Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. März 2016 - 4 W 61/15 + I-4 W 17/16
Tenor
I. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 61/15
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zu 1) gegen den Ordnungsmittelbeschluss der 14. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum vom 15.01.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in dem angefochtenen Beschluss angeordnete Ersatzordnungshaft im Falle der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes an dem ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1), P, zu vollziehen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin zu 1).
II. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 17/16
Die sofortige Beschwerde des Schuldners zu 2) gegen den Ordnungsmittelbeschluss der 14. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum vom 08.10.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner zu 2).
1
G r ü n d e
2A.
3Das Landgericht verurteilte – jeweils unter Androhung von Ordnungsmitteln – die Schuldnerin zu 1),
4es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „Klinik S“ zu werben, ohne durch deutliche Zusätze klarzustellen, dass es sich um ein Belegkrankenhaus handelt,
5und den Schuldner zu 2),
6es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für seine ärztlichen Leistungen mit der Aussage zu werben „Es gibt keine hoffnungslosen Fälle“, wenn dies geschieht wie in einer auf Seite 3 der Urteilsurschrift bildlich wiedergegebenen Zeitungsanzeige.
7I. Mit Beschluss vom 15.01.2015 verhängte das Landgericht gegen die Schuldnerin zu 1) wegen einer Zuwiderhandlung gegen die oben bezeichnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 €, ersatzweise für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit für jeweils 250,00 € Ordnungsgeld einen Tag Ordnungshaft, „zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1)“.
8Gegen diesen Beschluss legte Rechtsanwältin I in N mit Schriftsatz vom 23.01.2015 im Namen der Schuldnerin zu 1) sofortige Beschwerde ein.
9Das Landgericht half dieser sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 09.04.2015 nicht ab. Dieses Rechtsmittel ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens I-4 W 61/15.
10II. Mit Beschluss vom 08.10.2015 verhängte das Landgericht gegen den Schuldner zu 2) wegen einer Zuwiderhandlung gegen die oben bezeichnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 €, ersatzweise für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit für jeweils 250,00 € Ordnungsgeld einen Tag Ordnungshaft.
11Gegen diesen Beschluss legte Rechtsanwältin I mit Schriftsatz vom 29.10.2015 im Namen des Schuldners zu 2) sofortige Beschwerde ein.
12Das Landgericht half dieser sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 28.01.2016 nicht ab. Dieses Rechtsmittel ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens I-4 W 17/16.
13B.
14I. Beschwerdeverfahren I-4 W 61/15
151. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Insbesondere teilt der Senat die vom Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss geäußerten Bedenken gegen das Bestehen einer Verfahrensvollmacht der Schuldnerin zu 1) für Rechtsanwältin I nicht. Bestandteil der dem Senat vorliegenden Akten ist eine während des Erkenntnisverfahrens vorgelegte und von dem damaligen Geschäftsführer der Schuldnerin zu 1), dem Schuldner zu 2), unter dem 17.07.2014 sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Schuldnerin zu 1) unterzeichnete (Prozess-)Vollmachtsurkunde (Blatt 43 der Gerichtsakte). Hierin wird Rechtsanwältin I bevollmächtigt, die Schuldnerin zu 1) in der „Zwangsvollstreckung einschließlich der aus ihr erwachsenden besonderen Verfahren“ zu vertreten (Ziffer 13. des Vollmachtstextes) sowie Rechtsmittel einzulegen (Ziffer 11. des Vollmachtstextes). Es ist nicht ersichtlich, dass diese Vollmacht nachträglich erloschen ist. Der Geschäftsführerwechsel bei der Schuldnerin zu 1) im Dezember 2014 ließ den Bestand der Vollmacht unberührt. Dem vom Gläubiger vorgelegten Schreiben der (beiden) Schuldner vom 11.12.2014 (Blatt 183-184 der Gerichtsakte) lässt sich auch nichts Gegenteiliges entnehmen.
162. Das Rechtsmittel hat in der Sache allerdings keinen Erfolg.
17a) Das Landgericht ist zu Recht von einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die im Urteil ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung ausgegangen. Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes sowie der festgesetzten Ersatzordnungshaft sind nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie des Nichtabhilfebeschlusses.
18b) Einer klarstellenden Ergänzung bedarf allerdings die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Anordnung von Ersatzordnungshaft. Den Gründen des Nichtabhilfebeschlusses ist zu entnehmen, dass das Landgericht davon absehen wollte, die natürliche Person, an der im Falle der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes die Haft zu vollziehen ist, namentlich konkret zu benennen. Auf diese namentliche Benennung kann indes nicht verzichtet werden. Wird im Ordnungsmittelverfahren gegen eine juristische Person Ordnungshaft oder Ersatzordnungshaft festgesetzt, ist der organschaftliche Vertreter der juristischen Person, an dem die Haft vollzogen werden soll, im Ordnungsmittelbeschluss namentlich zu benennen (BGH, Urteil vom 16.05.1991 – I ZR 218/89 – [Fachliche Empfehlung II]
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Ermäßigung oder Nichterhebung der im Beschwerdeverfahren anfallenden Gerichtsgebühr nach Nr. 2121 des Kostenverzeichnisses zum GKG besteht kein Anlass.
20II. Beschwerdeverfahren I-4 W 17/16
21Die – zulässige – sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie des Nichtabhilfebeschlusses.
22Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Ermäßigung oder Nichterhebung der im Beschwerdeverfahren anfallenden Gerichtsgebühr nach Nr. 2121 des Kostenverzeichnisses zum GKG besteht kein Anlass.
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners zu 2 wird der Beschluss der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 2011 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit abgeändert , als zum Nachteil des Schuldners zu 2 ein Ordnungsgeld festgesetzt worden ist.
Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner zu 2 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Gläubigerin und die Schuldnerin zu 1 je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen die Gläubigerin diejenigen des Schuldners zu 2 und die Schuldnerin zu 1 die Hälfte derjenigen der Gläubigerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen der Gläubigerin zur Last.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Schuldnerin zu 1 (nachfolgend Schuldnerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist im Direktvertrieb tätig. Der Schuldner zu 2 (nachfolgend Schuldner) ist Geschäftsführer der Schuldnerin.
- 2
- Das Landgericht Berlin hat beiden Schuldnern bestimmte Behauptungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferungen untersagt. Wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot hat das Landgericht gegen die Schuldner als Gesamtschuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 €, ersatzweise für je 500 € ein Tag Ordnungshaft, zu vollziehen am Schuldner, festgesetzt. Die dagegen nur vom Schuldner eingelegte Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter, den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.
- 3
- II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
- 4
- 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Seien - wie im vorliegenden Fall - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihr Geschäftsführer zur Unterlassung verpflichtet und habe der Geschäftsführer schuldhaft gegen das gerichtliche Verbot verstoßen, sei ein einheitliches Ordnungsgeld gegen beide Schuldner festzusetzen, für das diese als Gesamtschuldner hafteten.
- 5
- 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 6
- a) Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rah- men der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 5 W 99/07, juris; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 405; Schuschke/Walker/Sturhahn, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 45; für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes und Haftung als Gesamtschuldner OLG Hamm, NJW-RR 1987, 383 und WRP 2000, 413, 417; OLG Braunschweig, WRP 1990, 723, 724; Ahrens in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 68 Rn. 8; MünchKomm.UWG/Ehricke, Vor § 12 Rn. 167; weitergehend für Festsetzung getrennter Ordnungsgelder OLG Köln, Beschluss vom 25. April 2007 - 6 W 40/07, juris Rn. 1 und 3).
- 7
- b) Ist Vollstreckungsschuldner eines Unterlassungsgebots ausschließlich eine juristische Person, ist bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung das Ordnungsgeld gegen die juristische Person und die ersatzweise bestimmte Ordnungshaft gegen das Organmitglied festzusetzen, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1991 - I ZR 218/89, GRUR 1991, 929, 931 = WRP 1993, 467 - Fachliche Empfehlung II; OLG Koblenz, VersR 1997, 1556, 1557; OLG Jena, InVo 2002, 121; MünchKomm.ZPO/ Gruber, 3. Aufl., § 890 Rn. 24; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 890 Rn. 6; für ein wahlweises Ordnungsgeld gegen die juristische Person oder das Organ Musielak /Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rn. 12; für Ordnungsmittel nur gegen die Organe Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 890 Rn. 55). Entsprechendes gilt, wenn auch das Organ neben der juristischen Person Titelschuldner ist und sein schuldhaftes Verhalten, das Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens ist, der juristischen Person nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Die juristische Person ist selbst nicht handlungsfähig. Sie handelt durch ihre Organe. Deren schuldhafte Zuwiderhandlung muss sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die juristische Person und ihre Organe nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen setzt daher nur einen schuldhaften Verstoß des Organs gegen das Unterlassungsgebot voraus. Dagegen besteht kein Anlass, aufgrund einer der juristischen Person zurechenba- ren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen.
- 8
- Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO, die neben der Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven strafähnlichen Sanktionscharakter haben (vgl. BVerfGE 58, 159, 162; BVerfG, NJW-RR 2007, 860 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 345 f. - Euro-Einführungsrabatt; Köhler in Köhler/ Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 6.12; Zöller/Stöber aaO § 890 Rn. 5). Damit ist schwerlich vereinbar, dass aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festgesetzt wird.
- 9
- Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren nicht überflüssig. Diese erlangt vielmehr ihre Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115 f.; Urteil vom 13. Januar 1987 - VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298, 300). Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat.
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 11.02.2011 - 15 O 389/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 24.05.2011 - 5 W 64/11 -
Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.