Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 05. Apr. 2016 - 9 U 10/16

bei uns veröffentlicht am05.04.2016

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.12.2015, Aktenzeichen 306 O 365/13, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger kann hierzu binnen 2 Wochen Stellung nehmen.

Gründe

1

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage auf Leistung einer Entschädigung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag in Verbindung mit den Regelungen der VHB 2002 sowie den Besonderen Bedingungen für den Hausrat-Baustein „Sicherheit“ mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger nicht mit der für eine Verurteilung der Beklagten erforderlichen Sicherheit bewiesen hat, dass sein Kraftfahrzeug HH -... zum Zeitpunkt des Diebstahls verschlossen war und in das Fahrzeug eingebrochen wurde.

2

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

3

Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag besteht Versicherungsschutz nicht für Kraftfahrzeuge (§ 1 Nr. 6b VHB 2002), sondern nur innerhalb der Grenzen des versicherten Objektes, hier also grundsätzlich nur für den in der ständig bewohnten Wohnung befindlichen Hausrat mit einer Versicherungssumme von 164.500 €. Nach dem Inhalt des als Anlage BLD 1a eingereichten Versicherungsscheins haben die Parteien diesen Versicherungsschutz unter dem Baustein „Sicherheit“ räumlich erweitert und den Diebstahl aus Kraftfahrzeugen bis 1% der Versicherungssumme mit einer Selbstbeteiligung von 50 EUR je Versicherungsfall mitversichert. Nach Ziffer 3.1 der Besonderen Bedingungen für den Hausrat-Baustein „Sicherheit“ besteht in Erweiterung von §§ 3 Nr. 1 b) und 5 VHB 2002 Versicherungsschutz gegen Schäden durch Diebstahl von Hausrat aus verschlossenen Kraftfahrzeugen und den mit ihnen verbundenen Anhängern. Durch die Bezugnahme auf die §§ 3, 5 VHB 2002 und das in Ziffer 3.1 der Besonderen Bedingungen ausdrücklich erwähnte Erfordernis eines „verschlossenen“ Kraftfahrzeugs ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung unschwer zu erkennen, dass der Eintritt des Versicherungsfalles einen Einbruchdiebstahl in ein verschlossenes Kraftfahrzeug voraussetzt. Versicherungsschutz besteht deshalb nur, wenn die Fahrzeugtüren tatsächlich abgeschlossen gewesen sind und die Sachen weggenommen worden sind, nachdem in das Kraftfahrzeug eingebrochen worden ist. Die Würdigung des Landgerichts, dass der Kläger nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme einen versicherten Einbruchdiebstahl bei „verschlossenen“ Fahrzeugtüren nicht nachgewiesen habe, ist nicht zu beanstanden. Diese Würdigung wird auch durch die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung nicht entkräftet.

4

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20.12.2006 - IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 f.; Urteil vom 18.10.2006 - IV ZR 130/05, VersR 2007, 102 f.; Urteil vom 17.05.1995 - IV ZR 279/94, VersR 1995, 909), der der Senat folgt, genügt der Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Diebstahl seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine versicherte Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die bei einem Einbruchdiebstahl das äußere Bild ausmachen, gehört, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren und dass Einbruchspuren vorhanden sind, wenn nicht ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt. Da der Kläger zu den Voraussetzungen eines Nachschlüsseldiebstahls schon nichts vorgetragen hat, gehört zum äußeren Bild des Einbruchdiebstahls das Vorhandensein von Einbruchspuren. Unter Berücksichtigung der Aussage der Zeugin ... und der Tatsache, dass die als gestohlen gemeldeten Ausweispapiere, diverse Karten und ein Schlüsselbund zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgefunden worden sind, mag zwar davon auszugehen sein, dass die in der Klage aufgeführten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl im Kraftfahrzeug vorhanden und nicht mehr aufzufinden waren, nachdem die Zeugin den Einkaufswagen zurückgebracht hatte und zum Fahrzeug zurückgekehrt war. Zutreffend geht das Landgericht jedoch davon aus, dass damit noch nicht der Nachweis geführt worden ist, dass die Zeugin die Fahrzeugtüren, nachdem sie die als gestohlen gemeldeten Sachen in den Fußraum der Beifahrerseite gelegt hatte, auch wieder ordnungsgemäß verschlossen hat. Zwar hat die Zeugin ausgesagt, sie habe das Fahrzeug wie üblich per Fernbedienung verschlossen, es habe geblinkt und sie habe auch gehört, dass sich das Fahrzeug verschlossen habe. Unstreitig ist jedoch, dass überhaupt keine Einbruchspuren an dem klägerischen Fahrzeug festgestellt worden sind. Schon dieser Umstand spricht gegen die Annahme, dass die Zeugin das Kraftfahrzeug ordnungsgemäß verschlossen haben kann, denn es ist nicht nachvollziehbar, wie die Sachen innerhalb von nur wenigen Minuten ohne irgendwelche erkennbaren Aufbruchspuren aus dem Fahrzeug gestohlen worden sein können, wenn dieses ordnungsgemäß verschlossen gewesen wäre. Das ist nach Auffassung des Senats nur möglich, wenn entweder das Verschließen des Fahrzeugs vergessen wurde oder - wie der Kläger behauptet hat - durch Manipulation mithilfe eines sogenannten „Jammer" verhindert worden ist, dass sich die Fahrzeugtüren schließen. In beiden Fällen fehlt es jedenfalls an einem Nachweis des Diebstahls aus einem „verschlossenen" Fahrzeug im Sinne der Versicherungsbedingungen. Denn versichert ist hier nicht der „einfache Diebstahl", sondern nur die qualifizierte Form des Diebstahls, die in den Versicherungsbedingungen mit dem Oberbegriff „Einbruchdiebstahl" bezeichnet wird. Dazu ist nötig, dass die vorgefundenen Spuren die Annahme rechtfertigen, dass hierdurch im Sinne der Versicherungsbedingungen eingebrochen, eingestiegen oder eingedrungen wurde. Vorliegend gibt es aber schon keine Spuren, die die Annahme eines Einbruchs rechtfertigen können. Denn Einbrechen als gewaltsames Eindringen setzt einen nicht unerheblichen Kraftaufwand voraus. Angesichts der fehlenden Einbruchspuren kann schon nicht angenommen werden, dass der Täter hier körperliche Kraft aufwenden musste, um das Fahrzeug zu öffnen. Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Schleswig vom 04.03.2010 (Az.: 16 U 44/09). Auch danach erfordert der erleichterte Nachweis eines Einbruchdiebstahls „das Vorliegen von Spuren, die für einen Einbruch sprechen". Solche Spuren gibt es hier unstreitig nicht.

5

Soweit der Kläger meint, dass der Einsatz eines „Jammer" entweder das Eindringen mittels eines falschen Schlüssels oder eines anderen, nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmten Werkzeugs darstelle, vermag auch dieser Einwand der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es kann offen bleiben, ob ein „Jammer" nach seiner Funktionsweise überhaupt ein falscher Schlüssel oder ein nicht zum Öffnen bestimmtes Werkzeug im Sinne der Versicherungsbedingungen sein kann. Denn durch „Jamming" wird die Fahrzeugtür nicht geöffnet, sondern die Funkfernbedienung des Schlüssels dergestalt blockiert, dass die Fahrzeugtüren schon gar nicht abgeschlossen werden können. Auch bei Einsatz eines sogenannten „Jammer" wäre das Fahrzeug somit nicht „verschlossen" im Sinne von Ziffer 3.1 der Besonderen Bedingungen gewesen. Außerdem hat der Kläger auch keinen Nachweis dafür erbracht, dass es vorliegend tatsächlich zu einer gezielten Störung der Funkübertragung durch „Jamming" in dem Moment gekommen ist, als die Zeugin die Funkfernbedienung betätigt hat. Angesichts fehlender Einbruchspuren und nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme kann auch die Möglichkeit, dass die Zeugin das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß abgeschlossen hat, nicht ausgeschlossen werden. In jedem Fall fehlt es am Nachweis eines versicherten Einbruchdiebstahls aus einem verschlossenen Kraftfahrzeug.

6

Schließlich ist das Landgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass selbst im Falle eines Einbruchdiebstahls aus einem „verschlossenen" Kraftfahrzeug lediglich 1% der Versicherungssumme mit einer Selbstbeteiligung von 50 EUR je Versicherungsfall, also ein Schadensbetrag in Höhe von 1.595,00 € versichert gewesen wäre. Soweit der Kläger meint, dass die als gestohlen gemeldeten Gegenstände im Rahmen der Außenversicherung bis zu 30% der Versicherungssumme, also bis zu einer Summe von 49.350,00 € versichert gewesen seien, verkennt er zum einen, dass auch der Außenversicherungsschutz gegen das Einbruchdiebstahlrisiko gebäudegebunden ist. Kein Versicherungsschutz besteht danach bei der Entwendung versicherter Sachen nach einem Einbruch in ein Kraftfahrzeug, wenn sich dieses - wie hier - nicht in einem Gebäude befunden hat (vgl. Beckmann/Matusche-Beckman/Rüffer, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage, § 32 R. 149 m.w.N.). Zum anderen müssen die Schäden - wie sich unzweifelhaft aus § 11 Nr. 4 VHB 2002 ergibt - durch einen Einbruchdiebstahl entstanden sein. Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, hat der Kläger aber nicht zu beweisen vermocht.

7

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

8

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz bei Rücknahme der Berufung auf die Hälfte ermäßigen.

Urteilsbesprechung zu Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 05. Apr. 2016 - 9 U 10/16

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 05. Apr. 2016 - 9 U 10/16 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2006 - IV ZR 130/05

bei uns veröffentlicht am 18.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 130/05 Verkündetam: 18.Oktober2006 Fritz Justizangestellte alsUrkundsbeamtin derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2006 - IV ZR 233/05

bei uns veröffentlicht am 20.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 233/05 Verkündetam: 20.Dezember2006 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: nein

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 233/05 Verkündetam:
20.Dezember2006
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
AVB Hausratversicherung (hier VHB 92 § 5)
Behauptet der Versicherungsnehmer, ein Einbrecher sei durch Aufhebeln einer Loggiatür
in die versicherte Wohnung eingedrungen, so gehört es nicht zu den Mindesttatsachen
für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls, dass der Versicherungsnehmer
darlegt, auf welche Weise der Täter auf die im ersten Stock des Hauses belegene
Loggia gelangt ist.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2006 - IV ZR 233/05 - HansOLG Bremen
LG Bremen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf,
die Richter Felsch und Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom
20. Dezember 2006

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20. September 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, der bei der Beklagten eine Hausratversicherung nach Maßgabe der VHB 92 unterhält, fordert eine Versicherungsleistung in Höhe von 40.615 € wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls.
2
Danach soll mindestens ein unbekannter Täter in der Nacht zum 31. Mai 2003 auf nicht geklärte Weise die im ersten Stock belegene, zur Wohnung des Klägers gehörende Loggia erklommen, dort die zum Schlafzimmer der Wohnung führende Balkontür aufgehebelt und aus der Wohnung 1.700 € Bargeld sowie zahlreiche Gegenstände, darunter einen Laptop mit Drucker, Kameras, Schmuck und 23 Herrenarmbanduhren entwendet haben. Dazu sollen zwei an der Bodenplatte des Schlafzimmerschrankes verschraubte Möbeltresore gewaltsam herausgerissen und mitgenommen worden sein.
3
Die vom Kläger in den frühen Morgenstunden des 31. Mai 2003 herbeigerufene Polizei fand seine Wohnung durchwühlt und an der Balkontür Hebelspuren vor. Inwieweit diese den Schluss darauf zulassen, dass die Balkontür aufgehebelt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig, von den Vorinstanzen aber offen gelassen worden.
4
Die Beklagte hat Versicherungsleistungen unter anderem deshalb verweigert, weil ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl nicht erwiesen , insbesondere nicht geklärt sei, wie der oder die Täter auf die Loggia gelangt seien. Dafür gäbe es keine Tatspuren.
5
Mit der Revision verfolgt der in den Vorinstanzen erfolglose Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Revision Die führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zum Beweise des Versicherungsfalles "Einbruchdiebstahl" müsse der Versicherungsnehmer zunächst nur das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung, das heißt ein Mindestmaß von Tatsachen beweisen, die nach der Lebenserfahrung den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zuließen. Dazu gehöre nicht nur, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden gewesen seien, sondern müssten auch Einbruchspuren vorhanden sein. Dafür genügten die Hebelspuren an der Balkontür hier nicht. Behaupte der Versicherungsnehmer das Eindringen des Einbrechers über eine Balkontür, die nur über die Außenwand eines Hauses erreichbar sei, so setze das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls weiter voraus, dass der Versicherungsnehmer schlüssig darlege, wie der Einbrecher zu der Balkontür gelangt sei. Diese Darlegung sei dem Kläger nicht gelungen. Er habe nur spekulativ Möglichkeiten der Tatausführung (Einsatz einer Leiter, Erklettern von herangeschafften Mülltonnen, "Räuberleiter" zweier Täter) in den Raum gestellt, die es nicht nachvollziehbar machten, wie jemand auf die ca. 3,34 m hoch gelegene Loggia gelangt sei, bei der überdies noch ein 90 cm hohes Geländer zu überwinden gewesen wäre, ohne irgendwelche Spuren an der weißen Hauswand oder dem ebenfalls weißen Geländer zu hinterlassen. Soweit der Kläger einen Sachverständigenbeweis und Inaugenscheinnahme des Tatortes beantragt habe, ziele das auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Weiterer, erst in der Berufungsinstanz gehaltener Klägervortrag zu in Tatortnähe gelagerten Aufstieghilfen sei nicht mehr zuzulassen.

8
Das II. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt hat.
9
1. Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung werden von der Rechtsprechung aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zugebilligt (vgl. dazu BGHZ 79, 54, 59 f.; 123, 217, 220; 130, 1, 3 f.; BGH, Urteil vom 14. Juni 1995 - IV ZR 116/94 - VersR 1995, 956 unter 2), von denen auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht. Sie beruhen auf der Überlegung, dass es wegen des für eine Entwendung typischen Bemühens des Täters , seine Tat unbeobachtet und unter Zurücklassung möglichst weniger Tatspuren zu begehen, oft nicht möglich ist, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen. Deshalb sind die Beweiserleichterungen als eine dem Vertrage innewohnende , materiellrechtliche Verschiebung des Eintrittsrisikos zugunsten des Versicherungsnehmers zu verstehen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1983 - IVa ZR 19/82 - VersR 1984, 29 unter I 1 b). Ohne sie wäre der Wert einer Sachversicherung, soweit sie das Diebstahlsrisiko abdeckt, in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe oft schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss der Versicherung gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (BGHZ 79 aaO).

10
Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO; BGHZ 130 aaO). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen , als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind (Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO).
11
2. Solche Tatsachen hat der Kläger hier behauptet und unter Beweis gestellt.
12
Ist eine ordnungsgemäß verschlossene Wohnung durchwühlt, sind Spuren für das gewaltsame Herausreißen ursprünglich an einem Schrankboden verschraubter Möbeltresore vorhanden, befinden sich außen an einer Balkontür Hebelspuren und fehlen zahlreiche zuvor in der Wohnung vorhandene Gegenstände, so lassen diese Umstände in ihrer Gesamtschau mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zu, ergeben mithin das äußere Bild einer solchen Tat.
13
von Die der Beklagten vorgebrachten Bedenken betreffen nicht mehr das äußere Bild des Einbruchdiebstahls, sondern Details des Geschehensablaufs , die der Kläger nicht darlegen musste, weil er sich insoweit in der für Entwendungsfälle typischen Beweisnot befindet und deshalb durch die dargestellten Beweiserleichterungen geschützt werden soll. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Frage, wie es Tätern gelingen konnte, einen Tatort mit umfangreicher Beute (zahlreichen Fellen und Pelzen) trotz hohen Entdeckungsrisikos unbemerkt und spurlos zu verlassen, nicht mehr die für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls maßgeblichen Mindesttatsachen, sondern darüber hinausgehende Einzelheiten der Tatausführung berührt (Senatsurteil vom 14. Juni 1995 aaO). Für die vom Berufungsgericht umfangreich erörterte Frage, wie Täter hier zur Balkontür der im Obergeschoss gelegenen Loggia gelangen konnten, ohne Spuren zu hinterlassen, gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht , das dem Kläger anlastet, er habe - anstatt den Geschehensablauf schlüssig darzulegen - spekulativ mehrere Möglichkeiten des Aufstiegs auf die Loggia in den Raum gestellt, verkennt, dass gerade darin die für Diebstahlsfälle typische Beweisnot des Versicherungsnehmers ihren Ausdruck findet und der Kläger deshalb für die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls zu dieser Frage nichts vorzutragen brauchte. Anders wäre es allenfalls dann, wenn sich ein Aufstieg auf die Loggia völlig ausschließen ließe. Dafür ist aber nichts ersichtlich.

14
3. Die Bedenken des Berufungsgerichts könnten deshalb erst für eine Vortäuschung des Versicherungsfalls bedeutsam werden. Indiztatsachen , für die insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre, müssten dann mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung des Einbruchs schließen lassen. Schon weil das Berufungsgericht dies nicht genügend auseinander gehalten hat, muss die Sache neu verhandelt werden.
Terno Seiffert Dr. Kessal-Wulf
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 24.02.2005 - 6 O 1359/04 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.09.2005 - 3 U 19/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 130/05 Verkündetam:
18.Oktober2006
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Der Beweis für das äußere Bild einer Entwendung eines Tresors erbringt nicht
zugleich das äußere Bild einer Entwendung der sich darin (nach Behauptung des
Versicherungsnehmers) befindlichen Gegenständen, denn die Entwendung des Tresors
lässt nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss darauf zu, das sich
im Tresor Gegenstände befunden haben.
Dem Versicherungsnehmer obliegt es auch in einem solchen Fall darzulegen und zu
beweisen, dass vor dem Diebstahl die später als gestohlen gemeldeten Gegenstände
im Tresor vorhanden waren und danach nicht mehr aufgefunden wurden. Für die
Anwendung des § 287 ZPO ist insoweit kein Raum.
Hat das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der in
erster Instanz auf Grund der Vernehmung eines Zeugen getroffenen Feststellungen
und ordnet es deshalb die erneute Vernehmung dieses Zeugen an, ist ihm der Rück-
griff auf die erstinstanzlich protokollierte Aussage des Zeugen als Grundlage für eine
abweichende Würdigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen verschlossen, wenn dieser
nunmehr berechtigt das Zeugnis verweigert.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 - OLG Hamm
LG Bochum
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2006

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu deren Nachteil erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte wird vom Kläger auf Zahlung von 74.854,15 € wegen eines von ihm behaupteten Einbruchdiebstahls in Anspruch genommen.
2
Der Kläger, der in seiner Wohnung unter anderem den gewerblichen An- und Verkauf von Schmuck betrieb, nahm dafür im Juni 2002 bei der Beklagten eine Geschäfts- und Transportversicherung sowie eine Betriebseinrichtungsversicherung, jeweils unter Einschluss des Einbruchdiebstahl -Risikos. Am 21. Oktober 2002 erstattete der Kläger bei der Polizei Strafanzeige gegen Unbekannt wegen eines Einbruchdiebstahls in seiner Wohnung und meldete den Schadensfall der Beklagten. Die Tat habe sich, so der Kläger, während seiner Urlaubsabwesenheit im Zeitraum zwischen dem 18. und 21. Oktober 2002 ereignet; ihm sei ein Tresor (Wert: 7.355,63 €) entwendet worden, in dem sich in seinem Eigentum stehender Schmuck im Gesamtwert von 49.385,83 € sowie Bargeld in Höhe von 13.480 € befunden hätten. Unstreitig waren an der Tür zur Wohnung des Klägers am 21. Oktober 2002 typische Aufbruchspuren vorhanden; der Fußbodenbelag wies Schäden auf, die durch das Abtransportieren des Tresors entstanden sein konnten. Die Sachschäden an Tür und Boden belaufen sich auf 4.632,59 €. Die Beklagte ist der Ansicht , sie sei leistungsfrei, da der Kläger den Einbruchdiebstahl vorgetäuscht habe. Der schwere Tresor hätte aus der Wohnung des Klägers nicht abtransportiert werden können, ohne die Aufmerksamkeit der Mitbewohner zu erregen. Zum Ankauf von Schmuck im Werte der Klageforderung sei der Kläger wirtschaftlich auch nicht in der Lage gewesen; sein Vortrag, die Mittel stammten aus zwei Darlehen, die ihm seine Eltern gewährt hätten, sei unzutreffend.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers ist die Beklagte unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 61.374,05 € nebst Zinsen verurteilt worden; wegen der weiteren 13.480 € (Bargeld) ist die Berufung zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf volle Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Das Berufungsgericht hält das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls für gegeben. Die Wohnungstür habe typische Einbruchspuren aufgewiesen ; ein Diebstahl in der vom Kläger behaupteten Begehungsweise sei möglich gewesen. Es stehe zudem fest, dass sich der Tresor am 18. Oktober 2002 in der Wohnung befunden habe und dort am Morgen des 21. Oktober 2002 nicht mehr vorhanden gewesen sei. Die Spuren am Bodenbelag ergäben mit hinreichender Gewissheit, dass der Tresor aus der Wohnung geschafft worden sei. Diese Umstände genügten zur Feststellung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls.
6
Dagegen betreffe die Frage, ob Schmuck und Bargeld im Tresor vorhanden waren, nicht die Voraussetzungen des äußeren Bildes, sondern allein die Schadenshöhe (§ 287 ZPO). Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es für das äußere Bild eines Diebstahls allgemein ausreiche, wenn (nur) einer der als gestohlen behaupteten Gegenstände vor dem behaupteten Diebstahl vorhanden gewesen sei und danach nicht mehr aufgefunden werde, denn hier sei das äußere Bild allein durch das Wegschaffen des Tresors geprägt.
7
Unstreitige oder von der Beklagten bewiesene Tatsachen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung des Einbruchdiebstahls schließen ließen, lägen nicht vor.

8
Bei der Würdigung des Sachverhalts bestehe insoweit keine Bindung an die gegenteilige Feststellung des Landgerichts, denn es bestünden konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung.
9
danach Die neu vorzunehmende Würdigung erstrecke sich auch auf die Behauptung des Klägers, von seinen Eltern Darlehen erhalten zu haben. Da die Mutter des Klägers in zweiter Instanz das Zeugnis verweigert habe, sei der Senat hierbei, soweit es um ihre Angaben gehe, auf den Inhalt des landgerichtlichen Protokolls über ihre Zeugenvernehmung angewiesen. Dieses Protokoll bleibe verwertbar. Allein auf Grundlage der protokollierten Angaben der Mutter sowie der übrigen Umstände könne sich der Senat nicht die Überzeugung verschaffen, dass es die vom Kläger behaupteten Darlehen tatsächlich nicht gegeben habe. Zwar gebe es Widersprüche zwischen dem Klägervortrag und der erstinstanzlich protokollierten Zeugenaussage der Mutter; diese könnten aber als Indiz für die positiv festzustellende Unrichtigkeit des Klägervortrags nicht entscheidend ins Gewicht fallen, da sie lediglich Details beträfen.
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Auch die Würdigung aller übrigen tatsächlich feststehenden Umstände würde insgesamt nicht zu der Feststellung führen, dass der Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht worden sei.
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Dem Kläger stehe danach wegen der Schäden in der Wohnung ein Anspruch in Höhe von 4.632,59 €, wegen des Wertes des Tresors in Höhe von 7.355,63 € und wegen des in ihm befindlichen Schmucks in Höhe von 49.385,83 € zu. Auch hinsichtlich der Schmucks stehe mit überwie- gender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) fest, dass dieser gestohlen worden sei.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht hat, was den Nachweis anlangt, dem Kläger sei im Tresor befindlicher Schmuck entwendet worden, rechtsfehlerhaft das Beweismaß des § 287 ZPO zu Grunde gelegt.
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a) Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Diebstahl Beweiserleichterungen zugute kommen. Er genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (BGH, Urteile vom 5. November 1986 - IVa ZR 57/86 - VersR 1987, 146; vom 18. Oktober 1989 - IVa ZR 341/88 - VersR 1990, 45, jeweils m.w.N.). Zu dem Minimum an Tatsachen, die bei einem Einbruchdiebstahl - um den es nach Behauptung des Klägers geht - das äußere Bild ausmachen, gehört, dass die als gestohlen bezeichneten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren; zudem gehört dazu, dass Einbruchspuren vorhanden sind, wenn nicht ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt.

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Für diese Tatsachen, die erst zusammen das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, muss der Versicherungsnehmer den Vollbeweis führen.
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Davon geht auch das Berufungsgericht im Grundsatz zutreffend aus, soweit seine Erwägungen den behaupteten Diebstahl des Tresors selbst - nicht von dessen Inhalt - betreffen. Denn es stellt insoweit auf der Grundlage seiner Tatsachenwürdigung fest, dass Einbruchspuren vorhanden waren, ein Diebstahl in der vom Kläger behaupteten Art möglich , der Tresor vor dem Diebstahl vorhanden war und danach nicht mehr aufgefunden werden konnte. Damit hat es mit Blick auf den Tresor das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls festgestellt, nämlich ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung den Schluss auf die versicherte Entwendung zulassen.
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Wenn b) das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund aber gemeint hat, was den als gestohlen behaupteten Inhalt des Tresors anlange , gehe es allein noch um die Schadenshöhe, die in Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO festzustellen sei, ist ihm nicht zu folgen. Der Senat hat mit Urteil vom 14. Juni 1995 (IV ZR 116/94 - VersR 1995, 956 unter 3 a) in einem Fall, in dem bei einem Einbruch in Räume eines Pelzgroßhandels Felle und Pelze in einem Gesamtwert von 652.199 DM entwendet worden sein sollten, ausgesprochen, es gehöre auch zum äußeren Bild, für das der Versicherungsnehmer den Vollbeweis führen müsse, dass die Felle und Pelze vor dem behaupteten Diebstahl im Wesentlichen in der angegebenen Menge vorhanden waren. Der Senat hat damit zunächst den Grundsatz bestätigt, dass das Vorhandensein der als gestohlen gemeldeten Sachen und deren Nichtwiederauffinden vom Ver- sicherungsnehmer voll zu beweisen ist, denn gerade darin findet sich - unabhängig von den Einbruchsmerkmalen - das äußere Bild der Entwendung selbst. Soweit der Senat zudem angemerkt hat, es sei vom Versicherungsnehmer (voll) zu beweisen, dass die Felle und Pelze "im wesentlichen in der angegebenen Menge" vorhanden waren, stellt das den vorgenannten Grundsatz nicht infrage, sondern trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass in jenem Falle fast der gesamte Lagerbestand, mithin eine Vielzahl von Einzelstücken, entwendet worden war. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, dem Versicherungsnehmer zwar nicht den Vollbeweis für das Vorhandensein und Nichtwiederauffinden jedes Einzelstücks abzuverlangen, aber doch den Nachweis zu fordern, dass jedenfalls Sachen vorhanden waren, die der angegebenen Menge in etwa ("im wesentlichen") entsprechen (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1999, 750, 751; OLG Düsseldorf RuS 1999, 514, 515; NVersZ 2000, 182, 183; OLG Hamm VersR 1998, 316, 317; NVersZ 2000, 186; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 49 Rdn. 53; Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 49 Rdn. 21; a.A.: Lücke, VersR 1996, 785, 793; BK/Schauer, VVG Vorbem. §§ 49-68 a Rdn. 91). Erbringt er - beim Vorhandensein von Einbruchspuren - diesen Nachweis, steht das äußere Bild einer versicherten Entwendung der (insgesamt) als gestohlen gemeldeten Sachen fest; danach ist mit Blick auf die Schadenshöhe Raum für die Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO.
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Daran hält der Senat fest. Es besteht kein Anlass, dem Versicherungsnehmer hier weitere Beweiserleichterungen zuzubilligen. Denn hinsichtlich des Vorhandenseins der als gestohlen gemeldeten Sachen befindet er sich nicht in einer typischen Beweisnot, die eine solche Beweiserleichterung rechtfertigen könnte. Jedenfalls kommt es vor diesem Hin- tergrund - wie vom Berufungsgericht erwogen, aber letztlich offen gelassen - nicht in Betracht, den Beweis für das äußere Bild der Entwendung einer Vielzahl von Gegenständen schon dann als geführt anzusehen, wenn der Versicherungsnehmer allein zu beweisen vermag, dass einer dieser Gegenstände vor dem (behaupteten) Diebstahl vorhanden war und danach nicht wieder aufgefunden wurde (Rüther, Versicherungsrechts -Handbuch § 23 Rdn. 211 a). Das gilt auch dann, wenn - wie das Berufungsgericht meint - das Wegschaffen eines Gegenstandes, hier des Tresors, das äußere Bild des Diebstahls "prägt".
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c) Zwar ist der vorliegende Fall durch die Besonderheit gekennzeichnet , dass es um den Nachweis der Entwendung von Gegenständen geht, die der (nach Behauptung des Klägers) gestohlene Tresor zum Inhalt hatte. Das rechtfertigt indessen keine Abkehr von den zuvor näher dargelegten Grundsätzen. Den Versicherungsnehmer trifft auch hier die (volle) Beweislast dafür, dass und welche Gegenstände sich vor dessen Diebstahl im Tresor befanden; handelt es sich um eine Vielzahl von Einzelgegenständen (Schmuckstücken), kann es ausreichen, wenn er beweist , dass diese im Wesentlichen vorhanden waren.
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Steht lediglich das äußere Bild einer Entwendung des Tresors fest, besagt das noch nichts darüber, dass über den Tresor selbst hinaus überhaupt etwas entwendet worden ist. Die Entwendung des Tresors allein lässt also nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss darauf zu, dass sich im Tresor überhaupt Gegenstände befunden haben und (mit-)gestohlen worden sind; das äußere Bild der Entwendung des Tresors erbringt nicht zugleich das äußere Bild der Entwendung seines (nach Behauptung des Klägers) darin befindlichen Schmucks. Dem Ver- sicherungsnehmer obliegt es vielmehr auch in einem solchen Fall darzulegen und zu beweisen, dass sich vor dem Diebstahl die später als gestohlen gemeldeten Gegenstände im Tresor befunden haben; erst dann lässt das äußere Bild der Entwendung des Tresors mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch den Schluss auf deren Entwendung zu. Für Beweiserleichterungen ist auch insoweit schon mangels typischer Beweisnot des Versicherungsnehmers kein Raum.
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Das Berufungsgericht wird daher nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen festzustellen haben, ob der Kläger auch mit Blick auf den Schmuck den (Voll-)Beweis dafür erbracht hat, dass dieser vor der behaupteten Entwendung im Tresor vorhanden und danach nicht wieder aufzufinden war.
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2. Soweit das Berufungsgericht bei der unter Berücksichtigung der in erster Instanz protokollierten Angaben der Mutter des Klägers vorgenommenen Würdigung angenommen hat, dass die Beklagte keine Tatsachen bewiesen hat, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung des Einbruchdiebstahls schließen lassen, leidet seine Tatsachenfeststellung an einem Verfahrensmangel und kann deshalb keinen Bestand haben.
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a) Bestehen aus Sicht des Berufungsgerichts Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, sind die Eingangsvoraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben. Es sind erneute Feststellungen geboten, wobei die eigenständige Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise durch das Berufungsgericht bereits eine solche erneute Tatsachenfeststellung darstellt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung schon zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (BGHZ 158, 269, 272 f., 274 f.). Danach ist es erforderlich, Zeugen erneut zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht eine protokollierte Aussage anders als die Vorinstanz verstehen oder werten will (BGH, Urteile vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00 - NJW-RR 2002, 1500 unter II 1; vom Dezember 2002 - XI ZR 290/01 - BGH-Report 2003, 453 unter II 1 a und b; vom 28. November 1995 - XI ZR 37/95 - WM 1996, 196 unter III 3). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann nur dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH, Urteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90 - NJW 1991, 3285 unter II 2 b aa). Hat also das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen und ist es aufgrund einer Würdigung der Aussagen zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, so kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst vernommen zu haben (Senatsbeschluss vom 5. April 2006 - IV ZR 253/05 - VersR 2002, 649 unter 1).
24
b) Dem hat das Berufungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen.

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Landgericht Das hat nach durchgeführter Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, der Kläger habe von seinen Eltern keine Darlehen zur Finanzierung der Schmuckkäufe erhalten. Die gegenteiligen Angaben der Mutter des Klägers, die von der Beklagten als Zeugin benannt worden war, hat es für "nicht lebensnah", "wenig plausibel" und "nicht nachvollziehbar" gehalten. Dies gelte nicht nur für deren Aussage, die ihrem Sohn gewährten Darlehen stammten aus einem seit 1975 aus Misstrauen gegenüber Banken in ihrer Wohnung aufbewahrten Bargeldbetrag in Höhe von etwa 115.000,00 DM, sondern auch für die Schilderung der näheren Umstände der Übergabe einer so beträchtlichen Geldsumme an den Kläger. Ferner bestünden Widersprüche zwischen dem Vortrag des Klägers und den Bekundungen seiner Mutter. Der Senat entnimmt dieser Würdigung des Landgerichts in einer Gesamtbetrachtung, dass es der Aussage der Zeugin keinen Glauben schenken konnte, sie für unglaubwürdig erachtet hat. Danach hätte das Berufungsgericht nach den oben näher dargelegten Grundsätzen diese Würdigung des Landgerichts nicht verwerfen dürfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen können, ohne zuvor die Mutter des Klägers erneut als Zeugin selbst vernommen zu haben. Dass dies das Berufungsgericht letztlich ebenso gesehen hat, belegt dessen Ladung der Zeugin zu dem Beweisthema "Einzelheiten der Darlehensverträge mit dem Kläger". Wenn die Zeugin daraufhin bei der Vernehmung von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, eröffnet allein dieser Umstand dem Berufungsgericht bei der Würdigung ihrer erstinstanzlich protokollierten Aussage keinen anderweitigen Beurteilungsspielraum; ihm war auch danach eine vom erstinstanzlichen Urteil abweichende Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugin verschlossen. Ob in Fällen berechtigter Zeugnisverweigerung, hier gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, in entsprechender Anwendung von § 252 StPO schlechthin ein Verwertungsverbot anzunehmen ist (mit dem Berufungsgericht verneinend OLG Braunschweig NdsRPfl 1960, 162; OLG Köln VersR 1993, 335, 336; a.A. OLG Frankfurt am Main MDR 1987, vgl. auch Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 383 Rdn. 6; Chr. Berger in Stein/Jonas/ Leipold, ZPO [Stand 1999] § 383 Rdn. 20), kann daher auf sich beruhen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 06.10.2004 - 4 O 1/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.04.2005 - 20 U 239/04 -