ob gegebenenfalls statt der beurkundeten Kaufpreise die tatsächlich von den Erwerbern gezahlten Kaufpreise, die beispielsweise infolge von Gegenansprüchen vermindert seien, anzusetzen seien. In der Besserungsklausel sei des weiteren nicht hinreichend konkret bestimmt, wie der Wert der Sonderwünsche gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts R... S... bei der Berechnung des weiteren Kaufpreises berücksichtigt werden sollte (wegen der Einzelheiten GA 135). Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin die für sie jeweils ungünstigsten Berechnungsarten zugrundelegen würde und damit zu einem Bedingungseintritts käme, wäre die Besserungsklausel unwirksam, weil aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsarten ein Kaufspreis nicht verlässlich ermittelt werden könnte; da aber die Einigung auf den Kaufpreis zu den wesentlichen Bestandteilen eines Kaufvertrages gehöre, liege ein Einigungsmangel vor, der die Teilunwirksamkeit der Besserungsklausel zur Folge habe.
31Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der in diesem Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
32B)
33Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 198.097,36 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 2.833,15 € ebenfalls nebst Zinsen durch das Landgericht im Rahmen des angefochtenen Vorbehaltsurteils im Urkundenprozess; die Klägerin strebt hingegen im Wege der Anschlussberufung eine weitergehende Verurteilung der Beklagten um (weitere) 190.191,30 € an. Während die Berufung der Beklagten unbegründet ist, hat die Anschlussberufung zum weit überwiegenden Teil in der Sache Erfolg, was zu einer teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils und zu einer weitergehenden Verurteilung der Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang führt.
34I) Berufung der Beklagten
35Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht, damit zulässig eingelegt und begründet worden, ihr bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Sie ist nämlich unbegründet, da die Beklagte einen Rechtsfehler zu ihren Lasten gemäß § 546 ZPO nicht dargetan hat und auch im Übrigen die vom Senat seiner Entscheidung nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine vom Landgericht abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage zu Gunsten der Beklagten rechtfertigen.
36Primär hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung geltend gemacht, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts die Klage als in der gewählten Prozessart des Urkundsverfahrens nach § 592 ZPO unstatthaft sei. Mit diesem Berufungsangriff dringt die Beklagte nicht durch.
371.Da die Klägerin mit der vorliegenden Klage einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte verfolgt, ist das von ihr gewählte Urkundsverfahren grundsätzlich eine statthafte Verfahrensart.
382.Die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin sämtliche zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs erforderlichen Tatsachen auch durch Urkunden im Sinne des § 592 ZPO bewiesen habe (UA 4), hält den Angriffen der Berufung stand. Dies gilt sowohl für die Voraussetzungen des Anspruchs dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Höhe des mit der Klage (ursprünglich) geltend gemachten Anspruches in Höhe von 198.097,36 €.
39a)Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die in Rede stehende Besserungs- bzw. Anpassungsklausel aus dem notariellen Kaufvertrag vom 10.11.2010 gemäß den dortigen Regelungen in Ziffer III Nr. 1 Abs. 3 S. 2. Aus der von der Klägerin mit der Klageschrift (in Ablichtung) und in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen im Original vorgelegten (Kaufvertrags-) Urkunde ist ersichtlich, dass die Parteien in dem Vertrag eine Regelung getroffen haben, auf dessen Grundlage die Verkäuferin, also die Klägerin, von der Käuferin, der Beklagten einen gegenüber dem (unbedingt) vereinbarten Kaufpreis von 2.212.000,-- € höheren Zahlungsanspruch beanspruchen kann, soweit der von der Beklagten bei der Weiterveräußerung des Objektes nach Aufteilung in Sonder-/Wohneinheiten erzielte Kaufpreis (Erlös) nach bestimmten (näher beschriebenen) Berechnungsmodalitäten und Abzügen den Betrag von 2.860 €/m² übersteigt.
40b)Das Landgericht hat desweiteren als durch Urkunden im Sinne des § 592 ZPO erwiesen angesehen, dass der Klägerin ein solcher, aus der o.g. Regelung des notariellen Kaufvertrages abzuleitender Mehrerlösanspruch (auch der Höhe nach) im Umfang der Klageforderung von 198.097,36 € gegen die Beklagte zusteht. Als solche Urkunden im Sinne des § 592 ZPO hat das Landgericht die von der Mitarbeiterin der Beklagten H… S.... mit Schreiben vom 30.01. und 14.04.2014 übersandten Abrechnungen erachtet. Die hiergegen von der Beklagten mit der Berufung vorgebrachten Erwägungen vermögen nicht zu überzeugen. Zu Unrecht beanstandet die Beklagte, dass diese Abrechnungen nicht ausreichende Urkunden im Sinne des § 592 ZPO seien, durch die die Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen in Hinblick auf die Mehrerlöse nachweisen könne.
41aa)Urkunden im Sinne des § 592 ZPO sind schriftlich verkörperte Gedankenerklärungen, wobei sie dem Beweis ihrer Echtheit oder Unechtheit zugänglich sein müssen (vgl. Kratz in Beck´scher Online Kommentar zur ZPO, Stand 01.03.2015, Rz. 26 zu § 592). Da seitens der Beklagten nicht die Echtheit der mit der Klage vorgelegten Kopien im Sinne einer Übereinstimmung mit den Originalschreiben und dazugehörigen Abrechnungen und ebensowenig die Urheberschaft dieser Dokumente durch Frau S.... in Abrede gestellt wird, bedarf es keiner weiteren Behandlung der Frage, unter welchen einschränkenden Voraussetzungen Fotokopien die Urkundeneigenschaft zugesprochen werden kann (hierzu Kratz, a.a.O., Rz. 27. m.w. N.).
42Abseits dessen genügt in diesem Zusammenhang jede Urkunde, die geeignet ist, dem Gericht gegenüber den Beweis für die Richtigkeit der klagebegründenden Tatsachen unmittelbar oder mittelbar zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.1982, WM 1983, 22). Die Urkunde muss folglich nicht den Anspruch bzw. die anspruchsbegründenden Tatsachen unmittelbar belegen. Vielmehr reicht es aus, dass mit der Urkunde eine Indiztatsache bewiesen wird, die den Schluss auf die anspruchsbegründende Tatsache zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.1995, VIII ZR 191/93, NJW 1995, 1683; OLG Koblenz, Urteil vom 10.12.2013, 3 U 725/13, WM 2014, 962f zit. nach juris Tz. 39; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, Rz. 12). Ob die Urkunde den erforderlichen Beweis erbringt, richtet sich allein nach den Grundsätzen freier Beweiswürdigung nach § 286 ZPO (vgl. Braun, in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, Rz. 16 zu § 592). Dementsprechend muss vom Kläger weder eine sog. wirkende oder Tatbestandsurkunde vorgelegt werden, noch braucht der Beklagte an der Urkundenerrichtung mitgewirkt zu haben oder muss der Urkunde eine bestimmte Beweiskraft zu eigen sein (vgl. Braun a.a.O.).
43bb)Ausgehend von diesen in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen ist die Auffassung des Landgerichts rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin zum Nachweis der Höhe ihres Anspruchs die aus den jeweiligen Einzelverkäufen erzielten Kaufpreise und die abzuziehenden Sonderwünsche durch Vorlage der einzelnen Kaufverträge nicht belegen muss. Das Landgericht ist zu der Ansicht gelangt, dass die von der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiterin H… S.... erstellten Abrechnungen, die sie der Klägerin mit den Schreiben vom 30.01. und 14.04.2014 zugesandt hat, als (nach den obigen Ausführungen für § 592 ZPO ausreichende) Indizurkunden geeignet sind, den Beweis dafür zu erbringen, dass zumindest in der in den Abrechnungen ausgewiesenen Höhe die von der Beklagten vorgenommenen Verkäufe von Sonder-/Wohneigentumseinheiten des Projektes nach Maßgabe der in der Vertragsbestimmung aufgeführten Regelungen zu einem Verkaufspreis je qm Wohnfläche oberhalb der nach der Vertragsklausel angesetzten 2.860,-- € und damit zu einem der Klägerin in Höhe von 198.097,38 € zustehenden Mehrerlös geführt haben. Die diesbezüglichen Erwägungen des Landgerichts sind nachvollziehbar und in sich stimmig. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die Mitarbeiterin der Beklagten S.... in den beiden Aufstellungen, die gefertigt wurden, um weitaus höhere, von der Klägerin ebenfalls unter Verweis auf die hier in Rede stehende Mehrerlösklausel geltend gemachte Ansprüche abzuwehren, die für die Beklagte günstigsten Beträge, also die niedrigsten Kaufpreise und höchsten Beträge für Sonderwünsche aufgeführt hat, so dass allenfalls ein höherer, aber keinesfalls ein niedrigerer Mehrerlös auszukehren sei.
44Nach § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die auf dieser Beweiserwägung basierende Feststellung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung für den Senat bindend. Denn tatsächliche Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil sind nach dieser Vorschrift auch vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Feststellung bestehen, die im Übrigen der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung darzutun hat (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Solche Anhaltspunkte ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Beklagten noch aus dem sonstigen Akteninhalt.
45(1)Insbesondere ist es zutreffend, dass die Klägerin zunächst auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Kaufverträge von einem höheren Mehrerlös im Sinne der vertraglichen Regelung, mithin von seitens der Beklagten erlangten höheren Verkaufserlösen und niedrigeren Abzügen wegen Sonderwünsche ausgegangen ist, wie sich aus deren Schreiben vom 21.01.2014 (K 2 ) ableiten lässt. Wenn die Beklagte durch ihre Mitarbeiterin in einer Reaktion hierauf eine Aufstellung erstellt, bei der sie zu deutlich niedrigeren Beträgen gelangt, so ist der vom Landgericht gezogene Rückschluss, dass zumindest in dieser Höhe ein Mehrerlös erreicht worden ist, nachvollziehbar. Abweichende Zahlen hat die Beklagte in der Berufungsbegründung nicht dargetan. Dass die Mitarbeiterin der Beklagten S.... bei der Ermittlung der tatsächlichen Parameter des Mehrerlösanspruchs der Klägerin irgendwelche Fehler begangen hat oder sie irgendwelchen Irrtümern unterlegen war, hat die Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich dargetan. Im Gegenteil hat die Beklagte im Verlaufe des Berufungsverfahrens – wenn auch erst in Reaktion auf die Anschlussberufung – durch Vorlage der Verkaufsurkunden der Erwerberverträge und mit weitergehendem Sachvortrag die Zahlenangaben in den in Rede stehenden Abrechnungen der Frau S...., speziell was die in der fünften Spalte aufgeführten Sonderwünsche der Erwerber betrifft und die hierdurch begründeten Abzüge von den Kaufpreisen der Erwerberverträge betrifft, verteidigt und als zutreffend dargestellt.
46(2)Ohne Erfolg ist das Vorbringen der Beklagten in diesem Zusammenhang, sowohl den Abrechnungen als solchen als auch den Anschreiben der Mitarbeiterin der Beklagten S.... fehlten die Urkundeneigenschaft im Sinne des § 592 ZPO. Nicht zweifelhaft ist es, dass es sich bei beiden Dokumenten um verkörperte Gedankenerklärungen handelt; der jeweilige gedankliche Inhalt offenbart sich ohne weiteres. Ohne Bedeutung ist es hierbei, ob die Abrechnung als reine Auflistung von Zahlenmaterial zu einzeln benannten Wohneinheiten in Tabellenform und einer abschließenden Berechnung bei isolierter Betrachtung aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar ist, bzw. ob sich deren Sinngehalt nur aus der Zusammenschau mit den jeweiligen Anschreiben ergibt. Jedenfalls im Kontext mit den genannten Schreiben ergibt sich zweifelsfrei, dass die Mitarbeiterin der Beklagten S.... die nach ihrer Auffassung relevanten Einzelinformationen zur Berechtigung des von der Klägerin reklamierten vertraglichen Mehrerlösanspruches darlegen und zum Ausdruck bringen wollte, dass dieser dem Grunde nach besteht, jedoch wegen entgegenstehender Ansprüche der Beklagten nicht erfüllt werde. Dass die Mitarbeiterin der Beklagten zum Zeitpunkt des Schreibens hiermit nicht hat Beweis für streitiges Parteivorbringen erbringen wollen oder sollen, ist unerheblich. Maßgeblich ist, dass diese Urkunden als Indizurkunde zur richterlichen Überzeugung hinsichtlich des Bestehens des Mehrerlöses im Sinne der vertraglichen Regelungen herangezogen werden können.
47(3)Mit Blick auf die nach den obigen Ausführungen zu bejahende Urkundenqualität der vom Landgericht herangezogenen Schreiben der Mitarbeiterin der Beklagten S.... vom 30.1.2014 und 14.4.2014 nebst beigefügten Abrechnungsunterlagen gehen die weiteren Einwände der Beklagten aus der Berufungsbegründung, bei diesen Schreiben handele es sich wegen des fehlenden Erklärungswillens der Frau S.... und nicht gegebener rechtsgeschäftlicher Befugnis hierzu nicht um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten, ins Leere. Rechtsgrund für den zugesprochenen Zahlungsanspruch ist der in der vertraglichen Regelung enthaltene Mehrerlösanspruch der Klägerin unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen; deren Vorliegen hat das Landgericht unter anderem auf der Grundlage des Inhalts der besagten Schreiben nebst Abrechnungen für erwiesen erachtet. Ob die Mitarbeiterin der Beklagten S.... mit diesen Schreiben eigenständige rechtsgeschäftliche Erklärungen im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses hat abgeben wollen und ob sie hierzu überhaupt die erforderliche Vollmacht, also rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsbefugnis im Sinne des § 164 Abs. 1 BGB gehabt hat, kann – wie das Landgericht richtig erkannt hat – offen bleiben.
48(4)Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung des Weiteren ausgeführt (BB 8 = GA 78), die Klägerin müsse im Urkundsprozess für alle anspruchsbegründenden Tatsachen Urkundenbeweis anbieten, und zwar auch im Falle des Nichtbestreitens durch die Beklagte. Unter Verweis auf den Wortlaut der streitgegenständlichen vertraglichen Regelung in Zif. 3. Nr. 1 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages, wonach die Erhöhung des Kaufpreises (also der Mehrerlösanspruch) voraussetze, dass „bei der Veräußerung der Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten die Summe aller Kaufpreise – ohne Berücksichtigung von Sonderwünschen gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjektes R... S..., als Bestandteil dieses Vertrages beigefügt als Anl. 3 – im Durchschnitt € 2860,--/m² überschreitet“, meint sie, dass die Klägerin zum einen mit entsprechenden (Kaufvertrags-) Urkunden den Nachweis über die Summe aller Kaufpreise aus der Veräußerung der Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten sowie deren Gesamtwohnfläche aller Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten zu belegen habe und darüber hinaus auch urkundlich die Sonderwünsche gegenüber der Planung gemäß Baubeschreibung des Vergleichsobjekts belegen müsse. Dass sie – die Beklagte – die von der Klägerin in Übernahme des Inhalts der Abrechnungen der Schreiben ihrer Mitarbeiterin S.... vom 30.1.2014 und 14.4.2014 behaupteten Zahlen nicht bestritten habe, könne ihr nicht entgegengehalten werden (BB 9 = GA 79).
49Mit dieser Argumentation vermag die Beklagte nicht durchzudringen:Soweit die Beklagte sich zu ihrer Auffassung, dass für die Statthaftigkeit der Geltendmachung eines Zahlungsanspruches im Urkundsprozess auch unbestrittene Tatsachen vom Kläger durch Urkunden unterlegt werden müssen, auf die Entscheidung des OLG Schleswig vom 30.8.2013 – 1 U 11/13 – NJW 2014, 945, 946 beruft, handelt es sich um eine (vom Senat nicht geteilte) Mindermeinung. Der BGH hält ausweislich des Urteils vom 22.10.2014 – VIII ZR 41/14 – NJW 2015, 475, 476, Rz. 14 an der von ihm in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht fest, wonach unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen auch im Urkundsverfahren, abgesehen von dem Fall der Säumnis der beklagten Partei (§ 597 Abs. 2 ZPO), keines Beweises und auch somit keiner Urkundenvorlage bedürfe (ebenso mit ausführlicher Begründung und Ablehnung der vom OLG Schleswig vertretenen Auffassung OLG Köln, Beschluss vom 10.6.2014, I-11 U 74/14, BauR 2014, 2132ff = MDR 2014, 1022ff zitiert nach juris TZ 4f; Kratz in Beck´scher online-Kommentar ZPO, Stand März 2015, Rz. 24 zu § 592; Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, Rz. 11 zu § 592; a.A. Leidig/Jöbges, NJW 2014, 892ff). Der Senat schließt sich der vorherrschenden obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung namentlich in Anschluss an die vom OLG Köln, a.a.O., angestellten Erwägungen an.
50Dementsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht entgegen der Ansicht der Beklagten die Zahlen, die die Klägerin zur Grundlage ihres im Urkundsprozess geltend gemachten Klageanspruch i.H.v. 198.097,36 € gemacht hat und die sie den Abrechnungen der Mitarbeiterin der Beklagten S.... entnommen hat, berücksichtigt hat und den urkundlich zu belegenden Nachweis hinsichtlich der Voraussetzungen für Grund und Höhe des Mehrerlösanspruches allein durch den Inhalt der besagten Schreiben der Mitarbeiterin der Beklagten S.... vom 30.1.2014 und 14.4.2014 nebst Abrechnungen als erbracht angesehen hat.
513.Einwände gegen die landgerichtliche Entscheidung, soweit durch sie als Nebenforderungen der Klägerin Zinsen auf die Hauptforderung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2014 und vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.833,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2014 zuerkannt wurden, hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht erhoben.
52II) Anschlussberufung der KlägerinDie Anschlussberufung der Klägerin bzw. die mit ihr (zweitinstanzlich) erfolgte Klageerhöhung ist zulässig, in der Sache zu weit überwiegendem Teil auch begründet, so dass die Beklagte – wie geschehen – zur Zahlung weiterer 167.616,74 € zu verurteilen gewesen ist, im Übrigen die Klage als im Urkundsprozess unstatthaft abzuweisen ist. Soweit die zuerkannte Zinsforderung als Nebenforderung in Hinblick auf die geltend gemachte Höhe teilweise hinter dem Antrag der Klägerin zurückbleibt, erfolgt die Klageabweisung uneingeschränkt.
531.Nachdem die Klägerin zunächst mit der Klage den von der Mitarbeiterin der Beklagten ausweislich deren Schreiben vom 14.4.2014 ermittelten Mehrerlös i.H.v. 198.097,38 € zum Gegenstand ihrer Klageforderung gemacht hat und damit erstinstanzlich in vollem Umfang obsiegt hat, verlangt sie nunmehr weitere 190.191,30 €.
54Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz damit vorgenommene Klageerweiterung ist im Wege einer zulässigen Anschlussberufung gemäß § 524 ZPO zulässig. Will der Kläger, der erstinstanzlich mit seinem Klagebegehren durchgedrungen ist und eine Verurteilung des Beklagten entsprechend seinem Klageantrag erwirkt hat, im Rahmen des von dem Beklagten gegen seine Verurteilung angestrengten Berufungsverfahrens eine Klageerweiterung vornehmen, kann dies nur im Rahmen einer zulässigen Anschlussberufung erfolgen, da er sich nicht gegen das landgerichtliche Urteil wendet (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung vgl. zuletzt BGH Urteil vom 07.05.2015, VII ZR 145/12, BauR 2015, 1517ff = NZBau 2015, 416f = IBR 2015, 527 m. Anm. Heiliger). Die Klägerin hat die Anschlussberufung frist- und formgerecht eingelegt (vgl. § 524 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 ZPO), denn diese ist am 20.5.2015 innerhalb der bis zum 29.5.2015 laufenden Berufungserwiderungsfrist bei Gericht unter Einhaltung der Formvorschriften eingegangen.
55Die besonderen prozessualen Voraussetzungen des § 533 ZPO waren nicht zu beachten, da es sich bei der Klageerweiterung nicht um eine Klageänderung im Sinne dieser Vorschrift handelte (§ 264 Nr. 2 ZPO).
562.Die Klage ist auch in ihrer erweiterten Form im zuerkannten Umfang im Urkundenprozess statthaft und insoweit begründet.
57a)Die Klägerin trägt im Hinblick auf die mit der Anschlussberufung vorgenommene Klageerweiterung wie folgt vor: sie meint, auf der Grundlage der von ihr nunmehr mit der Anschlussberufung vorgelegten Kaufvertragsurkunden hinsichtlich der Sonder-/Wohnungseigentumseinheiten ergebe sich eine Gesamtsumme der Kaufpreise i.H.v. 14.053.807,00 €. Während in der Anlage K 5 (Abrechnung der Zeugin S.... zu dem Schreiben vom 11.4.2014) in der Spalte 4 unter der Überschrift Kaufpreis abzüglich Sonderwünsche der Erwerber eine Gesamtsumme von 13.942.636 € angegeben wurde und hiervon noch weitere „Sonderwünsche gegenüber Vergleichsobjekts R…, S…“ mit einem Betrag von 269.234 € in Abzug gebracht wurden und schließlich ein Gesamtbetrag i.H.v. 13.673.401,56 € als Gesamtsumme im Sinne der vertraglichen Regelung herangezogen wurde, dürfe (so das Vorbringen der Klägerin in der Anschlussberufung) von dem sich aus den notariellen Kaufverträgen ergebenden Gesamtbetrag der Kaufpreise lediglich hinsichtlich der Wohnung 16 B 6 als Sonderwunsch ein Betrag von 11.293 € in Abzug gebracht werden. Aus allen übrigen ihr seitens der Beklagten auszugsweise vorgelegten Urkunden der Kaufverträge mit den Erwerbern ließen sich die in der letzten Spalte der Abrechnung K5 aufgeführten Beträge für Sonderwünsche nicht entnehmen. Im übrigen sei im Hinblick auf die Wohnung 16 G entgegen dem in der Auflistung K 5 angegebenen Betrag von 470.000 €, der der seinerseits lediglich prognostizierte Kaufpreis gewesen sei, der wirkliche, aus der Veräußerung an die Erwerber Engelke entsprechenden notariellen Kaufvertrag vom 11.4.2014 ergebende Kaufpreis i.H.v. 524.000 € in Ansatz zu bringen, damit 54.000 € über dem zunächst angesetzten Betrag.
58Bezogen auf die Gesamtfläche von 4642,38 m² ergebe sich auf der Grundlage des Gesamtveräußerungserlöses von 14.053.807,01 € ein Quadratmeterpreis i.H.v. 3027,28 €. Dieser übersteige den Quadratmeterpreis, wie er im notariellen Kaufvertrag in der Zif. III 3 i.H.v. 2860 € als Vergleichsbetrag in Ansatz gebracht worden sei, um 167,20 €. Dieser sich so ergebende Mehrerlös sei zwischen den Parteien aufzuteilen, so dass sich ein der Klägerin zustehender Mehrerlös von 83,64 € je m² ergebe, was bei den verkauften 4642,38 m² zu einem der Klägerin zustehenden Mehrerlös von 388.288,66 € führe. Von diesen seien erstinstanzlich 198.097,36 € zugesprochen, so dass mit der Anschlussberufung noch 190.191,30 € geltend gemacht würden.
59b)Der Senat geht aus den nachfolgend näher dargelegten Gründen davon aus, dass auf der Grundlage des mit Urkunden belegten und ansonsten unstreitigen Vorbringens die Parameter, die für die Berechnung des der Klägerin zustehenden Mehrerlösanspruch entsprechend der in Rede stehenden vertraglichen Regelung heranzuziehen sind, zu einer Gesamtforderung in Höhe von 365.714,10 € und damit unter Berücksichtigung der bereits durch das Landgericht zuerkannten Forderung von 198.097,35 € zu einem weiteren Zahlungsanspruch von 167.616,74 € führen.
60aa)Ausgangspunkt für die Ermittlung des Mehrerlösanspruch ist zunächst die in der Abrechnung der Mitarbeiterin der Beklagten S.... (K 5) unter der vierten Spalte vorgenommene Auflistung der Kaufpreise aus den Erwerberverträgen, die mit einem Betrag von
6114.011.200,-- €
62endet.
63bb)Hinzurechnen ist im Hinblick auf den Kaufpreis der Wohneinheit 16 G die Differenz zwischen den in der Liste zu dieser Wohneinheit angeführten 470.100,-- € und dem tatsächlich ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Auszugs der notariellen Kaufvertragsurkunde vom 11.04.2014 des Notars A… erzielten Kaufpreis von 524.000,-- €, mithin ein Betrag von
6453.900,-- €.
65Bei dem in der Abrechnung K 5 angeführten Betrag handelt es sich nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin, der auch durch den Umstand belegt wird, dass insoweit zu dieser Wohneinheit keine Käufer angegeben sind, um den projektierten Preis, also Listenpreis, den die Beklagte zu erzielen beabsichtigte. Die Beklagte hat einen höheren Kaufpreis von 524.000,-- € erzielt, der für die Berechnung des Mehrerlösanspruchs maßgeblich ist. Mithin ist die o.a. Differenz bei der Ermittlung des durchschnittlichen Gesamtkaufpreises je Quadratmeter im Sinne der Mehrerlösklausel erhöhend zu berücksichtigen.
66cc)Nach dem Inhalt der fraglichen Mehrerlösklausel hat die Berechnung der „Summe aller Kaufpreise“…“ohne Berücksichtigung von Sonderwünschen gegenüber der Planung gemäß der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts….“ zu erfolgen. Die Mitarbeiterin der Beklagten S.... hat in K 5 bei einer Vielzahl von Wohneinheiten unter der Überschrift „Sonderwünsche/sonst. Reduzierung Erwerber“ in der letzten Spalte Beträge angegeben, so dass sie in der fünften Spalte bei diesen Wohneinheiten zu einem reduzierten „(Gesamt-) Kaufpreis abzügl. Sonderwünsche Erwerber“ in Höhe von 13.942.636 € gelangt ist. Sie hat somit „Sonderwünsche Erwerber“ in Höhe von insgesamt 68.465 € in Ansatz gebracht und von der Summe der Kaufpreise abgezogen.
67Lediglich in Höhe von insgesamt 51.826,00 € ist ein solcher Abzug nach Auffassung des Senats berechtigt, im Übrigen unberechtigt.
68(1)Unstreitig ist der bezüglich der Wohneinheit 16 B 6 als Sonderwunsch in der Aufstellung K 5 eingestellte Betrag von
6911.293,-- €.
70(2)Streitig ist die Berechtigung der weiteren in der letzten Spalte der Berechnung der Mitarbeiterin der Beklagten S.... als Sonderwünsche der Erwerber angeführten Beträge. Zu diesen ist folgendes auszuführen:
71(2.1)Keine Sonderwünsche im Sinne der in Rede stehenden Mehrvergütungsbestimmung sind die zu der Wohneinheit 16 A 9 angeführten 3.500,-- € sowie die zu der Wohnung 16 E 3 angegebenen 10.000,-- €.
72Im Hinblick auf die bei der Wohneinheit 16 A 9 angesetzten 3.500,-- € lässt sich dem Vorbringen der Beklagten bereits nicht entnehmen, dass Hintergrund dieses Betrages ein Sonderwunsch im Sinne der streitigen Mehrerlösregelung aus dem Vertrag vom 10.11.2010 ist. Ausweislich der von der Klägerin als Anlage K11 vorgelegten Email der Mitarbeiterin der Beklagten S.... vom 05.12.2013 an die Erwerber jener Wohnung Schäfer sowie des vorangegangenen – und von der Beklagten als Anlage BB 1a zu den Akten gereichten - Schreibens der Erwerber vom 03.12.2013 handelt sich vielmehr um eine Ausgleichszahlung, die die Beklagte an die Erwerber mit Blick auf eine verkleinerte Terrasse geleistet hat.
73Jedenfalls auf Grundlage einer im Urkundenprozess beschränkten Auslegung (beschränkt deshalb, weil sie (lediglich) unter Berücksichtigung der aus der Urkunde unmittelbar hervorgehenden Auslegungskriterien und ansonsten der durch Urkunden zu belegenden oder unstreitigen Umstände zu erfolgen hat) kann nicht festgestellt werden, dass die Parteien des streitgegenständlichen Vertrages vom 10.11.2010 unter dem Begriff „Sonderwünsche“ aus der Mehrerlösvereinbarung auch Beträge verstanden haben bzw. umfasst wissen wollten, auf die sich die Beklagte mit Erwerbern als Minderungsbetrag von dem im Erwerbervertrag vereinbarten Kaufpreis wegen eines Mangels der erworbenen Wohneinheit nachträglich geeinigt haben. Bei verständiger, am Wortlaut orientierter, hierauf jedoch nicht beschränkter Auslegung unter Heranziehung der in den §§ 133, 154 BGB niedergelegten Auslegungskriterien sieht der Senat den objektiven Erklärungsgehalt des Begriffs „Sonderwünsche“ in von den Erwerbern der Wohneinheiten (der Immobilie, die Gegenstand des zwischen den Parteien am 10.11.2011 notariell geschlossenen Kaufvertrag ist) geäußerten Wünschen bzw. Forderungen im Bezug auf diese Wohneinheiten, die eine Abweichung in qualitativer Hinsicht von dem Standard oder der Beschaffenheit der Wohnung darstellen, wie sie von der Beklagten angeboten worden war. Regelmäßig wird vom Bauträger einem Kaufinteressenten eine Wohnungseinheit auf der Grundlage einer bestimmten Bau- und Leistungsbeschreibung zu einem bestimmten Kaufpreis angeboten. Wünscht der Kaufinteressent, der in Bezug auf eine ihm solcherart angebotene und definierte bzw. beschriebene Wohnung eine individuelle Änderung und Abweichung vom Standard, und werden diese Wünsche zum Gegenstand der vertraglichen Einigung der Kaufvertragspartien, handelt es sich um „Sonderwünsche“, wobei es letztlich ohne Belang ist, ob diese Sonderwünsche auf vom Kaufinteressenten wahrgenommenen Alternativvorschlägen des Bauträgers oder auf eigeninitiativ entstandenen Vorschlägen des Kaufinteressenten basieren. Derartige Sonderwünsche, die in der Bestimmung des vom Bauträger zu erbringenden Leistungsgegenstandes ihren Niederschlag gefunden haben, werden im Regelfall bei der Bestimmung des Kaufpreis durch die Parteien derart berücksichtigt, dass es zu auf entsprechende Preiskalkulationen des Bauträgers über die Realisierung der Sonderwünsche basierende Erhöhungen (gegebenenfalls auch zu Reduzierungen) des ursprünglichen Angebotspreises kommt . „Sonderwünsche“ sind demnach einvernehmlich zwischen Bauträger und Erwerber vereinbarte Abweichungen vom Qualitätsstandard der angebotenen Wohneinheit mit entsprechenden Auswirkungen auf den Angebotspreis bzw. letztlich den Kaufpreis.
74Diese zunächst am Wortlaut und dem allgemein Wortverständnis angelehnte Auslegung des Begriffs „Sonderwünsche“ bzw. das solcherart gewonnene Auslegungsergebnis lässt sich widerspruchsfrei mit der aus der Vertragsurkunde ersichtlichen Interessenlage der hiesigen Vertragsparteien, die diesen Begriff im Rahmen der streitgegenständlichen Mehrerlösklausel verwandt haben, in Einklang bringen. Die Parteien sind erkennbar bei der grundsätzlichen Überlegung, dass die Klägerin (als Verkäuferin der Immobilie) an dem Erlös, den die Käuferin bei der Vermarktung des Objektes erzielt, partizipieren soll, von einer bestimmten Kalkulation der Errichtungskosten im Zusammenhang mit der Bestimmung des auf dem Markt zu erzielenden Verkaufserlöses ausgegangen. Die Bezugnahme des Referenzobjekts bzw. auf die Baubeschreibung des Referenzobjekts belegt, dass der dortige Standard Grundlage der Kalkulation der Gesamtwohnflächenpreises sein sollte, ab dessen Überschreitung bei der Vermarktung der Wohnung die Klägerin als Verkäuferin eine Mehrerlösbeteiligung erhalten sollten. Da bei dieser Kalkulation „Sonderwünsche“, die von den Erwerbern gewünscht werden und die zu entsprechenden Mehrkosten der Beklagten als Bauträger führten, keine Berücksichtigung finden sollten und konnten, war erkennbar gewünscht, dass diese Sonderwünsche, soweit sie in dem Kaufpreis der Erwerberverträge eingepreist worden sind, aus dem Vermarktungserfolg der Beklagten (an dem die Klägerin teilhaben sollte) herausgerechnet werden sollten. Bei dieser Sachlage sind Entwicklungen im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Erwerbern, die sich nicht aufgrund Sonderwünschen im oben dargelegten Sinne unmittelbar auf den Kaufpreis ausgewirkt haben, sondern die auf Vertragsverletzungen der Beklagten gegenüber den Erwerbern zurückzuführen sind, nicht vom Begriff „Sonderwünsche“ umfasst.
75Den Erwägungen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.09.2015, dort Seite 6, mit denen sie darzulegen versucht, dass auch erfüllte Minderungsansprüche der Erwerber im Rahmen der Ermittlung des Gesamtveräußerungserlöses zu berücksichtigen seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach Ansicht des Senats kann auch mit Blick auf das Gebot der interessengerechten Auslegung nicht angenommen werden, dass sich die Klägerin mit einer Klausel einverstanden erklärt hätte, die beinhalten würde, im Zusammenhang mit der Ermittlung der „Summe der Kaufpreise“ zum Zwecke der Ermittlung eines Mehrerlösanspruchs erlösmindernd auch die Ausgleichszahlungen der Beklagten an Erwerber, gleich ob sie als Minderung, Schadensersatz o.ä. bezeichnet werden, zu berücksichtigen, zu denen es nach Abschluss des Erwerbervertrages und der dort geregelten Kaufpreisfindung wegen Verletzung dieses Erwerbervertrages durch die Beklagte gekommen ist. Dass eine solche Interpretation der Klausel auch interessengerecht im Hinblick auf die wohlverstandenen Interessen der Klägerin wäre, ist jedenfalls nicht naheliegend. Zu berücksichtigen ist die Unsicherheit, die bei der Bestimmung der Höhe des in Rede stehen Mehrerlösanspruchs bestünde, wollte man solche Gegenforderungen der Erwerber, die ggfls erst einen erheblichen Zeitraum nach Abschluss des jeweiligen Erwerbervertrages erhoben und berücksichtigt werden, als erlösmindernd ansehen.
76Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf Umstände bezieht, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen, und insoweit eine für sie günstige Auslegung herleiten will, trägt sie hierfür die Darlegungs- und Beweislast; mit Mitteln des Urkundenbeweises kann die Beklagte diese Umstände und damit ein ihr günstiges Auslegungsergebnis, demzufolge auch Minderungsansprüche der Erwerber erlösmindernd im Verhältnis zu der Klägerin zu berücksichtigen sind, jedoch nicht beweisen.(2.2)Diesselben Überlegungen greifen, soweit die Beklagte bei der Wohneinheit 16 E 3 den in der Auflistung K 5 in Ansatz gebrachten Betrag von 10.000,-- € als „Sonderwunsch“ im Sinne der streitgegenständlichen Mehrerlösregelung und damit erlösmindernd behandelt wissen will. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, Hintergrund dieses Betrages sei, dass sie aufgrund der gegenüber der Baubeschreibung geänderten Bauausführung eine Kaufpreisminderung gewähren musste. Insoweit hat die Beklagte auf den von ihr als Anlage BB 5 vorgelegten Minderungsvertrag vom 01.07.2013 Bezug genommen.
77Dieser Betrag fußt also ebenfalls nicht auf einem oder mehreren von einem Erwerber im Vorfeld des Abschlusses des Erwerbervertrages geäußerten Sonderwünschen, sondern darauf, dass die Beklagte sich nachträglich eines Zahlungs- bzw. Ausgleichsbegehrens des Erwerbers ausgesetzt gesehen hatte, das seine Ursache in der Verletzung der vertraglichen Leistungspflichten aus dem Erwerbervertrag durch die Beklagte hatte.
78(2.3)Demgegenüber sind nach Maßgabe des obigen Auslegungsergebnisses unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Parteivorbringens für die folgenden Wohneinheiten in der Anlage K 5 in der letzten Spalte aufgeführte Beträge als Sonderwünsche im Sinne der Mehrerlösregelung aus dem Vertrag vom 10.11.2014 zu behandeln:
79(a)WE 16 A9 3.139,-- €
80(b)WE 16 B 3 4.362,-- €
81(c)WE 16 E 1 3.102,--€
82(d)WE 16 I 2 2.950,-- €
83(e)WE 16 I 3 3.533,-- €
84(f)WE 16 I 4 2.847,-- €
85(g)WE 16 I 5 5.081,-- €
86(h)WE 16 J 13.406,-- €
87(i)WE 18 5.262,-- €
88Bezüglich sämtlicher oben angeführter Beträge hat die Beklagte im Schriftsatz vom 28.07.2015, dort Seiten 6ff = GA 165ff in hinreichend konkreter Weise dargelegt, dass es im Vorfeld der jeweiligen Erwerberverträge zu Sonderwünschen der Erwerber in Bezug auf die Ausstattung bzw. Qualität der Wohnung gekommen ist, die eine Abweichung gegenüber der sich aus der Baubeschreibung ergebenden Beschaffenheit der Wohnung darstellte und auf deren Umsetzung sich die Beklagte mit dem Erwerber geeinigt hatte und die schließlich sich in dem Kaufpreis niedergeschlagen hat. Dies gilt auch, soweit sich die Sonderwünsche der Erwerber nach dem Beklagtenvorbringen (auch) auf Änderungen des Grundrisses der Wohnungen bezogen, deren Realisierung zu zusätzlichen (Bau-) Kosten geführt haben, die in der Kaufpreisbildung Berücksichtigung gefunden haben. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, Grundrissänderungen, zu denen es auf der Grundlage von Sonderwünschen der Erwerber gekommen ist, könnten nicht als „Sonderwünsche“ im Sinne der Mehrerlösklausel behandelt werden, handelt es sich um einen Einwand, den die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht mit Urkunden belegen kann. Soweit sich aus der Berücksichtigung dieser Positionen als erlösmindernd im Sinne der Mehrerlösklausel des Vertrages vom 10.11.2010 eine teilweise Abweisung der (mit der Anschlussberufung erweiterten) Klage ergibt, hat diese Klageabweisung als im Urkundprozess unstatthaft zu erfolgen.
89In der Summe führen die als Sonderwünsche berücksichtigungsfähigen Beträge (abseits des bereits unstreitigen Betrages von 11.293,-- € im Hinblick auf die Wohnung 16 B 6) zu Sonderwünschen in Höhe von
9043.672.-- €.
91dd)Unter Berücksichtigung dieses Betrages, der unstreitig als Sonderwunsch zu qualifizierenden 11.293,-- €, der oben behandelten 53.900,-- € in Bezug auf die Wohnung B 16 G ergibt sich auf der Grundlage der in der Auflistung K 5 angeführten Summe der Kaufpreise von 14.011.200 € ein um die Sonderwünsche „bereinigter“ Gesamtkaufpreis in Höhe von
9214.008.635,-- €.
93ee)Der weitere, in der Auflistung K 5 als Abzugsposten „Sonderwünsche gegenüber Vergleichsobjekt R… S…“ von der Mitarbeiterin der Beklagten S.... mit 269.234,-- € eingestellte Betrag ist nach Auffassung des Senats – jedenfalls im Urkundenprozess - nicht bei der Ermittlung des Mehrerlösanspruches der Klägerin einzubeziehen.
94Die Beklagte meint, eine auch die Interessenlage der Vertragsparteien beachtende Auslegung der Mehrerlösregelung aus dem Vertrag vom 10.11.2010 ergebe, dass unter Sonderwünschen in diesem Sinne, deren Kosten erlösmindernd zu berücksichtigen seien, auch Abweichungen der Bauausführung der Wohneinheiten der streitgegenständlichen Immobilie von der Baubeschreibung des Vergleichsobjekts zu verstehen seien, die nicht originär auf Wünsche der Erwerber zurückzuführen seien, sondern die solche Ausstattungs-, Qualitäts- oder sonstige Abweichungen betreffen, zu denen sich die Beklagte aus eigenem Antrieb etwa zur Erhöhung der Vermarkungschancen entschlossen hat.
95Ein solches Auslegungsergebnis lässt sich indessen nach Auffassung des Senats nicht mit dem objektiven Erklärungsinhalt der von den Parteien gewählten Formulierung der Mehrerlösklausel in Einklang bringen. Für die Annahme, dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss im Hinblick auf den genauen Regelungsgehalt und die genaue Reichweite der nunmehr streitigen Klausel ein gemeinsames Verständnis hatten, das von den allgemeinen, landläufigen Vorstellungen der Bedeutung eines „Sonderwunsches“ im Kontext einer immobiliar- bzw. bauträgerrechtlichen Vereinbarung derart gravierend abweicht, gibt die Vertragsurkunde nichts Belastbares her. Die Beklagte, die für das von ihr vertretene Auslegungsergebnis Umstände außerhalb des Erklärungsgehalts der Vertragsurkunde heranzieht, ist insoweit darlegungs- und beweisbelastet, kann diesen Beweis jedoch nicht mit Mitteln des Urkundenprozesses erbringen. Ihr bleibt es aber im Nachverfahren offen, ihre Auslegung bestätigende Willenserklärungen oder –bekundungen der Parteien oder deren Vertreter im Vorfeld des Vertragsschlusses oder zu sonstigen die Entwicklungsgeschichte der Klausel betreffenden Umständen im Nachverfahren vor dem Landgericht beispielsweise durch die Vernehmung von Zeugen zu belegen.
96ff)Der bereinigte Gesamterlös, der für die Ermittlung des Mehrerlösanspruchs der Klägerin heranzuziehen ist, beträgt mithin 14.008.635 €. Mit Blick auf die Gesamtfläche des Objekts, die unstrittig 4642,38 qm beträgt, führt dies zu einem Durchschnittserlös je Quadratmeter von 3.017,55 €. Der überschießende Mehrerlös im Vergleich zu dem in der Mehrerlösklausel angesetzten Erlös von 2.860,-- €/qm ist mit 157,55 € zu beziffern. Hiervon stehen nach der Klausel die Hälfte, mithin 78,78 €/qm der Klägerin zu. Dieser Betrag hochgerechnet auf die Gesamtfläche des Objekt von 4.642,38 qm ergibt einen Gesamtmehrerlösanspruch der Klägerin in Höhe von
97365.714,10 €.
98Unter Berücksichtigung des durch das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil bereits zuerkannten Betrages von 198.097,36 € gelangt man zu einem weitergehenden Anspruch der Klägerin in Höhe von
99167.616,74 €.
1003.Verzugszinsen kann die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen ab dem Zeitpunkt der durch die Zustellung der Anschlussberufung und der hierin erfolgten Klageerweiterung bewirkten Rechtshängigkeit gemäß § 291 ZPO verlangen. Die Höhe des Zinsanspruchs von 8-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz folgt aus § 288 Abs. 2 BGB a.F. Soweit die Klägerin ihr Zinsbegehren mit 9-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beziffert, ist die Klage unbegründet. Der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung der Erneuerbare-Energien Gesetz vom 22.07.2014 geänderte § 288 Abs. 2 BGB mit einem Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Nach Art. 229 § 34 EGBGB, der durch das soeben genannte Gesetz eingeführt worden ist, findet der neue § 288 BGB nicht auf Schuldverhältnisse Anwendung, die bis zum 28.07.2014 entstanden sind. Damit bleibt es im Hinblick auf das durch den am 10.11.2010 geschlossenen Notarvertrag begründete Rechtsverhältnis zwischen den Parteien bei der Anwendung der alten Fassung des § 288 BGB.
101C)
102Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO.
103Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
104Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
105Streitwert für das Berufungsverfahren: 388.288,66,-- €
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2015 - I-21 U 40/15
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2015 - I-21 U 40/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, kann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.
(1) Dem Beklagten, welcher dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat, ist in allen Fällen, in denen er verurteilt wird, die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten.
(2) Enthält das Urteil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urteils nach der Vorschrift des § 321 beantragt werden.
(3) Das Urteil, das unter Vorbehalt der Rechte ergeht, ist für die Rechtsmittel und die Zwangsvollstreckung als Endurteil anzusehen.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, kann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-, Vorbehalts- und Endurteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 14. Mai 2013 dahingehend abgeändert, dass die Beklagten durch Vorbehaltsurteil gesamtschuldnerisch verurteilt werden, an die Klägerin 48.551,11 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jedoch nicht mehr als 11,75 % ab dem 16.11.2012 zu zahlen. Den Beklagten bleibt vorbehalten, ihre Rechte im Nachverfahren geltend zu machen.
2. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten beider Rechtszüge.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin betreibt einen Getränkehandel. Der Beklagte zu 1) betreibt ebenfalls einen Getränkehandel, die Beklagte zu 2) hat ebenfalls unstreitig bis zum 31.12.2010 einen Getränkemarkt betrieben.
- 2
Der Beklagte zu 1) hatte im Oktober 2010 eine Kooperationsvereinbarung mit der Klägerin abgeschlossen. In der Folgezeit vereinbarten die Klägerin und der Beklagte zu 1), dass einige Forderungen aus dem Franchisevertrag in ein Darlehen umgewandelt werden sollten. Die Beklagte zu 2) sollte dabei der Schuld des Beklagten zu 1) beitreten.
- 3
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen Vertrag Bezug genommen (vgl. dazu Anlage B 2, GA 48). Dem Vertrag war eine Widerrufsbelehrung mit nachfolgendem Inhalt beigefügt:
- 4
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs."
- 5
Mit Vertrag vom 30.04.2012 gewährte die Klägerin den Beklagten wiederum ein Darlehen in Höhe von 50.107,61 €, welches mit 3,75 % ab dem 01.05.2012 verzinst werden sollte. Die monatliche Rate sollte 778,25 € bei einer Laufzeit von 6 Jahren betragen. Unter § 1 des Vertrages heißt es u.a.:
- 6
"Die Darlehensnehmer bestätigen mit ihrer Unterschrift unter diesen Darlehensvertrag den Erhalt des Darlehensbetrages. Der Darlehensbetrag wurde ausgezahlt durch Verrechnung mit offenstehenden Rechnungen, Mieten & Darlehnsraten (Warenerstausstattung) des Darlehensnehmers zu 1 & zu 2 bei dem Darlehensgeber, die dieser hiermit ausdrücklich anerkennt. In der Anlage 1 sind die entsprechenden Rechnungen, Mieten & Darlehn betreffend diese Summe beigefügt.
- 7
Die Darlehensnehmerin zu 2 tritt dieser Schuld ausdrücklich bei, sodass beide Darlehensnehmer jeder für sich alleine für die Rückzahlung dieser Schuld dem Darlehensgeber insgesamt haften."
- 8
Dem Vertrag war eine Belehrung über das Widerrufsrecht beigefügt, welche identisch ist mit der Widerrufsbelehrung zum Vertrag vom 16.11.2010.
- 9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf diesen nebst der Anlagen, insbesondere die Anlage 1 Bezug genommen (vgl. dazu GA 5 ff.).
- 10
Nachdem die Beklagten mehr als zwei Raten nicht gezahlt hatten, kündigte die Klägerin das Darlehen mit Schreiben vom 06.09.2012. Mit der Klageerwiderung hat die Beklagte zu 2) die Darlehensverträge vom 16.11.2010 und 30.04.2012 widerrufen.
- 11
Die Klägerin hat vorgetragen,
erst aufgrund der Geltendmachung einer Forderung beim Amtsgericht N. sei ihr bekannt geworden, dass die Beklagte zu 2) ihren Getränkehandel nicht mehr betreibe. Dies sei ihr zuvor nicht mitgeteilt worden.
- 12
Die Klägerin hat im Urkundsprozess beantragt,
- 13
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 48.551,11 € nebst Zinsen in Höhe von 11,75 % ab dem 17.09.2012 zu zahlen.
- 14
Die Beklagten haben beantragt,
- 15
1. die Klage abzuweisen,
2. ihnen die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.
- 16
Die Beklagten haben vorgetragen,
der Vertrag vom 30.04.2012 sei hinsichtlich der Beklagten zu 2) nichtig. Sie habe den Vertrag als Verbraucherin abgeschlossen, so dass die Vorschriften über den Verbraucherdarlehensvertrag zur Anwendung kämen. Gegen sie hätten keine unmittelbaren Forderungen der Klägerin bestanden, sie sei der Schuld des Beklagten zu 1) lediglich aus persönlicher Verbundenheit beigetreten. Der Vertrag sei daher unwirksam, weil sich im Vertrag weder Angaben zum effektiven Jahreszins noch zur Möglichkeit, das Darlehen vorzeitig abzulösen, befänden. Ebenso sei kein Hinweis auf den Anspruch auf einen Tilgungsplan vorhanden. Zudem sei die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß, da ihr nicht zu entnehmen sei, wann der Lauf der Frist konkret beginne. Aufgrund des erklärten Widerrufs sei auch der Vertrag mit dem Beklagten zu 1) unwirksam.
- 17
Das Landgericht hat den Beklagten zu 1) durch Teil-; Vorbehalts- und Endurteil verurteilt, an die Klägerin 22.063,27 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz - jedoch nicht mehr als 11,75 % - ab dem 16.11.2012 zu zahlen. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden. Das Landgericht hat dem Beklagten zu 1) die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
- 18
Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt,
der Klägerin stünden gegen den Beklagten zu 1) lediglich Ansprüche in Höhe von 22.063,27 € zu. Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 2) bestünden hingegen nicht. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Klageforderung aus dem Darlehensvertrag vom 30.04.2012 zu. Denn die Beklagte zu 2) habe diesen Vertrag wirksam widerrufen. Der Beklagten zu 2) habe grundsätzlich ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB zugestanden. Denn sie habe den Vertrag als Verbraucherin abgeschlossen.
- 19
Über die Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich entscheide nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäftes, in die erforderlichenfalls die Begleitumstände einzubeziehen seien. Privat sei alles, was nicht dem Zwecke einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit diene. Daraus folge, dass eine natürliche Person, die Unternehmer sei, in den privaten Geschäften als Verbraucher handele. Bei Mischfällen und Unteilbarkeit sei auf den überwiegenden Zweck abzustellen.
- 20
Nach diesen Grundsätzen habe die Beklagte zu 2) als Verbraucherin gehandelt. Es komme dabei nicht darauf an, ob sie bei Abschluss des Darlehensvertrages selbst einen Getränkehandel betrieben habe, oder ob die Klägerin mangels Kenntnis einer etwaigen Aufgabe des Geschäftsbetriebes habe davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte zu 2) ihren Getränkemarkt noch betreibe. Denn entscheidend sei, dass ihr Schuldbeitritt und die damit verbundene Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten ersichtlich nicht in Zusammenhang mit dem von ihr betriebenen Getränkehandel stünde. Zwar heiße es im Vertrag, dass die Auszahlung des Darlehens durch Verrechnung mit offenstehenden Rechnungen, Mieten und Darlehensraten beider Beklagter erfolgt sei. Tatsächlich könne sich dies hinsichtlich der Beklagten zu 2) aber nur auf etwaige Ansprüche aus dem am 16.11.2010 abgeschlossenen Darlehensvertrag beziehen. Denn einen Mietvertrag habe nur der Beklagte zu 1) mit der Klägerin abgeschlossen. Ebenso hätten die Beklagten unstreitig vorgetragen, dass auch die in der Anlage aufgeführten Rechnungen nur den Beklagten zu 1) betroffen hätten. Dafür spreche auch, dass die Beklagte zu 2) ausdrücklich der Schuld beigetreten sei, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn sie selbst Schuldnerin der Mieten und Rechnungen gewesen wäre. Bezögen sich aber die offenstehenden Verbindlichkeiten aus Mieten und Rechnungen allein auf den Beklagten zu 1), so stehe die Umwandlung dieser Verbindlichkeiten in ein Darlehen und der von der Beklagten zu 2) erklärte Schuldbeitritt in keinem Zusammenhang mit dem von ihr ausgeübten Gewerbebetrieb.
- 21
Dies gelte auch, soweit die Auszahlung des Darlehens durch Verrechnung mit Forderungen aus dem zuvor gewährten Darlehen erfolgt sei. Denn die Auszahlung dieses Darlehens sei ebenfalls durch Verrechnung mit offenstehenden Rechnungen des Beklagten zu 1) erfolgt. Die Beklagte zu 2) sei auch hier der Schuld beigetreten, ohne dass der Vertrag die Umwandlung von Verbindlichkeiten der Beklagten zu 2) in ein Darlehen zum Inhalt gehabt habe. Mithin betreffe auch dieses Darlehen nicht den von der Beklagten zu 2) ausgeübten Gewerbebetrieb. Abgesehen davon habe die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt, dass der Schuldbeitritt der Beklagten zu 2) lediglich erfolgt sei, weil ihr der Beklagte zu 1) als nicht hinreichend vermögend erschienen sei.
- 22
Der Anwendung der Vorschriften über das Verbraucherdarlehen stehe auch der erklärte Schuldbeitritt nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die Parteien ausdrücklich einen Darlehensvertrag gewollt hätten, sei ein Schuldbeitritt bei wertender Betrachtung einem Kreditvertrag gleichzustellen. Die Frist zur Erklärung des Widerrufs sei auch hinsichtlich beider Darlehensverträge noch nicht abgelaufen. Diese betrage zwar gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB zwei Wochen. Allerdings habe die Widerrufsfrist noch nicht begonnen zu laufen, da es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehle. Gemäß § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB beginne die Widerrufsfrist u.a. nicht vor Vertragsschluss. Dazu enthalte die Belehrung über das Widerrufsrecht keine Angaben. Dort heiße es nämlich lediglich, dass die Frist frühestens mit Erhalt der Belehrung beginne. Mit dieser Fassung werde der Verbraucher aber nicht hinreichend darüber aufgeklärt, wann konkret die Frist zu laufen beginne.
- 23
Demnach sei die Frist zur Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen. Die zeitliche Beschränkung des § 355 Abs. 4 BGB gelte gemäß § 495 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht für einen Verbraucherdarlehensvertrag. Rechtsfolge sei, dass die Beklagte nicht mehr an die Verträge gebunden sei und der Klägerin gegen sie keine Ansprüche aus einem gewährten Darlehen zustünden.
- 24
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) sei lediglich in Höhe eines Betrages von 22.063,27 € begründet.
- 25
Die Klägerin habe zunächst keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe der Klageforderung aus § 488 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten zu 1). Denn der Widerruf der Beklagten zu 2) habe zur Folge, dass der Vertrag auch hinsichtlich des Beklagten zu 1) unwirksam sei. Unter § 10 des Vertrages hätten die Parteien vereinbart, dass der Widerruf der Willenserklärung eines Widerrufsberechtigten zur Unwirksamkeit der Willenserklärung aller Widerrufsberechtigten führe. Damit führe der Widerruf der Beklagten zu 2) aufgrund dieser Regelung dazu, dass auch die auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung des Beklagten zu 1) unwirksam sei. Aus dem Darlehensvertrag könne die Klägerin daher keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) herleiten.
- 26
Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die Parteien mit der Vereinbarung verschiedene Verbindlichkeiten des Beklagten zu 1) in ein Darlehen umgewandelt hätten. Sei der Darlehensvertrag unwirksam, führe das dazu, dass dann diese ursprünglichen Verbindlichkeiten gemäß der Anlage 1 zum Darlehensvertrag noch bestünden. Insoweit seien die dort im Einzelnen aus der Urkunde hinreichend individualisierbar hervorgehenden Verbindlichkeiten aus diversen Rechnungen und die ausstehenden Mieten zwischen den Parteien unstreitig. Demgemäß ergebe sich ein Anspruch der Klägerin jedenfalls auf Zahlung dieser Rechnungsbeträge nebst den ausstehenden Mieten für die Monate Mai und Juni 2011. Auch wenn die Klägerin ihren Anspruch in erster Linie mit dem Darlehensvertrag vom 30.4.2012 begründet habe, so habe sie doch in ihrem Schriftsatz vom 11.03.2013 sich ausdrücklich darauf berufen, dass die Zahlungen für die Lieferungen weiter ausstünden. Dies werte das Gericht dahingehend, dass sie sich zumindest hilfsweise auch auf diese Forderungen berufe, so dass hier jedenfalls in Höhe der ausstehenden Verbindlichkeiten für Lieferungen und Mieten ein Anspruch zuerkannt werden könnten.
- 27
Soweit allerdings mit dem Darlehensvertrag vom 21.04.2012 auch eine ausstehende Darlehensschuld in Höhe von 25.714,26 € sowie eine ausstehende Darlehensrate mit einbezogen worden sei, stehe der Klägerin kein Anspruch zu. Ersichtlich leite sie diese Ansprüche aus dem zunächst abgeschlossenen Darlehensvertrag vom 16.11.2010 ab. Aus diesem Vertrag stünden ihr allerdings keine Ansprüche zu. Denn auch dieser Vertrag sei aufgrund des Widerrufs der Beklagten zu 2) unwirksam. Zwar hätten die Parteien in diesem Vertrag keine Regelungen zu der Frage getroffen, welche Folgen der Widerruf einer der Beklagten für den Bestand des Vertrages im Übrigen haben sollte. Allerdings folge die Unwirksamkeit aus § 139 BGB. Die Klägerin habe auch nicht dargetan, dass der Vertrag auch im Falle des Widerrufs durch die Beklagte zu 2) in jedem Fall aufrechterhalten bleiben sollte. Dagegen spreche im Übrigen der erklärte Schuldbeitritt der Beklagten zu 2), der nahe lege, dass die Klägerin den Vertrag nur unter der Voraussetzung abgeschlossen habe, dass zur Absicherung der Rückzahlung eine weitere Person mit in der Haftung sei.
- 28
Zwar diene auch der erste Darlehensvertrag der Umwandlung von Verbindlichkeiten des Beklagten zu 1). Allerdings sei insoweit nicht hinreichend dargelegt, um welche konkreten Verbindlichkeiten es sich dabei gehandelt haben soll. Mangels Individualisierung könne der Klägerin insoweit kein weitergehender Zahlungsanspruch zugesprochen werden. Von der Forderung sei noch ein Betrag in Höhe von 1.556,50 € in Abzug zu bringen. Aus dem Vergleich zwischen dem Darlehensvertrag und dem begehrten Restzahlungsbetrag ergebe sich, dass seitens der Beklagten zumindest zwei Raten geleistet worden seien, die von der Forderung in Abzug zu bringen seien. Mithin verbleibe ein Betrag in Höhe von 22.063,27 €.
- 29
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form - und fristgerecht eingelegten Berufung, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
- 30
Die Klägerin trägt nunmehr vor,
das Verfahren werde weiterhin im Urkundsverfahren betrieben. Sollte das Berufungsgericht der Auffassung sein, das Urkundsverfahren sei unzulässig, werde um einen rechtlichen Hinweis gebeten, um von diesem Verfahren Abstand zu nehmen. Beide Unternehmen der Beklagten seien von ihr, der Klägerin, beliefert worden. Der Beklagte zu 1) sei unstreitig Unternehmer, die Beklagte zu 2) unstreitig zumindest bis zum 20.01.2011. Dass die Beklagte zu 2) ihr Gewerbe abgemeldet habe, habe sie, die Klägerin, erst durch einen anderen vor dem Amtsgericht N. (42 C 1648/12) geführten Verfahren erfahren. Eine Umfirmierung des Unternehmens der Beklagten zu 2) sei nicht erfolgt, sondern dieses kommentarlos auf ihren Sohn, den Beklagten zu 1) übergegangen. Die offene Darlehensschuld ergebe sich aus der Anlage 1 des Darlehensvertrages vom 30.04.2012 (GA 57). Der Darlehensvertrag sei sowohl von dem Beklagten zu 1) als auch von der Beklagten zu 2) geschlossen worden. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass beide Unternehmer seien. Beide Beklagte hätten sich verpflichtet, den Betrag, sei es als Darlehen oder als Schuldbeitritt oder Anerkenntnis, auszugleichen. Den Beklagten seien ihre Einwendungen im Nachverfahren vorzubehalten. Das Landgericht habe sich nur mit Fragen befasst, die das Nachverfahren beträfen. Es habe keine Hinweise gegeben, die sie, die Klägerin, hätten veranlassen können, von dem Urkundsverfahren Abstand zu nehmen und ins ordentliche Verfahren überzugehen. Der fehlende Hinweis werde ausdrücklich gerügt. Dies habe zur Folge, dass der Prozess in die erste Instanz zurückzuverweisen sei.
- 31
Die Klägerin beantragt nunmehr,
- 32
unter Abänderung des angefochtenen Teil-, Vorbehalts- und Endurteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 48.551,11 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszins - jedoch nicht mehr als 11,75 % ab dem 16. November 2012 zu zahlen.
- 33
Die Beklagten tragen vor,
das Landgericht habe zu Recht die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) vollumfänglich und gegenüber dem Beklagten zu 1) überwiegend als unbegründet abgewiesen. Es sei unerheblich, ob die Beklagte zu 2) noch Inhaberin des Getränkemarktes in N.-F. gewesen sei. Die Beklagte zu 2) habe jedenfalls den Vertrag nicht in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin abgeschlossen. Die abgelösten Mieten, Forderungen aus Warenlieferungen und Darlehensforderungen bezögen sich auf den Betrieb des Beklagten zu 1) in N., Im H. und hätten keinen Bezug zu dem Getränkemarkt in N.-F.. Deshalb sei es unerheblich, ob die Beklagte zu 2) Unternehmerin des Getränkemarktes in N.-F. gewesen sei.
- 34
Die Beklagten beantragten nunmehr,
- 35
die Berufung gegen das angefochtene Teil-, Vorbehalts- und Endurteil zurückzuweisen.
- 36
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
II.
- 37
Die zulässige Berufung ist begründet.
- 38
Das Landgericht hat durch Teil- Vorbehalts- und Endurteil die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) vollumfänglich abgewiesen und gegen den Beklagten nur in Höhe von 22.063,27 € nebst Zinsen entsprochen. Diese Ausführungen werden von der Berufung der Klägerin zu Recht angegriffen. Die Klägerin verfolgt ihre Klage gemäß § 592 ZPO im Urkundsverfahren. Ein Anspruch kann im Urkundsverfahren geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.
- 39
Für die Statthaftigkeit des Urkundsprozesses genügt jede Urkunde, die geeignet ist, dem Gericht gegenüber den Beweis für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs unmittelbar oder mittelbar zu erbringen (BGH, Urteil vom 27.10.1982 - V ZR 31/82 - WM 1983, 22 f.). Es ist nicht erforderlich, dass die anspruchsbegründende Tatsache unmittelbar aus der Urkunde ergibt (BGH, Urteil vom 27.10.1982 - V ZR 31/82 - WM 1983, 22 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 24.10.1996 - 7 W 1003/96 - ZIP 1997, 730 f.). Es reicht aus, dass mit der Urkunde eine Indiztatsache bewiesen wird, die den Schluss auf die anspruchsbegründende Haupttatsache zulässt (BGH, Urteil vom 12.07.1985 - V ZR 15/84 - NJW 1985, 2953; Urteil vom 27.10.1982, aaO).
- 40
Die Klage enthält deutlich den Hinweis, dass gemäß § 593 ZPO im Urkundsverfahren geklagt wird. Diese Erklärung hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.04.2013 (GA 102 f.) wiederholt. Die Klägerin hat das Original des Gelddarlehens- und Getränkelieferungsvertrages vom 30.04.2012 (Anlage 1, GA 5 ff.) vorgelegt. Die Darlehenssumme beläuft sich danach gemäß § 1 des Vertrages auf 50.107,61 €, die monatlichen Raten auf 778,25 €. Die Beklagten sind mit mehr als 2 Monatsraten in Verzug, so dass die unter dem 06.12.2012 ausgesprochenen Kündigungen des Gelddarlehens- und Getränkelieferungsvertrages vom 30.04.2012 (Anlage 1, GA 5 ff.) berechtigt sind. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19.11.2013 (GA 200 ff.) unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte bisher auf vorstehenden Vertrag überhaupt keine Zahlungen erbracht hätten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin hat von der Darlehenssumme 2 Raten à 778,25 € in Abzug gebracht, so dass sich die Restforderung auf 48.551,11 € beläuft.
- 41
Das Landgericht hat die Klage bezüglich der Beklagten zu 2) mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei wirksam gemäß § 495 Abs. 1 BGB widerrufen worden. Denn die Beklagte zu 2) habe den Vertrag als Verbraucherin abgeschlossen. Ob die Beklagte zu 2) den Vertrag als Verbraucherin oder Unternehmerin abgeschlossen hat, ist allerdings zwischen den Parteien streitig. Gemäß § 595 Abs. 2 ZPO ist der Beweis bezüglich anderer als der anspruchsbegründenden materiellen Tatsachen, z.B. rechtsvernichtende Einwendungen der Beklagten, nur durch Urkunden oder Antrag auf Parteivernehmung zu führen (vgl. Thomas/Putz-Reichhold, ZPO, 33, Auflage 2012, § 595 Rn. 3; Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 595 Rn. 6). Ob die Beklagte zu 2) als Verbraucherin den Gelddarlehens- und Getränkelieferungsvertrages vom 30.04.2012 (Anlage 1, GA 5 ff.) abgeschlossen hat, kann im Wege des Urkundsbeweises nicht geführt werden. Ein Antrag auf Parteivernehmung ist nicht festgestellt worden.
- 42
Soweit das Landgericht den Beklagten zu 1) lediglich verurteilt hat, an die Klägerin 22.063,27 € nebst Zinsen zu zahlen, erschließt sich dies aus den Entscheidungsgründen nicht. Aufgrund der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2013 (Sitzungsprotokoll Seite 2, GA 200/201) geht der Senat unter Bezugnahme auf Anlage 1 zum Gelddarlehen und Getränkebelieferungsvertrag vom 30.04.2012 (GA 5-10) davon aus, dass sich dieser Betrag wie folgt zusammensetzt: Zwischenposition von 22.095,00 € zzgl. die fehlenden Mietzahlungen für Mai und Juni 2011 in Höhe von 2 x 762,34 €.
- 43
Auf Antrag der Klägerin war das angefochtenen Teil-, Vorbehalts- und Endurteil dahingehend abzuändern, dass die Beklagten durch Vorbehaltsurteil zu verurteilen sind, an die Klägerin 48.551,11 € nebst Zinsen zu zahlen.
- 44
Den Beklagten bleibt vorbehalten, ihre Einwendungen und Rechte im Nachverfahren vor dem Landgericht gemäß § 600 ZPO geltend zu machen. In diesem Nachverfahren wird das Landgericht dann prüfen müssen, ob die Beklagte zu 2) Verbraucherin ist und ob die Regelungen über den Verbraucherkreditvertrag gemäß §§ 312 a BGB i.V.m. §§ 355 ff. BGB Anwendung finden (vgl. zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Mithaftungsübernahme des geschäftsführenden Gesellschafters BGH, Urteil vom 24.7.2007 - XI ZR 208/06 - BB 2007, 2141 ff., zitiert nach Juris; zum Schuldbeitritt des Gesellschafter-Geschäftsführers bei gewerblicher Kreditnahme BGH, Urteil vom 10.7.1996- VIII ZR 213/95 - BB 1996, 2006 f., zitiert nach Juris; zur Formbedürftigkeit des Schuldbeitritts eines Verbrauchers zu einem Finanzierungsleasingvertrag BGH, Urteil vom 30.7.1997 - VIII ZR 244/96 - BB 1997, 2022 f., zitiert nach Juris; zum Schuldbeitritt zum Kreditvertrag BGH, Urteil vom 27.4.2004 - XI ZR 49/03 - NJW-RR 2004, 1683 ff. = WM 2004, 1381 ff. = MDR 2004, 820 ff. = ZIP 2004, 1303 ff. zitiert nach Juris; zur Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mithaftungsübernahme des geschäftsführenden Gesellschafters BGH, Urteil vom 24.7.2007 - XI ZR 208/06 - BB 2007, 2141 ff., zitiert nach Juris; zu den Anforderungen an das Schrifterfordernis beim Schuldbeitritt eines Verbrauchers BGH, Urteil vom 27.6.2000 - XI ZR 322/98 - ZIP 2000, 1523 ff. = WM 2000, 1799 ff. = NJW-RR 2000, 3496 ff. = MDR 2000, 1259; zum Schuldbeitritt zum Kreditvertrag BGH, Urteil vom 27.4.2004 - XI ZR 49/03 - ZIP 2004, 1303 ff. = WM 2004, 1381 ff. = MDR 2004, 1127 f., zitiert nach Juris; zu den Folgen des Fehlens einer formgültigen Annahmeerklärung des Kreditgebers BGH, Urteil vom 6.12.2005 - XI ZR 139/05 - BGHZ 165, 213 ff. = WM 2006, 217 ff. = ZIP 2006, 224 ff. = VersR 2006, 559 ff. = MDR 2006, 700 ff., zitiert nach Juris; zu Beginn der Widerrufsfrist für den Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu künftig abzuschließenden Kreditverträgen BGH, Urteil vom 10.7.1996 - VIII ZR 213/95 - BGHZ 133, 220 ff. = WM 1996, 1781 ff. = ZIP 1996, 1657 ff. = MDR 1996, 1106, zitiert nach Juris; zu den Anforderungen an eine formwirksame Mithaftungsübernahme BGH, Urteil vom 25.10.2011 - XI ZR 331/10 - WM 2011, 2355 ff. = ZIP 2012, 18 ff. = MDR 2012, 110 f. = NJW-RR 2012, 166 ff.).
- 45
Das Vorbringen der Beklagten zu 1. in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.11.2013 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
- 46
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 47
Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.
- 48
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 48.551,11 € festgesetzt.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, kann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Ein Anspruch, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, kann im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Als ein Anspruch, welcher die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand hat, gilt auch der Anspruch aus einer Hypothek, einer Grundschuld, einer Rentenschuld oder einer Schiffshypothek.
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist Mieterin einer Dachgeschosswohnung des Klägers in N. . Der Mietvertrag vom 24. September 2006, in dem die Wohnfläche nicht angegeben ist, sieht unter § 4 Buchstabe b vor, dass der Mieter die Betriebskosten der dort genannten Positionen Nr. 1 bis 21 zu tragen hat, und bestimmt dazu: "Die Betriebskosten der Positionen 1 bis 21 werden grundsätzlich anteilig nach dem Verhältnis der Wohnfläche der Mietsache zur Gesamtwohnfläche des Anwesens abgerechnet. Soweit der tatsächliche Verbrauch für Energie und Wasser gesondert erfasst ist, wird dieser der Abrechnung zugrunde gelegt. Heiz- und Warmwasserkosten werden unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der Heizkosten- verordnung, abgerechnet […]".
- 2
- Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011, die die Beklagte mit einem von der Hausverwaltung unterzeichneten Begleitschreiben vom 1. Oktober 2012 am 10. November 2012 erhielt, machte der Kläger - unter Ansatz einer Wohnfläche der Wohnung der Beklagten von 40 m² und einer Gesamtwohnfläche des Gebäudes von 240 m² - eine Nachforderung in Höhe von 1.187,54 € geltend, die die Beklagte nicht beglich.
- 3
- Der Kläger verlangt im Urkundenprozess unter Vorlage der Mietvertragsurkunde , der Betriebskostenabrechnung sowie des Anschreibens der Hausver- waltung Zahlung von 1.187,54 € nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Flächen- werte bestritten. Das Amtsgericht hat die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagte unter dem Vorbehalt der Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren antragsgemäß verurteilt und den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten wegen des Nachverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- 4
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht (LG Darmstadt, Urteil vom 20. Dezember 2013 - 6 S 106/13, juris) hat im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Die Geltendmachung von Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung im Urkundenprozess sei statthaft. Die gemäß § 592 ZPO zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen ließen sich durch die Vorlage des Mietvertrags nebst quittierter Betriebskostenabrechnung beweisen. Der Beweis der richtigen Berechnung sei durch Vorlage der zugrunde liegenden Unterlagen (Versorgerrechnungen und Gebührenbescheide) möglich. Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses stehe nicht entgegen, dass der Kläger hier keine Unterlagen zum Beweis der richtigen Berechnung der Betriebskostenabrechnung vorgelegt habe, denn nur beweisbedürftige Tatsachen seien durch Urkunden unter Beweis zu stellen. Die Beklagte habe jedoch keine zu beachtenden Einwände gegen die Betriebskostenabrechnung selbst erhoben; deren Fehlerfreiheit habe mithin als unstreitig zu gelten.
- 8
- Die Klage sei, soweit der Urkundenprozess betroffen sei, auch begründet. Nach § 4 des Mietvertrags habe die Beklagte die auf sie entfallenden Betriebskosten zu tragen. Der Kläger habe die Betriebskosten des Jahres 2011 in zulässiger Weise abrechnen lassen. Ausweislich des Vermerks auf dem Anschreiben der Hausverwaltung vom 1. Oktober 2012 habe die Beklagte die Betriebskostenabrechnung am 10. November 2012 erhalten. Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Abrechnung bestünden nicht.
- 9
- Zwar habe die Beklagte die Richtigkeit der Gesamtwohnfläche und der Wohnfläche ihrer Wohnung bestritten. Das Bestreiten sei jedoch unsubstantiiert. Die Beklagte könne sich nicht darauf zurückziehen, die Flächenangaben ohne weitere Ausführungen pauschal zu bestreiten. Es sei ihr ohne Weiteres möglich, die Wohnfläche ihrer Wohnung selbst zu ermitteln. Auch im Hinblick auf die Gesamtwohnfläche hätte sie einen Ansatz für Zweifel vortragen müssen. Die Anzahl der Wohnungen im Gebäude sowie die Wohnfläche der von ihr bewohnten Wohnung seien ihr bekannt, so dass sie jedenfalls zu einer Plausibili- tätskontrolle in der Lage sei. Auch habe sie unbestritten die Möglichkeit gehabt (und nicht genutzt), die Belege der Betriebskosten einzusehen, denen regelmäßig auch Angaben über die Gesamtwohnfläche zu entnehmen seien.
II.
- 10
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat mit Recht ein Vorbehaltsurteil über die von dem Kläger im Urkundenprozess geltend gemachte Betriebskostennachforderung erlassen.
- 11
- 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Geltendmachung einer Betriebskostennachforderung im Urkundenprozess statthaft ist, sofern der Vermieter die anspruchsbegründenden und beweisbedürftigen Tatsachen durch Urkunden belegen kann (§ 592 Satz 1, § 597 Abs. 2 ZPO).
- 12
- a) § 592 Satz 1 ZPO eröffnet den Urkundenprozess unterschiedslos für alle Ansprüche, welche die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand haben. Betriebskostennachforderungen sind davon nicht auszunehmen. Ebenso wenig wie bei Ansprüchen auf Miete aus Wohnraummietverträgen, für die der Senat bereits entschieden hat, dass diese im Urkundenprozess geltend gemacht werden können (Senatsurteile vom 1. Juni 2005 - VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701; vom 20. Dezember 2006 - VIII ZR 112/06, NJW 2007, 1061; vom 8. Juli2009 - VIII ZR 200/08, NJW 2009, 3099; einschränkend für den Fall anfänglicher Mängel: Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - VIII ZR 111/09, WuM 2010, 761 Rn. 11 f.), bestehen bei Betriebskostennachforderungen Gründe, den Wortlaut des § 592 ZPO in der Weise einzuschränken, dass solche Ansprüche generell vom Urkundenprozess ausgeschlossen wären.
- 13
- Das entspricht der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum (Langenberg , Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl., J Rn. 84 ff.; Staudinger/ Weitemeyer, BGB, Neubearbeitung 2014, § 556 Rn. 147; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XIV 110; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 14. Aufl., Rn. 7017m; ders. MDR 2013, 1266, 1268; Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. IX Rn. 117; Both, NZM 2007, 156, 158; Flatow, DWW 2008, 88, 91 f.; Wichert/Sommer, ZMR 2009, 503, 509 f.; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 592 Rn. 9a; Bub/von der Osten, FD-MietR 2009, 292917; Herlitz, jurisPR-MietR 13/2014 Anm. 4; siehe auch KG, WuM 2012, 156; anders Blank, NZM 2000, 1083, 1084; differenzierend LG Bonn, WuM 2012, 155).
- 14
- b) Entgegen der Auffassung der Revision setzt die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht voraus, dass auch unstreitige Anspruchsvoraussetzungen mit Urkunden bewiesen werden. Vielmehr bedürfen unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen auch im Urkundenverfahren, abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall der Säumnis der beklagten Partei (§ 597 Abs. 2 ZPO), keines Beweises und somit auch keiner Urkundenvorlage (Senatsurteil vom 24. April 1974 - VIII ZR 211/72, BGHZ 62, 286, 289 ff.; BGH, Urteil vom 4. Februar 1985 - II ZR 142/84, WM 1985, 738 unter 2).
- 15
- 2. Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger seinen Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten ausreichend mit Urkunden belegt. Er hat den Mietvertrag, aus dem sich die Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt, sowie die Betriebskostenabrechnung mit einem Zugangsnachweis vorgelegt (zur im Urkundenprozess gebotenen Urkundenvorlage bei Nachforderungen aus einer Betriebskostenabrechnung siehe Langenberg, Betriebskosten - und Heizkostenrecht, aaO, Rn. J 85). Der Vorlage weiterer Urkunden, etwa zur Wohnflächenberechnung, bedurfte es im Streitfall nicht. Wie die Revisions- erwiderung zu Recht geltend macht, hat der Vermieter die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung erst auf wirksames Bestreiten durch den Mieter zu beweisen , wobei im Urkundenprozess die Beweismittelbeschränkung der § 592 Satz 1, § 595 Abs. 2 ZPO zu beachten ist. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist das Bestreiten der Flächenwerte durch die Beklagte unsubstantiiert und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich.
- 16
- a) Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Vermieter, der eine Betriebskostennachforderung erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für die Flächenansätze. Wenn er - wie hier - bestimmte Flächenwerte vorträgt, genügt dies den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, aaO, Rn. 7039; ders., ZMR 2009, 335, 336). Der sodann erklärungsbelastete Mieter hat - soll sein Vortrag beachtlich sein - auf die Behauptungen des Vermieters grundsätzlich ebenfalls substantiiert (d. h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern und muss erläutern, von welchen tatsächlichen Umständen er ausgeht, denn mit bloßem Bestreiten darf der Mieter sich nur bei pauschalem Vorbringen des Vermieters begnügen (Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07, NJW 2008, 1801 Rn. 29).
- 17
- Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich und zumutbar ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (siehe BGH, Beschluss vom 25. März 2014 - VI ZR 271/13, NJW-RR 2014, 830 Rn. 7; Urteile vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08, WM 2010, 815 Rn. 16; vom 6. Juli 2007 - V ZR 128/06, juris Rn. 17; vom 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158; vom 6. Oktober 1989 - V ZR 223/87, NJW-RR 1990, 78 unter II 3 b aa; vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196; jeweils mwN).
- 18
- b) aa) Nach diesen Grundsätzen genügte ein einfaches Bestreiten der Wohnfläche der von der Beklagten gemieteten Wohnung bereits deshalb nicht, weil er hätte substantiiert darlegen müssen, dass die vom Vermieter angegebenen Quadratmeterzahlen unrichtig sind (Staudinger/Weitemeyer, aaO § 556a Rn. 23). Unabhängig davon, ob die Größe der gemieteten Wohnung in der Mietvertragsurkunde angegeben ist oder nicht, ist es dem Mieter in aller Regel selbst möglich, die Wohnfläche der gemieteten Wohnung zu vermessen und seinerseits einen bestimmten Flächenwert vorzutragen (Langenberg, aaO, J Rn. 36).
- 19
- Im Schrifttum wird zwar vereinzelt die Auffassung vertreten, dass eine Flächenberechnung der eigenen Räume vom Mieter nicht verlangt werden könne , weil billigerweise nicht zu erwarten sei, dass er über die Anwendung der Berechnungsmethoden Bescheid wisse (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten , aaO, Rn. 7040; ders., ZMR 2009, 335, 337; zu den Berechnungsmethoden siehe Eisenschmid in Eisenschmid/Wall, Betriebskosten-Kommentar, 3. Aufl., Rn. 4008 ff.; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, aaO, Rn. 4127a). Substantiiertes Bestreiten verlangt jedoch nicht, dass der Mieter sich an einer bestimmten Berechnungsmethode, etwa den Vorgaben der Wohnflächenverordnung , orientiert, zumal die Berechnung etwa bei Dachgeschosswohnungen aufgrund von Schrägen und Winkeln kompliziert sein kann (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 285/09, NZM 2010, 858 Rn. 29). Um die vom Vermieter vorgetragenen Quadratmeterzahlen wirksam zu bestreiten, genügt es daher, wenn ihm der Mieter das Ergebnis einer laienhaften, im Rahmen seiner Möglichkeiten liegenden Vermessung entgegen hält.
- 20
- bb) Auch die Gesamtwohnfläche des Gebäudes hat die Beklagte unzureichend bestritten. Selbst zu äußerlich wahrnehmbaren Gegebenheiten, wie Gebäudezuschnitt sowie Anzahl der Wohnungen und Stockwerke, aus denen sich Ansatzpunkte für Zweifel an der behaupteten Gesamtwohnfläche ergeben könnten, hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Angaben gemacht.
- 21
- cc) Schließlich lässt sich dem pauschalen Bestreiten der Flächenangaben nicht entnehmen, dass das in der Betriebskostenabrechnung angenommene Verhältnis der Fläche der Mietwohnung (40 m²) zur Gesamtwohnfläche (240 m²) zu Lasten der Beklagten unrichtig ist. Es wird nicht deutlich, dass das Verhältnis der Fläche der Mietwohnung zur Gesamtwohnfläche für die Beklagte günstiger ist, denn ihr Bestreiten lässt nicht erkennen, ob die von ihr gemietete Wohnung (wesentlich) kleiner oder die Gesamtwohnfläche größer sein soll als vom Kläger vorgetragen.
- 22
- 3. Der danach zulässig im Urkundenprozess geltend gemachte Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten ist begründet, weil die Beklagte keine nach § 595 Abs. 2 ZPO beachtlichen Einwendungen vorgebracht hat. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Kosziol
AG Offenbach am Main, Entscheidung vom 15.05.2013 - 350 C 517/12 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 20.12.2013 - 6 S 106/13 -
(1) Insoweit der in der Klage geltend gemachte Anspruch an sich oder infolge einer Einrede des Beklagten als unbegründet sich darstellt, ist der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen.
(2) Ist der Urkundenprozess unstatthaft, ist insbesondere ein dem Kläger obliegender Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten oder mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt, so wird die Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abgewiesen, selbst wenn in dem Termin zur mündlichen Verhandlung der Beklagte nicht erschienen ist oder der Klage nur auf Grund von Einwendungen widersprochen hat, die rechtlich unbegründet oder im Urkundenprozess unstatthaft sind.
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.4.2014 - 91 O 4/14 - durch Beschluss gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
1
Gründe:
2I.
3Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, eine Entscheidung des Senats durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint, beabsichtigt der Senat, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
4Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im Urkundenprozess nach §§ 592 ff. ZPO im zuerkannten Umfange durch Vorbehaltsurteil stattgegeben. Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine Abänderung der Entscheidung nicht. Sie gibt lediglich zu folgenden Hinweisen Anlass:
51.
6Der Beklagte wendet sich mit der Berufung im Ansatz dagegen, dass das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertritt, im Urkundenprozess müssten lediglich in Bezug auf strittige anspruchsbegründende Tatsachen beigebracht werden. Dies entspreche zwar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, werde mittlerweile aber durch obergerichtliche Entscheidungen (OLG Schleswig NJW 2014, 945 = NZBau 2013, 764 mit Anm. Dötsch; zust. Leidig/Jöbges NJW 2014, 892; OLG München ZIP 2012, 178 = BeckRS 2012, 29041) infrage gestellt.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedürfen auch im Urkundenprozess unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen eines Beweises durch Urkunden nicht (BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199). Die Statthaftigkeit dieser Klageart setzt begriffsnotwendig zwar die Vorlage zumindest einer Urkunde voraus (BGHZ 62, 286, 299). Damit werden im Urkundenprozess sich auf die Klageforderung beziehende Urkunden bei Nichtbestreiten nicht schlechthin entbehrlich. Der Kläger erhält jedoch die Möglichkeit, Lücken in der Beweiswürdigung durch unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen zu schließen. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser seit Jahrzehnten gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der er ebenfalls gefolgt ist (etwa Beschl. v. 14.11.2012 – 11 U 120/12 und vom 11.5.2014 - 11 W 16/14), abzuweichen (ebenso Dötsch a. a. O.). Diese schon durch das Reichsgericht begründete Judikatur hat der Bundesgerichthof in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1974 (BGHZ 62, 286) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung fortgeführt, nach der alle anspruchsbegründenden Tatsachen urkundlich belegt werden müssen. Zwar stößt dies bei Teilen des Schrifttums weiterhin auf Ablehnung oder Vorbehalte. Die Rechtsprechung hat sich ihr aber – soweit ersichtlich - einhellig angeschlossen (vgl. etwa die Nachweise bei OLG Schleswig und Leidig/Jöbges jew. a.a.O.; Musielak/Voit, ZPO, § 592 Rdn. 11; Kratz in: BeckOK ZPO, Stand 15.3.2014, § 592 Rn. 24). Anhaltspunkte für eine Abkehr des Bundesgerichtshofes von seiner Grundsatzscheidung sind nicht ersichtlich. Auch Entscheidungen aus jüngster Zeit hat er die dort entwickelten Grundsätze zugrundegelegt (BGHZ 173, 366, 369 = NJW 2008, 523; NJW 2009, 2886, 2887; unausgesprochen auch BGH NJW 2007, 1061). Die von der Berufung angeführte Entscheidung des OLG Schleswig enthält zudem keine neuen, gegen diese Rechtsprechung nicht bereits angeführten Argumente. Der Einwand, es sei schwierig abzugrenzen, wann eine bloße Lücke in der Beweisführung zu sehen ist, verfängt nicht (dazu zutreffend Dötsch a. a. O. und Kratz in: BeckOK ZPO, Stand 15.3.2014, § 592 Rn. 24). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Übrigen auch, wenn man verlangt, dass sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen urkundlich belegt werden. Sie können sich etwa bei der Frage stellen, ob ein Vertrag schon durch urkundlich belegte Erklärungen oder aber erst durch ein späteres, jedoch unstreitiges konkludentes Verhalten zu Stande gekommen ist. Die von der Berufung angeführte weitere Entscheidung des OLG München lässt nicht erkennen, dass sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung überhaupt abweicht. Sie verneint die Statthaftigkeit der Urkundenklage deshalb, weil der Kläger zum Beweis seiner Forderung überhaupt keine Urkunden vorgelegt hatte (ZIP 2012, 178, 179). Das steht jedoch in Einklang mit der Judikatur des Bundesgerichthofes, der – wie ausgeführt - zumindest die Vorlage einer Urkunde verlangt.
82.
9Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der Werkunternehmer seinen Werklohnanspruch im Urkundenprozess geltend machen, soweit die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, nämlich die Beauftragung der Werkleistung, die Höhe des Werklohns und die Fälligkeit des Anspruches durch Urkunden belegt werden können oder zugestanden, unstreitig oder offenkundig sind (OLG Köln – 20. Zivilsenat – BauR 2008, 129 = NJOZ 2008, 384; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3, Aufl., Kap. 20 Rn. 67; weitere Nachweise der Rechtsprechung bei Dötsch a.a.O.). Dabei kann er sich auch auf die geprüfte Schlussrechnung stützen, soweit diese unstreitig bleibt (Kniffka a.a.O.).
10Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht der Klage auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Schlussrechnung zu Recht in Höhe von 11.151,30 € stattgegeben. Die von der Klägerin behauptete Beauftragung sämtlicher mit der Schlussrechnung (Anl. K 3, Bl. 12 ff. d.A.) abgerechneten Bauleistungen hat die Beklagte lediglich hinsichtlich der Position 1.6 (4 Duschwannensets zu insgesamt 854,40 €) in Abrede gestellt. Diese Position hat das Landgericht von der durch die Architekten der Beklagte geprüften Schlussrechnungssumme in Absatz gebracht. Die von der Beklagten vorgenommenen weiteren Abzüge hat das Landgericht zutreffend aus rechtlichen Gründen für unbeachtlich erklärt, weil es sich teils um Subtraktionsfehler, teils um von der Beklagten zu beweisende Einwendungen handelt. Dagegen erhebt die Berufung keine erheblichen Einwände. Sie beschränkt sich auf den allgemeinen rechtlichen Einwand, im Urkundenprozess müssten alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden belegt werden, es gehe nicht an, dass im Bereich des Werkvertragsrechtes allein mithilfe einer geprüften Schlussrechnung eine Titulierung der Werklohnforderung erreicht werden könne, ohne dass alle weiteren Absprachen zwischen den Parteien zu berücksichtigen wären. In der Sache bestreitet die Beklagte die zugesprochenen Rechnungspositionen dagegen weiterhin nicht. Darauf, ob der Prüfvermerk auf der Schlussrechnung von der Beklagten selbst oder ihren Architekten stammt, kommt es nicht an. Als beweisgeeignete Urkunden kommen im Urkundenprozess alle Schriftstücke in Betracht, unabhängig davon, ob sie unterschrieben oder nicht unterschrieben sind. Unerheblich ist auch, ob die Partei selbst bei der Errichtung der Urkunde mitgewirkt hat (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 592 Rdn. 15 m.w.N.). Die vorgelegten Dokumente müssen nur geeignet sein, im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO den anspruchsbegründenden Sachverhalt zu beweisen (BGH WM 1983, 22; NJW 1985, 2953; WM 2006, 691, 692 = NJW-RR 2006, 760; Musielak/Voit § 592 Rdn. 12; Zöller/Greger a.a.O.). Danach genügt die von den – offenkundig – bevollmächtigten Architekten der Beklagten geprüfte und abgezeichnete Schlussrechnung, zumal – wie ausgeführt – unstreitige Tatsachen eines Beweises ohnehin nicht bedürfen. Die im Falle der Werklohnklage bei einer Urkundenklage oft problematische Abnahme der Werkleistung ist durch das Abnahmeprotokoll (Anl. K 2, Bl. 11 d.A.) urkundlich belegt, so dass auch die Fälligkeit der Klageforderung bewiesen ist.
113.
12Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des OLG Schleswig steht im Widerspruch zur ganz herrschenden Ansicht der Rechtsprechung und hat in dieser bislang keine Gefolgschaft gefunden. Sie gibt keine Veranlassung zu einer erneuten grundsätzlichen Abgrenzung der Voraussetzungen des Urkundenprozesses. Die Entscheidung des OLG München beruht nicht einmal auf einem Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung.
13II.
14Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist. Die Frist kann nach § 244 Abs.2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr.1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs.2 GKG).
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung restlicher Vergütung nach vorzeitiger Beendigung zweier Verträge über die Lieferung von Thermoreaktoren für Großanlagen in Russland.
- 2
- Die Parteien sind auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik tätig. Die Beklagte wurde von der Sm.-AG und der Su.-GmbH beauftragt, für russische Besteller Thermoreaktoren zu projektieren, zu liefern und zu montieren. Im September 2007 schloss sie mit der Klägerin als Nachunternehmerin zwei Verträge über die Lieferung je eines Thermoreaktors mit Zubehör und Wärmetauscher für das Projekt S. und das Projekt N. inklusive weiterer Leistungen in den Bereichen Projektierung, Montage, Inbetriebnahme und Schulung.
- 3
- Da die Beklagte die ursprünglich vereinbarten Zahlpläne nicht einhielt, übersandte sie Ende 2008 zwei von ihr unterzeichnete Verträge, mit denen sie ihre Forderungen gegen die Sm.-AG und die Su.-GmbH zur Sicherung der Vergütungsansprüche der Klägerin anteilig an diese abtrat. In diesem Zusammenhang verpflichtete sich die Beklagte ferner, bei ihr eingehende Zahlungen der Sm.-AG und der Su.-GmbH in Höhe des vereinbarten Anteils an die Klägerin weiterzuleiten. Nachdem die Beklagte nach Behauptung der Klägerin ihrer Verpflichtung zur anteiligen Weiterleitung nicht vollständig nachgekommen war, stellte diese die Lieferungen ein.
- 4
- Mit der Klage hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt Zahlung von 452.752,87 € zuzüglich Zinsen geltend gemacht und ihren Anspruch in erster Linie auf die Vereinbarung der Parteien zur anteiligen Weiterleitung der bei der Beklagten eingehenden Zahlungen gestützt. Mit Urteil vom 15. April 2011 hat das Landgericht der Klage in Höhe von 418.964,33 € zuzüglich Zinsen stattgegeben.
- 5
- Während des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. April 2010 die Kündigung und vorsorglich den Rücktritt von den Verträgen mit der Klägerin, die daraufhin für beide Verträge unter dem 22. Dezember 2010 Schlussrechnungen erstellte und den danach über den Klageantrag hinausgehenden Restvergütungsanspruch nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils zunächst in einem gesonderten Prozess einklagte.
- 6
- In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage - nach Rücknahme der anderweitig anhängigen erstinstanzlichen Schlusszahlungsklage - auf die Schlussrechnungsforderungen umgestellt und auf 959.896,62 € zuzüglich Zinsen erweitert. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin dem Gericht mehrseitige, teilweise in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefasste Packlisten überreicht.
- 7
- Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 959.896,62 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der Software und Dokumentation für die Thermoreaktoren und der in den zum Tenor genommenen Packlisten bezeichneten Anlagenteile zu zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- Die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin ändert gemäß § 249 Abs. 3 ZPO nichts daran, dass das Urteil gegen sie zu verkünden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74, 75).
I.
- 10
- Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
- 11
- Die Umstellung der Klage auf die höheren Schlussrechnungsforderungen sei zulässig. § 533 ZPO stehe dem nicht entgegen, weil die Umstellung bei zwischenzeitlich eingetretener Schlussrechnungsreife keine Klageänderung im Sinne von §§ 263, 533 ZPO sei, sondern § 264 Nr. 2 und 3 ZPO unterfalle. Der neue Vortrag sei gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 und 3 ZPO zu berücksichtigen, da keine Nachlässigkeit vorliege und das erstinstanzliche Gericht diesen Punkt für unerheblich gehalten habe. Die Erweiterung der Klage scheitere nicht daran, dass die Klägerin die Einlegung einer Anschlussberufung innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO versäumt habe. In der schriftsätzlich erfolgten Klageerweiterung liege die konkludente Erklärung einer Anschlussberufung. Die Versäumung der Frist sei ausnahmsweise unschädlich. Es widerspreche dem Zweck der Vorschrift des § 264 ZPO, die der Prozesswirtschaftlichkeit dienen solle, eine Klageerweiterung im Zusammenhang mit einer wegen veränderter Umstände erforderlichen Umstellung von einer Abschlags- auf die Schlusszahlungsklage nur innerhalb der Anschlussberufungsfrist zuzulassen und nach deren Ablauf den Unternehmer auf einen zweiten Prozess wegen des weitergehenden Betrages zu verweisen. Hinzu komme, dass das Berufungsgericht erst nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist auf die erforderliche Klageumstellung hingewiesen habe, so dass der Klägerin zumindest im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend §§ 233, 236 Abs. 2 ZPO gewährt werden müsste.
- 12
- Die Klage sei gemäß § 649 Satz 2 BGB begründet. Bei den Verträgen handele es sich um Werkverträge im Sinne von § 631 BGB. Hier stehe nicht die Übertragung von Eigentum und Besitz an den zu liefernden Thermoreaktoren im Vordergrund, vielmehr sei nach dem Vertragsinhalt ein Gesamterfolg geschuldet. Die Klägerin habe im Einzelnen dargelegt, dass es sich bei den vereinbarten Leistungen um eine individuell angepasste Fertigung der Thermoreaktoren in Abstimmung mit den übrigen Prozessen der Anlagen vor Ort, ihrer Montage und schließlich der Schulung des Personals gehandelt habe. Dem sei die Beklagte nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.
- 13
- Aufgrund der Kündigung der Verträge durch die Beklagte stehe der Klägerin gemäß § 649 Satz 2 BGB die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Die Kündigung sei als freie Kündigung zu werten. Eine Kündigung aus wichtigem Grund komme nicht in Betracht, da die Klägerin wegen des Zahlungsverzugs der Beklagten berechtigt gewesen sei, weitere Lieferungen zu verweigern.
- 14
- Der Höhe nach stehe der Klägerin aus den beiden Projekten insgesamt eine fällige Restforderung jedenfalls in Höhe der Klageforderung zu. Der Zahlungsanspruch bestehe aber nur Zug um Zug gegen Herausgabe der im Tenor aufgeführten, noch nicht gelieferten Software, Dokumentation und Anlagenteile. Es sei unerheblich, dass die Klägerin ihren Zahlungsantrag nicht mit einer entsprechenden Einschränkung gestellt habe. Die Zug-um-ZugLeistung könne auch mit der nach § 253 ZPO erforderlichen Bestimmtheit tenoriert werden. Hinsichtlich der Anlagenteile sei auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Packlisten abzustellen. Die Beklagte sei dem im Rahmen des ihr gewährten Schriftsatznachlasses nicht substantiiert entgegengetreten.
II.
- 15
- Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 16
- 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin einen Vergütungsanspruch gemäß § 649 Satz 2 BGB hat.
- 17
- a) Dabei kann dahinstehen, ob die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichen, um die Verträge der Parteien als Werkverträge einzuordnen.
- 18
- Zumindest handelt es sich um Verträge gemäß § 651 Satz 1 BGB,bei denen § 649 BGB über § 651 Satz 3 BGB Anwendung findet, da die von der Klägerin zu liefernden Thermoreaktoren als nicht vertretbare Sachen zu qualifizieren sind. Nicht vertretbar sind solche Sachen, die auf die Betriebsverhältnisse des Bestellers ausgerichtet und seinen Wünschen angepasst sind und die deshalb für den Unternehmer anderweitig schwer oder gar nicht absetzbar sind (BGH, Urteil vom 30. Juni 1971 - VIII ZR 39/70, NJW 1971, 1793, 1794; MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 651 Rn. 17 f.).
- 19
- Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mussten die vertraglich geschuldeten Thermoreaktoren individuell unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anforderungen des Bestellers gefertigt und spezifisch an die jeweiligen Anlagen, für die sie vorgesehen waren, angepasst werden. Dies trägt die Annahme, dass es sich um nicht vertretbare Sachen handelt. Der Hinweis der Beklagten, dass die Einzelteile, aus denen der jeweilige Thermoreaktor bestehe, im Wesentlichen als vertretbare Sachen zu qualifizieren seien, führt entgegen der Auffassung der Revision schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil die Klägerin nicht die Lieferung der Einzelteile , sondern der Thermoreaktoren schuldete.
- 20
- b) Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Kündigung der Verträge durch die Beklagte um eine wirksame freie Kündigung gemäß § 649 Satz 1 BGB gehandelt habe, weil ihr ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nicht zugestanden habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung weist keine Rechtsfehler auf.
- 21
- c) Die zur Einordnung der Verträge und zum Kündigungsgrund erfolgten Feststellungen des Berufungsgerichts sind verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Die von der Revision vorgebrachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, § 564 ZPO.
- 22
- 2. Das Berufungsurteil ist aber von Rechtsfehlern beeinflusst, soweit das Berufungsgericht die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz unbeschadet der von ihm angenommenen Versäumung der Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für zulässig erachtet hat.
- 23
- a) Noch zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass auf die in der Berufungsinstanz erfolgte Umstellung des Klageantrags auf die höheren Schlussrechnungsforderungen § 533 ZPO nicht anwendbar ist.
- 24
- § 533 ZPO regelt die Zulässigkeit der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO in der Berufungsinstanz. Änderungen des Klageantrags nach § 264 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen, so dass § 533 ZPO auf sie keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 191/04, BauR 2006, 414, 415 = NZBau 2006, 175). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt der Übergang von der Abschlags- auf die Schlusszahlungsklage keine Klageänderung dar. Eine Änderung des Klagegrundes liegt nicht vor, da der Anspruch auf Abschlagszahlung lediglich eine modifizierte Form des einheitlichen Anspruchs auf Vergütung ist (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 - VII ZR 191/04, BauR 2006, 414, 415 = NZBau 2006, 175; Urteil vom 11. November 2004 - VII ZR 128/03, BauR 2005, 400, 405 = NZBau 2005, 158). Erfolgt der Übergang aufgrund einer nach Rechtshängigkeit eingetretenen Veränderung, liegt danach ein Fall des § 264 Nr. 3 ZPO vor. Ist damit gleichzeitig eine Erhöhung des Klageantrags in der Hauptsache verbunden , stellt auch dies gemäß § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar.
- 25
- Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich hier um einen solchen Übergang von einer Abschlags- auf eine Schlusszahlungsklage. Die Klägerin hat ihren Anspruch erstinstanzlich in erster Linie auf die im Rahmen der Sicherungsabtretungsverträge getroffene Vereinbarung der Parteien über eine anteilige Weiterleitung der bei der Beklagten eingehenden Abschlagszahlungen der Sm.-AG und der Su.-GmbH gestützt. Diese Vereinbarung stellt lediglich eine Modifikation der ursprünglichen Vereinbarung über Abschlagszahlungen im Rahmen der Zahlpläne dar, die von der Beklagten nicht eingehalten wurde. Die weiterzuleitenden Beträge sind ebenso wie die ursprünglich vereinbarten Abschlagszahlungen nur eine Anzahlung auf die jeweilige vertragliche Gesamtvergütung im Hinblick auf bereits erbrachte Leistungen der Klägerin. In der Umstellung der zunächst auf die Weiterleitungsvereinbarung gestützten Klage auf die höheren Schlussrechnungsforderungen aufgrund nach Rechtshängigkeit eingetretener Schlussrechnungsreife liegt daher gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO.
- 26
- b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, zum Zwecke der Klageerweiterung sei die fristgemäße Einlegung einer Anschlussberufung nicht erforderlich , ist jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 27
- aa) Zweck der Anschlussberufung ist es, diejenige Partei zu schützen, die in Unkenntnis des Rechtsmittels der Gegenpartei trotz eigener Beschwer die Rechtsmittelfrist im Vertrauen auf den Bestand des Urteils verstreichen lässt (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 524 Rn. 1). Darüber hinaus soll die Anschlussberufung prozessuale Waffengleichheit schaffen, indem sie den Berufungsbeklagten in den Stand setzt, auf eine Berufung des Gegners ohne verfahrensrechtliche Fesseln reagieren und die Grenzen der neuen Verhandlung mitbestimmen zu können (BGH, Urteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 58/82, NJW 1984, 2951, 2952). Will er die Grenzen neu bestimmen und sich nicht auf die Abwehr der Berufung beschränken, kann er dies grundsätzlich nur im Wege der Anschlussberufung erreichen.
- 28
- Dementsprechend muss sich der in erster Instanz obsiegende Kläger nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berufung der Gegenseite anschließen, wenn er eine Klageerweiterung vornehmen oder neue Ansprüche einführen und sich damit nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will. Danach ist auch im Fall der Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO die Einlegung einer Anschlussberufung erforderlich (BGH, Urteil vom 12. März 2009 - VII ZR 26/06, BauR 2009, 1140 Rn. 22 = NZBau 2009, 376; Urteil vom 13. September 2011 - X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 56).
- 29
- Lediglich wenn in der Berufungsinstanz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ohne Änderung des Klagegrundes statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer späteren Veränderung ein anderer Gegenstand gefordert und mit dem nunmehr geltend gemachten Antrag nicht mehr verlangt wird als bereits erstinstanzlich zuerkannt, ist die Einlegung einer Anschlussberufung entbehrlich (BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - VII ZR 73/04, BauR 2006, 717, 718; Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 197/10, WuM 2011, 310 Rn. 10 ff.). Das Begehren des in erster Instanz erfolgreichen Klägers geht in diesem Fall nicht über eine Abwehr der Berufung hinaus.
- 30
- Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn der in erster Instanz obsiegende Kläger eine aufgrund nach Rechtshängigkeit eingetretener Veränderungen erfolgte Klageumstellung gemäß § 264 Nr. 3 ZPO mit einer Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO verbindet. Auch wenn die veränderten Umstände materiell-rechtlich eine Klageumstellung erfordern, beschränkt sich der Kläger in dieser Konstellation nicht auf die Abwehr der Berufung, sondern begehrt einen höheren als den erstinstanzlich zuerkannten Betrag und be- stimmt damit die Grenzen des Berufungsverfahrens neu. Dies ist nur im Wege der Anschlussberufung möglich.
- 31
- bb) Ist die Einlegung einer Anschlussberufung erforderlich, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beachten. Sinn und Zweck der gesetzlichen Fristenregelung des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO rechtfertigen im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung.
- 32
- Der Gesetzgeber hat sich mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) dafür entschieden, die Einlegung einer Anschlussberufung nur binnen einer bestimmten Frist zuzulassen, um auf diese Weise das nach der Neukonzeption in erster Linie der Fehlerkontrolle dienende Berufungsverfahren zu straffen und zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 64, 98 f.). Trotz erheblicher Kritik in Rechtsprechung und Literatur hat der Gesetzgeber mit dem 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) die Frist, wenn auch in abgeänderter Form, beibehalten und eine Ausnahme nur für wiederkehrende Leistungen geschaffen (vgl. BT-Drucks. 15/3482, S. 17, 18). Vor diesem Hintergrund ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Wege der teleologischen Reduktion sowohl für klageerweiternde als auch für klageändernde Anschlussberufungen abgelehnt worden (BGH, Urteil vom 12. März 2009 - VII ZR 26/06, BauR 2009, 1140 Rn. 22 = NZBau 2009, 376; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 17 ff.).
- 33
- Ob demgegenüber nach Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der prozessualen Waffengleichheit in besonderen Fällen Ausnahmen von der Befristung zuzulassen sind, wenn die Anschlussberufung eine Reaktion auf eine nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung oder gar erst nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist eingetretene Veränderung der Umstände ist, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine endgültige Abrechnung und die nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 42 ff.; Urteil vom 26. Februar 1987 - VII ZR 217/85, BauR 1987, 453; Urteil vom 25. Oktober 1990 - VII ZR 201/89, BauR 1991, 81, 82) damit einhergehende Notwendigkeit zur Umstellung einer Abschlags- auf die Schlusszahlungsklage nicht erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingetreten. Vielmehr sind sowohl die Kündigung der Verträge als auch die Erstellung der Schlussrechnungen noch während des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgt. Die Klägerin hätte daher die mit der Klageumstellung auf die höheren Schlussrechnungsforderungen verbundene Klageerweiterung bereits erstinstanzlich vornehmen können. Auf diese Weise hätte sie einen etwa notwendig werdenden weiteren Rechtsstreit über die Restforderungen ohne weiteres vermeiden können. Jedenfalls in dieser Konstellation wären bei entsprechender Prozessführung die vom Gesetzgeber verfolgten prozessökonomischen Ziele, insbesondere der mit der Befristung der Anschlussberufung verfolgte Zweck der Straffung und Beschleunigung des Berufungsverfahrens, erreicht worden. Darüber hinaus wäre auch der mit der Neukonzeption des Berufungsrechts verbundene Aspekt der Fehlerkontrolle zum Tragen gekommen, da sich bereits das erstinstanzliche Gericht umfassend mit den Schlussrechnungen hätte befassen können.
- 34
- cc) Für die vom Berufungsgericht zu Recht als Anschlussberufung gewertete Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO war danach die Einhaltung der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderlich unbeschadet der Möglichkeit, bis zur Höhe des erstinstanzlich zuerkannten Betrages auch nach Ablauf dieser Frist eine Umstellung der Abschlags- auf die Schlusszahlungsklage vorzunehmen.
- 35
- c) Die vom Berufungsgericht hilfsweise angestellte Erwägung, die von ihm angenommene Versäumung der Anschlussberufungsfrist sei jedenfalls deshalb unschädlich, weil die Klägerin erst nach Ablauf der Frist auf die erforderliche Umstellung von der Abschlags- auf die Schlusszahlungsklage hingewiesen worden und ihr deshalb gegebenenfalls von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei, ist ebenfalls nicht tragfähig.
- 36
- Eine direkte Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung scheidet aus, weil die Anschlussberufungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Notfrist ist und auch nicht bei den sonstigen Fristen in § 233 ZPO aufgeführt wird.
- 37
- Ob bei Versäumung der Anschlussberufungsfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in (analoger) Anwendung der §§ 233 ff. ZPO in Betracht kommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (ablehnend - obiter dictum - BGH, Urteil vom 6. Juli 2005 - XII ZR 293/02, BGHZ 163, 324, 329; OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1720, 1721; Gerken, NJW 2002, 1095, 1096; bejahend OLG Stuttgart, OLGR 2008, 25, 27; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 215, 216; OLG Karlsruhe, OLGR 2005, 443; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1299, 1300; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 524 Rn. 32; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 233 Rn. 6).
- 38
- Dieser Streit bedarf keiner Entscheidung, denn auch bei analoger Anwendung der §§ 233 ff. ZPO begründen die hilfsweise angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts keinen Wiedereinsetzungsgrund. Die Klägerin hat aus Nachlässigkeit davon abgesehen, die Klage bereits erstinstanzlich - spätestens jedoch bis zu dem vom Berufungsgericht angenommenen Ablauf der Anschlussberufungsfrist - im Hinblick auf die höheren Schlussrechnungsforderungen zu erweitern. Es entspricht, wie ausgeführt, ständiger Recht- sprechung des Senats, dass ein Unternehmer - will er den Prozess nicht verlieren - nach Eintritt der Voraussetzungen für eine endgültige Abrechnung eine Abschlagsklage zwingend auf die Schlusszahlungsklage umstellen muss (BGH, Urteil vom 20. August 2009 - VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 45 f.; Urteil vom 26. Februar 1987 - VII ZR 217/85, BauR 1987, 453; Urteil vom 25. Oktober 1990 - VII ZR 201/89, BauR 1991, 81, 82). Diese Rechtsprechung musste der anwaltlich vertretenen Klägerin auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein. Ihr war darüber hinaus schon während des erstinstanzlichen Verfahrens und erst recht vor dem vom Berufungsgericht angenommenen Ablauf der Anschlussberufungsfrist bekannt, dass Schlussrechnungsreife eingetreten war und sie eine über die bereits streitgegenständliche Summe hinausgehende Restvergütung beanspruchte, was sich schon daraus ergibt, dass sie diese Vergütung zunächst in einem weiteren Prozess eingeklagt hatte.
- 39
- d) Eine Versäumung der Frist kann ferner nicht mit dem Argument unberücksichtigt bleiben, einer Partei müsse nach einem gerichtlichen Hinweis die Möglichkeit eingeräumt werden, darauf zu reagieren. Dieser allgemeine Grundsatz findet auf die gesetzliche Ausschlussfrist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Anwendung. Die Unzulässigkeit einer Anschlussberufung wegen Fristversäumung kann durch prozessleitende Maßnahmen nicht mehr behoben werden (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 28).
- 40
- 3. Das Berufungsurteil stellt sich, soweit das Berufungsgericht die Klageerweiterung für zulässig erachtet hat, auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Das käme in Betracht, wenn die Anschlussberufungsfrist bei Eingang der Klageerweiterung noch nicht abgelaufen gewesen wäre. Dies kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen und des Akteninhalts nicht abschließend beurteilt werden.
- 41
- a) Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Einlegung einer Anschlussberufung nur bis zum Ablauf einer gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Voraussetzung für den wirksamen Lauf der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist, dass die Frist zur Berufungserwiderung wirksam gesetzt wurde, was nur dann der Fall ist, wenn dem Berufungsbeklagten gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine beglaubigte Abschrift der richterlichen Verfügung zugestellt und er über die Rechtsfolgen der Versäumung der Berufungserwiderungsfrist gemäß § 521 Abs. 2 Satz 2, § 277 Abs. 2 ZPO belehrt worden ist (BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - VIII ZR 85/08, NJW 2009, 515 Rn. 5 f.). Das Vorliegen dieser für die Zulässigkeit einer Anschlussberufung maßgeblichen Voraussetzung ist - ungeachtet der fehlenden Verweisung in § 524 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf § 522 Abs. 1 ZPO - von Amts wegen zu überprüfen (Musielak/Voit/Ball, ZPO, 12. Aufl., § 524 Rn. 25).
- 42
- b) Der Senat kann nicht beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Klägerin eine beglaubigte Abschrift der betreffenden richterlichen Verfügung nebst Belehrung zugestellt worden ist. Dies ergibt sich auch nicht aus den Akten.
- 43
- 4. Das Berufungsurteil kann deshalb nicht bestehen bleiben. Es ist insgesamt aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit dieses die notwendigen Feststellungen zum wirksamen Lauf der Anschlussberufungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO treffen kann. Eine nur teilweise Aufhebung und Zurückverweisung bezüglich des mit der Klageerweiterung geltend gemachten höheren Betrages kommt nicht in Betracht. Denn bei der auf zwei verschiedenen Verträgen beruhenden Vergütung für die Projekte N. und S. handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Die Klägerin muss daher für den Fall der Versäumung der Anschlussberufungs- frist zunächst eindeutig klarstellen, in welcher Reihenfolge sie die Forderungen geltend machen will.
III.
- 44
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 45
- Die Zug-um-Zug-Einschränkung kann in der vom Berufungsgericht tenorierten Form keinen Bestand haben.
- 46
- Es fehlt insoweit bereits an der hinreichenden Bestimmtheit der Urteilsformel , § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, so dass das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
- 47
- Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nicht nur der Umfang einer Verurteilung, sondern auch die Zug-um-ZugEinschränkung im Titel hinreichend bestimmt sein muss, so dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden kann (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - X ZR 122/07, BauR 2011, 1034 Rn. 32 = NZBau 2011, 290; Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 86/91, NJW 1993, 324, 325; Urteil vom 2. Juni 1966 - VII ZR 162/64, BGHZ 45, 287 f.).
- 48
- Zur hinreichenden Bestimmtheit müssen die Zug um Zug herauszugebenden Gegenstände im Tenor so genau bezeichnet sein, dass eine Identifizierung zumindest im Wege der Auslegung möglich ist (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - X ZR 122/07, BauR 2011, 1034 Rn. 33 = NZBau 2011, 290). Das Vollstreckungsorgan muss, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, in der Lage sein, die Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm vom Gläubiger übergebenen und dem Schuldner anzubietenden Gegenstände zu überprüfen. Danach ist schon die im Tenor aufgeführte "Dokumentation" für die Thermoreaktoren der betreffenden Projekte nicht hinreichend bestimmt, da sich weder dem Tenor noch den Urteilsgründen entnehmen lässt, was genau diese beinhalten soll. Gleiches gilt für die Bezeichnung "Software SPS-S7 (incl. CPU 416-2DP)", wobei hier zusätzlich unklar ist, inwieweit davon auch Hardware umfasst sein soll. Das Berufungsgericht hat ferner Packlisten in den Tenor einbezogen, aus denen sich die Zug um Zug herauszugebenden Anlagenteile ergeben. Auch diese Gegenstände sind in erheblichem Umfang nur unzureichend bezeichnet, weil konkrete Beschreibungen durch Typenbezeichnungen , Angaben von Größen, Mengen oder Material, die eine klare Identifikation ermöglichen würden, fehlen.
- 49
- Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen § 184 GVG vor, weil die in den Urteilstenor einbezogenen Packlisten Teile in russischer Sprache und kyrillischer Schrift ohne Übersetzung enthalten. Zwar verbietet § 184 GVG nicht jede Einbeziehung fremdsprachiger Worte in Urteilstenor und Urteilsgründen (vgl. z.B. OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 348 f. m.w.N.; BSG, MDR 1975, 697, jeweils zu medizinischen Fachausdrücken). Wenn jedoch - wie hier - aufgrund der umfänglichen fremdsprachigen Teile der in den Tenor einbezogenen Pack- listen Missverständnisse und Unklarheiten für die maßgeblichen Adressaten nicht ausgeschlossen werden und sich hieraus Probleme bei der Vollstreckbarkeit des Urteils ergeben können, ist die zwingende Regelung des § 184 GVG verletzt. Eick Halfmeier Kartzke Graßnack Sacher
LG Köln, Entscheidung vom 20.04.2011 - 87 O 169/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.04.2012 - 13 U 67/11 -
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.
Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.