Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 11. Feb. 2016 - I-6 U 247/14
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.10.2014 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 458.244,06 € wegen des von der Klägerin erklärten Rücktritts von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag über den Erwerb der Geschäftsanteile der Beklagten an der T 13. B GmbH, die mit der T 27. B GmbH verschmolzen ist (Im Folgenden: T) .
4Wegen der Feststellungen erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
5Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat dies damit begründet, die Klägerin habe nach § 280 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag entstandenen Vertragskosten und des ihr entstandenen Verzugsschadens. Die Klägerin sei wirksam mit Schreiben vom 18.06.2010 von dem Kaufvertrag zurückgetreten und hierzu nach § 323 BGB berechtigt gewesen. Insoweit werde auf die Ausführungen der 2. Kammer für Handelssachen im Urteil vom 14.06.2012 (32 O 6/12) und den Hinweisbeschluss des Senats vom 07.05.2013 (I-6 U 119/12) Bezug genommen.
6Die Beklagte habe zum Rücktrittszeitpunkt die fällige Leistungspflicht, der Klägerin oder dem Notar ein Übergabeprotokoll bezüglich des zu errichtenden Pflegeheims entsprechend der in Abschnitt B. I. Ziffern 5 bis 7 i.V.m. Abschnitt II Abs. 2 des Kaufvertrages getroffenen Vereinbarung vorzulegen, nicht erfüllt. Der Anspruch sei jedenfalls im Juni 2010 fällig gewesen. Die Übergabe habe grundsätzlich am 1. Werktag im Oktober 2008 erfolgen sollen, wobei ein entsprechendes Übergabeprotokoll zu erstellen gewesen sei. Ein solches sei bis zum Rücktritt auch nicht vorgelegt worden. Die Vorlage sei nicht durch die geschlossenen Vergleiche zwischen der Vermieterin T und der Mieterin L GmbH (im Folgenden L) ersetzt worden. Die Nachfristsetzung bis zum 18.06.2010 sei angemessen gewesen.
7Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch verschuldet. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte ihrerseits bzw. mittels der T die L GmbH auf Erstellung des Übergabeprotokolls verklagt oder in Anspruch genommen hätte.
8Die Klägerin trage auch keine Mitschuld nach § 254 BGB. Diese sei nach Erlöschen ihrer vertraglichen Rücktrittsrechte zur Zahlung der Provision an die D verpflichtet gewesen. Auch sei sie zu einer Barhinterlegung berechtigt gewesen.
9Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Verzugszins zu, weil sich die Beklagte im Hinblick auf die Erteilung ihrer Zustimmung auf Rückzahlung des Kaufpreises in Verzug befunden habe und diese erst mit Schreiben vom 19.01.2012 erteilt habe.
10Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung weiterverfolgt.
11Der Rücktritt der Klägerin sei schon deswegen unwirksam, weil diese weder bei Fristsetzung noch bei Rücktritt die ihr obliegende Gegenleistung erbracht oder in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten habe. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, mit Übergabe des Mietobjekts an die L die T Grundbesitz AG von ihren Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber der finanzierenden Bank zu befreien und bis zum 31.05.2007 die Bankbürgschaft in Höhe von 950.000,- € beizubringen. Dies sei nicht erfolgt.
12Die Vorlage des Übergabeprotokolls habe nicht zu ihren Leistungspflichten gehört, weswegen der Rücktritt nicht darauf habe gestützt werden können. Abschnitt I Nr. 5 des Vertrags enthalte lediglich die Bestimmung, dass die Übergabe durch Vorlage des Übergabeprotokolls nachzuweisen sei. Es finde sich im Vertrag keine Regelung darüber, wer dieses vorzulegen habe. Dieses sei allein im Vertragsverhältnis von zwei Dritten zu erstellen gewesen. Die Vorlage sei lediglich eine Mitwirkungspflicht in Gestalt einer unselbständigen Nebenpflicht gewesen. Sie, die Beklagte, sei weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage gewesen diese Nebenpflicht zu erfüllen, solange dieses Protokoll im Verhältnis zwischen den beiden Dritten nicht erstellt gewesen sei. Nur die T habe einen Anspruch auf Unterzeichnung des Protokolls gehabt.
13Auch sei der Rücktritt unwirksam gewesen, weil der Vergleich zwischen Vermieter und Mieter vom 06.05.2010 die Vorlage des Übergabeprotokolls ersetzt habe. Dadurch sei nachgewiesen worden, dass das Pflegeheim mängelfrei errichtet und der Mieterin übergeben worden sei und dass diese keine Minderungsansprüche mehr habe geltend machen können. Hierzu werde auf die Ausführungen des BGH im Beschluss vom 29.09.2011, V ZB 241/10, verwiesen. Die Mieterin habe sich im Vergleich auch verpflichtet, ab Juni 2010 den vereinbarten Mietzins zu zahlen. Die Verpflichtung zur unbedingten Zahlung des Mietzinses beinhalte einen konkludenten Verzicht auf Einreden wegen Mängeln. Soweit die L sich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorbehalten gehabt habe - die mit dem Vergleich vom 23.07.2010 geregelt worden seien - wären diese eventuellen Ansprüche im Rahmen der endgültigen Kaufpreisabrechnung nach Abschnitt X abzurechnen gewesen.
14Der Rücktritt sei auch deshalb unwirksam gewesen, weil sie, die Beklagte, durch Vorlage des mängelfreien Gebrauchsabnahmescheins der Stadt Oberhausen und des Vergleichs vor Erklärung des Rücktritts nachgewiesen habe, dass das Pflegeheim vertragsgemäß erstellt und an den Mieter übergeben gewesen sei.
15Der Rücktritt sei auch unwirksam gewesen, weil die Fristsetzung von 14 Tagen zur Vorlage des Übergabeprotokolls zu kurz gewesen sei. Denn die Klägerin habe von dem Gebrauchsabnahmeschein, dem Vergleich und den anstehenden weiteren Verfahren zwischen Vermieter und Mieter und einer eventuellen Aufrechnung durch den Mieter mit Schadensersatzansprüchen gewusst.
16Da keine fällige Leistungspflicht verletzt worden sei, stehe auch § 323 IV BGB der Rücktrittserklärung entgegen.
17Würde man eine Pflichtverletzung bejahen, habe sie, die Beklagte, diese nicht zu vertreten. Sie habe dadurch alles Zumutbare getan, indem sie auf gesellschaftsrechtlicher Ebene die T veranlasst habe im laufenden Streitverfahren die Übergabeerklärung herbeizuführen.
18Die Klägerin habe den Schaden hinsichtlich der Provision auch verschuldet, weil sie diese gezahlt habe, obwohl der Provisionsanspruch erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung des Kaufvertrages entstanden und diese nie eingetreten sei. Der Schaden sei der Klägerin nur entstanden, weil sie ohne gesetzliche Verpflichtung auf eigenen Wunsch eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Provision begründet habe. Mit ihr sei nicht vereinbart worden, dass dem Makler mit Erlöschen der Rücktrittsrechte ein Provisionsanspruch zustehen solle.
19Sie, die Beklagte, habe auch keine Pflicht bezüglich der Rückzahlung an die S verletzt, weil es ihrer Zustimmung zur Rückzahlung im Verhältnis S und Notar nicht bedurft hätte. Allein der Notar sei gegenüber der S in Verzug geraten und habe rechtswidrig gehandelt, nachdem er nach dem zulässigen Widerruf durch die S dieser das Geld nicht zurückgezahlt habe. Es fehle ferner an der Aktivlegitimation der Klägerin, weil allein die S einen Anspruch auf Verzugszinsen wegen einer Vertragsverletzung des Notars gegen diesen gehabt habe. Die Klägerin habe keinen Rückzahlungsanspruch gehabt.
20Der Fall sei auch mit dem vom BGH entschiedenen Fall eines Verzugszinsanspruchs gegen einen Forderungsprätendenten bei verweigerter Auszahlung gegenüber der Hinterlegungsstelle nicht zu vergleichen.
21Die Beklagte beantragt,
22das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf den Beschluss des Senats vom 07.05.2013. Soweit die Beklagte Ausführungen zu Bürgschaften mache, seien diese erst mit Übergabe des Objekts zu erfüllen gewesen. Zudem habe die Beklagte dies in erster Instanz nicht vorgetragen und selbst unter dem 30.12.2008 die vertragsgemäße Hinterlegung des Kaufpreises bestätigt.
26Da die Klausel hinsichtlich der Maklercourtage zwischen den Parteien vereinbart worden sei, sei unbeachtlich, wieso dies der Fall gewesen sei.
27Nach dem wirksamen Rücktritt sei die Beklagte zur Zustimmung der Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet gewesen, weil sie keinen Anspruch mehr auf Auszahlung des Kaufpreises an sich gehabt habe.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
29II.
30Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
311.
32Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 2, 325 BGB in Höhe von 458.244,06 €, weil sie wirksam von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten ist und hierdurch einen Schaden in der genannten Höhe erlitten hat.
33a) Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 07.05.2016 Bezug genommen. Der Senat hat darin ausgeführt:
34„Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2010 wirksam nach § 323 Abs. 1 BGB von dem Kaufvertrag zurückgetreten ist, weil die Beklagte eine Leistungspflicht verletzt hat (a)), die Klägerin ihr erfolglos eine Frist zur Leistung gesetzt hat (b)), der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist (c)), die Beklagte die Pflichtverletzung zu vertreten hat (d)) und der geltend gemachte Schaden eingetreten ist (e)).
35Der Senat verweist, soweit es die Wirksamkeit des Rücktritts anbelangt, zur Begründung in erster Linie auf seinen Hinweisbeschluss vom 07.05.2013 in dem zwischen denselben Parteien geführten Verfahren I-6 U 119/12. Es besteht für den Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien im vorliegenden Verfahren kein Anlass für eine Änderung seiner Sichtweise. Insoweit ist lediglich ergänzend zu bemerken:a) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei rechtlich und tatsächlich die Vorlage des Übergabeprotokolls nicht möglich gewesen, weswegen eine Leistungspflicht nicht bestanden habe.
36Als Gesellschafterin der T war die Beklagte nicht nur in der Lage, sich die Informationen zu verschaffen, ob die Übergabe vollzogen ist und seitens der L keinerlei Mängel mehr geltend gemacht werden, die eine Minderung gerechtfertigt hätten. Vielmehr hätte sie als alleinige Gesellschafterin die Geschäftsführung der T auch anweisen können (vgl. Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, § 46 Rz. 7), die L auf Abgabe der Übergabeerklärung gerichtlich in Anspruch zu nehmen, da nach ihrer Behauptung die Voraussetzungen für diese Erklärung vorlagen. Dass dies möglich war, zeigt insbesondere der Vergleich zwischen der T und der L vom 23.07.2010, in dem die L bestätigt hat, das Pflegeheim vertragsgemäß übernommen zu haben und keine Mängel mehr zu rügen.
37b) Die Beklagte hat ihre fällige Leistungspflicht auch nicht innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist vor Erklärung des Rücktritts am 18.06.2010 erfüllt.
38aa) Der zwischen der T und der L am 06.05.2010 geschlossene Vergleich war aus den vom Senat im Hinweisbeschluss vom 07.05.2013 genannten Gründen nicht geeignet, die Pflicht zur Vorlage eines Übergabeprotokolls im Sinne von Abschnitt I Nr. 5 Abs. 1 Satz 6 des notariellen Vertrags zu erfüllen.
39Soweit die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung erneut darauf beruft, dass der BGH in dem Verfahren V ZB 241/10 davon ausgegangen sei, dass der Vergleich das Übergabeprotokoll ersetzt habe, verkennt sie, dass der BGH in seinem Beschluss vom 29.09.2011 lediglich gerügt hat, dass das Beschwerdegericht den Wortlaut des Vergleichs vom 23.07.2010 nicht hinreichend berücksichtigt habe (Anlage B 6 S. 9), zum Inhalt des Vergleichs vom 06.05.2010 aber keine Ausführungen gemacht hat. Da der weitere Vergleich vom 23.07.2010 zeitlich erst nach dem Rücktritt durch die Klägerin geschlossen worden ist, kann dahinstehen, ob er inhaltlich geeignet gewesen wäre, das Übergabeprotokoll zu ersetzen, weil der Vertrag aufgrund der Rücktrittserklärung zu diesem Zeitpunkt schon in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt war.
40bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Übergabeerklärung auch nicht dadurch ersetzt, dass sie durch Vorlage des mängelfreien Gebrauchsabnahmescheins der Stadt O und des Vergleichs vom 06.05.2010 vor Erklärung des Rücktritts nachgewiesen habe, dass das Pflegeheim vertragsgemäß erstellt und an den Mieter übergeben gewesen sei.
41Der Vergleich vom 06.05.2010 ersetzte das Übergabeprotokoll aus den im Hinweisbeschluss vom 07.05.2013 genannten Gründen nicht. Etwas anderes gilt auch nicht, weil die Stadt O vorher zudem noch einen Gebrauchsabnahmeschein erteilt hat. Die Bauaufsichtsbehörde bestätigt bei genehmigungspflichtigen Bauwerken oder Anlagen durch den vom Bauherrn zu beantragenden Gebrauchsabnahmeschein lediglich, dass den Vorschriften entsprechend gebaut worden ist und ob das Bauwerk mit dem genehmigten Bauantrag („Baugenehmigung“) übereinstimmt. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob noch Mängel vorhanden sind, die zu einer Minderung berechtigen, zumal dies auch davon abhängt, welche Vereinbarung die Parteien über die Ausführung einzelner Gewerke getroffen haben und ob die Ausführung der Vereinbarung entspricht.
42c) Der Rücktritt der Klägerin war auch nicht wegen eines eigenen nicht vertragsgemäßen Verhaltens der Klägerin ausgeschlossen.
43aa) Die Beklagte beruft sich insoweit erstmals darauf, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung aus Ziff. III des notariellen Kaufvertrags nicht nachgekommen sei.
44Unbestritten hat die Klägerin bis zum 31.05.2007 keine Bankbürgschaft über den darin genannten Betrag von 950.000,- € beigebracht. Auch hat sie die Bürgschaften nicht bei tatsächlicher Übergabe des Objekts an die L am 07.11.2008 abgelöst.
45Aus dem Gesamtzusammenhang des Abschnitts III und des Abschnitts I ergibt sich jedoch, dass die Beklagte einen fälligen Anspruch auf Ablösung der Bürgschaften erst mit Eintritt des Stichtags nach Abschnitt I Ziff. 5 haben sollte, das heißt mit Vorlage des vereinbarten Übergabeprotokolls durch die Beklagte. Denn die (vorläufige) Kaufpreiszahlung sollte erst mit Vorlage des Übergabeprotokolls fällig sein. Erst mit Übergabe dieses Protokolls konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der wirtschaftliche Wert der gekauften Geschäftsanteile, der erheblich davon abhing, dass die Mieterin des fertiggestellten Objekts die Miete uneingeschränkt zahlt, nicht durch wesentliche Mängel des Objekts beeinträchtigt wird. Vorher bestand weder ein Interesse der Klägerin daran, die T Grundbesitz AG von den Bürgschaften zu befreien, die zu einer Haftung der Klägerin als Bürgin geführt hätte, obwohl die ungekürzten Mietzahlungen noch nicht gesichert waren, noch hatte die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt ein berechtigtes Interesse auf Ablösung der Bürgschaften, weil eine wesentliche Voraussetzung für die Leistung der Klägerin noch nicht gegeben war. Zudem hatte die Beklagte einen Anspruch auf Aushändigung der als Sicherung zu stellende Bankbürgschaft, wenn zum Stichtag die Ablösung der Bürgschaften noch nicht erfolgt war.
46Da der Anspruch auf Ablösung der Bürgschaften noch nicht fällig war, weil der Stichtag mangels Übergabeerklärung der L noch nicht eingetreten war, stand der Beklagten schon aus diesem Grund zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts nicht die Einrede des § 320 BGB wegen der Nichterfüllung dieser Pflicht zu. Insoweit war das Rücktrittsrecht der Klägerin nicht ausgeschlossen.
47Soweit die Klägerin verpflichtet war, wegen der beabsichtigten Ablösung der Bürgschaften eine Bankbürgschaft als Sicherungsmittel bis zum 31.05.2007 zugunsten der T Grundbesitz AG zu hinterlegen, stand diese Verpflichtung nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den Verpflichtungen der Beklagten aus dem Vertrag, weil es sich nicht um eine synallagmatisch verknüpfte Pflicht handelt und diese auch nicht im Rang einer konkreten Hauptleistungspflicht steht. Ein solches Verhältnis kann bei der Gestellung eines Sicherungsmittels zur Sicherung der Ansprüche eines Dritten nicht angenommen werden, weil dies in erster Linie dazu dient, die Verpflichtungen einer Vertragspartei gegenüber dem Dritten abzusichern, nicht aber dem unmittelbaren Leistungsaustausch zwischen den Vertragsparteien.
48Da die Beklagte sich im Vorfeld des Rücktritts auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB wegen der fehlenden Beibringung der Bürgschaft berufen hat, ist der Rücktritt der Klägerin selbst dann nicht ausgeschlossen gewesen, wenn der Beklagten ein solches Zurückbehaltungsrecht zugestanden hätte. Denn das Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 BGB steht einem Rücktritt nur dann entgegen, wenn es vom Schuldner geltend gemacht wird (BeckOK-Schmidt, a.a.O., § 323 Rz. 5). Die Beklagte hat jedoch die Nichtvorlage der Bankbürgschaft in den bisherigen zwischen den Parteien geführten Verfahren, in denen es auch um die Wirksamkeit des Rücktritts ging, weder erwähnt, noch sich in irgendeiner Form auf eine solche Pflichtverletzung der Klägerin berufen.
49bb) Die Tatsache, dass die Klägerin nicht innerhalb der genannten Frist eine Bankbürgschaft beigebracht hat und hierdurch eine Pflicht verletzt hat, ist auch nicht nach § 242 BGB geeignet, das Rücktrittsrecht der Klägerin auszuschließen.
50Sofern der Gläubiger selbst eine aus dem Vertrag resultierende Pflicht verletzt hat, kann er selbst nach dem Gedanken des § 242 BGB („tu quoque“) nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn es einen sachlichen Zusammenhang zwischen den Störungen, die eine Erfüllungsverweigerung des Schuldners und damit den Fortfall des Rücktrittsrechts des Gläubigers gerechtfertigt erscheinen lässt, gibt. Dies ist der Fall namentlich bei Gefährdungen des Leistungsaustausches, die vom Gläubiger zu verantworten sind (Staudinger-Otto/Schwarze, BGB, 2009, § 323, Rz. E 10). Der Schuldner muss sich dabei auf die Vertragsuntreue des Gläubigers nicht unverzüglich berufen; er kann dies auch noch im Rücktritts- bzw. Schadensersatzprozess tun. Allerdings kann der Umstand, dass sich der Schuldner bei seiner Rücktrittserklärung nicht auf eine ihm bekannte Vertragsuntreue des anderen Teils beruft, dafür sprechen, dass sie den Vertragszweck nicht gefährdet hat (Staudinger-Otto/Schwarze, a.a.O., Rz. E 21). Legt der Schuldner auf die Einhaltung bestimmter Vertragspflichten des Gläubigers jedoch kein Gewicht oder duldet er dessen Vertragsuntreue, so kann er hieraus keine Rechte herleiten. Hat der Schuldner zu erkennen gegeben, dass er trotz des Verhaltens des Gläubigers auf Vertragserfüllung besteht, so geht es nicht an, die Gläubigerrechte nach einer späteren Meinungsänderung des Schuldners und dessen unberechtigter Vertragsaufsage auszuschließen (BGH NJW 1987, 251, 253).
51Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier davon auszugehen, dass die Beklagte sich auf die Nichtvorlage der Bankbürgschaft nicht berufen kann. Die Beklagte hat in dem Verfahren 32 O 6/12 ihrerseits am 02.12.2012 den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Dabei hat sie auf die fehlende Vorlage der Bankbürgschaft kein Gewicht gelegt, da sie diese zu keinem Zeitpunkt eingefordert hat und auch nicht behauptet, den Rücktritt mit der Nichterfüllung dieser Pflicht begründet zu haben. Obwohl die Klägerin die Bankbürgschaft für die Ablösung der Bürgschaften der T Grundbesitz AG nicht innerhalb der im Vertrag genannten Frist hinterlegt hat, hat die Beklagte weiterhin die Vertragserfüllung geltend gemacht und auf der Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises an sie bestanden und dies in mehreren Prozessen geltend gemacht. Da die Beklagte die Nichterfüllung der Pflicht zur Vorlage einer Bankbürgschaft für die abzulösenden Bürgschaften auch gegenüber der angekündigten Rücktrittserklärung nicht eingewendet hat, kann sie sich nunmehr nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin diese ihr obliegende Pflicht verletzt hat und dies dem Rücktritt der Klägerin entgegenstehe.
52d) Die Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten.
53Nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein Verschulden ihrerseits nicht vorliegt. Dies hat sie nicht hinreichend dargelegt.
54Es lag im Verantwortungsbereich der Beklagten dafür zu sorgen, dass das Pflegeheim rechtzeitig bis zum geplanten Übergabetag mängelfrei hergestellt wird und an die Mieterin übergeben werden kann. Dies war unstreitig zunächst nicht der Fall.
55Da das Pflegeheim nach Behauptung der Beklagten bereits im Jahr 2009 mangelfrei hergestellt gewesen war, hätte es der Beklagten oblegen, darauf hinzuwirken, dass die T die L zeitnah auf Unterzeichnung des Übergabeprotokolls in Anspruch nimmt und dies notfalls gerichtlich geltend macht. Die T hat sich aber erst im Jahr 2010 um die Durchsetzung des Anspruchs auf Unterzeichnung eines Übergabeprotokolls gekümmert, nachdem die Klage der Beklagten auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises (40 O 57/09) vom Landgericht abgewiesen worden war. Da die Beklagte nicht dargelegt, dass sie auch bei rechtzeitiger Geltendmachung das Übergabeprotokoll bis zum Rücktritt durch die Klägerin nicht hätte vorgelegen können, hat sie den Entlastungsbeweis nicht geführt.
56e) Der Klägerin ist durch die Pflichtverletzung auch ein Schaden in Höhe von insgesamt 458.244,06 € entstanden.
57aa) Die Klägerin ist ein Schaden in Höhe von 249.900,- € durch die von ihr wegen des Rücktritts vergeblich aufgewendeten Vertragskosten entstanden.
58(1) Unbestritten hat die Klägerin Anwaltskosten für die Prüfung von Verträgen in Höhe von 5.550,40 €, eine Avalprovision und Bearbeitungsgebühr für die Gestellung der Zahlungsbürgschaft durch die S Flensburg in Höhe von 22.433,33 € und Kosten für die Beurkundung des Kaufvertrags in Höhe von 12.690,10 €, insgesamt 40.673,83 € vergeblich aufgewendet.
59(2) Des Weiteren ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 210.000,- € durch die an die D zu zahlende Maklerprovision entstanden. Auch dieser Betrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten erstattungsfähig, weil es infolge der Pflichtverletzung der Beklagten zu dem Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag gekommen ist und diese gleichwohl den Provisionsanspruch erfüllen musste.
60Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Provisionsanspruch der Maklerin nach dem Gesetz nicht entstanden wäre, weil die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten sei.
61§ 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von dessen Ausführung abhängig. Demnach schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluss des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfängliche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung), eine Provisionspflicht aus. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im Vertragsschluss selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungspflichten aus dem Vertrag beseitigen (wie nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung, Rücktritt oder einverständliche Vertragsaufhebung), den Provisionsanspruch regelmäßig unberührt. Hängt die Wirksamkeit eines (Haupt-) Vertrags vom Eintritt einer Bedingung ab, so kann nach § 652 Abs. 1 S. 2 BGB die versprochene Maklerprovision erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt (BGH, Urt. v. 27.09.2001, III ZR 318/00, NJW-RR 2002, 50 f.).
62Vorliegend hing entgegen der Auffassung der Beklagten die Wirksamkeit des hier abgeschlossenen Vertrags über den Verkauf von GmbH-Anteilen nicht von einer aufschiebenden Bedingung ab. Soweit die Beklagte sich zur Stützung ihrer Auffassung auf die Regelung I B. des Abschnitt II. 2 Abs. 2 bezieht, könnte man den Wortlaut zwar dahin verstehen, dass der unter Abschnitt I. geregelte Kauf und die unter Abschnitt II. geregelte Abtretung des Geschäftsanteils nebst Gewinnbezugsrecht nur wirksam werden sollten, wenn der Kaufpreis gezahlt und die eventuellen Bürgschaftsverpflichtungen abgelöst waren. Dagegen spricht aber zum einen, dass in dem Vertrag unter Abschnitt X. den Parteien vertragliche Rücktrittsrechte eingeräumt worden sind, die an die Nichterfüllung der vertraglichen Zahlungspflichten des Käufers und die Erteilung der Baugenehmigung und den Baubeginn anknüpfen und die nicht erforderlich wären, wenn der gesamte Vertrag erst mit Zahlung des Kaufpreises wirksam werden sollte. Zum anderen dient diese Regelung ersichtlich dazu, die ordnungsgemäße Ausführung des Vertrags dadurch sicherzustellen, dass die Rechte erst übertragen werden sollen, wenn der Käufer die ihm obliegenden Hauptpflichten aus dem Vertrag auch erfüllt. Das spricht dagegen die Regelung dahingehend zu verstehen, dass der gesamte Vertrag erst mit der Erfüllung durch den Käufer wirksam werden sollte.
63Letztlich kann dies dahinstehen, weil die Beklagte der Klägerin auch dann den Schaden ersetzen müsste, wenn man annähme, dass der Provisionsanspruch der Firma D nicht nach dem Gesetz, sondern nur aufgrund der Vereinbarung der Klägerin mit dieser entstanden ist.
64Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin zur Zahlung der Maklerprovision unabhängig davon verpflichtet war, ob dieser Anspruch auch nach dem Gesetz gegeben gewesen wäre. Durch eine solche Vereinbarung hat die Klägerin auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, geht es bei der Verletzung der Schadensminderungspflicht um ein Verschulden gegen sich selbst, das in adäquat kausaler Weise zu einem Schaden geführt hat, der durch die vom Geschädigten verletzte Pflicht vermieden werden sollte. Die Klägerin hat insoweit durch Abschluss des Vertrages mit der D nicht die ihr in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt verletzt. Sie hatte ein berechtigtes Interesse daran, um sich die Dienste der für sie tätigen Maklerin zu sichern, dieser den Provisionsanspruch zuzusichern. Zudem konnte sie davon ausgehen, dass der Vertrag wirksam zustande kommen wird, weil sie bereit war, ihre Vertragspflichten zu erfüllen. Für die Fälle, in denen sie an den Vertrag nicht gebunden sein wollte, hatte sie sich ein vertragliches Rücktrittsrecht ausbedungen und auch im eigenen Interesse die Fälligkeit des Anspruchs der D davon abhängig gemacht, dass ihre vertraglichen Rücktrittsrechte erloschen waren, wie sich aus Abschnitt X. Ziff. 7 des Vertrags ergibt. Der Klägerin oblag es nicht, für den Fall vorzusorgen, dass die Beklagte ihrerseits die ihr obliegenden Vertragspflichten nicht erfüllt und dementsprechend ein gesetzliches Rücktrittsrecht für sie, die Klägerin, entsteht. Dafür spricht auch, dass nach dem oben Gesagten auch im Falle eines gesetzlichen Anspruchs der Rücktritt den Provisionsanspruch unberührt lässt.
65bb) Das Landgericht hat der Beklagten auch zu Recht einen Anspruch auf Erstattung der Verzugszinsen in Höhe von 207.570,23 € zuerkannt.
66Nach dem Rücktritt vom Vertrag hatte die Klägerin gegen die Beklagte einen An-spruch auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags nebst Zinsen aus § 346 Abs. 1 BGB (vgl. Hinweisbeschluss des Senats I-6 U 119/12). Die Beklagte ist mit dieser Erklärung in Verzug geraten, weil sie diese Zustimmung nicht auf Aufforderung nach dem, aus den oben genannten Gründen wirksamen Rücktritt der Klägerin vom Vertrag erklärt hat. Folge dessen war, dass der hinterlegte Betrag statt am 25.06.2010 erst am 31.01.2012 zurückgezahlt worden ist.
67Die Klägerin hat insoweit auch einen Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 BGB. Denn nach Sinn und Zweck ist § 288 BGB auch auf den Verzug mit einer Freigabeerklärung in Bezug auf hinterlegtes Geld entsprechend anzuwenden, weil dem Gläubiger auch in dieser Fallkonstellation ein Geldbetrag, auf den er einen Anspruch hat, schuldhaft und rechtswidrig vorenthalten wird (BGH, Urt. v. 25.04.2006, XI ZR 271/05, juris Rz. 8, 10 = NJW 2006, 2398).
68Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es nicht deswegen an der Aktivlegitimation der Klägerin, weil die S ihrerseits mit dem Notar einen Treuhandvertrag geschlossen hat. Die Klägerin ist Gläubigerin des Rückzahlungsanspruchs, weil sie durch die Zahlung der S, die im Auftrag der Klägerin geleistet hat, den Anspruch auf Hinterlegung des vorläufigen Kaufvertrags erfüllt hat. Bei dem gezahlten Betrag handelt es sich um einen solchen, den die S der Klägerin zwecks Finanzierung des Kaufs darlehensweise zur Verfügung gestellt hatte. Entsprechend standen ausweislich des geschlossenen Vertrages auch der Klägerin, nicht etwa der S, die durch Hinterlegung auf dem Notaranderkonto angefallenen Zinsen bis zum Stichtag zu. Da die Leistung durch die Klägerin erfolgt ist, stand ihr als Gläubigerin auch der Anspruch auf Zustimmung zur Rückzahlung des hinterlegten Betrags zu und hat auch sie den Anspruch auf Verzugszinsen, zumal sie auch gegenüber der S für den Verzugszeitraum zur Zahlung von Darlehenszinsen verpflichtet gewesen sein dürfte.
69Dem steht nicht entgegen, dass die S ihrerseits mit dem Notar ein Treuhandverhältnis abgeschlossen hat, den Treuhandauftrag nach Rücktritt der Klägerin vom Vertrag widerrufen und Zahlung an sich verlangt hat. Dieses Treuhandverhältnis diente zur Absicherung der S als Darlehensgeberin für den Fall, dass der Kaufvertrag nicht durchgeführt werden sollte. Die Klägerin hat dem Rechnung getragen und Zustimmung zur Auszahlung nicht etwa an sich selbst, sondern an die S Filiale Flensburg (Anlage K 4) verlangt.
70Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Notar hätte auf den Widerruf des Treuhandverhältnisses durch die S den Betrag sofort an diese überweisen müssen, verhält sie sich treuwidrig, weil sie durch ihr eigenes Verhalten die frühere Rückzahlung durch den Notar verhindert hat, indem sie gegen die beabsichtigte Rückzahlung vorgegangen ist. Im Hinblick hierauf kann sie sich nicht darauf berufen, dass der Notar aufgrund des Treuhandverhältnisses mit der S zu einer sofortigen Rückzahlung nach § 54c Abs. 1 BeurkG verpflichtet gewesen wäre, und dahinstehen, ob die Voraussetzungen hiernach gegeben gewesen sind.
71Die Beklagte hat ihrerseits nach der Erklärung des Rücktritts durch die Klägerin unter dem 22.06.2010 beim Landgericht zum Aktenzeichen 19 T 52/10 ein Verfahren auf einstweilige Anordnung anhängig gemacht und begehrt, dem Notar bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den vorläufigen Kaufpreis an die S oder die Klägerin zurückzuzahlen. Dieses Beschwerdeverfahren wurde erst durch die Entscheidung des BGH vom 29.09.2011 abgeschlossen. Durch diesen Antrag hat die Beklagte die Zustimmung zur Rückzahlung verweigert. Zudem hat die Beklagte gegen den Vorbescheid des Notars vom 25.08.2010, in dem er angekündigt hat, die Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises nunmehr am 01.09.2010 vornehmen zu wollen (GA 6, Anlage K8), Beschwerde eingelegt und erneut beantragt, dem Notar durch einstweilige Anordnung aufzugeben bis zur Entscheidung des Beschwerdeverfahrens (9 T 158/10) diesem zu untersagen, den hinterlegten Kaufpreis auszuzahlen. Die einstweilige Anordnung wurde am 30.08.2010 erlassen. Dies mündete in die Aufforderung des Notars vom 18.11.2011 an die Klägerin, den Nachweis zu führen, dass ein gerichtliches Verfahren zur Herbeiführung einer übereinstimmenden Anweisung anhängig ist, was letztlich zur Freigabe zur Rückzahlung durch die Beklagte im Januar 2012 führte. Da die Beklagte durch ihr eigenes Verhalten und die von ihr angestrengten Verfahren die frühere Rückgabe durch den Notar verhindert hat, indem sie gegen die beabsichtigte Rückzahlung vorgegangen ist, kann sie sich nicht darauf berufen, dass der Notar aufgrund des Treuhandverhältnisses mit der S zu einer sofortigen Rückzahlung verpflichtet gewesen wäre.“
72b) Soweit die Beklagte gegen die dargestellte Sichtweise des Senats im Rahmen ihres Ablehnungsgesuchs vom 04.06.2015 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.01.2016 Einwendungen erhoben hat, geben diese auch unter Berücksichtigung der nach dem Erlass des Hinweisbeschlusses im Übrigen noch eingegangenen Schriftsätze der Parteien zu einer anderen Würdigung keinen Anlass.
73aa) Der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag war nicht deswegen ausgeschlossen, weil dieser zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mangels Eintritts einer Bedingung schwebend unwirksam gewesen wäre.
74(1) Soweit die Beklagte in dem genannten Ablehnungsgesuch die Auffassung vertritt, dass der Vertrag wegen einer aufschiebenden Bedingung nicht wirksam geworden sei, setzt sie sich schon mit den Argumenten des Senats im Hinweisbeschluss nicht auseinander. Allein der Hinweis auf den Wortlaut des Vertrags reicht in Anbetracht der Ausführungen des Senats nicht aus, dessen Wertung in Zweifel zu ziehen. Insbesondere legt die Beklagte nicht dar, warum es sich nach dem Willen der Parteien um eine aufschiebende Bedingung für den gesamten Vertrag und nicht nur für die Übertragung der Rechte, das heißt den Vollzug, gehandelt haben soll. Folglich hält der Senat an seiner Einschätzung fest, dass die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrags trotz des Wortlauts der Regelung des Regelung I B. des Abschnitt II. 2 Abs. 2 nicht in seiner Gesamtheit von einer aufschiebenden Bedingung abhing, weil nach dem Kontext der Klausel und der Interessenlage der Parteien der Sinn der Klausel darin bestanden hat sicherzustellen, dass die Klägerin die ihr obliegenden Verpflichtungen erfüllt, bevor die Rechte übertragen werden. Dafür spricht auch die Überschrift dieses Abschnittes, der mit „Abtretung“ überschrieben ist.
75Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn man dieser Sichtweise nicht folgen wollte, das Ergebnis kein anderes wäre. Denn auch dann, wenn man die aufschiebende Bedingung auf die schuldrechtlichen Absprachen ausdehnen würde, stünde aus Sicht des Senats fest, dass nicht alle Regelungen nur aufschiebend bedingt gelten sollten, sondern allenfalls die typischen kaufvertraglichen Hauptpflichten.
76Die Parteien sind konkrete vertragliche Verpflichtungen bezüglich des Procedere der Vertragsabwicklung eingegangen, die gerade dazu dienen sollten, die aufschiebende Bedingung herbeizuführen. Wollte man die diesbezüglichen Bestimmungen ihrerseits unter die in Rede stehende aufschiebende Bedingung stellen, würde dies die Durchführung des Vertrags blockieren, was von den Parteien nicht beabsichtigt gewesen sein kann. Dies scheint auch die Beklagte selbst - zumindest zunächst – so gesehen zu haben, sonst wäre nicht verständlich, wieso sie ihrerseits die Zustimmung zur Auszahlung des vorläufigen Kaufpreises vom Notar an sich verlangt hat, obwohl auch dieser Anspruch nach ihrer Sichtweise schon wegen der insgesamt schwebenden Unwirksamkeit nicht hätte bestehen können.
77(2) Weiter kommt hinzu, dass sich die Klägerin von einem insgesamt aufschiebend bedingten Vertrag deshalb hätte lösen können, weil ihr ein weiteres Zuwarten auf die Vorlage des Übergabeprotokolls im Zeitpunkt ihrer Rücktrittserklärung unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar geworden war (vgl. BGH Urt. v. 02.10.2015, V ZR 307/13, juris Rz. 21 = MDR 2016, 79 f.).
78Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 07.05.2013 dargelegt hat, hatte die Klägerin einen Anspruch auf Nachweis des Stichtags durch Vorlage des Übergabeprotokolls. Dieser Umstand war für sie von besonderer Bedeutung, weil der Eintritt des Stichtags nach den Vereinbarungen der Parteien Voraussetzung für die Auszahlung des vorläufigen und Bezugspunkt für die Berechnung des endgültigen Kaufpreises war, der Klägerin eine vollständige Kaufpreiszahlung aber erst nach endgültiger Berechnung und Mitteilung des Kaufpreises möglich war, die den vorherigen Eintritt des Stichtags voraussetzte. Wie bereits in dem genannten Hinweisbeschluss dargelegt, war die Vorlage des Übergabeprotokolls spätestens Anfang 2009 fällig und der Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt des Rücktritts mit Schreiben vom 18.06.2010 ein weiteres Zuwarten auf die Vorlage des Übergabeprotokolls nicht mehr zumutbar, weil sie ihren Teil der Verpflichtungen bereits im Jahr 2008 vollständig erfüllt hatte, da sie unstreitig den vorläufigen Kaufpreis entsprechend der getroffenen Vereinbarungen auf das Notaranderkonto gezahlt hatte.
79Zudem hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt auch eine Bürgschaft gestellt, um ihrer Verpflichtung zur Befreiung der T von deren eventuellen Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der finanzierenden Bank nachzukommen. Hierzu sollte die Klägerin zwar nach Abschnitt B III. Abs. 3 des Vertrags eine Bankbürgschaft in Höhe von 950.000,- € stellen und beim beurkundenden Notar hinterlegen, was sie nicht getan hat. Die Klägerin hat durch den nach Erlass des Hinweisbeschlusses eingegangenen Schriftsatz vom 10.06.2015 jedoch dargelegt, dass sie im August 2007 gegenüber der S D eine Höchstbetragsbürgschaft von 950.000,- € zur Sicherung aller künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der S gegen die T übernommen hat. Die S hat daraufhin durch Schreiben vom 16.08.2007 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten erklärt, dass sie die T zum unter Punkt III des Kaufvertrags vereinbarten Stichtag aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung entlassen werde. Dieses, durch Vorlage einer Kopie des Schreibens und der Bürgschaftsurkunde belegte Vorbringen hat die Beklagte im Folgenden nicht bestritten.
80Durch dieses Schreiben hat die S die in Abschnitt B III. Ziff. 3 Abs. 3 genannte Erklärung abgegeben, die im Falle der vorgesehenen Gestellung einer Bankbürgschaft und Hinterlegung derselben beim Notar diesen berechtigt hätte, diese Bürgschaftsurkunde an die Klägerin zurückzugeben. Da die Beklagte dieser Vorgehensweise der Klägerin, die geeignet war, die in Abschnitt B II. Abs. 2 vorgesehene Befreiung der T von ihrer eventuellen Bürgschaftsverpflichtung herbeizuführen, nicht widersprochen, sondern ihrerseits auf der weiteren Vertragsdurchführung bestanden hat, hat sie sich konkludent mit der Gestellung der persönlichen Bürgschaft durch die Klägerin für die Geschäftsverbindlichkeiten der T als Absicherung im Sinne des Abschnitts B III. Abs. 3 einverstanden erklärt.
81Da die Klägerin ihren Teil der Verpflichtung erfüllt, und durch Zahlung des Kaufpreises von 1.880.000,- € eine erhebliche finanzielle Last übernommen hat, weil ihr infolgedessen entweder die entsprechende Liquidität fehlte oder sie – wovon hier auszugehen ist - in erheblichem Maße Zinsen für ein Darlehen in dieser Höhe zahlen musste, war ihr ein Zuwarten von mehr als einem Jahr auf die Erfüllung der der Beklagten obliegenden Pflicht zur Vorlage des Übergabeprotokolls unzumutbar.
82bb) Die Beklagte ist ihrer Leistungspflicht zur Vorlage des Übergabeprotokolls nicht innerhalb der gesetzten Nachfrist nachgekommen. Insoweit wird auf die Begründung im Hinweisbeschluss Bezug genommen.
83Soweit die Beklagte darauf verweist, dass sich die Mieterin in dem Vergleich vom 06.05.2010 verpflichtet habe, zukünftig die vereinbarte Miete zu zahlen, machte dies die Vorlage des Übergabeprotokolls nicht entbehrlich, weil diese Urkunde nicht in gleicher Weise wie ein Übergabeprotokoll geeignet ist, den Nachweis dafür zu führen, dass der Mieter nicht aufgrund von Mängeln oder ausstehenden Restarbeiten berechtigt ist, die Miete nicht in voller Höhe zu zahlen. Dem Vergleichstext vom 06.05.2010 fehlt die notwendige Klarheit und Bestimmtheit, weil sich die Mieterin zugleich die Geltendmachung weiterer Schadensersatzansprüche ausdrücklich vorbehalten hat, wodurch eine Unsicherheit über das Fortbestehen von Mängeln und den Umfang daraus resultierender Rechte verbleibt. Der BGH hat dies in seiner Entscheidung im Notarbeschwerdeverfahren (V ZB 241/10) nicht anders gesehen, sondern erst den nach dem Rücktritt der Klägerin geschlossenen Vergleich vom 23.07.2010 als ausreichend erachtet.
84cc) Der Rücktritt der Klägerin war auch nicht wegen eines eigenen nicht vertragsgemäßen Verhaltens der Klägerin ausgeschlossen.
85Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass auch die Pflicht zur Gestellung der Bankbürgschaft im Gegenseitigkeitsverhältnis stehe, kann dem nicht gefolgt werden, weil Hauptleistungspflicht der Klägerin – neben der Kaufpreiszahlung - lediglich die Befreiung der T von der Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der finanzierenden Bank war. Dies konnte die Klägerin auch auf andere Weise als durch Gestellung einer Bankbürgschaft erreichen, was sich gerade daran zeigt, dass die entsprechende Erklärung der S aufgrund der Gestellung der persönlichen Bürgschaft erfolgt ist.
86Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr bezüglich dieser Nebenpflicht ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zugestanden hätte, weil sie dieses jedenfalls bis zur Erklärung des Rücktritts durch die Klägerin nicht geltend gemacht hat. Die Geltendmachung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus ihrer Rücktrittserklärung vom 02.12.2012, weil die Berufung auf die endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Klägerin nicht erkennen lässt, auf welche Umstände die Beklagte die Erfüllungsverweigerung stützt.
87Zudem hat die Klägerin die Verpflichtung zur Gestellung einer Bürgschaft aus den oben genannten Gründen erfüllt, weil sich die Beklagte konkludent damit einverstanden erklärt hat, dass statt der Bankbürgschaft von der Klägerin die persönliche Bürgschaft gegenüber der finanzierenden Bank übernommen worden ist.
88dd) Der Klägerin ist auch ein Schaden in der genannten Höhe entstanden. Insbesondere hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Erstattung der Verzugszinsen nach § 288 BGB.
89Soweit die Beklagte insoweit im Rahmen des Ablehnungsgesuchs bemängelt, dass der Senat in seiner Begründung die Aktivlegitimation der Klägerin angenommen hat, weil er davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem gezahlten Betrag um einen solchen gehandelt hat, den die S der Klägerin zwecks Finanzierung des Kaufs darlehensweise zur Verfügung gestellt hatte, bestreitet sie nicht einmal, dass diese naheliegende Annahme, die auf die Überweisung der S gestützt war, richtig ist.
90Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei nicht für die verspätete Rückzahlung der Verwahrungsmasse ursächlich geworden, weil der Notar eine eigene Entscheidung dahingehend getroffen habe, nicht an die S auszuzahlen. Denn diese Entscheidung des Notars ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Beklagte gegen die beabsichtigte Rückzahlung vorgegangen ist und der Notar den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abwarten wollte, wie sich aus seinem Schriftsatz vom 31.08.2010 in dem Beschwerdeverfahren 19 T 158/10, Landgericht Düsseldorf, ergibt. Zudem hätte er sich gegebenenfalls einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt gesehen, wenn, wie die Beklagte in den von ihr angestrengten Verfahren behauptet hat, die Voraussetzungen für die Freigabe zur Rückzahlung nicht gegeben gewesen wären.
912.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
93Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben (§ 543 ZPO).
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Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 11. Feb. 2016 - I-6 U 247/14
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 11. Feb. 2016 - I-6 U 247/14
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Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 11. Feb. 2016 - I-6 U 247/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteiligte zu 1 war Alleingesellschafterin der T. d. Beteiligungs-GmbH, die seit der Verschmelzung mit der T. s. Beteiligungs-GmbH unter dieser Bezeichnung firmiert und die der L. 7. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mit Vertrag vom 2. März 2007 ein von ihr zu errichtendes Pflegeheim vermietet hatte. Mit notariellem Vertrag vom 8. Mai 2007 verkaufte die Beteiligte zu 1 ihre Geschäftsanteile an der T. d. Beteiligungs-GmbH an die Beteiligte zu 2 zu einem vorläufigen Kaufpreis von 1.880.000 €.In dem Abschnitt B.I. des Kaufvertrages heißt es u.a.: „5. Der vorläufige Kaufpreis ist spätestens zum 31.05.2007 auf dem dafür vom beurkundenden Notar einzurichtenden Notar-Anderkonto zu hinterlegen. … Die Zinsen des Notar-Anderkontos nach Abzug der Kontoführungsgebühren stehen bis zum Stichtag dem Käufer, danach dem Verkäufer zu. Stichtag ist der Tag des vertragsgemäßen Beginns der Mietzahlungen nach Übergabe des zu errichtenden Pflegeheims an den Mieter. Dieser Stichtag ist dem amtierenden Notar durch Vorlage des Übergabeprotokolls nachzuweisen. Dieses Übergabeprotokoll darf keine Mängel oder Restarbeiten beinhalten, die den Mieter berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe an die Gesellschaft zu zahlen. … 6. Mit Eintritt und Nachweis des Stichtages ist der Verkäufer berechtigt, die Auszahlung des auf dem Notar-Anderkonto hinterlegten Betrages nebst anteiliger Zinsen an sich zu verlangen…“
- 2
- Die zunächst von der S. bank über den Betrag von 1.880.000 € gegenüber der Beteiligten zu 1 erklärte Bürgschaft und die bei dem Notar hinterlegte Bürgschaftsurkunde ersetzte die Bank später durch die Überweisung des Geldbetrages, verbunden mit einem schriftlichen Treuhandauftrag an den Notar, in dem auf die Regelung B.I.5. des Kaufvertrages Bezug genommen wurde.
- 3
- Einen ersten Antrag der Beteiligten zu 1 auf Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages wies der Notar mit der Begründung zurück, es habe kein von der Vermieterin und der Mieterin gemeinsam unterzeichnetes Übergabeprotokoll vorgelegen. Hiergegen eingelegte Rechtsmittel blieben erfolglos. Nachfolgend hat die Beteiligte zu 1 abermals die Auskehr des hinterlegten Geldbetrages verlangt und sich zum Nachweis der Auszahlungsreife zunächst auf verschiedene Urkunden bezogen. Mit an die Beteiligte zu 1 gerichtetem Schreiben vom 18. März 2010 teilte der Notar mit, dass er sich nach wie vor nicht im Stande sehe, den hinterlegten Geldbetrag auszuzahlen.
- 4
- Gegen das Schreiben des Notars hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und einen zwischen der Vermieterin und der Mieterin am 6. Mai 2010 geschlossenen Vergleich vorgelegt, in dem sich Letztere verpflichtet hatte, „ab dem 10. Mai 2010 die nach dem Mietvertrag geschuldeten Mietzinsen anteilig für Mai … und ab Juni 2010 in Höhe des gemäß dem Mietvertrag vereinnahmten Mietzinses … zu zahlen“, sich jedoch die „Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche“ vorbehalten hatte. Darüber hinaus hat sie sich auf einen weiteren zwischen den Parteien des Mietvertrages geschlossenen Vergleich bezogen, der erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam geworden ist. Die Vereinbarung enthält u.a. folgende Regelungen: „3. Die Parteien sind weiterhin darüber einig, dass die Klägerin der Beklagten wegen der Verzögerung der Übergabe ..., hervorgerufen durch fehlende Türen, eine Vertragsstrafe von zwei Monatsmieten … schuldet. Diese Vertragsstrafe wird mit dem Mietzinsanspruch … verrechnet.
- 5
- Bereits mit Schreiben jeweils vom 18. Juni 2010 hatte die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 den Rücktritt von dem Kaufvertrag und die S. bank dem Notar die Beendigung des Treuhandauftrags erklärt sowie um Rückzahlung des überwiesenen Betrages gebeten.
- 6
- Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1 die Anweisung an den Notar, den hinterlegten Betrag an sie auszuzahlen. Die Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
- 7
- Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Auszahlung nach dem notariellen Kaufvertrag vom 8. Mai 2007 seien nicht erfüllt. Ein von der Vermieterin und der Mieterin gemeinsam unterzeichnetes Übergabeprotokoll liege nicht vor. Dieses sei auch nicht durch die von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Urkunden, insbesondere nicht durch den abgeschlossenen sowie den weiteren beabsichtigten Vergleich zwischen der Vermieterin und der Mieterin ersetzt worden. Es fehle eine unzweifelhafte Erklärung der Mieterin, dass an der Mietsache keine Mängel (mehr) vorhanden seien. In dem am 6. Mai 2010 geschlossenen Vergleich habe sich die Mieterin die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche ausdrücklich vorbehalten, so dass nicht mit der gebotenen Klarheit davon ausgegangen werden könne, es seien keine Mietkürzungen rechtfertigende Mängel mehr vorhanden. Gleiches gelte für den noch nicht wirksam gewordenen Vergleich. Die Mieterin bestätige dort zwar, dass die Mietsache übergeben worden sei. Sie erkläre auch, keine Mängel mehr zu rügen, die künftig einer Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstünden, dies aber unter dem Vorbehalt, dass sich keine Mängel neu zeigten oder Mängel von den Behörden mit einer Beseitigungspflicht beanstandet würden. Darüber hinaus habe sich die Vermieterin nach diesem Vergleich zur Beseitigung bestimmter Mängel verpflichten sollen. Über die Frage, ob der Notar den hinterlegten Betrag an die S. bank zu zahlen habe, sei nicht in diesem Verfahren zu entscheiden.
III.
- 8
- 1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 70 Abs. 1 FamFG, § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht bindet den Senat unabhängig davon, ob der von dem Beschwerdegericht bejahte Zulassungsgrund – was hier zu verneinen sein dürfte – gegeben ist (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG; vgl. auch Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 – V ZB 219/10, juris Rn. 5). Dass der Beteiligten zu 1 die Möglichkeit offen steht, die Beteiligte zu 2 in einem (Prätendenten-)Rechtstreit auf Zustimmung zur Auszahlung des bei dem Notar hinterlegten Kaufpreises in Anspruch zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – V ZB 70/10, juris Rn. 30), lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines auf die Auszahlung und damit auf die Vornahme einer Amtshandlung des Notars gerichteten Beschwerdeverfahrens nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht entfallen (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 15 Rn. 125; Haug, DNotZ 1992, 18, 24; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. März 1998 - IX ZR 242/97, BGHZ 138, 179, 181 f.).
- 9
- 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
- 10
- a) Mit der gegebenen Begründung kann das Auszahlungsverlangen der Beteiligten zu 1 nicht zurückgewiesen werden.
- 11
- aa) Ein Notar darf seine Amtstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO); er muss sie versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BNotO). Dies gilt auch bei der Durchführung von Verwahrungsgeschäften (§ 54a Abs. 2 Nr. 2 BeurkG; §§ 23, 24 BNotO). Eine Verwahrungsanweisung muss der Notar mit peinlicher Genauigkeit beachten (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 219/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 28. Oktober 2010 – V ZB 70/10, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 – III ZR 294/02, NJW-RR 2003, 1434, 1435; Urteil vom 10. Februar 2000 – IX ZR 41/99, NJW 2000, 1644), wobei er den Inhalt der ihm erteilten Verwahrungsanweisung grundsätzlich nicht entgegen deren Wortlaut durch Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags ermitteln darf (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 – V ZB 219/10, juris Rn. 7 mwN). Nach der in B.I.6. des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Hinterlegungsanweisung ist die Beteiligte zu 1 als Verkäuferin der Gesellschaftsanteile „mit Eintritt und Nachweis des Stichtages“ berechtigt, die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrages nebst anteiliger Zinsen an sich zu verlangen. Der Stichtag ist nach B.I.5. des Kaufvertrages durch Vorlage des Übergabeprotokolls nachzuweisen. Aus diesem dürfen „keine Mängel oder Restarbeiten hervorgehen“, die den Mieter berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe zu zahlen. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Mietsache völlig mangelfrei ist. Die Auszahlungsreife ist vielmehr schon dann gegeben, wenn keine Mängel vorliegen und keine Restarbeiten erforderlich sind, die dazu berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe zu zahlen. Das bedeutet nichts anderes, als dass Mängel, die nicht zur Minderung der Miete nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB oder zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts berechtigten, für die Frage der Auskehrung des hinterlegten Betrages unerheblich sind.
- 12
- bb) Auf dieser Grundlage erscheint es schon zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Mängeln den richtigen Maßstab zugrunde gelegt hat. Rechtsfehlerhaft hat es jedenfalls den zwischen den Parteien des Mietvertrages geschlossenen und nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam gewordenen Vergleich schon nach seinem Inhalt nicht als geeignete Grundlage für den Nachweis der Auszahlungsreife angesehen.
- 13
- (1) Die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des gerichtlichen Vergleichs ist im Rechtsbeschwerdeverfahren jedenfalls darauf überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. zum Revisionsverfahren: Senat, Urteil vom 1. Oktober 2010 – V ZR 173/09, NJW 2010, 3774 f. Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46). Die Frage, ob Prozessvergleiche in einem weitergehenden Umfang, nämlich unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden können (offengelassen BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; bejahend BAG, MDR 1983, 1053), bedarf keiner Entscheidung, weil sich die Auslegung schon aufgrund der beschränkten Nachprüfung als rechtsfehlerhaft erweist.
- 14
- (2) Das Beschwerdegericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei der Auslegung von dem von den Beteiligten gewählten Wortlaut der Erklärungen auszugehen ist (Senat, Urteil vom 26. November 2004 – V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395). Der hier in Rede stehende Vergleichstext enthält - anders als der Prozessvergleich vom 6. Mai 2010 - die ausdrückliche Bestätigung der Parteien des Mietvertrages, dass die Mietsache übergeben worden ist. Darüber hinaus haben sich die Vertragsparteien mit Blick auf die Vergangenheit wegen der aufgetretenen Mängel insbesondere durch die Zuerkennung von Schadensersatzforderungen und durch eine Ratenzahlungsvereinbarung geeinigt und sodann festgestellt, dass die Mieterin für die Zukunft keine Mängel mehr rügt, die der Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstehen. Aufgrund dieser Vergleichsregelung kann eine Mietminderung nicht mehr auf diese Mängel gestützt werden. Das gilt umso mehr, als der Vergleich ausdrücklich die „Bestätigung“ der Mieterin enthält, keine Mängel mehr zu rügen, die der Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstehen. Dass Letzteres unter dem Vorbehalt geschehen ist, ausgenommen seien neu auftretende Mängel und solche, die von den Behörden mit einer Beseitigungsverpflichtung beanstandet würden, hindert den Eintritt der Auszahlungsreife nicht. Denn schon nach seinem Wortlaut enthält der Vorbehalt nicht die Erklärung, die Mietsache weise Mängel auf, die die Mieterin - auch weiterhin - zu einer Mietminderung berechtigten. Allein die Möglichkeit, dass Mängel irgendwann einmal auftreten oder mit einer behördlich angeordneten Beseitigungsverpflichtung belegt werden, steht der einmal eingetretenen Auszahlungsreife nicht entgegen.
- 15
- b) Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.
- 16
- aa) Allerdings ist der Senat nicht durch die Regelung des § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 ZPO gehindert, den Umstand zu berücksichtigen, dass der Vergleich erst nach Beendigung der letzten Tatsacheninstanz nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam geworden ist. Denn hierbei handelt es sich um eine offenkundige und auf einem Akt der Gerichtsbarkeit beruhende neue Tatsache, die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. Senat, Urteil vom 12. Oktober 1984 – V ZR 31/83, MDR 1985, 394; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 – IV ZR 750/68, NJW 1970, 1007 beide zum Revisionsverfahren; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – XII ZB 158/91, NJW 1994, 579 zu § 27 FGG).
- 17
- bb) Einer abschließenden Entscheidung der Sache durch den Senat steht jedoch entgegen, dass das Beschwerdegericht – von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig – unter dem Blickwinkel von § 54c Abs. 3 Satz 1 BeurkG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der von der Beteiligten zu 2 erklärte Rücktritt von dem Kaufvertrag der Auskehrung des hinterlegten Betrages an die Beteiligte zu 1 entgegen steht. Gleiches gilt für die Frage, ob der von der S. bank erklärte Widerruf des Treuhandauftrages die beantragte Auskehrung hindert. Denn Treuhandaufträge, die dem Notar im Zusammenhang mit dem Vollzug des der Verwahrung zugrunde liegenden Geschäfts von Personen erteilt werden, die an diesem nicht beteiligt sind (§ 54a Abs. 6 BeurkG), können unter den Voraussetzungen des § 54c Abs. 1 BeurkG widerrufen werden (Eylmann/Vaasen/Hertel, BeurkG, 3. Aufl., § 54c Rn. 10; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 54c Rn. 16; Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 5. Aufl., § 54c Rn.
62).
IV.
- 18
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 39). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.08.2010 - 19 T 52/10 -
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteiligte zu 1 war Alleingesellschafterin der T. d. Beteiligungs-GmbH, die seit der Verschmelzung mit der T. s. Beteiligungs-GmbH unter dieser Bezeichnung firmiert und die der L. 7. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mit Vertrag vom 2. März 2007 ein von ihr zu errichtendes Pflegeheim vermietet hatte. Mit notariellem Vertrag vom 8. Mai 2007 verkaufte die Beteiligte zu 1 ihre Geschäftsanteile an der T. d. Beteiligungs-GmbH an die Beteiligte zu 2 zu einem vorläufigen Kaufpreis von 1.880.000 €.In dem Abschnitt B.I. des Kaufvertrages heißt es u.a.: „5. Der vorläufige Kaufpreis ist spätestens zum 31.05.2007 auf dem dafür vom beurkundenden Notar einzurichtenden Notar-Anderkonto zu hinterlegen. … Die Zinsen des Notar-Anderkontos nach Abzug der Kontoführungsgebühren stehen bis zum Stichtag dem Käufer, danach dem Verkäufer zu. Stichtag ist der Tag des vertragsgemäßen Beginns der Mietzahlungen nach Übergabe des zu errichtenden Pflegeheims an den Mieter. Dieser Stichtag ist dem amtierenden Notar durch Vorlage des Übergabeprotokolls nachzuweisen. Dieses Übergabeprotokoll darf keine Mängel oder Restarbeiten beinhalten, die den Mieter berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe an die Gesellschaft zu zahlen. … 6. Mit Eintritt und Nachweis des Stichtages ist der Verkäufer berechtigt, die Auszahlung des auf dem Notar-Anderkonto hinterlegten Betrages nebst anteiliger Zinsen an sich zu verlangen…“
- 2
- Die zunächst von der S. bank über den Betrag von 1.880.000 € gegenüber der Beteiligten zu 1 erklärte Bürgschaft und die bei dem Notar hinterlegte Bürgschaftsurkunde ersetzte die Bank später durch die Überweisung des Geldbetrages, verbunden mit einem schriftlichen Treuhandauftrag an den Notar, in dem auf die Regelung B.I.5. des Kaufvertrages Bezug genommen wurde.
- 3
- Einen ersten Antrag der Beteiligten zu 1 auf Auszahlung des hinterlegten Geldbetrages wies der Notar mit der Begründung zurück, es habe kein von der Vermieterin und der Mieterin gemeinsam unterzeichnetes Übergabeprotokoll vorgelegen. Hiergegen eingelegte Rechtsmittel blieben erfolglos. Nachfolgend hat die Beteiligte zu 1 abermals die Auskehr des hinterlegten Geldbetrages verlangt und sich zum Nachweis der Auszahlungsreife zunächst auf verschiedene Urkunden bezogen. Mit an die Beteiligte zu 1 gerichtetem Schreiben vom 18. März 2010 teilte der Notar mit, dass er sich nach wie vor nicht im Stande sehe, den hinterlegten Geldbetrag auszuzahlen.
- 4
- Gegen das Schreiben des Notars hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und einen zwischen der Vermieterin und der Mieterin am 6. Mai 2010 geschlossenen Vergleich vorgelegt, in dem sich Letztere verpflichtet hatte, „ab dem 10. Mai 2010 die nach dem Mietvertrag geschuldeten Mietzinsen anteilig für Mai … und ab Juni 2010 in Höhe des gemäß dem Mietvertrag vereinnahmten Mietzinses … zu zahlen“, sich jedoch die „Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche“ vorbehalten hatte. Darüber hinaus hat sie sich auf einen weiteren zwischen den Parteien des Mietvertrages geschlossenen Vergleich bezogen, der erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam geworden ist. Die Vereinbarung enthält u.a. folgende Regelungen: „3. Die Parteien sind weiterhin darüber einig, dass die Klägerin der Beklagten wegen der Verzögerung der Übergabe ..., hervorgerufen durch fehlende Türen, eine Vertragsstrafe von zwei Monatsmieten … schuldet. Diese Vertragsstrafe wird mit dem Mietzinsanspruch … verrechnet.
- 5
- Bereits mit Schreiben jeweils vom 18. Juni 2010 hatte die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 den Rücktritt von dem Kaufvertrag und die S. bank dem Notar die Beendigung des Treuhandauftrags erklärt sowie um Rückzahlung des überwiesenen Betrages gebeten.
- 6
- Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1 die Anweisung an den Notar, den hinterlegten Betrag an sie auszuzahlen. Die Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
- 7
- Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Auszahlung nach dem notariellen Kaufvertrag vom 8. Mai 2007 seien nicht erfüllt. Ein von der Vermieterin und der Mieterin gemeinsam unterzeichnetes Übergabeprotokoll liege nicht vor. Dieses sei auch nicht durch die von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Urkunden, insbesondere nicht durch den abgeschlossenen sowie den weiteren beabsichtigten Vergleich zwischen der Vermieterin und der Mieterin ersetzt worden. Es fehle eine unzweifelhafte Erklärung der Mieterin, dass an der Mietsache keine Mängel (mehr) vorhanden seien. In dem am 6. Mai 2010 geschlossenen Vergleich habe sich die Mieterin die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche ausdrücklich vorbehalten, so dass nicht mit der gebotenen Klarheit davon ausgegangen werden könne, es seien keine Mietkürzungen rechtfertigende Mängel mehr vorhanden. Gleiches gelte für den noch nicht wirksam gewordenen Vergleich. Die Mieterin bestätige dort zwar, dass die Mietsache übergeben worden sei. Sie erkläre auch, keine Mängel mehr zu rügen, die künftig einer Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstünden, dies aber unter dem Vorbehalt, dass sich keine Mängel neu zeigten oder Mängel von den Behörden mit einer Beseitigungspflicht beanstandet würden. Darüber hinaus habe sich die Vermieterin nach diesem Vergleich zur Beseitigung bestimmter Mängel verpflichten sollen. Über die Frage, ob der Notar den hinterlegten Betrag an die S. bank zu zahlen habe, sei nicht in diesem Verfahren zu entscheiden.
III.
- 8
- 1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 70 Abs. 1 FamFG, § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht bindet den Senat unabhängig davon, ob der von dem Beschwerdegericht bejahte Zulassungsgrund – was hier zu verneinen sein dürfte – gegeben ist (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG; vgl. auch Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 – V ZB 219/10, juris Rn. 5). Dass der Beteiligten zu 1 die Möglichkeit offen steht, die Beteiligte zu 2 in einem (Prätendenten-)Rechtstreit auf Zustimmung zur Auszahlung des bei dem Notar hinterlegten Kaufpreises in Anspruch zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – V ZB 70/10, juris Rn. 30), lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines auf die Auszahlung und damit auf die Vornahme einer Amtshandlung des Notars gerichteten Beschwerdeverfahrens nach § 15 Abs. 2 BNotO nicht entfallen (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 15 Rn. 125; Haug, DNotZ 1992, 18, 24; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. März 1998 - IX ZR 242/97, BGHZ 138, 179, 181 f.).
- 9
- 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
- 10
- a) Mit der gegebenen Begründung kann das Auszahlungsverlangen der Beteiligten zu 1 nicht zurückgewiesen werden.
- 11
- aa) Ein Notar darf seine Amtstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO); er muss sie versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BNotO). Dies gilt auch bei der Durchführung von Verwahrungsgeschäften (§ 54a Abs. 2 Nr. 2 BeurkG; §§ 23, 24 BNotO). Eine Verwahrungsanweisung muss der Notar mit peinlicher Genauigkeit beachten (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 219/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 28. Oktober 2010 – V ZB 70/10, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 – III ZR 294/02, NJW-RR 2003, 1434, 1435; Urteil vom 10. Februar 2000 – IX ZR 41/99, NJW 2000, 1644), wobei er den Inhalt der ihm erteilten Verwahrungsanweisung grundsätzlich nicht entgegen deren Wortlaut durch Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags ermitteln darf (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 – V ZB 219/10, juris Rn. 7 mwN). Nach der in B.I.6. des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Hinterlegungsanweisung ist die Beteiligte zu 1 als Verkäuferin der Gesellschaftsanteile „mit Eintritt und Nachweis des Stichtages“ berechtigt, die Auszahlung des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrages nebst anteiliger Zinsen an sich zu verlangen. Der Stichtag ist nach B.I.5. des Kaufvertrages durch Vorlage des Übergabeprotokolls nachzuweisen. Aus diesem dürfen „keine Mängel oder Restarbeiten hervorgehen“, die den Mieter berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe zu zahlen. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Mietsache völlig mangelfrei ist. Die Auszahlungsreife ist vielmehr schon dann gegeben, wenn keine Mängel vorliegen und keine Restarbeiten erforderlich sind, die dazu berechtigen, die Miete nicht in voller Höhe zu zahlen. Das bedeutet nichts anderes, als dass Mängel, die nicht zur Minderung der Miete nach § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB oder zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts berechtigten, für die Frage der Auskehrung des hinterlegten Betrages unerheblich sind.
- 12
- bb) Auf dieser Grundlage erscheint es schon zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Mängeln den richtigen Maßstab zugrunde gelegt hat. Rechtsfehlerhaft hat es jedenfalls den zwischen den Parteien des Mietvertrages geschlossenen und nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam gewordenen Vergleich schon nach seinem Inhalt nicht als geeignete Grundlage für den Nachweis der Auszahlungsreife angesehen.
- 13
- (1) Die von dem Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des gerichtlichen Vergleichs ist im Rechtsbeschwerdeverfahren jedenfalls darauf überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. zum Revisionsverfahren: Senat, Urteil vom 1. Oktober 2010 – V ZR 173/09, NJW 2010, 3774 f. Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46). Die Frage, ob Prozessvergleiche in einem weitergehenden Umfang, nämlich unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden können (offengelassen BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; bejahend BAG, MDR 1983, 1053), bedarf keiner Entscheidung, weil sich die Auslegung schon aufgrund der beschränkten Nachprüfung als rechtsfehlerhaft erweist.
- 14
- (2) Das Beschwerdegericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei der Auslegung von dem von den Beteiligten gewählten Wortlaut der Erklärungen auszugehen ist (Senat, Urteil vom 26. November 2004 – V ZR 119/04, MittBayNot 2005, 395). Der hier in Rede stehende Vergleichstext enthält - anders als der Prozessvergleich vom 6. Mai 2010 - die ausdrückliche Bestätigung der Parteien des Mietvertrages, dass die Mietsache übergeben worden ist. Darüber hinaus haben sich die Vertragsparteien mit Blick auf die Vergangenheit wegen der aufgetretenen Mängel insbesondere durch die Zuerkennung von Schadensersatzforderungen und durch eine Ratenzahlungsvereinbarung geeinigt und sodann festgestellt, dass die Mieterin für die Zukunft keine Mängel mehr rügt, die der Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstehen. Aufgrund dieser Vergleichsregelung kann eine Mietminderung nicht mehr auf diese Mängel gestützt werden. Das gilt umso mehr, als der Vergleich ausdrücklich die „Bestätigung“ der Mieterin enthält, keine Mängel mehr zu rügen, die der Zahlung des ungeschmälerten Mietzinses entgegenstehen. Dass Letzteres unter dem Vorbehalt geschehen ist, ausgenommen seien neu auftretende Mängel und solche, die von den Behörden mit einer Beseitigungsverpflichtung beanstandet würden, hindert den Eintritt der Auszahlungsreife nicht. Denn schon nach seinem Wortlaut enthält der Vorbehalt nicht die Erklärung, die Mietsache weise Mängel auf, die die Mieterin - auch weiterhin - zu einer Mietminderung berechtigten. Allein die Möglichkeit, dass Mängel irgendwann einmal auftreten oder mit einer behördlich angeordneten Beseitigungsverpflichtung belegt werden, steht der einmal eingetretenen Auszahlungsreife nicht entgegen.
- 15
- b) Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif.
- 16
- aa) Allerdings ist der Senat nicht durch die Regelung des § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 ZPO gehindert, den Umstand zu berücksichtigen, dass der Vergleich erst nach Beendigung der letzten Tatsacheninstanz nach § 278 Abs. 6 ZPO wirksam geworden ist. Denn hierbei handelt es sich um eine offenkundige und auf einem Akt der Gerichtsbarkeit beruhende neue Tatsache, die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. Senat, Urteil vom 12. Oktober 1984 – V ZR 31/83, MDR 1985, 394; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1969 – IV ZR 750/68, NJW 1970, 1007 beide zum Revisionsverfahren; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – XII ZB 158/91, NJW 1994, 579 zu § 27 FGG).
- 17
- bb) Einer abschließenden Entscheidung der Sache durch den Senat steht jedoch entgegen, dass das Beschwerdegericht – von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig – unter dem Blickwinkel von § 54c Abs. 3 Satz 1 BeurkG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der von der Beteiligten zu 2 erklärte Rücktritt von dem Kaufvertrag der Auskehrung des hinterlegten Betrages an die Beteiligte zu 1 entgegen steht. Gleiches gilt für die Frage, ob der von der S. bank erklärte Widerruf des Treuhandauftrages die beantragte Auskehrung hindert. Denn Treuhandaufträge, die dem Notar im Zusammenhang mit dem Vollzug des der Verwahrung zugrunde liegenden Geschäfts von Personen erteilt werden, die an diesem nicht beteiligt sind (§ 54a Abs. 6 BeurkG), können unter den Voraussetzungen des § 54c Abs. 1 BeurkG widerrufen werden (Eylmann/Vaasen/Hertel, BeurkG, 3. Aufl., § 54c Rn. 10; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 54c Rn. 16; Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, 5. Aufl., § 54c Rn.
62).
IV.
- 18
- Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 39). Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.08.2010 - 19 T 52/10 -
(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags oder für die Vermittlung eines Vertrags einen Maklerlohn verspricht, ist zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Maklers zustande kommt. Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der Maklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt.
(2) Aufwendungen sind dem Makler nur zu ersetzen, wenn es vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Durch Vermittlung der Klägerin bot der Beklagte als Mietinteressent der S. GmbH mit Schreiben vom 18. September 1996 den Abschluß eines Mietvertrags zum Betrieb eines Spiel- und Freizeitcenters im Einkaufszentrum "S. Straße" in B. an. Das vom Beklagten am selben Tag unterschriebene Mietvertragsformular , in dem als voraussichtlicher Mietbeginn das zweite Quartal 1998 angegeben und eine Mietdauer von zehn Jahren vorgesehen war, war beige-
fügt. In dem Angebotsschreiben teilte der Beklagte der Vermieterin mit, daû er sich an dieses Angebot bis zum 31. März 1997 gebunden halte. Weiter heiût es: "Dieses Angebot gilt vorbehaltlich der Erteilung der behördlichen Genehmigungen zum vorgesehenen Betriebszweck - Spielhalle mit 2 x 10 Spielgeräten".
Ebenfalls am 18. September 1996 unterzeichnete der Beklagte eine "Vereinbarung", in der er bestätigte, daû die Klägerin den Abschluû des Mietvertrags vermittelt habe; weiterhin verpflichtete sich der Beklagte, eine Courtage in Höhe von 3 % der Zehn-Jahres-Grundmiete zu zahlen. Die Courtage sollte zur Zahlung fällig sein, "sobald der vom Vermieter gegengezeichnete Mietvertrag dem Mieter vorliegt und alle zur Ausübung des Gewerbes notwendigen Genehmigungen vorliegen - spätestens jedoch mit der Übergabe des Mietbereiches".
Am 19. Dezember 1996 unterzeichnete die Vermieterin den Mietvertrag. Ende 1998 nahm der Beklagte die Mieträume in Besitz und betrieb bis zum Beginn des Januar 2000 eine Spielhalle, ohne daû die erforderliche behördliche Genehmigung nach § 33 i GewO erteilt worden wäre.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung der Maklerprovision in Höhe von 61.354,80 DM nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten antragsgemäû verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daû der Beklagte die versprochene Provision schulde. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach Unterzeichnung des Mietvertrags sei der Mietgegenstand entsprechend der Baugenehmigung errichtet worden; auch habe der Beklagte durch Inbesitznahme der Mietsache den Mietvertrag in Vollzug gesetzt. Damit sei die Provision verdient. Daû die zum Betrieb der Spielhalle nach § 33 i GewO notwendige Genehmigung bis zum Auszug des Beklagten nicht erteilt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Das Fehlen dieser Genehmigung ändere nichts am Zustandekommen eines wirksamen Mietvertrags, sondern betreffe nur das Durchführungsstadium des Hauptvertrags und falle daher vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen im Maklervertrag in den Risikobereich des Auftraggebers.
Eine derartige, das Risiko der Nichterteilung der Genehmigung auf den Makler verlagernde Abrede könne nicht in der zwischen den Maklervertragsparteien getroffenen "Vereinbarung" vom 18. September 1996 gesehen werden. Zwar könne diese Regelung insoweit als widersprüchlich angesehen werden , als die Fälligkeit des Maklerlohns vom Vorliegen aller zur Ausübung des
Gewerbes notwendigen Genehmigungen abhängig gemacht werde, diese aber andererseits spätestens mit der Übergabe des Mietbereichs eintreten solle. Bei verständiger Würdigung sei dieser Vereinbarung jedoch zu entnehmen, daû - klarstellend - die Courtage in jedem Falle und spätestens mit der Objektübergabe an den Mieter zur Zahlung fällig sein solle. Dieses Auslegungsergebnis entspreche auch dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrags, so daû etwaige Zweifel zu Lasten des Beklagten gehen müûten. Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, daû die Parteien eine andere Regelung hätten treffen wollen, habe der Beklagte nicht vorgetragen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. § 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers nur vom Zustandekommen des Hauptvertrags, nicht von dessen Ausführung abhängig. Demnach schlieûen Umstände, die einen wirksamen Abschluû des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfängliche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung ), eine Provisionspflicht aus. Dagegen lassen Umstände, die ohne eine im Vertragsschluû selbst liegende Unvollkommenheit lediglich die Leistungspflichten aus dem Vertrag beseitigen (wie nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung , Rücktritt oder einverständliche Vertragsaufhebung), den Provisionsanspruch regelmäûig unberührt (Senatsurteile vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00 - NJW 2001, 966, 967 und vom 20. Februar 1997 - III ZR 81/96 - NJW 1997, 1583; BGH, Urteil vom 11. November 1992 - IV ZR 218/91 - NJW-RR 1993, 248, 249).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auûer reinen Beschaffenheitsfehlern auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen die Tauglichkeit der Mietsache zu dem vertragsgemäûen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, daû sie einen Mangel im Sinne des § 537 BGB a.F. begründen (jetzt: §§ 536, 536 c BGB in der Fassung des am 1. September 2001 in Kraft getretenen Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1149). Voraussetzung ist dabei, daû die öffentlichrechtlichen Beschränkungen ihre Ursache gerade in der konkreten Beschaffenheit oder Lage der Mietsache, in deren Beziehung zur Umwelt haben (Urteile vom 23. September 1992 - XII ZR 44/91 - NJW 1992, 3226, 3227 und vom 28. November 1979 - VIII ZR 302/78 - NJW 1980, 777, 778).
Insoweit gilt vorliegend:
a) Nach § 33 i Abs. 1 Satz 1 GewO bedarf das gewerbsmäûige Betreiben einer Spielhalle der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Diese Erlaubnis ist persönlicher und sachlicher Natur, das heiût sie ist an eine bestimmte Person , an bestimmte Räume und eine bestimmte Betriebsart (Spielhalle oder ähnliches Unternehmen) gebunden (Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Bd. I, § 33 i Rn. 20 [Stand: Dezember 1994]). Dementsprechend kann die Versagung der Erlaubnis auf persönlichen oder sachlichen Gründen beruhen, etwa weil der Antragsteller nicht die für die Aufstellung von Spielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 33 i Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 33 c Abs. 2 GewO) oder weil die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit und Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen (§ 33 i Abs. 2 Nr. 2 GewO). Weitere Anforderungen hinsichtlich der Aufstellung von Spielgeräten sind in der Spielverordnung (SpielV) in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 11. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2245) geregelt. Danach dürfen gemäû § 3 Abs. 2 SpielV in Spielhallen je 15 m² Grundfläche höchstens ein Geldoder Warenspielgerät aufgestellt werden; die Gesamtzahl darf jedoch zehn Geräte nicht übersteigen.
b) Der Beklagte hat vorgetragen und unter Beweis gestellt: In Bezirken kerngebietstypischer Nutzung - wie hier - seien benachbarte Spielhallen zulässig und könnten grundsätzlich auch derart betrieben werden, daû zwei nebeneinanderliegende und mit separaten Eingängen versehene Spielhallen in der Mitte einen gemeinsamen "Aufsichtsbereich" aufweisen. Durch eine solche Konstruktion sei es unter erheblichen Einsparungen (insbesondere Personalkosten ) möglich, insgesamt 20 (2 x 10) Spielgeräte zum Einsatz zu bringen. Ausschlieûlich zum Betrieb einer derartigen "Doppelspielhalle" habe er die Räume angemietet. Die Erteilung einer solchen Genehmigung sei von der zuständigen Behörde aus bauordnungsrechtlichen Gründen verweigert worden. Insbesondere seien die Fluchttürwege der Halle I und II als vorschriftswidrig bemängelt worden, da während des Spielbetriebs der jeweilige Fluchttürweg nicht als Durchgang von einer Halle zur anderen zur Verfügung stehen dürfe.
c) Auf der Grundlage dieses Parteivorbringens, von dem im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, waren somit die vom Beklagten angemieteten Räumlichkeiten aus Gründen, die auf der Beschaffenheit der Mietsache beruhten, zum Betrieb einer Doppelspielhalle untauglich.
3. Entspricht die Mietsache bei Überlassung an den Mieter nicht dem vertraglich geschuldeten Zustand, so stehen dem Vermieter die Rechte nach
§§ 537 ff BGB a.F. bzw. §§ 536 ff BGB n.F. zu. Eine Vertragsnichtigkeit nach § 306 BGB wäre auch dann nicht gegeben, wenn - wozu Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen, was aber nicht fernliegend erscheint - aufgrund der örtlichen und räumlichen Gegebenheiten nach den geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein Zustand der Mietsache dergestalt, daû der Betrieb einer Doppelspielhalle erlaubt werden kann, nicht herstellbar gewesen wäre (vgl. BGHZ 136, 102; BGH, Beschluû vom 25. November 1998 - XII ZR 12/97 - NJW 1999, 635).
Ob ein derartiger ursprünglicher Sachmangel nur - wie das Berufungsgericht ersichtlich gemeint hat - die Durchführung des vermittelten Mietvertrags betreffen und deshalb grundsätzlich den Provisionsanspruch des Maklers nicht beeinträchtigen würde, braucht nicht entschieden zu werden (vgl. die im Senatsurteil vom 14. Dezember 2000 aaO angeführten Rechtsprechungs- und Literaturmeinungen zu der vergleichbaren Frage, ob die Wandelung des von einem Makler nachgewiesenen oder vermittelten Kaufvertrags den Vergütungsanspruch des Maklers unabhängig davon unberührt läût, ob der Mangel der Kaufsache bereits bei Vertragsschluû vorgelegen hat oder erst nachträglich entstanden ist).
4. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daû nach dem Wortlaut des dem unterschriebenen Mietvertragsformular beigefügten Anschreibens das in der Übermittlung dieses Formulars liegende Angebot auf Abschluû eines Mietvertrags "vorbehaltlich der Erteilung der behördlichen Genehmigungen zum vorgesehenen Betriebszweck - Spielhalle mit 2 x 10 Spielgeräten" (= Doppelspielhalle im Sinne der Ausführungen des Beklagten) gilt. Es liegt nahe, dieses Schreiben nach Sinn und
Wortlaut dahin auszulegen, daû das Angebot des Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der nach § 33 i GewO zum Spielhallenbetrieb notwendigen Genehmigung abgegeben worden ist. Dann aber konnte trotz "Gegenzeichnung" des Vertragsformulars und der darin liegenden Annahme dieses Angebots durch den Vermieter der Mietvertrag vor Bedingungseintritt keine Wirksamkeit erlangen. Dem steht nicht entgegen, daû im Vertragstext nebst Anlagen die Genehmigung nach § 33 i GewO nicht erwähnt wird und nach den Schluûbestimmungen des Mietvertrags (§ 27) (nur) die Erteilung der endgültigen Baugenehmigung aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit dieses Vertrags ist, mündliche Nebenabreden nicht getroffen worden sind sowie Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen. Will eine Vertragspartei sicherstellen, daû sie nur für den Fall des Eintritts eines künftigen Ereignisses den Vertragspflichten unterworfen ist, so braucht diese Bedingung nicht notwendigerweise Bestandteil der - vorformulierten oder ausgehandelten - Vertragsklauseln zu sein. Es ist ohne weiteres möglich, allein - wie hier - das Angebot auf Abschluû dieses - vorformulierten oder ausgehandelten - Vertrags mit der Bedingung zu versehen (vgl. Staudinger/Bork, BGB, 13. Bearb., § 145 Rn. 20, 26, 29). In der rechtlichen Bewertung macht dies keinen wesentlichen Unterschied, da in jedem Fall dieser Vertrag erst bei Bedingungseintritt Wirkungen entfaltet.
5. Ausgehend davon, daû vor Erteilung einer Spielhallengenehmigung nach § 33 i GewO - zu der es unstreitig nicht gekommen ist - ein wirksamer Mietvertrag nicht zustande gekommen war, ist die Auslegung der Provisionsvereinbarung durch das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft.
a) Hängt die Wirksamkeit eines (Haupt-)Vertrags vom Eintritt einer Bedingung ab, so kann nach § 652 Abs. 1 Satz 2 BGB die versprochene Maklerprovision erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt. Nach dem gesetzlichen Leitbild des Maklervertrags schuldet also der Beklagte keine Maklerprovision. Abreden, aus denen sich unabhängig von der Erteilung einer Spielgenehmigung eine Provisionsverpflichtung des Beklagten ergeben könnte, wichen also, was das Berufungsgericht verkannt hat, zum Nachteil des Auftraggebers und nicht etwa zum Nachteil des Maklers vom dispositiven Recht ab. Danach gehen etwaige Unklarheiten darüber, ob und mit welchem Inhalt die Parteien des Maklervertrags die Provisionszahlungspflicht des Auftraggebers, anders als in § 652 BGB geregelt, bestimmt haben, zu Lasten der Klägerin und nicht des Beklagten.
b) Weiter hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, unberücksichtigt gelassen, daû nach dem konkretisierten und von der Klägerin nur pauschal bestrittenen Vorbringen des Beklagten die Klägerin im Zusammenhang mit ihren Vermittlungsbemühungen nicht nur den Text des Mietvertrags selbst, sondern auch das an die Vermieterin gerichtete Angebotsschreiben des Beklagten vorformuliert hat. In diesem Falle muûte es sich aber der Klägerin geradezu aufdrängen, daû es dem Beklagten entscheidend auf die Nutzung der Betriebsräume als Doppelspielhalle ankam, ohne daû es insoweit noch darauf ankommen könnte, ob - wie der Beklagte behauptet hat und was vom Berufungsgericht als unsubstantiiert angesehen worden ist - für die Klägerin dieses Interesse des Beklagten bereits aus früheren Geschäftsbeziehungen hätte bekannt sein müssen.
Es versteht sich, daû das der Klägerin erkennbare oder von ihr gar erkannte Interesse des Beklagten an der Vermittlung eines Mietvertrages zwecks Betriebs gerade einer Doppelspielhalle ein Umstand ist, dem bei der Auslegung der Provisionsvereinbarung ein besonderes Gewicht zukommt.
c) Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Wortlaut der Provisionsverpflichtung auch nicht so eindeutig, daû vernünftige Zweifel daran, daû der Beklagte der Klägerin eine Provision für den Fall der Unterzeichnung des Mietvertrags und des Bezugs der Mieträume unabhängig davon versprechen wollte, ob die erforderliche Spielgenehmigung nach § 33 i GewO erteilt wird oder nicht, nicht aufkommen könnten.
II.
Die klageabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Der Beklagte hat den Umstand, daû er die Mieträume bereits vor Erteilung einer Spielgenehmigung bezogen und den Betrieb einer Spielhalle aufgenommen hat, damit erklärt, daû behördlicherseits die nach § 33 i GewO erforderliche Genehmigung erst nach Besichtigung des voll eingerichteten Gewerbebetriebs erteilt werde. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Jedenfalls kann allein wegen der einverständlichen Inbesitznahme der Mietsache durch den Beklagten nicht angenommen werden, die Parteien des Mietvertrags hätten sich im nachhinein darüber geeinigt, die vom Beklagten für das Wirksamwerden seines Angebots aufgestellte Bedingung solle in Wegfall kommen. Näher-
liegend ist die Annahme, daû die Mietvertragsschlieûenden zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache davon ausgegangen sind, einer Erteilung der vom Beklagten angestrebten Genehmigung einer Doppelspielhalle stünden keine erheblichen Schwierigkeiten entgegen.
2. Ob und welche "mietvorvertraglichen" Rechte und Pflichten zwischen den Mietvertragsparteien bis zur "Kündigung" des Vertrags bzw. zum Auszug des Beklagten bestanden haben, braucht nicht abschlieûend geklärt zu werden. Der Beklagte hat der Klägerin eine Provision für die Vermittlung eines Mietvertrags über eine Laufzeit von zehn Jahren zum Betrieb einer Doppelspielhalle versprochen. Dieser vom Beklagten erstrebte wirtschaftliche Erfolg ist dadurch, daû er - auf ungenehmigter Grundlage - die gemieteten Räume etwas mehr als ein Jahr tatsächlich zum Betrieb einer Spielhalle genutzt hat, bei weitem nicht eingetreten (fehlende wirtschaftliche Identität; vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1998 - III ZR 18/97 - NJW 1998, 2277, 2278).
3. Verhindert eine Vertragspartei wider Treu und Glauben den Eintritt der Bedingung - hier: die Erteilung der Spielgenehmigung -, so muû sie sich - auch im Verhältnis zum Makler - so behandeln lassen, als wäre die Genehmigung erteilt und der Mietvertrag wirksam geworden (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 2001 - III ZR 49/00 - NJW-RR 2001, 840, 841). Davon kann vorliegend nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil die Mieträume, wie vom Berufungsgericht als unstreitig festgestellt worden ist, zum Betrieb einer Spielhalle nicht schlechthin ungeeignet waren. Der Beklagte, der auf den Betrieb einer Doppelspielhalle Wert legte, muûte sich nicht mit der Genehmigung einer "einfachen" (1 x 10 Spielgeräte) Spielhalle zufrieden geben.
III.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Das Berufungsgericht wird die von den Parteien getroffene Provisionsabrede unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut auszulegen haben. Die Parteien erhalten, auch zu den anderen angesprochenen Punkten, Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.05.2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 505/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht diese Partei vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leistet. Die Sicherheit beträgt hinsichtlich der Unterlassungsansprüche 180.000 € (jeweil 45.000 €), hinsichtlich des Auskunftsanspruchs 20.000 € und hinsichtlich der Kosten für die vollstreckende Partei 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren, für die der Vollstreckung ausgesetzte Partei 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Beide Parteien vertreiben Nassrasiergeräte mit Wechselklingen. Die Beklagte bietet unter ihrer Marke „X“ die Rasierer „I“ und „I2“ an, bei denen sich in einem Behälter oberhalb der (drei oder fünf) Klingen Pulver mit dem Hauptbestandteil Polyox (Polyethylenglykol PEG 115 M) und weiteren Bestandteilen (Titandioxid, Cyclodextrin, Tocopherol, Aloe Vera, Maltodextrin) befindet, das sich mit Wasser zu einem Gel verbindet („Gel-Reservoir“). Sie warb dafür im Internet und auf den Verpackungen – wie aus den Abbildungen im angefochtenen Urteil ersichtlich – mit den Aussagen „HYDRO spendet direkt Feuchtigkeit“, „Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir“ und „Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit“.
4Die Klägerin hält dies für irreführend; sie hat behauptet, von den Produkten der Beklagten gehe keine, erst recht keine länger andauernde feuchtigkeitsspendende Wirkung aus. Sie hat die Beklagte (soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse) auf Unterlassung der erwähnten Werbeaussagen (unter Beschränkung weitergehender Anträge auf die konkrete Verletzungsform), Auskunft über den Umfang der Werbung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die Beklagte ist dem mit Darlegungen zum Verständnis der Werbeaussagen durch die angesprochenen Verbraucher und zur Wirkung des Polyox-Pulvers entgegengetreten; sie hat behauptet, das Polyox beeinflusse den Feuchtigkeitsgehalt der oberen Hautschichten auf zweifache Weise positiv, indem es im feuchten Rasurmilieu Wassermoleküle binde und diese langsam an die Haut abgebe sowie die normale Abdampfrate der Haut vermindere, was zu einer auch subjektiv spürbaren Erhöhung der Hautfeuchtigkeit während der Rasur führe. Beide Parteien haben sich in ihrem schriftsätzlich näher ausgeführten Sachvortrag auf Berichte über klinische Studien sowie wietere Untersuchungen und Unterlagen bezogen.
5Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagte wegen der vorbeschriebenen Werbung (unter Abweisung des auf Untersagung der Produktbezeichnung „HYDRO“ gerichteten selbständigen Teils der Klage) antragsgemäß verurteilt..
6Die Beklagte verfolgt im Berufungsverfahren ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie beanstandet die Feststellungen des Landgerichts als fehlerhaft und unvollständig. Die Annahme, dass die Verbraucher unter „Feuchtigkeitsspende“ eine „nachhaltige“ Erhöhung der Hautfeuchtigkeit verstünden, sei überraschend und werde durch ein von ihr eingeholtes demoskopisches Gutachten vom 24.05.2012 (Anlage BK 1) widerlegt. Aus den von ihr in erster Instanz vorgelegten Studien (Anlagen B 10-14) und Erklärungen sachverständiger Mitarbeiter (Anlagen B 19-20) ergebe sich das die Hautfeuchtigkeit erhöhende duale Wirkprinzip des Polyox-Gels, das der Haut sowohl aktiv Feuchtigkeit zuführe als auch passiv die Abdampfrate vermindere, wobei der Anteil der beiden möglichen Ursachen der Feuchtigkeitssteigerung am Gesamterfolg zwar physikalisch nicht messbar und nicht exakt feststellbar, aber auf Grund anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Überlegungen zu ermitteln sei.
7Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags das angegriffene Urteil. Insbesondere litten die von der Beklagten vorgelegten Studien unter schweren methodischen Mängeln und sei es ausgeschlossen, dass während der Nassrasur aus dem Gel in relevantem Umfang Feuchtigkeit an die ohnehin feuchtigkeitsgesättigte Haut abgeben werde.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
9Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 11.01.2013, ergänzt durch Beschluss vom 01.02.2013, die Erhebung von Sachverständigenbeweis angeordnet. Auf den Inhalt der Beschlüsse und die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr.-Ing. M vorgelegte Stellungnahme vom 12.07.2013 wird Bezug genommen.
10II.
11Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
121. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin gegen die Beklagte den Anspruch aus §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG zuerkannt, es zu unterlassen, wie geschehen mit den Aussagen „HYDRO spendet direkt Feuchtigkeit“, „Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir“ und „Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit“ zu werben. Diese Angaben sind zur Täuschung über wesentliche Produktmerkmale geeignet. Denn die den Aussagen gemeinsame Werbebehauptung, das Produkt der Beklagten spende der Haut des zu Rasierenden (direkt) Feuchtigkeit, weckt bei den angesprochenen Verbrauchern Erwartungen an die mit der Verwendung des Produkts erzielbaren Wirkungen, für die es nach dem unstreitigen und von der Beklagten selbst vorgetragenen Sachverhalt an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage fehlt.
13a) Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH, GRUR 2013, 1254 = WRP 2013, 1596 [Rn. 15] – Matratzen Factory Outlet m.w.N.). Das danach maßgebliche Verständnis eines durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbrauchers, der Nassrasierer kauft oder verwendet oder für den der Kauf oder die Verwendung von Nassrasierern zumindest in Frage kommt, vermag der ständig mit Wettbewerbssachen befasste Senat auf Grund des Erfahrungswissens seiner Mitglieder, zu denen potentielle Käufer von Rasiergeräten gehören, selbst festzustellen (vgl. BGH, a.a.O. [Rn. 17]; BGHZ 156, 250 [255] = GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft).
14Danach hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass solche Verbraucher unter der von der Beklagten werblich herausgestellten „Feuchtigkeitsspende“ eine aktive Zufuhr von Feuchtigkeit wenigstens in die oberen, wenn nicht sogar in die tiefer liegenden Schichten der Haut verstehen, also eine Wirkung, die über die Erhaltung oder Schonung der bei jeder Nassrasur zwangsläufig vorhandenen oberflächlichen Hautfeuchtigkeit und über das bloße Verhindern eines wie auch immer verursachten Feuchtigkeitsverlustes hinausgeht.
15Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet „Spende“, dass etwas aus dem eigenen Vermögen zu Gunsten eines anderen abgegeben wird. Das Landgericht, auf dessen sorgfältige und überzeugende Erwägungen der Senat zustimmend Bezug nimmt, hat im Einzelnen ausgeführt, dass der Begriff „Feuchtigkeitsspende“ nach dem Verkehrsverständnis auf dem hier maßgeblichen Gebiet der Körperpflege gleichfalls die Vorstellung einer aktiven Abgabe hervorruft. Wird eine Hautcreme als „feuchtigkeitsspendend“ bezeichnet, verstehen Verbraucher darunter, dass die darin in Form flüssiger Bestandteile enthaltene Feuchtigkeit beim Auftragen auf die Haut in diese einzieht und nicht etwa nur, dass die Creme durch Erzeugung einer Sperrschicht die Abdampfrate der Haut vermindert.
16Dieses Verständnis übertragen die Verbraucher auch auf die streitbefangene Werbung. Wie die spontanen Antworten gemäß Tabelle 2 der von der Beklagten vorgelegten Verkehrsumfrage (Anlage BK 1) bestätigen, nehmen nicht wenige an, dass aus dem „feuchtigkeitsspendenden Gel-Reservoir“ eine an solche Feuchtigkeitscremes erinnernde Substanz austritt. Jedenfalls aber versteht ein erheblicher Teil der Verbraucher die Werbung dahin, dass das „wasseraktivierte Gel“ an den Stellen, wo es auf die Haut gelangt, aktiv Feuchtigkeit an diese abgibt und nicht nur passiv den natürlichen oder durch den Rasiervorgang bedingten Feuchtigkeitsverlust der Haut reduziert.
17b) Entgegen dem durch die Werbung erweckten Eindruck bietet der von der Beklagten selbst vorgetragene Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass bei einer Verwendung ihrer Nassrasierer eine solche aktive Abgabe von Feuchtigkeit an die Haut stattfindet.
18aa) Für die Vermeidung einer Irreführung und den Nachweis der Richtigkeit der Werbeangaben gelten nach Lage der Dinge erhöhte, an den Grundsätzen über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen orientierte Anforderungen.
19(1) Die streitbefangene Werbung enthält zwar keine medizinischen Wirkungsaussagen. Sie bezieht sich aber auf die Physiologie der Haut und damit auf das körperliche Wohlbefinden und die Unversehrtheit eines wichtigen Teils des menschlichen Organismus. Deutlich wird dies vor allem bei der Aussage „Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit“. Doch auch die beiden anderen Aussagen sprechen im Kontext der konkret angegriffenen Werbung den Aspekt der Pflege und Gesunderhaltung der Haut besonders an.
20Überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit ins Spiel gebracht wird, sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen zu stellen, weil zum einen die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat, so dass sich daran anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen, und weil zum anderen mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (vgl. BGH, GRUR 1980, 797 [799] – Topfit Boonekamp; GRUR 2002, 182 [185] = WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen; GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 [Rn. 15] – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
21Für die auf die Feuchtigkeit und damit auf die Gesundheit der Haut bezogenen streitbefangenen Werbeaussagen gilt im Grundsatz nichts anderes. Die von einer Überschätzung der feuchtigkeitsspendenden Wirkung des Beklagtenprodukts ausgehenden Gefahren mögen im Vergleich zu irreführenden Wirkungsausagen bei einem Arznei- oder Nahrungsmittel gering erscheinen. Jedenfalls wegen des der Werbung innewohnenden Appells an die Verbraucher, der Haut des eigenen Körpers durch Benutzung der „feuchtigkeitsspendenden“ Rasiergeräte der Beklagten Gutes zu tun, ist es aber geboten, ihre Bewertung an den von der Rechtsprechung für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeangaben entwickelten Kriterien auszurichten.
22(2) Nach diesen Kriterien ist gesundheitsbezogene Werbung mit fachlichen Aussagen generell nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (vgl. BGH, GRUR 1991, 848 [849] – Rheumalind II; GRUR 2002, 273 [274] = WRP 2001, 1171 – Eusovit; GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 [Rn. 16] – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (OLG Düsseldorf, MD 2008, 49 [52 f.]). Unzulässig ist es ferner, mit einer fachlich umstrittenen Meinung zu werben, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Darüber hinaus kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen, wobei die Irreführung bereits in einem Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit liegt (BGH, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 [Rn. 17 ff.] – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
23Aber auch ohne Bezugnahme auf bestimmte Studien in der Werbung darf mit einer gesundheitsbezogenen Angabe nicht geworben werden, wenn diese nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Der Nachweis der Unrichtigkeit oder des täuschenden Gehalts einer Werbeausage obliegt zwar grundsätzlich dem Unterlassungsgläubiger, doch kommt es zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast, wenn der Werbende, indem er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt, die er im Streitfall auch beweisen muss (vgl. BGH, GRUR 1991, 848 [849] – Rheumalind II; GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 [Rn. 32] – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Der Unterlassungsgläubiger hat in diesem Fall nur darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jede tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (vgl. BGH, GRUR 2013, 649 = WRP 2013, 772 [Rn. 32] – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch Köhler / Bornkamm, UWG, 32. Aufl. § 5 Rn. 4.183 ff.). Welche Anforderungen an das Merkmal der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, a.a.O. [Rn. 33]).
24bb) Hier hat sich die Beklagte im Rechtsstreit für die zwischen den Parteien und ihren Forschungsabteilungen umstrittene Werbebehauptung, die „Hydro“-Rasierer mit Gel-Revervoir und dem darin gespeicherten, nach Verbindung mit Wassermolekülen auf der Haut eine gelförmige Konsistenz annehmenden Pulver führten der Haut während der Rasur Feuchtigkeit zu, auf wissenschaftliche Studien bezogen, die diese Behauptung letztlich nicht tragen. Eine aktive Feuchtigkeitszufuhr aus dem Gel in die Haut ist danach nämlich allenfalls theoretisch möglich, nicht aber als wissenschaftlich gesichert anzusehen.
25Dies hat bereits das Landgericht mit sorgfältigen Erwägungen im Einzelnen dargestellt, die im Ergebnis weder durch das Berufungsvorbringen noch durch die knappe Stellungnahme des Sachverständigen M widerlegt werden. Der Senat nimmt darauf zustimmend Bezug und merkt im Hinblick auf das zweitinstanzliche Vorbringen der Parteien und die Stellungnahme des Sachverständigen lediglich ergänzend an:
26(1) Es kann schon nicht festgestellt werden, dass sich aus den von der Beklagten in Auftrag gegebenen Studien zweifelsfrei eine signifikant höhere Feuchtigkeit der oberen Hautschichten nach einer Anwendung ihrer Rasierer mit Gel-Reservoir ergibt.
27Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterte, von der Beklagten besonders hervorgehobene Research Report S10-119 der CyberDerm Clinical Studies (Anlage B 13) belegt freilich, dass bei einem im November 2010 an 30 ausgewählten Frauen durchgeführten Test mit dem Corneometer (einem Messinstrument, das sich die mit dem Wasseranteil steigende elektrische Leitfähigkeit zunutze macht) fünf bis zehn Minuten nach Anwendung von „HYDRO“-Rasierern ohne Klingen mit gefülltem Gel-Reservoir an den Innenseiten der Unterarme der Probandinnen eine höhere Feuchtigkeit gemessen wurde als nach Anwendung von Rasierern mit leerem Reservoir (vgl. Diagramm S. 7). Der Versuchsaufbau sah vor, dass die Probandinnen ihren Unterarm vor und nach jedem „Rasurzug“ mit Wasser abspülten („rinse“), ohne ihn abzutrocken („blot“), und die Rasiergeräte vor der Anwendung 20 Sekunden lang in Wasser tränkten („soak“, vgl.S. 6). Der Sachverständige M ist nicht auf konkrete Ergebnisse dieser Studie, der weiteren CyberDerm-Studien von August und September 2010 (Research Reports S09-41, S09-42 und S10-74, Anlagen B 10 bis B 12), der im Auftrag der Klägerin erstellten und zu abweichenden Ergebnissen kommenden „Volar-Forearm“- (Unterarm-) und „Split-Face“- (Gesichtshälften-) Studien von Juni/Juli 2010 (Anlagen K 15 bis K 17) sowie der übrigen von den Parteien vorgelegten Fachpublikationen und sonstigen Unterlagen eingegangen, hat allerdings erklärt, dass die vorgelegten Untersuchungsergebnisse aus seiner Sicht auf Untersuchungsmethoden basierten, die dem internationalen Stand der Technik entsprächen.
28Auch der Senat hat keinen Anlass, die technische Richtigkeit der mitgeteilten Messergebnisse anzuzweifeln. Jedoch kann insbesondere der Studie von November 2010 angesichts der spezifizierten klägerischen Einwände noch kein methodisch unanfechtbarer Nachweis entnommen werden, dass unter den Bedingungen einer normalen Rasur eine deutliche höhere Feuchtigkeit in den oberen Schichten der Haut vorhanden ist, wenn die Rasierer der Beklagten mit gefülltem Gel-Reservoir angewendet werden. In der Studie selbst heißt es unter Nr. IV (S. 8) eher zurückhaltend, die Schlussfolgerung scheine vernünftig zu sein („it seems reasonable to conclude“), dass die aus dem Gel-Reservoir freigegebenen Bestandteile während der Rasur tatsächlich einen signifikanten Anstieg des Grades der oberflächlichen Hautfeuchtigkeit („a significant increase in skin surface hydration levels“) verursachten, der innerhalb der ersten zehn Minuten nach der Rasur gemessen werden könne und einen vorübergehenden Effekt darstelle („This is a transient effect and does not persist after that“). Dem gegenüber hat die Klägerin unter anderem auf die von einem sachverständigen Dritten („Reviewer“, vgl. Anlage BB 7) geäußerten Bedenken verwiesen, ob die Erhöhung der Messwerte vielleicht auf Gelablagerungen auf der Hautoberfläche statt auf einer tatsächlich höheren Hautfeuchtigkeit beruhe. Die Frage, inwieweit mit dem Corneometer in die Haut eingedrungene oder oberflächlich auf der Haut verbliebene Feuchtigkeit einschließlich nicht abgespülter Reste des „wasseraktivierten Gels“ gemessen wurden, ist danach als offen anzusehen. Offen erscheint auch, ob die relativ niedrigeren Feuchtigkeitswerte nach Benutzung eines „HYDRO“-Rasierergeräts ohne Klingen und Polyox-Gel möglicherweise in beträchtlichem Umfang einer von normalen Rasurbedingungen abweichende zusätzlichen mechanischen Einwirkung auf die Haut zuzuschreiben sind.
29(2) Doch selbst wenn feststünde, dass die oberen Hautschichten nach Benutzung der „HYDRO“-Rasierer mit gefülltem Gel-Reservoir bis zu zehn Minuten lang erkennbar höhere Feuchtigkeitswerte aufweisen als nach einer Rasur mit Geräten ohne ein solches Reservoir, wäre damit noch nicht als wissenschaftlich gesichert anzunehmen, dass dies jedenfalls auch auf eine aktive Zufuhr von Feuchtigkeit aus dem Gel in die Haut und nicht allein auf eine passive Verminderung des natürlichen Feuchtigkeitsverlustes der Haut durch das aufliegende Gel oder andere Ursachen zurückzuführen ist.
30Die Beklagte hat mit dem Hinweis auf das angeblich duale Wirkprinzip des Polyox-Gels eine aktive Feuchtigkeitszufuhr zwar behauptet, aber nicht darlegen können, dass diese Behauptung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Vielmehr hat sie in der Berufungsbegründung (S. 18) selbst eingeräumt, dass der Anteil der möglichen Ursachen einer Feuchtigkeitssteigerung am Gesamterfolg physikalisch nicht messbar und schlicht nicht exakt feststellbar sei. Andere wissenschaftliche Erkenntnisse und Überlegungen, aus denen auf Grund überzeugungskräftiger Argumente mit hinreichender – wenn auch nicht mathematischer – Sicherheit auf die Richtigkeit ihrer Behauptung hätte geschlossen werden können, hat sie letztlich nicht dargetan. Nachvollziehbar erscheint, dass das zunächst trockene Polyox-Pulver sich mit Wassermolekülen verbindet und auf der feuchten Haut einen Film bildet, der einerseits die Gleitfähigkeit der Klingen begünstigt und andererseits eine Abdampfsperre bildet. Dass die in dem Gel gebundenen Wassermoleküle anschließend auch selbst an die Haut abgegeben werden, folgt daraus aber noch nicht. Auch die in erster Instanz vorgelegten Erklärungen der für die Beklagte tätigen Chemiker Dr. D und Dr. H (Anlagen B 19 und B 20) lassen im Ergebnis offen, ob unter den Bedingungen einer normalen Nassrasur, bei der die Haut schon vor Anwendung der Rasiergeräte durch Wasser und Rasierschaum stark befeuchtet wird, überhaupt noch eine Abgabe von Feuchtigkeit aus dem Gel an die Haut stattfindet oder ob der „Austausch“ von Wassermolekülen während der Rasur nicht gerade umgekehrt stattfindet. Muss es danach aber als zweifelhaft angesehen werden, ob die feuchtigkeitsgesättigte Haut zusätzliche Feuchtigkeit aus dem Gelfilm aufnimmt oder sich dessen (für den Verwender positiver) Effekt darin erschöpft, dass die in der Haut vorhandene Feuchtigkeit infolge des Gelfilms geschont und ein ohne diesen eintretener Feuchtigkeitsverlust verhindert wird, so liegt darin keine „Feuchtigkeitsspende“ in dem Sinne, wie sie von den Verbrauchern nach den Werbebehauptungen der Beklagten erwartet wird.
31(3) Aus der knappen Stellungnahme des Sachverständigen M ergibt sich nichts anderes. Zur Beantwortung der auf eine aktive Feuchtigkeitsspende abzielenden zweiten Frage des Beweisbeschlusses vom 11.01.2013 ist dessen nicht näher begründete Einschätzung ungeeignet. Den von der Beklagten vorgelegten Studien und sonstigen Unterlagen sind in diese Richtung – wie dargestellt – nur Vermutungen ohne sichere Grundlage zu entnehmen. Den Versuch einer Aufklärung des objektiven Sachverhalts durch Einholung eines weiteren oder ergänzenden Sachverständigengutachtens hält der Senat nach erneuter Beratung nicht für zielführend, weil die Irreführungseignung der streitbefangenen Werbeangaben sich unter den Umständen des Streitfalles bereits daraus ergibt, dass sie mit fachlichen Aussagen ohne gesicherte wissenschaftliche Grundlage geworben hat. Selbst wenn ihr im Prozess auf Grund zusätzlicher, durch eigene Untersuchungen eines Sachverständigen gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse der Beweis gelingen könnte, dass ihre Angaben objektiv zutreffen, stünde fest, dass sie dessen zum Zeitpunkt der Werbung nicht sicher sein konnte. Dann aber besteht bereits deshalb der geltend gemachte Unterlassungsanspruch.
32c) Auf die Langzeitwirkung der behaupteten Feuchtigkeitsspende, die der (dermatologische, nicht demoskopische) Sachverständige M in seiner Stellungnahme für problematisch gehalten hat und aus der er eine mögliche Enttäuschung von Verbrauchererwartungen meinte ableiten zu können, kommt es nach alledem nicht mehr entscheidend an. Der Umstand, dass nach dem von der Beklagten selbst vorgelegten demoskopischen Gutachten (Anlage BK 1) immerhin 12,7 % des befragten engeren Verkehrskreises auf die gezielten Fragen 3 und 4 angegeben haben, sie rechneten auf Grund der Werbung mit einer deutlich länger als 10 Minuten nach der Rasur anhaltenden Befeuchtungswirkung, könnte allerdings dafür sprechen, dass die Werbeangaben einen bereits erheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher (vgl. BGH, GRUR 2012, 1053 = WRP 2012, 1216 [Rn. 19 f.] – Marktführer Sport m.w.N.) auch wegen fehlender Nachhaltigkeit der Befeuchtungswirkung in die Irre führen. Dass die Rechtsprechung im Bereich der Kapitalanlegerwerbung eine Irreführungsquote von 15-20 % für zu gering gehalten hat (BGH, GRUR 2004, 162 [163] = WRP 2004, 225 – Mindestverzinsung), steht dem nicht ohne Weiteres entgegen, weil insoweit nicht von festen Prozentsätzen auszugehen ist, sondern die erforderliche normative Bewertung maßgeblich von der Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls abhängt (vgl. BGH, a.a.O.).
332. Weil der Beklagten hinsichtlich der Irreführungseignung ihrer in Kenntnis der vorliegenden Studien bewusst aufgestellen Werbebehauptungen wenigstens leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt, sind auch die von der Klägerin geltend gemachten Annexansprüche begründet.
34III.
35Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
36Das Urteil betrifft die tatrichterliche Anwendung höchstrichterlich hinreichend geklärter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe für einen hinterlegten Betrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
- Der Kläger, handelnd als Insolvenzverwalter über das Vermögen der I. Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: I. GmbH), nimmt den Beklagten wegen verzögerter Abgabe einer Freigabeerklärung auf Schadensersatz in Anspruch. Die I. GmbH war Inhaberin eines bei einer Sparkasse geführten Kontos, dessen Guthaben sie zugunsten des Beklagten verpfändet hatte. Weil der Beklagte der Aufforderung des Klägers, bis spätestens zum 31. März 2000 die Freigabe des Guthabens zu erklären, nicht nachkam , hinterlegte die Sparkasse das Guthaben einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 271.512 DM. Nachdem der Beklagte in einem zwischen den Parteien geführten Vorprozess mit seit 12. September 2003 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12. November 2002 zur Abgabe der Freigabeerklärung verurteilt worden war, erklärte er nach Aufforderung durch den Kläger am 25. September 2003 die Freigabe. Die Hinterlegungsstelle zahlte daraufhin am 16. Oktober 2003 den hinterlegten Betrag an den Kläger aus.
- 3
- Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 25. September 2003 Verzugszinsen aus der hinterlegten Summe in der bei Verzugseintritt geltenden gesetzlichen Höhe von 4%. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist nicht begründet.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten der geltend gemachte, seiner Höhe nach unstreitige, Anspruch auf Ersatz des Zinsschadens gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) analog zu. Eine unmittelbare Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für den Fall des Verzuges mit einer Geldschuld gelte. Eine solche habe den Beklagten jedoch nicht getroffen ; er habe vielmehr lediglich eine Freigabeerklärung bezüglich des von der Sparkasse hinterlegten Guthabens der Gemeinschuldnerin geschuldet. Auf diese Fallkonstellation sei § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. aber entsprechend anzuwenden. Zwar habe der Beklagte keinen Geldbetrag, also eine echte Geldschuld im Sinne von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. geschuldet, er sei aber verpflichtet gewesen, dem Kläger den Zugriff auf das diesem letztlich zustehende Guthaben der Schuldnerin bei der Sparkasse zu eröffnen und zu verschaffen. Die Auszahlung des auf dem fraglichen Konto befindlichen Geldbetrages an den Kläger habe einzig und allein davon abgehangen, dass der Beklagte die von ihm geforderte und auch geschuldete Freigabeerklärung abgab.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
- 7
- Rechtsfehlerfrei 1. hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auf den Anspruch des Klägers keine unmittelbare Anwendung findet, weil der Beklagte mit der Abgabe einer Freigabeerklärung in Verzug war, nicht aber mit einer Geldschuld (vgl. dazu Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB § 288 Rdn. 2; Erman/Hager, BGB 11. Aufl. § 288 Rdn. 6).
- 8
- 2. a) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf den Verzug mit einer Freigabeerklärung in Bezug auf hinterlegtes Geld entsprechend anzuwenden ist.
- 9
- aa) Die Regelung in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. entspringt der Annahme, dass es dem Gläubiger im Allgemeinen möglich ist, Geld jedenfalls zu einem bestimmten Mindestzinssatz anzulegen (vgl. Huber, Leistungsstörungen Band II S. 68). Der Gesetzgeber wollte für Verzugsschäden , die daraus entstehen, dass dem Gläubiger Geld vorenthalten wird, einen Durchschnittsbetrag festsetzen, von dem angenommen wird, dass ihn der Gläubiger jedenfalls hätte ziehen können und den er fordern darf, ohne eine Zinseinbuße oder einen sonstigen Schaden beweisen zu müssen (vgl. Motive II S. 62; auch BGHZ 74, 231, 235).
- 10
- Diesem bb) Sinn und Zweck des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Rechnung tragend hat der Bundesgerichtshof die Vorschrift auf die Nichtverschaffung eines zinslosen Darlehens entsprechend angewandt, weil auch in diesem Fall der Entgang der mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeit zu entschädigen ist (BGHZ 74, 231, 235). Dieser Gedanke gilt in gleicher Weise für den Fall der verzögerten Freigabe eines Hinterlegungsbetrages, weil dem Gläubiger auch in dieser Fallkonstellation ein Geldbetrag, auf den er einen Anspruch hat, schuldhaft und rechtswidrig vorenthalten wird (vgl. auch Huber, Leistungsstörungen Band II S. 67; Erman/Hager, BGB 11. Aufl. § 288 Rdn. 6 a.E.). Der Schuldner schuldet zwar nicht das hinterlegte Geld, aber die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger hängt allein von der Freigabeerklärung des Schuldners ab. Die Freigabeforderung hat einen Geldbetrag zum Gegenstand. Lediglich der äußeren Form nach, ist der Anspruch nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 70/87, WM 1988, 1834, 1836; Urteil vom 17. November 1999 - XII ZR 281/97, NJW 2000, 948, 950).
- 11
- Das cc) Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 2005 (VIII ZR 94/04, NJW 2005, 2310, 2312), nach dem § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auf den Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen nicht anwendbar ist, steht der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Fall nicht entgegen. Zum einen enthält diese Entscheidung keine Ausführungen zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift und zum anderen ist die Pflicht zur Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen als vertragsändernde Willenserklärung mit der Pflicht zur Abgabe einer Freigabeerklärung nicht vergleichbar.
- 12
- dd) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch aus der Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen vom 9. Juli 1986 (BGHZ 98, 212, 217), die die Ersatzfähigkeit von Gebrauchsvorteilen einer Sache betrifft, nichts, was gegen die entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. spricht. Vorliegend geht es um das Vorenthalten von Geld, das in jedem Fall einen ersatzfähigen Schaden darstellt (BGHZ 74, 231, 234 f.).
- 13
- b) Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. hier für seine entsprechende Anwendung.
- 14
- Nach dem ursprünglichen Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollte die Mindestverzinsung nicht nur bei einer Geldschuld, sondern auch bei einer Stückschuld Anwendung finden, etwa wenn bestimmte Geldstücke zu leisten waren, weil bei ihr dieselben praktischen Gründe für einen Anspruch auf Verzugszinsen in gleicher Weise zuträfen (Motive II S. 62). Aus der Streichung der ursprünglich im Entwurf enthaltenen Regelung über die Verzinsung von Geldstückschulden folgt nicht, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. insofern keine Anwendung findet (vgl. Huber , Leistungsstörungen Band II S. 67 Fn. 124; a.A. Staudinger/Löwisch, BGB Neubearb. 2004 § 288 Rdn. 10). Diese Regelung wurde lediglich deshalb nicht ins Gesetz übernommen, weil man annahm, dass der darin aufgestellte Rechtssatz sich aus der entsprechenden Anwendung der Absätze 1 und 2 der Vorschrift ergebe (Protokolle I S. 327). Die Analogiefähigkeit der Mindestverzinsungsregelung auf hinterlegtes Geld wurde daher vom Gesetzgeber vorausgesetzt, nicht etwa ausgeschlossen.
- 15
- 3. Ohne Erfolg erhebt die Revision Einwendungen gegen die Höhe des dem Kläger zugesprochenen Zinsanspruchs. Nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Zinsschaden seiner Höhe nach unstreitig (§ 559 Abs. 1, § 314 Abs. 1 ZPO). Verfahrensrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts hat die Revision nicht erhoben. Auch eine Berichtigung des Tatbestands hat der Beklagte nicht beantragt.
III.
- 16
- Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Ellenberger Schmitt
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 09.09.2004 - 8 O 638/03 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 22.09.2005 - 22 U 227/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Mit Vertrag vom 15. Dezember 2009 kaufte die Beklagte von der klagenden Gemeinde unter Ausschluss der Sachmängelhaftung ein Grundstück zum Preis von 58.972 €; der Streithelfer der Klägerin beurkundete den Kaufvertrag.
- 2
- In § 4 Abs. 2 heißt es: „Der Kaufpreis ist zur Zahlung fällig, sobald dem Käufer die Mitteilung des Notars zugegangen ist, wonach die zur vertragsgerechten Durchführung des Vertrags erforderlichen Genehmigungen und die Abschreibungsunterlagen des Katasteramtes vorliegen, die lastenfreie Übertragung sichergestellt ist, die in § 7 aufgeführten, von der Verkäuferin herzustellenden bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Voraussetzun- gen gegeben sind, sowie nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers im Grundbuch des Kaufgrundstücks.“
- 3
- § 7 lautet: „Der Käufer verpflichtet sich gegenüber demVerkäufer, auf dem Kaufgrundstück innerhalb von drei Jahren ein oder mehrere neue Gebäude zu errichten, in denen entweder ganz oder teilweise Gästezimmer für den derzeitigen benachbarten Gasthof, seniorengerechte Eigentumswohnungen , Räumlichkeiten zur Nutzung für betreutes Wohnen (Senioren - und Krankenpflege) oder kleinere gewerbliche Einheiten für Geschäfte entstehen werden. Das Gebäude hat sich der Bauweise der näheren Umgebung anzupassen. Die Verkäuferin verpflichtet sich, bis zur Eigentumsumschreibung die rechtlichen Voraussetzungen dafür herzustellen, dass die auf dem beiliegenden Lageplan gelb dargestellte Fläche als Bauteppich nutzbar ist. Weiterhin verpflichtet sich die Verkäuferin, bis zur Fälligkeit des Kaufpreises den vorhandenen Bebauungsplan dahingehend zu ändern, dass die vorstehenden Nutzungen wie in Absatz 1 beschrieben nutzbar sind. Der Verkäufer hat sicherzustellen, dass auf dieser Fläche eine dreigeschossige Bebauung mit einer Grundflächenzahl von 1,0 und einer Geschossflächenzahl von 1,5 möglich ist.“
- 4
- Der Bebauungsplan wurde zunächst nicht geändert. Im Mai 2011 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass der eingereichte Bauantrag nicht genehmigungsfähig sei. Im Laufe der sich anschließenden Korrespondenz teilte die Klägerin der Beklagten mit, eine Grundflächenzahl von 1,0 sei bauleitplane- risch „voraussichtlich nicht realisierbar“, worauf die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2012 eine Frist zur Änderung des Bebauungsplans bis zum 2. März 2012 setzte und nach fruchtlosem Verstreichen mit weiterem Schreiben vom 14. März 2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte.
- 5
- Im Mai 2012 wurde der Bebauungsplan schließlich gemäß den Vorgaben in § 7 Abs. 2 des Vertrages geändert und trat am 1. Juni 2012 in Kraft. Am 7. Juni 2012 teilte der Streithelfer der Klägerin der Beklagten mit, dass nunmehr sämtliche zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Genehmigungen vorlägen. Weshalb es zu der Verzögerung kam, ist zwischen den Parteien streitig.
- 6
- Die auf Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit den von dem Senat zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin mit Unterstützung des Streithelfers den Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht der Auffassung, dass der Kaufvertrag nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB nichtig sei. Nach der zuletzt genannten Vorschrift seien bindende Verpflichtungen des Satzungsgebers wegen des Eingriffs in die aus der Selbstverwaltungsgarantie von Gemeinden fließende Planungskompetenz unzulässig. In § 7 Abs. 2 des Vertrags sei eine solche Vereinbarung über die von der Klägerin vorzunehmende Bebauungsplanänderung getroffen. Die Formulierung „ver- pflichtet sich“, sei unmissverständlich. Die Vertragsbestimmung könne nicht im Sinne einer aufschiebenden Bedingung o.ä. uminterpretiert oder als Fälligkeitsregelung aufrechterhalten werden. Wegen der Ankoppelung der Fälligkeitsabrede an die Beschlussfassung der Gemeinde würde auch dann die Zielrichtung des gesetzlichen Verbots nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB verkannt. Das führe über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, da nicht angenommen werden könne, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die Verpflichtung der Gemeinde zur Änderung des Bebauungsplans abgeschlossen hätten.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 9
- 1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich der Zahlungsanspruch nicht verneinen. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BauGB nichtig.
- 10
- a) Im Ausgangspunkt zutreffend führt das Berufungsgericht allerdings aus, dass vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen inhaltlich näher bestimmten Bebauungsplan innerhalb bestimmter Zeit aufzustellen oder zumindest die Aufstellung in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner zu fördern, gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB der Wirksamkeit entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87, NJW 1990, 245; Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; Urteil vom 8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; BVerwG, NVwZ 2006, 458; NVwZ 2006, 336 f.; NJW 1980, 2538, 2539; Ernst/Zinkhahn/Söfker, BauGB [2015], § 1 Rn. 42 f.; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 1 Rn. 31; Spannowsky/Uechtritz/Dirnberger, BauGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 57; vgl. auch Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2009 - V ZR 54/09, NJW 2010, 297). Aufgrund von § 1 Abs. 8 BauGB gilt dasselbe für vertragliche Verpflichtungen zur Abänderung eines Bebauungsplans. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht enthält § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB kein Verbot, das sich nur an die betroffene Gemeinde wendet und deshalb nicht zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen führte, die auf die Verkürzung der Bauleitplanung zielen. Die nach Maßgabe von § 1 Abs. 5 bis 7 BauGB vorzunehmende Abwägung setzt eine Auseinandersetzung mit den in § 1 Abs. 6 BauGB beschriebenen Belangen voraus, die grundsätzlich ungebunden und umfassend sein soll. Ein der Einleitung des Planungsverfahrens vorgegebener, mehr oder weniger festgelegter und in dieser Festlegung von einem Begünstigten erzwingbarer Planinhalt würde sich innerhalb des Planungsverfahrens nahezu notwendig als eine zu missbilligende und daher zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führende Verkürzung der gebotenen Abwägung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1976 - III ZR 137/74, BGHZ 66, 322, 325; Urteil vom 11. November 1976 - III ZR 114/75, BGHZ 67, 320, 325; Urteil vom 8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 389 f.; Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 26; BVerwGE 45, 309, 315). Eine Verpflichtung zur Verkürzung dieser Abwägung widerspricht dem zentralen Anliegen der Allgemeinheit und ist nicht nur der Gemeinde verboten, sondern auch dem Bürger oder Unternehmen, das die Gemeinde mit diesem Ziel in die Pflicht nehmen will.
- 11
- b) Nicht beachtet hat das Berufungsgericht indessen, dass nichtig nur Vereinbarungen der Gemeinden mit Bürgern oder Unternehmern sind, die in der beschriebenen Weise auf eine Verkürzung des bei der Bauleitplanung vorzunehmenden Planabwägungsvorgangs zielen. Eine solche Auswirkung hat eine privatrechtliche Vereinbarung selbst dann grundsätzlich nicht, wenn sie für den Fall des Ausbleibens des Bauleitplans oder der Verwirklichung eines von den Vorstellungen der Parteien abweichenden Planinhalts die Gemeinde mit einer Schadens- oder Aufwendungsersatzverpflichtung belastet. Solche privatrechtlichen Vereinbarungen sind im Interesse des redlichen Grundstücksverkehrs und der Förderung der für die bauliche Entwicklung der Gemeinden notwendigen Privatinitiative der Grundeigentümer grundsätzlich nicht zu missbilligen (BGH, Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 27; Urteil vom 8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; vgl. auch BVerwGE 45, 309, 317; Ernst/Zinkhahn/Söfker, BauGB [2015], § 1 Rn. 42 f.; Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 1 Rn. 31; Spannowsky/Uechtritz/ Dirnberger, BauGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 57). Der von Vereinbarungen solcher Art ausgehende „indirekte Zwang“ zu einer den Wünschen der Vertragspartner ent- sprechenden Bauleitplanung kann den Wirkungen einer öffentlich-rechtlichen Zusage bestimmter Planungsakte nicht gleichgesetzt werden, weil er der Einhaltung der zu beachtenden Bindungen rechtlich nicht im Wege steht (BGH, Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 26 f.). Eine Gemeinde darf deshalb eigene Grundstücke zu einem durch die sich abzeichnende Bauleitplanung gerechtfertigten (höheren) Preis verkaufen und die Folgen einer Enttäuschung dieser Erwartung regeln. Es kommt deshalb im vorliegenden Fall darauf an, ob sich die Parteien mit dem Kaufvertrag in diesem Gestaltungsrahmen gehalten haben.
- 12
- c) Das ist der Fall.
- 13
- aa) Das Berufungsgericht entnimmt dem Kaufvertrag der Parteien indessen , die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten eine „Verpflichtung“ zu einer dem Vertrag entsprechenden Umgestaltung des geltenden Bebauungsplans übernommen. Diese Auslegung ist zwar im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 2014 - V ZR 51/13, NJWRR 2014, 1423 Rn. 14; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 9; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 156/11, NJW 2012, 2022 Rn. 14; Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, NJW 1999, 3704; Urteil vom 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46), in diesem Rahmen jedoch zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die anerkannte Auslegungsregel nicht beachtet, dass der Tatrichter bei der Auslegung den aus der Urkunde hervorgehenden Zweck und die daraus ersichtliche Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Mai 2008 - V ZB 6/08, NJW 2008, 3363 Rn. 7; Urteil vom 9. Mai 2003 - V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054; BGH, Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19, 22). Die erforderliche Auslegung des Kaufvertrags kann der Senat selbst vornehmen, da Inhalt und Zweck des Vertrages und die daraus ersichtliche Interessenlage der Parteien feststehen und zusätzliche verwertbare Erkenntnisse nicht zu erwarten sind (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039; Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181; MüKo-BGB/Busche, 7. Aufl., § 133 Rn. 72).
- 14
- bb) Auszugehen ist davon, dass die Parteien im Zweifel dasjenige wollen , was gesetzeskonform und nach den Maßstäben der Rechtsordnung zu einer vernünftig und sachgerechten Regelung führt (BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 69/96, BGHZ 134, 325 Rn. 20 mwN; Senat, Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 278/01, NJW-RR 2003, 1136 Rn. 10; MüKo-BGB/Busche, 7. Aufl., § 133 Rn. 63; Palandt/Ellenberger, 74. Aufl., § 133 Rn. 26). Sind im Zusammenhang mit dem Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstücks, das erst durch die Planung bebaubar werden soll, privatrechtliche Vereinbarungen nur in einem bestimmten Gestaltungsrahmen zulässig, ist anzunehmen, dass die Parteien eine Vereinbarung treffen wollen, die sich im Rahmen des danach Zulässigen bewegt. So liegt es auch hier.
- 15
- Die Parteien haben in ihrem Kaufvertrag nicht geregelt, dass das verkaufte Grundstück in einer bestimmten Weise bebaubar sein soll. Die Klägerin wollte, wie der umfassende Ausschluss der Sachmängelhaftung in § 2 des Vertrags zeigt, eine solche Beschaffenheit nicht versprechen und eine Haftung dafür auch nicht übernehmen. Das wäre ihr nicht gelungen, wenn die Bebaubarkeit als Beschaffenheit vereinbart worden wäre. Denn dann erfasste der Haftungsausschluss diese Beschaffenheit gerade nicht (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31). Schon das schließt es aus, in der Verpflichtung, die Bebaubarkeit herzustellen, die Übernahme einer entsprechenden Leistungspflicht zu sehen. Dagegen spricht gerade auch die von dem Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung angeführte Verknüpfung dieser Verpflichtung mit der Fälligkeitsregelung. Die von der Beklagten in § 7 Abs. 1 des Vertrags übernommene Bauverpflichtung haben die Parteien zwar als echte Leistungsverpflichtung ausgestaltet und nicht besonders sanktioniert mit der Folge, dass die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur Anwendung kommen. Als Folge des Ausbleibens der in Aussicht genommenen Änderung des Bebauungsplans haben die Parteien aber nur eine Regelung hinsichtlich der Fälligkeit des Kaufpreises getroffen. Nach § 4 Abs. 2 des Vertrags ist der Kaufpreis erst zur Zahlung fällig, wenn der Notar u.a. mitteilt, dass die in § 7 Abs. 2 genannten Voraussetzungen gegeben sind. Weitere Sanktionen für die Verletzung der Verpflichtung der Klägerin sind nicht vorgesehen. Das Ausbleiben der Planung soll also folgenlos bleiben. Seine einzige Folge ist, dass die Beklagte die Grundstücke dann nicht abnehmen und bezahlen muss.
- 16
- cc) Dem Bemühen der Parteien, den Spielraum für zulässige privatrechtliche Vereinbarungen einzuhalten, entspricht es, in der dargestellten Verknüpfung der Verpflichtung zur Planänderung mit der Fälligkeit eine aufschiebende Bedingung des Kaufvertrages zu sehen. Die Parteien wollten eine Leistungspflicht vermeiden. Dem würde eine Auslegung als bloße Fälligkeitsregelung nicht gerecht, weil die „Verpflichtung“ zur Planänderung dann als Leistungspflicht zu verstehen wäre, die eben nur nicht fällig würde. Die Beklagte sollte die Grundstücke zu dem der erwarteten Planung entsprechenden Preis nur für den Fall erwerben, dass es der Klägerin gelingt, eine den zugrunde gelegten Vorstellungen entsprechende Änderung der bestehenden Bauleitplanung herbeizuführen. Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten sollte bei einem Scheitern der Bemühungen nicht nur nicht fällig sein, sondern gar nicht erst entstehen. Die Parteien wollten der Beklagten keinen einklagbaren Anspruch der Beklagten auf Änderung des Bebauungsplans verschaffen. Damit haben sie den Kaufvertrag unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass der Klägerin eine entsprechende Änderung des Plans gelingt. Die Klägerin hat es lediglich übernommen, die Bebaubarkeit des Grundstücks zu fördern. Ihre „Verpflichtung“, diese Ände- rung herbeizuführen, ist deshalb keine Leistungspflicht mit einem korrespondierenden Leistungsanspruch der Beklagten, sondern eine Ausformung der Treuepflicht der Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrags. Sie sind gehalten, sich um den Eintritt der Bedingung zu bemühen (Senat, Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 76/97, VIZ 1998, 577 und Urteil vom 25. Juni 1976 - V ZR 121/73, BGHZ 67, 34, 35).
- 17
- dd) Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung stellt kein unzulässiges , mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB verbundenes Umgehungsgeschäft dar (vgl. hierzu Staudinger/Sack/Seibl, BGB [2011], § 134 Rn. 144 ff.). Ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Risikoübernahme der Gemeinde zulässig, die Zahlungsansprüche zugunsten des Käufers auslösen kann, muss dies erst recht gelten für eine Vereinbarung, nach der ein Kaufvertrag über ein gemeindeeigenes Grundstück nicht zustande kommt, wenn die Bebaubarkeit nicht erreicht wird.
- 18
- 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus einem anderen Grund richtig.
- 19
- a) Der Zahlungsanspruch der Klägerin scheitert nicht an dem Rücktritt der Beklagten. Durch einen wirksamen Rücktritt wäre der Kaufvertrag zwar in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden und die Leistungspflicht der Beklagten nach § 346 Abs. 1, § 323 Abs. 1 BGB entfallen. Der Rücktritt ging aber ins Leere, da mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung in Gestalt der Änderung des Bebauungsplans der Vertrag noch nicht wirksam geworden war.
- 20
- b) Dem Zahlungsanspruch steht nach den getroffenen Feststellungen eine wirksame Lösung der Beklagten von dem Vertrag nach § 242 BGB nicht entgegen. Eine solche Lösung ist aber auch nicht auszuschließen.
- 21
- aa) Die Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrags sind, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich verpflichtet, sich um das Wirksamwerden des Vertrags zu bemühen. Dabei kann es zu einer längeren Schwebezeit vor allem dann kommen, wenn der Eintritt der Bedingung allein von dem Verhalten einer Partei abhängt. Eine zeitlich grenzenlose Bindung der anderen Vertragspartei wäre mit dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar. Deshalb ist in einem solchen Fall der anderen Partei das Recht zuzugestehen , sich im Falle der Unzumutbarkeit eines weiteren Abwartens von dem Vertrag loszusagen. Eine entsprechende Möglichkeit hat der Senat für die Fälle schwebender Unwirksamkeit von Verträgen aufgrund noch nicht erteilter behördlicher Genehmigungen bejaht (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 76/97, VIZ 1998, 577, 578; Urteil vom 14. März 1980 - V ZR 115/78, BGHZ 76, 242, 248). Diese Grundsätze gelten auch hier.
- 22
- bb) Die Beklagte kann sich hiernach von dem Kaufvertrag lösen, wenn ihr ein weiteres Zuwarten auf die Herstellung der Bebaubarkeit des Grundstücks durch die Klägerin nach Abwägung der Interessen und Umstände des Einzelfalles unzumutbar geworden wäre. Maßgeblich sind insoweit nicht nur die verstrichene Zeitdauer, sondern insbesondere die Hintergründe für die eingetretene Verzögerung in der Bauplanung. Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen die Annahme nicht, ein weiteres Festhalten an dem Vertrag sei der Beklagten unzumutbar gewesen. Festgestellt ist bislang nämlich nur, dass die Partei- en bis Juni 2011 verhandelt haben, dass die Klägerin mit Schreiben vom 2. August 2011 der Beklagten einen Entwurf der textlichen Festsetzungen für die Änderungen des Bebauungsplans zugesandt hat, in dem sie die Grundflächenzahl auf 0,8 festgesetzt hat, und dass die Beklagte mit Schreiben vom 30. Januar 2012 der Klägerin eine kurze Frist zur Änderung des Bebauungsplans gesetzt hat.
- 23
- cc) Es lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass die seit dem Abschluss des Vertrags verstrichene Zeit und das Verhalten der Klägerin der Beklagten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag unzumutbar gemacht hat. Dazu fehlen aber Feststellungen.
- 24
- c) Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht schließlich auch kein Freistellungsanspruch der Beklagten wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten (culpa in contrahendo) nach § 249, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, und § 241 Abs. 2 BGB entgegen. Ein solcher Anspruch kommt nur bei einem Verhalten der Klägerin in Betracht, das der Beklagten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag unzumutbar macht. Ersatzfähig wäre auch nur ein Schaden, der der Beklagten dadurch entstanden ist, dass sie auf die Wirksamkeit des Vertrags vertraut hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
III.
- 25
- Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, weil es an den erforderlichen Feststellungen fehlt. Sie ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die weitere Behandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 26
- 1. In der neuen Verhandlung wird festzustellen sein, ob der Beklagten unter Würdigung des Verlaufs der Vertragsdurchführung und des Verhaltens der Parteien ein weiteres Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten war.
- 27
- 2. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Rücktrittserklärung, die gegebenenfalls als Lösung von dem Vertrag auszulegen wäre. Schmidt-Räntsch Brückner Weinland Kazele Haberkamp
LG Aurich, Entscheidung vom 19.04.2013 - 3 O 912/12 (318) -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 22.11.2013 - 6 U 89/13 -
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.