Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Juni 2016 - 20 U 164/15

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2016:0615.20U164.15.00
bei uns veröffentlicht am15.06.2016

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.06.2015 verkündete Urteil der 115. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert und wie folgt gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch nach Abschluss des zwischen ihm und des Z geschlossenen Abfindungsvergleichs vom 30.04.2012 weiterhin die sich aus der Krankenversicherung – A-Nr. #####/#### – ergebenden Erstattungsansprüche des Klägers für ärztliche Krankheitsbehandlungen, physiotherapeutische Behandlungen und ärztlich verordnete Heilmittel zu erstatten, die auf das Unfallereignis vom 28.05.2008 zurückzuführen sind.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die dieser selber trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckbaren Betrages leistet.


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Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Juni 2016 - 20 U 164/15

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Juni 2016 - 20 U 164/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Juni 2016 - 20 U 164/15 zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 818 Umfang des Bereicherungsanspruchs


(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen


Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 116 Ansprüche gegen Schadenersatzpflichtige


(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistung

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 86 Übergang von Ersatzansprüchen


(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werd

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit


(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Ke

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 67 Abweichende Vereinbarungen


Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 1 Vertragstypische Pflichten


Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versiche

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR418/13 Verkündet am: 15. Juli 2014 Weber, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR399/13
vom
17. Dezember 2014
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 17. Dezember 2014

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 20. November 2013 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz der Kosten für eine Zahnheilbehandlung.
2
Zwischen den Parteien besteht auf Grund Antrags vom 30. Juni 2008 seit dem 1. Juli 2008 eine private Zahnbehandlungs- und Zahnersatz -Zusatzversicherung. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versiche- rungsbedingungen (AVB 2008) der Beklagten zugrunde. Dort findet sich unter § 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 folgende Regelung: "Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung ; er endet, wenn nach medizinischem Befund eine Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. […]"
3
Der Kläger verlangt aus der Versicherung anteilige Erstattung der Kosten für die Behandlung seines Zahnes 27. Die Kostenübernahme dieser der Höhe nach unstreitigen Zahnarztrechnungen ist von der Beklagten wegen vorvertraglicher Behandlungsbedürftigkeit abgelehnt worden.
4
Der Kläger hatte sich bereits am 20. Juni 2008 wegen Schmerzen am Zahn 28 (Weisheitszahn Oberkiefer links) in die Behandlung seiner Zahnärztin begeben, die den Zahn extrahierte und anschließend zur Kontrolle eine Röntgenaufnahme des Bereichs fertigte. Dabei zeigte sich, dass der benachbarte Zahn 27 zwar mit einer im Wesentlichen kunstgerecht ausgeführten Wurzelfüllung versorgt war, die distale Zahnwurzel jedoch eine apicale Lyse (Auflösungsprozess des Kieferknochens an der Wurzelspitze) aufwies. In den Behandlungsunterlagen der Zahnärztin heißt es dazu auszugsweise: "Patient wurde informiert über Zustand - Prognose langfristig nicht günstig auch in Hinsicht, dass endständiger Zahn. Versorgung: 1. GKV- MOB 2.selbst: Implantat. Zahn solange erhalten als möglich."
5
Eine weitere Behandlung des Zahns 27 fand zunächst nicht statt. 2010 bereitete der Zahn 27 dem Kläger dann aber Beschwerden, weshalb er im August 2010 gezogen und im Mai 2011 durch ein Implantat ersetzt wurde. Für diese Behandlung entstanden ihm Kosten von 1.274,91 €, für die er die tarifliche Erstattung von 90% mit 1.147,42 € begehrt.
6
II. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat keinen Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt , dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch nach § 192 Abs. 1 VVG zu, weil der Versicherungsfall vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sei. In Bezug auf den Zahn 27 sei bereits am 20. Juni 2008 ein Versicherungsfall eingetreten. Aufgrund der Röntgenuntersuchung der behandelnden Zahnärztin sei an diesem Tag die Diagnose einer apicalen Lyse gestellt und der Kläger über die schlechte Prognose für den Zahn und die Möglichkeit von Zahnersatz beraten worden. Der Versicherungsfall sei am 20. Juni 2008 auch noch nicht beendet gewesen , weil der Zahn 27 aufgrund seiner Erkrankung weiterhin behandlungsbedürftig gewesen sei, auch wenn wegen zu unterstellender Beschwerdefreiheit noch keine unmittelbare Notwendigkeit einer zahnprothetischen Maßnahme bestanden habe.
7
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der Kosten der Zahnbehandlung.
8
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
9
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da es meinte, von Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Stuttgart abzuweichen. Dies trägt indessen weder den vom Berufungsgericht genannten Zulassungsgrund noch liegt einer der weiteren im Gesetz genannten Zulassungsgründe vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Dass über die Auslegung des § 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 AVB 2008 der Beklagten in Rechtsprechung und Literatur Streit herrscht, ist nicht ersichtlich. Die maßgeblichen Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung dieser Regelung sind höchstrichterlich geklärt. Soweit es in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte abweichende Entscheidungen gibt, beruht dies auf den getroffenen tatrichterlichen Feststellungen und nicht auf unterschiedlichen Rechtssätzen (im Einzelnen dazu nachfolgend unter 2.b).
10
2. Das Rechtsmittel ist auch unbegründet.
11
a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung angenommen, dass hier ein Versicherungsfall in Bezug auf den Zahn 27 bereits am 20. Juni 2008 eingetreten und nicht beendet war und der Kläger damit keinen Anspruch nach § 192 Abs. 1 VVG gegen die Beklagte auf Erstattung der streitgegenständlichen Heilbehandlungskosten hat.
12
aa) Versicherungsfall ist nach § 1 Nr. 2 Satz 1 AVB 2008 der Beklagten die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich Zahn 27 bereits am 20. Juni 2008 Behandlungsbedürftigkeit in diesem Sinn.
13
Mit dem Begriff "medizinisch notwendige" Heilbehandlung wird - auch für den Versicherungsnehmer erkennbar - nicht an den Vertrag zwischen ihm und dem behandelnden Arzt und die danach geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Vielmehr wird zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung i.S. des § 1 Nr. 2 AVB 2008 vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2013 - IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558 Rn. 13; Senatsurteile vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208, 211 f.; vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228, 233f.; vom 29. November 1978 - IV ZR 175/77, VersR 1979, 221 unter III; jeweils m.w.N.).
14
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht beanstandungsfrei festgestellt, dass bereits am 20. Juni 2008 mit der Diagnose einer apicalen Lyse beim Zahn 27 ein Versicherungsfall vorlag. Die Aufklärungstätigkeit der Zahnärztin hinsichtlich des problematischen Zustands des Zahns und der langfristigen ungünstigen Prognose erfolgte , wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, wegen der Erkrankung des Zahns. Der Kläger litt jedenfalls ab dem 20. Juni 2008 an einem starken Knochenabbau des Kiefers im Bereich des Zahns 27, der schließlich - wie ab diesem Zeitpunkt für ihn auch vorhersehbar - zu dessen Entfernung und zum Einsatz eines Implantats führte.

15
bb) Die Behandlung begann - entgegen der Ansicht der Revision - am 20. Juni 2008 und war zu diesem Zeitpunkt auch nicht beendet, obwohl sie erst im Jahr 2010 mit Auftreten von Beschwerden fortgesetzt wurde.
16
(1) Gemäß § 1 Nr. 2 Satz 2 AVB 2008 beginnt der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung. Nach ständiger Senatsrechtsprechung gehört zur "Behandlung" einer Krankheit nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit , sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist. Bei schon bekannten Krankheiten, bei denen es Arzt und Patient darum geht, nach in sich abgeschlossener erster Behandlungsphase verbliebene Krankheitsfolgen zu beheben oder zu lindern, ist zwar eine ärztliche Untersuchung zur Erkennung des Leidens oft gar nicht mehr notwendig. Aber auch in diesen Fällen beginnt die Heilbehandlung mit der ersten Inanspruchnahme jeglicher ärztlicher Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Tätigkeit des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt (Senatsurteil vom 25. Januar 1978 - IV ZR 25/76, VersR 1978, 362, 364 unter III 2 b; BGH, Urteile vom 20. Februar 1956 - II ZR 6/55, VersR 1956, 186; vom 20. Dezember 1956 - II ZR 8/56, VersR 1957, 55 unter 2; OLG Oldenburg VersR 2012, 1548, 1549; OLG Dresden VersR 2009, 1651). Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem Versicherungsnehmer anderenfalls möglich wäre, zunächst eine ärztliche Diagnose und Beratung über mögliche Behandlungsformen einzuholen, sodann eine Krankenversicherung abzuschließen bzw. eine bestehende Krankenversicherung zu erhöhen, um danach die Heilbe- handlung in Anspruch nehmen zu können. Sobald nämlich der Versicherte wegen einer Krankheit einen Arzt einmal in Anspruch genommen hat, hindert ihn die Klausel daran, den Versicherungsfall willkürlich abzubrechen und einen neuen zu einem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt zu beginnen, obwohl es sich tatsächlich um die Weiterbehandlung der früheren Krankheit handelt (Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76, VersR 1978, 271, 272 unter II 1; OLG Hamm VersR 1989, 614 unter

1).

17
Danach begann nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Versicherungsfall hinsichtlich des Zahns 27 hier mit der Fertigung der Röntgenaufnahme am 20. Juni 2008. Diese führte zum Erkennen der Erkrankung des Zahns und zur anschließenden medizinischen Beratung des Klägers durch seine Zahnärztin. Der Umstand, dass die Erkrankung des Zahns 27 zufällig im Rahmen der Behandlung des Zahns 28 festgestellt wurde, ändert daran - entgegen der Ansicht der Revision - nichts. Denn es handelte sich bei der Röntgenaufnahme gleichwohl um eine ärztliche Untersuchung, die auf das Erkennen eines Leidens abzielte. Entscheidend für den Beginn der Heilbehandlung ist nicht der konkrete Auftrag des Patienten an den Arzt, sondern die (behandlungsbedürftige ) Krankheit selbst (Senatsurteil vom 14. September 1977 - IV ZR 12/76, VersR 1978, 271 unter II 1; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2013 - IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558 unter III 1).
18
(2) Die Heilbehandlung war am 20. Juni 2008 auch noch nicht beendet. Der Versicherungsfall endet erst dann, wenn nach medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht (Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76, VersR 1978, 271, 272 unter II 1).
Nach den tatrichterlichen, revisionsrechtlich beanstandungsfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war der Zahn 27 aufgrund seiner Erkrankung , der apicalen Lyse, wenigstens im Sinne einer röntgenologischen Überwachung weiterhin behandlungsbedürftig, auch wenn wegen zu unterstellender Beschwerdefreiheit noch keine unmittelbare Notwendigkeit für eine zahnprothetische Maßnahme bestand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen auf den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, die nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Auflösung des Kieferknochens im Zahnwurzelbereich einen pathologischen Zustand darstelle und die Gefahr bestanden habe, dass die Kieferhöhle infiziert würde, weshalb der Zustand zumindest röntgenologisch zu beobachten gewesen sei, insbesondere auch deshalb, weil die Auflösung des Kieferknochens damals bereits einen Durchmesser von 5 bis 6 mm erreicht hatte.
19
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts weicht entgegen dessen Ansicht nicht von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (VersR 2011, 1506) und Karlsruhe (VersR 2013, 1252, 1253 unter 3) ab. Die Entscheidungen dieser beiden Gerichte beruhen jeweils auf den von ihnen getroffenen tatrichterlichen Feststellungen im Einzelfall. Danach war das Oberlandesgericht Stuttgart der Überzeugung, dass die Funktionsfähigkeit des Gebisses des Klägers dort wiederhergestellt und eine Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr gegeben war. Ebenso war das Oberlandesgericht Karlsruhe auf Grund seiner tatrichterlichen Feststellungen der Auffassung, dass in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall mit der Aufnahme des Zahnstatus des Klägers und der anschließenden Behandlung der Parodontitis, die insbesondere eine Mundhygiene enthielt, die zahnärztliche Versorgung des Gebisses beendet war. Nach den Ausführungen des behandelnden Zahnarztes, denen sich der ge- richtliche Sachverständige angeschlossen hatte, war mehr als der Rat einer guten Pflege nicht angezeigt gewesen. Im Streitfall hatte die gerichtliche Sachverständige hingegen ausgeführt, dass trotz zu unterstellender Beschwerdefreiheit ein Abbruch der zahnärztlichen Behandlung wegen des Ausmaßes der Auflösung des Kieferknochens medizinisch nicht vertretbar war.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Lichtenberg, Entscheidung vom 30.04.2013 - 102 C 442/11 -
LG Berlin, Entscheidung vom 20.11.2013 - 23 S 26/13 -

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 353/14 Verkündet am:
17. Februar 2016
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 201; AVB Krankheitskostenversicherung (hier § 5 (1) b MB/KK 94)
1. Eine Krankheit im Sinne von § 5 (1) b MB/KK 94 ist auch dadurch gekennzeichnet,
dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen
mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet.
2. Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche
Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten
ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne
einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht.
BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 - IV ZR 353/14 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
ECLI:DE:BGH:2016:170216UIVZR353.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2016

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers zu 1 wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. August 2014 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil des Klägers zu 1 entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger zu 1 (im Folgenden: Kläger) verlangt von der Beklagten Krankenversicherungsleistungen wegen einer bei seiner Ehefrau, der früheren Klägerin zu 2, durchgeführten Auswechslung von Brustimplantaten.
2
Er hält seit Ende 2005/Anfang 2006 eine private Krankheitskostenversicherung bei der Beklagten. Seine Ehefrau ist darin mitversichert. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (im Folgenden : AVB) zugrunde, deren ersten Teil die Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94) bilden. Darin heißt es unter anderem: "Der Versicherungsschutz § 1 … Teil I (1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten , Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Er gewährt im Versicherungsfall
a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen,
b) … (2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Muß die Heilbehandlung auf eine Krankheit oder Unfallfolge ausgedehnt werden, die mit der bisher behandelten nicht ursächlich zusammenhängt, so entsteht insoweit ein neuer Versicherungsfall … § 5 Einschränkung der Leistungspflicht Teil I (1) Keine Leistungspflicht besteht
a) …
b) für auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle einschließlich deren Folgen sowie für Entziehungsmaßnahmen einschließlich Entziehungskuren …"
3
Bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages hatte sich die Ehefrau des Klägers im Jahre 2004 aus kosmetischen Gründen mittels Implantaten die Brüste vergrößern lassen, was der Kläger im Versicherungsantrag bei Beantwortung der dort gestellten Gesundheitsfragen nicht angegeben hatte. Ende 2011 bildete sich in der rechten Brust der Ehefrau des Klägers ausgelöst durch das Implantat eine schmerzhafte Kapselfibrose; in ihrer linken Brust war es zu einer Implantatdislokation gekommen. Am 19. Januar 2012 wurde deshalb ein beidseitiger Implantatwechsel vorgenommen, für den das ausführende Klinikum 4.629,61 € in Rechnung stellte.
4
Der Kläger meint, die Beklagte sei hierfür eintrittspflichtig, anderenfalls schulde sie die Kostenerstattung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten, weil sie bei Vertragsschluss darüber hätte informieren müssen, dass sie für die Folgen kosmetischer Operationen nicht einstehe.
5
Die Beklagte lehnt die Kostenerstattung unter Berufung auf § 5 Teil I (1) b AVB ab. Da die Ehefrau des Klägers vor ihrer Operation im Jahre 2004, die nicht zum Zwecke einer Heilbehandlung erfolgt sei, über die mit der Brustvergrößerung verbundenen Risiken aufgeklärt worden sei, zu denen auch eine Kapselfibrose oder eine unerwünschte Formveränderung zählte, habe sie diese Komplikationen bedingt vorsätzlich herbeigeführt. Weiter bestreitet die Beklagte die medizinische Notwendigkeit des Implantatwechsels.
6
Das Landgericht hat die Klage beider Eheleute abgewiesen, das Berufungsgericht die vom Kläger eingelegte Berufung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat dem Kläger die Erstattung der Kosten für den Implantatwechsel nach § 201 VVG versagt, weil seine mitversicherte Ehefrau die Krankheit vorsätzlich bei sich selbst herbeigeführt habe. Auf Einwände des Klägers gegen die Wirksamkeit der Ausschlussklausel in § 5 Teil I (1) b AVB komme es deshalb nicht an. Der Kläger könne die Kostenerstattung auch nicht als Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten verlangen.
9
Brustimplantate führten zu einem objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körperzustand und damit zu einer bedingungsgemäßen Krankheit. Dabei könne dahinstehen, ob gene- rell der Zustand nach einer Schönheitsoperation als anormaler Körperzustand und damit im versicherungsrechtlichen Sinne als Krankheit einzustufen sei. Jedenfalls wenn eine solche Operation die Einbringung eines Fremdkörpers in Form eines Brustimplantats zum Ziel habe, werde ein dauerhaft regelwidriger und anormaler Zustand geschaffen. Anders als die Einbringung von anderen Fremdkörpern, wie etwa Herzschrittmachern oder Prothesen, geschehe dies nicht aus medizinischen, sondern nur aus kosmetischen Gründen.
10
Nach § 201 VVG müsse sich der Vorsatz der versicherten Person lediglich auf die Krankheit, nicht auch auf deren Folgen erstrecken, wobei bedingter Vorsatz genüge. Die Kapselfibrose sei eine solche Folge des von der Ehefrau des Klägers nach Einsetzten der Brustimplantate mit zumindest bedingtem Vorsatz herbeigeführten regelwidrigen Körperzustandes.
11
Im Übrigen sei aber sogar die Kapselfibrose vom bedingten Vorsatz der Versicherten erfasst, weil es sich nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen um eine natürliche, je nach Prothesenart in 5% bis 20% der Fälle eintretende Fremdkörperreaktion auf das Implantat handele. Über das Risiko der Kapselfibrose sei die Versicherte vor ihrer Operation aufgeklärt worden. Jedenfalls dann, wenn es sich bei einer Folgeerkrankung um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs handele, sondern diese - wie hier - Folge eines natürlichen Abstoßungsprozesses sei, der in einer bedeutsamen Zahl von Fällen auftrete, nehme der über diese Folge aufgeklärte Versicherte diese billigend in Kauf. In der Einwilligung in eine Schönheitsoperation liege auch keine den Vorsatzbegriff des § 201 VVG anderenfalls möglicherweise einschränkende sozialadäquate Handlung.
12
Nach dem hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Versicherungsvertragsrecht sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen , ohne Anlass darüber aufzuklären, dass Folgebehandlungen einer Schönheitsoperation nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien. Ein solcher Beratungsanlass habe gefehlt, weil der Kläger die Schönheitsoperation seiner Ehefrau bei Vertragsschluss nicht angegeben habe.
13
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.
14
1. Zu Unrecht hat es angenommen, bereits die 2004 mittels der Implantate herbeigeführte Brustvergrößerung habe bei der Ehefrau des Klägers zu einer Krankheit im Sinne von § 201 VVG bzw. § 1 Teil I (1) und § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB geführt.
15
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.).
16
b) Unter einer bedingungsgemäßen Krankheit wird ein solcher Versicherungsnehmer entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. zu diesem Maßstab Senatsurteile vom 4. März 2015 - IV ZR 128/14, r+s 2015, 383 Rn. 12; vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 289/13, r+s 2015, 88 Rn. 26; vom 8. Mai 2013 - IV ZR 174/12, r+s 2013, 334 Rn. 12; st. Rspr.), wie er sich auf der Grundlage allgemein bekannt gewordener medizinischer Erkenntnisse herausgebildet hat (vgl. dazu LG Köln VersR 1983, 388), einen objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anorma- len, regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verstehen (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228 unter II 2 a; vom 21. September 2005 - IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122 unter II 1; vom 15. September 2010 - IV ZR 187/07, r+s 2011, 75 Rn. 11), wobei sich die Einstufung als "anormal" aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als "regelwidrig" aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes ergibt.
17
Eine Krankheit ist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 192 Rn. 20; MünchKomm-VVG/Kalis, § 192 Rn. 16; ders. in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 5. Aufl. § 1 MB/KK Rn. 15, jeweils m.w.N.) und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1952 - III ZR 295/51, BGHZ 7, 30 unter 3 zu § 616 Abs. 2 BGB; vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 19. Juni 1963 - 3 RK 37/59, BSGE 19, 179 unter II).
18
c) Danach führt - anders als das Berufungsgericht meint - eine mittels ärztlichen Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung nach allgemeinem Sprachgebrauch zu keiner Krankheit im Sinne der Bedingung. Zwar mag die Implantation eines Fremdkörpers, etwa eines Silikonkissens , einen biologisch anormalen Körperzustand bewirken, medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung ist dieser nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber schon deshalb nicht, weil - wenngleich nicht medizinisch geboten - er von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen herbeigeführt wird und bei normalem, komplikationsfreiem Verlauf auch nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen führt und keinen Behandlungsbedarf begründet.
19
Dementsprechend wird beispielsweise in Teilen der Rechtsprechung zu Recht angenommen, eine medizinisch nicht gebotene, lediglich mit Blick auf die individuelle Lebensplanung durchgeführte Sterilisation führe nicht zu einer Krankheit (vgl. OLG Nürnberg VersR 2005, 1383, 1384; offen gelassen von OLG Köln VersR 1994, 1170; vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung BSG NJW 1986, 1572, 1573). Denn eine solche mit ärztlicher Hilfe freiwillig herbeigeführte Unfruchtbarkeit wird ein Versicherungsnehmer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schon deshalb nicht als krankhaft ansehen, weil sie keinen weitergehenden Behandlungsbedarf auslöst. Lässt eine versicherte Person bewusst und gewollt einen ärztlichen Eingriff aus kosmetischen Gründen vornehmen, so wird auch der dadurch geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als"krankhaft" angesehen. Solche ärztlichen Eingriffe sind nicht verboten. Wer sie vornehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken begeben (vgl. BSG aaO). Soweit die Beklagte behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, die Implantation von Silikonkissen führe in jedem Fall zu körperlichen Abwehrreaktionen, die einen fortschreitenden Prozess in Gang setzten, der dann zu Komplikationen wie einer Kapselfibrose führen könne, hat das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen nicht getroffen. Sachverständig beraten hat es lediglich festgestellt , dass eine Kapselfibrose in 5% bis 20% der Fälle eintreten könne. Selbst wenn man aber unterstellt, dass auch in den übrigen Fällen stets körperliche Reaktionen auf die Implantate stattfinden, ist deren Behandlungsbedürftigkeit und ein Einfluss auf körperliche Funktionen nicht er- sichtlich. Allein der Umstand, dass der Körper auf eingebrachte Silikonimplantate reagiert, schafft somit noch keinen Zustand einer bedingungsgemäßen Krankheit.
20
2. Hat mithin die 2004 durchgeführte Brustvergrößerung zunächst zu keiner bedingungsgemäßen Krankheit geführt, kommt es weder für den Leistungsausschluss nach § 201 VVG noch den aus § 5 Teil I (1) Buchst. b AVB darauf an, ob sich die Ehefrau des Klägers dieser Operation vorsätzlich und freiwillig unterzogen hat, denn Krankheiten im Sinne dieser Bestimmungen stellen allenfalls die späteren Komplikationen, d.h. die Kapselfibrose und die Implantatdislokation dar.
21
Die Beklagte wäre nur dann leistungsfrei, wenn - wie das Berufungsgericht jedenfalls in Bezug auf die Kapselfibrose weiter angenommen hat - die Ehefrau des Klägers auch diese sowie die Implantatdislokation zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Die dazu vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung indes ebenfalls nicht stand.
22
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine versicherte Person nehme die Folgeerkrankung einer Operation jedenfalls immer dann billigend in Kauf, wenn es sich um eine nicht ganz fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs, sondern um einen natürlichen Abstoßungsprozess handele, der in einer durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen (hier in 5% bis 20% der Fälle) auftrete, und die versicherte Person vor der Operation darüber aufgeklärt worden sei. Damit hat das Berufungsgericht seiner Beweiswürdigung zur Frage des Vorsatzes der Versicherten einen unzutreffenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und die gebotene umfassende Prüfung nicht vorgenommen, ob die Ehefrau des Klä- gers die Komplikationen nach ihrer Brustoperation vorsätzlich herbeigeführt hat.
23
b) Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens- und eines Wollens-Elementes in der Vorstellung der handelnden Person (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 VersR 2012, 454 Rn. 9, 10 m.w.N.; vom 2. Juni 1993 - IV ZR 72/92, VersR 1993, 960 unter I 2 insoweit in BGHZ 122, 388 nicht abgedruckt).
24
aa) Die vorsätzliche Herbeiführung einer Krankheit durch eine versicherte Person erfordert deshalb zunächst ihr Wissen darüber, dass ihre Handlungsweise, etwa die Duldung eines medizinischen Eingriffs, zu dieser Krankheit führen kann, wobei die Vorstellung genügt, die Krankheit könne mögliche Folge der Handlung sein. Dieses Wissen kann, wie das Berufungsgericht noch zutreffend annimmt, insbesondere auch aus der ärztlichen Aufklärung über mögliche Folgen einer geplanten Operation herrühren. Wird eine versicherte Person - wie hier - darüber aufgeklärt , dass die operative Einbringung eines Fremdkörpers mit einer gewissen Häufigkeit einen natürlichen Abstoßungsprozess hervorrufen kann, so weiß die versicherte Person fortan um diese mögliche Gefahr.
25
bb) Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob auch das WollensElement des Vorsatzes erfüllt ist, das zum Wissen des Handelnden hinzutreten muss. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine diesbezügliche gesonderte Prüfung mit der Erwägung für entbehrlich erachtet, dass immer dann, wenn die versicherte Person über mögliche Operationsfolgen aufgeklärt werde und diese Folgen in einer "durchaus bedeutsamen Zahl von Fällen" aufträten, bereits das so vermittelte Wissen bedingten Vorsatz begründe. Wäre das richtig, hätte die aus Haftungsgründen regelmäßig extensive medizinische Aufklärung über die mit einer gewissen Häufigkeit möglichen Folgen geplanter ärztlicher Eingriffe nach § 201 VVG den weitgehenden Verlust des Krankenversicherungsschutzes für danach eintretende Komplikationen zur Folge.
26
Das Wollens-Element des Vorsatzes ist nur dann gegeben, wenn der Handelnde im Wissen um den möglichen Eintritt eines schädlichen "Erfolges" sich mit diesem im Interesse der Handlung in der Weise abfindet , dass er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH aaO m.w.N.). Dabei ist nicht entscheidend, welche Schlüsse ein verständig handelnder Dritter in der Rolle des Handelnden aus dessen Wissen hätte ziehen können oder müssen, denn das könnte - wenn der konkret Handelnde diese Schlüsse nicht gezogen hat - lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Entscheidend ist vielmehr allein die Vorstellung, die der konkret Handelnde mit seinem Verhalten verbindet. Dabei verläuft die Grenze zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bei der Prognose über den weiteren Geschehensablauf.
27
Das lässt sich - was das Berufungsgericht verkannt hat - nur für den Einzelfall unter - hier unterbliebener - umfassender Würdigung der Fallumstände treffen. Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht nicht. Einer solchen generalisierenden Betrachtung steht bereits die - ebenfalls nur allgemeine - Erwägung entgegen , dass sich Patienten einem ärztlichen Eingriff in aller Regel in der Hoffnung unterziehen, dieser werde erfolgreich und komplikationsfrei verlaufen. Welche Vorstellungen eine versicherte Person mit einem bevorstehenden ärztlichen Eingriff konkret verbindet, muss deshalb stets im Einzelfall geklärt werden.

28
3. Hierzu wird das Berufungsgericht noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Zudem hat es aus seiner Sicht konsequent, die Einwände der Beklagten gegen die medizinische Notwendigkeit des Implantataustausches bisher nicht abschließend geprüft. Es hat insbesondere nicht geklärt, ob es hier medizinisch notwendig war, nicht nur die alten Implantate zu entfernen, sondern auch neue Implantate einzusetzen.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 28.12.2012- 1 O 56/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.08.2014- 12 U 18/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR418/13 Verkündet am:
15. Juli 2014
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Bank, die einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie
zurückgeflossene Rückvergütungen hinweist, kann sich jedenfalls für die Zeit
nach 1984 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und
Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht berufen (Fortführung Senatsbeschluss
vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 2 ff. und Senatsurteil
vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25).
Ein Schadensersatzanspruch auf entgangene Anlagezinsen, der auf eine vor
dem 1. Januar 2002 erfolgte Verletzung eines Kapitalanlageberatungsvertrags
gestützt wird, unterliegt der kurzen Verjährung nach § 197 BGB in der bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Fassung.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. November 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 4% p.a. seit dem 4. November 1988 bis zum 31. Dezember 2006 und für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 23. August 2012 aus mehr als 7.669,38 € verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 12. Februar 2013 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 43% und die Beklagte zu 57%.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds in Anspruch.
2
Der Kläger zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 19. September 1988 eine Beteiligung an der F. KG (im Folgenden: Fonds) im Nennwert von 30.000 DM zuzüglich 5% Agio. Den Gesamtbetrag von 31.500 DM finanzierte er in Höhe von 16.500 DM durch einen mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 23. September 1988, während er den Restbetrag aus Eigenmitteln aufbrachte. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Beteiligung von der Fondsgesellschaft eine Provision von 5% des Beteiligungskapitals , ohne dass dies dem Kläger im Beratungsgespräch offengelegt wurde. In der Folgezeit erhielt der Kläger Ausschüttungen des Fonds in Höhe von insgesamt 3.195,84 €, die er - ebenso wie weitere 9.420,14 € aus Eigenmitteln - zum Kapitaldienst verwendete. Seit dem Jahr 2006 blieben Fondserträge aus.
3
Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten unter Berufung auf die unterbliebene Aufklärung über deren Provisionsinteresse die Rückzahlung des - unter Berücksichtigung der Ausschüttungen - eingesetzten Kapitals in Höhe von 22.329,99 € nebst entgangener Anlagezinsen von 4% p.a. für die Zeit vom 4. November 1988 bis zur Rechtshängigkeit (d.i. 23. August 2012) und gesetzliche Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Ferner begehrt er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungs- gericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist nur im Hinblick auf einen Teil des Zinsanspruchs begründet ; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg. Sie führt, soweit das Berufungsgericht auf die Berufung des Klägers auch den geltend gemachten Anspruch wegen entgangener Anlagezinsen in Höhe von 4% p.a. seit dem 4. November 1988 bis zum 31. Dezember 2006 und für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 23. August 2012 aus mehr als 7.669,38 € zugesprochen hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu. Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Aufgrund dessen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie von der Fondsgesellschaft eine Provision in Höhe von 5% des Beteiligungskapitals erhalte, weil es sich dabei um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung gehandelt habe. Aufgrund der vom Landgericht im Wege der Beweisaufnahme durchgeführten Vernehmung des Klägers als Partei stehe fest, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung das Anla- gegeschäft nicht abgeschlossen hätte. Eine andere Motivlage habe die Beklagte nicht nachgewiesen, so dass es auf der Grundlage der feststehenden Aufklärungspflichtverletzung bei der Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens des Klägers verbleibe. Die Ursächlichkeit stehe nicht deshalb in Zweifel, weil der Kläger eingeräumt habe, im Falle der erfolgreichen Entwicklung der Vermögensanlage auch bei Kenntnis von der Pflichtverletzung der Beklagten keine Klage erhoben zu haben. Damit sei nur die hypothetische Frage nach dem Motiv für die Klage als solche beantwortet. Im Streitfall gehe es jedoch um die Frage , ob der Kläger in Kenntnis der an die Beklagte fließenden Vertriebsvergütung die Anlageentscheidung in gleicher Weise getroffen hätte. Dafür spiele der spätere Verlauf der Anlage keine Rolle.
8
Die Beklagte treffe auch ein Verschuldensvorwurf, weil sie die Verschuldensvermutung des § 282 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht widerlegt habe. Nach dieser Vorschrift könne sich der Schuldner nur entlasten, wenn er darlege und gegebenenfalls nachweise , dass er mit der späteren rechtlichen Beurteilung durch die Gerichte nicht habe rechnen müssen, wobei an das Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei. Hierfür reiche die Behauptung der Beklagten, sie hätte selbst bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage nicht von der später vom Bundesgerichtshof statuierten Aufklärungspflicht über Rückvergütungen ausgehen müssen, nicht aus. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Aufklärungspflicht von Rückvergütungen aus dem Jahr 2006 sei keine Rechtsprechungsänderung verbunden gewesen. Vielmehr bestünden in langer Rechtstradition eindeutige Hinweise darauf, dass die Rechtsprechung das Verschweigen von Rückvergütungen seit jeher missbilligt habe. Bereits das Reichsgericht habe einen Einkaufskommissionär für verpflichtet gehalten, die von ihm hinter dem Rücken des Auftraggebers empfangene Emissionsbonifikation an diesen herauszugeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die bis in das Jahr 1980 zurückreiche, sei auch ein Steuerberater verpflichtet, seinem Mandanten im Rahmen einer Anlageempfehlung den Erhalt von Provisionen von dritter Seite offenzulegen. Demgegenüber habe die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Geschäftspraxis keine einzige Gerichtsentscheidung vorlegen können, in der das Verschweigen von Rückvergütungen gebilligt worden sei.
9
Der Kläger könne neben der Rückzahlung des von ihm eingesetzten Kapitals auch den Ausgleich entgangener Zinsgewinne verlangen. Dieser Anspruch beschränke sich allerdings auf das tatsächlich eingezahlte Eigenkapital, mithin auf den Ausgangsbetrag von 15.000 DM, d.h. 7.669,38 €. Diesen Teil des Anlagekapitals habe der Kläger aus seiner damaligen Festgeldzinsanlage genommen, mit der er seinerzeit erheblich höhere Zinsen als 4% p.a. erwirtschaftet habe. Über die Jahre verteilt könne deshalb nach § 252 BGB, § 287 ZPO von einem durchschnittlichen Zinssatz von 4% p.a. ausgegangen werden.
10
Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung sei nicht begründet. Die am 31. Dezember 2011 eintretende Verjährung nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB sei durch den vom Kläger gestellten Güteantrag rechtzeitig gehemmt worden. Die am 3. August 2012 endende Hemmung sei sodann durch die beim Landgericht eingereichte Klage erneut rechtzeitig gehemmt worden. Einen früheren Eintritt der Regelverjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB infolge einer Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Merkmalen vor dem 31. Dezember 2007 habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Insoweit habe sie schon nicht behauptet, dass dem Kläger die Rückvergütung des Agios an die Beklagte bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei.

II.

11
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - stand.
12
1. Nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwischen dem Kläger und der Beklagten in Bezug auf den von ihr empfohlenen Fonds zumindest stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag zu Stande gekommen. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte auf Grund des Beratungsvertrags verpflichtet war, den Kläger über die von ihr vereinnahmte Provision in Höhe von 5% des Beteiligungskapitals aufzuklären. Bei dieser handelt es sich - was auch von der Revision nicht in Abrede gestellt wird - um eine aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. hierzu nur Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 17 und vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12, WM 2014, 1036 Rn. 16, jeweils mwN). Über diese hat die Beklagte den Kläger - was zwischen den Parteien unstreitig ist - weder mündlich noch durch Übergabe von Informationsmaterial aufgeklärt.
13
2. Entgegen den Angriffen der Revision hat das Berufungsgericht rechtsund verfahrensfehlerfrei das Verschulden der Beklagten bejaht.
14
a) Nach § 282 BGB aF (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nF) muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 18 und vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 17). Zum Vertretenmüssen gehören Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB), so dass der Aufklärungspflichtige bereits für leichte Fahrlässigkeit einzustehen hat. Soweit sich - wie hier - der Aufklärungspflichtige auf einen Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer konkreten Aufklärungspflicht beruft, ist zu unter- scheiden. Während die vorsätzliche Haftung bereits bei einem bloßen Rechtsirrtum entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 25 mwN), ist die Haftung wegen Fahrlässigkeit nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 - VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201, 208). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 303, vom 14. Juni 1994 - XI ZR 210/93, WM 1994, 1613, 1614 und vom 4. Juli 2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014). Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353 f. mwN, vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 3 und vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 12; Senatsurteil vom 3. Juni 2014 - XI ZR 147/12, juris Rn. 24, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
15
Der Fahrlässigkeitsvorwurf entfällt aber nicht erst dann, wenn eine dem Schuldner ungünstige Entscheidung der Rechtsfrage undenkbar ist; dies würde eine Entschuldigung praktisch immer ausschließen (BGH, Urteile vom 7. März 1972 - VI ZR 169/70, WM 1972, 589 und vom 24. September 2013 - I ZR 187/12, NJW-RR 2014, 733 Rn. 19). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist vielmehr in Fällen anzunehmen, in denen die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat (BGH, Urteile vom 1. Oktober 1970 - VII ZR 171/68, WM 1970, 1513, 1514, vom 27. September 1989 - IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160, 161, vom 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05, NJW-RR 2007, 382 Rn. 15, vom 18. Januar 2011 - XI ZR 356/09, WM 2011, 451 Rn. 31 f. und vom 3. Juni 2014 - XI ZR 147/12, juris Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Das kann sogar dann gelten, wenn der Schuldner bereits in zwei Tatsacheninstanzen unterlegen war (BGH, Urteile vom 18. Mai 1955 - I ZR 8/54, BGHZ 17, 266, 295, vom 19. September 1984 - IVa ZR 67/83, VersR 1984, 1137, 1139 und vom 3. Juni 2014 - XI ZR 147/12, juris Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Allerdings muss durch strenge Anforderungen an seine Sorgfalt verhindert werden , dass er das Risiko der zweifelhaften Rechtslage dem anderen Teil zuschiebt. Fahrlässig handelt daher, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, indem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss (BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 187/12, NJW-RR 2014, 733 Rn. 19 mwN).
16
b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten wegen Fahrlässigkeit rechtsfehlerfrei bejaht. Die Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass sie sich über das Bestehen einer Aufklärungspflicht über die ihr zugeflossene Rückvergütung in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden hat.
17
aa) Der Senat hat mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5 ff.; bestätigt durch Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 25) entschieden und eingehend begründet, dass eine Bank, die einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen hinweist, sich jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer entsprechenden Offenbarungspflicht berufen kann.
18
bb) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im September 1988 nichts anderes. Denn auch insoweit gab es für eine Bank bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage genügend Anhaltspunkte dafür, dass das Verschweigen von Rückvergütungen von der Rechtsprechung missbilligt werden würde.
19
(1) Der erkennende Senat hat zwar erst in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1989 und 1990 das Verschweigen von Kick-back-Vereinbarungen bei vermittelten Warentermingeschäften beanstandet (Urteile vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1051 und vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 464). In diesen Urteilen hat er aber eine entsprechende Aufklärungspflicht nicht erstmals entwickelt, sondern lediglich bereits ergangene höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung fortgeführt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1984 - II ZR 308/83, BGHZ 93, 146, 148 f.; OLG München WM 1986, 1141, 1142), die das Verschweigen von Rückvergütungen ohne weitere Erörterung als selbstverständlich missbilligt hat und in der Literatur positive Aufnahme gefunden hat (vgl. Imo, Börsentermin- und Börsenoptionsgeschäfte, Band I, 1988, Rn. 1321 f.; Wach, Der Terminhandel in Recht und Praxis, 1986, Rn. 519; vgl. bereits zuvor Koch, JZ 1980, 704, 708). Dementsprechend hat der Senat in den beiden Entscheidungen aus den Jahren 1989 und 1990, die Sachverhalte aus den Jahren 1983 bis 1985 betrafen, folgerichtig keinen Anlass gesehen , die Frage des Verschuldens einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
20
(2) Anders als die Revision meint, lässt sich ein unvermeidbarer Rechtsirrtum der Beklagten nicht damit begründen, dass eine verbreitete Auffassung im Schrifttum in den 1970er und 1980er Jahren eine Aufklärungspflicht über jedwede Art von Bonifikationen oder Provisionen abgelehnt (vgl. Canaris in Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl., Bd. III/3, Bankvertragsrecht, 2. Bearb. 1981, Rn. 1891; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl. 1977, § 384 Anm. 15 und 36; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 440 ff., 447 mwN) oder nur für den Fall, dass die Höhe der Provision ein Indiz für eine fehlende Solidität der empfohlenen Kapitalanlage darstellt, bejaht hat (vgl. Canaris, aaO; Schlegelberger/Hefermehl, aaO, § 384 Anm. 36; Hopt, aaO, S. 447 mwN). Diese Auffassung stand ersichtlich nicht in Einklang mit der vorstehend erwähnten Rechtsprechung zur Missbilligung von Kick-back-Vereinbarungen. Zudem war sie auch nicht widerspruchsfrei, weil sie nämlich an anderer Stelle eine Aufklärungspflicht der Bank über Interessenkonflikte im Grundsatz bejaht hat (vgl. Canaris, aaO, Rn. 1888 f.; Schlegelberger/Hefermehl, aaO, § 384 Anm. 14; Hopt, aaO, S. 446 f.), obwohl das Vorliegen eines solchen Interessenkonflikts bei der Vereinnahmung von Rückvergütungen auf der Hand liegt; teilweise hat sie sogar auf eine abweichende Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1904 (JW 1905, 118) hingewiesen (z.B. Schlegelberger/ Hefermehl, aaO, § 384 Anm. 36; ohne inhaltliche Auseinandersetzung auch bei Baumbach/Duden, HGB, 23. Aufl. 1978, § 387 Anm. 4). Darüber hinaus hat sie in der Rechtsprechung keinen Widerhall gefunden und ist in der Literatur Ende der 1970er-Jahre in Frage gestellt worden (vgl. Koller in Staub, Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1980, § 384 Anm. 21; ders., BB 1978, 1733, 1738 f.). Demgegenüber kann die Revision auf keine Rechtsprechung verweisen, die das Verheimlichen von Rückvergütungen durch eine Bank erlaubt hätte. Dies gilt auch in Bezug auf das von ihr genannte Urteil des IVa Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 1983 (IVa ZR 118/81, WM 1983, 263), in dem die mögliche Zahlung eines Agios bei der Vermittlung einer Kommanditbeteiligung lediglich bei der - vom IVa Zivilsenat verneinten - Frage erörtert worden ist, ob eine Entgeltvereinbarung notwendige Voraussetzung für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrags ist; den Urteilsgründen lässt sich indes nicht entnehmen, ob es sich bei dem Agio überhaupt um eine Rückvergütung im Sinne der Senats- rechtsprechung gehandelt hat oder dieses sogar unmittelbar vom Kapitalanleger an den Vermittler als Provision gezahlt worden ist.
21
(3) Die Beklagte durfte daher zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht darauf vertrauen, dass ein Verschweigen von Rückvergütungen von der Rechtsprechung nicht als pflichtwidrig angesehen werden würde. Es fehlt bereits an einer im Schrifttum einhelligen, d.h. nicht bestrittenen Auffassung, die - wegen oder trotz des Fehlens damit übereinstimmender gerichtlicher Entscheidungen - einen unvermeidbaren Rechtsirrtum einer Bank über das Bestehen einer Aufklärungspflicht von Rückvergütungen hätte begründen können. Ganz im Gegenteil musste eine Bank die Entscheidungen des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1984 und des OLG München aus dem Jahr 1986 zum Anlass nehmen, ihre Geschäftspraxis zum Verschweigen von Rückvergütungen einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Diese Prüfung hätte - wie ausgeführt - offenbart, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht von Rückvergütungen bereits angelegt und deren Ausspruch zu erkennen war.
22
Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 3. Juni 2014 (XI ZR 147/12, juris, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) zum Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums im Falle einer - dort unterstellten - Aufklärungspflicht über versteckte Innenprovisionen. Diese ist - wie der Senat dort (Rn. 27 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat - mit der Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht vergleichbar.
23
(4) Aufgrund dessen kann es offenbleiben, ob - was das Berufungsgericht im Anschluss an eine Auffassung in der Literatur (Knops/Brocker, WM 2010, 1101, 1103 f.) gemeint hat - für die Beklagte bei der Empfehlung von Kapitalanlagen das Bestehen einer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bereits aufgrund des Urteils des Reichsgerichts vom 10. Dezember 1904 (JW 1905, 118; bestätigt durch RG, Bank-Archiv 15, 101, 102) zur Aufklärungspflicht eines Bankiers über den Erhalt von Emissionsbonifikationen oder aber jedenfalls aufgrund zweier Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1980 und 1985 zur Offenbarungspflicht des steuerlichen Beraters über das Provisionsversprechen eines Anbieters von Vermögensanlagen (BGH, Urteile vom 23. Oktober 1980 - IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263, 268 und vom 19. Juni 1985 - IVa ZR 196/83, BGHZ 95, 81, 86; zustimmend Löwe, EWiR 1985, 541, 542) erkennbar war. Im Hinblick auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt ergibt sich die Missbilligung des Verschweigens von Rückvergütungen durch die Rechtsprechung bereits aus den oben genannten weiteren Entscheidungen, die Kickback -Vereinbarungen zum Gegenstand hatten.
24
3. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung auch stand, soweit das Berufungsgericht die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für den Erwerb der Fondsbeteiligung durch den Kläger bejaht hat.
25
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Kläger hätte die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung erworben.
26
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines An- scheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff. mwN; BVerfG, ZIP 2012, 164 Rn. 20). Von dieser Beweislastumkehr ist nicht nur dann auszugehen, wenn der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonflikts mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht vereinbar. Die Beweislastumkehr greift vielmehr bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff.).
27
b) Von diesen Maßgaben ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Vernehmung des Klägers als Partei festgestellt, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung das Anlagegeschäft nicht abgeschlossen hätte.
28
Diese tatrichterliche Würdigung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Sie kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 316 f. und vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 46, jeweils mwN). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
29
Ohne Erfolg wendet die Revision ein, der Kläger habe bei seiner Vernehmung eingeräumt, dass er gegen die Beklagte keine Klage erhoben hätte, wenn der Fonds keinen Verlust erzielt hätte. Das Berufungsgericht hat diese Bekundung gewürdigt, ohne dadurch die Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung in Zweifel zu ziehen. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Soweit sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in dem Senatsurteil vom 8. Mai 2012 (XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50) beruft, wonach sich ein Indiz für die fehlende Kausalität zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Anlageentscheidung daraus ergeben kann, dass der Anleger an vergleichbaren - möglicherweise gewinnbringenden - Kapitalanlagen festhält, übersieht sie, dass dies die Kenntnis des Anlegers von Rückvergütungen bei diesen Anlagen voraussetzt (Senatsurteil aaO). Daran fehlt es hier. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Äußerung des Klägers in vertretbarer Weise nur als Motiv für die Klage als solche angesehen, die als solche keinen Rückschluss auf das Motiv für die Anlageentscheidung zulässt.
30
Gegen die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts spricht auch nicht der Umstand, dass der Kläger das Anlagekapital hälftig durch Bankdarlehen finanziert hat. Dies steht für sich gesehen - ebenso wie der Wunsch nach einer steueroptimierten Anlage (vgl. hierzu Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53 und vom 26. Februar 2013 - XI ZR 445/10, BKR 2013, 506 Rn. 23) - der Kausalitätsvermutung nicht entgegen. Denn die Teilfinanzierung einer Kapitalanlage kann auf steuerlichen Gründen beruhen. Etwas anderes gilt dann, wenn die vom Anleger gewünschte Steuerersparnis nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Kapitalanlagen mit vergleichbaren Rückvergütungen zu erzielen ist; dies kann den Schluss darauf zulassen, dass an die Bank geflossene Rückvergütungen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich waren (Senatsurteile aaO). Hierzu verhält sich die Revision indes nicht. Dass allein die Teilfinanzierung als solche wegen der damit verbundenen Finanzierungskosten dafür sprechen soll, dass ein Anleger auch bei Kenntnis der Rückvergütungen die Anlage gezeichnet hätte, ist im Hinblick auf den Schutzzweck der entsprechenden Offenbarungspflicht nicht zwingend und wird auch von der Revision nicht näher begründet.
31
4. Die Revision hat dagegen teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen den vom Berufungsgericht zuerkannten Schadensersatzanspruch wegen entgangener Anlagezinsen wendet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf entgangenen Zinsgewinn in Höhe von 4% p.a. lediglich aus 7.669,38 € und zudem nur für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 23. August 2012 zu.
32
a) Entgegen der Revision hat das Berufungsgericht allerdings den entgangenen Zinsgewinn rechtsfehlerfrei nach § 287 ZPO auf 4% p.a. geschätzt.
33
aa) Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrags umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 Satz 2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (Senatsurteile vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, WM 2012, 1188 Rn. 11, vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64 und vom 26. Februar 2013 - XI ZR 345/10, BKR 2013, 283 Rn. 48). Zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes kann der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64 mwN). Das rechtfertigt zwar nicht die Annahme eines (zu schätzenden) Mindestschadens unabhängig vom konkreten Parteivortrag (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 64 mwN). Der Anleger muss jedoch nur darlegen, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt worden wäre. An diese Darlegung sind keine strengen Anforderungen zu stellen, vielmehr genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, aaO).
34
Die Schadensschätzung, die der Tatrichter - anhand des gesamten Streitstoffs - nach freiem Ermessen vorzunehmen hat, unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahingehend, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 65 mwN und vom 26. Februar 2013 - XI ZR 345/10,BKR 2013, 283 Rn. 48).
35
bb) Solche Rechtsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht aufgrund des Vorbringens des Klägers und dessen vom Landgericht durchgeführten Vernehmung als Partei sein übriges Anlageverhalten und seine Anlageziele bei der Schätzung der erzielbaren Rendite berücksichtigt hat. Aufgrund dessen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht - was die Revision beanstandet - keine Feststellungen zur (Kurs-)Entwicklung der vom Kläger gezeichneten kapitalgesicherten südafrikanischen Anleihen getroffen hat. Denn das Berufungsgericht hat seine Schadensschätzung nicht allein auf diese Kapitalanlage des Klägers gestützt, sondern auf den von ihm mit seinem gesamten Wertpapierdepot erzielten durchschnittlichen Zinssatz.
36
b) Rechtsfehlerhaft ist es dagegen, dass das Berufungsgericht im Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils den Schadensersatzanspruch wegen entgangener Anlagezinsen auf die gesamte Schadenssumme bezogen hat.
Wie das Berufungsgericht in den Urteilsgründen selbst ausführt, kann der Kläger von der Beklagten Ausgleich entgangener Zinsgewinne nur aus dem Anlagekapital verlangen, das er tatsächlich aus Eigenmitteln aufgebracht hat, hier also aus 15.000 DM, d.h. 7.669,38 €. Soweit der Kläger im weiteren Verlauf aus Eigenmitteln auch das Darlehen bedient hat, hat er seinen Anspruch auf Erstattung entgangener Anlagezinsen darauf nicht gestützt.
37
c) Schließlich kann der Kläger Zahlung des entgangenen Zinsgewinns auf den zu ersetzenden Anlageschaden nur für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 verlangen. Für die davor liegenden Jahre ist dagegen Verjährung eingetreten.
38
aa) Das Berufungsgericht hat zwar - von der Revision nicht angegriffen - ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Anspruch des Klägers wegen Aufklärungspflichtverletzung dem Grunde nach nicht verjährt ist, weil eine Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen vor dem 31. Dezember 2007 nicht nachgewiesen und die am 31. Dezember 2011 eintretende Verjährung durch den von ihm Ende 2011 gestellten Güteantrag rechtzeitig gehemmt worden ist.
39
bb) Von dem Stammanspruch zu unterscheiden sind aber die Ansprüche auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Für solche Einzelansprüche gilt, was das Berufungsgericht verkannt hat, für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2001 die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB aF. Dem bis dahin geltenden Gesetz ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass in dem Fall, in dem wiederkehrende Leistungen als Schadensersatz wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung oder wegen einer unerlaubten Handlung zu erbringen sind, für den Beginn und die Dauer der Verjährung die für die Verjährung des Stammanspruchs geltende Vorschrift des § 195 BGB aF anzuwenden sei, wonach der Anspruch in 30 Jahren ab der Entstehung des Anspruchs ver- jährt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2012 - VI ZR 96/11, VersR 2012, 372 Rn. 14). Vielmehr gilt für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche , bei denen es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen handelt, unmittelbar die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB aF (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2000 - VI ZR 300/99, NJW-RR 2000, 1412, 1413 und vom 10. Januar 2012 - VI ZR 96/11, VersR 2012, 372 Rn. 15 mwN), und zwar auch dann, wenn sie auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes gestützt werden (BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 45), sei es aus unerlaubter Handlung (BGH, Urteile vom 30. Mai 2000 - VI ZR 300/99, NJW-RR 2000, 1412, 1413 [Rente nach § 843 BGB] und vom 10. Januar 2012 - VI ZR 96/11, VersR 2012, 372 Rn. 15 [Waisenrente und der Mehraufwand für die regelmäßige Pflege]), sei es aus Verschulden bei Vertragsschluss (BGH, Urteil vom 10. Juli 1986 - III ZR 133/85, BGHZ 98, 174, 186 ff.), sei es aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 2 BGB aF (Senatsurteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043; Senatsbeschluss vom 2. März 1993 - XI ZR 133/92, WM 1993, 752 mwN).
40
Ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung entgangenen Zinsgewinns aus einem bestimmten Geldbetrag ist zwar kein Anspruch auf Rückstände von Zinsen im Sinne des § 197 BGB aF. Er fällt aber - ähnlich wie ein Anspruch auf Verzugszinsen und der über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehende Zinsanspruch (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. Oktober 1993 - XI ZR 180/92, WM 1993, 2041, 2043 und Senatsbeschluss vom 2. März 1993 - XI ZR 133/92, WM 1993, 752) oder wie in regelmäßigen Abständen entstandene Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung überzahlter Zinsen (vgl. dazu BGH, Urteile vom 10. Juli 1986 - III ZR 133/85, BGHZ 98, 174, 181, vom 23. Oktober 1990 - XI ZR 313/89, BGHZ 112, 352, 354 und vom 12. Oktober 1993 - XI ZR 11/93, WM 1993, 2003, 2004) oder auf Herausgabe von Zinsnutzungen aus einem Geldbetrag (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. Februar 2000 - XI ZR 76/99, WM 2000, 811, 812) - deshalb in den Anwendungsbereich des § 197 BGB aF, weil er auf "regelmäßig wiederkehrende Leistungen" im Sinne dieser Vorschrift gerichtet ist. Gemeint sind damit unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 197 BGB aF, der eine Ansammlung rückständiger wiederkehrender Leistungen und ein übermäßiges, möglicherweise existenzbedrohendes Anwachsen von Schulden verhindern will, alle Verbindlichkeiten, die nur in den fortlaufenden Leistungen bestehen und darin ihre charakteristische Erscheinung haben (BGH, Urteile vom 23. September 1958 - I ZR 106/57, BGHZ 28, 144, 148 bzgl. vertragliche Gewinnanteilsansprüche, vom 8. Dezember 1992 - X ZR 123/90, NJW-RR 1993, 1059, 1060 bzgl. Lizenzansprüche, vom 15. Februar 2000 - XI ZR 76/99, WM 2000, 811, 812 und vom 10. Januar 2012 - VI ZR 96/11, VersR 2012, 372 Rn. 16 mwN). Um eine solche Verbindlichkeit handelt es sich bei der aus einer Aufklärungspflichtverletzung herrührenden Verpflichtung des Schädigers, die dem Geschädigten entgangenen Zinsgewinne fortlaufend an diesen zu zahlen.
41
cc) Das bedeutet hier, dass hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs auf die entgangenen Zinsgewinne für die Jahre 1988 bis 2006 Verjährung mit Ablauf der Jahre 1992 bis 2010 eingetreten ist.
42
(1) Für die entgangenen Zinsgewinne bis einschließlich zum Jahr1997 folgt dies unmittelbar aus §§ 197, 201 BGB aF (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Gemäß § 201 BGB aF beginnt die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB aF mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch hätte geltend gemacht werden können. Damit ist der Anspruch auf entgangene Anlagezinsen für das Jahr 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 2001 verjährt; für die Vorjahre war dies bereits jeweils ein Jahr früher der Fall.
43
(2) Der Schadensersatzanspruch wegen entgangener Anlagezinsen für die Jahre 1998 bis 2006 unterfällt zwar nach Inkrafttreten des neuen Verjäh- rungsrechts am 1. Januar 2002 der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB nF (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1. Januar 2002 geltende vierjährige Verjährung des § 197 BGB aF, ist sie gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB vom 1. Januar 2002 an zu berechnen, soweit nicht der Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgeschoben ist (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1 Rn. 18 ff.; siehe auch BGH, Urteile vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 359/04, WM 2006, 345, 346 f. und vom 6. Dezember 2007 - III ZR 146/07, WM 2008, 490 Rn. 12). Angesichts seiner nicht vor Beginn des Jahres 2008 eingetretenen Kenntnis wäre der Anspruch des Klägers demgemäß nach neuem Recht nicht verjährt. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB bleibt es jedoch bei dem Ablauf der Verjährung nach früherem Recht, wenn die nach altem Recht längere Frist früher abläuft als die kürzere Frist nach neuem Recht. Dies ist hier der Fall. Gemäß §§ 197, 201 BGB aF ist der Schadensersatzanspruch wegen entgangener Zinsgewinne für die Jahre 1998 bis 2006 jeweils vier Jahre später zum Jahresende verjährt, zuletzt daher mit Ablauf des 31. Dezember 2010.
44
(3) Dagegen ist der Anspruch auf entgangenen Zinsgewinn für die anschließende Zeit ab dem 1. Januar 2007 noch nicht verjährt, weil der Kläger durch die Einreichung eines Güteantrags Ende 2011 die Verjährung rechtzeitig gehemmt hat und somit auch nach der früheren Rechtslage keine Verjährung eingetreten ist. Der Kläger kann deshalb von der Beklagten nur die Zahlung von entgangenen Zinsen ab diesem Zeitpunkt verlangen.

III.

45
Das Berufungsurteil ist demnach - unter Zurückweisung der weitergehenden Revision - wegen der vom Berufungsgericht zuerkannten entgangenen Zinsgewinne aufzuheben, soweit diese für den Zeitraum vom 4. November 1988 bis zum 31. Dezember 2006 und im Übrigen aus mehr als 7.669,38 € zugesprochen worden sind (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Wiechers Grüneberg Maihold
Menges Derstadt
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 12.02.2013 - 2 O 244/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.11.2013 - 17 U 34/13 -

(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch

1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und
2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.

(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 150/07
vom
5. Juni 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Der Bieter kann sein Gebot nicht wegen einer Fehlvorstellung über den Umfang
der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte gem.
BGH, Beschl. v. 5. Juni 2008 - V ZB 150/07 - LG Lüneburg
AG Celle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Juni 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 113.256,29 €.

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 2 (Gläubigerin) war Inhaberin von sechs Grundschulden, die in Abt. III, lfd. Nr. 2, 3, 4, 5, 6 und 9 auf dem Grundbuchblatt des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes gebucht sind. Sie betreibt die Zwangsversteigerung gegen die Beteiligten zu 1 (Schuldner) aus der in Abt. III unter der lfd. Nr. 5 eingetragenen Grundschuld wegen eines dinglichen und persönlichen Anspruchs in Höhe von 30.677,51 € zzgl. Zinsen und Kosten. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 245.000 € festgesetzt.
2
In dem Versteigerungstermin vom 14. November 2007 wurde von dem Vollstreckungsgericht bekannt gegeben, dass nach den Versteigerungsbedingungen Rechte im Wert von insgesamt 43.256,29 € bestehen bleiben. Der Beteiligte zu 3 (Ersteher) erschien erst nach der Bekanntgabe der Versteigerungsbedingungen im Sitzungssaal, gab ein Gebot von 70.000 € ab und entfernte sich sogleich wieder, um ein Telefonat zu führen. Nach Rückkehr in den Sitzungssaal teilte er auf eine Frage des Vertreters der Gläubigerin dem Vollstreckungsgericht mit, dass ihm bei der Gebotsabgabe das Bestehenbleiben von Rechten nicht bekannt gewesen sei. Nachdem sein Gebot im Termin das Meistgebot geblieben war, beantragte er, die Entscheidung über den Zuschlag um eine Woche auszusetzen und den Zuschlag auf sein Gebot zu versagen. Mit Schreiben vom 15. November 2007 erklärte er, dass er sein am Vortrag im Termin abgegebenes Gebot nach § 119 BGB anfechte.
3
Das Vollstreckungsgericht hat dem Beteiligten zu 3 mit Beschluss vom 21. November 2007 den Zuschlag erteilt. Die dagegen von dem Beteiligten zu 3 erhobene sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag auf Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses weiter.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB sei ausgeschlossen, weil der Beteiligte zu 3 sich nicht über die Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung geirrt habe. An einem Inhaltsirrtum fehle es, wenn ein Bieter erst nach der Bekanntgabe des geringsten Gebotes im Termin erscheine und sein Gebot in bewusster Unkenntnis der Versteigerungsbedingungen abgebe.
5
Überdies liege - wenn überhaupt - nur ein nicht zur Anfechtung berechtigender Irrtum über die gesetzlichen Rechtsfolgen des Gebotes vor. Der Beteiligte zu 3 habe nämlich mit seinem Gebot die von ihm erstrebte Rechtsfolge erreicht, das zum Eigentumserwerb durch Zuschlag führende Meistgebot abzugeben. Eine Fehlvorstellung des Bieters über die nach § 52 Abs. 1 ZVG bestehen bleibenden Rechte beziehe sich auf eine kraft Gesetzes eintretende Nebenfolge des Eigentumserwerbs in der Zwangsversteigerung. Ein solcher Irrtum betreffe allein die weiteren gesetzlichen Folgen eines im Versteigerungstermin abgegebenen Gebots und sei daher kein nach § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum.
6
Der Beteiligte zu 3 könne auch nicht damit gehört werden, dass ihn in den vor der Versteigerung durchgeführten Kaufvertragsverhandlungen das Grundstück zu einem Preis zwischen 80.000 und 100.000 € angeboten worden sei. Derartige Umstände, die einen freihändigen Verkauf des Grundstücks beträfen, berührten das Zwangsversteigerungsverfahren nicht.

III.

7
Das hält einer rechtlichen Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
8
1. Das Beschwerdegericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass ein Bieter mit der Zuschlagsbeschwerde nach §§ 95, 100 Abs. 1 ZVG geltend machen kann, dass das von ihm im Versteigerungstermin abgegebene Gebot unwirksam gewesen sei (RGZ 54, 308, 310). Der Zuschlag darf nach § 81 Abs. 1 ZVG nur auf das wirksame Gebot des Meistbietenden erteilt werden (OLG Hamm OLGZ 1972, 250, 251; Rpfleger 1998, 438, 439; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 441, 442; Stöber, ZVG-Handbuch, 8. Auflage, Rdn. 349). Die Entscheidung über die Wirksamkeit eines Gebotes ist zwar grundsätzlich bereits im Versteigerungstermin zu treffen, weil das Vollstreckungsgericht dies von Amts wegen zu prüfen und unwirksame Gebote nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen hat. Ist das jedoch unterblieben, muss diese Prüfung bei der Entscheidung über den Zuschlag nachgeholt werden (RGZ 54, 308, 310).
9
2. Die angefochtene Entscheidung geht davon aus, dass ein im Versteigerungstermin abgegebenes Gebot nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Anfechtung einer Willenserklärung angefochten werden kann. Die Rechtsbeschwerde stellt diese - für ihr Anliegen günstige - Rechtsauffassung nicht infrage.
10
a) Das entspricht der in Rechtsprechung (OLG Dresden OLG 17, 355, 356; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 441, 442; OLG Hamm OLGZ 1972, 250, 251; Rpfleger 1998, 438, 439; OLG Königsberg OLG 4, 157, 158; OLG Posen Seufferts Archiv, Bd. 56, S. 337, 338; OLG Stettin OLG 6, 436, 437; so wohl auch BGH, Urt. v. 17. April 1984, VI ZR 191/82, NJW 1984, 1950, 1951 – zum Schadensersatz nach § 122 Abs. 1 BGB) und im Schrifttum (Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht , 13. Aufl., § 36.15; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl., Rdn. 910; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 71 Rdn. 15; Korinthenberg/Wenz, ZVG, 6. Aufl., § 71, Anm. 1; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., §§ 71, 72 Anm. III.1.a; Reinhard/Müller, ZVG, 8. Aufl., § 71, Anm. 3a; Schiffhauer, Rpfleger 1972, 341; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 71 Anm. 3.1) herrschenden Ansicht.
11
Ein Teil des jüngeren Schrifttums ist allerdings demgegenüber der Auffassung , dass auf das im Zwangsversteigerungsverfahren abgegebene Gebot die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Anfechtung von Willenserklärungen weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden sind (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 71 Rdn. 44; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht , 2. Aufl., § 15 II.2; Gaul, Gedächtnisschrift Arens, 89, 123 ff.; Rosenberg /Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl., § 65 II.1; StadlhoferWissinger , Das Gebot in der Zwangsversteigerung, 149 ff.).
12
b) Der Senat hat die Rechtsfrage, ob die in einem Versteigerungstermin abgegebenen Gebote nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden können, bisher offen gelassen (vgl. Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 44/07, NJW-RR 2008, 222, 223). Sie braucht auch hier nicht entschieden zu werden, da es an einem Anfechtungsgrund fehlt.
13
Nach § 119 Abs. 1 BGB kann derjenige, der bei der Abgabe seiner Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (Erklärungsirrtum) die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte.
14
Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn schon der äußere Tatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Ein solcher Irrtum scheidet hier deshalb aus, weil der Beteiligte zu 3 im Versteigerungstermin ein Gebot abgeben wollte.
15
Bei einem Inhaltsirrtum entspricht zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden, dieser irrt sich jedoch über die Bedeutung oder die Tragweite seiner Erklärung (BGH, Urt. v. 26. Mai 1999, VIII ZR 141/98, NJW 1999, 2664, 2665 - insoweit in BGHZ 142, 23 ff. nicht abgedruckt). Nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar sind dagegen Erklärungen, die auf einen im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund - Motivirrtum - (BGHZ 139, 177, 180) oder auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die sich nicht aus dem Inhalt der Erklärung ergeben, sondern kraft Gesetzes eintreten - Rechtsfolgenirrtum - (BGHZ 70, 47, 48; Urt. v. 15. Dezember 1994, IX ZR 252/93, NJW 1995, 1484, 1485). Die Fehlvorstellung des Bieters bei der Abgabe des Gebotes, dass das Grundstück nach den Versteigerungsbedingungen lastenfrei zu erwerben sei, ist danach kein Irrtum über den Inhalt des Gebots, der nach § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung einer Willenserklärung berechtigt.
16
aa) Allerdings wird von der bisher herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Königsberg OLG 4, 157, 158; OLG Posen Seufferts Archiv, Bd. 56, S. 337, 338; OLG Stettin OLG 6, 436, 437; OLG Dresden OLG 17, 355, 356; OLG Hamm OLGZ 1972, 250, 251 u. Rpfleger 1998, 438, 439) und in der Literatur (Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 71 Rdn. 15; Korinthenberg/Wenz, ZVG, 6. Aufl., § 71, Anm. 1; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., §§ 71, 72 Anm. III.1.a; Reinhard/Müller, ZVG, 8. Aufl., § 71, Anm. 3a; Schiffhauer, Rpfleger 1972, 341) in diesen Fällen ein Inhaltsirrtum bejaht. Das wird damit begründet, dass der Inhalt des Gebots den Willen des Bieters zum Ausdruck bringe, welchen „Preis“ er für den Erwerb des Grundstücks zu zahlen bereit sei. Ein von der Fehlvorstellung des Bieters über die von ihm zu übernehmenden Rechte bestimmtes Gebot sei daher nicht als Ausdruck des Willens des Bieters aufzufassen (OLG Königsberg OLG 4, 157, 158; OLG Dresden OLG 17, 355, 356). Wer über die Bedeutung des Deckungsgrundsatzes irre, verkenne die rechtliche Tragweite seiner Erklärung und irre sich damit über den Inhalt seiner Erklärung (OLG Hamm OLGZ 1972, 249, 251; OLG Stuttgart Justiz 1979, 332, 333).
17
Dem steht die im Schrifttum vertretene Auffassung gegenüber, nach der ein Irrtum des Bieters über die von ihm zu übernehmenden Rechte allein die Rechtsfolgen des in §§ 44 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG angeordneten Deckungsund Erhaltungsprinzips betreffe. Die Fehlvorstellung des Bieters habe das der Gebotsabgabe vorausgehende Stadium der Willensbildung über die Höhe seines Gebotes beeinflusst. Der Bieter habe sich daher bei der Abgabe des Gebotes in einem unbeachtlichen Motivirrtum befunden, der nicht den Inhalt der Erklärung betreffe, sondern die der Erklärung vorausgehende Kalkulation über die Höhe seines Gebots entscheidend beeinflusst habe (Stadlhofer-Wissinger, Das Gebot in der Zwangsversteigerung, 140; Gaul, Gedächtnisschrift Arens, 89, 125).
18
bb) Der Senat tritt der letztgenannten Auffassung bei, auf der auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Ergebnis beruht. Eine Fehlvorstellung des Bieters bei der Abgabe seines Gebotes darüber, welche Rechte bei einem Zuschlag bestehen bleiben, betrifft die gesetzlichen (oder die davon abweichenden , nach Maßgabe des § 59 ZVG vom Vollstreckungsgericht festgestellten) Versteigerungsbedingungen. Die nach Maßgabe des Gesetzes sich an den Zuschlag auf das Meistgebot anknüpfenden Rechtsfolgen beruhen nicht auf der Willensentschließung des Bieters bei der Abgabe seines Gebotes.
19
Der Umstand, dass die Fehlvorstellung des Bieters sich auf eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge bezieht, schließt allerdings nach ständiger Rechtsprechung eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB noch nicht in jedem Falle aus (a.A. MünchKomm-BGB/Kramer, BGB, 5. Aufl., § 119, Rdn 84; Staudinger /Singer, BGB [2004], § 119, Rdn. 67 f.). Ein Inhaltsirrtum kann nämlich auch darin begründet sein, dass der Erklärende über die Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern auch solche, die sich davon unterscheiden (RGZ 89, 29, 33; BGH, Beschl. v. 5. Juli 2006, IV ZB 39/05, NJW 2006, 3353, 3354). Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt jedoch nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher und mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. BGHZ 134, 152, 156; BGH, Beschl. v. 5. Juli 2006, IV ZB 39/05, aaO).
20
Der Rechtsfolgenirrtum eines Bieters über die zu übernehmenden Rechte ist nicht als ein wesentlicher Irrtum über den Inhalt des Gebotes anzusehen, der diesen nach § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Bieter sein Gebot in einem gesetzlich geregelten Verfahren abgibt. Die von dem Bieter gewollte Rechtsfolge ist vor allem darauf gerichtet, in dem von dem Vollstreckungsgericht geleiteten Bietgeschäft Meistbietender zu werden, und damit den Zuschlag nach Maßgabe der Versteigerungsbedingungen zu erhalten. Nach den dem Bietgeschäft zugrunde liegenden Bestimmungen des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung sind die Gebote nur noch nach dem bar zu zahlenden Betrag und nicht mehr - wie zuvor nach dem in Preußen, Bayern und Sachsen geltenden Landesrecht - entsprechend dem von dem Bieter insgesamt zu tragenden Aufwand unter Anrechnung des Kapitalbetrages der zu übernehmenden Rechte abzugeben (dazu Motive zum Entwurf des ZVG von 1889, S. 116; Denkschrift zum ZVG von 1897, S. 46). Die Teilnahme am Bietgeschäft erfordert danach von dem Bieter zwar, zur Bestimmung seiner tatsächlichen Belastung bei der Abgabe eines Gebotes auch die Rechte am versteigerten Grundstück zu berücksichtigen, die nach Maßgabe der Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Diese Rechtsfolge ist aber nicht mehr Teil seines Gebotes, sondern eine mittelbare Rechtsfolge der von allen Bietern zu berücksichtigenden Bedingungen der Versteigerung, die in die Kalkulation jedes Gebotes einfließen muss. Unterläuft dem Bieter in diesem Stadium der Willensbildung ein Fehler bei der Berechnung seines Gebotes, so handelt es sich um einen Motivirrtum, der von keinem der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsgründe erfasst wird (vgl. BGHZ 139, 177, 180).
21
cc) Auf die weiteren Differenzierungen in dem angefochten Beschluss und auf die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Angriffe kommt es nicht an. Da ein Irrtum des Bieters über die nach § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG bestehen bleibenden Rechte nicht zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt, ist es nicht erheblich, ob der Bieter sich bei der Abgabe seines Gebots keine Gedanken über solche Rechte gemacht oder sein Gebot auf einer konkreten Fehlvorstellung darüber beruht hat.
22
4. Erfolg kann die Rechtsbeschwerde schließlich auch nicht mit dem Hinweis auf das Vorbringen des Beschwerdeführers haben, dass der Irrtum, mit dem Zuschlag lastenfreies Eigentum zu erwerben, durch ein mit der Gläubigerin http://www.juris.de/jportal/portal/t/15kg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307802007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15kg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307802007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/15kg/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE307802007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - vor dem Versteigerungstermin geführtes Gespräch veranlasst worden sei. Das Vorbringen zu den behaupteten Vorgängen außerhalb des Versteigerungstermins hat das Beschwerdegericht zu Recht als unerheblich angesehen, da eine Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nur auf eine Verletzung der in § 100 Abs. 1 ZVG benannten Vorschriften durch das Vollstreckungsgericht, aber nicht auf fehlerhafte Informationen durch Dritte vor dem Termin gestützt werden kann (vgl. OLG München HRR 1936 Nr. 1075).

IV.

23
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, WM 2007, 82, 86; Beschl. v. 15. März 2007, V ZB 95/06, WM 2007, 1284, 1285).
24
Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen, dessen Aufhebung beantragt ist. Der Wert entspricht dem Meistgebot des Rechtsbeschwerdeführers (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Celle, Entscheidung vom 21.11.2007 - 30 K 89/05 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 4 T 171/07 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger, welche als qualifizierte Einrichtungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG eingetragen sind, verlangen von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen so genannter Riester-Rentenversicherungen (Versicherungsverträge nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, AltZertG), und zwar von zwei Teilklauseln zur Regelung der Überschussbeteiligung von Versicherungsnehmern. Zudem beantragen sie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Abmahnkosten.

2

Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, bietet unter anderem auch Riester-Rentenversicherungsverträge an. Versicherungsinteressenten erhalten zum Abschluss solcher Verträge das Antragsformular, das Produktinformationsblatt, die Versicherungsinformationen sowie die Versicherungsbedingungen. Die darin mit einem Pfeil (→) versehenen Begriffe werden am Ende der Bedingungen (im Folgenden: AVB) näher definiert.

3

Zur Überschussbeteiligung sehen die den Versicherungsnehmern überlassenen AVB in Teil A unter anderem folgende Regelungen vor (wobei die mit den Klageanträgen konkret beanstandeten Passagen nachfolgend kursiv gedruckt sind):

"2.1 Was sind die rechtlichen Grundlagen der Überschussbeteiligung?

Wir beteiligen Sie nach § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an den Überschüssen und → Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung).

(1) Beteiligung an den Überschüssen

a) Ermittlung der Überschüsse

Die Überschüsse werden nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) ermittelt und jährlich im Rahmen unseres Jahresabschlusses festgestellt.

b) Kollektive Mindestbeteiligung der Versicherungsnehmer

Die Überschüsse stammen im Wesentlichen aus den Erträgen unserer Kapitalanlagen.

Von den Nettoerträgen derjenigen Kapitalanlagen, die für künftige Versicherungsleistungen vorgesehen sind (§ 3 Mindestzuführungsverordnung - MindZV), erhalten die → Versicherungsnehmer insgesamt mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung dieser Verordnung genannten Prozentsatz (derzeit 90 Prozent). Aus diesem Betrag werden zunächst die garantierten Versicherungsleistungen finanziert. Der verbleibende Betrag entspricht dem Teil der Überschüsse aus Kapitalanlagen, den wir für die Überschussbeteiligung der → Versicherungsnehmer verwenden.

Weitere Überschüsse entstehen dann, wenn sich das Risiko (zum Beispiel durch eine veränderte Zahl der Todesfälle) oder die Kosten (zum Beispiel durch Kosteneinsparungen) günstiger entwickeln als wir bei der ursprünglichen Kalkulation angenommen haben. Auch von diesen Überschüssen erhalten die → Versicherungsnehmer mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung der MindZV genannten Prozentsatz (derzeit 75 Prozent des Risikoergebnisses und 50 Prozent des übrigen Ergebnisses).

In Ausnahmefällen kann die Mindestbeteiligung der → Versicherungsnehmer mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde gekürzt werden (§ 5 Mindestzuführungsverordnung - MindZV).

d) Bildung von Versicherungsgruppen

Die einzelnen Versicherungen tragen unterschiedlich zu den Überschüssen bei. Wir haben deshalb vergleichbare Versicherungen zu Gruppen zusammengefasst:

- Überschussgruppen bilden wir beispielsweise, um die Art des versicherten Risikos zu berücksichtigen (etwa das Todesfall- oder Berufsunfähigkeitsrisiko).

- Untergruppen erfassen zum Beispiel vertragliche Besonderheiten (etwa den Versicherungsbeginn oder die Form der Beitragszahlung).

Die Verteilung der Überschüsse für die → Versicherungsnehmer auf die einzelnen Gruppen orientiert sich daran, in welchem Umfang die Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben.

Zu welcher Gruppe Ihre Versicherung gehört, können Sie Ihren Versicherungsinformationen entnehmen.

e) Veröffentlichung der Überschussanteilsätze

Der Vorstand unseres Unternehmens legt auf Vorschlag des → Verantwortlichen Aktuars die Höhe der → Überschussanteilsätze fest. Wir veröffentlichen die → Überschussanteilsätze jährlich in unserem Geschäftsbericht, den Sie jederzeit bei uns anfordern können, oder teilen sie Ihnen auf andere Weise mit.

...

2.2 Warum kann die Höhe der Überschussbeteiligung nicht garantiert werden?

Die Höhe der Überschüsse hängt vor allem von der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt, dem Risikoverlauf und der Kostenentwicklung ab. Auch die Höhe der → Bewertungsreserven ist vom Kapitalmarkt abhängig. Daher kann die Höhe der Überschussbeteiligung nicht garantiert werden.

2.3 Welche Arten von Überschussanteilen gibt es?

(1) Jährliche Überschussanteile

In Abhängigkeit von der Zuordnung Ihrer Versicherung zu einer Gruppe (siehe Ziffer 2.1 Absatz 1d)) beteiligen wir den Baustein Altersvorsorge jeweils zu Beginn eines Versicherungsjahres an den erzielten Überschüssen (jährliche Überschussanteile).

a) Beteiligung vor Rentenbeginn

Der jährliche Überschussanteil vor Rentenbeginn besteht aus einem Zinsüberschussanteil. Hinzukommen kann ein Zusatzüberschussanteil.

...

2.4 Was sind die Bezugsgrößen der Überschussanteile Ihrer Versicherung?

(1) Ermittlung der Bezugsgrößen

Die Bezugsgrößen, auf die sich die → Überschussanteilsätze beziehen, hängen vor allem vom Baustein, von Ihrem Alter, von der → Aufschubdauer und der Höhe der Garantierente ab. Sie werden nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelt.

(2) Bezugsgrößen der jährlichen Überschussanteile

a) Überschussanteile vor Rentenbeginn

Bezugsgröße für den Zinsüberschussanteil und den Zusatzüberschussanteil ist das → Deckungskapital der Versicherung, das wir zum Ende des abgelaufenen Versicherungsjahres berechnen und mit dem → Rechnungszins nach Ziffer 1.5 Absatz 1 um 1 Jahr abzinsen. ..."

4

Die Versicherungsinformationen weisen unter anderem darauf hin, dass die Versicherung in der Überschussgruppe "EZ" geführt und über die Untergruppe "HVAVMG0112 für den Baustein zur Altersvorsorge" am Überschuss beteiligt wird.

5

Im Geschäftsbericht der Beklagten für das Jahr 2011 heißt es auf Seite 70:

"3. Zusatzüberschussanteil

Bei den Überschussgruppen EZ und GZ wird vor Beginn der Rentenzahlung ein jährlicher Überschussanteil (Zusatzüberschussanteil) in Höhe von 0,1% der maßgebenden Größe für den Zinsüberschuss gegeben.

Der Zusatzüberschussanteil stellt eine Beteiligung an den Kostenüberschüssen dar.

Der Zusatzüberschussanteil wird nur bei Versicherungen mit laufender (nicht variabler) Beitragszahlung und:

- bei den Grundbausteinen: ab einem Garantiekapital bzw. ab einem zur Verrentung zur Verfügung stehenden Garantiekapital von 40.000 €

gegeben, solange Beiträge gezahlt werden."

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Vorgerichtlich lehnte die Beklagte nach Abmahnung durch die Kläger die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.

7

Die Kläger halten die beiden beanstandeten Bedingungen in ihrem Regelungszusammenhang für intransparent. Sie erweckten den Eindruck einer Beteiligung aller Versicherungsnehmer an Kostenüberschüssen, ohne deutlich zu machen, dass - derzeit - Verträge mit einem Garantiekapital von weniger als 40.000 € an Kostenüberschüssen nicht beteiligt würden.

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Die Kläger verlangen mit ihrer Klage, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von (näher bezeichneten) Ordnungsmitteln zu unterlassen, beim Abschluss von Altersvorsorgeverträgen gemäß § 1 AltZertG ("Riester"-Rentenversicherungen) mit Verbrauchern die vorstehend kursiv gedruckten Klauseln in Nr. 2.1 AVB zu verwenden oder sich auf diese bei der Abwicklung von ab dem 1. Januar 2008 abgeschlossenen Verträgen zu berufen. Weiter haben die Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.951,03 € nebst Zinsen zu verurteilen.

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Die Beklagte hält die beanstandeten Klauseln für wirksam. Sie entsprächen einem verursachungsorientierten Verfahren im Sinne von § 153 Abs. 2 VVG. Eine Benachteiligung gerade älterer, ärmerer oder kinderreicher Versicherungsnehmer oder ein Verstoß gegen § 153 Abs. 1 letzter Halbsatz VVG gehe damit nicht einher. Ohnehin seien die angegriffenen Klauseln einer Kontrolle entzogen, da sie lediglich den Gesetzestext wiederholten und keinen eigenständigen Regelungsgehalt hätten. Überdies habe der Zusatzüberschussanteil 2012 bei Riester-Rentenversicherungen mit einem Garantiekapital ab 40.000 € bei lediglich 0,1% des Deckungskapitals gelegen. Da die Versicherungsnehmer in unterschiedlichem Ausmaß zur Entstehung der Kostenüberschüsse beitrügen, müssten diese abhängig vom Verursachungsbeitrag des jeweiligen Versicherungsnehmers verteilt werden. Die zweite beanstandete Textstelle erwecke nicht den Eindruck des Versprechens, alle Versicherungsnehmer erhielten mindestens 50% der zuvor genannten Kostenüberschüsse. Nr. 2.1 (1) b AVB entspreche den Vorgaben aus § 81c Abs. 1 VAG und § 4 Abs. 5 MindZV. Darüber, dass eine Kostenüberschussbeteiligung bei Riester-Rentenversicherungen ein bestimmtes Vertragsvolumen (d.h. ein bestimmtes Garantiekapital) voraussetze, müsse der Versicherer nicht informieren. Der maßgebliche Grenzbetrag könne sich jedes Jahr verändern. Solche unbekannten zukünftigen Entwicklungen der Wertgrenzen könnten in den Versicherungsbedingungen nicht berücksichtigt werden.

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Das Landgericht hat dem Hauptantrag der Kläger im Wesentlichen (Einsetzen des Verbots allerdings erst für ab dem 12. April 2008 - statt 1. Januar 2008 - abgeschlossene Verträge) stattgegeben und die Beklagte weiter verurteilt, den Klägern vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 577,85 € zu erstatten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt diese weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht hat - soweit in der Revision noch von Interesse - ausgeführt, die beanstandeten Klauselteile unterlägen der gerichtlichen Inhaltskontrolle, denn eine so genannte deklaratorische Klausel sei nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Transparenzkontrolle entzogen, wenn sie den Wortlaut eines Gesetzes wiedergebe, das - wie hier § 153 VVG - der Ergänzung bedürfe.

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Die beanstandeten Klauseln seien intransparent und damit unwirksam. Sie weckten die Erwartung des Versicherungsnehmers, er werde an den Überschüssen im Ergebnis beteiligt und es sei lediglich der Grad der Beteiligung in § 153 VVG geregelt. In dieser Erwartung bestätige den Versicherungsnehmer auch, dass Nr. 2.1 (1) b) AVB von einer kollektiven Mindestbeteiligung spreche, dass der Versicherungsnehmer einem Kollektiv zugehöre und diesem die Mindestbeteiligung zugeschrieben werde.

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Die in Nr. 2.1 (1) d) AVB geregelte Bildung von Versicherungsgruppen verdeutliche dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenso wenig, dass gewisse Vertragskategorien aus der Kostenüberschussbeteiligung der Riester-Rentenverträge gänzlich herausfielen, wie die Aussage, dass die Höhe der Überschussanteile abhängig sei vom gewählten Baustein, dem Alter des Kunden, der Aufschubdauer und der Höhe der Garantierente. Selbst wenn § 153 Abs. 2 VVG eine benachteiligende Ausgrenzung bestimmter Verträge zulasse, werde - dies begründe den Vorwurf der Verletzung des Transparenzgebotes - der Versicherungsnehmer darauf nicht hingewiesen. Ein sinngemäßer Hinweis darauf, dass Kleinsparer von der Überschussbeteiligung ausgeschlossen sein könnten, sei der Beklagten auch in zumutbarer Weise möglich.

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Dass sich die maßgebliche Wertgrenze nach dem Vortrag der Beklagten jährlich verschieben und auch einmal gänzlich entfallen könne und dass den betroffenen Versicherungsnehmern wirtschaftlich kein großer Nachteil entstehe, ändere nichts an der Verpflichtung der Beklagten, dem Versicherungsnehmer das Nachteilrisiko aufzuzeigen. Stehe nicht ein völlig zu vernachlässigender Nachteil im Raum, wolle und müsse jeder Vertragsinteressent über den Nachteil informiert werden, um eine selbstbestimmte Anlageentscheidung treffen zu können.

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Abmahnkosten habe die Beklagte gemäß §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu erstatten, wobei die Inanspruchnahme externer anwaltlicher Beratung hier gerechtfertigt gewesen sei.

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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die beanstandeten Klauseln für kontrollfähig erachtet und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf ihre Transparenz untersucht hat.

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a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB zu unterziehen, wenn sie von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Danach sind so genannte deklaratorische Klauseln, die Rechtsvorschriften nur wiedergeben und in jeder Hinsicht mit ihnen übereinstimmen, der Inhaltskontrolle entzogen. Bei solchen Klauseln verbietet sich eine Inhaltskontrolle schon wegen der Bindung des Richters an das Gesetz; sie liefe auch leer, weil an die Stelle der unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB doch wieder die inhaltsgleiche gesetzliche Bestimmung träte (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373 unter I 2 b zu § 8 AGBG m.w.N.). Allerdings ist die bloße Wiedergabe einer gesetzlichen Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen in den Fällen jedenfalls auf ihre Transparenz zu prüfen, in denen über die gesetzliche Regelung hinaus ein nicht zu übergehendes Bedürfnis des Versicherungsnehmers nach weiterer Unterrichtung besteht (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - IV ZR 138/99 aaO). Ergänzt eine Klausel Rechtsvorschriften oder füllt sie diese aus, indem sie entweder vom Gesetz eröffnete Spielräume ausfüllt oder sich die zitierte Vorschrift als von vornherein ausfüllungsbedürftig erweist, kann kontrolliert werden, ob und wie der Verwender das Gesetz ergänzt hat (Senatsurteil vom 9. Mai 2001 aaO). Dies gilt insbesondere, wenn das Gesetz nur einen Rahmen vorgibt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2002 - X ZR 243/01, NJW 2003, 507 unter II 2 a).

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b) So liegt der Fall hier. Zwar entspricht die erste von den Klägern beanstandete Klausel

"Wir beteiligen Sie nach § 153 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an den Überschüssen …."

inhaltlich der Regelung in § 153 Abs. 1 Halbsatz 1 VVG, diese gesetzliche Regelung ist aber - wie sowohl aus dem 2. Halbsatz des § 153 Abs. 1 VVG als auch aus Abs. 2 der Vorschrift deutlich wird - in mehrfacher Hinsicht ausfüllungsbedürftig, weil es den Vertragsparteien überlassen bleibt zu entscheiden, ob - wie hier nicht - die Überschussbeteiligung durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden oder wie - anderenfalls - die Verteilung im Einzelnen erfolgen soll. Die Bedingungen der Beklagten füllen diesen vom Gesetz eröffneten, letztgenannten Spielraum aus, weshalb das Berufungsgericht zu Recht geprüft hat, ob dies mit der gebotenen Transparenz geschehen ist.

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Dagegen wendet die Revision zu Unrecht ein, dass sich der Bedarf zur Ausfüllung nicht aus dem allein sinngemäß wiedergegebenen § 153 Abs. 1 VVG, sondern erst aus anderen, mit dieser Regelung in Sachzusammenhang stehenden gesetzlichen Vorschriften (hier vor allem § 153 Abs. 2 VVG) ergebe. Gerade in der insoweit verkürzten Wiedergabe der gesetzlichen Gesamtregelung zeigt sich, dass diese nicht in jeder Hinsicht vollständig übernommen ist. Darin kann ein Transparenzmangel begründet sein, den zu untersuchen das Gericht berufen ist.

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Für die zweite von den Klägern beanstandete Klausel

"Auch von diesen Überschüssen erhalten die … Versicherungsnehmer mindestens den in der jeweils aktuellen Fassung der MindZV genannten Prozentsatz (derzeit … 50 Prozent …)."

gilt nichts anderes. Auch hier beschränken sich die Bedingungen der Beklagten nicht darauf, Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ohne eigenen Regelungsgehalt wiederzugeben, sondern füllen den vom Gesetz und von der Verordnung eröffneten Spielraum insoweit aus, als ergänzende Regelungen zur konkreten Verteilung der Kostenüberschüsse getroffen werden.

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c) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein - die Klauselkontrolle rechtfertigendes - nicht zu übergehendes Bedürfnis des Versicherungsnehmers nach weiterer Unterrichtung (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2001 aaO) nicht mit der quantitativen Erwägung verneint werden, dass der Zusatzüberschussanteil regelmäßig nur circa 0,1% des Deckungskapitals betrage und die Beklagte beispielsweise im Jahre 2012 für Kostenüberschussbeteiligungen lediglich 300.000 € für sämtliche betroffenen Versicherungsverträge aufgewendet habe, was - bei einer Verteilung auf alle Verträge - 60 Cent pro Vertrag bedeutet hätte. Vielmehr hat der Versicherungsinteressent vor Abschluss des Versicherungsvertrages grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse daran, auch über solche Umstände unterrichtet zu werden, die es ihm ermöglichen, eine in den Bedingungen gegebene Leistungszusage einzuordnen. Nur dann wird er in die Lage versetzt, seine Anlageentscheidung selbstbestimmt zu treffen. Stand der diesbezügliche Vortrag der Beklagten mithin einer Transparenzkontrolle nicht entgegen, so stellt es - anders als die Revision meint - auch keine entscheidungserhebliche Verletzung des Rechts der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar, dass sich das Berufungsgericht damit nicht weitergehend befasst hat.

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2. Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Senatsurteile vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, r+s 2013, 297 Rn. 40; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16; vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210; vom 8. Oktober 1997 - IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401). Eine Regelung hält deshalb einer Transparenzkontrolle auch dann nicht stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt wird (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 aaO m.w.N.).

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a) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht angenommen, die beanstandeten Klauseln genügten diesen Anforderungen nicht, weil sie bei dem Versicherungsinteressenten die Erwartung weckten, in jedem Falle an den Kostenüberschüssen beteiligt zu werden, wobei allein die Frage der Höhe der Beteiligung näherer Prüfung bedürfe, während ihm entgegen der insoweit scheinbar uneingeschränkten Zusage nicht ausreichend verdeutlicht werde, dass Rentenversicherungsverträge, deren Garantiekapital ein von der Beklagten in ihrem Geschäftsbericht festzusetzendes Volumen (derzeit 40.000 €) unterschreite, von der Beteiligung an Kostenüberschüssen von vornherein ausgeschlossen seien. Einen so weitgehenden und grundsätzlichen Ausschluss kann der durchschnittliche Vertragsinteressent, auf dessen Sicht es insoweit maßgeblich ankommt, weder der in Nr. 2.1 (1) b AVB getroffenen Regelung über eine kollektive Mindestbeteiligung noch der in Nr. 2.1 (1) d) AVB geregelten Bildung von Versicherungsgruppen entnehmen, denn auch die Aussage,

"… Die Verteilung der Überschüsse für die … Versicherungsnehmer auf die einzelnen Gruppen orientiert sich daran, in welchem Umfang die Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben. …"

gibt keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass damit Verträge mit geringem Garantiekapital, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unstreitig 30 bis 50% des Riester-Rentenversicherungsverträge-Bestandes der Beklagten ausmachen, von der Beteiligung an den Kostenüberschüssen gänzlich ausgeschlossen werden sollen. Die Kläger rügen zu Recht, dass die Bedingungen den durchschnittlichen Versicherungsinteressenten, der seine voraussichtliche Überschussbeteiligung erfahren wolle, erst über eine Kette von komplizierten Verweisungen bis zum Geschäftsbericht der Beklagten führen, wo an nicht hervorgehobener Stelle zu erfahren sei, dass der für die Kostenüberschussbeteiligung maßgebliche Zusatzüberschussanteil nur bei Versicherungen mit laufender Beitragszahlung und - bei so genannten Grundbausteinen - bestimmten Garantiekapitalgrenzen gewährt werde.

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b) Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht sei einem Missverständnis des Regelungskonzepts der Beklagten erlegen, weil es aus dem Blick verloren habe, dass die von ihm vermisste Überschussbeteiligung nur den kleinsten Teil der Überschüsse, nämlich diejenigen aus dem Kostenergebnis, betreffe. Der Begründung des Berufungsurteils ist vielmehr durchgängig zu entnehmen, dass das Berufungsgericht lediglich daran Anstoß genommen hat, die Bedingungen machten nicht deutlich, dass Verträge mit geringer Garantiesumme von der Verteilung der Kostenüberschüsse ausgenommen sind.

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c) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Verteilungsverfahren der Beklagten schließe Versicherungsnehmer von Überschüssen aus, obwohl deren Verträge zur Entstehung dieser Überschüsse beigetragen hätten. Die Revision verweist darauf, dass die Beklagte insoweit ein verursachungsorientiertes Verteilungsverfahren praktiziere, dessen "Unschärfe" eine hinzunehmende Konsequenz der gesetzlichen Regelung in § 153 Abs. 2 VVG sei, weil dort aus Gründen der Praktikabilität kein verursachungsgerechtes, sondern nur ein verursachungsorientiertes Verteilungsverfahren gefordert werde. Das Kostensystem der Beklagten sehe im Übrigen einen relativ geringen "Stückkostenbetrag" von lediglich 15 € pro Jahr vor, weshalb bei geringvolumigen Verträgen naturgemäß keine nennenswerten Kostenüberschüsse zu erwirtschaften seien.

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Darum geht es hier aber nicht, denn losgelöst von der Frage, ob das Verteilungssystem der Beklagten sachgerecht ist und inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben entspricht, hat das Berufungsgericht, das den Verteilungsmodus der Beklagten im Ergebnis nicht beanstandet, lediglich zutreffend dargelegt, dass die von den Klägern angegriffenen Klauseln beim durchschnittlichen Versicherungsinteressenten die Erwartung erwecken, in jedem Falle immerhin mit einer Mindestbeteiligung auch an den Kostenüberschüssen zu partizipieren, ohne dass die beanstandeten Bedingungen gerade das von der Beklagten beschriebene Kosten- und Verteilungssystem verständlich erläuterten. Das Berufungsgericht sieht die Beklagte zu Recht in der Pflicht, ihren Versicherungsinteressenten das beschriebene Nachteilsrisiko - mag es auch systembedingt zwangsläufig sein und wirtschaftlich nicht schwer wiegen - aufzuzeigen, weil es geeignet ist, deren Anlageentscheidung zu beeinflussen. Weshalb es - wie die Revision meint - neben der Sache liegen soll, von der Beklagten einen Hinweis darauf zu verlangen, dass sie bestimmte Gruppen von Versicherungsnehmern von der Teilhabe an Kostenüberschüssen ausschließt, erschließt sich nicht. Soweit die Revision stattdessen den in den Nr. 2.1 (1) d) AVB gegebenen Hinweis darauf als ausreichend erachtet, dass sich die Verteilung der Überschüsse auf die einzelnen Gruppen von Versicherungsverträgen daran orientiert, in welchem Umfang die jeweiligen Gruppen zu ihrer Entstehung beigetragen haben, verkennt sie, dass der Versicherungsinteressent dieser abstrakten Umschreibung nicht entnehmen kann, dass eine Vielzahl von Versicherungsnehmern mit kleinvolumigen Verträgen zur Entstehung von Kostenüberschüssen gar nichts beitragen und folglich entgegen dem Eingangsversprechen auch keine diesbezügliche Überschussbeteiligung erwarten kann.

Mayen                                 Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

                Dr. Karczewski                      Dr. Bußmann

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2. In der dargelegten weiten Auslegung hält die Anrechnungsklausel des § 5 Nr. 2.1 AVB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil der Versicherer mit ihr durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Versicherungsnehmers durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 31 m.w.N.). Zugleich werden wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers, welche sich aus der Natur des Versicherungsvertrages ergeben, so weit eingeschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
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c) Ziff. 11 Abs. 2 Satz 1, 2 AVB-KLV verstößt ferner gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt hiernach vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626 Rn. 14 m.w.N.; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz 1998 Rn. 407; Römer, NVersZ 1999, 97, 102 m.w.N.). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.