Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Okt. 2015 - I-26 W 14/15 [AktE]
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 10. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der den Antragstellern und dem Vertreter der Minderheitsaktionäre in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.
1
A.
2Die Antragsteller waren Minderheitsaktionäre der T AG, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung vom 26.05.2003 gem. §§ 327a, 327b AktG auf die Antragsgegnerin zu 2) übertragen wurden. Zur Überprüfung der Angemessenheit der ihnen zu gewährenden Barabfindung haben die Antragsteller im Jahre 2003 ein Spruchverfahren eingeleitet.
3Mit Beschluss vom 23.03.2010 hat das Landgericht mit Blick auf die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen gegen die Angemessenheit der Barabfindung die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und dem zum Sachverständigen ernannten Wirtschaftsprüfer u.a. aufgegeben, der Bewertung den zum Bewertungsstichtag geltenden Standard IDW S 1 2000 zugrunde zu legen.
4Im Juni 2012 teilte der Sachverständige auf Anfragen zum Stand der Sache mit, dass er - um Doppelarbeiten zu vermeiden - zunächst mit der Bearbeitung des ihm ebenfalls erteilten Gutachtenauftrags in dem weiteren beim Landgericht Dortmund anhängigen Spruchverfahren 20 O 512/99 [AktE] begonnen habe. Dieses hat die Angemessenheit der Kompensationsleistungen in dem zwischen den Antragsgegnerinnen im Jahr 1999 geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum Gegenstand. In der Folgezeit erstellte der Sachverständige verschiedene umfassende Fragenkataloge zu Details der Unternehmensplanung, um von den Antragsgegnerinnen bzw. den Erstbewertern die erforderlichen Unterlagen und Auskünfte dazu zu erhalten.
5Die Anforderung eines weiteren Vorschusses für den Sachverständigen nahmen die Antragsgegnerinnen im März 2015 zum Anlass, „aus verfahrensökonomischen Gründen“ um das Ruhen des Verfahrens und der damit verbundenen Begutachtung zu bitten, „bis das ebenfalls bei der Kammer anhängige Verfahren C u.a. ./. T GmbH u.a. (Az. 20 O 512/99 [AktE] LG Dortmund) rechtskräftig entschieden worden ist und der Bundesgerichtshof über eine für das vorliegende Verfahren präjudizielle Rechtsfrage entschieden hat.“ Die dem Bundesgerichtshof vorliegende Rechtsfrage, ob die Barabfindung nach § 327b AktG bei einer fortbestehenden vertraglichen Pflicht zur Gewinnabführung zwingend allein anhand des Barwerts der im Unternehmensvertrag vorgesehenen Ausgleichszahlung zum Bewertungsstichtag zu bestimmen sei, stelle sich auch im vorliegenden Verfahren. Schließe sich der Bundesgerichtshof der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt an, würde eine weitere Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung und damit jede weitere Gutachtertätigkeit obsolet.
6Dem ist der Antragsteller zu 4) unter Hinweis auf die Verfahrensdauer von fast 12 Jahren entgegengetreten; zugleich hat er vorsorglich die Verfahrensrüge nach § 198 Abs. 3 GVG erhoben.
7Die Kammer teilte den Antragsgegnerinnen darauf mit Verfügung vom 30.03.2015 mit, es solle von einem Ruhen des Verfahrens abgesehen werden und forderte sie auf, den Vorschuss binnen drei Wochen einzuzahlen.
8Gegen diese Vorschussanforderung legten die Antragsgegnerinnen unter dem 22.04.2015 Kostenerinnerung ein und beantragten,
91. von der Erhebung des Honorarvorschusses jedenfalls bis zur abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Rechtssache II ZB 25/14 abzusehen,
102. das Verfahren bis zur abschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Rechtssache II ZB 25/14 auszusetzen.
11Die zulässige Kostenerinnerung sei begründet, weil die Voraussetzungen für eine Erhebung eines weiteren Honorarvorschusses (derzeit) nicht vorlägen. Die Erhebung eines Vorschusses auf Sachverständigenvergütung setze voraus, dass das Tätigwerden des Sachverständigen bzw. sein Gutachten für das weitere Verfahren erforderlich sei. Zumindest dürfe es keine konkreten Anhaltspunkte dafür geben, dass sich das Gutachten als irrelevant für den Verfahrensausgang erweisen könne. Mit Blick auf das beim Bundesgerichtshof anhängige Vorlageverfahren II ZB 25/14 lägen hier indessen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sich das Gutachten als irrelevant für den Verfahrensausgang darstellen könnte. Bis zum Abschluss dieser Rechtssache solle das Verfahren insgesamt in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass bei einer Fortsetzung des Verfahrens ungeachtet der anstehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs gravierende Kosten durch die Fortsetzung der Begutachtung anfallen würden, die sich nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Sinne der Vorlageentscheidung als überflüssig darstellen würden.
12Verschiedene Antragsteller und der Vertreter der Minderheitsaktionäre baten um Zurückweisung der Anträge der Antragsgegnerinnen; die Antragstellerin zu 7) erhob zugleich – ebenfalls - die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG.
13Durch den angegriffenen Beschluss vom 10.06.2015 hat die Kammer den Antrag der Antragsgegnerinnen auf Aussetzung des Verfahrens wie auch die Kostenerinnerung verbunden mit dem Antrag, von der Erhebung weiterer Honorarvorschüsse abzusehen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO sei unter Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht vertretbar. Dabei sei insbesondere die Dauer des bisherigen Verfahrens zu berücksichtigen. Derzeit sei nicht absehbar, wann mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Vorlageverfahren zu rechnen sei; hingegen sei das dem vorliegenden Rechtsstreit „vorgreifliche“ Verfahren 20 O 512/99 [AktE] im Sommer terminiert, so dass beide Spruchverfahren in absehbarer Zeit einer Beendigung zugeführt werden könnten, soweit die Begutachtung im vorliegenden Verfahren fortgesetzt werde. Dies stelle angesichts des Gutachtenfortschritts und in Relation zu den durch die Antragsgegnerinnen bereits geleisteten Vorschüssen auch keine unbillige Härte dar. Aus den gleichen Gründen sei auch die Kostenerinnerung zurückzuweisen.
14Mit ihrer unter dem 07.07.2015 eingelegten Beschwerde machen die Antragsgegnerinnen geltend, das Landgericht habe die begehrte Verfahrensaussetzung zu Unrecht abgelehnt. Die im Rahmen der Ermessensausübung erfolgte Abwägung beruhe auf unzureichenden und nicht sachgerechten Erwägungen. Es werde auch in dem angesprochenen Beschluss nicht angezweifelt, dass die anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Rechtssache II ZB 25/14 für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sei. Entgegen den Ausführungen der Kammer sei ein Ende des Spruchverfahrens jedenfalls nicht vor Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof absehbar, denn der Sachverständige habe unter dem 19.06.2015 erneut eine umfangreiche Fragenliste übersandt und um mehrere Arbeitssitzungen gebeten. Demgegenüber sei mit einem sehr zeitnahen Abschluss des vorgreiflichen Verfahrens bei dem Bundesgerichtshof zu rechnen, da eine telefonische Nachfrage ihrer Verfahrensbevollmächtigten bei der Geschäftsstelle des II. Zivilsenats ergeben habe, dass über die Sache Mitte September beraten werden solle. Die lange Verfahrensdauer könne nicht gegen eine Aussetzung angeführt werden, zumal mit ihr angesichts der mehr als üppigen Verzinsung für die Antragsteller keine erhebliche, materiell nachteilige Verfahrensverzögerung verbunden wäre. Dass die Begutachtung durch eine Aussetzung beeinträchtigt würde, sei nicht ersichtlich, da der zu begutachtende Sachverhalt seit vielen Jahren abgeschlossen sei. In der Abwägung müssten nach alledem die Gründe für eine Aussetzung die damit verbundenen Nachteile ganz offensichtlich deutlich überwiegen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass in Fällen bindender Entscheidung der Vorfrage in einem anderen Rechtsstreit - wie hier - eine Aussetzung grundsätzlich geboten sei.
15Sie beantragen,
161. den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 10.06.2015 (Az. 20 AktE 13/03 wohl 20 O 513/03 AktE) aufzuheben,
172. das Verfahren bis zur abschließenden Entscheidung des Bun- desgerichtshofs in der Sache II ZB 25/14 auszusetzen.
18Die Antragsteller zu 4), 7), 9) - 11), 13) - 15) und 28) und der Vertreter der Minderheitsaktionäre bitten um Zurückweisung der Beschwerde, indem sie den angegriffenen Beschluss verteidigen.
19Mit Beschluss vom 29.07.2015 hat die Kammer der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.
20B.
21Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat keinen Erfolg.
221. Soweit sich die Antragsgegnerinnen dagegen wenden, dass das Landgericht ihren Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen hat, ist ihre Beschwerde zulässig, aber unbegründet.
231.1. Gegen die ablehnende Entscheidung über den Aussetzungsantrag ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 19 FGG, § 252 ZPO zulässig.
24Da das Spruchverfahren vor dem 1. September 2003 eingeleitet worden ist, finden auf dieses weder das SpruchG noch das FamFG Anwendung. Das erstinstanzliche Verfahren richtet sich vielmehr gem. § 327 Abs. 2 Satz 3 AktG a.F. nach § 306 AktG a.F. und den Vorschriften des FGG. Letztere enthalten zwar – anders als nun das FamFG mit § 21 – eine ausdrückliche Regelung zur Aussetzung des Verfahrens nicht. Indessen ist anerkannt, dass eine solche auch in FGG-Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO in Betracht kommen kann, so dass gegen die ablehnende, aber auch die stattgebende Entscheidung die sofortige Beschwerde entsprechend § 19 FGG, § 252 ZPO stattfindet (vgl. nur: Puszkaljer in KK/AktG, SpruchG, 3. A., § 11 Rn. 58; Koch in Hüffer, AktG, 11. A., 2014, § 17 SpruchG Rn. 3; Wagner in MünchKomm/ZPO, 4. A., 2013, § 148 Rn. 21 ff.; jew. m.w.N.).
251.2. Zu Recht hat das Landgericht die Aussetzung des seit 2003 in erster Instanz anhängigen Spruchverfahrens abgelehnt.
261.2.1. Nach § 148 ZPO kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen Rechtsstreits bildet. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Verfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, die Entscheidung in dem einen Verfahren muss die Entscheidung des anderen im Sinne einer Vorfrage rechtlich beeinflussen können (BGH, Beschluss vom 30.03.2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 375). Dabei kann die Vorgreiflichkeit auf verschiedene Weise wirken. So kann das aussetzende Gericht durch die materielle Rechtskraft der Entscheidung in dem anderen Verfahren oder eine Gestaltungswirkung dieser Entscheidung gebunden werden (Wagner in MünchKomm/ZPO, § 148 Rn. 7 f.).
27Das Beschwerdegericht hat im Rahmen der Beschwerde zunächst zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist, wobei es nicht an die Rechtsauffassung des Erstgerichts gebunden ist. Erst danach, also wenn es das Vorliegen eines Aussetzungsgrunds bejaht, ist weiter zu prüfen, ob dem Ausgangsgericht Fehler bei der Ausübung des ihm obliegenden Ermessens unterlaufen sind. Dabei darf das Beschwerdegericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Erstgerichts setzen (vgl. nur: Wendtland in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 17. Edition, § 148 Rn. 14 m.w.N.).
28Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich bereits nicht feststellen, dass hier ein Fall der Vorgreiflichkeit im Sinne des § 148 ZPO vorliegt. Das beim Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG anhängige Vorlageverfahren entfaltet für das hiesige Spruchverfahren weder materielle Rechtskraft noch hat es Gestaltungs- oder Interventionswirkung. Ist – wie hier – in mehreren Verfahren lediglich dieselbe Rechtsfrage entscheidungserheblich, so fehlt es an einer Vorgreiflichkeit. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14.03.2007 (Az. 31 Wx 7/07, ZIP 2007, 699), den die Antragsgegnerinnen heranziehen. Dort hatte der Senat das Spruchverfahren ausgesetzt, weil der Unternehmenswert maßgeblich vom Ausgang eines Schadensersatzprozesses abhing, letzterer also vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO war.
291.2.2. Auch in entsprechender Anwendung kommt hier eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht. Der bloße Umstand, dass in dem Vorlageverfahren II ZB 25/14 durch den Bundesgerichtshof über eine Rechtsfrage entschieden wird, die auch im vorliegenden Spruchverfahren von Relevanz ist, kann es nicht rechtfertigen, das nach 12 Jahren noch in erster Instanz anhängige Verfahren auszusetzen.
30Allerdings ist § 148 ZPO nach seiner Funktion und in seinem prozessualen Mittel in rechtsähnlichen Fällen grundsätzlich analogiefähig. Dabei bedarf jedoch die Abhängigkeit des auszusetzenden Verfahrens von der Entscheidung in dem anderen Verfahren einer sorgfältigen Prüfung, denn die - vom Gesetzgeber als abschließende Regelung gedachte - Aussetzung des Verfahrens bedeutet einen Stillstand des betreffenden Prozesses kraft richterlicher Anordnung. Von daher können die vielfach - und auch hier von den Antragsgegnerinnen - herangezogenen Gründe der Billigkeit oder Zweckmäßigkeit einer Aussetzung für eine Rechtsfortbildung nicht ausreichen (OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2004, 254). Mit Blick darauf, dass eine Partei einen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens innerhalb eines angemessenen, nicht übermäßig langen Zeitraums hat, sind an eine analoge Anwendung oder Rechtsfortbildung vielmehr hohe Anforderungen zu stellen (vgl. nur: Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. A., § 148 Rn. 14 ff.). Eine Aussetzung kommt daher nicht schon in Betracht, um eine bevorstehende, nicht rückwirkende Gesetzesänderung abzuwarten (OLG München NJW 1976, 1850; OLG Hamm NJW 1976, 2352). Nichts anderes gilt für eine Aussetzung, um auf einer bevorstehenden höchstrichterlichen Grundsatzentscheidung aufbauen zu können (BGH, Beschluss vom 30.03.2005 - X ZB 26/04, a.a.O.). Allein die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch keine Aussetzung analog § 148 ZPO (BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 7 mwN). Denn die Vorschrift stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Die bloß tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht, so dass die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Aussetzung noch nicht erlaubt (BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - VIII ZB 54/11, a.a.O.).
31Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn ein Gericht die vorzulegende Rechtsfrage ebenso beurteilt wie das vorlegende Gericht, es aber aus rein prozessökonomischen Gründen von einer (weiteren) Vorlage absieht und stattdessen das bei ihm anhängige Verfahren aussetzt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. In einem solchen Fall spricht allerdings einiges für eine entsprechende Anwendung des § 148 ZPO (so für den Fall einer konkreten Normenkontrolle: BGH, Beschluss vom 17.07.2013 – IV ZR 150/12, FamRZ 2013, 1888; BVerfG NJW 2004, 501, 502; für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH: BGH, Beschluss vom 24.01.2012 – VIII ZR 236/10, RIW 2012, 405; OLG Düsseldorf NJW 1993, 1661; OLG München BB 2000, 1061; zu § 94 VwGO analog: BVerwG NVwZ 2001, 319, 320). Ein vergleichbarer Fall liegt hier indessen schon nicht vor. Die Möglichkeit einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG besteht nur für das Oberlandesgericht. Nur dieses kann dem Bundesgerichtshof zur Wahrung der Rechtseinheit eine Sache vorlegen, wenn es bei der Auslegung einer Norm von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen würde, indem es dieselbe Rechtsfrage, die sowohl für die eigene als auch für die Entscheidung des anderen Gerichts entscheidungserheblich geworden ist, anders beurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10.12.2007 - II ZB 13/07 -, WM 2008, 514, 515 Rn. 7). Das Spruchverfahren ist indessen noch in erster Instanz anhängig, so dass eine Vorlage und damit seine Aussetzung weder mit Blick auf das von den Antragsgegnerinnen angeführte Vorlageverfahren II ZB 25/14 noch auf das weitere, ebenfalls beim II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anhängige Vorlageverfahren II ZB 23/14 in Betracht kommt. Letzteres hat die Vorlage der auch hier relevanten Frage der rückwirkenden Anwendung eines neueren Bewertungsstandards zum Gegenstand (AG 2014, 817 ff.).
32Fehlt es somit an den Voraussetzungen für eine Aussetzung auch in entsprechender Anwendung der Norm, könnte der von den Antragsgegnerinnen gewünschte Stillstand des Verfahrens nur erreicht werden, wenn die Verfahrensbeteiligten entsprechend § 251 ZPOeinvernehmlich das Ruhen des Verfahrens beantragen. Dies kommt indessen ersichtlich nicht in Betracht.
332. Unzulässig ist die Beschwerde dagegen schon, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht die Kostenerinnerung verbunden mit dem Antrag, von der Erhebung weiterer Honorarvorschüsse abzusehen, zurückgewiesen hat.
34Nach ganz h.M. unterliegen Zwischenentscheidungen im Spruchverfahren grundsätzlich nicht dem Rechtsmittel der Beschwerde (Senat, Beschlüsse vom 22.09.2014 – I-26 W 20/12 [AktE], ZIP 2015, 123 Rn. 16 ff.; vom 12.12.2012 – I-26 W 19/12[AktE], AG 2013, 226 Rn. 32 ff.; jew. m.w.N.). Anderes soll nur dann in Betracht kommen, wenn unmittelbar und „in einschneidender Weise“ in Rechte eines Verfahrensbeteiligten eingegriffen wird (Senat, a.a.O., m.w.N.). Dies ist nach ganz h.M. bei verfahrensleitenden und vorbereitenden Entscheidungen nicht der Fall. Dazu gehören auch die Anordnung der Vorschussleistung und die Beweisanordnung; sie stellen lediglich Zwischenentscheidungen dar, die nicht selbständig anfechtbar sind (vgl. nur: Wilske in KK/AktG, SpruchG, 3. A., § 12 Rn. 11; Senat, a.a.O.).
35C.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 FGG. Da das Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen unbegründet ist, entspricht es der Billigkeit, dass sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und daher den übrigen Verfahrensbeteiligten auch die Kosten zu erstatten haben, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren.
37Der Senat hält es für angemessen, im hier vorliegenden Fall der Entscheidung über die Zulässigkeit der Aussetzung eines Spruchverfahrens den Geschäftswert entsprechend der Senatspraxis in vergleichbaren Fällen auf 20.000 € festzusetzen (Senat, Beschluss vom 22.09.2014 – I-26 W 20/12 [AktE], ZIP 2015, 123 Rn. 26).
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Okt. 2015 - I-26 W 14/15 [AktE]
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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Okt. 2015 - I-26 W 14/15 [AktE] zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien kann auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. § 285 Abs. 2 Satz 1 findet keine Anwendung.
(2) Für die Feststellung, ob dem Hauptaktionär 95 vom Hundert der Aktien gehören, gilt § 16 Abs. 2 und 4.
(1) Der Hauptaktionär legt die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Der Vorstand hat dem Hauptaktionär alle dafür notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen.
(2) Die Barabfindung ist von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister an mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen; die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(3) Vor Einberufung der Hauptversammlung hat der Hauptaktionär dem Vorstand die Erklärung eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu übermitteln, durch die das Kreditinstitut die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt, den Minderheitsaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übergegangenen Aktien zu zahlen.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
BUNDESGERICHTSHOF
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Born
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin war Aktionärin der inzwischen aus dem Spruchverfahren ausgeschiedenen Antragsgegnerin zu 1, deren Mehrheitsgesellschafterin mit einem Anteil von 98,8 % der Aktien die Antragsgegnerin zu 2 war. Die Antragsgegnerinnen schlossen am 30. Mai 2001 einen Gewinnabführungsvertrag, in dem eine Ausgleichszahlung in Höhe von 15,34 € und eine Barabfindung für außenstehende Aktionäre in Höhe von 285,64 € festgesetzt waren. Die Haupt- versammlung der Antragsgegnerin zu 1 stimmte dem Unternehmensvertrag am 6. Juli 2001 zu. Die Eintragung des Beschlusses im Handelsregister erfolgte am 11. September 2001, die Veröffentlichung der Eintragung am 9. Oktober 2001. Im Rahmen eines weiteren Spruchverfahrens wurden mit Beschluss vom 4. September 2013 die Barabfindung auf 316 € und die Ausgleichszahlung vor Steuern auf 24,60 € erhöht.
- 2
- Mit Einladung zur Hauptversammlung am 29. Mai 2002 wurde bekannt, dass die Antragsgegnerin zu 2 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin zu 1 beabsichtigte. Der gewichtete durchschnittliche Börsen- kurs zu diesem Zeitpunkt belief sich auf 296,25 €. Die von der Antragsgegnerin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen Unternehmenswert von 2.335.727.000 € und einen anteiligen Wert pro Aktie von 281,07 €. Da man den Börsenkurs für nicht aussagekräftig hielt, wurde die Abfindung unter Berücksichtigung des geringeren anteiligen Unternehmenswertes auf der Grundlage einer Fortschreibung der im Gewinnabführungsvertrag festgesetzten Barabfindung auf 281,98 € festgesetzt. Die gerichtlich bestellte Übertragungs- prüferin bestätigte die vorgesehene Abfindung als angemessen. Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1 beschloss am 5. Juli 2002 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von 281,98 €. Der umsatzgewichtete durchschnittliche Börsenkurs drei Monate vor diesem Tag belief sich auf 290,96 €. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses erfolgte am 17. September 2002. Bestrebungen, den zwischen den beiden Antragsgegnerinnen bestehenden Unternehmensvertrag zu beenden, gab es während dieser Zeit nicht.
- 3
- Daraufhin haben mehrere Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Angemessenheit der gewährten Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Nach Eingang des gerichtlich beauftragten Sachverstän- digengutachtens haben sich die ursprünglich als weitere Antragsteller am Spruchverfahren beteiligten Minderheitsaktionäre und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre mit den Antragsgegnerinnen in einem Teilverfahrensver- gleich auf eine Erhöhung der Barabfindung auf 316 € geeinigt. Das Landgericht hat hinsichtlich der auf der Antragstellerseite verbleibenden Antragstellerin die Abfindung auf 316 € festgesetzt. Der vom gerichtlichbestellten Sachverständi- gen ermittelte anteilige Unternehmenswert von 323,65 € sei nicht maßgeblich, weil die Abfindung bei bestehendem Unternehmensvertrag durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2 eingelegt.
- 4
- Das Oberlandesgericht (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2014, 2439) hält die sofortige Beschwerde für zulässig und möchte die Barabfindung auf 317,24 € festsetzen. Dabei geht es wie das Landgericht davon aus, dass die angemessene Abfindung durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde, und legt hierbei die in dem weiteren Spruchverfahren festgesetzte Ausgleichszahlung von 24,60 € zugrunde. Wegen einer abweichenden Beurteilung des Kapitalisierungszinssatzes kommt das Oberlandesgericht sodann aber zu einem etwas höheren Barwert als das Landgericht.
- 5
- Das Oberlandesgericht hat die Sache nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F., § 28 Abs. 2 und 3 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt , weil entscheidungserheblich sei, ob zur Bestimmung der angemessenen Abfindung bei Vorliegen eines Unternehmensvertrags auf den Barwert der Ausgleichszahlungen oder den anteiligen Ertragswert der Gesellschaft abzustellen sei. Die Problematik sei umstritten und das vorlegende Oberlandesgericht beabsichtige , bei seiner Entscheidung von der Auslegung und dem Verständnis in dieser Frage von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte abzuweichen.
II.
- 6
- Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Landgerichts und zur Festset- zung der Abfindung auf 323,65 € je Aktie.
- 7
- 1. Die Vorlage ist zulässig.
- 8
- a) Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beur- teilen, dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i. d. F. des Gesetzes vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838) angeordnet war. Das vorliegende Spruchverfahren wurde zwar noch vor dem Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes am 1. September 2003 eingeleitet. Da die Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts aber erst am 25. September 2013 nach Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes eingelegt worden ist, sind nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes anwendbar.
- 9
- Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. galten im Beschwerdeverfahren § 28 Abs. 2 und 3 FGG entsprechend. Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz - FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eingeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 8; Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 5 - Stollwerck; Beschluss vom 28. Juni 2011 - II ZB 10/10, AG 2011, 590 Rn. 5; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 12/11, ZIP 2012, 266 Rn. 3).
- 10
- b) Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zulässig. Sie setzt voraus , dass das vorlegende Oberlandesgericht bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser abweichen will.
- 11
- aa) Die Vorlage betrifft eine Rechtsfrage. Eine Vorlage ist nur im Falle einer Abweichung bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, also bei einer Rechtsfrage, zulässig. Zu den Rechtsfragen zählt neben der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm auch die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz. Erforderlich ist aber eine Abweichung in einem Rechtssatz. Eine Divergenz bei der abweichenden tatsächlichen Würdigung eines Sachverhalts rechtfertigt die Vorlage dagegen nicht (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 9 mwN).
- 12
- Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt, weil es der Ansicht ist, die Höhe der Abfindung bemesse sich nach dem Barwert der festen Ausgleichszahlungen und diese Vorgehensweise weiche von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte ab, welche den anteiligen Ertragswert der Gesellschaft für allein maßgeblich hielten.
- 13
- Nach § 327f Satz 2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Zur Auslegung dieser Vorschrift gehört die rechtliche Bestimmung der Angemessenheit. Ziel dieser Bewertung ist es, den "vollen, wirklichen" Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306).
- 14
- Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode ist keine Rechtsfrage , sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteilt sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis. Dagegen ist es eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 12).
- 15
- Die Entscheidung, ob bei beherrschten Unternehmen für die Barabfindung ausgeschlossener Minderheitsaktionäre allein auf den Barwert der Ausgleichszahlungen abzustellen oder (zumindest auch) der anteilige Unternehmenswert heranzuziehen ist, hängt von der Rechtsfrage ab, ob der Wert der Minderheitsanteile sich auf die mit ihr verbundenen Erträge in Form der Ausgleichszahlungen beschränkt und diese damit den als Bewertungsziel anzusehenden "vollen, wirklichen" Wert zutreffend wiedergeben oder ob die Minderheitsanteile darüber hinaus einen Wert haben (können), der nur im anteiligen Unternehmenswert zutreffend abgebildet werden kann. Diese Rechtsfrage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - II ZR 10/10, AG 2011, 590 Rn. 8).
- 16
- bb) Ein Abweichungsfall liegt vor. Der Bundesgerichtshof hat zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt. Die Abweichung muss zum einen dieselbe Rechtsfrage betreffen, zum anderen muss die Beantwortung der Rechtsfrage für die vom vorlegenden Gericht zu treffende Ent- scheidung des Falles und für die vorausgegangene Entscheidung, von der das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, erheblich sein. Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen. Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Hierfür genügt es, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 15 mwN).
- 17
- Das vorlegende Oberlandesgericht beurteilt die streitige Rechtsfrage anders als die Oberlandesgerichte München (OLG München, ZIP 2007, 376) und Düsseldorf (Beschluss vom 29. Juli 2009 - I-26 W 1/08, juris Rn. 52 und AG 2012, 716) und weicht in diesem Sinn von deren Entscheidungen ab. Die Oberlandesgerichte München und Düsseldorf sehen nämlich abweichend vom vorlegenden Oberlandesgericht den Wert der Minderheitsanteile durch die Ausgleichszahlungen nicht zutreffend abgebildet und weichen damit auch im Ergebnis von der Entscheidung des vorlegenden Oberlandesgerichts ab.
- 18
- 2. Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Landgerichts und zur Festsetzung der Abfindung auf den Wert von 323,65 € je Aktie.
- 19
- a) Für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a, b AktG ist bei Vorliegen eines (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrags der auf den Anteil des Minder- heitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts jedenfalls dann maßgeblich , wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen.
- 20
- aa) Dass nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen sind, schließt wegen des damit festgelegten Stichtags allerdings nicht schon dem Wortlaut nach aus, die Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen zu berechnen (so aber OLG München, ZIP 2007, 375, 376; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 2009 - I-26 W 1/08, juris Rn. 51 ff.; AG 2012, 716, 718; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 6; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 4; Popp, AG 2010, 1, 13). Obwohl der Unternehmensvertrag , auf dem die Ausgleichszahlungen beruhen, zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, gehört er gleichwohl zu den Verhältnissen der Gesellschaft im nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre , wenn er zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hat und von seinem Fortbestand auszugehen ist (Leyendecker, NZG 2010, 927, 929; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 201 f.). Denn der zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bestehende (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag bestimmt bei anzunehmendem Fortbestand des Vertrags auch darüber hinaus die Erträge des Aktionärs und kann deshalb zu den zum nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 maßgeblichen Bewertungsstichtag zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehören. Im Übrigen ist als Ausgleichszahlung gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG mindestens der Betrag zuzusichern, der nach der bisheri- gen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil an die Aktionäre verteilt werden könnte, so dass die Bemessung der Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG gleichfalls am Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Entwicklung orientiert ist (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2003 - II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, 63).
- 21
- bb) Verliert der Minderheitsaktionär seine mitgliedschaftliche Stellung, muss er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden (vgl. BVerfGE 100, 289, 304 f.). Dabei hat die Entschädigung den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306). Hierfür ist, wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert bestimmt wird, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert zugrunde zu legen, der im Wege einer Schätzung zu ermitteln ist (vgl. § 738 Abs. 2 BGB; BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 33; Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Zu dieser Schätzung ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode. Das schließt es aber nicht aus, nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles eine andere Methode zur Schätzung des Unternehmenswertes anzuwenden. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 33 mwN).
- 22
- (1) Bei der Ermittlung des "wahren" Werts des Anteilseigentums handelt es sich in erster Linie um eine Frage des einfachen Rechts, bei der aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings eine im gegebenen Fall geeignete und aussagekräftige Methode gewählt werden muss, die den vollen Ausgleich für den von den Minderheitsaktionären hinzunehmenden Verlust sicherstellt, der jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 18). Ferner muss ein existierender Börsenkurs bei der Abfindung berücksichtigt werden, weil bei der Bestimmung der angemessenen Barabfindung der ausgeschiedenen Aktionäre nach §§ 327a, b AktG auch darauf abzustellen ist, was sie im Falle einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten (vgl. BVerfGE 100, 289, 306; BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115 f.). Der Börsenwert bildet dabei regelmäßig die Untergrenze einer zu gewährenden Abfindung (BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 24; BVerfGE 100, 289, 305 ff.).
- 23
- (2) Bei der Bestimmung der Abfindung durch Ermittlung des Unternehmenswerts oder durch Berücksichtigung des Börsenwerts der Aktien handelt es sich nicht um die Wahl zwischen verschiedenen Bewertungsobjekten. Maßgeblich ist immer der "wahre" Wert der Beteiligung des Minderheitsaktionärs, den die Entschädigung für den Verlust des Aktieneigentums aus verfassungsrechtlichen Gründen widerspiegeln muss. Wie dieser Wert ermittelt wird, ist dagegen verfassungsrechtlich nicht festgelegt. Er kann folglich grundsätzlich als quotaler Anteil an dem durch eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung ermittelten Wert des Unternehmens (mittelbar) berechnet oder auf andere Weise (unmittelbar) festgestellt werden, insbesondere unter Rückgriff auf den Börsenwert der Anteile. Die eine oder andere Methode scheidet nur dann aus, wenn sie aufgrund der Umstände des konkreten Falles den "wahren" Wert nicht zu- treffend abbildet (BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 12 ff.; ZIP 2011, 1051 Rn. 23 ff.; ZIP 2012, 1408 Rn. 20). Auch bei der zum Schutz der Minderheitsaktionäre gebotenen Berücksichtigung des Börsenwerts wird der Wert eines Anteils aber nicht unabhängig vom Wert des Unternehmens ermittelt. Denn die Berücksichtigung des Börsenwerts beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Kann im konkreten Fall von der Möglichkeit einer solchen effektiven Informationsbewertung nicht ausgegangen werden, so dass der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den (mindestens zu gewährenden) Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt, ist der Anteilswert aufgrund einer Unternehmensbewertung zu ermitteln (vgl. BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 13 f.; ZIP 2011, 1051 Rn. 25; ZIP 2012, 1408 Rn. 20).
- 24
- (3) Dieser Gleichlauf zwischen dem Wert des (einzelnen) Anteils und dem anteiligen Unternehmenswert ist auch dann gegeben, wenn ein (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrag geschlossen wurde. Der Wert des Anteils des (außenstehenden) Minderheitsaktionärs hat sich durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt (OLG Düsseldorf, AG 2012, 716, 718, OLG München, ZIP 2007, 375, 376; Hüffer/ Koch, AktG, 11. Aufl., § 327b Rn. 5; Popp, AG 2010, 1, 13 f.; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, NZG 2003, 644, 645; OLG Frankfurt, NZG 2010, 664, 665; ZIP 2014, 2439, 2440; Leyendecker, NZG 2010, 927, 928; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
- 25
- Das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) vermittelt sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft als auch vermögensrechtliche Ansprüche (BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 8 mwN). In vermögensrechtlicher Hinsicht umfasst die Beteiligung an einem Unternehmen nicht nur die Aussicht auf eine Dividende, die vorliegend vorübergehend durch den festen Ausgleichsanspruch ersetzt wird, sondern darüber hinaus den Anteil an der Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch besteht (BVerfGE 14, 263, 285). Eine mittels der Ausgleichszahlungen berechnete Abfindung deckt deshalb unter Umständen nicht den vollständigen, "wahren" Wert der Beteiligung ab.
- 26
- (4) Der Wert des Anteils wird jedenfalls dann nicht zutreffend abgebildet, wenn sich der Unternehmenswert, wie hier, seit dem Stichtag, auf den die angemessenen Ausgleichszahlungen i.S.d. § 304 AktG ermittelt wurden, erhöht hat. Der Gesellschaftsanteil hat sich nämlich durch die Entscheidung des Aktionärs , die Aktien trotz Abschlusses des (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags zu behalten und nicht gegen die nach § 305 AktG zu gewährende Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, nicht dahingehend gewandelt, dass sich sein Wert allein noch über die Ausgleichszahlungen bestimmt und der Aktionär am Unternehmenswert im Übrigen nicht mehr teilnimmt (OLG Düsseldorf , AG 2012, 716, 718; OLG München, ZIP 2007, 375, 376; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 327b AktG Rn. 9; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 2. Aufl., § 327b Rn. 7; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 327b Rn. 5; Schnorbus in Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 6; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, NZG 2003, 644, 645; OLG Frankfurt, NZG 2010, 664, 665; ZIP 2014, 2439, 2441; Wilsing in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 327b AktG Rn. 4; Leyendecker, NZG 2010, 927, 928; W. Müller, Festschrift Roth, 2011, S. 517, 524 f., 531; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
- 27
- Beim Unternehmensvertrag tritt die gewinnunabhängige, in der Regel festbemessene Ausgleichzahlung nach § 304 AktG an die Stelle der sonst aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende und stellt wirtschaftlich nichts anderes dar als die Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage; die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ist Fruchtziehung, während die Barabfindung gemäß § 305 AktG den Stamm des Vermögens repräsentiert, der durch die Ausgleichzahlung nicht angerührt wird (BGH, Urteil vom 16. September 2002 - II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 35). Die Ausgleichszahlungen stellen dabei nur einen vorübergehenden pauschalierten Ersatz für die Dividende dar, auf die andernfalls Aussicht bestünde. Auch wenn ein (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird und es keine konkreten Anhaltspunkte für seine baldige Beendigung gibt, ist es nicht auszuschließen , dass sich die Verhältnisse in der Zukunft wieder ändern und der Aktionär aufgrund einer Beendigung des Vertrags wieder an den tatsächlichen Erträgen der Gesellschaft beteiligt wird. Die Möglichkeit, dass diese Erträge dann aufgrund der vorangegangenen Beherrschungssituation und dem damit verbundenen Risiko einer Auszehrung des Unternehmens geringer als der vorher gewährte Ausgleich ausfallen können, nimmt der Aktionär hin, wenn er zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags den Ausgleich wählt und nicht gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausscheidet (vgl. Popp, AG 2010, 1, 13; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 676). Andererseits kann der (außenstehende) Minderheitsaktionär aber aus der Entscheidung, in der Gesellschaft zu bleiben, auch einen über die Ausgleichszahlung hinausgehenden Nutzen ziehen, wenn sich die abhängige Gesellschaft nach Abschluss des Unternehmensvertrags positiv entwickelt und die Dividende nach einer Beendigung des Unterneh- mensvertrags deshalb höher als der Ausgleich ausfällt. Diese Chance wird ihm genommen, wenn er während des Bestehens des Unternehmensvertrags nach § 327a, § 327e Abs. 3 AktG aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Sie kann deshalb bei der Bewertung der Barabfindung i.S.d. § 327b AktG nicht außer Betracht bleiben.
- 28
- Dasselbe gilt für die Beteiligungsrechte des Minderheitsaktionärs, die zwar während des (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags stark eingeschränkt sein können und im Übrigen schon aufgrund seiner Stellung als Minderheitsaktionär nicht sehr weit gehen. Selbst wenn die Beteiligung des Minderheitsaktionärs mehr Kapitalanlage als gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft ist und er regelmäßig keinen relevanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen kann, geht seine Beteiligung aber über den rein schuldrechtlichen Anspruch auf Ausgleichszahlungen hinaus. Auch dem Kleinaktionär stehen Rechte zu, deren Wahrnehmung im Einzelfall in einer Art und Weise möglich ist, die den gesellschaftsbezogenen Belangen der übrigen Aktionären nachteilig sein kann, und die er deshalb unter Rücksichtnahme gegenüber den gesellschaftsbezogenen Belangen der Mitgesellschafter auszuüben hat. Zu nennen sind hier u.a. die Wahrnehmung des Rechts auf Teilnahme an der Hauptversammlung , das Auskunftsrecht nach § 131 AktG und das Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 243 AktG (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 144). Diese Rechte werden durch einen (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag nicht eingeschränkt. Sie sind nicht ohne Gewicht, was sich schon daran zeigt, dass der Gesetzgeber gerade wegen der Ausübung dieser Rechte durch Minderheitsaktionäre die Einführung der Squeeze-out-Regelung der §§ 327a ff. AktG wegen eines beachtenswerten unternehmerischen Interesses an Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen für geboten erachtet hat (vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 32 f.). Der Verlust dieser Rechte ist daher bei der Bestimmung des „wahren“ Werts der Beteiligung ebenfalls zu berücksichtigen.
- 29
- cc) In einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem eine Berechnung der Abfindung über die Ausgleichszahlungen zu einem geringeren Wert führt als die Bewertung über die quotale Beteiligung am Unternehmenswert, würde der bei einer Berechnung der Abfindung über den Barwert der Ausgleichszahlungen nicht ausgeglichene Anteil der Beteiligung zudem dem Hauptaktionär anwachsen. Der Hauptaktionär verfügt nach deren Ausschluss über die Anteile der Minderheitsaktionäre und damit über deren Stamm- und Fruchtziehungsrecht. Es entstünde somit in der Person, die den zur Abfindung führenden Sachverhalt im eigenen Interesse herbeigeführt hat, eine Bereicherung, für die es keinen sachlichen Grund gibt. Der Umstand, dass der Ausschluss der Minderheitsaktionäre den (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag nicht beendet (BGH, Urteil vom 19. April 2011 - II ZR 237/09, BGHZ 189, 261 Rn. 18), ist hierbei unerheblich, da jedenfalls die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Ausgleichszahlung entfällt.
- 30
- dd) Der Senat hat vorliegend dagegen keinen Anlass zu entscheiden, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen ähnlich dem Börsenwert als Mindestwert der angemessenen Abfindung zugrunde zu legen ist, wenn dieser den anteiligen Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre übersteigt (für den Ausgleich als Untergrenze: Tebben, AG 2003, 600, 606; dagegen: OLG München, ZIP 2007, 375, 277; Singhof in Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 3. Aufl., § 327b Rn. 4; Popp, AG 2010, 1, 9; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn.103; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 672). Davon wäre allerdings zumindest für den Fall auszugehen, dass der Barwert der Ausgleichszahlungen dem Verkehrswert der Unternehmensbeteili- gung entspräche, weil die Abfindung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 18).
- 31
- b) Der Unternehmenswert beläuft sich zum Bewertungsstichtag am 5. Juli 2002 auf 2.712.457.000 €. Daraus errechnet sich eine Barabfindung von 323,65 € je Aktie. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts im Vorlagebeschluss Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt und gegen die die Antragstellerin im weiteren Verfahren nichts vorgebracht hat. Die Anwendung der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aus dem Jahr 2005 (IDW S1 2005) begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 30 ff.).
- 32
- 3. Die Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren beruht auf § 15 Abs. 4 SpruchG a.F.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.09.2013 - 3-8 O 170/02 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.10.2014 - 21 W 64/13 -
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; - 2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Die Eingliederung endet
- 1.
durch Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft, - 2.
wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist, - 3.
wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, - 4.
durch Auflösung der Hauptgesellschaft.
(2) Befinden sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft, so hat die Hauptgesellschaft dies der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
(3) Der Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft hat das Ende der Eingliederung, seinen Grund und seinen Zeitpunkt unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft anzumelden.
(4) Endet die Eingliederung, so haftet die frühere Hauptgesellschaft für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten der bisher eingegliederten Gesellschaft, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ende der Eingliederung fällig und daraus Ansprüche gegen die frühere Hauptgesellschaft in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt der Erlass eines Verwaltungsakts. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist. Die für die Verjährung geltenden §§ 204, 206, 210, 211 und 212 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Einer Feststellung in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art bedarf es nicht, soweit die frühere Hauptgesellschaft den Anspruch schriftlich anerkannt hat.
(weggefallen)
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
(1) Sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, finden auf das Verfahren die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung.
(2) Für Verfahren, in denen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem 1. September 2003 gestellt worden ist, sind weiter die entsprechenden bis zu diesem Tag geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes und des Umwandlungsgesetzes anzuwenden. Auf Beschwerdeverfahren, in denen die Beschwerde nach dem 1. September 2003 eingelegt wird, sind die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.
(3) Die Änderungen der §§ 1 bis 6c, 10a bis 13, 16 und 17 durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22. Februar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 51) sind erstmals auf Spruchverfahren anzuwenden, in denen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung ab dem 31. Januar 2023 gestellt wurde.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Die Klägerin nimmt die beklagten Landwirte auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Nachbau teils nach Gemeinschaftsrecht , teils nach dem Sortenschutzgesetz geschützter Getreidesorten in den Wirtschaftsjahren 1997/98 bis 1999/2000 in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren vor dem Bundesgerichtshof mit den Aktenzeichen X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 ausgesetzt.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Das Berufungsgericht hat die Aussetzung der Verhandlung, der die Beklagten, nicht aber die Klägerin zugestimmt haben, damit begründet, daß der Bundesgerichtshof, bei dem drei Parallelverfahren mit einem vergleichbaren Streitgegenstand anhängig seien, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um eine Vorabentscheidung ersucht habe. Bei dieser Sachlage erachte es der Senat gerade auch im Interesse der Parteien (u.a. im Kosteninteresse ) für angemessen, die Verhandlung entsprechend § 148 ZPO auszusetzen , da in den beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren abschließend über den geltendgemachten Entschädigungsanspruch der Klägerin in gleichgelagerten Fällen entschieden werde.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen , daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aus-
setzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (Baumbach /Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 148 Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 148 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rdn. 5; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da den beim Senat anhängigen anderen Verfahren, an denen die Beklagten nicht beteiligt sind, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommt.
Soweit in der Literatur eine Aussetzung bereits dann für möglich gehalten wird, wenn ein rein tatsächlicher Einfluß in Betracht kommt, den Vorgänge in einem anderen Prozeß, wie etwa eine Beweisaufnahme, oder die Entscheidung des anderen Verfahrens auf die Entscheidung in dem zweiten Verfahren ausüben könnten (in diesem Sinne etwa Peters in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 148 Rdn. 10), kann dem nicht gefolgt werden. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren , sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozeßparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde.
b) Die Aussetzung der Verhandlung wird aber auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO, wie sie das Berufungsgericht für möglich gehalten hat, gerechtfertigt.
aa) Daß in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift dient zwar auch der Prozeßökonomie , indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahrt (Sen.Beschl. v. 6.4.2004 - X ZR 272/02, GRUR 2004, 710 - Druckmaschinen-Temperierungssystem, für BGHZ 158, 372 vorgesehen; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957; Beschl. v. 17.12.1997 - XII ARZ 32/97, FamRZ 1998, 1023). Darin erschöpft sich der Zweck der Norm jedoch nicht; § 148 ZPO enthält keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr ist die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann.
bb) Ist die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage , ist es hiernach zulässig, die Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, solange sich das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes überzeugt hat (BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20; Beschl. v. 25.3.1998 aaO; s. auch BVerfG, NJW 2000, 1484). Denn wird das entscheidungserhebliche Gesetz für nichtig erklärt, wirkt dies erga omnes und beeinflußt damit notwendigerweise das ausgesetzte Verfahren rechtlich.
cc) Ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluß des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozeßwirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann, muß im Streitfall nicht abschlie-
ßend entschieden werden. Es kann auch dahinstehen, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, daß hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozeßökonomie hervortritt (s. dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501; Musielak/Stadler aaO, § 148 Rdn. 5; Peters aaO, § 148 Rdn. 9; LG Freiburg, NJW 2003, 3424; ablehnend Kähler, NJW 2004, 1132, 1136; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 148 Rdn. 16). Denn die angefochtene Entscheidung läßt keinen Wertungsgesichtspunkt erkennen , der die Aussetzung der Verhandlung tragen könnte.
Die beim Senat anhängigen Verfahren X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 rechtfertigen die Aussetzung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht. Sie betreffen zwar wie der Streitfall die Höhe der angemessenen Entschädigung für den Nachbau. Die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage erlaubt jedoch die Aussetzung jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht mit Zustimmung beider Parteien erfolgt. Zwar spricht das Berufungsgericht abschließend bei der Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde (in Anführungszeichen) auch von Massenverfahren. Daß das Berufungsgericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Berufungsverfahren befaßt wäre, läßt seine Entscheidung jedoch nicht erkennen; andere gegebenenfalls relevante Gründe für eine Aussetzung führt es nicht an.
3. Es rechtfertigt die angefochtene Entscheidung auch nicht, daß der Senat in den vom Berufungsgericht genannten Verfahren zwischenzeitlich dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 24. Juli 1995 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 nach Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (jeweils Sen.Beschl. v. 11.10.2004; der Beschluß in der Sache X ZR 156/03 - Nachbauentschädigung - ist in GRUR 2005, 240 veröffentlicht). Denn eine Ermessensentscheidung des Inhalts, die Verhandlung auszusetzen, bis über diese Vorlagen entschieden ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen . Sie kann von dem zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts (im derzeitigen Verfahrensstadium) nicht befugten beschließenden Senat nicht nachgeholt werden. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht berechtigt gewesen wäre, eine solche Aussetzungsentscheidung zu treffen (s. dazu BAG, Beschl. v. 6.11.2002 - 5 AZR 279/01 (A), bei juris ; BPatGE 45, 89 = GRUR 2002, 734), wofür immerhin sprechen könnte, daß die Gemeinschaftsgerichte und die nationalen Gerichte zu loyaler Zusammenarbeit verpflichtet sind (EuGH, GRUR Int. 2001, 333 Rdn. 58 - Masterfoods/HB Ice Cream) und die Erfüllung der Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, nicht als Rechtsmittelgericht in mitgliedstaatlichen Verfahren tätig zu werden, sondern verbindlich über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden, durch eine Vielzahl von gleichgelagerten, nichts zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen beitragenden Vorabentscheidungsersuchen eher beeinträchtigt denn gefördert werden könnte.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
BUNDESGERICHTSHOF
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Born
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin war Aktionärin der inzwischen aus dem Spruchverfahren ausgeschiedenen Antragsgegnerin zu 1, deren Mehrheitsgesellschafterin mit einem Anteil von 98,8 % der Aktien die Antragsgegnerin zu 2 war. Die Antragsgegnerinnen schlossen am 30. Mai 2001 einen Gewinnabführungsvertrag, in dem eine Ausgleichszahlung in Höhe von 15,34 € und eine Barabfindung für außenstehende Aktionäre in Höhe von 285,64 € festgesetzt waren. Die Haupt- versammlung der Antragsgegnerin zu 1 stimmte dem Unternehmensvertrag am 6. Juli 2001 zu. Die Eintragung des Beschlusses im Handelsregister erfolgte am 11. September 2001, die Veröffentlichung der Eintragung am 9. Oktober 2001. Im Rahmen eines weiteren Spruchverfahrens wurden mit Beschluss vom 4. September 2013 die Barabfindung auf 316 € und die Ausgleichszahlung vor Steuern auf 24,60 € erhöht.
- 2
- Mit Einladung zur Hauptversammlung am 29. Mai 2002 wurde bekannt, dass die Antragsgegnerin zu 2 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin zu 1 beabsichtigte. Der gewichtete durchschnittliche Börsen- kurs zu diesem Zeitpunkt belief sich auf 296,25 €. Die von der Antragsgegnerin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelte einen Unternehmenswert von 2.335.727.000 € und einen anteiligen Wert pro Aktie von 281,07 €. Da man den Börsenkurs für nicht aussagekräftig hielt, wurde die Abfindung unter Berücksichtigung des geringeren anteiligen Unternehmenswertes auf der Grundlage einer Fortschreibung der im Gewinnabführungsvertrag festgesetzten Barabfindung auf 281,98 € festgesetzt. Die gerichtlich bestellte Übertragungs- prüferin bestätigte die vorgesehene Abfindung als angemessen. Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1 beschloss am 5. Juli 2002 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von 281,98 €. Der umsatzgewichtete durchschnittliche Börsenkurs drei Monate vor diesem Tag belief sich auf 290,96 €. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses erfolgte am 17. September 2002. Bestrebungen, den zwischen den beiden Antragsgegnerinnen bestehenden Unternehmensvertrag zu beenden, gab es während dieser Zeit nicht.
- 3
- Daraufhin haben mehrere Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren eingeleitet mit dem Ziel, die Angemessenheit der gewährten Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Nach Eingang des gerichtlich beauftragten Sachverstän- digengutachtens haben sich die ursprünglich als weitere Antragsteller am Spruchverfahren beteiligten Minderheitsaktionäre und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre mit den Antragsgegnerinnen in einem Teilverfahrensver- gleich auf eine Erhöhung der Barabfindung auf 316 € geeinigt. Das Landgericht hat hinsichtlich der auf der Antragstellerseite verbleibenden Antragstellerin die Abfindung auf 316 € festgesetzt. Der vom gerichtlichbestellten Sachverständi- gen ermittelte anteilige Unternehmenswert von 323,65 € sei nicht maßgeblich, weil die Abfindung bei bestehendem Unternehmensvertrag durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2 eingelegt.
- 4
- Das Oberlandesgericht (OLG Frankfurt am Main, ZIP 2014, 2439) hält die sofortige Beschwerde für zulässig und möchte die Barabfindung auf 317,24 € festsetzen. Dabei geht es wie das Landgericht davon aus, dass die angemessene Abfindung durch den Barwert der Ausgleichszahlungen bestimmt werde, und legt hierbei die in dem weiteren Spruchverfahren festgesetzte Ausgleichszahlung von 24,60 € zugrunde. Wegen einer abweichenden Beurteilung des Kapitalisierungszinssatzes kommt das Oberlandesgericht sodann aber zu einem etwas höheren Barwert als das Landgericht.
- 5
- Das Oberlandesgericht hat die Sache nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F., § 28 Abs. 2 und 3 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt , weil entscheidungserheblich sei, ob zur Bestimmung der angemessenen Abfindung bei Vorliegen eines Unternehmensvertrags auf den Barwert der Ausgleichszahlungen oder den anteiligen Ertragswert der Gesellschaft abzustellen sei. Die Problematik sei umstritten und das vorlegende Oberlandesgericht beabsichtige , bei seiner Entscheidung von der Auslegung und dem Verständnis in dieser Frage von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte abzuweichen.
II.
- 6
- Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Landgerichts und zur Festset- zung der Abfindung auf 323,65 € je Aktie.
- 7
- 1. Die Vorlage ist zulässig.
- 8
- a) Die Zulässigkeit der Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zu beur- teilen, dessen entsprechende Anwendung in § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i. d. F. des Gesetzes vom 12. Juni 2003 (BGBl. I S. 838) angeordnet war. Das vorliegende Spruchverfahren wurde zwar noch vor dem Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes am 1. September 2003 eingeleitet. Da die Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts aber erst am 25. September 2013 nach Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes eingelegt worden ist, sind nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes anwendbar.
- 9
- Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. galten im Beschwerdeverfahren § 28 Abs. 2 und 3 FGG entsprechend. Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz - FGG-RG, BGBl. I S. 2586) finden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Spruchverfahrensgesetz in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung weiter Anwendung, wenn das Verfahren in erster Instanz vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eingeleitet worden ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 8; Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 19. Juli 2010 - II ZB 18/09, BGHZ 186, 229 Rn. 5 - Stollwerck; Beschluss vom 28. Juni 2011 - II ZB 10/10, AG 2011, 590 Rn. 5; Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 12/11, ZIP 2012, 266 Rn. 3).
- 10
- b) Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG zulässig. Sie setzt voraus , dass das vorlegende Oberlandesgericht bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser abweichen will.
- 11
- aa) Die Vorlage betrifft eine Rechtsfrage. Eine Vorlage ist nur im Falle einer Abweichung bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, also bei einer Rechtsfrage, zulässig. Zu den Rechtsfragen zählt neben der Klarstellung des Inhalts einer Rechtsnorm auch die Subsumtion eines Tatbestandes unter das Gesetz. Erforderlich ist aber eine Abweichung in einem Rechtssatz. Eine Divergenz bei der abweichenden tatsächlichen Würdigung eines Sachverhalts rechtfertigt die Vorlage dagegen nicht (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 9 mwN).
- 12
- Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt, weil es der Ansicht ist, die Höhe der Abfindung bemesse sich nach dem Barwert der festen Ausgleichszahlungen und diese Vorgehensweise weiche von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte ab, welche den anteiligen Ertragswert der Gesellschaft für allein maßgeblich hielten.
- 13
- Nach § 327f Satz 2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Zur Auslegung dieser Vorschrift gehört die rechtliche Bestimmung der Angemessenheit. Ziel dieser Bewertung ist es, den "vollen, wirklichen" Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306).
- 14
- Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode ist keine Rechtsfrage , sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteilt sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und -praxis. Dagegen ist es eine Rechtsfrage, ob eine vom Tatrichter gewählte Bewertungsmethode oder ein innerhalb der Bewertungsmethode gewähltes Berechnungsverfahren den gesetzlichen Bewertungszielen widerspricht (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 12).
- 15
- Die Entscheidung, ob bei beherrschten Unternehmen für die Barabfindung ausgeschlossener Minderheitsaktionäre allein auf den Barwert der Ausgleichszahlungen abzustellen oder (zumindest auch) der anteilige Unternehmenswert heranzuziehen ist, hängt von der Rechtsfrage ab, ob der Wert der Minderheitsanteile sich auf die mit ihr verbundenen Erträge in Form der Ausgleichszahlungen beschränkt und diese damit den als Bewertungsziel anzusehenden "vollen, wirklichen" Wert zutreffend wiedergeben oder ob die Minderheitsanteile darüber hinaus einen Wert haben (können), der nur im anteiligen Unternehmenswert zutreffend abgebildet werden kann. Diese Rechtsfrage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - II ZR 10/10, AG 2011, 590 Rn. 8).
- 16
- bb) Ein Abweichungsfall liegt vor. Der Bundesgerichtshof hat zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt. Die Abweichung muss zum einen dieselbe Rechtsfrage betreffen, zum anderen muss die Beantwortung der Rechtsfrage für die vom vorlegenden Gericht zu treffende Ent- scheidung des Falles und für die vorausgegangene Entscheidung, von der das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, erheblich sein. Dabei ist die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die vorgelegte Sache auf der Grundlage des im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles zu prüfen. Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Hierfür genügt es, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 15 mwN).
- 17
- Das vorlegende Oberlandesgericht beurteilt die streitige Rechtsfrage anders als die Oberlandesgerichte München (OLG München, ZIP 2007, 376) und Düsseldorf (Beschluss vom 29. Juli 2009 - I-26 W 1/08, juris Rn. 52 und AG 2012, 716) und weicht in diesem Sinn von deren Entscheidungen ab. Die Oberlandesgerichte München und Düsseldorf sehen nämlich abweichend vom vorlegenden Oberlandesgericht den Wert der Minderheitsanteile durch die Ausgleichszahlungen nicht zutreffend abgebildet und weichen damit auch im Ergebnis von der Entscheidung des vorlegenden Oberlandesgerichts ab.
- 18
- 2. Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat selbst als Beschwerdegericht zu entscheiden. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Landgerichts und zur Festsetzung der Abfindung auf den Wert von 323,65 € je Aktie.
- 19
- a) Für die Angemessenheit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a, b AktG ist bei Vorliegen eines (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrags der auf den Anteil des Minder- heitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts jedenfalls dann maßgeblich , wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlungen.
- 20
- aa) Dass nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen sind, schließt wegen des damit festgelegten Stichtags allerdings nicht schon dem Wortlaut nach aus, die Abfindung nach dem Barwert der Ausgleichszahlungen zu berechnen (so aber OLG München, ZIP 2007, 375, 376; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 2009 - I-26 W 1/08, juris Rn. 51 ff.; AG 2012, 716, 718; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 6; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 4; Popp, AG 2010, 1, 13). Obwohl der Unternehmensvertrag , auf dem die Ausgleichszahlungen beruhen, zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, gehört er gleichwohl zu den Verhältnissen der Gesellschaft im nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre , wenn er zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hat und von seinem Fortbestand auszugehen ist (Leyendecker, NZG 2010, 927, 929; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 201 f.). Denn der zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bestehende (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag bestimmt bei anzunehmendem Fortbestand des Vertrags auch darüber hinaus die Erträge des Aktionärs und kann deshalb zu den zum nach § 327 b Abs. 1 Satz 1 maßgeblichen Bewertungsstichtag zu berücksichtigenden Gesichtspunkten gehören. Im Übrigen ist als Ausgleichszahlung gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG mindestens der Betrag zuzusichern, der nach der bisheri- gen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil an die Aktionäre verteilt werden könnte, so dass die Bemessung der Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG gleichfalls am Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Entwicklung orientiert ist (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2003 - II ZB 17/01, BGHZ 156, 57, 63).
- 21
- bb) Verliert der Minderheitsaktionär seine mitgliedschaftliche Stellung, muss er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden (vgl. BVerfGE 100, 289, 304 f.). Dabei hat die Entschädigung den "wirklichen" oder "wahren" Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln (vgl. BVerfGE 100, 289, 306). Hierfür ist, wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert bestimmt wird, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert zugrunde zu legen, der im Wege einer Schätzung zu ermitteln ist (vgl. § 738 Abs. 2 BGB; BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 33; Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Zu dieser Schätzung ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode. Das schließt es aber nicht aus, nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles eine andere Methode zur Schätzung des Unternehmenswertes anzuwenden. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 33 mwN).
- 22
- (1) Bei der Ermittlung des "wahren" Werts des Anteilseigentums handelt es sich in erster Linie um eine Frage des einfachen Rechts, bei der aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings eine im gegebenen Fall geeignete und aussagekräftige Methode gewählt werden muss, die den vollen Ausgleich für den von den Minderheitsaktionären hinzunehmenden Verlust sicherstellt, der jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 18). Ferner muss ein existierender Börsenkurs bei der Abfindung berücksichtigt werden, weil bei der Bestimmung der angemessenen Barabfindung der ausgeschiedenen Aktionäre nach §§ 327a, b AktG auch darauf abzustellen ist, was sie im Falle einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten (vgl. BVerfGE 100, 289, 306; BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115 f.). Der Börsenwert bildet dabei regelmäßig die Untergrenze einer zu gewährenden Abfindung (BVerfG, ZIP 2011, 1051 Rn. 24; BVerfGE 100, 289, 305 ff.).
- 23
- (2) Bei der Bestimmung der Abfindung durch Ermittlung des Unternehmenswerts oder durch Berücksichtigung des Börsenwerts der Aktien handelt es sich nicht um die Wahl zwischen verschiedenen Bewertungsobjekten. Maßgeblich ist immer der "wahre" Wert der Beteiligung des Minderheitsaktionärs, den die Entschädigung für den Verlust des Aktieneigentums aus verfassungsrechtlichen Gründen widerspiegeln muss. Wie dieser Wert ermittelt wird, ist dagegen verfassungsrechtlich nicht festgelegt. Er kann folglich grundsätzlich als quotaler Anteil an dem durch eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung ermittelten Wert des Unternehmens (mittelbar) berechnet oder auf andere Weise (unmittelbar) festgestellt werden, insbesondere unter Rückgriff auf den Börsenwert der Anteile. Die eine oder andere Methode scheidet nur dann aus, wenn sie aufgrund der Umstände des konkreten Falles den "wahren" Wert nicht zu- treffend abbildet (BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 12 ff.; ZIP 2011, 1051 Rn. 23 ff.; ZIP 2012, 1408 Rn. 20). Auch bei der zum Schutz der Minderheitsaktionäre gebotenen Berücksichtigung des Börsenwerts wird der Wert eines Anteils aber nicht unabhängig vom Wert des Unternehmens ermittelt. Denn die Berücksichtigung des Börsenwerts beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2001 - II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116). Kann im konkreten Fall von der Möglichkeit einer solchen effektiven Informationsbewertung nicht ausgegangen werden, so dass der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den (mindestens zu gewährenden) Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt, ist der Anteilswert aufgrund einer Unternehmensbewertung zu ermitteln (vgl. BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 13 f.; ZIP 2011, 1051 Rn. 25; ZIP 2012, 1408 Rn. 20).
- 24
- (3) Dieser Gleichlauf zwischen dem Wert des (einzelnen) Anteils und dem anteiligen Unternehmenswert ist auch dann gegeben, wenn ein (Beherrschungs - und) Gewinnabführungsvertrag geschlossen wurde. Der Wert des Anteils des (außenstehenden) Minderheitsaktionärs hat sich durch den Unternehmensvertrag nicht vollständig vom Unternehmenswert abgekoppelt (OLG Düsseldorf, AG 2012, 716, 718, OLG München, ZIP 2007, 375, 376; Hüffer/ Koch, AktG, 11. Aufl., § 327b Rn. 5; Popp, AG 2010, 1, 13 f.; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, NZG 2003, 644, 645; OLG Frankfurt, NZG 2010, 664, 665; ZIP 2014, 2439, 2440; Leyendecker, NZG 2010, 927, 928; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
- 25
- Das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) vermittelt sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs in der Gesellschaft als auch vermögensrechtliche Ansprüche (BVerfG, ZIP 2011, 170 Rn. 8 mwN). In vermögensrechtlicher Hinsicht umfasst die Beteiligung an einem Unternehmen nicht nur die Aussicht auf eine Dividende, die vorliegend vorübergehend durch den festen Ausgleichsanspruch ersetzt wird, sondern darüber hinaus den Anteil an der Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch besteht (BVerfGE 14, 263, 285). Eine mittels der Ausgleichszahlungen berechnete Abfindung deckt deshalb unter Umständen nicht den vollständigen, "wahren" Wert der Beteiligung ab.
- 26
- (4) Der Wert des Anteils wird jedenfalls dann nicht zutreffend abgebildet, wenn sich der Unternehmenswert, wie hier, seit dem Stichtag, auf den die angemessenen Ausgleichszahlungen i.S.d. § 304 AktG ermittelt wurden, erhöht hat. Der Gesellschaftsanteil hat sich nämlich durch die Entscheidung des Aktionärs , die Aktien trotz Abschlusses des (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags zu behalten und nicht gegen die nach § 305 AktG zu gewährende Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, nicht dahingehend gewandelt, dass sich sein Wert allein noch über die Ausgleichszahlungen bestimmt und der Aktionär am Unternehmenswert im Übrigen nicht mehr teilnimmt (OLG Düsseldorf , AG 2012, 716, 718; OLG München, ZIP 2007, 375, 376; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 327b AktG Rn. 9; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 2. Aufl., § 327b Rn. 7; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 327b Rn. 5; Schnorbus in Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 6; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 668; a.A. KG, NZG 2003, 644, 645; OLG Frankfurt, NZG 2010, 664, 665; ZIP 2014, 2439, 2441; Wilsing in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 327b AktG Rn. 4; Leyendecker, NZG 2010, 927, 928; W. Müller, Festschrift Roth, 2011, S. 517, 524 f., 531; Jüngst, Der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern im Vertragskonzern, 2010, S. 198 f.).
- 27
- Beim Unternehmensvertrag tritt die gewinnunabhängige, in der Regel festbemessene Ausgleichzahlung nach § 304 AktG an die Stelle der sonst aus dem Bilanzgewinn auszuschüttenden Dividende und stellt wirtschaftlich nichts anderes dar als die Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage; die Entgegennahme der Ausgleichszahlung ist Fruchtziehung, während die Barabfindung gemäß § 305 AktG den Stamm des Vermögens repräsentiert, der durch die Ausgleichzahlung nicht angerührt wird (BGH, Urteil vom 16. September 2002 - II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 35). Die Ausgleichszahlungen stellen dabei nur einen vorübergehenden pauschalierten Ersatz für die Dividende dar, auf die andernfalls Aussicht bestünde. Auch wenn ein (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird und es keine konkreten Anhaltspunkte für seine baldige Beendigung gibt, ist es nicht auszuschließen , dass sich die Verhältnisse in der Zukunft wieder ändern und der Aktionär aufgrund einer Beendigung des Vertrags wieder an den tatsächlichen Erträgen der Gesellschaft beteiligt wird. Die Möglichkeit, dass diese Erträge dann aufgrund der vorangegangenen Beherrschungssituation und dem damit verbundenen Risiko einer Auszehrung des Unternehmens geringer als der vorher gewährte Ausgleich ausfallen können, nimmt der Aktionär hin, wenn er zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags den Ausgleich wählt und nicht gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausscheidet (vgl. Popp, AG 2010, 1, 13; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 676). Andererseits kann der (außenstehende) Minderheitsaktionär aber aus der Entscheidung, in der Gesellschaft zu bleiben, auch einen über die Ausgleichszahlung hinausgehenden Nutzen ziehen, wenn sich die abhängige Gesellschaft nach Abschluss des Unternehmensvertrags positiv entwickelt und die Dividende nach einer Beendigung des Unterneh- mensvertrags deshalb höher als der Ausgleich ausfällt. Diese Chance wird ihm genommen, wenn er während des Bestehens des Unternehmensvertrags nach § 327a, § 327e Abs. 3 AktG aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Sie kann deshalb bei der Bewertung der Barabfindung i.S.d. § 327b AktG nicht außer Betracht bleiben.
- 28
- Dasselbe gilt für die Beteiligungsrechte des Minderheitsaktionärs, die zwar während des (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrags stark eingeschränkt sein können und im Übrigen schon aufgrund seiner Stellung als Minderheitsaktionär nicht sehr weit gehen. Selbst wenn die Beteiligung des Minderheitsaktionärs mehr Kapitalanlage als gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft ist und er regelmäßig keinen relevanten Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen kann, geht seine Beteiligung aber über den rein schuldrechtlichen Anspruch auf Ausgleichszahlungen hinaus. Auch dem Kleinaktionär stehen Rechte zu, deren Wahrnehmung im Einzelfall in einer Art und Weise möglich ist, die den gesellschaftsbezogenen Belangen der übrigen Aktionären nachteilig sein kann, und die er deshalb unter Rücksichtnahme gegenüber den gesellschaftsbezogenen Belangen der Mitgesellschafter auszuüben hat. Zu nennen sind hier u.a. die Wahrnehmung des Rechts auf Teilnahme an der Hauptversammlung , das Auskunftsrecht nach § 131 AktG und das Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 243 AktG (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 144). Diese Rechte werden durch einen (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag nicht eingeschränkt. Sie sind nicht ohne Gewicht, was sich schon daran zeigt, dass der Gesetzgeber gerade wegen der Ausübung dieser Rechte durch Minderheitsaktionäre die Einführung der Squeeze-out-Regelung der §§ 327a ff. AktG wegen eines beachtenswerten unternehmerischen Interesses an Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen für geboten erachtet hat (vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 32 f.). Der Verlust dieser Rechte ist daher bei der Bestimmung des „wahren“ Werts der Beteiligung ebenfalls zu berücksichtigen.
- 29
- cc) In einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem eine Berechnung der Abfindung über die Ausgleichszahlungen zu einem geringeren Wert führt als die Bewertung über die quotale Beteiligung am Unternehmenswert, würde der bei einer Berechnung der Abfindung über den Barwert der Ausgleichszahlungen nicht ausgeglichene Anteil der Beteiligung zudem dem Hauptaktionär anwachsen. Der Hauptaktionär verfügt nach deren Ausschluss über die Anteile der Minderheitsaktionäre und damit über deren Stamm- und Fruchtziehungsrecht. Es entstünde somit in der Person, die den zur Abfindung führenden Sachverhalt im eigenen Interesse herbeigeführt hat, eine Bereicherung, für die es keinen sachlichen Grund gibt. Der Umstand, dass der Ausschluss der Minderheitsaktionäre den (Beherrschungs- und) Gewinnabführungsvertrag nicht beendet (BGH, Urteil vom 19. April 2011 - II ZR 237/09, BGHZ 189, 261 Rn. 18), ist hierbei unerheblich, da jedenfalls die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Ausgleichszahlung entfällt.
- 30
- dd) Der Senat hat vorliegend dagegen keinen Anlass zu entscheiden, ob der Barwert der Ausgleichszahlungen ähnlich dem Börsenwert als Mindestwert der angemessenen Abfindung zugrunde zu legen ist, wenn dieser den anteiligen Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre übersteigt (für den Ausgleich als Untergrenze: Tebben, AG 2003, 600, 606; dagegen: OLG München, ZIP 2007, 375, 277; Singhof in Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 3. Aufl., § 327b Rn. 4; Popp, AG 2010, 1, 9; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn.103; Riegger, Festschrift Priester, 2007, 661, 672). Davon wäre allerdings zumindest für den Fall auszugehen, dass der Barwert der Ausgleichszahlungen dem Verkehrswert der Unternehmensbeteili- gung entspräche, weil die Abfindung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unter dem Verkehrswert liegen darf (vgl. BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG, ZIP 2012, 1408 Rn. 18).
- 31
- b) Der Unternehmenswert beläuft sich zum Bewertungsstichtag am 5. Juli 2002 auf 2.712.457.000 €. Daraus errechnet sich eine Barabfindung von 323,65 € je Aktie. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts im Vorlagebeschluss Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt und gegen die die Antragstellerin im weiteren Verfahren nichts vorgebracht hat. Die Anwendung der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. aus dem Jahr 2005 (IDW S1 2005) begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, ZIP 2016, 110 Rn. 30 ff.).
- 32
- 3. Die Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren beruht auf § 15 Abs. 4 SpruchG a.F.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 04.09.2013 - 3-8 O 170/02 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.10.2014 - 21 W 64/13 -
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Der am 30. September 1945 geborene und bei der Zusatzversorgung der Beklagten pflichtversicherte Kläger begehrt den Wegfall der infolge Versorgungsausgleichs vorgenommenen Kürzung seiner Rente bei der Beklagten nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - vom 23. März 2005 wurde der Kläger von seiner Ehefrau geschieden. In dem Urteil wurden zu Lasten seiner Versorgung bei der Beklagten auf dem Versicherungskonto seiner Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften in Höhe von 99,01 € pro Monat begründet. Die geschiedene Ehefrau bezog für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2010 Rentenleistungen. Am 18. Januar 2010 verstarb sie. Der Kläger erhält seit 1. Oktober 2010 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Regelaltersrente in Höhe von 1.033,90 € brutto monatlich und von der Beklagten eine Betriebsren- te von 200,09 € brutto monatlich. Diese ist wegen des Versorgungsausgleichs um 150,43 € brutto monatlich gekürzt und würde ohne diese Kürzung 350,52 € brutto monatlich betragen.
- 2
- Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. Oktober 2010 eine ungekürzte Betriebsrente in Höhe von monatlich 350,52 € brutto unter Abzug der bisherigen monatlichen Nettozahlungen ab 1. Oktober 2010 von 166,38 € zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Oktober 2010 eine Betriebsrente zu zahlen, die nicht um den vom Familiengericht festgestellten Versorgungsausgleich von 150,43 € zugunsten der geschiedenen Ehefrau gekürzt wird. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
- 3
- II. Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, weil es für seine Entscheidung auf die Verfassungsmäßigkeit von § 32 VersAusglG ankommt. Nach § 37 Abs. 1 VersAusglG wird, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstorben ist, ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt. Die Anpassung findet nur statt, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (§ 37 Abs. 2 VersAusglG). Gemäß § 32 VersAusglG gelten die §§ 33 bis 38 nur für die gesetzliche Rentenversicherung sowie die weiteren dort genannten Regelsicherungssysteme. Im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge - wie hier derjenigen der Beklagten - findet § 32 i.V.m. § 37 VersAusglG demgegenüber keine Anwendung. Die Revision macht gel- tend, dass dieser Ausschluss der Zusatzversorgung der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG verstößt.
- 4
- Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 6. März 2013 entschieden, die Regelung des § 32 VersAusglG sei mit dem Grundgesetz vereinbar (XII ZB 271/11, FamRZ 2013, 852). Gegen diese Entscheidung hat der dortige Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt (1 BvR 1820/13). Ist die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes, wie hier von § 32 VersAusglG, bereits Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde, ist die Aussetzung des Verfahrens aus prozessökonomischen Gründen in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ohne gleichzeitige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) zulässig, solange sich das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes überzeugt hat (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20 unter II 1). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, so dass das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem dort anhängigen Verfahren auszusetzen ist.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.12.2011- 6 O 382/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.05.2012- 12 U 9/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin bezieht von der Beklagten, einem regionalen Gasversorgungsunternehmen , seit 1998 leitungsgebunden Erdgas für ihren privaten Haushalt und wendet sich im Wege der Feststellungsklage gegen mehrere Gaspreisanpassungen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
- 2
- Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Landgericht - die Klägerin als Tarifkundin qualifiziert und vor diesem Hintergrund angenommen, dass der Beklagten ein einseitiges Preisänderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV zugestanden habe. Eine Billigkeitskontrolle der angegriffenen Preiserhöhungen hat das Berufungsgericht abgelehnt, da die Klägerin den einseitigen Preisanpassungen der Beklagten nicht innerhalb angemessener Zeit widersprochen habe.
- 3
- Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich die Klägerin zunächst unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Tarifkundenvertrag und bezweifelt ferner, ob die im Tarifkundenverhältnis geltenden gesetzlichen Preisänderungsrechte des § 4 AVBGasV beziehungsweise § 5 GasGVV den europarechtlichen Transparenzvorgaben genügen.
II.
- 4
- Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-359/11 auszusetzen.
- 5
- 1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt: Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit HaushaltsKunden , die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
- 6
- 2. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Soweit die Klägerseite sich in ihrer Stellungnahme auf den Hinweis des Senats zur beabsichtigten Vorgehensweise gegen diese Einschätzung wendet, verweist sie lediglich auf ihre Ausführungen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Diese hat der Senat bereits beim Erlass des Hinweisbeschlusses vom 25. Oktober 2011 berücksichtigt.
- 7
- 3. Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der Senat in dieser Sache unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlageverpflichtung keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfrage führen (vgl. hierzu BAG, NJW 2011, 1836, 1837). Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof seinerseits das Verfahren C-359/11 bis nach der Urteilsverkündung in den Rechtssachen C-8/11 und C-92/11 ausgesetzt hat.
- 8
- Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378). Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV stellt ein grundlegendes Instrument dar, um den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht zu verwirklichen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (BPatG, GRUR 2002, 734, 735). Die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof vorbehalten. Da der Gerichtshof aber kein Rechtsmittelgericht für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren darstellt (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO), genügt es, wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfahren verhandelt und entschieden wird.
- 9
- 4. Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise vgl. auch BAG, aaO S. 1836 f.; BAG, Beschlüsse vom 5. Juni 1984 - 3 AZR 168/81, juris; vom 6. November 2002 - 5 AZR 279/01 (A), juris; BPatG, aaO S. 734 ff.; noch offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO).
- 10
- 5. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO (analog) ist auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 374 f.). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
LG Koblenz, Entscheidung vom 19.01.2010 - 4 HKO 97/09 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.08.2010 - U 204/10 Kart -
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.