Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 09. Feb. 2016 - 34 U 78/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn (4 O 218/13) vom 09.02.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Berufungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2I. Wegen des Sachverhalts, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Hiergegen wendet sich der Berufungsführer mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
3II. Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
4Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 26.11.2015 Bezug genommen.
5Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Berufungsklägers rechtfertigt keine andere Entscheidung, sondern gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:
6Die Berufung ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg, da etwaige Ansprüche des Klägers jedenfalls verjährt sind. Der Güteantrag hat den Ablauf der Verjährungsfrist nicht gehemmt. Der Senat hält daran fest, dass der Güteantrag weder hinreichend individualisiert war noch der Beklagten demnächst zugestellt worden ist; zudem ist er rechtsmissbräuchlich, so dass sich der Kläger gemäß § 242 BGB nicht auf eine etwaige Hemmungswirkung berufen kann. Diese drei Begründungen tragen jede für sich die Zurückweisung der Berufung. An dieser Beurteilung ändern die Einwendungen des Klägers im Ergebnis nichts.
71.
8a) Die in den vom Kläger teilweise zitierten, vom Bundesgerichtshof am 28.10.2015 entschiedenen Verfahren (IV ZR 405/14 juris Rn. 24 und IV ZR 526/14, juris Rn. 32) dargelegten Grundsätze stehen der Beurteilung des Güteantrags als unzureichend individualisiert nicht entgegen. Die Fälle sind schon nicht vergleichbar. In den zitierten Fällen war keine Anlageberatung geschuldet; den dortigen Güteanträgen waren zudem Anspruchsschreiben beigefügt, die im Güteantrag in Bezug genommen wurden, aus denen sich u.a. die Größenordnung der verfolgten Ansprüche ergab (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15.10.2015 - III ZR 170/14, juris Rn. 19).
9b) Zwar ist es nach den zitierten Entscheidungen vom 28.10.2015 nicht rechtsmissbräuchlich, wenn 904 Güteanträge bei einer Stelle eingereicht werden. Hier geht es aber um 12.000 gleichzeitig eingereichte Güteanträge. Zudem verhalten sich die zitierten Entscheidungen nicht zur Frage der demnächstigen Zustellung, die in den zitierten Fällen auch nicht erst im November, sondern bereits im März des auf den Güteantrag vom 31.12.2009 folgenden Jahres erfolgte. Noch dazu müssen die hiesigen Verfahren, bei denen die Haftung auf Beratungsverträge und Aufklärungspflichtverletzungen durch unterschiedliche Mitarbeiter der Beklagten gestützt wird, keineswegs stets parallel liegen, hängt doch die Haftung nicht nur von etwaigen Prospektfehlern ab.
10c) Der Güteantrag war im Übrigen unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 28.10.2015 schon deswegen rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte bereits vor der Einleitung des Güteverfahrens eine gütliche außergerichtliche Einigung abgelehnt hatte. Zwar kommt es für die Hemmung der Verjährung durch ein Güteverfahren nicht darauf an, ob sich der Gegner am Verfahren tatsächlich beteiligt (vgl. BGH, Urteil vom BGH, Urteil vom 06.07.1993 – VI ZR 306/92, juris Rn. 20; Urteil vom 28.10.2015 – IV ZR 526/14, juris Rn. 33). Das Güteverfahren muss nur im Grundsatz geeignet sein, dem Gläubiger auf der Grundlage einer vergleichsweisen Einigung einen Vollstreckungstitel zu verschaffen. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. In einem solchen Fall ist von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens - die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drucks. 14/980, S. 1 und 5) - nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweist. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens ist es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2015, juris Rn. 34; BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14, WM 2015, 1559 Rn. 23 m.w.N. für Hemmung durch Mahnverfahren). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Bevollmächtigten des Klägers ab dem Jahr 2009 auf vorprozessuale Aufforderungsschreiben in Verfahren aus dem E-Komplex stets mitgeteilt, dass sie alle Ansprüche endgültig als unbegründet und verjährt zurückweise und die Anspruchsteller den Klageweg beschreiten müssten. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Der Vortrag, den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei bekannt, dass sich die Beklagte in einer Vielzahl von Fällen im Komplex E außergerichtlich geeinigt habe, ist vor dem Hintergrund des konkreten detaillierten Bestreitens der Beklagten für den Zeitraum ab 2009 unzureichend und unbeachtlich.
112. Wie bereits im Hinweisbeschluss dargelegt, besteht kein Anlass zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 8 KapMuG.
12a) Der Kläger zitiert die Begründung des Gesetzentwurfs unvollständig. Zur Frage der Aussetzungsentscheidung gemäß § 8 KapMuG führt BT-Drucks 17/8799 S. 20 weiter wie folgt aus: „An dieser Stelle wird dem Prozessgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Das Gericht kann auf die Verfahrenssituation zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses Rücksicht nehmen; es muss nicht sogleich aussetzen, wenn demnächst eine Beweisaufnahme ansteht, sondern kann diese zunächst durchführen und erst auf der Grundlage des Beweisergebnisses die Abhängigkeit von den Feststellungszielen beurteilen.“ Daraus lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Schluss ziehen, dass es dem Prozessgericht verwehrt wäre, das Vorliegen weiterer Anspruchsvoraussetzungen oder das Fehlen anspruchsausschließender Tatsachen, die mit den Feststellungszielen nicht im Zusammenhang stehen, trotz Anhängigkeit des Musterverfahrens zu prüfen und davon die Frage der Aussetzung abhängig zu machen. Hinzu kommt, dass der Bundesgerichtshof gegen einen dem Prozessgericht bei der Herbeiführung einer positiven Aussetzungsentscheidung eingeräumten Beurteilungsspielraum im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, der eine uneingeschränkte Prüfung der Vorgreiflichkeit verlange, Bedenken geäußert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 08.04.2014 – XI ZB 40/11, juris Rn. 24f.; Beschluss vom 02.12.2014 – XI ZB 17/13, juris Rn. 14).
13b) Die Nichtaussetzung führt auch nicht zu irreversiblen Nachteilen für den Kläger. Vielmehr stehen ihm wie stets alle von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe offen, um die (nach seiner Auffassung unzutreffende) tatrichterliche Würdigung des Senats zur materiell-rechtlichen Frage der Hemmung der Verjährung durch den hier streitgegenständlichen Güteantrag prüfen zu lassen.
14c) Die beantragte Erweiterung der Feststellungsziele auf Fragen im Zusammenhang mit der Hemmung der Verjährung hat keine Vorwirkung. Der Gesetzeswortlaut ist eindeutig. Eine Aussetzung kommt frühestens mit der Bekanntmachung der Erweiterung in Betracht, da sonst die Voraussetzung der Vorgreiflichkeit schlechterdings nicht vorliegen kann (vgl. Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 8 Rn. 17 ff.). Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht einmal die Bekanntmachung eines Vorlagebeschlusses als solche Auswirkungen auf einen anhängigen Rechtsstreit hat, wenn die Parteien dies weder dem Prozessgericht mitteilen noch dies anderweitig Kenntnis davon erhält. Vielmehr wird in diesem Fall der Rechtsstreit ohne Ansehung des Musterverfahrens geführt, ohne dass sich daraus selbst bei unterschiedlicher Beurteilung der Feststellungsziele durch das Prozessgericht und das Vorlagegericht Konsequenzen ergäben (vgl. Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 18 f.). Damit verbleibt für eine Rüge des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG kein Raum.
153. Diese Würdigung der hier vorliegenden Umstände überspannt auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europarechts und des Bundesverfassungsgerichts nicht die Anforderungen an die Ausfüllung des Hemmungstatbestandes des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Es reicht gerade nicht jedwede Verfolgung des Anspruchs, um die Verjährungsfrist zu hemmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen von Gläubiger und Schuldner qualifizierte Anforderungen an die Hemmung der Verjährung gestellt, indem er einen Numerus Clausus der Hemmungstatbestände normiert hat. Auch wenn das Güteverfahren vorrangig oder sogar ausschließlich der Hemmung der Verjährung dienen soll, setzt die Inanspruchnahme der Hemmungswirkung voraus, dass der Güteantrag wenigstens formal geeignet wäre, auf seiner Grundlage ein Güteverfahren durchzuführen. Daran fehlt es aus den im Hinweisbeschluss dargelegten Gründen.
164. Damit wendet der Senat lediglich die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Hemmungswirkung von Güteanträgen in tatrichterlicher Würdigung auf die Umstände des Einzelfalls an. Weder zeigt der Kläger Divergenz auf noch stellen sich grundsätzliche Fragen. Dass andere Gerichte nach dem Vortrag des Klägers die Hemmungswirkung eines vergleichbaren Güteantrags für gegeben und deswegen die Feststellungsziele des KapMuG für vorgreiflich hielten, ändert daran nichts. Denn wie bereits ausgeführt sind die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu dieser Frage abstrakt geklärt und bedürfen jeweils der Ausfüllung durch den Tatrichter in Würdigung der Umstände des Einzelfalls, die sich trotz gleichlautender Güteanträge sehr unterschiedlich darstellen können (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2015 – III ZR 189/14, juris Rn. 18 m.w.N.). Die unterschiedliche tatrichterliche Würdigung von im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalten erfüllt mangels divergierender Rechtssätze nach st. Rspr. des Bundesgerichtshofs nicht die Kriterien des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO oder des § 574 Abs. 2 ZPO, da eine Abweichung in diesem Sinne nur vorliegt, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.). Daran fehlt es.
175. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
186. Bei der Bemessung des Streitwerts bleibt der entgangene Gewinn außer Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 116/14, juris Rn. 1; Beschlüsse vom 2. Juni 2014 - II ZR 61/14, juris Rn. 1; vom 13. Mai 2014 - II ZR 24/14, juris Rn. 1; vom 18. Februar 2014 - II ZR 191/12, juris Rn. 5 f.; vom 18. Dezember 2013 - III ZR 65/13, juris Rn. 2; vom 27. November 2013 - III ZR 423/12, juris Rn. 1; vom 27. Juni 2013 - III ZR 143/12, VersR 2014, 855 Rn. 6 f.; vom 15. Januar 2013 - XI ZR 370/11, juris; vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, ZIP 2012, 1579 Rn. 14; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Juni 2010 - 1 W 30/10, juris Rn. 7; Zöller/Herget, ZPO 30. Aufl. § 4 Rn. 8). Den Wert des Feststellungsantrags hat der Senat mit 25 % der erhaltenen Ausschüttungen bemessen.
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Tenor
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 21.07.2014 wird aufrechterhalten.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Dreiländer Beteiligung Objekt – X – DLF … – G – KG („DLF …“) in Anspruch.
3Der DLF … gehört zu den in zweistelliger Anzahl aufgelegten sog. Dreiländer-Fonds (nachfolgend „DLF“ genannt). Insgesamt wurden in den 80er und 90er Jahren 17 DLF emittiert. Bei den DLF handelt es sich um geschlossene Publikumsfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, an denen sich Anleger als mittelbare Kommanditisten über eine Treuhänderin beteiligen. Allen DLF ist gleich, dass in Immobilien in Deutschland und den USA sowie in ein Wertpapierdepot in der Schweiz investiert wurde. Die Anleger unterzeichneten für den Beitritt zu den DLF jeweils ein Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrags, überschrieben mit „Beteiligungsangebot“. Mit dem Beteiligungsangebot beauftragten die Anleger die B Allgemeine Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH („Treuhänderin“), die Beteiligung für sie zu bewirken. Die Mindestbeteiligungssumme betrug jeweils 20.000 DM. Zudem war ein Agio in Höhe von 5 % der Beteiligungssumme vereinbart. Die Treuhänderin hielt die Beteiligung im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber für Rechnung und im Interesse der Anleger. Die Anleger werden im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Kommanditisten behandelt.
4Der Kläger zeichnete am 26.06.1997 – vermittelt durch die Beklagte, die damals am Markt als „B“ auftrat – eine Beteiligung am DLF …, auf die er 21.474,26 € (40.000,00 DM + 5% Agio) zahlte. Im Prospekt, der der Beteiligung zugrunde lag, heißt es zu den Ausschüttungen wie folgt:
5„Bei planmäßigem Geschäftsverlauf kann mit einer Ausschüttung von jährlich 7 % auf das Beteiligungskapital ohne Abwicklungsgebühr gerechnet werden.“
6Beim DLF … sah der Investitionsteil Deutschland den Erwerb von zwei zu errichtenden Apartmenthäusern im … in Stuttgart, eines D Kinos in Wuppertal und eines in Göttingen vor. Dabei war jeweils der Abschluss eines Mietvertrags mit einer Laufzeit von 15 Jahren prospektiert. Zur Absicherung der Mietforderungen bestanden Bürgschaften.
7Die Ausschüttungen der Beteiligung entwickelten sich wie folgt: Der DLF … schüttete bis 1998 7%, 1999 6,25 %, 2000 4 %, 2001 2,14 %, 2002 1,71 %, 2003 1,03% und ab 2004 weniger als 1% aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage KE 12 zur Klageerwiderung Bezug genommen.
8Der Kläger machte Ende 2011 gegenüber der Beklagten außergerichtlich in einem Schlichtungsverfahren beim Schiedsmann Rechtsanwalt E in M Ansprüche geltend. Bei diesem handelt sich um eine durch Bescheid des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg vom 05.02.2002 anerkannte Gütestelle. Die Gütestelle ist nur mit einem Rechtsanwalt besetzt. In dieser Gütestelle sind zum Ende des Jahres 2011 mehr als 12.000 Güteverfahren eingegangen. Davon entfielen mehr als 4.500 Güteanträge auf von den Klägervertretern gegenüber der Beklagten bzgl. DLF/DHB-Beteiligungen geführte Verfahren. Diese Schlichtungsanträge wurden frühestens am 29.12.2011 gestellt. Weitere 4.500 Güteverfahren wurden – ebenfalls von den Klägervertretern – in Verfahren gegen Herrn G und die Treuhandkommanditistin B GmbH bzgl. der DLF/DHB-Beteiligungen eingereicht. Der Schlichtungsantrag des hiesigen Klägers wurde der Beklagten am 06.11.2012 oder 08.11.2012 (vgl. S. 81 und 82 der Klageerwiderung, Bl. 161 f. d. A.) zugestellt. Ein Schlichtungstermin wurde für alle mehr als 4.500 Güteverfahren auf den 18.12.2012, 15:00 Uhr, festgesetzt. Ein Antrag der Beklagten den Gütetermin zu verschieben wurde von dem Schlichter nicht beschieden. Zu dem Termin erschien als Vertreter des nunmehr klagenden Anlegers Herr Rechtsanwalt C, für die Beklagte erschien niemand. In von den Prozessbevollmächtigten des Klägers geführten Parallelverfahren anderer Sache gegen die Beklagte (J-Medienfonds) reichten die hiesigen Klägervertreter zahlreiche Güteanträge vom 22.12.2011 ein. Diese Güteanträge wurden der Beklagten vom Schlichter E bereits am Ende März 2012 zugestellt.
9Der Kläger meint, die Beklagte hafte wegen Verletzung von Aufklärungspflichten. Der streitgegenständliche Emissionsprospekt des von dem Kläger gezeichneten Fonds sei zur richtigen, vollständigen und verständlichen Aufklärung über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände nicht geeignet und rügt insoweit das Bestehen von Prospektfehlern. So sei die Prognoserechnung jeweils fehlerhaft. Weichkosten und Vertriebskosten seien nicht hinreichend transparent dargestellt und die Darstellung der Ergebnisse der Vorgängerfonds sei in den Prospekten der hier streitgegenständlichen DLF jeweils zu optimistisch.
10Die in den Emissionsprospekten ausgewiesene Prognoserechnung sei dabei jeweils aus folgenden Gründen fehlerhaft:
11 Bei dem streitgegenständlichen DLF sei im Investitionsteil Deutschland unvertretbarer Weise ein Mietausfallrisiko nicht kalkuliert worden. Insoweit hätte aus Sicht des Klägers ein durchschnittliches Mietausfallrisiko für Gewerbeimmobilien (durch Abschlag von 4%) berücksichtigt werden müssen. Spezifische Risiken für Spezialimmobilien hätten eingepreist werden müssen.
12 Im Hinblick auf die Investitionsteile USA wird darüber hinaus gerügt, dass die spezifischen Risiken einer Vermietung in den USA nicht zutreffend kalkuliert seien.
13 Die Modernisierungs- und/oder Instandhaltungskosten seien im Investitionsteil Deutschland jeweils unvertretbar niedrig angesetzt (z.B. rügt die Klägerin, dass beim DLF … keine Modernisierungskosten, sondern nur zu niedrige Instandhaltungskosten angesetzt seien. In den Investitionsteilen USA seien zum Teil gar keine Modernisierungskosten angesetzt).
14 Die vorgenommene Fortschreibung der Mietanpassungen an den Lebenshaltungskostenindex für den Investitionsteil Deutschland (für die Zeit nach Ablauf der Mietverträge) und die für den Investitionsteil USA kalkulierten Mietpreisanpassungen seien nicht vertretbar.
15 Die Berechnung des Verkaufswerts der Immobilien durch Multiplikation der prognostizierten Mieterträge mit dem Vielfachen der Jahresmiete sei unvertretbar, da die prognostizierten Mieten aus den vorstehenden Gründen zu hoch eingestellt seien.
16Die Darstellung zu den Vorgängerfonds sei irreführend. Die DLF hätten im Gegenteil zur Darstellung im Prospekt die Planergebnisse ganz überwiegend weit verfehlt. Die Ertragslage sei geschönt worden (bspw. durch Nichtdarstellung von Gebührenverzichten der Treuhänderin und des Komplementärs sowie eines externen Ertragszuschusses).
17Die Weichkosten, insbesondere die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung, seien nicht hinreichend klar und transparent dargestellt. Es habe keinen sachlichen Grund gegeben, die Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung als Prozentangabe zur Gesamtinvestitionssumme darzustellen, vielmehr hätten die Eigenkapitalbeschaffungskosten im Verhältnis zur Investitionssumme der Anleger gesetzt werden müssen.
18Angesichts der Höhe der Vertriebsprovisionen (17,8 % für DLF …) habe eine eigenständige Aufklärungspflicht der Beklagten bestanden. Die Höhe der Vertriebsprovision sei aus der Darstellung im Prospekt nicht ohne weiteres zu entnehmen gewesen.
19Die Schulung der für die Beklagte tätigen Vertriebsmitarbeiter durch die Herren C und M (es handelt sich um Vertreter der mit der Konzeption der Fonds beauftragten L-Consult GmbH) und die von der L-Consult GmbH zur Verfügung gestellten Schulungsunterlagen seien (insbesondere im Hinblick auf die Kosten und Risiken) unvollständig, irreführend und z.T. falsch gewesen. Durch die Schulung hätten die Berater eine falsche Vorstellung von den wirtschaftlichen Grundlagen der Beteiligungsmodelle erhalten, weshalb sie überhaupt nicht in der Lage gewesen seien eine vollständige und richtige Beratung zu den Risiken der Beteiligungen zu leisten. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen.
20Der Kläger behauptet, er hätte die Beteiligung bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen.
21Der Kläger hat ursprünglich beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche finanzielle Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnummer … an der Dreiländer Beteiligung Objekt – Wuppertal – DLF … – G – KG ihre Ursachen haben. Im Termin vom 21.07.2014 ist der Kläger säumig geblieben, so dass seine Klage durch Versäumnisurteil vom selben Tag abgewiesen worden ist. Gegen dieses ihm am 28.07.2014 zugestellte Versäumnisurteil hat er mit Schriftsatz vom 08.08.2014 – bei Gericht am selben Tag eingegangen – Einspruch eingelegt.
22Der Kläger beantragt nunmehr,
23unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 21.07.2014 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnummer … an der Dreiländer Beteiligung Objekt – Wuppertal – DLF … – G – KG ihre Ursachen haben.
24Die Beklagte beantragt,
25das Versäumnisurteil vom 21.07.2014 aufrechtzuerhalten.
26Die Beklagte meint, die Klage sei bereits wegen Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mangels hinreichend konkreter Darlegung des Sachverhalts unzulässig, jedenfalls aber unschlüssig. Zudem fehle es aufgrund des Vorrangs der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage an einem Feststellungsinteresse, da ein Schadensersatzanspruch bezifferbar sei.
27Die Beklagte bestreitet das Vorliegen von Prospektfehlern. Sie meint, dass sie für etwaige Prospektfehler nicht hafte. Die von ihr nach der Rechtsprechung allenfalls vorzunehmende Plausibilitätsprüfung habe sie vorgenommen und sei dabei zu der zutreffenden Bewertung gelangt, dass die Prospekte aus damaliger Sicht ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt einschließlich der damit verbundenen Chancen und Risiken geboten hätten. Zudem seien etwaige Prospektfehler angesichts ihrer für den Anleger geringen Auswirkungen auch nicht kausal für dessen Anlageentscheidung geworden.
28In Bezug auf den Punkt Mietausfallrisiko gelte folgendes: Bei Anmietung einer Immobilie durch einen Generalmieter oder einen selbstnutzenden Einzelmieter sei die Annahme eines durchgängig prozentual kalkulierten Mietausfallwagnisses unrealistisch. Die prognostizierten Mieteinnahmen beruhten jeweils auf nachprüfbaren Tatsachen. Im Prospektteil „Chancen und Risiken“ sei – was zwischen den Parteien unstreitig ist – auf das Risiko einer Reduzierung der Miete oder eines Leerstandes hingewiesen worden.
29In Bezug auf das zum Teil gerügte Fehlen des Ansatzes von Modernisierungsaufwendungen übersähe der Kläger, dass die Position Instandhaltung diese umfasse. Dass die insoweit insgesamt kalkulierten Beträge nicht ausreichend seien, lege die Klage nicht schlüssig dar. Die bisherige Entwicklung habe das Gegenteil bewiesen.
30Die Prognose zu den Mietsteigerungen und zum Verkaufswert der Immobilien sei vertretbar. Die Emissionsprospekte würden nicht „über die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung der DLF-Vorgängerbeteiligungen“ täuschen. Eine Informationspflicht hinsichtlich eines bestehenden Ermittlungsverfahrens bestehe nicht zumal das Ermittlungsverfahren unstreitig eingestellt worden sei.
31Die Darstellung der Weichkosten im Prospekt sei transparent und zutreffend. Entscheidend sei, wie hoch der Anteil der Provisionen an den Gesamtausgaben der Gesellschaft sei, da dies die Rentabilität bestimme. Die Rechtsauffassung des Klägers, im Prospekt müsse das Verhältnis zwischen Vertriebskosten und dem von den Anlegern einzubringenden Beteiligungskapital in Prozent angegeben werden, gehe fehl und finde keine Stütze in der Rechtsprechung des BGH.
32Eine besondere Aufklärungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Vertriebsprovision bestehe nicht, da die von der Rechtsprechung angesetzte 15 %-Grenze schon nicht überschritten werde, weil insoweit die 5 %-ige Abwicklungsgebühr nicht zu berücksichtigen sei.
33Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und meint, diese sei bereits kenntnisunabhängig nach § 199 Abs. 1 Nr. 3 BGB eingetreten, da das vom Kläger eingeleitete Güteverfahren keine Hemmungswirkung entfalte. Sie bestreitet die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der jetzigen Klägervertreter im Zeitpunkt der Güteanträge und auch bis heute. Sie bestreitet den Zugang des Güteantrags des Klägers bei der Schlichtungsstelle E vor Eintritt der absoluten Verjährung mit Ablauf des 02.01.2012. Es sei angesichts des Zugangs erst im November 2012 kein Zugang „demnächst“ erfolgt und es seien die hier konkret erfolgten Rügen größtenteils nicht erhoben worden. Die Klägervertreter hätten in kollusivem Zusammenwirken mit dem Schlichter die Zustellung des Güteantrags verzögert. Insgesamt sei das Güteverfahren nicht ordnungsgemäß abgelaufen. Zudem sei der Güteantrag inhaltlich nicht hinreichend konkretisiert und individualisiert gewesen, um eine Verjährung zu hemmen. Insbesondere sei aber das Güteverfahren rechtsmissbräuchlich eingeleitet, was durch die schiere Masse der Verfahren, die abgelegene Lage der Schlichtungsstelle, die nur 3-Wochen kurze und für alle 4.500 Verfahren parallel laufende Stellungnahmefrist und die zeitgleiche Terminierung aller Verfahren zum Ausdruck komme.
34Zudem sei auch die regelmäßige Verjährung etwaiger auf nicht hinreichender Risikoaufklärung gestützter Ansprüche gem. Art. 229 § 6 EGBGB, §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben, da der Kläger aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung seiner Beteiligung spätestens seit den Jahren 2002-2005 positive Kenntnisse oder jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis von den klägerseits behaupteten Tatsachen, dass er eine Anlage gezeichnet hatte, die durch die Beklagte risikoärmer dargestellt wurde, als sie war, gehabt hätte.
35Entscheidungsgründe
36I. Zulässigkeit
37Die Klage ist zulässig.
381. Vollmacht
39Durch die Vorlage einer von den Kläger im Original unterzeichneten Vollmacht vom 27.05.2013, die in Kopie bereits zur Akte gereicht worden war (Bl. 496 d. A.), haben die Prozessbevollmächtigten ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung nachgewiesen.
402. Feststellungsinteresse
41Die Erhebung einer Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis zur Erhebung einer Feststellungsklage hinsichtlich aller aus den streitgegenständlichen Beteiligungen resultierenden Schäden. Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn der Schaden insgesamt noch nicht beziffert werden kann. Bestehen zum Teil bezifferbare, zum Teil (noch) unbezifferbare Schadenspositionen, so muss die Klage nicht in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufgeteilt werden, vielmehr ist ein einheitlicher Feststellungstrag zulässig (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 15.01.2008, VI ZR 53/07, NJW-RR 2008, 1520). Insoweit ist hier insbesondere unklar, inwieweit dem Kläger in der Zukunft Schäden durch eine Nachschusspflicht, steuerliche Schäden oder Beratungskosten entstehen können. Dass er bereits jetzt die Rückabwicklung der Beteiligung, also die Rückzahlung der geleisteten Beträge abzüglich erhaltener Ausschüttungen gegen Abtretung seiner Rechte aus den Beteiligungen beantragen könnte, steht einer Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Diese Schadensberechnung ist nämlich nur eine von mehreren Möglichkeiten, auf die sich der Kläger nicht festlegen muss.
423. Mangelnde Konkretisierung
43Die Klageschrift ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch hinreichend konkret, um den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen. Für die Ordnungsgemäßheit und Zulässigkeit der Klage braucht nur so viel vorgetragen zu werden, dass der Klageanspruch eindeutig individualisierbar ist. Ob ein Kläger auch alles vorgetragen hat, was zur Rechtfertigung seines Klagebegehrens erforderlich ist, betrifft die Frage der Schlüssigkeit und damit der Begründetheit der Klage (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 253 Rn. 12a). Diesen Anforderungen genügt die Klage, weil die Beteiligung konkret bezeichnet, die vermeintlichen Pflichtverletzungen der Mitarbeiter der Beklagten genannt und auch – wenn auch erst mit Schriftsatz vom 12.06.2014 – nähere Umstände zur Beratungssituation mitgeteilt werden.
44II. Begründetheit
45Die Klage ist aber nicht begründet.
46Die Beklagte haftet nicht aus Prospekthaftung im engeren Sinne (1.). Vieles spricht dafür, dass sie wegen einer schuldhaften Verletzung ihrer Pflichten im Zusammenhang mit der Vermittlung der Anlagen und der Beratung des Klägers nicht haftet (2.). Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil etwaige Ansprüche jedenfalls verjährt sind (3.).
471. Keine Prospekthaftung im engeren Sinne
48Unstreitig ist die Beklagte weder Gründer, Initiator noch Gestalter der Fondsbeteiligung. Sie unterfällt daher nicht der eigentlichen Prospekthaftung und ist grundsätzlich für die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts nicht verantwortlich. Durch die Übernahme des Vertriebs wird eine Prospekthaftung im engeren Sinne nicht begründet (vgl. BGH, Urt. v. 12.02.2004, III ZR 359/02, Rz. 13 – zitiert nach juris).
492. Haftung als Anlageberater bzw. Anlagevermittler
50Vieles spricht dafür, dass die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen einer schuldhaften Verletzung ihrer Pflichten im Zusammenhang mit der Vermittlung der Anlage und der Beratung des Klägers nicht haftet.
51Der Anlagevermittler schuldet eine anlegergerechte und anlagegerechte Beratung. Insoweit schuldet er dem Anleger eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung waren. Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt er diese Prüfung, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinweisen (z.B.: BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 17/08, Rz. 11 – zitiert nach juris).
52In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Vertreibt der Vermittler die Anlage anhand eines Prospekts, muss er aber, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind. Ist die Plausibilitätsprüfung des Prospekts unterblieben, hat der Anlagevermittler den Interessenten hierauf ebenfalls hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 17/08, Rz. 12; Urt. v. 12.02.2004, III ZR 359/02, Rz. 22 – beide zitiert nach juris).
53Der Anlageberater ist zu mehr als nur einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. Er schuldet darüber hinaus eine Anlageberatung in Bezug auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Ein Anlageberater ist deshalb verpflichtet, eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen, oder den Anleger auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen. Eine unterlassene Prüfung der empfohlenen Kapitalanlage kann aber nur dann zur Haftung führen, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder aber wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- und/oder objektgerecht ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2009, III ZR 302/07, Rz. 14 – zitiert nach juris).
54Dementsprechend haftet eine Bank, die die gebotene Prüfung eines von ihr verwendeten Fondsprospekts unterlässt, jedoch gleichwohl den Eindruck erweckt, die Anlage mit positivem Ergebnis geprüft zu haben, nach dem Schutzzweck der verletzten Prüfungs- und Offenbarungspflicht nur dann, wenn der Emissionsprospekt der geschuldeten Prüfung in einem für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkt nicht standgehalten hätte. Das wäre anzunehmen, wenn ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- und/oder objektgerecht ist.
55a) Prognoserechnung
56Zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln hat, gehören nach der Rechtsprechung auch die für die Anlageentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Jedoch übernimmt der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger. Dessen Interessen werden dadurch gewahrt, dass Prognosen im Prospekt durch Tatsachen gestützt und ex-ante betrachtet vertretbar sein müssen. Sie sind nach den damals gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen. Dabei darf eine optimistische Erwartung der Prognose einer zukünftigen Entwicklung zugrunde gelegt werden, solange die die Erwartung rechtfertigenden Tatsachen sorgfältig ermittelt sind und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung aus damaliger Sicht vertretbar ist. Prognosen im Prospekt müssen also durch Tatsachen gestützt und ex-ante betrachtet vertretbar sein (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08, Rz. 19, 22 – zitiert nach juris).
57Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die den Emissionsprospekten zugrundliegenden Prognoserechnungen schon nicht fehlerhaft.
58aa) Fehlende Berücksichtigung Mietausfallrisiko
59Eine Fehlerhaftigkeit ergibt sich nicht aus einer mangelnden Kalkulation des Mietausfallwagnisses. In den Fällen, in denen kein Mietausfallwagnis einkalkuliert worden ist, waren jeweils langjährige Mietverträge prospektiert (z.B. zum DLF …: Mietverträge mit Laufzeit von 15 Jahren). Zum Teil existierten zur Absicherung der Mietforderungen darüber hinaus Bürgschaften (z.B. bei DLF …) oder Mietausfallgarantien. Unter Berücksichtigung der im Prospekt beschriebenen Mietverträge und/oder der gegen Mietausfälle ergriffenen Maßnahmen (Mietausfallgarantien und/oder Bürgschaften) war die Prognose zumindest vertretbar.
60Auf die Risiken einer Reduktion der Mieten und eines vollständigen Mietausfalls und deren potentiellen Auswirkungen für die Erträge der Gesellschaft und der Anleger ist in den jeweiligen Risikohinweisen unstreitig hingewiesen worden.
61So heißt es z.B. auf S. 72 des Emissionsprospekts des DLF …: „Auch bei überwiegend langfristig abgeschlossenen Mietverträgen muss irgendwann mit dem Auszug des Mieters gerechnet werden. Auch die beste Bonität eines Mieters kann sich mittel- bis langfristig betrachtet negativ verändern.“ und „Eine Reduzierung der Miete oder gar ein Leerstand z.B. wegen einer nicht vorhandenen oder abnehmenden Nachfrage… hätte entsprechende Auswirkungen auf die Gewinnentwicklung bzw. Ausschüttung der Gesellschaft und reduziert den Wert des betroffenen Objekts deutlich. Bei einem Totalausfall der Mieteinnahmen und der damit nicht mehr möglichen Bedienung der in der Regel vorhandenen Grundschulddarlehen, ist selbst der vollständige Vermögensverfall nicht ausgeschlossen“ (vgl. S. 72 des Emissionsprospekts des DLF …). Weiter heißt es auch auf S. 73 des Emissionsprospekts des DLF …: „Diese [gemeint ist: eine Reduzierung der Mieteinnahmen] könnte allerdings dann eintreten, wenn das SI-Centrum insgesamt einen erheblichen Attraktivitätsverlust erleiden würde. Sofern es in einem solchen Fall zu einer Mietreduzierung kommen sollte, würden sich naturgemäß Auswirkungen auf die Ertrags- und Vermögenssituation der Beteiligungsgesellschaft ergeben. Dasselbe gilt selbstverständlich bei einem vorzeitigen Ausfall des Mieters.“ Auch ist zur Prognoserechnung jeweils klargestellt, dass „sämtliche Änderungen der in diesem Prospekt zugrunde gelegten Prämissen naturgemäß entsprechende Auswirkungen auf die tatsächliche Entwicklung der Gesellschaft haben.“ (vgl. z.B. S. 76 des Emissionsprospekts des DLF …).
62Hierdurch werden die Risiken von Mietausfällen hinreichend deutlich dargelegt, sodass dem verständigen Anleger klar sein muss, dass ein Mietausfallrisiko besteht. Über die Vertretbarkeitsprüfung hinausgehende Risikoabschläge, die der einer Prognose inne wohnenden Unsicherheit Rechnung tragen sollen, sind entgegen der Ansicht der Kläger gerade nicht erforderlich (vgl. BGH v. 27.10.2009, XI ZR 337/08, Rz. 22 – zitiert nach juris). Genau das fordert im Ergebnis aber der Kläger, wenn er die den Prospekten zugrundegelegten Werte als unvertretbar darstellt.
63Darüber hinaus hätte die Prognose eines Mietausfalls in der klägerseits geforderten Weise die bestehenden Risiken jeweils nicht realitätsnah abbilden können, weil entweder bei – unterstellter – andauernder Zahlungsfähigkeit des Mieters ein durch ein prozentual kalkuliertes Mietausfallwagnis abgebildetes Ausfallrisiko überhaupt nicht bestand, oder andererseits bei einem unplanmäßigen Ausfall der Mieterin es keinen über den Prognosezeitraum verteilten – linearen Mietausfall, sondern einen adhoc eintretenden vollständigen Mietausfall gegeben hätte.
64bb) Unzureichende Berücksichtigung Modernisierungskosten/Mietsteigerungen und Veräußerungserlöse
65Soweit der Kläger eine fehlende Berücksichtigung von Modernisierungskosten in Bezug auf die jeweiligen Investitionsteile USA rügt, ist der beklagtenseitige Vortrag, dass Modernisierungskosten insoweit von den Instandhaltungskosten umfasst sind, nicht widerlegt. Dass dem so ist zeigt jedoch auch die Darstellung in den jeweiligen Risikohinweisen, wo es z.B. auf S. 72 des Emissionsprospekts des DLF … heißt: „Dasselbe gilt für den Fall, dass die Modernisierungs- und Instandhaltungsaufwendungen nach dem Auslaufen des Generalmietvertrags die von der Verwaltungsgesellschaft in den USA kalkulierten Beträge überschreiten und die zusätzlich in der langfristigen Prognoserechnung der Beteiligungsgesellschaft berücksichtigten Beträge zur Deckung des Fehlbetrags nicht ausreichen würden“.
66Außerdem ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum die jeweils für den Investitionsteil Deutschland berücksichtigte Höhe des Modernisierungsaufwands sowie die Prognosen zu Mietsteigerungen und Veräußerungserlösen ex ante unvertretbar gewesen sein sollen. Im Prospekt wird jeweils deutlich gemacht, mit welchen Bezugsgrößen die Prospektherausgeberin rechnet. Sie legt ihren Annahmen Tatsachen zugrunde, die sie in einer transparenten Weise darstellt. Wieso die von der Prospektherausgeberin zugrunde gelegten Zahlen ex ante unvertretbar gewesen, die Prognosen des Klägers dagegen richtig sein sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Darauf, dass eine Prognoserechnung lediglich eine Schätzung ist und sich sämtliche eingestellten Zahlen anders entwickelt können, wird im Kapitel Chancen und Risiken des jeweiligen Emissionsprospekts deutlich hingewiesen.
67Die klägerseits gestellten Anforderungen an die von einem Anlegerberater geschuldete Vertretbarkeitsprüfung sind schon im rechtlichen Ausgangspunkt deutlich übersteigert. Denn nach der Rechtsprechung ist eine dem „üblichen kritischen Sachverstand“ zugängliche Prüfung und Plausibilitätskonrolle geschuldet (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08, Rz. 15 – zitiert nach juris). Er schuldet aber keine betriebswirtschaftliche Überprüfung sämtlicher prospektierter Eckdaten und Einzelparameter sowie sonstiger Detailangaben. Auf letzteres würde aber die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung hinauslaufen. Wenn man die Anforderungen des Klägers zugrundelegen würde, so könnte man die Plausibilitätsprüfung allenfalls durch eine Begutachtung jedes Einzelparameters des Prospekts erfüllen. Dies kann aber von einem Anlageberater nicht verlangt werden.
68cc) Vorgängerfonds, Ermittlungsverfahren
69Wenn der Kläger unter Anstellung umfangreicher Ermittlungen rügt, dass die Darstellung zu den Vorgängerfonds zum Teil unrichtig und zum Teil geschönt sei, so war auch dies für die Beklagte ohne eine umfassende (mit Gutachten gestützte) Detailprüfung aus Sicht des Gerichts nicht feststellbar, sodass auch insoweit eine Hinweispflicht nicht angenommen werden kann.
70Schließlich besteht angesichts der strafrechtlichen Unschuldsvermutung keine Pflicht zur Information über ein laufendes (und noch nicht abgeschlossenes) Ermittlungsverfahren.
71b) Weichkosten
72Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Darstellung der Weichkosten in den jeweiligen Emissionsprospekten nicht deswegen intransparent, weil die Kosten nur als Prozentangabe zur Gesamtinvestitionssumme nicht aber unter Bezugnahme auf das vom Anleger aufzubringende Kapital dargestellt sind. Im Investitionsplan (vgl. S. 31 des Emissionsprospekts des DLF …) sind das gesamte Kommanditkapital, das Fremdkapital, die Mieteinnahmen und die Kosten nach Kostenpositionen im Einzelnen beziffert und übersichtlich aufgelistet. Aufgrund dessen war und ist es einem verständigen Anleger ohne weiteres möglich festzustellen, welche Kosten auf das Kommanditkapital entfallen und diese dazu in Bezug zu setzen.
73Eine Verpflichtung, Kosten, die auf das Eigenkapital entfallen separat darzustellen und ggf. in Bezug zu dem Eigenkapital zu setzen, existiert nicht. Von einem Anleger kann erwartet werden, dass er dies selbst vornimmt.
74Im Übrigen übersieht der Kläger erneut, dass die Beklagte keine allumfassende Analyse hinsichtlich der Darstellung von Kosten schuldete. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die diesbezüglichen Prospektangaben für nicht nachvollziehbar oder plausibel erachten musste bzw. sich die prospektierten Weichkosten offensichtlich außerhalb des vertretbaren Rahmens bewegten (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.06.2013, III ZR 293/12, Rz. 16f. – zitiert nach juris).
75c) Aufklärungspflicht zur Vertriebsprovision
76Eine Aufklärungspflicht zur Höhe der Vertriebsprovision bestand hier entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht.
77Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH besteht eine generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 18.04.2013, III ZR 225/12, Rz. 15 – zitiert nach juris).
78Eine solche Aufklärungspflicht ist vorliegend zu verneinen, da schon der Schwellenwert von 15 % bei den DLF-Beteiligungen nicht überschritten wird. Denn die 5 %-ige Abwicklungsgebühr (Agio) ist bei der Berechnung der 15 %-Grenze nicht zu berücksichtigen (vgl. ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.2012, I-17 U 52/11, Rz. 32 – zitiert nach juris). Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Hinweispflicht auf Vertriebskosten, die 15% des Anlagekapitals übersteigen, ist der Gedanke, dass der Anleger wissen muss, dass die Werthaltigkeit der Rentabilität der Anlage von vornherein in Frage gestellt ist und es um Vertriebskosten geht, die der Kapitalanlage nicht zugutekommen (vgl. BGH, Urt. v. 12.02.2004, III ZR 359/02, Rz. 36-38 – zitiert nach juris). Dem Anleger, der zusätzlich zum Anlagebetrag ein Agio oder einen Ausgabeaufschlag zahlen muss, der dem Kapitalstock nicht zu Gute kommt, ist von vorn herein bekannt, dass derartige Leistungen nicht zum anlegenden Kapital gehören; sie sind nicht Teil seiner Einlage. Deshalb ist dem Anleger von vorn herein bewusst, dass entsprechende Zahlungen auf die Werthaltigkeit der Anlage keinen Einfluss gehabt hätten (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2012, I-17 U 12/12, zitiert nach juris).
79Ohne die Abwicklungsgebühr liegt die Provisionshöhe bei dem hier streitgegenständlichen Fonds unter Berücksichtigung der klägerseitigen Provisionskalkulation jeweils unter 15,00 % (beim DLF …: 12,8 %).
80Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des BGH eine Aufklärungspflicht immer dann zu verneinen, wenn die Höhe der insgesamt gezahlten Provisionen im Prospekt offen ausgewiesen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 30.01.2013, III ZR 184/12, Rz. 2 – zitiert nach juris). Die Vertriebsprovisionen sind aber in den hier streitgegenständlichen Emissionsprospekten offen ausgewiesen. Dies zeigt sich schon daran, dass der Kläger den von ihm angegebenen Wert der Vertriebsprovisionen anhand der Prospekte ermittelte. Demnach lagen ihm die maßgeblichen Informationen bei Vertragsschluss vor.
81d) Fehlerhafte Schulungsunterlagen
82Ob die Schulung der für die Beklagten tätigen Vertriebsmitarbeiter durch die Herren C und M und die von der L-Consult GmbH zur Verfügung gestellten bei der Schulung verwendeten Schulungsunterlagen insbesondere im Hinblick auf die Kosten und Risiken unvollständig, irreführend und zum Teil falsch waren, sodass die Berater durch die Schulung eine falsche Vorstellung von den wirtschaftlichen Grundlagen des Beteiligungsmodels erhalten hätten, weshalb sie überhaupt nicht in der Lage gewesen seien eine vollständige und richtige Beratung zu den Risiken der Beteiligungen zu leisten, und ob der für den Kläger tätigen Finanzberater P in „Umsetzung“ dieser Konzeption den Kläger fehlerhaft beriet, bedarf keiner Entscheidung, weil etwaige Ansprüche aus sogleich darzustellenden Gründen verjährt sind.
833. Verjährung
84Etwaige Ansprüche des Klägers sind verjährt; die Beklagte erhebt die Einrede mit Recht.
85a) kenntnisabhängige Verjährung
86Ansprüche des Klägers waren bereits bei Einreichen des Schlichtungsantrages Ende des Jahres 2011 verjährt, weil der – unterstellte – Anspruch spätestens im Jahr 2007 entstanden war und er auch Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hatte; zumindest trifft ihn der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis, §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.
87aa) Die Person der Beklagten als – mögliche – Schuldnerin der jetzt verfolgten Ansprüche war dem Kläger seit Abschluss der Beteiligungen bekannt.
88bb) Spätestens im Jahr 2007 wusste der Kläger auch von den Umständen, die den jetzt verfolgten Schadensersatzanspruch – nach ihrer Auffassung – begründen.
89Für die Kenntnis – bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis – reicht es aus, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder für ihn erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche wenn auch nicht risikolose Klage erheben kann (vgl. nur Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Auflage 2013, § 199 Rn. 28). Ein Anleger, der in der Annahme sicherer jährlicher Ausschüttungen von 7% eine Anlage zeichnet, weiß schon bei einem einmaligen Absinken der Ausschüttungsquote auf 4%, dass sich die Anlage entgegen seiner Annahme als nicht hinreichend sicher darstellt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.04.2008, 4 U 169/07, Rz. 34f. – zitiert nach juris).
90Ausgehend von diesen Erwägungen musste sich der Kläger spätestens im Jahr 2007 die Tatsachen zumindest aufdrängen, wegen derer er nun die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch nimmt:
91Die vom Kläger aufgezeigte Kritik an den Prognoserechnungen in den Prospekten und seine Behauptung, er sei wegen der Beratung anhand des Prospektmaterials und der Schulungsunterlagen nicht über die wesentlich schlechteren Ertragsaussichten unterrichtet worden, münden in die Rüge, dass die von ihm gezeichnete Anlage – was die Mitarbeiter der Beklagten nach seiner Ansicht hätten erkennen und ihm offenbaren müssen – entgegen den Prognosen möglicherweise nicht die prospektierten Ausschüttungen von 7% jährlich erbringen und sich damit als wesentlich weniger werthaltig erweisen würden. Tatsächlich aber blieben die Ausschüttungen des DLF … bereits 2000 mit 4% ganz erheblich unter der prospektierten Quote zurück. Schon 1999 blieben die Ausschüttungen mit 6,25% hinter den Annahmen der Klägerin zurück. Anschließend sanken die Ausschüttungsquoten kontinuierlich (2000 4 %, 2001 2,14 %, 2002 1,71 %, 2003 1,03%), bis ab dem Jahr 2004 weniger als 1% ausgeschüttet wurde. Bis Ende 2006 lagen für den DLF … die Ausschüttungen für drei Jahre unter 1%, so dass der Kläger spätestens im Jahr 2007 wusste, dass sich die Anlage – die Richtigkeit ihrer Behauptungen und ihrer Ansichten unterstellt – diametral zu den Darstellungen im Prospekt und in den Beratungsgesprächen entwickelt hatte.
92Ob der Kläger – beispielsweise aus regelmäßigen Geschäftsberichten – über die Ursachen dieser negativen Entwicklung unterrichtet wurde, so dass er frühzeitig hätte erkennen können, dass die jetzt von ihm kritisierten Prognosen nicht eingetreten waren, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls bestand angesichts des dramatischen Einbruchs der Ausschüttungsquote Anlass, diese Ursachen in Erfahrung zu bringen.
93Der Kläger hätte damit spätestens 2007 auch die jetzt ins Feld geführten Aspekte aufgreifen und – sein Vorbringen als richtig unterstellt – mit hinreichender Aussicht auf Erfolg Klage erheben können.
94b) kenntnisunabhängige Verjährung
95Außerdem ist gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 BGB ein etwaiger Anspruch unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers nach Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung eingetreten.
96aa) Der – unterstellte – Anspruch entstand bereits mit dem Abschluss der Beteiligungen. Die Parteien gehen auch übereinstimmend davon aus, dass die sog. absolute Verjährung wegen Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 BGB am 31.12.2011 ablief.
97bb) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Ablauf der Verjährung durch Einleitung eines Güteverfahrens nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt worden.
98Nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wird die Verjährung gehemmt durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, der bei einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle eingereicht ist. Wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
99aaa) Die formellen Argumente, die die Beklagte gegen eine Hemmungswirkung des Schlichtungsverfahrens anführt, greifen jedoch nicht durch:
100(1) Das Bestehen einer Vollmacht bei Einleitung des Schlichtungsverfahrens ist im Termin nachgewiesen worden. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB i. V. m. § 43b BRAO wegen des gesetzlichen Verbots gezielter Mandatswerbung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
101(2) Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass Güteverfahren, in denen ein Einigungsversuch vor einer Gütestelle nicht obligatorische Prozessvoraussetzung ist und/oder die in vermögensrechtlichen Angelegenheiten den Gegenstandswert von 750,00 übersteigen, von vorn herein nicht zur Verjährungsunterbrechung geeignet sind, trifft nicht zu. Denn § 204 Nr. 4 BGB gilt seinem Wortlaut nach für alle Güteanträge und nimmt keine Differenzierungen nach obligatorischen oder freiwilligen Güteverfahren vor (ebenso Palandt-Ellenberger, 72. Aufl. 2013, § 204 Rn. 19).
102(3) Der Einwand der Beklagten, dass das Güteverfahren schon deshalb nicht ordnungsgemäß sei, weil die angerufene Gütestelle örtlich unzuständig sei, greift nicht durch, da die Verjährungshemmung auch dann eintritt, wenn die Gütestelle örtlich unzuständig ist (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.1993, VI ZR 306/92, zitiert nach juris).
103bbb) Unabhängig von der Frage, ob der Schlichtungsantrag des Klägers vom 29.12.2011 tatsächlich vor Ablauf des 02.01.2012 (§ 193 BGB) bei der Gütestelle einging, trat eine Hemmung nicht ein, weil der Antrag der Beklagten nicht „demnächst“ im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB bekannt gegeben wurde.
104Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bekanntgabe „demnächst“ im Sinne der gesetzlichen Bestimmung veranlasst worden ist, kann auf die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur gleichgelagerten Fragestellung im Rahmen der Zustellung nach § 167 ZPO zurückgegriffen werden. Wie dort darf auch im Rahmen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. Vielmehr sollen, da die Bekanntgabe von Amts wegen geschieht, die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des Geschäftsbetriebs der Gütestelle bewahrt werden, weil diese Verzögerungen von ihnen nicht beeinflusst werden können. Es gibt deshalb keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Bekanntgabe nicht mehr als „demnächst“ anzusehen ist. Dies gilt auch dann, wenn es zu mehrmonatigen Verzögerungen kommt. Denn Verzögerungen bei der Bekanntgabe, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung der Gütestelle verursacht sind, muss sich der Antragssteller grundsätzlich nicht zurechnen lassen (BGH, Urt. v. 22.09.2009, XI ZR 230/08, Rz. 14f. – zitiert nach juris). Allerdings sind einer Partei solche nicht nur geringfügigen Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. Dies zum Beispiel, wenn der Gerichtskostenvorschuss ausbleibt. Zwar ist eine Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter nicht gehalten, von sich aus den Vorschuss zu berechnen und mit der Klage einzuzahlen, doch dürfen sie nicht unbegrenzt lange untätig bleiben, sondern müssen bei ausbleibender Vorschussanforderung beim Gericht nachfragen und so auf eine größtmögliche Beschleunigung der Zustellung hinwirken. Dagegen besteht für den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten keine Obliegenheit oder Verpflichtung, durch eine Kontrolle des gerichtlichen Vorgehens auf eine größtmögliche Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken, nachdem sie alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihnen geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht haben; denn dann liegt die weitere Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gang des Zustellungsverfahrens ausschließlich in den Händen des Gerichts, dessen Geschäftsgang der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht unmittelbar beeinflussen können (BGH, a.a.O., Rz. 16).
105Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde der Schlichtungsantrag der Beklagten nicht mehr „demnächst“ bekannt gemacht, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers, dessen Versäumnisse er sich zurechnen lassen muss, die erheblich verzögerte Übermittlung einer unüberschaubaren Anzahl von Güteanträgen wissentlich herbeigeführt haben, indem sie das Schlichtungsverfahren zur Hemmung der Verjährung zu missbrauchen suchten.
106Zwar ist die Einleitung eines Güteverfahrens allein zum Zweck der Verjährungshemmung nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urt. v. 06.07.1993, VI ZR 306/92, Rz. 22 – zitiert nach juris). Auch steht allein die Überlastung einer Gütestelle einer Rückwirkung der Bekanntgabe nicht entgegen, weil der Antragsteller – ebenso wie im Mahn- oder Klageverfahren – auf die Belastung der angerufenen Stelle und die damit verbundenen Geschäftsabläufe regelmäßig keinen Einfluss hat. Hier lag aber die Besonderheit darin, dass die Klägervertreter etwa 9.000 gleichgelagerte Güteanträge bei einer Stelle einreichten, die personell nicht in der Lage sein konnte, eine zeitnahe Bekanntgabe zu veranlassen. Dies galt umso mehr, als gerade die Klägervertreter bei derselben Gütestelle etwa eine Woche zuvor eine Vielzahl von Anträgen gegen die hiesige Beklagte gestellt hatten, die dieser bereits im März 2012 zugingen. Dies allein zeigt, dass die Klägervertreter es selbst billigend in Kauf nahmen, dass der Güteantrag des Klägers der Beklagten nicht „demnächst“ bekannt gegeben wurde.
107Für die rechtsmissbräuchliche Wahl des Güteverfahrens zur Hemmung der Verjährung spricht auch, dass dieses Verfahren von den Klägervertretern nicht ernsthaft, mit dem Ziel einer schnellen, kostengünstigen und einvernehmlichen Streitbeilegung betrieben wurde. Sie betrauten nämlich einen Schlichter mit der Durchführung des Güteverfahrens, der in M – im Bundesland Brandenburg – und damit mehrere 100 Kilometer vom Wohnsitz des Klägers in Paderborn und dem Geschäftssitz der Beklagten in Hannover. Schon aufgrund der räumlichen Entfernung war nicht damit zu rechnen, dass sich die Beklagte auf das Schlichtungsverfahren mit einer Schlichtungsverhandlung einlassen würde.
108Damit kann der Güteantrag nur damit erklärt werden, dass die Klägervertreter über eine möglichst späte Bekanntgabe des Antrages Zeit gewinnen wollten. Wäre es ihnen nur um eine den Ablauf der Verjährung hemmende Geltendmachung gegangen, hätten sie die Anträge direkt bei dem für den Sitz der Beklagten zuständigen Gericht oder den für die Wohnsitze der von ihnen vertretenen Kläger zuständigen Gerichten anhängig machen können.
109III. Nebenentscheidungen
110Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses im Klageregister setzt das Prozessgericht von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Das gilt unabhängig davon, ob in dem Verfahren ein Musterverfahrensantrag gestellt wurde. Die Parteien sind anzuhören, es sei denn, dass sie darauf verzichtet haben.
(2) Der Kläger kann die Klage innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses ohne Einwilligung des Beklagten zurücknehmen, auch wenn bereits zur Hauptsache mündlich verhandelt wurde.
(3) Mit dem Aussetzungsbeschluss unterrichtet das Prozessgericht die Kläger darüber,
- 1.
dass die anteiligen Kosten des Musterverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits gehören und - 2.
dass Nummer 1 nicht gilt, wenn die Klage innerhalb von einem Monat ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses im Ausgangsverfahren zurückgenommen wird (§ 24 Absatz 2).
(4) Das Prozessgericht hat das Oberlandesgericht, welches das Musterverfahren führt, unverzüglich über die Aussetzung zu unterrichten, wobei die Höhe des Anspruchs, soweit er von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen ist, anzugeben ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- 1. Der Kläger begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit der von ihm über die Beklagte zu 1) am 29. Oktober 2004 gezeichneten Beteiligung an der V. 4 GmbH & Co. KG (im Folgen- den: V 4). Die Beteiligung wurde, wie im Beteiligungsangebot vorgesehen, teilweise obligatorisch durch ein Darlehen der Beklagten zu 2) finanziert.
- 2
- Mit der Klage will der Kläger von beiden Beklagten als Gesamtschuldner unter anderem seinen Eigenkapitalanteil zurückgezahlt erhalten und von den Verpflichtungen aus dem Darlehen und von den steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen seiner Beteiligung freigestellt werden. Er macht gegen die Beklagte zu 1) Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung und gegen die Beklagte zu 2) Ansprüche aus Prospekthaftung und daneben wegen Verletzung ihrer Nebenpflichten aus dem Darlehensverhältnis geltend.
- 3
- Beim Oberlandesgericht München ist ein Verfahren nach dem Kapitalanleger -Musterverfahrensgesetz (nachfolgend: KapMuG) durchgeführt worden, in dem die Beklagte zu 2) Musterbeklagte zu 2) ist. Das Oberlandesgericht München hat am 30. Dezember 2011 (KAP 1/07, BeckRS 2012, 01153) einen Musterentscheid erlassen, gegen den Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen II ZB 1/12 eingelegt worden ist. Über die Rechtsbeschwerde ist noch nicht entschieden.
- 4
- 2. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. Februar 2009 das Verfahren "nach § 148 ZPO analog ausgesetzt , bis das KapMuG-Verfahren des OLG rechtskräftig abgeschlossen ist". Gegen den Aussetzungsbeschluss hat die Beklagte zu 1) am 3. März 2009 sofortige Beschwerde eingelegt, diese jedoch am 5. März 2009 wieder zurückgenommen. Mit Schreiben vom 16. August 2011 hat der Kläger beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen und zu betreiben. Den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat das Landgericht mit Beschluss vom 14. September 2011 abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sich lediglich gegen die fortbestehende Aussetzung des Verfahrens ge- genüber der Beklagten zu 1) wendet. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 21. November 2011 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
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- Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts und teilweiser Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts zur Anordnung der Fortsetzung des Klageverfahrens des Klägers gegen die Beklagte zu 1).
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- 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (WM 2012, 1433, mit ablehnender Anmerkung Wigand, EWiR 2012, 643, 644) im Wesentlichen ausgeführt:
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- Die Aussetzung gemäß § 148 ZPO liege im Ermessen des Gerichts. Die entsprechende Ermessensentscheidung des Landgerichts sei in der Rechtsmittelinstanz nur insoweit überprüfbar, ob das Gericht das Ermessen überhaupt ausgeübt habe, ob die Voraussetzungen dafür vorlägen und ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden seien. Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Erstgericht sei nicht zu überprüfen.
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- Die Aussetzung sei offensichtlich sachgerecht und jedenfalls nicht zu beanstanden. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Reform des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes vom 21. Juli 2011 eine ausdrückliche Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 1 KapMuG auch auf Fälle der Anlageberatung und -vermittlung vorgesehen sei. Die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass Sinn und Zweck des KapMuG die Einbeziehung solcher Rechtsstreitigkeiten nicht gebiete, werde also offensichtlich nicht geteilt. Unabhängig davon hafte der Vermittler nicht, wenn der Prospekt richtig sei. Genau diese Frage sei jedoch Gegenstand des Musterverfahrens.
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- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht die Ablehnung der Verfahrensfortsetzung durch das Landgericht als rechtsfehlerfrei angesehen.
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- a) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung steht der Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses nicht entgegen, dass dieser - mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den Kläger - rechtskräftig geworden ist. Die dadurch eingetretene Unanfechtbarkeit gilt nur für den Aussetzungsbeschluss selbst, nicht aber für eine Entscheidung des Landgerichts, mit der der Aussetzungsbeschluss aufgehoben wird (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 12 mwN) oder der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt wird (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 150 Rn. 11 zur Anwendbarkeit des § 252 ZPO). Dies folgt aus §§ 150, 250 ZPO, die die Aufnahme eines ausgesetzten Verfahrens grundsätzlich zulassen und die Entscheidung darüber in das Ermessen des Gerichts stellen, soweit nicht einerseits ein Aussetzungszwang oder andererseits eine Fortsetzungspflicht besteht (vgl. Senatsbeschluss aaO). Aufgrund dessen stellt eine Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses auch keine Umgehung der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO dar (Senatsbeschluss aaO Rn. 13).
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- b) Rechtsfehlerhaft ist das Beschwerdegericht von einer eingeschränkten Prüfungsbefugnis in Bezug auf das Vorliegen eines Aussetzungsgrundes ausgegangen.
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- aa) Soweit die Aussetzung - wie hier bei § 148 ZPO - in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, kann zwar die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289, 1290 mwN). Ist kein Aussetzungsgrund gegeben, bleibt für ein Ermessen nach § 150 ZPO kein Raum, sondern es besteht eine Fortsetzungspflicht. So liegt der Fall hier.
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- bb) Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt nicht in Betracht, weil dessen Voraussetzungen - wie der Senat für vergleichbare Fälle bereits entschieden hat - nicht vorliegen (Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2009 - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 18 und vom 11. September 2012 - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 16; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 6 mwN).
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- (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, noch keine Aussetzung analog § 148 ZPO (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 7 mwN). Denn die Vorschrift stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren , sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht, so dass die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Aussetzung noch nicht erlaubt (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 7 mwN). Dem entsprechend hat auch der Gesetzgeber mit § 7 KapMuG (in der bis einschließlich 31. Oktober 2012 geltenden Fassung, nach- folgend: aF; jetzt § 8 KapMuG in der ab dem 1. November 2012 geltenden Fassung , nachfolgend: nF) und § 93a VwGO eigens spezialgesetzliche Grundlagen für eine von § 148 ZPO beziehungsweise der parallelen Vorschrift des § 94 VwGO an sich nicht mehr gedeckte Aussetzung von Musterverfahren geschaffen (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 - VIII ZB 54/11, NJW-RR 2012, 575 Rn. 7 mwN).
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- (2) Nach diesen Maßstäben scheidet eine analoge Anwendung des § 148 ZPO im Anwendungsbereich des § 7 KapMuG aF (bzw. § 8 KapMuG nF) mangels Regelungslücke von vornherein aus. Gleiches gilt für die Fälle der vorliegenden Art, in denen die Aussetzung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF unzulässig ist. Auch in diesen Fällen besteht keine unbeabsichtigte Regelungslücke. Es würde eine vom Gesetzeszweck des KapMuG nicht gedeckte Umgehung der speziellen Regelungen über die Zulässigkeit von Aussetzungen in Anbetracht eines laufenden Musterverfahrens darstellen, wenn über eine analoge Anwendung der allgemeinen Vorschrift des § 148 ZPO eine Aussetzung in den Fällen möglich wäre, die nach § 7 KapMuG aF (bzw. § 8 KapMuG nF) ausdrücklich nicht ausgesetzt werden dürfen.
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- c) Die Aussetzung kann entgegen der Intention des Beschwerdegerichts und der Beschwerdeerwiderung auch nicht auf § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF gestützt werden. Die Aussetzung des Rechtsstreits durch das Landgericht nach § 7 KapMuG aF wäre unzulässig.
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- aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 1 KapMuG aF können Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche gegen einen Anlageberater oder Anlagevermittler auf die Schlechterfüllung eines Beratungs - oder Auskunftsvertrages oder auf § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB bzw. die Grundsätze der so genannten Prospekthaftung im weiteren Sinne ge- stützt werden, von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Juni 2008 - XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 15; vom 16. Juni 2009 - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 9 und XI ZB 31/08, juris Rn. 9; vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 11; vom 21. Dezember 2010 - XI ZB 25/10, ZIP 2011, 493 Rn. 10; XI ZB 28/10 und 29/10, jeweils juris Rn. 10; siehe dazu Anmerkung Simon, GWR 2011, 89; vom 25. Januar 2011 - XI ZB 32/10, juris Rn. 9; vom 12. April 2011 - XI ZB 36/10, juris Rn. 9; vom 17. Mai 2011 - XI ZB 2/11, juris Rn. 9 sowie BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - III ZB 92/07, WM 2009, 110 Rn. 12, 15; vom 4. Dezember 2008 - III ZB 97/07, juris, Rn. 15 ff. und vom 13. Dezember 2011 - II ZB 6/09, WM 2012, 115 Rn. 14).
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- In Fällen, in denen - wie hier - nach § 1 KapMuG aF ein Musterverfahren nicht durchgeführt werden kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aussetzung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF unzulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2009 - XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 Rn. 7 und XI ZB 31/08, juris Rn. 7; vom 8. September 2009 - XI ZB 34 bis 38/08 sowie XI ZB 9/09 und XI ZXI ZB 11/09, jeweils juris Rn. 6 und XI ZB 4/09, XI ZXI ZB 7/09 und 8/09, jeweils juris Rn. 6, zu letzteren siehe Anmerkung Corzelius, GWR 2009, 398; vom 6. Oktober 2009 - XI ZB 17 bis 18/09 und 20 bis 21/09, jeweils juris Rn. 6; vom 10. November 2009 - XI ZB 29 bis 30/09, jeweils juris Rn. 6; vom 8. Dezember 2009 - XI ZB 25/09 und XI ZXI ZB 27/09, jeweils juris Rn. 6; vom 25. Januar 2011 - XI ZB 32/10, juris Rn. 8; vom 12. April 2011 - XI ZB 36/10, juris Rn. 8; vom 17. Mai 2011 - XI ZB 2/11, juris Rn. 8 und vom 30. November 2011 - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 10). Einem fehlerhaft nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF ausgesetzten Verfahren ist jedenfalls auf Verlangen Fortgang zu geben. Es ist einem Kläger nicht zuzumuten, dass ein wegen Verlet- zung von Beratungspflichten geführter Prozess ausgesetzt bleibt und er unabsehbare Zeit auf das Ergebnis des Musterverfahrens warten muss, obwohl nicht feststeht, dass es auf den Ausgang des Musterverfahrens in seinem Prozess tatsächlich ankommt. Hinzu kommt, dass der Anleger durch die Aussetzung Rechtsnachteile erleiden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 13 mwN).
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- bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts und der Beschwerdeerwiderung hat sich an dieser Rechtslage durch das am 1. November 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2182, vgl. dazu Wolf/Lange, NJW 2012, 3751 ff.; Bernuth/Kremer, NZG 2012, 890 ff. und Söhner, ZIP 2013, 7 ff.) für den vorliegenden Fall nichts geändert.
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- (1) Nach der Übergangsvorschrift des § 27 KapMuG nF ist auf Musterverfahren , in denen vor dem 1. November 2012 bereits mündlich verhandelt worden ist, das KapMuG in seiner bis zum 1. November 2012 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. In dem Verfahren KAP 1/07 ist vor dem Oberlandesgericht München bereits vor dem 1. November 2012 mündlich verhandelt und ein Musterentscheid erlassen worden (OLG München, Beschluss vom 30. Dezember 2011 - KAP 1/07, BeckRS 2012, 01153, juris Rn. 141). Für die Frage der Zulässigkeit der Aussetzung ist daher vorliegend § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiterhin maßgeblich.
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- (2) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts besteht aufgrund der Neufassung des KapMuG auch keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Aussetzung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF in Fällen, in denen kein Musterverfahrensantrag nach § 1 KapMuG aF gestellt werden konnte, zu ändern.
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- (a) An der Grundaussage der Senatsrechtsprechung, dass ein originär nicht musterverfahrensfähiger Rechtsstreit nicht über die Aussetzung zur Teilnahme am Musterverfahren bestimmt werden darf, hat § 8 KapMuG nF nichts geändert. Zwar ist durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG nF der Anwendungsbereich des KapMuG auf Schadensersatzansprüche wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen unterlassener Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, erweitert worden. Jedoch setzt eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nF ebenso wie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF voraus, dass die geltend gemachten Klageansprüche überhaupt Gegenstand des Musterverfahrens sein können. Trotz der Erweiterung des Anwendungsbereichs des KapMuG können nicht unter Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation begangene Aufklärungsfehler - wie beispielsweise das Verschweigen von Rückvergütungen - nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein, weil der Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation fehlt (vgl. BT-Drucks. 17/8799 S. 17). Ein insofern gestellter Musterverfahrensantrag muss nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG nF als unzulässig verworfen werden. Ein Rechtsstreit, in dem der Musterverfahrensantrag als unzulässig verworfen werden müsste, kann nicht durch Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nF musterverfahrensfähig werden, denn sowohl § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG nF als auch § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nF verlangen wortgleich, dass die Entscheidung des betroffenen Rechtsstreits von den Feststellungszielen abhängt.
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- (b) Soweit die Gesetzesbegründung zu § 8 KapMuG nF abweichend von der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 - XI ZB 32/11, WM 2012, 2146 Rn. 13) die Abhängigkeit grundsätzlich abstrakt beurteilen und dem Prozessgericht im Hinblick auf die Aussetzung einen Beurteilungsspielraum einräumen will (vgl. BT-Drucks. 17/8799 S. 20), so bestehen dagegen im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes Bedenken (vgl. Wolf/Lange, NJW 2012, 3751, 3753). Diesen Bedenken und der Frage einer möglichen revisionsrechtlichen Überprüfung des angesprochenen Beurteilungsspielraums muss hier nicht näher nachgegangen werden, da die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG nF jedenfalls nicht als Begründung für eine Änderung der Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG aF herangezogen werden kann.
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- (c) Darüber hinaus nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ausdrücklich Bezug auf den Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009 (XI ZB 33/08, WM 2009, 1359 = NJW 2009, 2539) und begründet die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nach § 252 ZPO gegen eine Aussetzungsentscheidung mit den tragenden Erwägungen der Senatsrechtsprechung (vgl. BT-Drucks. 17/8799 S. 21), so dass auch aus diesem Grund eine Änderung der im genannten Senatsbeschluss aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze jedenfalls für die Aussetzung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF nicht veranlasst ist.
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- 3. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten desBeschwerdeund des Rechtsbeschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, WM 2011, 110 Rn. 18 mwN).
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 14.09.2011 - 28 O 10621/01
OLG München, Entscheidung vom 21.11.2011 - 19 W 1831/11
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 37.234,67
Gründe:
I.
Mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1998 verkauften die Beklagte zu 1 und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann, der vom Beklagten zu 2 beerbt worden ist, ein 877 m² großes Hausgrundstück unter Ausschluß jeder Gewährleistung zum Preis von 430.000 DM an die Kläger. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude, eine Doppelhaushälfte, war in der Zeit zwischen 1920 und 1930 errichtet und nach 1945 um einen Anbau erweitert worden. Die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann hatten vor dem Verkauf an die Kläger selbst mehr als zwanzig Jahre lang in dem Haus gewohnt. Nach Übergabe des
Grundstücks am 4. Januar 1999 begannen die Kläger damit, das Haus zu entkernen. Im Zuge der Renovierungsarbeiten zeigten sich nach Entfernung angebrachter Eternitschiefer- und Rigipsplatten sowie auf dem Boden verlegter Teppiche zahlreiche Risse in Decken und Wänden. Außerdem stellten die Kläger fest, daß im Garten des steil abfallenden Grundstücks etwa 90 m³ gemischte Bau- und Abbruchabfälle abgelagert worden waren. Wegen der festgestellten Bauwerksschäden ließen die Kläger das Haus abreißen.
Sie verlangen von den Beklagten den Ersatz der Kosten für die Mängelbeseitigung in Höhe von 37.671,78 DM und die Abfallentsorgung in Höhe von 31.679,60 DM sowie weitere 13.500 DM als Entschädigung für die fehlende Nutzbarkeit des Objekts während der für die Sanierung erforderlichen neun Monate. Nach vollständiger Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht die Beklagten wegen der zum Nachbarhaus hin gekippten Gebäudetrennwand gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. zu Schadensersatz "! # $ %& ' in Höhe von 5.126,57 Berufung der Kläger zurückgewiesen, weil sich nicht feststellen lasse, daß die Beklagten von den weiteren Gebäudemängeln und von der stofflichen Zusammensetzung der als solcher offensichtlichen Anschüttung im Garten Kenntnis gehabt hätten. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung hätten die Kläger nicht vorgetragen, inwieweit die ohnehin geplanten und bereits begonnenen Entkernungsarbeiten durch die Beseitigung der gerügten Mängel - soweit die Beklagten für diese überhaupt verantwortlich seien - verzögert worden wären. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) ist zulässig, bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg, weil die Kläger einen Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht dargetan haben.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) nicht gegeben.
a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 68 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; Beschl. v. 7. Januar 2003, X ZR 82/02, WM 2003, 403, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; zu § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, zur Veröffentlichung in BGHZ 151, 221 vorgesehen, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Hierfür genügt die bloße Behauptung , die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Entscheidungserheblichkeit , Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind
Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist (BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; ebenso zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2001, 1033; 2002, 51, 52; 213, 214; 352, 353). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht gerecht.
b) Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz entgangener Nutzung des Wohnhauses - den das Berufungsgericht zwar grundsätzlich für möglich gehalten (zu den Voraussetzungen der Nutzungsentschädigung bei gekauften Wohnungen vgl. Senat, BGHZ 117, 260, 261 f), im Ergebnis aber wegen unzureichender Darlegungen zur Dauer der Verzögerung durch erforderliche Mängelbeseitigungsarbeiten verneint hat - wollen die Kläger der Frage rechtsgrundsätzliche Bedeutung beilegen, ob das Gericht zur Ermittlung der Höhe eines Nutzungsausfallschadens die Dauer einer erforderlichen Reparatur anhand vorliegender einfacher Baubeschreibungen gemäß § 287 ZPO schätzen müsse. Der Beschwerdebegründung läßt sich indessen nicht entnehmen, in welcher Hinsicht diese Frage klärungsbedürftig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen voraus (BGH, Urt. v. 15. März 1988, VI ZR 81/87, NJW 1988, 3016, 3017). Hierfür dürfen zwar keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. 27. September 2001, IX ZR 281/00, NJW 2002, 825, 826). Solange greifbare Anhaltspunkte für die Darstellung des Klägers vorliegen, ist es nicht möglich, eine Schadensersatzklage wegen eines lückenhaften Vortrags abzuweisen (BGH, Urt. v. 2. Juli 1996, X ZR 64/94, NJW 1996, 2924, 2925). Unzulässig ist eine Schadensschätzung jedoch, wenn sie mangels
greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (BGHZ 91, 243, 256 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 1993, X ZR 65/92, NJW 1994, 663, 665). Daß - und ggf. von wem und mit welchen Gründen - diese Grundsätze in Zweifel gezogen werden, mithin Klärungsbedarf bestehen könnte, haben die Kläger nicht dargelegt. Der Sache nach rügen sie lediglich, daß das Berufungsgericht eine Schadensschätzung trotz hinreichender Anknüpfungstatsachen unterlassen hat. Ob die von den Klägern, ggf. unter Bezugnahme auf den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten, vorgetragenen Tatsachen eine ausreichende Schätzungsgrundlage, sei es auch nur für die Feststellung eines Mindestschadens, abgegeben hätten, ist indes eine Frage der zutreffenden Rechtsanwendung im Einzelfall und einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.
c) Ebensowenig kommt der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage zu, ob nach § 463 Satz 2 BGB a.F. auch solche Schadenspositionen zu ersetzen sind, die zwar durch den arglistig verschwiegenen Umstand verursacht sind, dem Verkäufer jedoch nicht bekannt waren. Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage scheitert an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit. In ihrer Beschwerdebegründung weisen die Kläger selbst darauf hin, daß das Berufungsgericht ihrem Vorbringen, sämtliche Gebäudeschäden seien auf eine einzige Ursache - nämlich auf das den Verkäufern bekannte Kippen der Gebäudetrennwand - zurückzuführen, nicht gefolgt ist. Das Berufungsgericht ist vielmehr von dem Vorliegen mehrerer verschiedener Fehler des verkauften Hauses ausgegangen. Danach scheidet wegen derjenigen Fehler, die der Beklagten zu 1 und ihrem Ehemann nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bekannt waren, ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. schon mangels Arglist aus, ohne
daß es auf die Beantwortung der von den Beklagten angesprochenen Frage ankäme, ob sich die Kenntnis des Verkäufers auch auf die Folgen eines arglistig verschwiegenen Fehlers erstrecken muß. Darüber hinaus enthält die Beschwerdebegründung keinerlei Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Die Kläger verweisen lediglich darauf, daß sich das Arglisterfordernis nach der Rechtsprechung des Senats nur auf den Fehler der Kaufsache als solchen, nicht jedoch auf die daraus resultierenden weiteren Schadensfolgen bezieht (Senat, Urt. v. 12. Juli 1991, V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901; vgl. auch Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550). Daß und von wem dies bestritten würde, haben die Kläger hingegen wiederum nicht dargelegt. Da die Rechtsfrage auslaufendes Recht betrifft, hätten die Kläger zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit überdies aufzeigen müssen, daß eine höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungweisend sein kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (vgl. zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO: BFH/NV 1997, 347, 348; 2000, 1080; 2003, 186, 187; zu § 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO: BVerwG, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 129; NVwZ-RR 1996, 712 m.w.N.; zu § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG: BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr. 19). Auch daran läßt es die Beschwerde fehlen.
d) Geht es nicht um die Klärung einer für eine Vielzahl von Fällen bedeutsamen Rechtsfrage, so kommt einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zu, wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits, insbesondere dessen tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht, nicht nur für die Vermögensinteressen der Parteien, sondern auch für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes
zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 105; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungs- band, § 543 Rdn. 11; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 19). Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt ist der Beschwerdebegründung jedoch kein Hinweis zu entnehmen.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Zulassung der Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Ein solcher Anlaß besteht für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, m.w.N.; Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, NJW-RR 2003, 132; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO: BFHE 196, 30, 35; BFH/NV 2002, 51, 52; 682, 683). Dies ist nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung nicht der Fall, wie bereits die von den Klägern in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats belegt.
3. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist ferner nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist zunächst in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung
eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180; Beschl. v. 31. Oktober 2002, V ZR 100/02, WM 2003, 259; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 66; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, NJW 2002, 2473 f; Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO; zu § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG: Senat, BGHZ 89, 149, 151). Diese Voraussetzung zeigen die Kläger in ihrer Beschwerdebegründung nicht auf. Zwar rügen sie, das Berufungsgericht sei entgegen der bereits genannten Entscheidung des Senats vom 12. Juli 1991 fehlerhaft davon ausgegangen, der Verkäufer habe nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen, hinsichtlich derer ihm Vorsatz nachgewiesen werden könne. Damit hat das Berufungsgericht jedoch keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von der Rechtsprechung des Senats abweicht. Es kann sich allenfalls um eine fehlerhafte, die Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beachtende Rechtsanwendung handeln, wodurch jedoch eine Divergenz nicht begründet wird (MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 543 Rdn. 16; vgl. auch Senat, Beschl. v. 1. Juli 1977, V BLw 1/77, AgrarR 1977, 387, 388, std. Rspr. zu § 24 LwVG; zu § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG: BAG, AP Nr. 33 zu § 72a ArbGG 1979).
b) Obgleich der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht auf die geschilderten Fälle der Divergenz beschränkt ist, sind seine Voraussetzungen nicht
schon dann erfüllt, wenn - was zu Gunsten der Kläger unterstellt werden mag - die Entscheidung des Berufungsgerichts, gemessen an der Rechtsprechung des Senats, fehlerhaft ergangen wäre. Mit der Einführung dieses Zulassungsgrundes wollte der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof nicht die Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung in dem Sinne auferlegen, daß Entscheidungen der Instanzgerichte in jedem Fall auf ihre Richtigkeit revisionsrechtlich zu überprüfen und ggf. zu korrigieren sind. Erforderlich ist vielmehr, daß über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO, 260; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030 m.w.N.). Nur eine solche restriktive Auslegung entspricht dem mit der Neuregelung des Zugangs zur Revisionsinstanz - ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks. 14/4722, S. 66) - verfolgten Zweck, im Interesse der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 331 f; Wenzel, NJW 2002, 3353) das Rechtsmittel nur für solche Sachen zu eröffnen, deren Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt, weil hierbei Fragen auch mit Blick auf die Wiederholung ähnlicher Fälle zu beantworten sind oder sonstige Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berührt werden.
aa) Im danach maßgeblichen Interesse der Allgemeinheit liegt die Korrektur eines fehlerhaften Berufungsurteils zum einen dann, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, die nicht den Charakter einer Divergenz im her-
kömmlichen Sinn haben. Die hierdurch bestimmte Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Leitentscheidung muß sich aus konkreten Anhaltspunkten ergeben , wie etwa aus einer ständigen Fehlerpraxis, die eine Wiederholung des Rechtsfehlers durch das Gericht besorgen läßt, oder aus der ernsthaften Gefahr einer Nachahmung durch andere Gerichte (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO, 2474; Beschl. v. 19. September 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 4. September 2002, VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783, 3784; Beschl. v. 27. November 2002, VIII ZB 33/02, NJWRR 2002, 229; zu § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 22). Die Evidenz oder das Gewicht eines Rechtsfehlers kann in diesem Zusammenhang keine Bedeutung erlangen; denn diese Umstände sprechen eher gegen als für die Gefahr einer Wiederholung oder Nachahmung (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO, 67). Daß dem ihrer Ansicht nach vorliegenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts eine symptomatische Bedeutung oder Signalwirkung zukäme, haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.
bb) Darüber hinaus besteht ein maßgebliches Allgemeininteresse an einer korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts auch dann, wenn das Berufungsurteil auf einem Rechtsfehler beruht, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 66, 104).
(1) Für eine Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt kommt es wiederum nicht darauf an, ob der Rechtsfehler in dem Sinne offensichtlich ist, daß er von jedermann oder zumindest von einem Fachkundigen ohne weiteres erkannt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Beschl. v. 31. Oktober 2002, aaO; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, aaO; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BGHSt 24, 15, 21; Göhler/Seitz, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rdn. 5 m.w.N.). Angesichts der individuell unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten , für die auch der Grad der Komplexität und Spezialität des jeweiligen Einzelfalls in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von maßgebender Bedeutung ist, ließe sich eine so verstandene Evidenz rational schwerlich begründen (vgl. Krugmann, JuS 1998, 7, 10). Vor allem aber wird das Vertrauen in die Rechtsprechung nicht allein dadurch gefährdet, daß ein Rechtsfehler leicht erkennbar ist. Ein solcher Fall wird eher als gelegentliche, nicht zu vermeidende Fehlleistung hingenommen. Dementsprechend stellt die Einzelbegründung des Regierungsentwurfes zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (BT-Drucks. 14/4722, S. 104) ausdrücklich klar, daß für die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht der formale Aspekt der Offensichtlichkeit eines Rechtsfehlers entscheidend ist. Maßgeblich soll vielmehr sein, ob eine fehlerhafte Entscheidung erhebliches Gewicht dadurch erlangt, daß im konkreten Fall Verfahrensgrundrechte verletzt sind oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt. Soweit in allgemeinen Ausführungen der Entwurfsbegründung zur Neufassung der Zulassungsgründe davon die Rede ist, eine Ergebniskorrektur sei nicht nur wegen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts , sondern auch wegen "offensichtlicher Unrichtigkeit" des Berufungsurteils geboten (BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104), können mithin nur die Fälle der Willkür angesprochen sein, in denen sich die Rechtsauslegung
oder Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht so weit von den gesetzli- chen Grundlagen entfernt, daß sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr vertretbar und in diesem Sinne evident fehlerhaft ist.
(2) Ein schwerer, das Vertrauen der Allgemeinheit in eine funktionierende Rechtsprechung gefährdender Rechtsfehler liegt nach alledem vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung oder Anwendung von Vorschriften des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts gegen grundlegende, verfassungsrechtlich abgesicherte Gerechtigkeitsanforderungen verstoßen hat und die Entscheidung deshalb von Verfassungs wegen einer Korrektur bedarf (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZR 75/02, aaO; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung namentlich zuzulassen , wenn die anzufechtende Entscheidung auf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder auf einer Verletzung der Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers - insbesondere der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - beruht, so daß nicht zweifelhaft ist, daß sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegen würde (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO, 3181; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030; zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG: BVerfG, NJW 1992, 2811, 2812; Göhler/Seitz, OWiG, aaO, § 80 Rdn. 16a; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO: BFH/NV 2002, 798, 799; 1474, 1475; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819 f). Der Revision kommt auf diese Weise auch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen (vgl. Begrün-
dung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 104; Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3356). Für ihre Zulassung wegen eines Rechtsfehlers des Berufungsgerichts sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil führen würden. Die Orientierung an der Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts ermöglicht den Parteien eine ausreichend sichere Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision, womit dem rechtsstaatlichen Gebot einer möglichst klaren und bestimmten Regelung des Zugangs zu den Rechtsmittelgerichten (BVerfGE 54, 277, 292 f; 74, 228, 234; 87, 48, 65; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. September 2002, aaO, 3783) Genüge getan ist. Für die in der Literatur verschiedentlich geäußerten Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO geregelten Zulassungsgrundes (Rimmelspacher in Festschrift für Schumann, 2001, S. 327, 347; ders., LMK 2003, 11, 12; Büttner, MDR 2001, 1201, 1203 f; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911, 918; vgl. auch Schultz, BGH-Report 2002, 1110, 1111) fehlt es daher an einer Grundlage. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen gefordert hat, der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte müsse "offenkundig" sein (Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, aaO, 3030, 3031; Beschl. v. 25. Juli 2002, aaO; krit. deshalb Scheuch/Lindner, NJW 2003, 728, 730; Rimmelspacher, LMK 2003, 11, 12), war damit kein zusätzliches Erfordernis geschaffen, sondern nur an die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begründung eines Verfassungsverstoßes geforderte Qualität der Rechtsverletzung (vgl. etwa BVerfGE 42, 237, 241; 67, 90, 95; 73, 339, 366; 86, 133, 143; 87, 282, 286; BVerfG, NJW 1988, 1456; 2001, 3533) angeknüpft worden.
Hiervon - zwar nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung - abwei- chend vertritt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 1. Oktober 2002 (XI ZR 71/02, NJW 2003, 65, 67) die Auffassung, in den Fällen einer offensichtlichen Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Willkürverbot komme - falls nicht die Voraussetzungen einer Divergenz bzw. einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr erfüllt sind - nur die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht. Seinem Wortlaut nach stelle § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO nicht auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung, sondern allein auf die davon zu unterscheidende Einheitlichkeit der Rechtsprechung ab. Hierbei wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß bereits jede fehlerhafte Gerichtsentscheidung unabhängig vom Vorliegen einer Divergenz oder einer Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr die Einheitlichkeit der Rechtsprechung stört, weil sie auf einer Rechtsanwendung beruht, die von derjenigen aller übrigen, das Recht richtig anwendenden Gerichte abweicht (Büttner, MDR 2001, 1201, 1203; vgl. auch Baukelmann in Festschrift für Erdmann, 2002, S. 767, 770). Bei weitem Verständnis bedürfte es daher zur Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung der Korrektur einer jeden fehlerhaften Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht (Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., Stand: März 1998, § 80 Rdn. 4). Da dies jedoch - wie bereits ausgeführt (oben 3 b) - die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofes in Frage stellen würde, hat der Gesetzgeber bei § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO den Zugang zur Revisionsinstanz auf Rechtssachen beschränkt, die die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berühren und deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es geht also entgegen der Auffassung des XI. Zivilsenats nicht darum, einen Zulassungsgrund zu schaffen, der in dem
Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, sondern um eine an dem Gesetzeszweck orientierte Auslegung einer Vorschrift, deren Wortsinn mehre- re Deutungen zuläßt. Zur Feststellung des Allgemeininteresses, dessen Notwendigkeit der XI. Zivilsenat ebenfalls bejaht, ist es aber auch von Bedeutung, ob der jeweilige, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung störende Rechtsfehler geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen. Ist dies der Fall, dann soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Korrektur grob fehlerhafter Berufungsurteile durch das Revisionsgericht ermöglichen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrucks. 14/4722, S. 104; ebenso BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, aaO; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 542 Rdn. 5, § 543 Rdn. 8, 13; Hannich in Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23). Demgemäß ergibt sich auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs, daß der Zulassungsgrund der Grundsätzlichkeit durch § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO mit seinem herkömmlichen Begriffsinhalt in das neue Recht übernommen werden soll. Dem Anliegen , die Revision darüber hinaus namentlich auch in Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten zu eröffnen, tragen erst die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO Rechnung (BT-Drucks. 14/4722, S. 104).
Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken, die im übrigen auch der ganz überwiegenden Ansicht zur gleichlautenden Vorschrift des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO entspricht (BFH/NV 2002, 51, 52; 213, 214; 682, 683; 798, 799; 802; 1474, 1475; 1488; Gräber/Ruban, FGO, 5. Aufl., § 115 Rdn. 68; Rüsken, DStZ 2000, 815, 819; Spindler, DB 2001, 61, 62; Lange, DStZ 2002, 782, 784; offen gelassen von BFHE 196, 30, 34, 37; BFH/NV 2002, 666, 667). Anlaß für eine Vorlage an
den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG besteht nicht, weil die Frage, ob die Rüge eines Rechtsfehlers mit verfassungsrechtlicher Relevanz unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO oder unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zu subsumieren ist, lediglich die Begründung der Entscheidung betrifft, deren Ergebnis jedoch nicht berührt. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 m.w.N.).
(3) In der Begründung ihrer Beschwerde legen die Kläger nicht dar, daß das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil verfassungsrechtliche Gewährleistungen verletzt hätte.
a) Das Berufungsgericht hat das Willkürverbot nicht mißachtet. Ist die richterliche Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts willkürlich, so stellt dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muß mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfGE 42, 64, 74; 67, 90, 94; 80, 48, 51; 87, 273, 278 f; 89, 1, 14; BVerfG, NJW 1988, 1456, 1458; 1994, 1210, 1211; 1994, 2279; 1996, 1336; 1996, 1531; 1997, 311; 1997, 649; 1998, 2583, 2584; 1999, 207, 208; 2001, 1125 f; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Damit sind insbesondere - aber nicht nur - die Fälle erfaßt, in denen der Bundesgerichtshof bislang eine greifbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung angenommen hat (vgl. BGHZ 28, 349, 350; 109,
41, 43 f; 119, 372, 374; BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1985, VI ZB 13/85, NJWRR 1986, 738; Urt. v. 24. Juni 1987, IVb ZR 5/86, NJW 1988, 49, 51; Beschl. v. 14. Dezember 1989, IX ZB 40/89, NJW 1990, 1794, 1795; Beschl. v. 14. November 1991, I ZB 15/91, NJW 1992, 983, 984; vgl. auch Lange, DStZ 2002, 782, 785, 786).
Die Kläger meinen, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, daß der Verkäufer nach § 463 Satz 2 BGB a.F. nur solche Schadenspositionen zu ersetzen habe, die ihm bekannt gewesen seien. Es bedarf keiner Entscheidung , ob sich eine derartige Rechtsauffassung unter keinem Aspekt vertretbarer begründen ließe, mithin als willkürlich anzusehen wäre. Sie liegt nämlich der anzufechtenden Entscheidung tatsächlich nicht zugrunde. Das Berufungsgericht hat - abweichend vom Vorbringen der Kläger in der Berufungsinstanz - angenommen, das Wohnhaus weise nicht nur einen, sondern mehrere unterschiedliche Fehler auf. Da es ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 und ihres Ehemannes nur hinsichtlich der gekippten Gebäudetrennwand festzustellen vermochte, hat es einen Schadensersatzanspruch der Kläger wegen der sonstigen Fehler verneint. Damit hat das Berufungsgericht das Vorsatzerfordernis nur auf die Fehler als solche, nicht jedoch auf die daraus resultierenden Schadensfolgen bezogen.
b) Das Berufungsgericht hat auch nicht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zwar verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar
ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet , sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen läßt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, daß tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 25, 137, 140; 47, 182, 187 f; 54, 86, 92; 65, 293, 295 f; 69, 233, 246; 70, 288, 293; 85, 386, 404; 88, 366, 375 f; BVerfG, NJW 1994, 2279; NVwZ 1995, 1096; NJW 1998, 2583, 2584; NJWRR 2002, 68, 69). Solche Umstände haben die Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargetan.
Die Kläger rügen, daß das Berufungsgericht trotz ihres Antrags kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt hat, ob sämtliche Gebäudemängel ursächlich zusammenhängen und auf die - den Verkäufern bekannte - Kippung der Gebäudetrennwand zurückzuführen sind. Zwar hat sich das Berufungsgericht in den Gründen der anzufechtenden Entscheidung mit diesem Beweisantrag der Kläger nicht ausdrücklich befaßt. Dies allein läßt jedoch nicht darauf schließen, es habe den Beweisantrag nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen. Denkbar ist vielmehr, daß das Berufungsgericht bereits aufgrund der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten die Überzeugung gewonnen hat, das Haus weise mehrere, auf unterschiedlichen Ursachen beruhende Fehler auf. In diesem Fall bestand kein Anlaß zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.
Weiterhin meinen die Kläger, das Berufungsgericht habe eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der aus Bauschutt bestehenden Anschüttung im Garten des Hausgrundstücks mit der Begründung verneint, die Schuttablagerung sei offensichtlich und deshalb nicht aufklärungsbedürftig gewesen. Dabei habe das Berufungsgericht den unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Kläger übergangen, der Schutthügel sei wegen des Überwuchses als solcher nicht erkennbar gewesen. Tatsächlich läßt sich den Gründen der anzufechtenden Entscheidung jedoch allenfalls entnehmen, daß das Berufungsgericht den Umstand einer nicht aus gewachsenem Boden bestehenden Anschüttung für offensichtlich gehalten hat. Daß es diesen Umstand als Fehler qualifiziert hätte, lassen seine Ausführungen dagegen nicht erkennen. Einen Fehler des Grundstücks hat das Berufungsgericht vielmehr darin gesehen , daß sich die Anschüttung aus beseitigungspflichtigen Abfallmaterialien zusammensetzte. Hiermit hätten die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann allerdings nicht rechnen müssen, so daß ihnen ein Arglistvorwurf nicht gemacht werden könne. Damit hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gerade nicht darauf gestützt, daß die Zusammensetzung der Anschüttung aus Bauschutt ohne weiteres erkennbar, die Schuttablagerung also offensichtlich gewesen sei. Dementsprechend bedurfte es auch keiner Vernehmung des von den Klägern für die mangelnde Erkennbarkeit der Schuttablagerung angebotenen Zeugen.
Schließlich rügen die Kläger, das Berufungsgericht habe den gebotenen Hinweis unterlassen, daß es den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nur für die Zeit der Ausbesserung der Gebäudetrennwand dem Grunde nach für gegeben halte. Da sie ohne einen solchen Hinweis nicht hätten wissen können, wegen welcher Mängel das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch bejahe, sei ihnen die vom Berufungsgericht vermißte Präzisierung
des auf die betreffenden Mängel entfallenden Teils des Nutzungsausfallschadens nicht möglich gewesen. Richtig ist zwar, daß sich aus Art. 103 Abs. 1 GG Hinweispflichten des Gerichts ergeben können, wenn der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ansonsten leerlaufen würde. Die Verfahrensbeteiligten müssen bei Anwendung der von ihnen zu fordernden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Stellt das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag , mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte, dann kommt dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich und stellt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (BVerfGE 84, 188, 190; BVerfG, NJW 2000, 275). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Ein Schadensersatzanspruch kam nach § 463 Satz 2 BGB a.F. ohne jeden Zweifel nur wegen derjenigen Fehler des Hauses in Betracht, die die Beklagte zu 1 und ihr Ehemann bei Vertragsschluß arglistig verschwiegen hatten. Dies mußte den anwaltlich beratenen Klägern ebenso bewußt sein wie der Umstand, daß der von ihnen zu erbringende Arglistnachweis möglicherweise nur hinsichtlich einzelner Fehler zu führen sein würde. Damit hätte der von den Klägern lediglich pauschal geltend gemachte Nutzungsausfallschaden bei sorgfältiger Prozeßführung auch ohne einen entsprechenden Hinweis des Gerichts den einzelnen, sich aus dem Beweissicherungsgutachten ergebenden Fehlern anteilig zugeordnet und in diesem Sinne konkretisiert werden müssen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.