Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Nov. 2016 - 26 U 37/14
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Januar 2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 45.000,00 € seit dem 01.11.2010 sowie aus weiteren 25.000,00 € seit dem 26.09.2012 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von jeglichen nicht vorhersehbaren künftigen materiellen Schäden freizustellen und jegliche nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung ab dem 06.04.2009 zurückzuführen sind, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.160,00 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB aus 8.320,00 € seit dem 01.11.2010 sowie aus weiteren 21.840,00 € seit dem 26.09.2012 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung ihrer Leistungsfähigkeit fiktive Haushaltsführungskosten in Höhe von 156,00 € monatlich, beginnend mit dem Monat Januar 2014, zahlbar jeweils spätestens bis zum 05. Kalendertag des nachfolgenden Kalendermonats – nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB ab dem jeweils 6. Kalendertags, beginnend mit dem 6.2.2014 bis einschließlich zum 6.12.2016 – zu zahlen;
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 4.005,54 € nebst gesetzlicher Zinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 01.11.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 69 % und der Beklagten zu 31 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die am ##.##.1962 geborene Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Q Hospital in S in der Zeit vom 17.03.2009 bis zum 05.05.2009 auf Schmerzensgeld, Ersatz des Haushaltsführungsschadens, Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Herausgabe der Krankenunterlagen in Anspruch.
4Nachdem am 17.03.2009 bei ambulanter Vorstellung der Klägerin im Hause der Beklagten die Diagnose eines Upside-Down-Stomach im Sinne einer großen Fornixkaskade gestellt worden war, und die Ärzte auch wegen des Leidensdrucks der Klägerin die Durchführung einer laparoskopischen Gastropexie empfohlen hatten, befand sich die Klägerin vom 02.04. bis zum 09.04.2009 in stationärer Behandlung bei der Beklagten. Am 06.04.2009 führte Dr. K die Operation durch, wobei im Operationsbericht beschrieben ist, dass der Fundus an das Zwerchfell mit Hilfe von 5 Nähten angenäht wurde.
5Eine am 26.05.2009 in der radiologischen Praxis Dr. T3 durchgeführte Magen- und Darmpassage ergab, dass sich die Funduskaskade nur wenig kleiner als präoperativ darstellte. Die Klägerin begab sich deshalb am 29.06.2009 zur Revisionsoperation in das N-Hospital in I. Im Operationsbericht vom 06.07.2009 heißt es, dass sich eine Fixation von der Fundus-/Korpusgrenze über den Korpus an die ventrale Bauchwand fände, mit nicht viel resorbierbarem Nahtmaterial. Die Nähte wurden gelöst, wonach sich der Magen prall füllte.
6Anfang November 2009 wurde im St. F Krankenhaus in S eine Pleuritis behandelt. Die Klägerin klagte über atemabhängige linksthorakale Schmerzen. Eine weitere Magen-Darm Passage in der Praxis Dr. T3 ergab am 28.04.2010 wiederum eine große hintere Funduskaskade. Die Klägerin wurde deshalb am 25.05.2010 im L-Krankenhaus S erneut operiert. Im oberen Magenanteil war der Fundus massiv ausgeweitet. An der Stelle, wo der Magen bei der ersten Operation an der Bauchwand fixiert war, hatte sich eine Narbe gebildet. Diese wurde entfernt, übergroße Fundusteile wurden reseziert.
7Am 18.06.2010 zeigte eine erneute Magen-Darm Passage eine Stenose am Ösophagus Magenübergang. Im Juli 2010 wurde wiederum im L-Krankenhaus S eine Erweiterung des gastroösophalen Übergangs bis 18 mm vorgenommen. Die Klägerin hatte sich wegen Schluckbeschwerden ins Krankenhaus begeben.
8Im August 2010 musste in demselben Krankenhaus in offener Operationsweise eine atypische Magenteilresektion vorgenommen werden. Magenfundus und Magenkorpus wurden reseziert. Jetzt ergab sich ein Magenschlauch bei der Klägerin. Anschließend kam es zu Wundheilungsstörungen.
9Weitere stationäre Aufenthalte im L-Krankenhaus erfolgten im November 2010, Februar 2011 und April/Mai 2012. Zunächst waren eine Bauchdeckenrevision, eine großflächige Exzision und ein primärer Wundverschluss notwendig geworden. Anschließend nahmen die Ärzte erneut eine Ballonerweiterung der Speiseröhre im Übergang zum Magen vor. Letztlich erfolgte noch eine Narbenrevision.
10Schließlich wurde die Klägerin vom 28.08. bis zum 06.09.2013 im St. B Hospital in I stationär behandelt. Sie hatte Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme. Es zeigte sich eine deutlich gestörte Magenentleerung. Die Ärzte unternahmen einen konservativen Therapieversuch.
11Zuletzt befand sich die Klägerin in der Zeit vom 11.11.2013 bis zum 28.11.2013 im St. B Hospital in I. Gemäß Arztbericht erfolgte am 20.11.2013 eine Laparotomie, eine ausgiebige offene Adhäsiolyse, Aufhebung der Gastropexie sowie Durchführung einer hinteren unteren Gastrojejunostomie nach Roux-Y isoperistaltisch.
12Die Klägerin hat behauptet, im Haus der Beklagten fehlerhaft behandelt worden zu sein. Ihr gesamter Leidensweg, insbesondere die zahlreichen Operationen seien sämtlich wegen der fehlerhaft durchgeführten Operation vom 06.04.2009 notwendig geworden.
13Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die Behandlung sei zu jedem Zeitpunkt symptom- und befundgerecht entsprechend dem fachärztlichen Standard erfolgt. Die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen und Beschwerden seien nicht auf eine fehlerhafte Behandlung im Hause der Beklagten zurückzuführen.
14Sowohl die Klägerin, als auch die Beklagte haben der N-Hospital I den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Weiterhin hat die Klägerin dem Operateur des Eingriffs vom 06.07.2009, Prof. Dr. T, den Streit verkündet. Ein Beitritt ist ebenfalls nicht erfolgt.
15Das Landgericht hat der Klage sachverständig beraten durch Prof. Dr. y teilweise stattgegeben. Die Operation vom 06.04.2009 sei medizinisch indiziert gewesen, aber fehlerhaft ausgeführt worden. Die Funduskaskade habe praktisch unverändert fortbestanden. Hätte der Operateur den höchsten Punkt des Fundus fixiert, hätte nach der Operation eine erneute Abkippung nicht stattfinden können. Die Fixation im Bereich der Fundus-/Korpusgrenze habe aber bewirkt, dass der darüber liegende Teil des Fundus nach vorne oder hinten abknicken konnte. Die Revisionsoperation im Juli 2009 sei wiederum fehlerhaft durchgeführt worden, da im N-Hospital I die fehlerhaft fixierten Nähte lediglich gelöst, also der Staus Quo wieder hergestellt worden sei. Der Operateur der Revisionsoperation habe versäumt, den Magen nunmehr korrekt aufzuhängen. Alle weiteren Komplikationen wären nicht entstanden, wenn diese Zweitoperation nicht unzureichend erfolgt wäre. Es sei vorliegend aufgrund eines groben Behandlungsfehlers im oberen Bereich durch den Zweitschädiger hinsichtlich der Komplikationen von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs auszugehen. Das Verhalten des Operateurs in I bei der Revisionsoperation sei nach den Behandlungsunterlagen völlig unverständlich gewesen. Gründe, die gegen ein richtiges Aufhängen des Magens sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Auf der anderen Seite habe der Sachverständige nicht ausschließen wollen, dass der Operateur möglicherweise doch Gründe gehabt habe, die richtige Aufhängung des Magens nicht vorzunehmen. Soweit der Sachverständige angeregt habe, den Operateur zu den Umständen der Revisionsoperation als Zeugen zu befragen, hätten sich die Parteien aber trotz eingeräumter Gelegenheit zur Stellungnahme nicht auf das Zeugnis des Operateurs berufen. Eine Zeugenvernehmung von Amts wegen sehe die ZPO nicht vor. Es verbleibe danach bei den Feststellungen des Sachverständigen, dass mangels anderer Feststellungen ein grober Behandlungsfehler im oberen Bereich gegeben sei. Die Beklagte hafte aufgrund der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs somit nicht für die Schäden, die nach der Revisionsoperation vom 06.07.2009 aufgetreten seien. Das Erfordernis der Revisionsoperation und die verbleibenden Schmerzen bzw. Beschwerden über einen Zeitraum von drei Monaten rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 €. Hinsichtlich der Haushaltsführung sei durch die der Beklagten zurechenbaren fehlerhaften Behandlung eine Zeitverzögerung von drei Monaten entstanden. Bei für die Haushaltstätigkeit benötigten 36 Stunden und einem Stundenlohn von 10,00 € ergebe sich ein Haushaltsführungsschaden von 4.680,00 €. Hinsichtlich der Anwaltskosten sei eine 2,0 Gebühr ausreichend.
16Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Die Angelegenheit sei noch nicht entscheidungsreif gewesen. Der Sachverständige habe ohne vorherige Bewertung im schriftlichen Gutachten im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals in Erwägung gezogen, dass das Unterlassen im Rahmen der Revisionsoperation einen groben Behandlungsfehler am oberen Rand darstellen könnte, sofern der Operateur keinen Grund für dieses Vorgehen gehabt habe. Die Beklagte habe es verabsäumt, den Operateur als Zeugen zu benennen. Die Einschränkung, dass es Gründe geben könne, die gegen eine Aufhängung des Magens sprächen, relativiere die Einschätzung des Sachverständigen. Nachdem der Sachverständige im Rahmen der schriftlichen Begutachtung mit Einsicht in die Unterlagen nichts hierzu ausgeführt habe, habe die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass die Operation vom 06.07.2009 im Hause der Streitverkündeten einen groben Behandlungsfehler am oberen Rand darstelle. Es sei auch reine Spekulation, dass tatsächlich die weiteren Komplikationen nicht eingetreten wären, wenn der Magen richtig aufgehängt worden wäre. Der Sachverständige messe auch offensichtlich mit zweierlei Maß, indem er das falsche Annähen des Magens im Hause der Beklagten als grob behandlungsfehlerhaft bewerte, die Behandlung im nachbehandelnden Haus, bei dem die Nähte gelöst worden und lediglich nur der Magen nicht wieder neu angenäht worden sei, als einen gröblichsten Fehler darstelle. In der Qualität der beiden Fehler sei jedenfalls kein Unterschied, der Fehler im Haus der Beklagten, in dem der Magen an falscher Stelle angenäht worden sei, sei sogar deutlich schlimmer. Im konkreten Fall führe selbst ein – unterstellt – grober Behandlungsfehler am oberen Rand nicht zu einem Abbruch der Kausalität. Man könne wenn überhaupt von einem groben Behandlungsfehler des Nachbehandlers ausgehen, nicht aber von einem gröblichsten Fehler. Das Landgericht habe zudem verkannt, dass auch der Zurechenbarkeitszusammenhang nicht mehr gegeben sein dürfe. Hier habe die Zweitbehandlung gerade der Beseitigung negativer Folgen der Erstbehandlung gedient. Es handele sich somit um keinen Fehler der völlig losgelöst vom Erstereignis begleitend gemacht worden sei. Es bestehe ein enger zeitlicher und medizinischer Zusammenhang zwischen den beiden Behandlungen, so dass der Zurechnungszusammenhang zur Erstbehandlung nicht durch Fehler der Zweitbehandlung unterbrochen werde, er setze sich fort. Dass ein fehlerhaft behandelter Patient nicht Opfer einer fehlerhaften Nachoperation werde, sei gerade nicht gänzlich unwahrscheinlich.
17Die Klägerin beantragt,
18unter Aufrechterhaltung des am 29.01.2014 verkündeten und am 05.02.2015 zugestellten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. 6 O 91/11) im Übrigen die Beklagte weiter nach den Schlussanträgen erster Instanz zu verurteilen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es ihr günstig ist. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Kausalität der Zurechnungszusammenhang unterbrochen sei. Bei der Revisionsoperation vom 06.07.2009 habe davon ausgegangen werden müssen, dass die Primäroperation vom 06.04.2009 medizinisch indiziert gewesen sei, so dass der höchste Punkt des Fundus habe fixiert werden müssen. Einer weiteren Beweisaufnahme habe es bereits deshalb nicht bedurft, da dem Sachverständigen sämtliche Krankenunterlagen des N-Hospitals I vorgelegen hätten.
22Der Senat hat die Klägerin erneut persönlich angehört und den Zeugen Prof. Dr. T vernommen. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden viszeralchirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. y sowie eines pneumologischen Gutachtens nebst Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. X. Ferner haben beide Sachverständige ihr Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 10.03.2015 und 25.10.2016 verwiesen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere auch des Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24II.
25Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.
26Der Klägerin steht über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus gegen die Beklagte ein weitergehender Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden nach den §§ 611, 280, 278, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. 823, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB zu. Die Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als dass abweichend vom Landgericht hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen nicht von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen des Vorliegens eines gröblichsten Nachbehandlungsfehlers auszugehen ist.
27Der Senat stützt sich dabei aus den nachfolgenden Gründen auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. y sowie seine umfassenden und überzeugenden Ausführungen im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens und bei seiner Anhörung vor dem Senat. An der hohen Qualifikation und Sachkunde des Sachverständigen im Bereich der Viszeralchirurgie bestehen keine Zweifel. Der Sachverständige Prof. Dr. y hat sich bereits erstinstanzlich dezidiert mit dem zu beurteilenden medizinischen Sachverhalt auseinandergesetzt. Er vermochte auch im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat seine Feststellungen und fachlichen Beurteilungen unter Berücksichtigung sämtlicher Befunde überzeugend zu vertreten. Daneben stützt sich der Senat hinsichtlich der Bewertung der gesundheitlichen Folgen auf das ebenso überzeugende Gutachten des pneumologischen Sachverständigen Prof. Dr. X.
281.
29Der Klägerin steht zunächst gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden wegen eines im Zuge des Eingriffs vom 06.04.2009 begangenen Behandlungsfehlers des Operateurs im Krankenhaus der Beklagten zu.
30Nach den im Berufungsverfahren bindenden Feststellungen des Landgerichts ist die aufgrund der Beschwerden der Klägerin eindeutig indizierte laparoskopische Gastropexie in der Klinik der Beklagten am 06.04.2009 fehlerhaft durchgeführt worden. Der Magen wurde bei der Operation nicht in der richtigen Weise positioniert und befestigt. Die Nähte wurden fehlerhaft so gesetzt, dass es erneut zu einem Abkippen und einer Verdrehung des Magens gekommen ist. Hätte der Operateur den höchsten Punkt des Fundus fixiert, so hätte nach der Operation eine erneute Abkippung nicht stattfinden können. Auf der postoperativen Röntgenaufnahme vom 26.05.2009 ist ausweislich der Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. y zu erkennen, dass die Funduskaskade praktisch unverändert fortbestanden hat.
31Die fehlerhafte Fixation des Magens beim Ersteingriff ist als einfacher Behandlungsfehler einzustufen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 10.04.2012 (Bl. 138, 164 d.A.) handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Behandlungsfehler, weil die Operationsstrategie grundsätzlich sachgerecht gewesen ist. Der Übergang vom Zwerchfell zur vorderen Bauchwand ist fließend; es ist nach Angabe des Sachverständigen denkbar, dass in Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse ein oder zwei Nähte zu wenig gesetzt wurden, oder dass bei der Naht der Fundus unbemerkt nach hinten abgerutscht ist. Soweit es sich danach möglicherweise um eine intraoperative Fehleinschätzung handelt, ist die Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht gerechtfertigt.
32Soweit sich die Klägerin in ihrer Berufung nunmehr mit der Begründung auf das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers beruft, es sei im Vergleich zur Revisionsoperation vom 06.07.2009 in der Qualität der beiden Fehler kein Unterschied festzustellen, der Fehler im Haus der Beklagten, in dem der Magen an falscher Stelle angenäht worden sei, sei sogar deutlich schlimmer, ist der Sachverständige Prof. Dr. y im Senatstermin bei seiner Einschätzung verblieben. Er hat nochmals anschaulich dargelegt, dass eine derartige intraoperative Fehleinschätzung zwar eine Abweichung vom medizinischen Facharzt-Standard darstellt, aber auch einem guten Operateur passieren kann. Dem schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an.
332.
34Die Beklagte haftet danach für sämtliche Schadensfolgen, die auf die behandlungsfehlerhaft durchgeführte Gastropexie vom 06.04.2009 zurückzuführen sind.
35Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind der Beklagten dabei aber nicht nur – aufgrund einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs – die bis zur Revisionsoperation vom 06.07.2009 entstandenen Schäden zuzurechnen.
36a) Die Beklagte hat dafür zu haften, dass die Klägerin wegen der fehlerhaften Fixierung des Magens erneut operiert werden musste, über einen Zeitraum von drei Monaten Schmerzen und Beschwerden zu erleiden hatte und in dieser Zeit in der Führung ihres Haushalts eingeschränkt war. Dies steht im Berufungsverfahren auch nicht mehr im Streit.
37b) Soweit darüber hinaus nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme alle weiteren teils schwerwiegenden Komplikationen, die in der Folgezeit bei der Klägerin aufgetreten sind, nicht entstanden wären, wenn die Revisionsoperation vom 06.07.2009 nicht ebenfalls unzureichend erfolgt wäre, sind diese Folgen ebenfalls kausal auf den der Beklagten zuzurechnenden Behandlungsfehler zurückzuführen und dieser somit zuzurechnen.
38Die Revisionsoperation im N-Hospital in I ist wiederum fehlerhaft durchgeführt worden, da dort im Rahmen des Eingriffs die fehlerhaft fixierten Nähte lediglich gelöst, also der Status quo ante wiederhergestellt wurde. Der dortige Operateur Prof. Dr. T hat es fehlerhaft versäumt, den Magen der Klägerin nunmehr korrekt aufzuhängen.
39Dadurch, dass die weiterhin bestehende Abkippung des Magens im Anschluss längere Zeit unbehandelt blieb, ist es zu einer Magenblähung gekommen. Die massive Ausweitung des Fundus machte dann eine Magenteilresektion notwendig. Die danach aufgetretene Magentransportschädigung ist nach Angabe des Sachverständigen eine bekannte Komplikation bei einer Magenteilresektion. Möglicherweise ist es durch die länger anhaltende Magenblähung auch zu einer passageren Stauchung der Lunge gekommen. All diese Komplikationen hätten vermieden werden können, wenn spätestens bei der Revisionsoperation vom 06.07.2009 der Magen korrekt aufgehängt worden wäre.
40Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch nicht „reine Spekulation“, dass tatsächlich die weiteren Komplikationen nicht eingetreten wären, wenn der Magen zu diesem Zeitpunkt richtig aufgehängt worden wäre. Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten dargelegt, dass die Operation vom 20.05.2010 und ihre Folgen vermeidbar gewesen wären, wenn bei der Revisionsoperation vom 06.07.2009 auch die notwendige, richtig sitzende Gastropexie vorgenommen worden wäre. Er hat im Senatstermin nochmals dargelegt, dass es bei einer solchen Operation wie der vom 06.04.2009 in 20 bis 30 % der Fälle zwar vorkommt, dass Restbeschwerden wie z.B. Aufstoßen verbleiben. Wäre der Ersteingriff im April 2009 aber regelrecht erfolgt, dann wären sämtliche Folgeoperationen vermieden worden. Insoweit gilt Gleiches auch für die Folgeoperation vom 06.07.2009, dass bei regelrechter Durchführung die weiteren Folgeeingriffe vermieden worden wären.
41c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist im Streitfall nicht von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs mit der Folge ausgehen, dass die Beklagte für die weiteren Schäden, die nach der Revisionsoperation vom 06.07.2009 aufgetreten sind, nicht haftet.
42Wird aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich, der dem Patient bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre, hat der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff einzustehen. Dabei umfasst seine Einstandspflicht regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes (vgl. BGH Urteil vom 06.05.2003 – VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128).
43Sind nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt zu beurteilen, tritt eine zur Unterbrechung des Zurechenbarkeitszusammenhangs führende Begrenzung der Einstandspflicht des Erstbehandlers nur ausnahmsweise in bestimmten Sonderfällen ein. So kann es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlen, wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler des Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat (vgl. BGH Urteil vom 28.01.1986 – VI ZR 83/85, VersR 1986, 601; Urteil vom 20.09.1988 – VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273). Gleiches gilt, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muss (BGH Urteil vom 20.09.1988 – VI ZR 37/88, aaO; BGH Urteil vom 06.05.2003 – VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128; BGH, Urteil vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11 –, VersR 2012, 905).
44Der Senat ist nach der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt, dass der Fehler des nachbehandelnden Arztes Prof. Dr. T im Rahmen der Revisionsoperation nicht als völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen ist und sich damit nicht als besonders grober Behandlungsfehler darstellt, der den Zurechnungszusammenhang entfallen lässt.
45aa) Das Landgericht ist gestützt auf die erstmals im Rahmen der mündlichen Anhörung getätigten Angaben des Sachverständigen von einem besonders groben Behandlungsfehler ausgegangen. Prof. Dr. y hat das Verhalten des Operateurs bei der Revisionsoperation vom 06.07.2009, der lediglich den alten Zustand des Magens wiederhergestellt hat, erstinstanzlich im Rahmen seiner mündlichen Ausführungen als völlig unverständlich bewertet und ist ausweislich des Protokolls vom 06.11.2013 zu dem Schluss gelangt, dass es sich um einen Behandlungsfehler im oberen Bereich handelt. Gründe, die angesichts der bestehenden medizinischen Indikation gegen ein richtiges Aufhängen des Magens sprechen könnten, waren für den Sachverständigen nach Auswertung der kompletten Behandlungsunterlagen aus dem N-Hospital in I nicht ersichtlich.
46Der Sachverständige hat erstinstanzlich insoweit einschränkend in Erwägung gezogen, dass das Unterlassen im Rahmen der Revisionsoperation einen groben Behandlungsfehler am oberen Rand darstellt, sofern der Operateur keinen plausiblen und nachvollziehbaren Grund für dieses Vorgehen gehabt hat. Theoretisch kommt hier eine Infragestellung der ursprünglichen Indikation durch den Nachbehandler oder eine Verletzung des Magens bei der Revisionsoperation in Betracht. Der Sachverständige konnte diesbezüglich aber den Behandlungsunterlagen der Revisionsoperation nichts entnehmen. Gründe, von der medizinisch erforderlichen Aufhängung des Magens abzusehen, sind nicht dokumentiert. Nach den von ihm ausgewerteten schriftlichen Unterlagen ist das Verhalten des Operateurs in I daher völlig unverständlich. Es ist für den Sachverständigen nicht nachvollziehbar gewesen, warum dieser auf eine erneute Aufhängung verzichtet hat; zumal der Aufwand es nun richtig zu machen sehr gering gewesen wäre.
47Der Sachverständige hat im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen im Senatstermin nochmals bejaht, dass nach Aktenlage in Bezug auf die Operation vom 06.07.2009 ein schwerwiegender Fehler vorliegt. Grund hierfür ist, dass der Operateur der Klägerin zumindest einen weiteren Revisionseingriff zugemutet hat, weil er auf halber Strecke stehen geblieben ist. Dies macht für ihn den Umstand aus, dass das ärztliche Verhalten schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar ist. Der Sachverständige hat es als vollkommen unverständlich bezeichnet, dass der Magen der Klägerin bei der Revisionsoperation im Juli 2009 nicht korrekt aufgehängt worden ist.
48Der Sachverständige Prof. Dr. y hat im Senatstermin danach einen groben Fehler eindeutig bejaht. Er hat aber hinsichtlich des zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs führenden besonders groben Behandlungsfehlers einschränkend ausgeführt, dass es sich bei der vom Landgericht protokollierten Aussage, dass es sich um einen schwerwiegenden Fehler im oberen Bereich gehandelt habe, nicht um seine eigene Diktion, sondern allein diejenige des Landgerichts gehandelt habe. Auf die Frage, welche Folge ein solcher Fehler für einen Arzt in seiner Klinik gehabt hätte, hat der Sachverständige ausführlich angegeben, dass der Fehler zu einer mündlichen Abmahnung durch ihn geführt hätte, die aber nicht an die Verwaltung der Klinik geschickt worden wäre. Eine Kündigung oder gar Folgen für die Approbation hätte der Fehler nicht nach sich gezogen. Befragt, ob tatsächlich ein Abweichen vom gewissenhaften ärztlichen Verhalten in einem außergewöhnlichen Maß vorliegt, hat er zunächst nur einen schwerwiegenden Fehler bejaht.
49bb) Soweit der Sachverständige zur weiteren Aufklärung des Umfangs des bei der Revisionsoperation begangenen Behandlungsfehlers die Vernehmung des Operateurs Prof. Dr. T als Zeugen für zwingend erforderlich angesehen hat, ist er auch nach den im Senatstermin getätigten Angaben des Zeugen dabei verblieben, dass kein über einen groben Behandlungsfehler hinausgehendes ärztliches Fehlverhalten vorgelegen hat.
50Der Zeuge Prof. Dr. T hat bekundet, im Rahmen des Revisionseingriffs einen suspekten Situs vorgefunden, sodann erst einmal die Naht gelöst und dann anatomisch reponiert und eine Prallfüllung des Magens gemacht zu haben. Dabei habe sich kein pathologisches Korrelat und insbesondere kein geknickter Fundus gezeigt. Der Zeuge hat dargelegt, er habe sodann intraoperativ keinen Anhaltspunkt gesehen, weiter operativ tätig zu werden. Die Schmerzen der Klägerin hätten sich durch das Annähen an das Peritoneum erklären lassen, ebenfalls die Siphonbildung in Höhe der kleinen Kurvatur. Der Zeuge hat erklärt, dass ihm der Operationsbericht des Ersteingriffs vom 06.04.2009 bekannt gewesen ist. Er vermochte sich auch noch daran zu erinnern, dass ihm die vor der Operation vom 06.04.2009 gefertigten Röntgenaufnahmen vorgelegen haben sowie weitere vor dem Revisionseingriff gefertigte Aufnahmen.
51Der Sachverständige hat sodann ausführlich dargelegt, dass auch nach Anhörung des Zeugen Prof. Dr. T die Revisionsoperation vom 06.07.2009 aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar bleibt. Grund hierfür ist, dass mit dem Vorgehen vom 06.07.2009 die Indikation für die vorangegangene Operation vom 06.04.2009 in Frage gestellt worden ist, obwohl hierfür keinerlei Anlass bestanden hat. Der Sachverständige hat bereits zuvor noch allein unter Berücksichtigung des Operationsberichts die Vermutung geäußert, dass der Zeuge sich davon hat täuschen lassen, dass sich der Magen der Klägerin nach Lösung der Fäden im Bauchraum ausgebreitet hat. Er hat basierend auf den Angaben des Zeugen nunmehr seine Vermutung bestätigt gefunden und dargelegt, dass der Magen nach dem Lösen der zuvor falsch gesetzten Nähte bei liegender Patientin anatomisch korrekt dagelegen hat. Allerdings hätte man für ein regelrechtes Vorgehen die Patientin im Anschluss im Stehen untersuchen müssen. Nur dann hätten sich die etwaigen Folgen zeigen können. Man hätte bei regelrechtem Vorgehen im Rahmen des Revisionseingriffs die Nähte lösen, aber sodann wieder an richtiger Stelle platzieren müssen. Soweit dieses nicht geschehen ist, ist dieses Vorgehen aufgrund der Voruntersuchungen der ersten Operation aus medizinischer Sicht unverständlich. Der Zeuge Prof. Dr. T hat nach Angabe des Sachverständigen sehenden Auges die weiterhin bestehende Indikation für den Voreingriff vom 06.04.2009 verworfen. Soweit er lediglich den Status quo ante wiederhergestellt hat, hätte er aber wissen müssen, dass der Patientin mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit hierdurch nicht geholfen wird.
52Den im Rahmen der Revisionsoperation vom 06.07.2009 erfolgten Behandlungsfehler hat der Sachverständige nunmehr auch unter Berücksichtigung der Bekundungen des Operateurs Prof. Dr. T als eindeutig groben Behandlungsfehler, nicht aber als besonders groben Fehler eingestuft. Dabei hat ihn insbesondere die Röntgenaufnahme vom 26.05.2009 zu der Annahme eines groben Behandlungsfehlers geleitet, da hieraus eindeutig hervorging, dass die ursprünglichen Beschwerden der Klägerin durch die erste Operation nicht behoben worden sind. Er hat sodann aber nochmals darauf verwiesen, dass es in seiner Klinik zwar zu einer Abmahnung durch ihn gekommen wäre, die Verwaltung oder Klinikleitung allerdings nicht informiert worden wäre. Es wäre nach Einschätzung des Sachverständigen auch nichts bezüglich der Approbation eines derart vorgehenden Kollegen unternommen und auch die Ärztekammer nicht informiert worden. Auch zur Überzeugung des Senats hat der Zeuge Prof. Dr. T danach im Rahmen der Revisionsoperation vom 06.07.2009 trotz des ihm zur Last zu legenden groben Behandlungsfehlers die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen nicht in einem derart außergewöhnlich hohen Maße außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen, dass der eingetretene Schaden allein seinem Handeln zugeordnet werden muss. Die für eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs beweisbelastete Beklagte hat danach den ihr obliegenden Beweis eines besonders groben Fehlers des Nachbehandlers nicht erbracht.
533.
54Zur Bestimmung der auf dem Behandlungsfehler beruhenden kausalen gesundheitlichen Folgen hat der Senat ein Ergänzungsgutachten des viszeralchirurgischen Sachverständigen Prof. Dr. y sowie ein pneumologisches Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X eingeholt.
55Der Sachverständige Prof. Dr. y hat dabei in seinem Ergänzungsgutachten vom 22.02.2016 nochmals ausgeführt, dass bei korrekter Platzierung der Nähte im Rahmen der Revisionsoperation vom 06.07.2009 der ursprüngliche Behandlungsfehler der Beklagten bei der ersten Operation vom 06.04.2009 als Gesundheitsschäden nur die Beschwerden während der Zeit zwischen den beiden Operationen und die Revisionsoperation vom 06.07.2009 selbst nach sich gezogen hätte. Die Klägerin wäre voraussichtlich geheilt und die Behandlung beendet gewesen. Dabei hätte sie bei regelrechter Vornahme der Revisionsoperation noch die gleichen Heilungschancen wie bei regelrechter Erstoperation gehabt.
56a) Der chirurgische Sachverständige Prof. Dr. y hat bereits in seinem Erstgutachten (S. 27 ff = Bl. 164 ff d.A.) und in dessen Erläuterung vor dem Landgericht zwischen zurechenbaren und nicht zurechenbaren Behandlungsfolgen und Komplikationen differenziert. Letztlich wären alle weiteren Komplikationen, die auf der nicht korrekten Lage des Magens beruhen, ohne die fehlerhafte Erstoperation und vor allem die fehlerhafte Revisionsoperation nicht entstanden. Eine an der richtigen Stelle gesetzte Gastropexie hätte den nachfolgenden komplizierten Verlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden können. Aus diesem Grund sind nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 22.02.2016 sämtliche Folgen und damit auch die notwendigen Korrekturoperationen dem unsachgemäßen Ersteingriff zuzuschreiben. Sämtliche Operationen nach dem 06.07.2009 sind aus dem Grund erforderlich gewesen, weil sich der Zustand des nicht korrekt aufgehängten Magens erheblich verschlechtert hat. Die Klägerin hat mittlerweile eine Vielzahl von Eingriffen über sich ergehen lassen müssen, die teilweise erhebliche nachteilige Folgen nach sich gezogen haben.
57Der Sachverständige hat hierzu in seinem Ergänzungsgutachten vom 22.02.2016 erweiternd ausgeführt. Er hat dargelegt, dass zunächst als unmittelbare Folgen der nicht geglückten Operation vom 06.04.2009 anzusehen sind:
58- anhaltende, sich verschlechternde Beschwerden, weiterhin bestehende schmerzhafte große hintere Fornix-Kaskade mit der Folge eines weiteren stationären Aufenthalts vom 29.06. bis zum 10.07.2009 mit Revisionsoperation vom 06.07.2009;
59- die Anschlussheilbehandlung vom 22.09. bis 13.10.2009 im Reha Zentrum C ist nach Angabe des Sachverständigen ebenfalls dem vorausgegangenen Behandlungsverlauf zuzuschreiben und wäre bei Vornahme nur einer Operation nicht erforderlich gewesen;
60Als der fehlerhaften Erstbehandlung zuzurechnende, im Falle einer am 06.07.2009 ordnungsgemäß erfolgten Revisionsoperation vermeidbare Folgen hat der Sachverständige im Wesentlichen angegeben:
61- stationärer Aufenthalt vom 07.05. bis 02.06.2010 im L-Krankenhaus S mit atypischer Magenteilresektion, Hiatoplastik und Semi-Fundoplicatio, Narbenentfernung;
62- stationärer Aufenthalt vom 26.07. bis 31.08.2010 im L-Krankenhaus S. Erweiterung des gastroösophalen Übergangs nach Stenose am Ösophagus-Magenübergang. Weitere Magenteilresektion in offener Operationsweise im Magenkorpus und -fundusbereich mit kompletter Fundusresektion im Sinne einer Gastroplastik mit anschließenden Wundheilungsstörungen;
63- weitere stationäre Aufenthalte im L-Krankenhaus im November 2010, Februar 2011 und April/Mai 2012 mit Bauchdeckenrevision, großflächiger Exzision und primärerem Wundverschluss; anschließend erneuter Ballonerweiterung der Speiseröhre im Übergang zum Magen und Narbenrevision;
64- vom 28.08. bis zum 06.09.2013 im St. B Hospital in I stationär wegen deutlich gestörter Magenentleerung. Die Ärzte unternahmen einen konservativen Therapieversuch;
65- 11.11. bis 28.11.2013 im St. B Hospital in I; Laparotomie, offene Adhäsiolyse, Aufhebung der Gastropexie sowie Durchführung einer hinteren unteren Gastrojejunostomie nach Roux-Y.
66Der Sachverständige hat hinsichtlich der Folgeoperationen ausgeführt, dass die Magenteilresektionen deshalb notwendig geworden ist, weil die erste und zweite Operation nicht korrekt ausgeführt worden sind. Die anschließende Magentransportschädigung ist wiederum eine bekannte Komplikation der Magenteilresektion.
67b) Die Beschwerden der Klägerin auf pneumologischem Gebiet können demgegenüber nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf den streitgegenständlichen Eingriff zurückgeführt werden. Zur der klägerischen Behauptung, wonach die eingeschränkte Lungenfunktion und die Atembeschwerden in Zusammenhang mit der fehlerhaften Erstoperation vom 06.04.2009 stünden, liegen das pneumologische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 09.01.2016 sowie dessen Ergänzungsgutachten vom 13.05.2015 vor.
68Bei der Klägerin haben sich wiederholt Befunde einer lungenfunktionellen Restriktion in Form einer Verkleinerung des Lungenvolumens gezeigt. Es bestehen symptomatisch Thoraxschmerzen und Luftnot auf höherer Belastungsstufe.
69Der Sachverständige Prof. Dr. X vermochte in seinem Gutachten einen sicheren Rückschluss der geschilderten thorakalen Beschwerden auf die Erstoperation nicht vorzunehmen und gelangte zu dem Schluss, dass diese eher multifaktorell bedingt sind. Es kann seinen Angaben nach aufgrund der Komplexität der Krankheitsgeschichte und der Befundkonstellation nicht mit Sicherheit zwischen den unterschiedlichen möglichen Ursachen für die lungenfunktionell erfasste Restriktion unterschieden werden. Dabei bleibt letztlich unklar, ob die Magenvergrößerung passager zusätzlich zu den anderen möglichen Bedingungen zu den respiratorischen Beschwerden beigetragen hat. Insgesamt hat er angeführt, dass wesentliche respiratorische Einschränkungen durch den Behandlungsfehler wenig wahrscheinlich sind. Insbesondere die 2009 aufgetretene Pleuritis (Rippenfellentzündung) hat der Sachverständige als völlig eigenständiges Krankheitsbild gewertet.
70Soweit die Klägerin das Ergebnis des pneumologischen Gutachtens infrage gestellt hat, ist der Sachverständige Prof. Dr. X im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens vom 13.05.2016 bei seiner Bewertung verblieben. Nach umfassenden Untersuchungen der Klägerin ergab sich letztlich nur eine leichte restriktive Ventilationsstörung, wobei die lungenfunktionell erfasste leichte Restriktion nicht geklärt werden konnte. Der Sachverständige vermochte einen Zusammenhang mit den abdominellen Operationen nicht sicher auszuschließen. Er hat aber darauf verwiesen, dass die Einschränkungen der Lungenfunktion gering und letztlich nicht belastungseinschränkend sind.
71Der Sachverständige hat im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen im Senatstermin nochmals klargestellt, dass die Lungenbeschwerden unter denen die Klägerin leidet und gelitten hat, nicht der Operation vom 06.04.2009 oder der Revisionsoperation vom 06.07.2009 zugeordnet werden können. Dabei hat er darauf verwiesen, dass als Ergebnis der 16.03.2016 durch ihn vorgenommenen umfassenden, Untersuchungen keine wesentlichen Atembeschwerden festzustellen waren, was sich sowohl in der Befragung als auch in der Untersuchung selbst gezeigt hat. Die geringfügig bestehende Funktionsbeeinträchtigung der Lunge war unter Belastung nicht respiratorisch einschränkend. Im Ergebnis hat sich bei der Klägerin ein Trainingsmangel gezeigt, der nach Einschätzung des Sachverständigen auch mit den unter Belastung auftretenden abdominellen Schmerzen zusammenhängen kann.
72Auch hinsichtlich der bei der Klägerin aufgetretenen Pleuritis ist der Sachverständige Prof. Dr. X dabei verbleiben, dass insoweit von einem eigenständigen Krankheitsbild auszugehen ist. Er hat insoweit darauf verwiesen, dass bei der Klägerin bereits zuvor eine Pleuritis aufgetreten war. Ferner hat er die zuvor vom Sachverständigen Prof. Dr. y getätigte Angabe bestätigt, dass eine Pleuritis keine normale Komplikation des streitgegenständlichen Eingriffs darstellt und nur sehr selten in maximal 5 % aller Fälle postoperativ vorkommt. Entsprechend kann die Pleuritis mit ihren gesundheitlichen Folgen und der damit verbundene stationäre Aufenthalt vom 30.10. bis 07.11.2009 nicht der fehlerhaft durchgeführten Operation vom 06.04.2009 oder Revisionsoperation vom 06.07.2009 zugerechnet werden. Der Sachverständige konnte nur vermuten, dass seinerzeit ggf. ein hochgedrücktes Zwerchfell rein passager zu einer eingeschränkten Lungenfunktion bei der Klägerin geführt hat. Eine auf den Operationen beruhende Zwerchfellparese konnte er aber sicher ausschließen. Es bleibt angesichts der Vielzahl von Alternativursachen letztlich spekulativ, ob das damalige Akutereignis (auch) auf die zuvor durchgeführten stationären Aufenthalte zurückzuführen ist.
734.
74Der Klägerin steht gegen die Beklagte danach ein Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden nach den § 249, 253 Abs. 2 BGB zu.
75a) Die Klägerin kann gemäß § 253 Abs. 2 ZPO ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen, dessen Höhe der Senat mit 70.000 EUR bemisst.
76Dabei ist insbesondere der besonders langwierige und komplikationsträchtige Krankheitsverlauf, der schließlich nach mehreren Eingriffen zu einer Magenteilresektion geführt hat, zu berücksichtigen. Die Klägerin befand sich vielfach langfristig in Krankenhäusern und musste sich von Mai 2009 bis Ende 2013 vielfachen ärztlichen Behandlungen und Operationen mit stationären Aufenthalten unterziehen. Neben der Länge der Behandlungszeit ist für die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmend, dass die Klägerin nach wie vor erheblich beeinträchtigt ist und auch ihr gesamtes weiteres Leben lang in nicht unerheblichem Umfang zumindest in Form abdomineller Belastungsschmerzen beeinträchtigt sein wird.
77b) Die Klägerin kann weiter die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche weiteren zukünftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden verlangen. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO besteht schon deshalb, weil angesichts von Art und Schwere der Beeinträchtigung der Klägerin künftige Schadensfolgen möglich erscheinen.
78c) Für die Zeit vom 06.04.2009 bis zum 31.12.2013 hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von insgesamt 30.160,00 €.
79Der Senat stützt sich dabei hinsichtlich der Beeinträchtigung der Klägerin bei der Haushaltsführung auf die umfassenden Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. y, der detaillierte Ausführungen zur den Zeiten und dem Umfang gemacht, in denen die Klägerin in ihrer Haushaltsführung eingeschränkt gewesen ist (vgl. Gutachten v. 10.04.2012, S. 31 ff; Bl. 168 ff d.A.; Protokoll v. 06.11.2013, S. 4, Bl. 420 d.A.; Gutachten v. 22.02.2016; Protokoll v. 25.10.2016, S. 6). Danach wäre die Klägerin bei korrekter Behandlung einen Monat nach der Operation vom 06.04.2009 wieder in der Lage gewesen, den von ihr allein geführten Einpersonen-Haushalt mit einer Größe von 120 qm wieder in vollem Umfang zu führen.
80Für das Jahr 2009 ergibt sich durch die fehlerhafte Behandlung danach für einen Monat nach dem Eingriff vom 06.07.2009 ein vollständiger Ausfall der Klägerin bei der Abwicklung ihres Haushalts. Für die Monate Mai und Juni sowie ab August 2009 ist der Sachverständige von einer Einschränkung von jeweils 1/3 ausgegangen.
81In der Bewertung der stationären Behandlungen und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin in den Folgejahren 2010 bis 2013 hat der Sachverständige teil leichte, teils erhebliche Einschränkungen angenommen und ist in der Summe von einer dauerhaften Einschränkung der Fähigkeit zur Haushaltsführung von 1/3 für diesen Zeitraum ausgegangen.
82Der Senat hat gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit dem Landgericht den Zeitumfang zur Abwicklung der kompletten Haushaltstätigkeit auf 36 Stunden pro Woche geschätzt und einen angemessenen Stundenlohn in Höhe von 10,00 € in Ansatz gebracht. Für das Jahr 2009 ergibt sich danach ein Betrag von 5.200,00 € (Monat Juli 100% = 1.560,00 €, daneben insg. 7 Monate 1/3 = 3.640,00 €). Für die Jahre 2010 bis 2013 ergibt sich einer Beeinträchtigung von 1/3 jeweils eine Summe von 6.240,00 €.
83d) Die Klägerin kann darüber hinaus für die Zeit ab dem 01.01.2014 vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung ihrer Leistungsfähigkeit fiktive Haushaltsführungskosten in Höhe von 156,00 € monatlich geltend machen. Der Sachverständige Prof. Dr. y hat ausgeführt, dass auch nach dem letzten operativen Eingriff von November 2013 in geringerem Umfang dauerhafte Einschränkungen in Form von Narbenproblemen und Schmerzen nach dem Essen und bei Belastung verbleiben. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. X bestätigt und hat unter Bezugnahme auf die am 16.03.2016 durch ihn erfolgten Untersuchungen ausgeführt, dass die Klägerin nur bis zu 95 Watt belastbar gewesen ist, bis die Untersuchung aufgrund heftiger Bauchschmerzen der Klägerin abgebrochen werden musste.
84Der Senat bewertet die sich aus den gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauerhaft ergebenden Einschränkungen bei der Haushaltsführung mit 10 %. Danach steht ihr ein monatlich zu erstattender Haushaltsführungsschaden in Höhe von 156,00 € (1/10 der Summe aus 36 Stunden x 13 Wochen : 3 Monate x 10,00 €) zu.
85e) Weiterhin kann die Klägerin ausgehend von dem seinerzeit in Ansatz gebrachten Gegenstandswert von 113.125,00 € und einer im vorliegenden Fall angemessenen 2,0-Gebühr den Ersatz der verauslagten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 4.005,54 € EUR geltend machen.
86f) Der Zinsanspruch für den Schmerzensgeldanspruch sowie die geltend gemachten materiellen Schäden ist gemäß §§ 288, 291 BGB begründet.
875.
88Soweit die Klägerin in der Berufung weiterhin einen Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen geltend macht, fehlt es bereits an einem dezidierten Berufungsangriff. Überdies ist das Landgericht fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Unterlagen der Klägerin bereits vor Klageerhebung übersandt worden sind.
89III.
90Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 10, 711 ZPO.
91Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.
9293
Am 03.01.2017 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
941.
95Der Tenor des Urteils des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.11.2016 wird hinsichtlich der Ziffer 2) gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass er wie folgt lautet:
962. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von jeglichen nicht bereits bezifferten materiellen Schäden freizustellen und jegliche nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung ab dem 06.04.2009 zurückzuführen sind, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
972.
98Der Tatbestand des Urteils des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.11.2016 wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass der Antrag der Klägerin auf Seite 7, 2. Absatz wie folgt lautet:
99unter Aufrechterhaltung des am 29.01.2014 verkündeten und am 05.02.2014 zugestellten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. 6 O 91/11 im Übrigen die Beklagte weiter nach den Schlussanträgen erster Instanz zu verurteilen; den Feststellungsantrag zu 2) mit der Maßgabe, dass die Feststellung jegliche materiellen Schäden betreffen soll, die nicht bereits beziffert worden sind.
100101
Gründe:
102Es liegt im Senatsurteil vom 15.11.2015 hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2) eine offensichtliche Unrichtigkeit vor, die dem Antrag der Klägerin entsprechend nach § 319 ZPO zu berichtigen war.
103Die Klägerin hat im Senatstermin vom 10.03.2015 (vgl. Protokoll Bl. 535 d.A.) ihren ursprünglichen Feststellungsantrag ausdrücklich mit der Maßgabe gestellt, dass die Feststellung jegliche materiellen Schäden betreffen soll, die nicht bereits beziffert worden sind. Nachdem dieser Antrag ausdrücklich gestellt und vom Senat auch entsprechend entschieden worden ist, waren Tenor und Tatbestand hinsichtlich des Feststellungsantrags insoweit zu berichtigen. Es wurde im Tenor wie im Tatbestand lediglich versehentlich die ursprüngliche Antragsfassung wiedergegeben. Tatsächlich entsprach die Feststellung der Freistellung der Klägerin von jeglichen nicht bereits bezifferten materiellen Schäden der Willensbildung des Senats. Entsprechend ist auch in den Entscheidungsgründen des Urteils unter Ziffer 4b. (S. 20) zwischen den weiteren zukünftigen materiellen und den nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden differenziert worden.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Nov. 2016 - 26 U 37/14
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Nov. 2016 - 26 U 37/14
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Oberlandesgericht Hamm Urteil, 15. Nov. 2016 - 26 U 37/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht materieller und weiterer immaterieller Schäden in Anspruch. Sie suchte wegen Unterleibsbeschwerden den Zweitbeklagten, einen Gynäkologen, auf, um ein intrauterines Pessar (IUP) entfernen zu lassen. Der ambulant vorgenommene Versuch, das Pessar mittels Faßhäkchen zu entfernen, war erfolglos. Deshalb wurde vereinbart , den Eingriff stationär unter Narkose vorzunehmen. In der Frauenklinik der Drittbeklagten wurde die Klägerin, die selbst Kinderärztin ist, über die Möglichkeiten der Laparoskopie, der Pelviskopie, einer eventuell erforderlichen Lapa-rotomie und die gegebenenfalls durchzuführende Ausschabung der Gebärmutter mit der Entfernung des IUP aufgeklärt. Der am 27. Mai 1994 unter Narkose von den Beklagten zu 1 und 2 vorgenommene Eingriff hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das IUP konnte weder mittels Kürette, noch mittels Faßhäkchen oder Faßzange entfernt werden. Die Operation wurde nach etwa 35 Minuten abgebrochen. Wegen unmittelbar danach auftretender starker Schmerzen im Uterusbereich erhielt die Klägerin Antibiotika und Schmerzmittel. Am 30. Mai 1994 wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen. Da die Unterleibsschmerzen nicht nachließen, suchte die Klägerin am 1. Juni 1994 die Frauenärztin Dr. P. auf. Diese wies sie in eine Klinik in F. ein, wo sie zunächst mit Antibiotika behandelt und ihr schließlich der Uterus entfernt wurde. Untersuchungen ergaben , daß dieser perforiert worden war.
Die Klägerin hat geltend gemacht, zu dieser Perforation sei es bei dem Eingriff am 27. Mai 1994 gekommen, als die Beklagten zu 1 und 2 entgegen dem medizinischen Standard wiederum Faßhäkchen verwendet hätten. Nachdem alle Versuche, das IUP zu entfernen, fehlgeschlagen seien, hätte die Operation unter Sicht, nämlich mittels Hysteroskopie und einer Laparoskopie weitergeführt werden müssen; dann wäre die Perforation erkannt und die spätere Entfernung des Uterus vermieden worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der sie ihr Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es sei bereits fraglich, ob überhaupt ein Behandlungsfehler hinsichtlich des Eingriffs selbst oder bezüglich der postoperativen Versorgung nachgewiesen sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. habe die von den Beklagten zu 1 und 2 gewählte Vorgehensweise zur Entfernung des IUP den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen , und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich um den zweiten Versuch gehandelt habe. Eine dabei eingetretene Perforation des Uterus sei als schicksalhaft zu betrachten und habe von dem Operateur nicht unbedingt bemerkt werden müssen. Das Absehen von der ursprünglich geplanten Laparoskopie sei nicht zu beanstanden.
Ein Behandlungsfehler liege auch nicht in dem Unterlassen einer Hysteroskopie. Zwar habe der Sachverständige Prof. Dr. S. zunächst erklärt, es sei unverständlich , warum die Beklagten zu 1 und 2 nach dem erfolglosen Versuch nicht unter Einsatz eines Hysteroskops unter Sicht weiter operiert hätten. Eine Hysteroskopie habe komplikationslos vorgenommen werden können und sei von der Aufklärung und Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen. Seine ursprüngliche Einschätzung habe der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung jedoch dahingehend relativiert, daß die Beklagten zu 1 und 2 gegebenenfalls entweder wegen Unsicherheit über die Reichweite der erklärten Einwilligung übergroße Vorsicht hätten walten lassen oder mit dem neuen Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien und daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode hätten wechseln wollen. Im Hinblick darauf sei der Abbruch des Eingriffs jedenfalls nicht grob fehlerhaft
gewesen. Auch sei der Klägerin durch das Unterlassen der Hysteroskopie - abgesehen von der Notwendigkeit eines dritten Eingriffs - noch kein (gravierender ) Nachteil entstanden.
Die Perforation des Uterus sei für dessen spätere Entfernung nicht ursächlich gewesen. Durch die Wahl einer neuen Ärztin und die Einweisung in die Klinik in F. habe die Klägerin eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Als Kinderärztin habe sie die Bedeutung der aufgrund ihrer damaligen Beschwerden nicht indizierten und mit ihrer Einwilligung vorgenommen Uterusentfernung gekannt.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat Bedenken, die Perforation des Uterus auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinen schriftlichen Gutachten komme es zu dieser Komplikation bei der Phase des Sondierens bzw. Aufdehnens des Gebärmutterhalses in etwa 0,5 % aller operativ angegangenen Fälle. Die Verwendung eines Hysteroskops ändere hieran nichts, da dieses wegen des Instrumentenkanals ebenfalls eine Aufdehnung des Gebärmutterhalses auf etwa 6 mm und die Sondierung erforderlich mache. Die bei dem Uterus der Klägerin festgestellte Perforation am Übergang zwischen Gebärmutterhals und -körper habe an der typischen Stelle gelegen, an welcher in der Regel beim Sondieren und Aufdehnen das Durchstoßen der Gebärmutterwand vorkomme. Deswegen
wäre mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Perforation auch dann erfolgt, wenn bei dem Eingriff von Anfang an ein Hysteroskop verwendet worden wäre.
Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Revision rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe hierzu unter Beweis gestellten Sachvortrag der Klägerin übergangen. Diese hatte nämlich unter Hinweis auf medizinische Fachliteratur vorgetragen, daß bei primärer Anwendung eines Hysteroskops die Wahrscheinlichkeit einer Perforation lediglich 0,1 % betrage. Damit hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Es hätte die abweichende Erklärung von Prof. Dr. S. nicht unbesehen übernehmen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, diesen Widerspruch - etwa durch gezielte Nachfrage bei der mündlichen Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen - abzuklären (vgl. Senatsurteile vom 2. Juni 1987 - VI ZR 174/86 - VersR 1987, 1238; vom 2. März 1993 - VI ZR 104/92 - VersR 1993, 749 f.; vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 67/93 – VersR 1994, 480, 482; vom 10. Mai 1994 - VI ZR 192/93 - VersR 1994, 984 f.; vom 22. Februar 2000 - VI ZR 100/99 - VersR 2000, 766 f. und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859 f.). Das gilt um so mehr, als die Einschätzung von Prof. Dr. S. auch im Widerspruch steht zu den Ausführungen in dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten. Darin heißt es, von Operateuren, die mit der Hysteroskopie vertraut seien, werde zunehmend primär die IUP-Entfernung unter Sicht gewählt , insbesondere, wenn sonographisch - wie hier - eine Dislokation festgestellt worden sei. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen, daß die Gefahr einer Perforation bei einem Eingriff ohne Hysteroskop fünfmal höher sei und ein solches Vorgehen deshalb einen Behandlungsfehler nahelege.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, auch das Absehen von einem Wechsel zur Hysteroskopie während des Eingriffs sei nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Als der Versuch, das IUP auf andere Weise zu entfernen, erneut
fehlgeschlagen sei, hätten die Beklagten zu 1 und 2 zwar sofort zur Hysteroskopie schreiten dürfen und dies gegebenenfalls unter Rücksichtnahme auf die Klägerin und zur Vermeidung eines weiteren Eingriffs auch tun sollen. Vorzuwerfen sei ihnen insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose. Diesem Umstand mißt das Berufungsgericht aber keine Bedeutung zu, weil darauf die Entfernung des Uterus nicht beruhe. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
a) Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung, daß in dem Unterlassen einer Hysteroskopie kein ärztlicher Behandlungsfehler liege, mit den Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. bei seiner mündlichen Anhörung im Berufungsverfahren, bei der dieser seine beiden in erster Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten erläutert hat. In seinem ersten schriftlichen Gutachten hatte er unter anderem ausgeführt, bei dem zweiten Versuch zur Entfernung des IUP hätte die Hysteroskopie in das Behandlungskonzept aufgenommen werden müssen. In seinem Ergänzungsgutachten heißt es dazu, er sei sich mit dem (von der Krankenkasse beauftragten Gutachter) Dr. K. dahingehend einig, daß das Hysteroskop hätte benutzt werden müssen; es sei "unverständlich", warum die Beklagten zu 1 und 2 nicht sofort zur Hysteroskopie geschritten seien , um der Klägerin einen neuen Eingriff mit neuer Narkose zu ersparen. Wie aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat der Sachverständige sich in diesem Sinne zunächst auch bei seiner mündlichen Anhörung geäußert und sodann erklärt, diese aus genereller Erfahrung als Facharzt und Gutachter geschöpfte Einschätzung in seinen beiden Gutachten sei aber bei näherem Bedenken zu relativieren.
Dieser Unklarheit in den Ausführungen des Sachverständigen in seinen schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen (vgl. Senatsurteile vom 17. September 1985 - VI ZR 12/84 - VersR 1985, 1187, 1188; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 222/91 -
VersR 1992, 1015, 1016; vom 29. September 1992 - VI ZR 234/91 - VersR 1993, 245, 247 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196). Wenn es aus der Erklärung des Sachverständigen, die schriftlich geäußerte Einschätzung sei zu relativieren, folgern wollte, dieser verneine nunmehr das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, hätte es ihn gezielt in dieser Richtung befragen müssen. Den Entscheidungsgründen läßt sich nicht entnehmen , inwieweit dies geschehen ist. Mündliche Erklärungen von Sachverständigen sind gem. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO grundsätzlich im Protokoll festzustellen. Bei einer wiederholten Anhörung oder bei einer mündlichen Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens sind jedenfalls die Erklärungen zu protokollieren, die inhaltlich von früheren Aussagen abweichen. Davon darf im Einverständnis mit den Parteien nur abgesehen werden, wenn die an sich zu protokollierende Aussage in einem Berichterstattervermerk hinreichend klar und vollständig niedergelegt wird, damit eine revisionsrechtliche Nachprüfung darüber möglich ist, ob das Berufungsgericht den Sachverständigen in diesem wichtigen Punkt richtig verstanden hat (vgl. hierzu BGHZ 40, 84, 86; Senatsurteile vom 24. Februar 1987 - VI ZR 295/85 - VersR 1988, 290, 291 und vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - aaO; BGH, Urteile vom 5. Juli 1972 - VIII ZR 157/71 - NJW 1972, 1673 und vom 24. Oktober 1990 - XII ZR 101/89 - NJW 1991, 1547, 1548 f.). Die von seiner schriftlichen Beurteilung abweichenden mündlichen Erklärungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sind weder protokolliert noch in einem Berichterstattervermerk festgehalten worden. Bei dieser Sachlage sieht die Revision zu Recht einen durchgreifenden Verfahrensfehler gem. § 286 ZPO darin, daß das Berufungsgericht in dem Absehen von einer Hysteroskopie keinen Behandlungsfehler gesehen hat, ohne zu diesem Punkt weitere Feststellungen zu treffen, zumal die schriftliche Beurteilung des Sachverständigen sowohl mit dem von der ärztlichen Schlichtungsstelle eingeholten Gutachten als auch mit der Einschätzung des von der Krankenkasse beauftragten Gutachters Dr. K. übereinstimmt.
b) Mit Recht weist die Revision auch darauf hin, daß die von dem Sachverständigen Prof. Dr. S. in seiner mündlichen Erläuterung angeführten Umstände , wonach die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise Zweifel über den Umfang der von der Klägerin erklärten Einwilligung gehabt hätten oder im Umgang mit dem Hysteroskop noch nicht hinreichend vertraut gewesen seien, nicht geeignet sind, einen ärztlichen Behandlungsfehler zu verneinen. Der erste Gesichtspunkt spielt für die Frage eines Behandlungsfehlers keine Rolle und ist dem Parteivorbringen auch nicht zu entnehmen. Bei dem zweiten Aspekt hat das Berufungsgericht den auch im Arzthaftungsrecht maßgeblichen objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB verkannt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, 303). Hiernach hat der Arzt grundsätzlich für sein dem medizinischen Standard zuwiderlaufendes Vorgehen auch dann haftungsrechtlich einzustehen, wenn dieses aus seiner persönlichen Lage heraus subjektiv als entschuldbar erscheinen mag (Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - VersR 2001, 646). Aus diesem Grund kann ein Behandlungsfehler auch nicht mit der Erwägung des Sachverständigen Prof. Dr. S. verneint werden, möglicherweise seien die Beklagten zu 1 und 2 mit dem Instrumentarium des Hysteroskops angesichts des zur damaligen Zeit in den neuen Bundesländern durchweg eher noch spärlichen medizinischen Gerätebestandes noch nicht hinreichend vertraut gewesen und hätten daher nicht ohne weiteres in dem laufenden Eingriff die Operationsmethode wechseln wollen. Wenn das Krankenhaus, wovon das Berufungsgericht ausgeht, über ein Hysteroskop verfügte, hätte dieses bei dem Eingriff bei Bestehen einer entsprechenden Indikation eingesetzt werden müssen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80 und vom 30. Mai 1989 - VI ZR 200/88 - VersR 1989, 851, 852). Das Absehen von einer medizinisch gebotenen Vorgehensweise bedeutet eine Abweichung von dem haftungsrechtlich maßgeblichen Standard eines Facharztes (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330 f.) und begründet einen ärztlichen Behandlungsfehler. Auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes kommt
es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein etwaiger Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht als ein grober Fehler zu bewerten, der so weit vom anerkannten medizinischen Standard abweiche, daß er einem Arzt in einer vergleichbaren Situation schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Bei dieser Beurteilung stützt sich das Berufungsgericht wiederum auf die nicht protokollierte und auch nicht in einem Berichterstattervermerk festgehaltene mündliche Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. S.. Dieser habe erklärt, im Falle der Klägerin wäre keine ambulante, sondern nur eine operative Hysteroskopie in Betracht gekommen, die zur Zeit des Eingriffs im Jahre 1994 spezielle Kenntnisse und Erfahrungen erfordert habe, über die die Beklagten zu 1 und 2 damals möglicherweise noch nicht verfügt hätten. Dies hätte weiterer Aufklärung durch entsprechende Nachfragen bedurft. Die Aussage des Sachverständigen läßt nämlich nicht hinreichend deutlich erkennen, ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß die angesprochenen speziellen Kenntnisse und Erfahrungen seinerzeit möglicherweise noch nicht zum medizinischen Standard eines Facharztes zählten und nur bei einer zusätzlichen Spezialisierung zu erwarten waren oder ob nur die Beklagten zu 1 und 2 möglicherweise nicht über diese Kenntnisse und Erfahrungen verfügten. Sollte letzteres gemeint gewesen sein, würde dies der Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht entgegenstehen , da im Arzthaftungsrecht - wie dargelegt - der allgemeine objektivierte zivilrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff gilt (vgl. Senatsurteil BGHZ 113, 297, aaO), bei dem es auf die subjektiven Fähigkeiten des behandelnden Arztes nicht ankommt (vgl. Senatsurteil vom 13. Februar 2001 - VI ZR 34/00 - aaO).
4. Das Berufungsgericht nimmt an, ein etwaiger Behandlungsfehler sei für die spätere Uterusentfernung jedenfalls nicht ursächlich geworden und der Klä-
gerin sei durch das Absehen von einer Hysteroskopie kein gravierender Nach- teil entstanden. Auch diese Erwägungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
a) Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, daß bei (späterem) Einsatz eines Hysteroskops nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen die Chance bestanden hätte, eine zuvor erfolgte Perforation zu erkennen und dies nach Einschätzung der Vorgutachter eine möglicherweise uteruserhaltende Versorgung erlaubt hätte, kann sie allerdings keinen Erfolg haben. Sie übersieht, daß sich der gerichtliche Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht mit diesem Einwand eingehend auseinandergesetzt haben. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist dazu im einzelnen ausgeführt, daß nach Beurteilung des Sachverständigen die später erfolgte Uterusentfernung aufgrund der Perforation nicht indiziert gewesen sei. Bei der postoperativen Versorgung sei ebenfalls kein Fehler gemacht worden. Medizinisch Notwendiges sei nicht unterlassen worden. Gegen diese tatrichterliche Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
b) Dem Berufungsgericht kann aber darin nicht gefolgt werden, daß die Beklagten für das Absehen von einer Hysteroskopie deswegen haftungsrechtlich nicht einzustehen hätten, weil den Beklagten zu 1 und 2 insoweit allenfalls die Notwendigkeit eines weiteren Eingriffs unter Narkose vorzuwerfen sei und die spätere Uterusentfernung darauf nicht beruhe. Mit Recht macht die Revision geltend, daß nach Lage der Dinge sowohl bei primärem Einsatz eines Hysteroskops als auch bei einem Wechsel zur Hysteroskopie das IUP nach Einschätzung aller Gutachter entfernt worden wäre und damit der Eingriff gelungen und ein weiterer Eingriff nicht notwendig gewesen wäre. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus. Es verkennt jedoch, daß die Entfernung des Uterus auf dem zusätzlichen Eingriff beruht, welcher der Klägerin bei korrektem medizinischen Vorgehen erspart geblieben wäre. War das Absehen von einer Hyste-
roskopie behandlungsfehlerhaft, kommt es für die gem. § 287 ZPO zu beurteilende Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Entfernung des Uterus als Folge des in dem zusätzlichen weiteren Eingriff liegenden Primärschadens nicht darauf an, ob den Beklagten zu 1 und 2 auch die Uterusperforation oder deren Nichterkennen als Behandlungsfehler anzulasten wären.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Ursachenzusammenhang auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Klägerin habe in freier Verantwortung durch die Wahl einer neuen Ärztin, die Einweisung in eine andere Klinik und ihre Zustimmung zur Uterusentfernung eine selbständige Kausalkette in Gang gesetzt, die jeglichen eventuell anzunehmenden Ursachenbeitrag der Beklagten zu 1 und 2 aus der vorangegangenen Behandlung überholt habe. Das Berufungsgericht übersieht, daß es zu diesem Geschehensablauf nicht gekommen wäre, wenn die Entfernung des IUP durch Einsatz eines Hysteroskops gelungen und der Klägerin deswegen ein weiterer Eingriff erspart geblieben wäre. Eine haftungsrechtliche Zuordnung der Uterusentfernung käme selbst dann in Betracht, wenn diese - nach Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinisch nicht indizierte - Maßnahme der Klägerin von der Frauenärztin Dr. P. fehlerhaft angeraten worden wäre, denn die Einstandspflicht des Arztes für einen Behandlungsfehler umfaßt regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes, wenn die Nachbehandlung durch den Fehler des erstbehandelnden Arztes mit veranlaßt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85 - VersR 1986, 601, 602 f. und vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - VersR 1988, 1273, 1274). Die Grenze, bis zu welcher der Erstschädiger dem Verletzten für die Folgen einer späteren fehlerhaften ärztlichen Behandlung einzustehen hat, wird in aller Regel erst dann überschritten, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlaß für die Erstbehandlung in keinem inneren Zusammenhang steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt
in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer acht gelassen oder derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, daß der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugeordnet werden muß (Senatsurteil vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88 - aaO m.w.N.). Dazu ist im Streitfall nichts festgestellt.
c) Im übrigen käme eine Einstandspflicht der Beklagten auch in Betracht, wenn ihnen, wie das Berufungsgericht meint, lediglich die Vornahme eines weiteren Eingriffs in Narkose anzulasten wäre. Auch ein solcher Eingriff wäre eine Körperverletzung, für die die Beklagten haftungsrechtlich einzustehen hätten. Bei dieser Sachlage hätte die Klage nach den bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang abgewiesen werden dürfen.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen nachgeholt werden können. Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
- 2
- Am 15. Dezember 2004 wurden bei der Klägerin im Rahmen einer Koloskopie ein ca. 5 cm großer Tumor am Übergang zum Sigma sowie weiter pro- ximal ein kleiner gestielter Polyp festgestellt. Der Polyp wurde abgetragen. Von dem Tumor wurden Proben entnommen. Ausweislich des histopathologischen Befundberichts vom 17. Dezember 2004 wiesen die entnommenen Proben Anteile eines invasiven, mäßig differenzierten Adenokarzinoms auf. Am 17. Januar 2005 nahm der Beklagte zu 2 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum bei der Klägerin eine Rektumresektion vor. Er entfernte die Basis des bei der Koloskopie abgetragenen Polypen, nicht hingegen den tiefer gelegenen Tumor. Nachdem im Rahmen einer Kontrollendoskopie vom 19. Oktober 2005 festgestellt worden war, dass der Tumor nicht entfernt worden war, unterzog sich die Klägerin am 28. Oktober 2005 einem erneuten Eingriff im Klinikum G., bei dem der vom Tumor betroffene Darmabschnitt entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde. In der Folge stellte sich eine Wundheilungsstörung im Bereich der Bauchdecke sowie eine Anastomoseinsuffizienz im Bereich der Darmnaht ein. Der weitere Heilungsverlauf war äußerst komplikationsbehaftet.
- 3
- Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 € sowie Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 25.193,03 € verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 14.369,52 € zu zahlen. Es hat darüber hinaus festgestellt , dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus und in Zusammenhang mit ihrer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesge- richt zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anschlussrevision eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 3.231,83 €.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2011, 1012 veröffentlicht ist, hat aufgrund der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagten den Operationsauftrag grob fehlerhaft nicht ausgeführt hätten. Es sei schlichtweg unverständlich, dass sich der Beklagte zu 2 vor Durchführung der Operation nicht vergewissert habe, welche Darmteile zu entfernen seien. Wenn der Beklagte zu 2 nicht nur die Basis des Polypen, sondern auch den Tumor entfernt hätte, wäre der zweite Eingriff nicht erforderlich geworden. Der zweite Eingriff stelle den Primärschaden dar. Die eingetretene Nahtinsuffizienz und die sich daraus ergebenden Komplikationen seien kausal auf die Nachoperation zurückzuführen und deshalb als Sekundärschäden zu bewerten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler, der Nachoperation und den infolge der Nachoperation eingetretenen Komplikationen nicht zu verneinen. Zwar habe sich bei dem zweiten Eingriff ein operationsimmanentes Risiko verwirklicht, das durch den vorangegangenen fehlerhaft durchgeführten Eingriff nicht erhöht worden sei. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Erstoperation kein erhöhtes Nahtinsuffizienzrisiko bei der Nachoperation bewirkt. Dieser Umstand führe aber nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Denn die im Streitfall eingetretenen Schäden fielen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die Beklagten hätten durch die Verlet- zung ihrer Verpflichtung, den bei der Klägerin festgestellten Tumor zu entfernen , die Notwendigkeit einer Nachoperation herbeigeführt und die Klägerin damit dem Risiko des Eintritts operationsimmanenter Risiken durch eine zweite Operation ausgesetzt. Es sei völlig offen, ob sich die Risiken auch bei der ersten Operation verwirklicht hätten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Nachoperation in derselben Körperregion mit gleicher Schnittführung - auch wenn sie das Risiko einer Nahtinsuffizienz nicht erhöht habe - nach den Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich risikobehafteter als ein Ersteingriff gewesen sei. Das Ergebnis sei nicht unbillig, da die Beklagten die Gefahr der Risikoverwirklichung herbeigeführt hätten und ihnen der Nachweis offenstehe, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Diesen Nachweis hätten sie allerdings nicht erbracht. Die Klägerin könne daher ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 40.000 € beanspruchen.
- 5
- Darüber hinaus sei ihr ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 13.207,02 € zuzusprechen. Zur Bemessung des Schadens könne auf die Berechnungstabellen von Schulz-Borck, 6. Aufl., zurückgegriffen werden. Sie böten eine ausreichende Grundlage, um den Arbeitsaufwand für die Haushaltsführung nach § 287 ZPO zu schätzen. Für den Haushalt der Klägerin sei Anspruchsstufe 3 (43 Wochenstunden) anzusetzen. Allerdings sei hinsichtlich des Umfangs der Gartenarbeiten ein Zuschlag von 0,3 Stunden pro Quadratmeter, d.h. von 1,15 Wochenstunden zu machen. Gemäß Tabelle 8 liege der Anteil der Klägerin an der Haushaltsführung bei 62,3 %, so dass von einem Arbeitsaufwand von 27,4 Wochenstunden für die volle Haushaltsführung und 18,4 Wochenstunden für die reduzierte Haushaltsführung auszugehen sei. Die Zeiten für die reduzierte Haushaltsführung ergäben sich aus den von der Klägerin angegebenen und durch Vorlage der Auszüge aus den Krankenakten belegten stationären Aufenthalten in den Kliniken. Von dem danach errechneten Haushaltsführungsschaden sei der hypothetische Haushaltsführungsschaden abzu- ziehen, der bei einer ordnungsgemäßen ersten Operation entstanden wäre. Der Senat gehe in ständiger Rechtsprechung von einem Stundensatz in Höhe von 8,50 € aus.
II.
- 6
- Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision, nicht hingegen denen der Anschlussrevision stand.
- 7
- 1. Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin von den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz der ihr infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen kann (§ 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, §§ 831, 253 Abs. 2 BGB).
- 8
- a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , den Beklagten sei ein (grober) Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil der bei der Beklagten zu 1 beschäftigte Beklagte zu 2 im Rahmen der von ihm durchgeführten Rektumresektion den vom Tumor betroffenen Darmabschnitt der Klägerin nicht mit entfernt hat. Die Revision stellt auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht in Frage, dass sich die Klägerin aufgrund dieses Behandlungsfehlers einem zusätzlichen Eingriff unterziehen musste, der ihr bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
- 9
- b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Einstandspflicht der Beklagten beschränke sich nicht auf die unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin, sondern umfasse auch die im Zusammenhang mit diesem Eingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung). Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, es fehle an dem erforderlichen Kausal- und am Zurechnungszusammenhang , weil die Erstoperation mangels Erhöhung des Risikos einer Nahtinsuffizienz keinen primären Schaden hervorgerufen habe; die im Streitfall eingetretenen Komplikationen hätten schon bei der ersten Operation eintreten können.
- 10
- aa) Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der Rechtsgutsverletzung, d.h. dem ersten Verletzungserfolg im Sinne einer Belastung der gesundheitlichen Befindlichkeit des Patienten (Primärschaden). Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten (vgl. Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98, VersR 1998, 1153, 1154; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 10, 13).
- 11
- bb) Das Berufungsgericht hat den haftungsbegründenden Primärschaden zu Recht in den unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin (Bauchschnitt, Darmresektion mit der Notwendigkeit des Legens weiterer Anastomosen) gesehen und die in der Folgezeit eingetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wären diese Folgeschäden in ihrer konkreten Ausprägung ohne den zweiten Eingriff nicht eingetreten. Seine Beur- teilung, die Folgeschäden seien adäquat kausal auf die Primärschädigung zurückzuführen , begegnet keinen Bedenken.
- 12
- cc) Der Umstand, dass bei korrektem medizinischen Vorgehen, d.h. bei Entfernung des vom Tumor betroffenen Darmabschnitts der Klägerin bereits im Rahmen des ersten Eingriffs, möglicherweise ebenfalls eine Nahtinsuffizienz mit vergleichbaren Folgen aufgetreten wäre, stellt die haftungsausfüllende Kausalität nicht in Frage. Ob und welche Risiken sich im Falle der Vornahme nur eines Eingriffs realisiert hätten, betrifft nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, VersR 2005, 836, 837; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115 Rn. 11 mwN). Steht - wie hier - fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte (vgl. Senat, Urteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942 mwN; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 230, C 151 mwN). Dass das Berufungsgericht diesen den Beklagten obliegenden Nachweis als nicht geführt angesehen hat, weil es völlig offen ist, ob sich die Risiken auch bei Entfernung des Tumors im Rahmen der ersten Operation verwirklicht hätten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 13
- dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen der vom Beklagten zu 2 verursachten Rechtsgutsverletzung und den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden auch nicht aufgrund des Schutzzwecks der haftungsbegründenden Norm zu verneinen.
- 14
- (1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 24; vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 f.; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. mwN). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130; BGH, Urteil vom 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332, jeweils mwN).
- 15
- (2) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt zu beurteilen sind. In solchen Fällen kann es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlen, wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler des Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85, VersR 1986, 601, 602; vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, aaO; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 73). Gleiches gilt, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen versto- ßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlichwertend allein zugeordnet werden muss (Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, aaO; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, aaO).
- 16
- (3) Nach diesen Grundsätzen kommt eine Begrenzung der Einstandspflicht der Beklagten aufgrund des Schutzzwecks der Norm nicht in Betracht. Die im Streitfall eingetretenen Schäden fallen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die die Beklagten treffende Verpflichtung zu einer den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Versorgung der Klägerin diente u.a. dem Zweck, sie vor einem an sich nicht erforderlichen Zweiteingriff und den damit einhergehenden Folgen zu bewahren. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden stehen auch in einem inneren Zusammenhang mit der durch die Beklagten geschaffenen Gefahrenlage. Der den Beklagten vorzuwerfende Behandlungsfehler hat den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend geprägt, zumal den nachbehandelnden Ärzten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist. Durch den Behandlungsfehler des Beklagten zu 2 ist die Nachoperation der Klägerin veranlasst worden. Die Klägerin musste sich nur deshalb einer zweiten Darmoperation unterziehen, weil dieser im Rahmen der von ihm vorgenommenen Darmresektion den von dem Tumor betroffenen Darmabschnitt (grob) fehlerhaft nicht mit entfernt hatte. Die eingetretenen Folgeschäden beruhen auf diesem zusätzlichen Eingriff, der der Klägerin bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre.
- 17
- 2. Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig.
- 18
- a) Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht die Zulassung der Revision trotz der insoweit uneingeschränkten Fassung des Urteilstenors nur zugunsten der Beklagten ausgesprochen oder - wie die Revision meint - auf den Grund des Anspruchs beschränkt hat (vgl. zum Grundurteil über die haftungsausfüllende Kausalität: BGH, Urteil vom 26. September 1996 - VII ZR 142/95, NJW-RR 1997, 188). Denn gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) setzt die Statthaftigkeit der Anschließung abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
- 19
- b) Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Revision und Anschlussrevision betreffen jedenfalls zum Teil denselben Anspruch, nämlich die Forderung der Klägerin auf Ersatz des ihr entstandenen Haushaltsführungsschadens, der ihr infolge der im Zusammenhang mit dem Zweiteingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz , Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) entstanden ist.
- 20
- 3. Die Anschlussrevision hat auch in der Sache Erfolg. Sie wendet sich mit Erfolg gegen die Schätzung des der Klägerin schadensbedingt entstandenen Haushaltsführungsschadens.
- 21
- a) Die Anschlussrevision beanstandet allerdings nicht, dass sich das Berufungsgericht bei der Bemessung des der Klägerin entstandenen Haushalts- führungsschadens an dem Tabellenwerk von Schulz-Borck (Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert hat. Die Anschlussrevision nimmt auch hin, dass das Berufungsgericht den objektiv erforderlichen Zeitaufwand für die Aufrechterhaltung der Haushaltsführung nach dem bisherigen Standard auf dieser Grundlage auf 1.553,76 Stunden geschätzt hat. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. zur Berücksichtigung anerkannter Tabellenwerke bei der Schätzung: Senatsurteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08, VersR 2009, 515).
- 22
- b) Die Anschlussrevision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens die Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft mit 8,50 € pro Stunde bemessen hat.
- 23
- aa) Zwar ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08, VersR 2009, 515 Rn. 5; vom 12. Juli 2011 - VI ZR 214/10, AfP 2011, 362 Rn. 15; vom 27. März 2012 - VI ZR 40/10, juris Rn. 6). Zur Ermöglichung der Überprüfung muss der Tatrichter aber die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen (BGH, Urteile vom 30. April 1952 - III ZR 198/51, BGHZ 6, 62, 63; vom 26. März 2003 - XII ZR 167/01, NJW-RR 2003, 873, 874; Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl., § 287 Rn. 10).
- 24
- bb) Hieran fehlt es vorliegend. Das Berufungsgericht hat die Höhe der Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft pauschal auf 8,50 € pro Stunde geschätzt.
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 22.03.2010 - 9 O 11012/09 -
OLG München, Entscheidung vom 21.04.2011 - 1 U 2363/10 -
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.
(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.