Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Dez. 2018 - 15 U 42/18
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.02.2018 (28 O 250/17) abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger ist Rechtsanwalt und nimmt die Beklagte, welche die bundesweit erscheinende Zeitschrift „C“ verlegt, auf Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus einem Anwaltsschreiben des Klägers in indirekter Rede in Anspruch, die sich in der Ausgabe Nr. 21/2017 des C vom 20.05.2017 in einer Berichterstattung mit der Überschrift „Wenn kein Postmann klingelt“ befindet. Der Kläger vertritt in Presseangelegenheiten ständig den bekannten Moderator L. Sucht man bei H nach „L Anwalt“, wird als erstes Suchergebnis ein Artikel der Beklagten angezeigt, aus dem sich ein Mandatsverhältnis ergibt. In der eingangs genannten Berichterstattung, wegen deren weiterer Einzelheiten auf Anlagenkonvolut K 1 (Bl. 1 ff. AH) Bezug genommen wird, wurde u.a. über den Staat Malta berichtet, den Unternehmen und Privatleute angeblich zur Steueroptimierung nutzen. Auch der Mandant des Klägers, L, wird in dem Beitrag angeführt und zwar – neben einem Lichtbild nebst Bildunterschrift - wie folgt:
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Vor der Berichterstattung hatte ein Redakteur der Beklagten L einen Fragenkatalog zum Themenbereich des Artikels (Anlage K 3, Bl. 8 AH) übersandt. In seiner Eigenschaft als anwaltlicher Vertreter hatte der Kläger mit Schreiben vom 11.05.2017, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Anlage K 4, Bl. 9 f. AH verwiesen wird, dazu Stellung genommen wie folgt: „…In Ansehung ihres Fragebogens… bittet mein Mandant, …, den ich regelmäßig in presserechtlichen Angelegenheiten vertrete, an Sie zu schreiben… Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir unserem Mandaten empfohlen haben, die von ihnen aufgelisteten Fragen detailliert nicht zu beantworten. Bei dem gesamten Bereich handelt es sich um private Vermögensfragen meines Mandanten. Dieses geht niemanden etwas an. Es ist der Privatsphäre zuzurechnen. Zudem gilt selbstverständlich auch das Steuergeheimnis. Es gibt indes auch überhaupt keinen Berichterstattungsanlass, insbesondere über meinen Mandanten individualisierend zu berichten, da sich dieser vollständig und unstreitig rechtstreu verhält, insbesondere auch steuerrechtlich. Zudem unterstellen Sie …. Sachverhalte, die nicht zutreffend sind, so dass schon von daher … einem Bericht … jegliche Grundlage entzogen ist. Eine andere Besteuerung gibt es in Deutschland nur beim Leasing von Privatyachten. Da mein Mandant weder Yachten least noch verleast, trifft dieser Sachverhalt auf ihn schlicht nicht zu…“ Im letzten Absatz des Schreibens hieß es u.a.: „Dieses Schreiben ist ausschließlich zur presserechtlichen Interessenvertretung und nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sollten Sie entgegen der Sach- und Rechtslage über unseren Mandanten berichten…, werden wir hiergegen … vorgehen…“
6In der Berichterstattung wurde dieses Schreiben – wie eingeblendet – inhaltlich aufgegriffen. Der Mandant des Klägers setzte später gerichtlich eine Gegendarstellung durch mit dem Inhalt: „Der in dieser Veröffentlichung zum Ausdruck kommende Verdacht ist falsch. Die D Ltd. wurde nicht gegründet, um Mehrwertsteuer zu sparen. Der beschriebene Mehrwertsteuervorteil auf Malta kommt bei der Jacht der D Ltd. nicht zum Tragen.“, wobei das OLG Hamburg im Beschluss v. 05.10.2017 (Anlage K 13, Bl. 48 ff. AH) ausführte, dass der Mandant in der Ausgangsberichterstattung nicht ausreichend selbst zu Wort gekommen sei. Die wiedergegebene Äußerung des Klägers als Anwalt gehe zwar inhaltlich in dieselbe Richtung wie die Gegendarstellung, doch sei die Äußerung durch die Darstellung als „Behauptung“ des Klägers als Anwalt und den anschließenden Kommentar entwertet.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlichen Sachanträge wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung (Bl. 94 ff. d.A.) Bezug genommen.
8Das Landgericht Köln hat nach Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.06.2017 (28 O 182/17) der auf Fristsetzung nach § 926 ZPO hin erhobenen Hauptsacheklage mit angegriffenem Urteil vom 21.02.2016 stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen: „Er habe keine Jacht geleast; nur beim Leasen bringe Malta überhaupt einen Steuervorteil, behauptet sein Anwalt“, wenn dies geschieht wie auf Seite 64 in der Ausgabe Nr. 21/2017 von „C“ vom 20. Mai 2017; ferner ist die Beklagte verurteilt worden, außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO sei gegeben, weil es sich bei dieser Regelung und ihrer herrschenden Auslegung nicht um eine verfassungswidrige Umgehung des Rechts auf den gesetzlichen Richter handele. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Verfasser von sprachlich fixierten Gedankeninhalten könne nach der Rechtsprechung grundsätzlich über die Veröffentlichung entscheiden und die für Zitate aus einem Anwaltsschriftsatz in eigener Sache durch die Entscheidung des BVerfG v. 18.02.2010 - 1 BvR 2477/08, GRUR 2010, 544 aufgestellten Grundsätze seien hier nicht durchgreifend. Der Kläger – der erkennbar und mithin betroffen sei – habe der Beklagten ausdrücklich mitgeteilt, dass sein Schreiben nicht zur Veröffentlichung bestimmt sei, so dass er durch die - sei es in indirekter Rede erfolgte - Veröffentlichung der Zitate in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Dieses umfasse das Recht zu entscheiden, in welchem Kreis Äußerungen verbreitet würden. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei rechtswidrig, weil die Abwägung mit der Meinungsfreiheit der Beklagten zu Gunsten des Klägers ausfalle. Auf Seiten der Beklagten sei zwar zu berücksichtigen, dass den in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Freiheiten ein hohes Gewicht einzuräumen sei, doch fehle ein besonderes öffentliches Interesse an der Äußerung des Klägers. Zwar bestehe ein gewisses öffentliches Interesse, zu erfahren, wie die prominente Mandant auf die Vorwürfe reagiert habe, doch sei kein Interesse erkennbar, auch zu erfahren, „was der Kläger tue“ und was „er im Antwortschreiben“ geschrieben habe. Zudem sei zweifelhaft, ob ein schützenswertes öffentliches Interesse daran bestehe, zu erfahren, was der Mandant als reine Hintergrundinformation mitgeteilt habe, wenn er „gerade keine Stellungnahme im presserechtlichen Sinne in dem Bewusstsein abgegeben …(habe), in dem Artikel selbst nicht zu Wort zu kommen.“ Zu Gunsten der Beklagten sei nicht zu berücksichtigen, dass sie in einer „Zwickmühle“ stecke, weil sie entweder auf den Abdruck verzichten und eine Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung riskieren müsse oder sich – wie hier – Unterlassungsansprüchen ausgesetzt sehe, weil ein solcher Einwand allenfalls nur im Gegendarstellungsverfahren zu berücksichtigen wäre und zudem – wie der Fall zeigt – der Abdruck eine Gegendarstellung ohnehin nicht verhindern könne. Zudem bestünde die „Zwickmühle“ allenfalls mit Blick auf den Mandanten und nicht auf den Kläger. Es wäre hier leicht möglich gewesen, mitzuteilen, wie der Mandant auf die Anfrage reagiert hat, ohne den Anwalt zu nennen. Zwar bewirke das „Zitat“ keine Anprangerung und gebe den Kläger nicht der Lächerlichkeit preis, zwar werde kein falscher Eindruck hervorgerufen und zwar habe der Kläger seine fixierten Gedanken der Beklagten als Dritte mitgeteilt und dem Vorgang soziale Dimension gegeben, doch habe er sich nur an die Beklagte gewandt und nicht – auch nicht mittelbar – an die Öffentlichkeit. Wenn jemand ein Schreiben an jemand anderen schicke, so sei in der Regel davon auszugehen, dass der Verfasser das Schreiben nur für den Empfänger bestimmt habe und nicht damit einverstanden ist, dass dieser das Schreiben weiterverbreite. Die Interessen des Klägers überwögen, weil er durch die Veröffentlichung in seiner Berufsausübung beeinträchtigt sei. Er werde in der effektiven Rechtswahrnehmung für den Mandanten – es gehe nicht um die Abgabe einer Stellungnahme, sondern um die Verhinderung einer Berichterstattung als vorgerichtliche Rechtsverteidigung – behindert. Das ausgesprochene Veröffentlichungsverbot wirke zwar nicht absolut, doch bedürfe ein Hinwegsetzen darüber eines „besonderen Interesses“, weil sonst die unbefangene Kommunikation mit anderen gefährdet wäre und eine vorweggenommene Selbstzensur um sich greifen würde, der im hiesigen Bereich zur Verschiebung der tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten zu Gunsten der Presse führe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen (Bl. 94 ff.).
9Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Unter Vorlage eines privaten Rechtsgutachtens (Anlage BK1, Bl. 143 ff. d.A.) vertritt sie weiterhin die Ansicht, das Institut des sog. fliegenden Gerichtsstands sei wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig, so dass von einer willkürlichen Annahme der Zuständigkeit durch das Landgericht in erster Instanz auszugehen sei, welche dann trotz § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz gerügt werden könne.
10Ungeachtet dessen sei das angefochtene Urteil auch aus materiell-rechtlichen Gründen fehlerhaft und aufzuheben: So sei der Kläger schon nicht erkennbar, weil sich dies aus dem Artikel selbst und nicht – wie hier - aus H-Recherchen ergeben müsse.
11Unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßgabe, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Betroffenen keinen Anspruch darauf vermittele, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm sei, sei zudem eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zweifelhaft, wenn es – wie hier – um die bloße Wiedergabe von Sachinhalten aus Schreiben in eigenen Worten der Publizierenden gehe. Eine Parallele zur Leserbrief-Entscheidung des Bundesgerichtshofs könne nicht gezogen werden, weil die zitierten Fragmente des klägerischen Schreibens – anders als der Bundesgerichtshof es für die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangt habe – keine bestimmten Gedankeninhalte enthielten, aus denen die Öffentlichkeit Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers ziehen könne. Auch liege weder eine Prangerwirkung bzw. ein Vorführen des Klägers vor, noch würde dieser unzutreffend als bereitwilliger Zuträger von Medien dargestellt noch würden die Zitate in verfälschender Weise wiedergegeben, so dass bei – hier bestehendem – öffentlichem Interesse eine Veröffentlichung der Angaben aus dem Anwaltsschreiben nicht zu beanstanden sei.
12Soweit der Kläger einer Veröffentlichung widersprochen habe, dürfe dem bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen - entgegen dem Landgericht - kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Der nur in seiner Sozialsphäre betroffene Kläger werde nicht stigmatisiert, sozial isoliert oder angeprangert, zumal es nur um eine indirekte komprimierte Zusammenfassung seiner Ausführungen gehe, also noch nicht einmal wörtliche Zitate betroffen seien, die ggf. eher einen Rückschluss auf den Kläger und seine Persönlichkeit zulassen könnten. Aus gleichen Gründen lasse sich aus der „Leserbrief“-Entscheidung des BGH und der Eppler-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hier nichts zu Gunsten des Klägers ableiten. Bei der Prüfung des öffentlichen Interesses habe das Landgericht zu Unrecht ein „besonderes“ Interesse verlangt und zwischen einer Antwort des Mandanten auf die erhobenen Vorwürfe und der Reaktion des Klägers (persönlich) differenziert, zumal der Kläger nach dem Schreiben gerade namens und in Auftrag des Mandanten tätig geworden sei und es mithin um dessen Reaktion auf die Presseanfrage gegangen sei. Ein öffentliches Interesse daran habe letztlich auch das Landgericht erkannt; insofern sei es aber zulässig, die Quelle zu nennen. Soweit das Landgericht in Zweifel ziehe, ob ein öffentliches Interesse fehle, wenn es nicht um eine Stellungnahme, sondern nur um mitgeteilte sog. Hintergrundinformationen gehe, sei das fernliegend; es gehe um den Inhalt der Reaktion des Betroffenen. Auch die Berufsfreiheit des Klägers sei nicht betroffen, wie sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.2010 (1 BvR 2477/08) ergebe, in dem auch ein anwaltliches Schreiben streitgegenständlich gewesen und in welchem die Berufsfreiheit nicht thematisiert worden sei. Eine Unterscheidung zwischen anwaltlichen und nicht-anwaltlichen Schreiben eines Rechtsanwalts sei gekünstelt. Die Argumentation sei zudem zirkelschlüssig, weil schon kein Recht eines Anwalts bestehe, der Presse aus eigenem Recht das Zitieren von Sachangaben aus seinen Schriftsätzen zu verbieten, so dass eine solche Option nicht zu den Berufsausübungsmöglichkeiten gehöre, so dass es keine unzumutbare Beschränkung derselben geben können.
13Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger verhalte sich jedenfalls rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er der Presse die Wiedergabe von außergerichtlichen Äußerungen verbiete, weil dies - könne man die Berichterstattung mit der Drohkulisse nicht verhindern, was die erste Verteidigungslinie sei - nur dem Zweck diene, später noch einen entsprechenden Anspruch auf Gegendarstellung geltend zu machen. Denn würde die Stellungnahme abgedruckt, könnte nach h.M. grundsätzlich keine Gegendarstellung mehr verlangt werden, da dann das, was Inhalt der Gegendarstellung sein soll, in der Erstmitteilung enthalten war. Die Presse werde in eine „Zwickmühle“ manövriert: Halte sie sich an das Wiedergabeverbot, müsse sie eine Gegendarstellung abdrucken, obwohl sie eigentlich den Betroffenen habe zu Wort kommen lassen wollen. Halte sie sich nicht daran, würden ihr Unterlassungsbegehren wie vorliegend drohen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 131 ff.) Bezug genommen.
14Der Beklagte beantragt,
15das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.02.2018 (28 O 250/17) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16Der Kläger beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung - die keinesfalls willkürlich das Recht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter verletzt habe - unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Kammer habe zutreffend berücksichtigt, dass für die Interessen des – hier via H mühelos zu ermittelnden und damit erkennbaren - Klägers nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auch die Berufsfreiheit streite. Im Unterschied zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.2010 habe er das Schreiben an die Beklagte nicht in eigenem Interesse bzw. im Interesse seines Sozius, sondern im Interesse seines Mandanten verfasst. Insofern habe das Bundesverfassungsgericht damals nur folgerichtig die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht in die Abwägung mit einfließen lassen, da eine Veröffentlichung eines Schreibens in eigener Sache nicht in die Berufsausübung und die effektive Wahrnehmung von Mandanteninteressen eingreifen könne. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sich sonst in Wahrnehmung der Interessen des Mandanten innerhalb sog. presserechtlicher Informationsschreiben faktisch selbst zu zensieren habe. Dies sei jedenfalls im Rahmen der Abwägung ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass die Berichterstattung sich ansonsten gar nicht mit der Person des Klägers (etwa als kritisch zu würdigender Medienanwalt) befasse, so dass mit dem Landgericht kein öffentliches Interesse an demjenigen, „was der Kläger tut“, erkennbar sei. Ein Hinweis auf die Reaktion des Mandanten auf die Vorwürfe sei vielmehr ohne Identifizierbarmachung des Klägers als dessen Anwalt möglich gewesen. Die geschützte Berufstätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt werde ohne Not beschädigt, während das Interesse für den Leser gering sei, weil es sich für ihn nur um eine „bedeutungslose Randnotiz“ handele. Das bewusste Hinwegsetzen über den ausdrücklich geäußerten Willen zur Verschwiegenheit sei bei der Abwägung ebenso maßgeblich wie die Tatsache, dass die Berufsfreiheit beeinträchtigt werde, weil es den Interessen des um Diskretion bemühten Mandanten zuwiderlaufe und das Mandant konterkariere, wenn man nicht nur die zu verhindernde Berichterstattung, sondern auch das Statement des Anwalts, der gegen sich selbst ins Feld geführt werde, nachlesen könne. Zudem werde fälschlicherweise der Eindruck erweckt, der Anwalt habe sich zu Veröffentlichungszwecken für den Mandanten zur Sache eingelassen. Insofern erfolge also eine sinnentstellende Wiedergabe, weil der Charakter des Schreibens als vorweggenommene Rechtsverteidigung gegen eine geplante Berichterstattung nicht zum Ausdruck komme. Auch gehe es inhaltlich hier nicht darum, nicht über die Reaktion des Mandanten berichten zu dürfen, sondern allein darum, dies in identifizierender Weise dem Kläger zuzuschreiben. Die beklagtenseits gerügte „Zwickmühle“ entstehe nicht, weil es nach der Rspr. des BVerfG v. 09.04.2018 – 1 BvR 840/15 keine Obliegenheit des Betroffenen gebe, auf eine Anfrage zu reagieren, um sich die Möglichkeit einer Gegendarstellung zu erhalten. Daher sei auch eine nicht zur Veröffentlichung bestimmte Zurückweisung der Berichterstattung vor deren Veröffentlichung unschädlich. Im konkreten Fall habe das OLG Hamburg dem Gegendarstellungsbegehren trotz des Zitats stattgegeben, was ebenfalls zeige, dass die Rechtsmissbrauchsüberlegungen der Beklagten an der Sache vorbei gingen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 189 ff.) sowie den - zur Frage der Revisionszulassung nachgelassenen - Schriftsatz vom 22.11.2018 (Bl. 224 ff. d.A.) Bezug genommen.
19II.
20Die Berufung der Beklagten ist begründet, was zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage führt. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu. Es kann dahinstehen, ob der Kläger überhaupt erkennbar und mithin betroffen ist. Denn jedenfalls ist sein allgemeines Persönlichkeitsrecht weder dadurch verletzt, dass die Beklagte überhaupt Teile seiner Äußerungen aus dem Anwaltsschreiben in indirekter Rede veröffentlicht hat noch dadurch, dass sie gerade die konkret streitgegenständlichen Äußerungen veröffentlicht hat.
211. Soweit die Beklagte in zweiter Instanz an der Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit festgehalten hat, ist diese wegen § 513 Abs. 2 ZPO vom Senat aus Gründen der Prozessökonomie nicht zu prüfen. Selbst wenn man eine verfassungskonforme Reduktion dieser Vorschrift annehmen wollte, soweit eine Zuständigkeit in erster Instanz willkürlich angenommen und eine Partei somit dort willkürlich - ebenfalls - ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden ist (offen BGH v. 17.03.2015 – VI ZR 11/14, NJW-RR 2015, 941), liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Die Auslegung des § 32 ZPO durch das Landgericht entspricht bei bundesweit vertriebenen Printmedien seit Jahrzehnten der allgemeinen Lesart (st. Rspr. seit BGH v. 03.05.1977 - VI ZR 24/75, NJW 1977, 1590; siehe zudem bereits RG v. 10.04.1905 – VI 316/04, RGZ 60, 363; RG v. 15.01.1912 – VI 128/11, RGZ 78, 256). Anders als durch Gesetz vom 13.06.1902 zu § 7 Abs. 2 StPO im Nachgang an die den sog. „fliegenden Gerichtsstand“ betreffende Entscheidung des Reichsgerichts vom 17.06.1892 (1671/92, RGSt 23, 155) hat auch der Gesetzgeber – trotz diverser Bemühungen in diese Richtung (vgl. BT-Drs. 17/13057 und BT-Drs. 17/14216; siehe ferner Jürgens, NJW 2014, 3061; Dölling, NJW 2015, 124) – bisher keine Korrekturen vorgenommen, obwohl zahlreiche Gesetzesnovellen die Zuständigkeitsbestimmungen in den §§ 17 ff. ZPO berührt haben. Dass das Landgericht vor diesem Hintergrund Anlass für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens (Art. 100 GG) mit Blick auf § 32 ZPO gehabt und ein solches willkürlich unterlassen haben soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch der Senat selbst hat keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 32 ZPO in der aufgezeigten Auslegungsvariante, welche nur eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Handhabung des einfachen Rechts ist; auch die gesetzliche Vorgabe in § 32 ZPO verstößt selbst nicht gegen Art. 101 GG (vgl. auch bereits Senat v. 11.10.2018 – 15 U 81/17, zur Veröffentlichung bestimmt).
222. Die Berufung hat jedoch im Hinblick auf die Sachangriffe der Beklagten Erfolg, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG im Hinblick auf die aus seinem Schreiben entnommenen Passagen nicht zusteht.
23a) Es bestehen schon Bedenken an der Erkennbarkeit und damit an der Betroffenheit des Klägers, da die Berichterstattung nur von dem (einem) „Anwalt“ des Moderators spricht. Soweit das Landgericht an die hier vorgelegten Ergebnisse von H-Recherchen angeknüpft hat, aus denen sich Vertretungsverhältnisse jedenfalls in anderen presserechtlichen Angelegenheiten ergeben, überzeugt dies allein nicht. Der Senat hat bereits im Urt. v. 14.08.2018 – 15 U 157/17 (zur Veröffentlichung bestimmt) – wo die Frage letztlich aber ebenfalls dahinstehen konnte - betont, dass „sich nach herrschender Meinung die Umstände, die zur Identifizierung und damit Erkennbarkeit des Betroffenen führen, aus dem in Rede stehenden Artikel selbst ergeben müssen; es reicht gerade nicht aus, wenn ein interessierter Leser die Identität durch eigene Recherchen ermittelt... Eingedenk des Umstands, dass in der heutigen Zeit durch den Einsatz von Internetsuchmaschinen quasi grenzenlose Recherchen möglich sind, die gegebenenfalls auch mit nur sporadischen Anknüpfungspunkten zu einem „Treffer“ führen, kann die Übermittlung allein solcher Anknüpfungspunkte in der angegriffenen Berichterstattung für die Erkennbarkeit noch nicht ausreichen. Denn die Möglichkeiten einer von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten (auch kritischen) Berichterstattung würden letztlich unzumutbar erschwert, wenn Presseorgane bei der Abfassung eines Beitrags jede per Internet zu recherchierende Erkennbarkeit auf die betreffenden Personen zu prüfen bzw. gegebenenfalls zu vermeiden hätten.“ Im Einklang damit hat sich gegen die Annahme einer Erkennbarkeit allein aufgrund von Internetrecherchen jetzt deutlich auch nochmals Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, § 12 Rn. 43 ausgesprochen. Aus der klägerseits zitierten Entscheidung des Senats v. 30.11.2015 – 15 W 60/15 (n.v.) folgt insofern – (entgegen LG Berlin v. 05.04.2016 – 15 O 534/16, n.v. – Anlage K 8) nichts anderes, weil die Erkennbarkeit im dortigen Fall schon aus dem angegriffenen Artikel selbst ableitbar war und zudem eine andere Presseberichterstattung im gleichen Presseorgan dort ganz konkret in Bezug genommen war, die der Senat in einer Hilfserwägung dann nur ergänzend herangezogen hat;. Mit dem vorliegenden Fall ist das ersichtlich nicht vergleichbar.
24Da – wie sogleich zu b) und c) zu zeigen ist – der Anspruch aber ohnehin aus anderen Gründen nicht besteht, kommt es darauf nicht entscheidend an, so dass diese Frage letztlich dahinstehen kann und soll. Offenbleiben kann auch, ob - wofür hier aber alles spricht - der Kläger angesichts der eher überschaubaren Gruppe von Presserechtsanwälten derart prominenter Mandanten nicht – was für einen Anspruch genügen würde (Senat, a.a.O.) – jedenfalls auf Grund der mitgeteilten Umstände zumindest für seinen Bekanntenkreis und/oder insbesondere andere Presserechtsanwälte und Pressejustitiare identifizierbar war, zumal er den konkreten Mandanten unstreitig auch seit Jahren in dessen Presseangelegenheiten offen vertritt. Gerade für Leser mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld des Betroffenen können Informationen in ihrem persönlichkeitsverletzenden Teil eher aussagekräftig und in der Folge für die in Bezug genommene Person besonders nachteilig sein (vgl. auch BVerfG v. 14.07.2004 – 1 BvR 263/03, NJW 2004, 3619 für die Angaben „Xer Anwalt“, „nach einer Karriere als Staatsanwalt gegen seinen Willen aus dem bayerischen Staatsdienst entlassen“, „betreibt seit Jahren seine Wiedereinstellung“ sowie Mitteilung über psychische Auffälligkeiten, aus denen der Betroffene „zumindest für interessierte Kreise in und um die Justiz in X“ erkennbar sei).
25b) Jedenfalls besteht - auch eine Erkennbarkeit des Klägers unterstellt – in der Sache kein Unterlassungsanspruch. Allerdings liegt eine Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vor.
26aa) Eine Verletzung ergibt sich allerdings sicher nicht aus der konkreten Äußerung, die die Beklagte aus dem Anwaltsschreiben des Klägers in indirekter Rede wiedergegeben hat. Denn weder die konkrete Wiedergabe von Teilen der Äußerungen in indirekter Rede noch deren Einbettung in den Gesamtkontext verletzten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (vgl. BVerfG v. 18.02.2010 – 1 BvR 2477/08, AfP 2010, 145 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich um eine unstreitig zutreffende Wiedergabe von Äußerungen des Klägers aus einem Schreiben an ein Medienunternehmen, die auch weder inhaltlich verfälscht oder aus dem Zusammenhang gerissen noch sinnentstellend wiedergegeben werden und die seine berufliche Tätigkeit – und damit allein seine Sozialsphäre – betreffen. Unzulässig ist in diesem Zusammenhang lediglich das Hervorrufen einer Prangerwirkung, wenn ein beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsrechtsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BGH v. 21.11.2006 – VI ZR 259/05, NJW-RR 2007, 619; BGH v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888). Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben, denn in dem streitgegenständlichen Passus wird nur mitgeteilt, was der Kläger für den Mandanten mit Blick auf die beabsichtigte Veröffentlichung der (Verdachts-)Berichterstattung über das Steuerverhalten seines prominenten Mandanten mitgeteilt hat.
27bb) Eine Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers liegt aber insoweit vor, als die Beklagte überhaupt Äußerungen aus dem allein an sie gerichteten Schreiben - sei es auch nur in indirekter Rede - öffentlich wiedergegeben und damit in das Bestimmungsrecht des Klägers über die Veröffentlichung seiner Äußerung sowie in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen hat. Denn vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist als Ausprägung des Rechts auf Selbstdarstellung und Selbstbestimmung auch das Bestimmungsrecht über die Weitergabe und Veröffentlichung schriftlicher Aufzeichnungen erfasst. Der Einzelne soll - ohne Beschränkung auf seine Privatsphäre - grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will bzw. ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung hervortreten will (vgl. BVerfG v. 03.06.1980 – 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts – und zwar auch dann, wenn sie nicht urheberrechtsschutzfähig ist – Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers. Daraus folgt, dass grundsätzlich dem Verfasser allein die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, da jeder unter Angabe identifizierender Merkmale erfolgenden Veröffentlichung von Aufzeichnungen eines noch lebenden Menschen von der Allgemeinheit eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen wird (vgl. BGH v. 25.05.1954 - I ZR 211/53, juris Rn. 22; vgl. zur unbefugten Veröffentlichung eines Briefes auch BVerfG v. 12.04.1991 - 1 BvR 1088/88, juris Rn. 16).
28Steht damit allein dem Kläger die Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form er seine Äußerungen gegenüber der Beklagten öffentlich macht, so hat er diese Entscheidung vorliegend in einem bestimmten Sinne ausgeübt, indem er das Anwaltsschreiben lediglich an die Beklagte verschickte und einer weiteren Veröffentlichung widersprach, was man auch als Verbot der nur inhaltlichen Wiedergabe verstehen mag. Eine Betroffenheit der vorgenannten Rechtsposition kann dann hier auch nicht mit der Erwägung verneint werden, dass der Kläger das entsprechende Schreiben nur namens und im Auftrag seines Mandanten versandt hat. Denn dies führt nicht dazu, dass damit auch die im Schriftsatz erfolgende „sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts“ (nur) als eine solche des Mandanten zu gelten hätte und der Kläger lediglich als dessen „Sprachrohr“ tätig würde. Vielmehr geht es weiterhin um eine (eigene) Rechtsposition des Klägers als Verfasser des betreffenden Schreibens.
29Eine Betroffenheit entfällt auch nicht unter dem Aspekt, dass es vorliegend nur um eine Wiedergabe in indirekter Rede gibt und die knappe Passage ersichtlich keinen vertieften Einblick in die Persönlichkeit des Klägers bietet. Dieser Aspekt ist – wie unten noch auszuführen ist - allein im Rahmen der Abwägung von Interesse, weil eine wörtliche Wiedergabe nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Äußerungen wegen des höheren Eingriffsgehalts strengeren Anforderungen unterworfen sein kann als eine Wiedergabe nur dem Inhalt/Sinn nach (vgl. dazu für den Bereich einer zusätzlich gegebenen Vertraulichkeitssphäre und einer Widergabe in direkter Wörtlichkeit auch BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667, 2668; BGH v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, NJW 1979, 647, 649; vgl. auch eingehend Senat v. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 [Revision eingelegt zu BGH - VI ZR 248/18.
30cc) Soweit das Oberlandesgericht München (Beschl. v. 16.10.2007, NJW 2008, 768) mit Blick auf die Veröffentlichung von Teilen eines Anwaltsschriftsatzes auch einen Eingriff in das Recht auf freie Berufsausübung problematisiert hat (unklar insofern KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234), führt dies nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass Art. 12 Abs. 1 GG als eigenes „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB zu prüfen wäre. Vielmehr ist die Frage der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Positionen zu berücksichtigen. Insofern ist dann ohne praktische Relevanz, ob man wegen der Berufsnähe (auch) einen Eingriff in das Recht am „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ – das entgegen dem Wortlaut auch den freien Berufen zusteht (allg. Ansicht, vgl. Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, § 823 Rn. 134 m.w.N.) – prüfen könnte (vgl. KG v. 29.09.2009 – 9 W 135/09, AfP 2009, 608 für Veröffentlichung von Anwaltsschriftsätzen bei einer GbR als Antragstellerin unter Offenlassen der Frage eines Eingriffs ins Unternehmenspersönlichkeitsrecht). Denn auch insoweit würde im Rahmen der Abwägung nichts anderes gelten als nachstehend zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgeführt. Daher kann auch dahinstehen, ob sich darauf der betroffene einzelne Berufsträger selbst berufen kann oder ob nicht insofern die Sozietät (PartG mbB) als eigene Rechtspersönlichkeit und Vertragspartner des Anwaltsvertrages mit dem prominenten Mandaten als solche aktivlegitimiert wäre.
31c) Der mit dem Vorstehenden somit erfolgte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber nicht rechtswidrig, weil im Rahmen der anzustellenden Abwägung weder seine Berufsausübungsfreiheit – so sie denn überhaupt beeinträchtigt ist – noch seine persönlichkeitsrechtlichen Belange die schutzwürdigen Interessen der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG überwiegen.
32Wegen des Rahmenrechtscharakters des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs im Wege einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen; ein „absolutes Bestimmungsrecht“ gibt es anerkanntermaßen hier gerade nicht – auch nicht mit Blick auf das hier ausgesprochene Veröffentlichungsverbot – und insofern gerade kein absolutes Verbot eines (wörtlichen) Zitierens aus Anwaltsschriftsätzen (so deutlich auch OLG München v. 16.10.2007 -– 29 W 2325/07, NJW 2008, 768; KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234; KG v. 03.06.2006 – 9 U 117/05, n.v., Anlage K 11; KG v. 31.10.2008 – 9 W 152/06, BeckRS 2009, 07821; LG Hamburg v. 28.01.2011 – 325 O 196/10, juris Rn. 51; LG Hamburg v. 08.12.2016 – 310 O 124/16, BeckRS 2016, 126589 Rn. 43; LG Berlin v. 24.08.2010 – 27 O 184/07, BeckRS 2011, 17881).
33aa) Auf Seiten der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zunächst zu berücksichtigen, dass sie sich auf die Meinungsfreiheit als Gewährleistung ihrer Selbstbestimmung in der Ausübung der Kommunikation mit anderen berufen kann (vgl. BVerfG v. 18.02.2010 – 1 BvR 2477/08, AfP 2010, 145) und sie darüber hinaus mit der (inhaltlich korrekten) Wiedergabe des Inhalts der Stellungnahme des Klägers in indirekter Rede ein Thema von öffentlichem Interesse sachbezogen erörtert.
34(1) Der Ansatz des Landgerichts, dass vorliegend schon deswegen kein schutzwürdiges öffentliches Berichterstattungsinteresse an einer Reaktion des Klägers (persönlich), sondern allenfalls an einer solchen des prominenten Mandanten des Klägers bestanden habe, trägt so nicht. Denn für die Öffentlichkeit ist durchaus auch von Interesse, dass der prominente Mandant des Klägers auf die einfache Presseanfrage sogleich mittels eines Anwaltsschreibens reagiert hat. Ob dieses dann nicht als Stellungnahme im eigentlichen Sinne gemeint war und nur vorsorglich die Berichterstattung bereits im Vorfeld verhindern wollte, ist nicht von erheblichem Belang, zumal die Grenzen dabei oft nicht einfach zu ziehen sein werden und nicht wenige Stellungnahmen von Betroffenen auf Presseanfragen im Zuge einer avisierten Verdachtsberichterstattung primär auf die Verhinderung der Berichterstattung insgesamt abzielen und nur hilfsweise die Veröffentlichung inhaltlich beeinflussen wollen. Die vom Kläger vorgenommenen feinen Nuancierungen zwischen einer echten Stellungnahme und einer bewussten Nicht-Stellungnahme mit dem Ziel der Verhinderung im Vorfeld als „Hintergrundinformationen“ erscheinen daher eher gekünstelt, zumal der Kläger im Anwaltsschriftsatz auch nur mitgeteilt hat, dem Mandanten die Fragen „detailliert“ nicht zu beantworten, dann aber eben doch durchaus inhaltliche Ausführungen zur Sache gemacht hat, so dass sich die behauptete strenge Trennung schon im eigenen Schreiben so nicht findet. Unterstellt man eine über die Berichterstattung über den Anwalt des prominenten Mandanten des Klägers begründbare Erkennbarkeit des Klägers, erfasst dann aber das Berichterstattungsinteresse am prominenten Mandanten und seiner Reaktion quasi reflexartig auch die Offenlegung, dass der Kläger dessen Anwalt war.
35(2) Der Senat hat auch keine durchgreifenden Zweifel an der Zulässigkeit der identifizierenden Verdachtsberichterstattung über den prominenten Mandanten des Klägers – die dieser im Übrigen selbst auch nicht angegriffen hat -, so dass sich daraus nicht (quasi umgekehrt akzessorisch) Bedenken an der Zulässigkeit der Wiedergabe der Äußerungen des Klägers in indirekter Rede im Rahmen der hiesigen Abwägung ergeben, wie der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vertreten hat. Ob eine solche „Akzessorietät“ sachlich überhaupt anzunehmen wäre, kann daher ebenfalls dahinstehen.
36(a) Im Kern geht es um eine identifizierende Verdachtsberichterstattung über den prominenten Mandanten des Klägers. Bei der rechtlichen Bewertung einer Äußerung ist maßgeblich auf deren Aussageinhalt nach dem Gesamtkontext abzustellen, wobei wertende Äußerungen und Bewertungen nicht vorschnell als Tatsachenbehauptungen verstanden werden und so den Regeln der Verdachtsberichterstattung unterworfen werden dürfen (vgl. etwa nur BVerfG v. 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15, NJW-RR 2017, 1003 Rn. 14 f.). Vorliegend geht es im Artikel generell um den Vorwurf von im Zusammenhang mit Malta stehenden Steuersparmodellen, mit denen – anders als der Klägervertreter meint – auch jedenfalls nicht zwingend ein Strafvorwurf und ein Vorwurf der steuerrechtlichen Illegalität verbunden sein muss, weil Gegenstand einer Verdachtsberichterstattung anerkanntermaßen auch ein sonstiges moralisch vorwerfbares Verhalten sein kann (statt aller Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 12 f. m.w.N.). Hier geht es konkret um den als Frage nur vordergründig verpackten Tatsachenvorwurf, der prominente Mandant des Klägers, der „bisher nie als Skipper aufgefallen ist“, habe wohlmöglich „die Firma für eine Jacht und ein Steuerschnäppchen gegründet“ und wegen der „naheliegende(n) Gründe“ – die sich aus dem Bericht im Übrigen ergeben - so agiert, um einen Teil der sonst anfallenden Mehrwertsteuer zu sparen, und sich jetzt zu „verstecken.“ Dies wird ergänzt durch die plastische Bildunterschrift des Bildes des Mandanten auf S. 63 der Berichterstattung: „Warum Malta, Herr L? Angeblich alles legal und reine Privatsache.“
37(b) Die Zulässigkeit einer solchen identifizierenden Verdachtsberichterstattung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon abhängig, dass ein „Mindestbestand an Beweistatsachen“ vorliegt, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleiht. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung nach der Rechtsprechung „regelmäßig“ eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (st. Rspr.,vgl. BGH v. 12.4.2016 – VI ZR 505/14, GRUR-RR 2016, 521 Rn. 39; v. 18.11.2014 – VI ZR 76/14, GRUR 2015, 96 Rn. 16; v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, GRUR 2014, 693 Rn. 26; v. 11.12.2012 – VI ZR 314/10, GRUR 2013, 312 Rn. 26; v. 11.12.2012 - VI ZR 315/10, BeckRS 2013, 01336 Rn. 24; v. 07.12.1999 - VI ZR 51/99, NJW 2000, 1036 f.). Zudem setzt die namentliche Erwähnung des Betroffenen wohl zusätzlich eine Abwägung dahingehend voraus, ob eine Aufdeckung der Identität durch Namensnennung durch die der Presse vorliegenden Anhaltspunkte gerechtfertigt war (vgl. BVerfG v. 19.10.2006 – 1 BvR 152/01, BeckRS 2012, 56239; BGH v. 07.12.1999 – VI ZR 51/99, NJW 2000, 1036).
38(c) Diesen Anforderungen ist hier nach Auffassung des Senats Rechnung getragen. Insbesondere wirft die - inhaltlich nicht bestrittene - Beteiligung des prominenten Mandanten an der genannten Ltd. mit ihren in der Berichterstattung aufgezeigten und inhaltlich ebenfalls nicht bestrittenen personellen Verflechtungen und Entwicklungen (wie dem Sitz der neuen Leitung unmittelbar am Sitz der die Gesellschaft aufsetzenden Anwaltskanzlei) angesichts des eingetragenen Gesellschaftszwecks jedenfalls Zweifel am Fehlen steuerlicher Motive bei dem prominenten Mandanten auf, zumal ein anderer Bezug des Mandanten zu dem Unternehmenszweck nicht zu bestehen scheint und - wie die Gegendarstellung zeigt – offenbar auch tatsächlich eine Yacht vorhanden ist, deren Nutzung der Mandant nicht in Abrede zu stellen scheint. Schon daraus folgt hier aber ein Mindestbestand an Beweistatsachen für die geäußerten - bewusst noch sehr offen gehaltenen - Verdachtsmomente, die der Mitteilung insbesondere mit Blick auf die Vorbildfunktion des prominenten Mandaten, der als Moderator vor allem auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein positives Image pflegt, ausreichenden Öffentlichkeitswert verleihen. Der Mandant ist mit den Vorwürfen auch entsprechend konfrontiert worden und hatte – was gerade auch Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist – Gelegenheit zur Stellungnahme. Sein Standpunkt ist inhaltlich – wenn auch kritisch – in der Berichterstattung aufgegriffen und dargestellt und die Darstellung ist nicht etwa stigmatisierend oder vorverurteilend. Bei der Abwägung muss zudem Berücksichtigung finden, dass es – wie ausgeführt – nicht um zwingend (steuer-)strafrechtliche Vorwürfe mit erheblich größerem Eingriffspotential für den Mandaten geht, sondern um möglicherweise wegen Steuerschlupflöchern sogar legale, nichtsdestoweniger aus Sicht des in Deutschland steuerpflichtigen, internationale Steuergestaltungsmöglichkeiten nicht so einfach erschließenden Durchschnittsrezipienten moralisch aber möglicherweise fragwürdigen Verhaltens. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass bei der Berichterstattung über Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann. So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen, andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des noch nicht rechtskräftig verurteilten Betroffenen erhöht sein. Ein entsprechendes Verhältnis wird aber regelmäßig auch bei besonders leichten Taten anzunehmen sein, sofern sie nur überhaupt ein Berichterstattungsinteresse begründen; dies gilt erst recht, wenn ein staatlicher Strafvorwurf als solcher gar nicht Gegenstand der Berichterstattung ist (BVerfG v. 25.01.2012 − 1 BvR 2499/09 u. 1 BvR 21 BvR 2503/09, NJW 2012, 1500 Rn. 41). So liegt der Fall auch hier, weil der Schwerpunkt der Berichterstattung in Bezug auf den prominenten Mandanten in dessen vermeintlichen Beteiligungen an Yachtgesellschaften auf Malta liegt; steuerstrafrechtliche Fragen werden nicht erörtert.
39(3) Das so am prominenten Mandanten begründete Berichterstattungsinteresse erstreckt sich – wie zu (1) ausgeführt – jedenfalls auch auf die Mitteilung der Inhalte des in dessen Namen auf die Presseanfrage hin versandten Anwaltsschreibens und die dadurch - rein reflexartige - Identifizierbarmachtung des Klägers als dessen Anwalt. Insofern ist die Eingriffstiefe für den Kläger schon deutlich minimiert, weil nicht aus dem Schriftsatz wörtlich zitiert wird, sondern nur die wesentlichen Sachinformationen aus dem Schreiben als Antwort des Mandanten zur Sache nüchtern nur inhaltlich herausgefiltert und wiedergegeben worden sind. Auch dies zeigt, dass es nicht um eine bewusste Identifizierung oder gar Bloßstellung des Klägers usw., sondern um eine reine Sachinformation über den Umgang des prominenten Mandanten mit der Situation und eine möglichst ausgewogene Darstellung in der Verdachtsberichterstattung ging. Richtig ist zwar, dass das öffentliche Interesse an einer Wiedergabe von Passagen aus dem Anwaltsschriftsatz wegen der möglichen Belegfunktion möglicherweise noch größer sein kann, wenn ein Beitrag sich inhaltlich näher mit der Art und Weise auseinandersetzen würde, wie Prominente sich über ihre Anwälte gegen kritische Presseberichterstattungen im Vorfeld zur Wehr setzen (so deutlich auch KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234, 235; siehe auch KG v. 31.10.2008 – 9 W 152/06, BeckRS 2009, 07821 und die Entscheidung des Senats vom heutigen Tage in der Parallelsache 15 U 53/18). Ähnliches mag gelten, wenn es um Zitate aus einem Anwaltsschriftsatz mit direkter „Belegfunktion“ für die Berichterstattung gehen würde (zu diesem Aspekt auch LG Hamburg v. 08.12.2016 – 310 O 124/16, BeckRS 2016, 126589 Rn. 45). Das Fehlen solcher Gesichtspunkte führt hier aber nicht zu einem Zurücktreten des öffentlichen Berichterstattungsinteresses. Dabei darf insbesondere nicht vergessen werden, dass es nicht um ein Offenlegen von Details aus dem Privatleben des Mandanten ging, sondern - wie gezeigt - um eine Verdachtsberichterstattung über ein zwar möglicherweise legales, aber immerhin möglicherweise aus Sicht des durchschnittlichen Lesers fragwürdigen Verhalten des prominenten Mandanten, der vor der Berichterstattung deswegen mit dem Vorwurf konfrontiert worden ist. Hintergrund des von der Rechtsprechung entwickelten sog. Konfrontationsgebots ist aber vor allem, in kontroversen Sachverhalten – insbesondere in den Fällen echter Verdachtsberichterstattung, in denen die Presse selbst recherchiert hat und nicht nur auf bereits laufende Ermittlungen von Behörden verweist - den Standpunkt des Betroffenen zu erfahren und diesen gegebenenfalls in der Berichterstattung auch entsprechend zum Ausdruck bringen zu können (vgl. auch BGH v. 15.12.1987 - VI ZR 35/87, NJW-RR 1988, 733, 734; v. 25.05.1965 - VI ZR 19/64, juris Rn. 27). Insofern dient das Einholen der Stellungnahme dazu, die geforderte Ausgewogenheit eines Berichts während der Recherchen erreichen (und diese schließlich auch in der Berichterstattung so darstellen) zu können (so treffend Brost/Conrad/Rödder, AfP 2018, 287, 288). Das Erfordernis der Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen steht zudem in einem Wechselspiel zum Erfordernis eines „Mindestbestands an Beweistatsachen“, weil das Vorbringen oft den zuvor noch zu bejahenden „Mindestbestand“ erschüttern und die Vorwürfe ganz oder teilweise entkräften kann (so auch Lehr, NJW 2013, 728, 731), was wiederum eine Pflicht der Presse zur Nachrecherche auslösen kann (so auch Brost/Conrad/Rödder, AfP 2018, 287, 289 bei Fn. 26). Zudem steht die Konfrontation in Zusammenspiel zu der Frage der möglichen Vorverurteilung und der gebotenen Ausgewogenheit einer Berichterstattung, weil über die Konfrontation der Betroffene entsprechend zu Wort kommen kann und soll („audiatur et altera pars“, vgl. dazu etwa auch Srocke, AfP 2018, 291/293/296). Dem hat die Beklagte hier letztlich – wie gezeigt - nur Rechnung getragen.
40bb) Ein Überwiegen schutzwürdiger Interessen des Klägers kann demgegenüber nicht festgestellt werden.
41(1) Die nur in indirekter Rede wiedergegeben Äußerungen sind inhaltlich – wie gezeigt - zutreffend zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bei der Wiedergabe von Äußerungen eines Dritten – sei es als Zitat oder in indirekter Rede – entscheidend, ob der Dritte, gemessen an Wortwahl, Gedankenführung, Kontext und Stoßrichtung der Äußerungen diese tatsächlich so abgegeben hat (vgl. BGH v. 01.12.1981 – VI ZR 200/80, NJW 1982, 635; BVerfG v. 03.06.1980 - 1 BvR 797/78, juris Rn. 25 f.). Daran bestehen hier keine Zweifel.
42(2) Durch die nur indirekte Wiedergabe der Inhalte des Anwaltsschreibens werden über den Kläger hier auch keinesfalls weitergehende personenbezogene Details und Daten preisgegeben als die (einfache) Tatsache, dass er als Rechtsanwalt des Mandanten Verfasser des Schreibens war und was er dort für den Mandanten inhaltlich zur Sache gesagt hat. Wird - wie hier - über einen möglichen Verdacht gegen einen Prominenten identifizierend berichtet, liegt generell auch eher fern, dass schriftliche Ausführungen zur Sache durch einen Rechtsanwalt, dessen Belange allenfalls in wesentlich geringeren Maße berührt werden als die des unmittelbar betroffenen Mandaten, strengere Maßstäbe zu gelten hätten als für eine Äußerung (nur) über den Standpunkt des Mandanten selbst (so auch für ähnlichen Fall OLG München v. 16.10.2007 – 29 W 2325/07, NJW 2008, 768, 769). Zwar könnte man sich – mit dem Kläger – auf den Standpunkt zurückziehen, dass die Presse auf eine Stellungnahme wie die hier vorliegende im Zuge der Verdachtsberichterstattung rechtlich nur gehalten wäre, mitzuteilen, dass der Betroffene sich zur Sache selbst nicht äußern wolle, weil auch dann die Anforderungen an eine zulässige identifizierende Verdachtsberichterstattung wegen der gewährten Gelegenheit zur Stellungnahme dennoch erfüllt wären. Es wäre also entbehrlich, mitzuteilen, was der Anwalt als „Sprachrohr“ des Mandanten zur Verhinderung der Berichterstattung im Vorfeld konkret mitgeteilt hat (so KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234, 235 f.). Diese Sichtweise ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG nach Auffassung des Senats aber so zu eng, zumal es der Presse mit dem Ziel einer größtmöglichen Ausgewogenheit der Berichterstattung möglich sein muss, einen inhaltlichen Einwand des Betroffenen in eigener redaktioneller Verantwortung auch von Anfang an entsprechend darzustellen und damit die Eingriffsintensität ihrer Berichterstattung sogar noch abzumildern, wie es hier geschehen ist. Dies leuchtet vor allem dann ein, wenn es um die Ausgewogenheit einer Berichterstattung geht, denn sonst könnte ein Rechtsanwalt in einer solchen Stellungnahme der Presse die Wiedergabe verbieten, nachher für den Mandanten aber die Verdachtsberichterstattung unter Verweis auf die fehlende Ausgewogenheit dann doch wieder anzugreifen versuchen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin vor dem Senat damit argumentiert hat, dass in einem solchen Fall ein Rechtsmissbrauchseinwand beim Angriff gegen die Verdachtsberichterstattung greife (§ 242 BGB), muss sich die Presse darauf und die damit verbundenen Unwägbarkeiten sicherlich nicht einlassen – zumal man dem Mandanten dann nicht ein Vertretenmüssen seines Anwalts entgegenhalten würde (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO), sondern „nur“ die Tatsache, dass dieser sich wegen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf ein „Zitierverbot“ aus einem vorgerichtlichen Schreiben berufen hat, was die Rechtslage nochmals verkompliziert.
43(3) Weiter ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers lediglich seine Sozialsphäre betrifft, in welcher die Wiedergabe wahrer Tatsachenbehauptungen nur unzulässig ist, wenn eine Prangerwirkung vorliegt. Dafür fehlen – wie ausgeführt – jedwede Anhaltspunkte.
44(4) Durch die eher neutrale Wiedergabe nur in indirekter Rede und ohne besondere sprachliche Eigentümlichkeiten wird auch nicht etwa ein bedeutsamer Rückschluss auf die Person des Klägers oder seine persönlichen Verhältnisse und Charakterzüge erlaubt, was im Zuge der Abwägung der widerstreitenden Interessen ggf. ein Argument für ein Verbot sein könnte (vgl. OLG Hamburg v. 29.07.1999 – 3 U 34/99, juris Rn. 17 – Vorinstanz zu 17.12.1999 – 1 BvR 1611/99, NJW 2000, 2416 – Anwaltsschriftsatz aus DDR; gegen hohe Eingriffstiefe bei nur indirekter Rede auch KG v. 31.10.2008 – 9 W 152/06, BeckRS 2009, 07821).
45(5) Auch aus der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit des Klägers lassen sich keine maßgeblichen Argumente ableiten, die im konkreten Fall bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen für den Kläger streiten würden.
46(a) Dabei bedarf keiner Vertiefung, ob das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 18.02.2010 (1 BvR 2477/08) aufgrund der schlichten Nichterwähnung von Art. 12 Abs. 1 GG tatsächlich eine Aussage dahingehend treffen wollte, dass das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht betroffen war, zumal es dort nicht um ein Mandatsverhältnis des Berufsträgers ging, sondern ein Vorgehen im eigenen Interesse bzw. im Interesse eines Sozius. Auch aus dem Nichtprüfen von Art. 12 GG durch das Bundesverfassungsgericht in der weiteren Entscheidung vom 17.12.1999 (1 BvR 1611/99, NJW 2000, 2416) ergibt sich nichts anderes, da es dort um ein lange zurück liegendes Mandatsverhältnis ging.
47(b) Es wird schon generell in Zweifel gezogen, ob für Anwaltsschreiben wegen Art. 12 Abs. 1 GG schärfere Abwägungsmaßstäbe zugrunde zu legen sind (verneinendHärting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Persönlichkeitsrechte, Rn. 547 ff.); auch wird die anwaltliche Tätigkeit durch die Berichterstattung unter Verwendung selbst von wörtlichen Zitaten aus Anwaltsschriftsätzen fraglos nicht unmittelbar behindert oder erschwert (so auch KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234). Soweit der Kläger darauf abstellt, dass das Vorgehen der Beklagten zumindest mittelbare Folgen dadurch zeitige, dass er in eine Art „Selbstzensur“ getrieben werde und gehalten sei, vorsichtiger zu agieren, ist das faktisch zwar nicht von der Hand zu weisen (vgl. KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234; KG v. 29.09.2009 – 9 W 135/09, AfP 2009, 608; Heinz, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 4). Selbst wenn aber der Kläger sich künftig tatsächlich in einer Art „Selbstzensur“ gehalten sähe, bei außergerichtlichen Auseinandersetzungen mit Presseorganen zurückhaltender zu formulieren, liegt darin keine relevante Beeinträchtigung seiner Berufsausübungsfreiheit, weil auch eine solche Stellungnahme noch die maßgeblichen Punkte aufführen und so die Interessen des betreffenden Mandanten hinreichend wahrnehmen kann. Auch soweit im Einzelfall die Veröffentlichung eines wörtlichen Zitats oder eine – wie hier – nur in indirekter Rede erfolgte Wiedergabe in Widerspruch zum Zweck des erteilten Mandats steht, weil private Informationen über den Mandanten nicht öffentlich werden sollen, kann die Berufsausübungsfreiheit des Anwalts in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen des Mandanten jedenfalls nicht weiter reichen als die Möglichkeiten des Mandanten, seine dahingehenden Interessen selbst wahrzunehmen. Denn die Aufgabe des Anwalts zielt lediglich darauf ab, die dem Mandanten zustehenden Möglichkeiten der Interessenwahrnehmung bestmöglich auszuschöpfen. Nur dann, wenn die Rechtsordnung aus Gründen der Rechtspflege eine weitergehende Kompetenz des Rechtsanwalts vorsieht (z.B. im Falle des Anwaltszwangs nach § 78 ZPO), sind die Möglichkeiten des Rechtsanwalts gegenüber denjenigen des Mandanten im formalen Sinne überschießend. Angesichts der avisierten Verdachtsberichterstattung – zu der dem Mandanten die Fragen zugeleitet wurden – war ohnehin nicht mehr ernsthaft damit zu rechnen, jedwede Erörterung der (vermeintlichen) „Privatsache“ aus der Öffentlichkeit herauszuhalten.
48(c) Auch auf ein eventuelles Geheimhaltungsinteresse des Mandanten kann sich der Kläger nicht berufen. Das Kammergericht (v. 03.06.2006 – 9 U 117/05, n.v., Anlage K 11; v. 29.09.2009 – 9 W 135/09, AfP 2009, 608; ebenso LG Berlin v. 05.04.2016 – 15 O 534/16, n.v., Anlage K 8) hat zwar maßgeblich daran angeknüpft, dass Zitate aus einem sog. presserechtlichen Informationsschreiben zur Privatsphäre eines Mandaten den elementaren Interessen eines um Diskretion bemühten Mandanten zuwiderliefen, der den Anwalt zu dem Zweck mandatiert habe, eine Presseberichterstattung aus dem Privatleben zu verhindern. Auf diese Weise werde das übertragene Mandat konterkariert und der Anwalt werde damit „gegen sich selbst ins Feld“ geführt. In dieser Pauschalität tragen diese Erwägungen im vorliegenden Fall jedoch nicht, zumal es nicht um die Frage einer Veröffentlichung nur von Informationen aus der Privatsphäre ging (wie etwa eine zuvor geheim gehaltene Liebesbeziehung), sondern um eine – wie gezeigt zulässige – Verdachtsberichterstattung im Zusammenhang mit einer zunächst auf – wie im Bericht geschildert - allgemein zugänglichen Informationen im Ansatz schon ablesbaren gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des prominenten Mandanten des Klägers. Hätte der Mandant in dieser Situation selbst Stellung genommen, wäre aber letztlich auch nach dem Vorbringen des Klägers eine Berichterstattung darüber zulässig gewesen. Warum dies anders sein soll und sogar eigene Abwehrrechte (nur) des Anwalts bestehen sollen, wenn (auch) mitgeteilt wird, dass der prominente Mandant nicht selbst geschrieben hat, sondern den Kläger als Anwalt damit betraut hat, erschließt sich dem Senat nicht, zumal sonst ohne Not faktisch die Rechtsposition des Mandanten (mittelbar über den Kläger) verbessert würde. Dass zudem jedenfalls im konkreten Fall keine besondere Beeinträchtigung des Mandatsverhältnisses drohen kann, zeigt sich auch deutlich auf S. 9 der Berufungserwiderung (Bl. 197 d.A.), da der Kläger selbst betont, dass es ihm gar nicht darum gehe, der Beklagten zu untersagen, die „Sichtweise des Betroffenen kund zu tun“, also die inhaltliche Aussage, wonach Herr L auf Malta keine Steuern spare, zum Gegenstand ihrer Berichterstattung zu machen, sondern allein und ausschließlich darum, diese Aussage in identifizierender Weise konkret dem Kläger zuzuschreiben. Dass insofern überwiegende Schutzinteressen des nur in der Sozialsphäre betroffenen Klägers bestehen sollen und gerade dies dessen Berufsfreiheit und das Vertrauensverhältnis zum Mandanten belasten soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.
49(d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass durch eine Veröffentlichung eines solchen Schriftsatzes im Einzelfall das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Anwalt und Mandant dennoch berührt sein kann (so aber etwa Heinz, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 4). Vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist auch das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant insoweit erfasst, als es Voraussetzung dafür ist, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten beistehen kann (vgl. BVerfG v. 28.06.2015 - 2 BvR 2558/14, juris Rn. 38). Vom Schutz des Vertrauensverhältnisses ist aber jedenfalls nicht erfasst, dass ein Anwalt risikolos im Interesse seines Mandanten agieren kann. Wird ein Anwaltsschreiben öffentlich zitiert (hier sogar nur in indirekter Rede) und läuft dies den Interessen des Mandanten zuwider, wird dadurch zwar möglicherweise Vertrauen enttäuscht, das der Mandant seinem Anwalt entgegengebracht hat. Grund hierfür ist aber dann vor allem, dass der Anwalt es unterlassen hat, seinen Mandanten umfassend über die Chancen und Risiken der gewählten Art der Interessenwahrnehmung – und das fehlende absolute Zitierverbot aus Anwaltsschreiben – aufzuklären. Eine sonstige Beeinträchtigung des Mandatsverhältnisses ist gerade im konkreten Fall zudem aus den oben genannten Gründen ausgeschlossen.
50(e) Ebenso wenig tangiert die Veröffentlichung das in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 – 2 BvR 1520/01, juris Rn. 101) Recht zur Verschwiegenheit des Anwalts. Aus diesem folgt als Korrelat zu der in § 43a BRAO geregelten Verschwiegenheitspflicht lediglich, dass der Rechtsanwalt nicht dazu verpflichtet werden kann, Dritten gegenüber preiszugeben, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Es schützt aber nicht davor, dass Dritte Informationen weitergeben, die der Rechtsanwalt ihnen gegenüber - Namens und in Auftrag des Mandanten – selbst preisgegeben hat.
51(f) Dahinstehen kann dann, ob die vorstehende Abwägung im Einzelfall anders ausfallen würde, wenn im Einzelfall tatsächlich nachhaltig berufliche Interessen des Berufsträgers betroffen sind, weil etwa beispielsweise rechtswidrig erlangte Informationen (wie z.B. aus einen entwendeten internen Aktenvermerk) veröffentlicht würden (vgl. LG Hamburg v. 06.11.1987 – 74 O 526/87, NJW 1989, 1160: Eingriff in Vertraulichkeitssphäre); der Eindruck entstehen könnte, der Anwalt habe zu Lasten des Mandanten bereitwillig Informationen an die Presse gegeben, so dass seine Tätigkeit insgesamt in ein schlechtes Licht gerückt würde (vgl. KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234), gar der Anschein entstehen würde, der Anwalt habe ganz bewusst „Informationen lanciert“ (vgl. KG v. 31.10.2008 – 9 W 152/06, BeckRS 2009, 07821) oder wenn hier sinnentstellend und verfälschend zu Lasten des Mandaten zitiert würde. Denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Soweit u.a. auf S. 7 f. der Berufungserwiderung (Bl. 195 f. d.A.; vgl. auch S. 8 des Schriftsatzes vom 23.01.2018, Bl. 91 d.A.) vor allem gerügt wird, dass durch die verkürzte Wiedergabe des Anwaltsschreibens der falsche Eindruck erweckt werde, der Kläger als Anwalt habe sich zu Veröffentlichungszwecken für den Mandanten zur Sache eingelassen, kann dies allein nach Auffassung des Senats keinen Unterlassungsanspruch tragen. Es kann dahinstehen, ob man das – bekanntlich schwer abzugrenzen (dazu zuletzt Retka, AfP 2018, 196 ff. m.w.N.) – nicht eher als Fall der Eindruckserweckung oder als einen Fall der bewusst unvollständigen Tatsachenbehauptung (dazu BGH v. 22.11.2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601) zu behandeln hätte (dies wird angedeutet bei BVerfG v. 18.02.2010 – 1 BvR 2477/08, AfP 2010, 145) oder ob dies wirklich auch im Rahmen der Abwägung zur Frage der Zulässigkeit des Zitierens aus einem Anwaltsschriftsatz (inzident) zu Gunsten des Klägers zu prüfen hätte. Denn weder wird ein solcher Eindruck, schon gar nicht „unabweislich“, erweckt, noch werden in der Berichterstattung insgesamt Tatsachen mitgeteilt, um den Leser zu einer eigenen Schlussfolgerung anzuhalten, die bei Mitteilung der (angeblich) verschwiegenen Tatsache dann weniger nahe liegend erscheinen würde, was aber zwingende Voraussetzung für einen Abwehranspruch wäre. Denn zum einen hat der Kläger sich – wie bereits ausgeführt – zwar auf reine Hintergrundinformationen berufen, aber inhaltlich durchaus für den Mandanten auch zur Sache selbst geäußert, nur nicht „detaillliert.“ Zum anderen kann durch das Weglassen des „Veröffentlichungsverbots“ beim unbefangenen Leser kein falscher Eindruck entstehen bzw. würde sich im Umfang einer wertneutralen Falschdarstellung halten noch hätte im Gegenzug die Erwähnung dieses Umstandes zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs führen können, so dass auch kein Anspruch aufgrund unvollständiger Berichterstattung zu begründen ist. Dabei ist es gleichgültig, ob man auf den prominenten Mandanten oder – hier wohl folgerichtiger - den Kläger selbst abstellen würde. Bei diesem erscheint es schon fernliegend, an die Nichtwiedergabe des „Veröffentlichungsverbots“ anzuknüpfen, weil man bei einer tatsächlichen Wiedergabe der Passage im Gegenzug sogar annehmen könnte, man würde den Kläger als Berufsträger damit ganz bewusst der Lächerlichkeit preisgeben wollen, weil man durch die Berichterstattung dann nämlich aufzeigen würde, dass man auf dessen Angaben und Vorstellungen ohnehin nichts zu geben habe (so LG Berlin v. 05.04.2016 – 15 O 534/16, n.v. – Anlage K 8).
52(6) Schließlich kann auch das vom Kläger ausgesprochene Veröffentlichungsverbot nicht dazu führen, dass seinen Interessen im Rahmen der Abwägung der Vorrang einzuräumen ist. Selbst wenn man die Ausführungen im Anwaltsschreiben zugunsten des Klägers tatsächlich so verstehen wollte, dass das Verbot weit gefasst ist und auch jede inhaltliche Wiedergabe des im Namen des Mandanten verfassten Schreibens in indirekter Rede erfassen soll, kann das Verbot in der Abwägung nicht entscheidend gegen die Interessen der Beklagten angeführt werden. Denn es handelt sich um eine nur einseitige Erklärung des Klägers, die im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht automatisch zu einem absoluten Veröffentlichungsverbot führen kann (vgl. OLG Saarbrücken v. 13.06.2012 – 5 U 5/12, juris, Rn. 33 für Emails; dem folgend Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Persönlichkeitsrechte, Rn. 546) und die die Beklagte mangels einer Zustimmung oder eines aus sonstigen Gründen bestehenden Vertrauensverhältnisses nicht bindet. Vielmehr ist hier maßgeblich auf den im öffentlichen Interesse liegenden Berichtsgegenstand abzustellen. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers kann nicht deshalb ein gesteigertes Gewicht beigemessen werden, weil er seinen einer Veröffentlichung entgegenstehenden Willen erkennbar manifestiert hat. Besteht – wie hier – keine vertragliche Geheimhaltungsabrede mit einem darin liegenden Verzicht auf die Rechte aus Art 5 Abs. 1 GG (vgl. Senat v. 29.5.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 – Revison zu BGH – VI ZR 248/18) ist letztlich maßgeblich, ob nach den Umständen die „körperliche Fixierung des Gedankeninhalts“ besonders vertraulich zu behandeln war. Eine solche Vertraulichkeit kann möglicherweise im Einzelfall auch anwaltlichen Schriftsätzen zukommen, wenn sie – etwa in einer Recherche über brisantes Material – in einer vertraulichen Umgebung gewechselt werden (vgl. BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667 zu Tonbandaufnahmen und sonstigen Materialien im Zuge der Recherche) oder aber im Rahmen einer sog. Hintergrundinformation (sog. „unter drei“) ausgetauscht werden, hinsichtlich derer die Beklagte dann unter Umständen einer Geheimhaltungspflicht unterworfen wäre. Dies könnte eine Veröffentlichung im Zuge der Abwägung unter Umständen strengeren Kriterien unterwerfen. Um einen solchen Sonderfall geht es hier jedoch nicht. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers kann daher nicht allein deswegen ein gesteigertes Gewicht beigemessen werden, weil dieser seinen einer Veröffentlichung entgegenstehenden Willen „manifestiert“ hat. Denn ein einseitiger Geheimhaltungswille und ein enttäuschtes Vertrauen in die Diskretion des Gesprächspartners, der sich über den Geheimhaltungswillen des sich Äußernden hinwegsetzt, sind deliktisch gerade nicht absolut geschützt (BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667). Wesentlich ist vielmehr, ob der sich Äußernde eine Diskretion (objektiv) ernstlich erwarten konnte. Das ist hier nicht der Fall. Ein Vertrauensverhältnis zur Beklagten, auf dessen Grundlage der Kläger sich sicher sein konnte, dass eine Veröffentlichung keinesfalls erfolgen würde, lag ersichtlich nicht vor. Es war im Gegenteil klar, dass die Beklagte gegenläufige Interessen zu denen des Mandanten des Klägers und auch zu den Interessen des Klägers verfolgte, weswegen hier nicht eine Vertraulichkeits- oder Geheimsphäre betroffen ist (vgl. für den Fall eines presserechtlichen Informationsschreibens ähnlich auch KG v. 03.06.2006 – 9 U 117/05, n.v. - Anlage K 11; KG v. 12.01.2007 – 9 U 102/06, AfP 2007, 234; KG v. 31.10.2008 – 9 W 152/06, BeckRS 2009, 07821).
53(7) Auf die zwischen den Parteien diskutierten Frage, wann bei der vom Kläger versuchten Vorgehensweise eine Gegendarstellung erlassen werden könnte, wenn sich die Presse - anders als hier - an das „Veröffentlichungsverbot“ halten würde, kommt es angesichts des Vorgenannten nicht mehr entscheidend an. Da der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung auch besteht, wenn die betroffene Person zuvor gar keine Stellungnahme zu einer geplanten Berichterstattung abgegeben hat, obwohl die Redaktion ihr eine solche Möglichkeit eingeräumt hat, weil die – im Einzelfall nicht zu begründende – Verweigerung einer Vorab-Erklärung grundsätzlich gerade keine Obliegenheitsverletzung ist, die einen Gegendarstellungsanspruch entfallen ließe (BVerfG v. 09.04.2018 – 1 BvR 840/15, NJW 2018, 2250; vgl. auch Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl. 2017, Kap 5 Rn. 210a), erscheint die diesbezügliche Argumentation der Beklagten insgesamt auch eher fernliegend und die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) müsste in diesem Bereich jedenfalls ein ganz enger Ausnahmefall bleiben. Dies wiederum führt bei der Abwägung aber – entgegen dem Kläger – dann nicht automatisch dazu, dass damit das Interesse der Presse ungleich geringer würde, aus einer solchen Stellungnahme inhaltlich überhaupt noch zu zitieren. Denn dass die Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung entfallen kann, wenn der Betroffene in der Erstmitteilung – anders als hier – ausreichend zu Wort gekommen ist (Seitz, a.a.O., Rn. 188 m.w.N.), ist allgemein anerkannt. Insofern muss es der Presse aber – wie bereits oben ausgeführt - unbenommen bleiben, mit der Vorgabe der größtmöglichen Ausgewogenheit einer Verdachtsberichterstattung als wichtigem Rechtsmäßigkeitskriterium vor ihren Augen, in einer Verdachtsberichterstattung inhaltlich aus einem vom Betroffenen auf die gebotene Konfrontation mit den Vorwürfen hin verfassten anwaltlichen „Informationsschreiben“ zu zitieren (hier zudem nur in indirekter Rede), um die Berichterstattung nicht ohne Not einseitig erscheinen zu lassen. Jedenfalls muss die Presse sich – wie auch im Termin erörtert – nicht im Interesse einseitig ausgesprochener „Veröffentlichungsverbote“ pauschal darauf einlassen, die Inhalte von solchen „Nicht-Stellungnahmen“ in der Berichterstattung zunächst zu verschweigen und bei einer späteren Inanspruchnahme wegen einer angeblich unzulässigen und nicht ausgewogenen Verdachtsberichterstattung dann dahingehende Angriffe jeweils mühsam dort unter Berufen auf den Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) zurückzuschlagen. Das würde – wie oben bereits ausgeführt – nur unnötige Unsicherheiten in dem ohnehin schwierigen Bereich der Verdachtsberichterstattung tragen und dem oben aufgezeigten Sinn und Zweck des Konfrontationsgebots zuwiderlaufen.
543. Der Schriftsatz des Klägers vom 22.11.2018 (Bl. 224 ff. d.A.) rechtfertigt keine diesem günstigere Sichtweise und insbesondere auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO), zumal er sich letztlich nur mit der Frag der Revisionszulassung befasst.
554. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.
565. Die Revision war – wie klägerseits auch angeregt - zuzulassen. Zwar erfordert die Vielzahl der oben zitierten gerichtlichen Entscheidungen wegen deren Einzelfallcharakter und der nach allen Entscheidungen jeweils gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall keine Zulassung unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ZPO), zumal keine allgemeingültigen Grundsätze in Divergenz zu den zitierten Entscheidungen aufgestellt worden sind. Die Zulassung ist aber gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO geboten, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nämlich schon dann, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können (BT-Drs. 14/4722, 104). Die Grundsatzbedeutung von Rechtsfragen kann sich dabei – auch wenn sich an ihr bislang kein konkreter Streit in Rechtsprechung oder Literatur entzündet hat – auch allein aus ihrem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise (hier: Presserechtsanwälte und Verlage) ergeben (vgl. BGH, Urt. v.18.9.2003 - V ZB 9/03, NJW 2003, 3765). Jedenfalls für die genannten Verkehrskreise sind die hier diskutierten Fragen – auch für die in Zukunft mit Sicherheit zu erwartenden Konstellationen aus weiteren Berührungen zwischen Verlagen und Presserechtsanwälten – von besonderer Bedeutung und auch für die weitere Berichterstattung der Verlage klärungsbedürftig, so dass sich daraus ein Zulassungsgrund ergibt, um dem Revisionsgericht zu ermöglichen, nähere Vorgaben für einen in solchen Fällen zu treffende Abwägungsentscheidung zu machen und ggf. auch Angaben zum Gewicht mancher Aspekte im Abwägungsvorgang festzulegen.
57Berufungsstreitwert: 10.000 Euro
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Dez. 2018 - 15 U 42/18
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Dez. 2018 - 15 U 42/18 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).
(1) Ist die Hauptsache nicht anhängig, so hat das Arrestgericht auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe.
(2) Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, so ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes durch Endurteil auszusprechen.
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verurteilung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung in dem von ihr herausgegebenen Nachrichtenmagazin …
-
I.
- 2
-
In der Ausgabe vom 4. Februar 2013 des Nachrichtenmagazins … (Ausgabe Nr. 6/2013) veröffentlichte die Beschwerdeführerin eine Berichterstattung, in der es um Schleichwerbevorwürfe gegenüber einem bekannten Fernsehmoderator G. ging, dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens. Der Artikel stellt Verdachtsmomente dar, wonach in Fernsehsendungen versteckt für die Produkte verschiedener Firmen, hier den Tiermarkt-Discounter F. und die Floristenbranche, Werbung betrieben werde.
- 3
-
Im Vorfeld der Berichterstattung hatte der Redakteur der Beschwerdeführerin den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers per E-Mail mit verschiedenen Aspekten der geplanten Veröffentlichung konfrontiert und diesbezüglich zur Stellungnahme aufgefordert. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Beschwerdeführerin telefonisch mit, er und sein Mandant hätten nicht vor, die zahlreichen Fragen zu beantworten. Der Fernsehmoderator G. habe noch nicht einmal gewusst, dass es eine Firma namens F. gebe. Genauso sei es "Quatsch", dass er auf Befehl "Valentinstag" gesagt habe. Am Ende teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Inhalt des Gesprächs nicht in der geplanten Berichterstattung verwendet werden dürfe. Nach Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels forderte der Antragsteller die Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung auf, was diese zurückwies.
- 4
-
1. Antragsgemäß erließ daraufhin das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 11. März 2013 eine einstweilige Anordnung, mit der die Beschwerdeführerin zum Abdruck der folgenden Gegendarstellung verpflichtet wurde:
-
In … Nr. 6 vom 04.02.2013 heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Lasst Blumen sprechen! …Neue Fälle deuten auf noch weit raffiniertere Schleichwerbung hin.":
-
"… bestand 2007 ein Kooperationsvertrag für 'W.?' mit der Firma F. D., mit G.-Bruder C. an der Spitze, verkaufte … die Markenrechte der Show an die Tiermarktkette. … dass G. in seiner Anmoderation das Wort 'F.' unterbrachte. Zur Wettpatin … gewandt: 'Du musst sagen ja oder nein, Hunde-Fressnapf, Mann gegen Hund.'"
-
Hierzu stelle ich fest:
-
Ich habe das Wort "F." nicht gewählt, um den Namen des Unternehmens zu erwähnen. Mir war nicht bekannt, dass es eine Firma mit diesem Namen gibt.
-
Weiter heißt es:
-
"Deal … mit der Fl. AG. … Den Namen Fl. erwähnte G. nicht. Dafür lenkte er aber die Aufmerksamkeit auf ein Ereignis, das zu den Festtagen der Floristenbranche zählt: den Valentinstag. … Gleich dreimal erinnerte G. an den Valentinstag."
-
Hierzu stelle ich fest:
-
Bei der Erwähnung des Begriffs "Valentinstag" war mir weder bekannt, dass es Kontakte zu der Firma Fl. gab, noch hat mich irgendjemand dazu aufgefordert, in der Sendung den Begriff "Valentinstag" zu erwähnen.
- 5
-
2. Auf den Widerspruch der Beschwerdeführerin bestätigte das Landgericht mit angegriffenem Urteil vom 8. April 2013 die einstweilige Verfügung. Der Antragsteller habe gemäß § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes (HbgPrG) einen Anspruch auf Veröffentlichung der Gegendarstellung. Auch in dem Fall, dass ein Betroffener auf die Anfrage der Presse reagiere, jedoch gleichzeitig untersage, seine Erläuterungen in die Berichterstattung einfließen zu lassen, bleibe ihm sein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung erhalten. Es bestehe keine Obliegenheit dazu, sich bereits im Vorfeld zu Tatsachenbehauptungen zu erklären, die ein Dritter zu veröffentlichen beabsichtige. Das folge schon daraus, dass der Abgabe einer solchen Stellungnahme zahlreiche Umstände entgegenstehen könnten wie mangelnde Zeit, die Auffassung, dass der Gegenstand ohnehin nicht öffentlich erörtert werden solle oder dürfe, vorangegangene Streitigkeiten mit dem Publikationsorgan, das die Anfrage ausspreche, und ein daraus resultierendes Misstrauen oder die Überzeugung, dass es ohnehin genügend andere Recherchemöglichkeiten gebe, die dazu führen würden, dass das Publikationsorgan von sich aus die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung erkennen werde. Derartige Denk- und Handlungsweisen seien Ausfluss der privaten Lebensauffassung und -gestaltung des Betroffenen, über die er keine Rechenschaft zu geben verpflichtet sei. Zwischen der Abgabe einer vorherigen Stellungnahme und der Erwiderung auf eine erfolgte Tatsachenbehauptung bestünden wesentliche Unterschiede, die es schon im Ansatz nicht zuließen, aus dem Unterlassen des einen den Verlust des Rechts zum anderen herzuleiten. Das Recht auf Gegendarstellung gebe dem Betroffenen nicht allein ein Recht darauf, auf eine Tatsachenbehauptung mit einer Tatsachenbehauptung zu erwidern. Vielmehr müsse der Abdruck der Gegendarstellung an bestimmter Stelle in bestimmter Form erfolgen. Eine Stellungnahme des Publikationsorgans zu der Gegendarstellung in derselben Ausgabe, in der sie erscheine, müsse sich auf tatsächliche Angaben beschränken. Hingegen könne der Betroffene, der von einem Publikationsorgan um Abgabe einer Stellungnahme zu einer ihn betreffenden Behauptung gebeten werde, sich in keinem Fall sicher sein, dass diese Stellungnahme in die Berichterstattung so eingearbeitet werde, dass dies in seiner Wertigkeit einer Gegendarstellung entspreche; mitunter könne er sogar Anlass zu der Befürchtung haben, dass das Publikationsorgan die von ihm abgegebene Stellungnahme dazu nutzen werde, den Eindruck zu erwecken, auch weitere Behauptungen in dem Beitrag beruhten auf eigenen Auskünften des Betroffenen, oder gar dazu, sich über ihn lustig zu machen oder ihn in ein schlechtes Licht zu rücken. Aus diesem Grund könne es kein widersprüchliches Verhalten darstellen, wenn der Betroffene zunächst die Veröffentlichung abwarte, um sich gegebenenfalls erst im Anschluss daran zu den darin enthaltenen, ihn betreffenden Behauptungen öffentlich zu äußern.
- 6
-
3. Die gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Urteil vom 3. Februar 2015 zurück. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Betroffener, wie hier der Antragsteller, mit einer Stellungnahme erreichen wolle, dass jegliche Veröffentlichung über einen Gegenstand unterbleibe, ihre Verwendung dem Verbreiter daher untersage, und sich nach einer gleichwohl erfolgten Veröffentlichung gegen diese wende. Denn mit seinem Verhalten vor der Veröffentlichung vertrete der Betroffene zulässigerweise einen Rechtsstandpunkt, woraus ihm im späteren Streit mit dem Verbreiter kein Nachteil erwachsen dürfe. Dieser Vorgehensweise könne im Übrigen schon deshalb kein Moment des Rechtsmissbrauchs oder der Widersprüchlichkeit bei einer späteren Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verbreiter innewohnen, weil der Verbreiter auf Grundlage dieses Verhaltens nicht darauf vertrauen könne, dass der Betroffene die beabsichtigte Berichterstattung hinnehmen werde. Er werde vielmehr bereits im Vorfeld seiner Veröffentlichung davor gewarnt, dass er bei ihrem Vollzug damit rechnen müsse, dass - und bezogen auf welchen Gegenstand - er von dem Betroffenen äußerungsrechtlich in Anspruch genommen werde. Die Annahme einer Obliegenheit zur Stellungnahme zu einer bevorstehenden Veröffentlichung die im Falle des Schweigens damit sanktioniert werde, dass die betroffene Person ihr Recht auf eine Gegendarstellung verlöre, würde die gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Person erheblich einschränken, ohne dass ein tragfähiger Grund für eine solche Einschränkung vorläge. Der Verbreiter werde dadurch auch nicht rechtlos gestellt, zumal er nach dem Hamburger Pressegesetz berechtigt sei, sich zu der Gegendarstellung mit Tatsachen zu äußern.
- 7
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Der Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs stehe in der vorliegenden Konstellation das fehlende Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen entgegen. Die Fachgerichte ignorierten, dass das Gegendarstellungsrecht dem von einer Berichterstattung Betroffenen lediglich das Recht vermitteln solle, hinreichend zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht in angemessener Weise geschehen sein sollte. Der nach Auffassung der Fachgerichte pauschal geltende Grundsatz, demzufolge ein bewusstes Schweigen auf eine Vorabanfrage niemals zu einem Verlust des Gegenleistungsrechts führen könne, schließe jede Möglichkeit der Berücksichtigung der Einzelfallumstände aus und eröffne einem Betroffenen die Möglichkeit, das Gegendarstellungsrecht in verfassungswidriger Weise als Sanktionsinstrument gegen eine unliebsame Berichterstattung zu missbrauchen. Die Rechtsprechung der Fachgerichte laufe faktisch auf ein Wahlrecht des Betroffenen hinaus, ob er sich vorab in Form einer Stellungnahme oder nachträglich in Form einer Gegendarstellung zu Wort melden möge. Die Annahme eines solchen Wahlrechts werde der im Gegendarstellungsrecht auszutarierenden grundrechtlichen Interessenkollision nicht gerecht, weil damit der Missbrauch des mit einem erheblichen Imageschaden für die Presse verbundenen Gegendarstellungsrechts zum Zwecke der Einschüchterung der Presseorgane legitimiert werde.
-
II.
- 8
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248 ff.>). Sie ist unbegründet.
- 9
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Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zum Gegendarstellungsrecht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 63, 131 <142>; 73, 118 <201>; 97, 125 <148>).
- 10
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1. Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der Normen zum Gegendarstellungsrecht die durch die Pressefreiheit gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die in den Gesetzen zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Persönlichkeitsrechtsschutz des Betroffenen ebenso wie die damit konkurrierende Pressefreiheit im Wege praktischer Konkordanz beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9>). Nur die Beachtung dieser Anforderungen wird vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft. Demgegenüber ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 94, 1 <9 f.>; 112, 332 <358>; 120, 180 <210>).
- 11
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Die Regelungen zum Gegendarstellungsrecht sollen den Einzelnen vor Gefahren schützen, die ihm durch die Erörterung seiner persönlichen Angelegenheiten in der Presse drohen. Sie sind ein Gegenstück zur Freiheit der Presseberichterstattung, der der Betroffene, dem seine Angelegenheiten unzutreffend dargestellt scheinen, in der Regel nicht mit Aussicht auf dieselbe publizistische Wirkung entgegentreten kann. Zum Ausgleich dieses Gefälles obliegt dem Gesetzgeber eine aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Schutzpflicht, den Einzelnen wirksam gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individualsphäre zu schützen (vgl. BVerfGE 73, 118 <201>). Dazu gehört, dass der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit hat, ihr mit seiner eigenen Darstellung entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 63, 131 <142 f.>).
- 12
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen bewegen sich die angegriffenen Entscheidungen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
- 13
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a) Die von den Fachgerichten angestellten Erwägungen, warum eine vorherige Stellungnahme zu einer geplanten Berichterstattung keine Obliegenheit des Betroffenen darstellt, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie stützen sich mit tragfähigen Gründen darauf, dass eine solche Obliegenheit die Möglichkeiten zur Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs weitgehend leerlaufen ließe oder jedenfalls unzumutbar erschwerte, weil sich Medienunternehmen dann Gegendarstellungsansprüchen weitestgehend dadurch entziehen könnten, dass sie die jeweils Betroffenen vorab um Stellungnahmen baten. Den Betroffenen bliebe dann kaum mehr eine Möglichkeit zu einer eigenen Darstellung des streitigen Sachverhalts - entweder weil sie sich auf die indirekte Wiedergabe ihrer Sicht durch die Presseartikel verweisen lassen müssten oder weil sie des Rechts mangels Antwort verlustig gegangen seien. Zudem würde eine solche Obliegenheit den von einer Berichterstattung Betroffenen letztlich dazu verpflichten, an einer gegen seinen Willen geplanten Berichterstattung mitzuwirken, indem er zu den darin vorgesehenen Themen Stellung nimmt. Diese Erwägungen sind tragfähig.
- 14
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b) Ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist die Argumentation der Gerichte, dass die Verweigerung einer Stellungnahme von dem Betroffenen nicht im Einzelfall gerechtfertigt werden müsse. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen, vorliegend etwa des Rechts, auf Vorhaltungen seitens der Presse zu schweigen oder zu erklären, man lehne eine derartige Berichterstattung insgesamt ab, muss nicht gerechtfertigt werden und kann nicht als Grund für einen grundsätzlichen oder auch nur regelhaften Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses an einer späteren Gegendarstellung angesehen werden. Daraus folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht, dass jede Möglichkeit einer Berücksichtigung von Einzelfallumständen ausgeschlossen wäre. Über das Kriterium des "berechtigten Interesses" können nach wie vor Fälle ausgeschlossen werden, in denen die Einräumung von Gegendarstellungsansprüchen unbillig oder rechtsmissbräuchlich erscheint. Nach der jedenfalls gut vertretbaren Auffassung der Fachgerichte gehören die streitgegenständlichen Fälle jedoch nicht dazu.
- 15
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c) Die Annahme der Fachgerichte, eine von dem Betroffenen selbst verfasste Gegendarstellung und die indirekte Berücksichtigung einer Stellungnahme des Betroffenen in der Berichterstattung der Presse hätten eine unterschiedliche "Wertigkeit", ist verfassungsrechtlich tragfähig. Denn der Gegendarstellung kommt eine weitaus größere publizistische Wirkung zu als einer - im Zweifel kurzen - Erwähnung der Stellungnahme des Betroffenen im ursprünglichen Artikel. Letztlich wird die nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben geforderte "gleiche publizistische Wirkung" in der Regel nur über eine Gegendarstellung hergestellt, deren Geltendmachung die Publikationsorgane zum Ausgleich der kollidierenden Grundrechte hinzunehmen haben. Die Beschwerdeführerin verkennt den Schutzzweck des Gegendarstellungsrechts, wenn sie behauptet, dieses solle dem von einer Berichterstattung Betroffenen lediglich das Recht vermitteln, "hinreichend zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht in angemessener Weise geschehen sein sollte". Zwar schließt die neutrale Darstellung des vom Betroffenen geäußerten Standpunktes in der Regel die spätere Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs aus, jedoch kann dies nicht bedeuten, dass der Betroffene zu einer Vorab-Stellungnahme gleichsam gezwungen wäre, um eine (möglicherweise) gleiche publizistische Wirkung seiner Äußerung zu erreichen. Dabei ist die in § 11 Abs. 3 HbgPrG vorgesehene Möglichkeit einer redaktionellen Anmerkung zu der Gegendarstellung ein Mittel des Ausgleichs, das es dem Medienunternehmen ermöglicht, auf den Eingriff in seine Pressefreiheit zu erwidern und damit faktisch das "letzte Wort" zu haben. Damit ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt, da das Gegendarstellungsrecht in § 11 HbgPrG einen verfassungsgemäßen Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen darstellt.
- 16
-
d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es auch nicht erforderlich, die Einräumung eines Gegendarstellungsrechts stets von einer einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechte abhängig zu machen. Vielmehr ist dem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs.1 GG auf der einen Seite und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auf der anderen Seite vom Grundsatz her bereits durch die jeweiligen einfachrechtlichen Regelungen der Bundesländer und im Rundfunkstaatsvertrag Rechnung getragen. Der Vorbehalt einer Einzelfallabwägung als generelle Voraussetzung eines Gegendarstellungsanspruchs würde die im Rahmen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>) verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende geschaffene gesetzliche Regelung, hier des § 11 HbgPrG, unterlaufen. Über das Erfordernis des "berechtigten Interesses" kann besonderen Konstellationen im Einzelfall Rechnung getragen werden.
- 17
-
e) Die Argumentation der Fachgerichte, dass auch die Abgabe der geforderten Stellungnahme bei gleichzeitigem Verbot von deren Berücksichtigung in der geplanten Berichterstattung nicht zu einem Fortfall des Gegendarstellungsanspruchs führt, da es sich dabei lediglich um ein - dem Betroffenen nicht vorwerfbares - Agieren mit offenen Karten handelt, begegnet gleichfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt in dieser Ankündigung der Gegenwehr schon deshalb nicht, weil es sich dabei um die Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt. Es ist keine illegitime "Einschüchterung", wenn die Presse daraufhin entscheiden muss, ob sie den entsprechenden Bericht - möglicherweise auch mit dem Risiko, Gegendarstellungsansprüchen ausgesetzt zu sein - verfasst.
- 18
-
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht ihres Bruders von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der ES AG, einer nicht börsennotierten Schweizer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz.
- 2
- Geschäftsgegenstand der ES AG, die 22 Millionen Namensakten zu einem Nennwert von 0,01 Schweizer Franken herausgegeben hatte, war das Factoring. Aus dem operativen Geschäft erzielte sie ausweislich ihrer Bilanzen verhältnismäßig geringe Erlöse, denen Ausgaben unter anderem für Dienstleistungen und Beratungen gegenüberstanden. Der Großteil der Umsätze erfolgte durch den Verkauf ihrer eigenen Aktien sowie der Aktien ihrer Hauptaktionärin, der I. SA mit Sitz auf den Bahamas, die 62 % der Aktien der ES AG hielt. Die Aktien wurden von bei der ES AG angestellten Telefonverkäufern unter anderem in Deutschland über eine unselbständige Niederlassung in Düsseldorf an Privatanleger veräußert. Ein Wertpapierprospekt stand auf der Webseite der ES AG zum Download bereit. In gedruckter Form wurde der Prospekt potentiellen Anlegern nur auf Anforderung übersandt.
- 3
- Der Beklagte zu 1 war vom 8. November 2004 bis zum 18. Februar 2010 Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der ES AG. Der Beklagte zu 2 war vom 8. November 2004 bis zum 27. November 2008, nach dem Vortrag der Klägerin bis zum 5. Januar 2009, Präsident des Verwaltungsrates der ES AG, der gemäß Ziffer 4.1 des Organisationsreglements die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen hatte und der gemäß dem Anhang des Organisationsreglements für die Marketing- und Verkaufspolitik im Sinne einer Gesamtverantwortung zuständig war.
- 4
- Der Zedent erwarb zwischen dem 28. November 2006 und dem 5. Au- gust 2009 insgesamt 20.000 Namensaktien für zusammen 61.000 €. Die Akti- enkäufe erfolgten jeweils nach Telefonaten zwischen dem Zedenten und einem Mitarbeiter der Zweigniederlassung der ES AG in Düsseldorf. Die Zahlungen leistete der Zedent von seinem in Deutschland geführten Konto auf ein ebenfalls in Deutschland geführtes Konto der ES AG. Am 18. Juni 2010 wurde über das Vermögen der ES AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Die von dem Zedenten gezeichneten Aktien sind wertlos.
- 5
- Die Klägerin macht geltend, der Beklagte zu 1 habe die Telefonverkäufer angewiesen, Kaufinteressenten durch unrichtige Angaben über die Umsätze und Gewinne sowie einen geplanten Börsengang der ES AG zu täuschen. Über die Risiken der Anlage sei der Zedent nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Ihm seien bei der telefonischen Beratung falsche Angaben über die Umsätze und Gewinne aus dem operativen Geschäft gemacht worden, die durch Pressemitteilungen und Newsletter der ES AG gestützt worden seien. Die Telefonverkäufer hätten zu den Erträgen der ES AG nicht klar genug dargestellt, dass aus dem operativen Geschäft praktisch keine Einnahmen erfolgten und dass die in der Bilanz ausgewiesenen Gewinne überwiegend aus dem Verkauf der eigenen Aktien resultierten. Der Beklagte zu 2 hätte für eine ordnungsgemäße Aufklärung interessierter Anleger Sorge tragen und den Beklagten zu 1 entsprechend überwachen müssen.
- 6
- Das Landgericht hat den Beklagten zu 1 antragsgemäß u.a. zum Ersatz des Anlagebetrages verurteilt und die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht auch die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ, weil der Erfolgsort in Deutschland liege. Die örtliche Zuständigkeit könne in der Berufungsinstanz gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht geprüft werden. Deutsches Recht sei gemäß Art. 40 Abs. 1 EGBGB anwendbar.
- 9
- Der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 826 BGB aus abgetretenem Recht zu. Eine Haftung des Beklagten zu 1 ergebe sich nicht daraus, dass er ein von vornherein chancenloses Geschäftsmodell zum ausschließlich eigenen Vorteil hätte vertreiben wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass die ES AG von vornherein ausschließlich dazu bestimmt gewesen sei, ihre eigenen Aktien oder die Aktien des verbundenen Großaktionärs an Anleger zu vermitteln, ohne das satzungsgemäß vorgesehene Geschäft des Factorings zu betreiben. Ausweislich der Umsatzzahlen seien tatsächlich Einnahmen aus Factoring erzielt worden. Die geringe Höhe lasse sich damit erklären, dass die ES AG noch am Beginn ihrer Geschäftstätigkeit gestanden habe und das Eintreiben von abgetretenen Forderungen eine gewisse Zeit beanspruche.
- 10
- Eine Haftung ergebe sich auch nicht aus einem Unterlassen der gebotenen Aufklärung über die Anlagegeschäfte. Bei dem Erwerb der Aktien der ES AG habe es sich nicht um ein hochspekulatives Geschäft gehandelt. Auf die mit dem Geschäft verbundenen Risiken sei in dem von der ES AG auf ihrer Webseite veröffentlichten Wertpapierprospekt umfassend hingewiesen worden. Selbst wenn dies nicht ausreichend sei, läge allenfalls ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten vor, nicht hingegen ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, zumal die von der ES AG gewählte Art der Publikation den Vorgaben von § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 WpPG entsprochen habe.
- 11
- Es sei auch nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1 auf die Telefonverkäufer direkt oder indirekt über den Leiter der örtlichen Niederlassung oder über die für das Marketing zuständigen Mitarbeiter eingewirkt habe, um die Anleger zu täuschen. Im Übrigen sei die Kausalität eines unterstellt sittenwidrigen Han- delns oder Unterlassens des Beklagten zu 1 für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht festzustellen.
- 12
- Der Beklagte zu 2 hafte nicht für eigenes Handeln. Auch könne nicht festgestellt werden, dass er in sittenwidriger Weise vorsätzlich durch Unterlassen eine Pflicht verletzt habe, die aufgrund des Organisationsreglements aus seiner Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen oder aus seiner Gesamtverantwortung für die Marketing- und Verkaufspolitik folge. Wenn dies nicht einmal für den Beklagten zu 1 als geschäftsführendem Mitglied des Verwaltungsrats bewiesen sei, gelte das für den Beklagten zu 2 erst recht.
II.
- 13
- Die Revision hat Erfolg.
- 14
- 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, die auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7; vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 8; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 16, jeweils mwN und vom 24. Juni 2014 - VI ZR 315/13, WM 2014, 1614 Rn. 12). Diese Zuständigkeit besteht nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007, ABl. EU L 339 S. 3, nachfolgend LuGÜ II). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (nachfolgend: Gerichtshof) ist die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. so zu verstehen, dass sie sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort ) als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) meint (EuGH, NJW 2013, 2099 Rn. 25 mwN; NZG 2013, 1073 Rn. 51; NJW 2013, 3627 Rn. 26; NJW 2014, 1793 Rn. 27; GRUR 2014, 806 Rn. 46; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I und II bereits Senatsurteil vom 24. Juni 2014 - VI ZR 315/13, WM 2014, 1614 Rn. 29 mwN).
- 15
- Für die internationale Zuständigkeit kann offenbleiben, ob der Handlungsort in Deutschland liegt, da nach dem schlüssigen Vortrag der Klägerin jedenfalls der Erfolgsort in Deutschland liegt. Denn danach ist der Vermögensschaden des Zedenten, den sie mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf dessen Girokonto bei einem Kreditinstitut in Deutschland eingetreten, von dem er infolge der von den Beklagten zu verantwortenden Täuschung das angelegte Kapital auf ein Konto der ES AG bei einem Kreditinstitut in Deutschland überwiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 30).
- 16
- 2. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ihm die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 513 Abs. 2 ZPO verwehrt sei.
- 17
- a) Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung nicht darauf gestützt werden , dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Ob dies vorliegend der Fall ist, ist einer revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen, denn gemäß § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Demgemäß findet in der Revisionsinstanz eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts grundsätzlich auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vom Revisionsgericht zu prüfen ist (BGH, Beschluss vom 20. September 2010 - XI ZR 57/08, juris; im Ergebnis ebenso BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - Xa ZR 19/08, BGHZ 182, 24 Rn. 7 ff.; zu § 549 Abs. 2 ZPO a.F. vom Senat noch offen gelassen im Urteil vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/96, VersR 1998, 378, 379; OLG Köln, Urteil vom 19. Februar 2014 - 6 U 163/13, juris Rn. 7; aA Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 33). Zu der insoweit entsprechenden Regelung in § 549 Abs. 2 ZPO a.F. hat der Bundesgerichtshof allerdings entschieden, dass diese Vorschrift bezüglich der örtlichen Zuständigkeit nicht anzuwenden ist, soweit daneben die internationale Zuständigkeit im Streit ist und beide Zuständigkeiten von denselben Voraussetzungen abhängen (BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 130). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben, denn der Erfolgsort lag nach dem Vortrag der Klägerin, wie dargelegt, in Deutschland. Während sich die Frage, ob das Landgericht örtlich zuständig war, danach richtet, ob der Erfolgsort in seinem Bezirk liegt, kommt es für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur darauf an, ob sich das geschädigte Guthaben des Zedenten an irgendeinem Ort in Deutschland befand. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit hängt vorliegend mithin nicht von denselben Voraussetzungen ab, die für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgebend sind.
- 18
- b) Diese Auslegung von § 545 Abs. 2 ZPO verstößt weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen Unionsrecht. Zwar führen § 513 Abs. 2 und § 545 Abs. 2 der deutschen Zivilprozessordnung dazu, dass die nach Unionsrecht zu bestimmende örtliche Zuständigkeit - anders als die internationale Zuständigkeit - in der Berufungsinstanz (im Falle ihrer erstinstanzlichen Bejahung ) und in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht mehr überprüft werden kann. Die Normen verstoßen jedoch nicht gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Effektivität. Das Unionsrecht läuft durch § 513 Abs. 2, § 545 Abs. 2 ZPO nicht leer, weil die erstinstanzlich international zuständigen deutschen Gerichte berufen sind, ihre örtliche Zuständigkeit entsprechend den unionsrechtli- chen Bestimmungen zu prüfen und das Unionsrecht wie das deutsche Verfassungsrecht keinen Instanzenzug vorschreibt.
- 19
- c) Ob die örtliche Zuständigkeit entgegen § 513 Abs. 2, § 545 Abs. 2 ZPO dann in den Rechtsmittelinstanzen überprüfbar ist, wenn das erstinstanzliche Gericht oder das Berufungsgericht sie willkürlich angenommen und damit den Beklagten seinem gesetzlichen Richter entzogen haben (so OLG Oldenburg , NJW-RR 1999, 865; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 513 Rn. 33; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 513 Rn. 11; MünchKommZPO /Rimmelspacher, 4. Aufl., § 513 Rn. 19; MünchKomm-ZPO/Krüger, aaO, § 545 Rn. 17; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, § 545 Rn. 18 [Stand: 1. Januar 2015]; bezüglich der Zuständigkeitsabgrenzung von Zivil- und Handelskammer auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 2013, 437, 439; aA Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 513 Rn. 10; BeckOK ZPO/Wulf, § 513 Rn. 9 [Stand: 1. Januar 2015]; Lemke in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 513 Rn. 10; Hk-ZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 513 Rn. 3), kann dahinstehen.
- 20
- aa) Zwar begegnet die Auffassung des Landgerichts Bedenken, es sei, obwohl die Beklagten die örtliche Zuständigkeit in der Klageerwiderung gerügt haben, infolge rügeloser Verhandlung örtlich zuständig geworden, zumal es unzutreffend auf § 39 ZPO statt auf Art. 24 LugÜ II (zur Geltung für die örtliche Zuständigkeit Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 32) abgestellt hat. Da die Beklagten ausweislich des erstinstanzlichen Protokolls zur Sache verhandelt haben, ohne dort die Zuständigkeitsrüge zu wiederholen, ist die Beurteilung des Landgerichts indessen noch nicht willkürlich. Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen be- ruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, so dass die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungsfehlern beruht (BVerfG, FamRZ 2010, 25; NJW 2014, 3147 Rn. 13; jeweils mwN).
- 21
- bb) Hier ist das Landgericht, das die schriftsätzliche Zuständigkeitsrüge ausweislich seines Urteilstatbestandes gesehen hat, offenbar davon ausgegangen , die Beklagten hätten die Rüge stillschweigend fallengelassen, nachdem das Gericht, wie sich aus seinem Beschluss vom 15. Dezember 2011 über den Tatbestandsberichtigungsantrag des Beklagten zu 1 ergibt, in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hatte, warum es seine örtliche Zuständigkeit für gegeben erachte und die Beklagten dazu keine weiteren Erklärungen abgegeben hatten. Zwar muss die bereits schriftsätzlich vorgetragene Zuständigkeitsrüge sowohl im Anwendungsbereich des § 39 ZPO als auch des Art. 24 LugÜ II in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt werden, sofern auf sie stillschweigend Bezug genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2006 - IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806 Rn. 9). Möglich ist aber ein nachträglicher - auch stillschweigender - Rügeverzicht (vgl. zu § 39 ZPO BGH, Urteil vom 2. März 2006 - IX ZR 15/05, aaO; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 429, 430) oder eine Rücknahme der Zuständigkeitsrüge (zu § 39 ZPO Künzl, BB 1991, 757; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 39 Rn. 5; Wern in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 12 Rn. 9; zu Art. 24 EuGVVO a.F. Hk-ZPO/Dörner, 5. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 8; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rn. 52). Ob die Beklagten hier nachträglich auf die Zuständigkeitsrüge verzichtet oder sie zurückgenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies nicht der Fall wäre, läge hier ein bloßer Rechtsanwendungsfehler vor, der nicht den Schluss darauf zuließe, die Beja- hung der örtlichen Zuständigkeit beruhe auf sachfremden Erwägungen und sei willkürlich.
- 22
- 3. Die angefochtene Entscheidung hält jedoch in der Sache revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 23
- a) Zu Recht - und von den Parteien auch nicht angegriffen - hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt. Dies folgt, soweit die Klägerin ihre Klage auf Aktienerwerbe vor dem 11. Januar 2009 stützt, aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB und für Aktienerwerbe ab dem 11. Januar 2009 auf Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-Verordnung).
- 24
- b) Die Angriffe der Revision bleiben im Ergebnis auch insoweit ohne Erfolg , als sie sich gegen die Verneinung einer Haftung wegen unzureichender Aufklärung über die mit der Anlage verbundenen Risiken richten. Dabei kann offen bleiben, ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, das Unterlassen einer rechtlich gebotenen schriftlichen Aufklärung sei dann nicht sittenwidrig , wenn auf die Anlagerisiken in einem zum Abruf im Internet bereit gestellten Prospekt hingewiesen werde. Auf diese Frage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es vorliegend nicht an, denn nach den getroffenen Feststellungen beruht der eingetretene Schaden nicht auf einer unzureichenden Aufklärung des Anlegers. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht insoweit keine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Klägerin getroffen. Es hat sich vielmehr davon überzeugt, dass der Zedent sich zum mehrfachen Erwerb von Aktien entschlossen hat, obwohl ihm nach seinen eigenen Angaben klar war, dass es sich bei der ES AG um ein "Start-up Unternehmen" handelte, von dem noch keine aussagekräftigen Zahlen vorlagen. Die Anlagen seien für ihn erkennbar spekulativ gewesen. Nach den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Zedent die Anlagen auch bei einer weitergehenden Aufklärung getätigt hätte. Damit hat das Berufungsgericht ersichtlich den für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Ursachenzusammenhang verneint.
- 25
- c) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Beru- fungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 826 BGB unter dem Gesichtspunkt des Vertriebs eines von vornherein chancenlosen Geschäftsmodells verneint hat.
- 26
- aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet ein Vermittler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln (BGH, Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26; vom 2. Februar 1999 - XI ZR 381/97, VersR 1999, 976 und vom 22. November 2005 - XI ZR 76/05, VersR 2006, 365). Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, ist eine Haftung unter diesem Gesichtspunkt nicht auf Vermittler und nicht auf solche Fallgestaltungen beschränkt, bei denen es allein darum geht, durch möglichst viele Geschäfte hohe Gewinne aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge zu realisieren. So kann sich ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB auch gegen Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft richten und insbesondere dann in Betracht kommen, wenn ein Anleger völlig wertlose Aktien dieser Gesellschaft erwirbt (vgl. Senatsurteil vom 11. September 2012 - VI ZR 92/11, VersR 2012, 1525 Rn. 21 ff.). Dies kann dann der Fall sein, wenn sich das Geschäftsmodell der Gesellschaft als von vornherein chancenlos erweist und die Aktien praktisch allein zu dem Zweck ausgegeben werden, sich auf Kosten des Anlegers zu bereichern.
- 27
- bb) Das Berufungsgericht hält einen solchen Fall vorliegend für nicht gegeben und führt aus, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem gesamten Inhalt der Verhandlungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die ES AG von vornherein ausschließlich dazu bestimmt gewesen sei, ihre eigenen Aktien oder die Aktien ihrer Großaktionärin an Anleger zu vermitteln, ohne das satzungsgemäß vorgesehene Geschäft des Factorings zu betreiben. Zur Begründung führt das Berufungsgericht an, ausweislich der Umsatzzahlen seien tatsächlich - wenn auch nur geringe - Einnahmen aus Factoring erzielt worden. Die geringe Höhe der Einnahmen lasse sich aber noch damit erklären, dass die ES AG am Beginn ihrer Geschäftstätigkeit gestanden habe und das Eintreiben von abgetretenen Forderungen eine gewisse Zeit beanspruche. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe eine Akquisition von Forderungen zum Zwecke des Factorings tatsächlich stattgefunden. Angesichts dessen könne die Behauptung des Beklagten zu 1, er habe an das von ihm initiierte Geschäftsmodell geglaubt und ein ertragsstarkes Factoringunternehmen aufbauen wollen, nicht als widerlegt angesehen werden. Die erstmals im Berufungsverfahren aufgrund von Erkenntnissen des Ermittlungsverfahrens vorgetragenen hohen Barabhebungen reichten dazu nicht aus.
- 28
- cc) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg. Zwar ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, VersR 1997, 362, 364; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126 Rn. 7; vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, VersR 2013, 1045 Rn. 13 und vom 11. November 2014 - VI ZR 76/13, VersR 2015, 327 Rn. 13; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 316 f. mwN). Solche Fehler sind im Streitfall gegeben.
- 29
- dd) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Frage, ob das Geschäftsmodell der ES AG von vornherein chancenlos war, wesentlichen Sachvortrag der Parteien unbeachtet gelassen. Zutreffend weist die Revision auf eine Reihe von Umständen hin, die in ihrer Gesamtheit zu einer anderen Beurteilung des Geschäftsmodells führen könnten, vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang aber außer Acht gelassen worden sind.
- 30
- So ist zu berücksichtigen, dass die ES AG 22 Millionen Namensaktien zu einem Nennwert von je 0,01 CHF ausgegeben hat und diese den Anlegern unstreitig zu Preisen von 1,60 € bis zu 5,20 € verkauft worden sind. Damit überstieg der Verkaufspreis der Aktien deren Nennwert um mehr als das 159- bis 519-fache. Umstände, die ein Aufgeld in dieser Höhe bei einem jungen Unternehmen als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, waren und sind nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass diese - von der ES AG selbst festgelegten - hohen Ausgabepreise mit aus dem Factoring zu erwartenden Erträgen korrespondierten. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erzielte die Gesellschaft aus dem Factoring nämlich nur geringe Einnahmen. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin betrug der Umsatz aus dem operativen Geschäft im Geschäftsjahr 2007/2008 1,6 % und im Geschäftsjahr 2008/2009 3,1 % des gesamten Umsatzes der ES AG. Der Ertragsanteil aus dem Verkauf eigener Aktien betrug dagegen 98,4 % bzw. 96,9 %. Auch wenn der Geschäftszweck der ES AG nicht ausschließlich in dem Verkauf eigener Aktien bestand, so können diese Umsatzzahlen doch darauf hindeuten, dass in Wahrheit darin der Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit lag und das Factoring von ihr nicht ernsthaft und eher nur am Rande betrieben wurde. Nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen Bewertung des Beweisergebnisses und des Vortrags der Beklagten gekommen wäre. Die Revision verweist daneben auf zahlreiche weitere Fakten, die für die Beurteilung der Werthaltigkeit der ausgegebenen Aktien von Bedeutung sein können, so auf mehrfach erfolgte bilanzielle Wertberichtigungen, auf den Verwendungszweck der entnommenen Gewinne, auf erhebliche Barabhebungen, auf hohe Aufwendungen u.a. für Beraterverträge und Niederlassungen der Gesellschaft, auf entstandene Emissionskosten sowie auf hohe Zahlungen an die Hauptaktionärin der ES AG. Diese Auffälligkeiten können bei der Bewertung des Geschäftsmodells der Gesellschaft nicht unberücksichtigt bleiben. Sie sind in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen , die - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe - nachzuholen sein wird.
- 31
- ee) Die für einen Schadensersatzanspruch wegen des Vertriebs völlig wertloser Aktien erforderliche Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneint werden, zumal der Zedent zu dieser Frage nicht gehört worden ist.
III.
- 32
- Das Berufungsurteil kann daher gegenüber beiden Beklagten keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da das Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes und zum Schädigungsvorsatz der Beklagten und bezüglich des Beklagten zu 2 - aus seiner Sicht folgerichtig - auch keine Feststellungen zum konkreten Inhalt seiner Pflichten getroffen hat, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der erneuten Befassung zu beachten haben, dass die Klägerin ihr ursprüngliches Feststellungsbegehren nicht weiterverfolgt, die Zug-um-Zug- Einschränkung fallengelassen und den Zahlungsantrag zuletzt unbeschränkt gestellt hat. Galke Wellner Pauge Stöhr Oehler
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.09.2011 - 8 O 773/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.12.2013 - I-7 U 36/12 -
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist.
(2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Tenor
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Der Beschluss des Kammergerichts vom 19. Mai 2008 - 10 U 190/07 - und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2007 - 27 O 184/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
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Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Verurteilung, mit der dem Beschwerdeführer untersagt wurde, wörtlich aus anwaltlichen Schreiben zu zitieren.
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1. a) Der Beschwerdeführer betreibt die Internetseite www., auf der er die "N. Zeitung online" publiziert. Im Jahr 2006 beabsichtigte er, dort einen Artikel seines Mitbeklagten des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens, R., zu veröffentlichen. Dieser hatte ein Buch über ein Bankhaus verfasst und war deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Der Artikel befasste sich mit jenem Rechtsstreit, insbesondere mit dem Verhalten des von dem klagenden Bankhaus bevollmächtigten Rechtsanwalts H. in einem Gerichtstermin. Da der Beschwerdeführer den Artikel bebildern wollte, fragte er schriftlich bei dem Sozius des Prozessvertreters H. - dem Kläger des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) - an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils unfreundlichen und ironischen Ton gehalten. Sie begann mit der Anrede "Sehr geehrter(?) Herr S." und enthielt die Ankündigung, dass sich der Beschwerdeführer "auch künftig nicht einschüchtern lassen" und man sich vielleicht vor dem Bundesverfassungsgericht wiedertreffen werde. Weiter hieß es wörtlich:
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"Noch eine Frage: Da ich in der nächsten N.-Ausgabe einen Artikel über R.s Termin in Berlin veröffentlichen werde, an dem Ihr Kollege H. so schön beteiligt war, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erlauben würden, das Foto von Ihrer website (...) dafür zu verwenden. Teilen Sie mir doch bitte auch gleich mit, an welcher Stelle Herr H. zu sehen ist. Dass Sie in der Mitte stehen, dürfte ja klar sein. Dann wissen unsere LeserInnen doch auch, wie Sie und Ihre Kollegen sich öffentlich präsentieren..."
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Der Kläger antwortete mit E-Mail vom 12. September 2006, in der er der Nutzung von Bildnissen seiner Person und seines Sozius' widersprach und mit rechtlichen Schritten drohte. Wörtlich hieß es:
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"...wir widersprechen ausdrücklich jedweder Nutzung von Bildnissen von Herrn H. und meiner Person. Sollten Sie hiergegen verstoßen, werden wir eigenständige rechtliche Schritte einleiten. Wir weisen darauf hin, dass wir unlängst auch anderen Medienunternehmern die Veröffentlichung von Bildnissen unsererseits verboten haben."
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Am selben Tag erschien der Artikel auf der Website des Beschwerdeführers. Darin wurde über den Verlauf einer mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit über das Buch berichtet, wobei das Auftreten des Rechtsanwalts H., aber auch seine äußere Erscheinung abfällig kommentiert wurden. Dem Text war eine Anmerkung der Redaktion beigefügt, in deren Rahmen mitgeteilt wurde, dass der Kläger auf Anfrage "ein eindrucksvolles homepage-Foto seiner 'Kanzlei' zu R.s Glosse" nicht habe freigeben wollen. Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie einer weiteren E-Mail, mit der der Rechtsanwalt H. ebenfalls mit deutlichen Worten der Veröffentlichung eines Bildnisses entgegengetreten war, wörtlich wiedergegeben.
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b) Der Kläger nahm den Beschwerdeführer und seinen Mitbeklagten daraufhin bei dem Landgericht Berlin auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben wie in dem streitgegenständlichen Artikel in Anspruch.
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Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 5. Juni 2007 gab das Landgericht der Klage gegen den Beschwerdeführer vollen Umfangs statt. Der Kläger habe einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zwar hätte der Beschwerdeführer durchaus erwähnen dürfen, dass sich der Kläger gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses im Rahmen des Artikels verwahre, denn es handele sich um eine Äußerung, die nicht die Privatsphäre des Klägers, sondern die Sozialsphäre betreffe. Es bestehe auch kein rechtlicher Automatismus dahingehend, dass die Veröffentlichung jeglichen Schreibens unzulässig sei, welches zur Rechtswahrnehmung versandt worden sei. Zu berücksichtigen sei aber, dass es das gute Recht des Klägers gewesen sei, die Anfrage hinsichtlich der Bildveröffentlichung zu verneinen. Da er dies mit harschen Worten getan und sogleich mit rechtlichen Schritten gedroht habe, werde er durch die öffentliche Wiedergabe seiner Worte zu einem gewissen Grad vorgeführt als jemand, der sogleich mit einer Klage drohe, wenn lediglich ein öffentlich zugängliches Foto von ihm veröffentlicht werden solle. Hierin liege die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Demgegenüber wiege das Interesse der Öffentlichkeit, den genauen Wortlaut der Reaktion des Klägers zu erfahren, nur gering. Insbesondere gehe es vorliegend gerade nicht darum zu diskutieren, wie presserechtlich erfahrene Anwälte gegen ihnen unliebsame Veröffentlichungen vorgingen, was durchaus von öffentlichem Interesse sein könnte.
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c) Der Beschwerdeführer wandte sich hiergegen mit der Berufung. Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 19. Mai 2008 wies das Kammergericht das Rechtsmittel nach entsprechendem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dem Kläger stehe der geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu, denn sein Persönlichkeitsrecht überwiege hier das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass das Interesse an dem genauen Wortlaut gering sei. Zudem werde durch die streitgegenständliche Veröffentlichung der unzutreffende Eindruck erweckt, der Kläger reagiere auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung.
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2. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
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a) Indem das Kammergericht die Berufung des Beschwerdeführers ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen habe, obwohl die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gehabt habe und obwohl das Erfordernis der Unverzüglichkeit gem. § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sei, habe es das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar habe das Kammergericht seinen Vortrag vollständig zur Kenntnis genommen und sich mit sämtlichen von ihm vorgebrachten Einwänden befasst. Es habe ihm allerdings die Möglichkeit genommen, seine Argumente in einem Verhandlungstermin mündlich vorzutragen.
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b) In der Sache seien die angegriffenen Entscheidungen zu Unrecht von einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ausgegangen und hätten hierdurch die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt. Dem Kläger müsse aufgrund der Anfrage des Beschwerdeführers klar gewesen sein, dass eine Veröffentlichung beabsichtigt gewesen sei. Da er sie dennoch beantwortet habe, ohne darauf hinzuweisen, dass er mit einer Verbreitung seiner Antwort nicht einverstanden sei, sei nicht erkennbar, wodurch die wahrheitsgemäße Wiedergabe derselben seine Persönlichkeitsbelange beeinträchtigt haben könnte. Selbst wenn aber ein Eingriff in durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interessen des Klägers vorläge, müsste die dann erforderliche Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ausfallen. Hierbei müsste sich insbesondere auswirken, dass das angegriffene Unterlassungsurteil einen einschüchternden Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG entfalten könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass nach den vom Kammergericht nicht beanstandeten Ausführungen des Landgerichts eine Wiedergabe des Schreibens des Klägers in indirekter Rede, in den eigenen Worten des Beschwerdeführers zulässig gewesen wäre, nicht aber ein wörtliches Zitat. Auch der nach Auffassung der Gerichte durch das Zitat erweckte unzutreffende Eindruck, der Kläger reagiere übermäßig scharf auf eine schlichte Anfrage, könne den angenommenen Unterlassungsanspruch nicht tragen, denn er würde allenfalls eine Verurteilung zur Unterlassung rechtfertigen, das Zitat in einer Weise wiederzugeben, die diesen Eindruck hervorruft.
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens geäußert. Der Kläger hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO gegen die angegriffene Berufungsentscheidung keinen Gebrauch gemacht habe. Die Senatsverwaltung für Justiz Berlin hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bei der Veröffentlichung wahrer Tatsachen (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nur teilweise zulässig; im Umfang ihrer Zulässigkeit ist sie allerdings auch offensichtlich begründet.
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a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, genügen seine Ausführungen nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Er macht diesbezüglich geltend, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO entgegen der Auffassung des Kammergerichts nicht erfüllt gewesen seien, so dass über seine Berufung nicht ohne mündliche Verhandlung hätte entschieden werden dürfen. Hiermit ist nicht einmal die Möglichkeit eines entscheidungserheblichen Gehörsverstoßes schlüssig dargetan. Denn Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt grundsätzlich keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 89, 381 <391> m.w.N.) und die Verfassungsbeschwerde lässt auch keine besonderen Umstände erkennen, aufgrund deren der Beschwerdeführer vorliegend auf einen Verhandlungstermin angewiesen gewesen sein könnte, um seinem Vorbringen Gehör zu verschaffen. Vielmehr teilt er selbst mit, dass das Kammergericht sein sämtliches schriftsätzliches Vorbringen berücksichtigt hat und er in einer mündlichen Verhandlung seine Argumentation lediglich "noch einmal" hätte vorbringen können. Vor diesem Hintergrund sind zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es aufgrund einer mündlichen Verhandlung in der Sache zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre und die Verurteilung somit auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruhen könnte.
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b) Im Übrigen, hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 GG, ist die Verfassungsbeschwerde hingegen zulässig und im Sinne des § 93c BVerfGG offensichtlich begründet.
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aa) Dass der Beschwerdeführer den geltend gemachten Gehörsverstoß nicht mit dem Rechtsbehelf des § 321a ZPO angegriffen hat, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, denn eine allein auf die geltend gemachten Rechtsfehler bei der Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO gestützte Anhörungsrüge wäre ohne jede Aussicht auf Erfolg geblieben. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwerdeführer aber nicht verwiesen werden (vgl. BVerfGE 78, 58 <68 f.> und speziell zur Anhörungsrüge BVerfGK 7, 403 <407>).
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bb) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet. Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. In dessen Schutzbereich fallen außer Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Bildung von Meinungen beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 71, 162 <179>; 99, 185 <197>, stRspr.). Dies ist bei einem Zitat wie dem hier streitgegenständlichen ersichtlich der Fall, denn die Wiedergabe der ablehnenden Antwort war - wovon auch die Gerichte ausgegangen sind - geeignet, zu einer Bewertung des Klägers beizutragen.
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Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist zwar nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen.
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Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständliche Äußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt. Ihre Auffassung, dass sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletze und diesem Grundrecht der Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zukomme, ist aber verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet.
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(1) Vor dem Hintergrund, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>), begegnet bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, erheblichen Bedenken.
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Soweit das Landgericht darauf abhebt, dass der Kläger "öffentlich vorgeführt" werde, mag dies als Bezugnahme auf die Rechtsfigur der Prangerwirkung zu verstehen sein. Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, S. 619 <620 f.>; Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 -, NJW 2009, S. 2888 <2892>), was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1994 - VI ZR 1/94 -, VersR 1994, S. 1116 <1118>). Dabei kann die Anprangerung dazu führen, dass die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen ist. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 35, 202 <233>; 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>).
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Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall ist jedoch nicht nachvollziehbar begründet. Die Urteilsgründe lassen insbesondere nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.
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Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Zwar verdeutlicht sie, worin das Gericht die den Ruf des Klägers beeinträchtigende Wirkung des Textes sieht, nämlich darin, dass er dessen Reaktion als unangemessen erscheinen lasse. Indes kann dem Text der Aussagegehalt, dass der zitierten E-Mail eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, nicht beigemessen werden. Er verhält sich ausdrücklich in keiner Weise zu dem Wortlaut oder Charakter der Anfrage, sondern teilt lediglich mit, der Kläger habe "auf Anfrage" das Foto nicht freigeben mögen. Soweit das Kammergericht gerade dem Schweigen des Textes hierzu die Aussage entnehmen will, dass die Anfrage keine erwähnenswerten Besonderheiten aufgewiesen habe, ist dies zwar im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <353 f.>; BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -, NJW 2006, S. 601 <603>). Allerdings hat das Gericht einen solchen Fall nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Insbesondere hat es den Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und hierdurch die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt. So hat es zum einen nicht erwogen, ob nicht gerade die nach seiner Auffassung bemerkenswerte Schärfe der E-Mail die Annahme, dass lediglich eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, für den maßgeblichen Durchschnittsleser fernliegend erscheinen lassen musste. Ebenso wenig hat es gewürdigt, dass der von dem Beschwerdeführer verbreitete Artikel eine Vielzahl kritischer und herabsetzender Äußerungen über den Sozius des Klägers enthält, was vom Leser ebenfalls als Hinweis auf eine entsprechend formulierte Anfrage verstanden werden dürfte. Schließlich ist das Kammergericht auch nicht darauf eingegangen, dass in dem Text ausdrücklich mitgeteilt wird, die Anfrage habe sich auf eine Verwendung des Bildes für eine "Glosse" bezogen, die von dem Prozessgegner des von der Kanzlei des Klägers vertretenen Bankhauses verfasst war und somit keine positive Darstellung des Klägers erwarten ließ.
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(2) Ebenfalls verfassungsrechtlich zu beanstanden sind die Erwägungen, auf die die Gerichte ihre Abwägung zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers gestützt haben. Insoweit heben die angegriffenen Entscheidungen wesentlich darauf ab, dass das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Diese Erwägung lässt befürchten, dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handelt es sich bei dem - hier als gering erachteten - öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeutet aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre und von dem Grundrechtsträger nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt würde. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden. Hierbei werden sie gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass die Äußerung wahrer Tatsachen, zumal solcher aus dem Bereich der Sozialsphäre, regelmäßig hingenommen werden muss (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, der seit dem 10. Juli 2000 Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH war, die drei Krankenhäuser in Brandenburg mit ca. 900 Mitarbeitern betreibt, verlangt von der beklagten Presseagentur Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens über die Tatsache und die Umstände seiner Abberufung im Juni 2002.
- 2
- Am 18. Juni 2002 wurde der Vertrag mit dem Kläger ordentlich zum 31. Dezember 2002 gekündigt und der Kläger wurde gemäß der in seinem An- stellungsvertrag enthaltenen Regelung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Dienstleistung freigestellt.
- 3
- Am 20. Juni 2002 brachte die Beklagte über ihre Nachrichtenagentur im Landesspiegel Berlin-Brandenburg unter namentlicher Nennung des Klägers folgende Pressemeldung heraus:
- 4
- "Klinik-Geschäftsführer abberufen Der Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH in S., H.-W. I. [Anonymisierungen durch den Senat], ist mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden. Die Gesellschafterversammlung fasste am Dienstag einen entsprechenden Beschluss, teilte Landrat H. B. (SPD) als Vorsitzender der Versammlung am Mittwoch mit. Das Vertrauensverhältnis zwischen I. und einem Großteil der Mitarbeiter im Klinikum sei nachhaltig gestört. Mitarbeiter werfen I. Beleidigungen, massive Bedrohungen, Lügen, Verleumdungen und Diffamierungen vor. Die Belegschaft hatte in einem offenen Brief die sofortige Entlassung I. gefordert."
- 5
- Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in identifizierender Weise im Zusammenhang mit der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH in S. die in ihrem Wortlaut wiedergegebene Pressemeldung wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Beru- fungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG im Sinne des Klagebegehrens als begründet erachtet, weil die angegriffene Agenturmeldung, mit der die Beklagte unter Nennung des Namens des Klägers über dessen Abberufung als Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH im gesamten Raum Berlin-Brandenburg und damit überregional berichtet habe, den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Dass der Kläger ein öffentliches Informationsinteresse gerade auch in Bezug auf seine Person geweckt habe, das sein Recht auf Anonymität überrage und die Mitteilung der Abberufung als Geschäftsführer unter Hinweis auf eine angeblich nachhaltige Störung des Verhältnisses zu den Mitarbeitern, deren Forderung nach einer Entlassung und die sofortige Freistellung von der Dienstverpflichtung rechtfertige, könne für das Verbreitungsgebiet der angegriffenen Meldung nicht angenommen werden. Zwar sei der Kläger bereits vorher in den Medien in Erscheinung getreten. Die Presseveröffentlichungen aus dem Jahr 2000, in denen der Kläger erwähnt und teilweise auch zitiert werde, bezögen sich jedoch auf Probleme des Klinikbetriebes, insbesondere zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung durch den Kläger. In keinem der Artikel sei es in erster Linie um die Person des Klägers gegangen, insbesondere sei dieser nicht im Zusammenhang mit den angeblich der Kündigung vorausgegangenen Vorgängen an die Öffentlichkeit getreten. Ein überwiegendes Informationsinteresse an der Namensnennung des Klägers habe allenfalls in der Region Niederlausitz bestanden ; allenfalls dort sei der Kläger als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen. Dies gelte jedoch nicht für die Region Berlin-Brandenburg. Dort habe das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch ohne Namensnennung des Klägers befriedigt werden können. Bei den in der Berichterstattung der Beklagten wiedergegebenen Vorwürfen, die von Falschinformationen über persönliche Beleidigung, massive Bedrohungen bis zu Lügen, Verleumdungen und sogar Diffamierungen reiche, handele es sich um einseitige Vorwürfe, die den Kläger in ein besonders schlechtes Licht rückten und die - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Verdachtsberichtserstattung bei Straftaten - eine einseitige Berichterstattung unter Namensnennung nicht rechtfertigen könnten.
II.
- 8
- Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
- 9
- 1. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert die Zulässigkeit der vorliegenden Unterlassungsklage nicht daran, dass der Klageantrag zu unbestimmt wäre. Der Unterlassungsantrag umfasst durch den Zusatz "in identifizierender Weise" in Verbindung mit "wörtlich oder sinngemäß" lediglich auch sonstige leicht abgewandelte Verletzungshandlungen, die im Kern und Wesen der konkret genannten Verletzungshandlung entsprechen und deshalb ebenfalls von einem Unterlassungsanspruch aufgrund der konkreten Verletzungshandlung getragen werden können. Der Begriff der identifizierenden Berichterstattung ist ein durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs geprägter allgemeiner Rechtsbegriff (vgl. etwa BVerfGE 35, 202, 219 ff. - Lebach; Senatsurteil vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274, 275), dessen Sinngehalt jedenfalls im vorliegenden Kontext nicht zweifelhaft oder zwischen den Parteien streitig ist und deshalb als Verallgemeinerung der konkreten Verletzungsform im Interesse einer sachgerechten Titulierung unbedenklich ist (vgl. etwa Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht , 24. Aufl. 2006, § 12 Rn. 2.38 m.w.N.).
- 10
- 2. Die Angriffe der Revision haben jedoch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht hat bei seiner Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und dem Grundrecht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung.
- 11
- a) Das Berufungsgericht ist zwar im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen , dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht beinhaltet, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 - Lebach; 54, 148, 155 - Eppler). Dieses Grundrecht wird jedoch auch in dieser Ausprägung nicht grenzenlos gewährt. Vielmehr können im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Pressefreiheit Vorrang haben. Dies ist hier der Fall.
- 12
- Es geht um eine namentliche Berichterstattung der Beklagten über die berufliche Tätigkeit des Klägers, an der die Öffentlichkeit nach Lage des Falles ein beträchtliches Interesse hat. Dass es sich bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers um seine "Sozialsphäre" handelt, hat das Berufungsgericht im Ansatz zwar nicht verkannt. Es legt aber bei der auch hier erforderlichen Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und den Grundrechten aus Art. 5 GG Maßstäbe an, die dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gerecht werden, zu- mal diese durch Vorgänge im Gesundheitswesen angesichts der aktuellen Diskussion über dieses Thema unmittelbar berührt wird.
- 13
- Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens , dann ergibt sich aufgrund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 - Lebach; 97, 391, 406; BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2000 - 1 BvR 1582/94 - NJW 2000, 2413, 2414; BVerfG Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 - 1 BvR 755/99 und 756/99 - AfP 2003, 43, 46).
- 14
- b) Der erkennende Senat hat für eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre des Betroffenen klargestellt, dass der Einzelne sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79 - VersR 1981, 384, 385). Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1994 - I ZR 216/92 - AfP 1995, 404, 407 f. - Dubioses Geschäftsgebaren - und Senatsurteil BGHZ 138, 311, 320 m.w.N.). Zu einer solchen Kritik gehört auch die Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es geht und die Presse könnte durch eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen. Insoweit drückt sich die Sozialbindung des Individuums in Beschränkungen seines Persönlichkeitsschutzes aus. Denn dieser darf nicht dazu führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von öffentlicher Kritik und Kommunikation allein deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit geraten (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79 - aaO).
- 15
- c) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war der Kläger Geschäftsführer einer landeseigenen GmbH, die ein Klinikum mit ca. 900 Mitarbeitern in einer strukturschwachen Region Brandenburgs unweit von Berlin betreibt. Er war nach einem medienwirksamen Skandal im Zusammenhang mit der Abberufung seines Vorgängers angetreten, um als neuer Geschäftsführer das Klinikum aus der Krise herauszuführen und ist damit über den lokalen Bereich hinaus auch mit Interviews an die Öffentlichkeit getreten. Wer im Wirtschaftsleben - noch dazu im Bereich der öffentlichen Hand - als Geschäftsführer eines großen Klinikums eine solch herausragende Position wie der Kläger innehat, muss es grundsätzlich hinnehmen, dass die Presse auch über seine Abberufung wegen einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses mit einem Großteil der Mitarbeiter als Vorgang von öffentlichem Interesse unter namentlicher Nennung des Betroffenen berichtet. Da der Kläger nicht in seiner Privat-, sondern in der Sozialsphäre betroffen ist, kann er, - wie oben ausgeführt - der Beklagten eine entsprechende Berichterstattung nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf sein Persönlichkeitsrecht verbieten, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen ist. Anhaltspunkte hierfür lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Die in der Pressemitteilung des Landrats mitgeteilten Umstände der Abberufung des Klägers hat der Kläger ebenso wenig in Frage gestellt wie die Tatsache, dass Mitarbeiter in einem offenen Brief Vorwürfe gegen ihn erhoben haben.
- 16
- d) Auch kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, die Pressemeldung über die Abberufung des Klägers im vorgenannten Umfang über den regionalen Bereich Niederlausitz hinaus in den Bundesländern Berlin und Brandenburg zu verbreiten. Ist eine Berichterstattung im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit grundsätzlich gerechtfertigt, so ist es in erster Linie Sache der Presse, zu entscheiden, in welchem geographischen Bereich sie ein öffentliches Interesse ihrer Leser an der Meldung erwartet. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als es sich bei der Beklagten um eine Presseagentur handelt, welche eine Meldung in den entsprechenden Landesdienst einstellt, um es den dort ansässigen Presseorganen zu überlassen, die von ihnen veröffentlichten Agenturmeldungen nach dem mutmaßlichen Interesse ihrer Leserschaft und ihrem Verbreitungsgebiet selbst auszuwählen. Darüber hinaus ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - wenn auch nur vereinzelt und im Zusammenhang mit der Übernahme der Geschäftsführung und sonstigen allgemeinen Problemen des Klinikbetriebs - überregional über die Medien an die Öffentlichkeit getreten ist. Schließlich vermag auch der Umstand, dass das Klinikum nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts von einer landeseigenen GmbH betrieben wird, ein überregionales Interesse zu begründen, welches unter den Umständen des Streitfalles dem geltend gemachten Interesse des Klägers, in der Pressemeldung der Beklagten nicht namentlich genannt zu werden, vorgeht.
- 17
- 4. Da keine weiteren Feststellungen mehr erforderlich sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden.
III.
- 18
- Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.08.2004 - 27 O 343/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.11.2005 - 10 U 218/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Speicherung und Veröffentlichung des Namens, der Schule, der unterrichteten Fächer, einer Benotung und von Zitaten der Klägerin auf der Internetplattform www.spickmich.de. Die als Schülerportal konzipierte Website wird von der Beklagten zu 4, deren Geschäftsführer und Gesellschafter die Beklagten zu 1 bis 3 sind, unterhalten. Es handelt sich um ein sogenanntes Community-Portal, bei dem der Inhalt durch die jeweiligen Nutzer in dem durch den Betreiber des Portals vorgegebenen Rahmen gestaltet wird. Zugang zu diesem Portal haben registrierte Nutzer. Die Registrierung erfolgt nach Eingabe des orthografisch richtigen Namens der Schule, des Schulortes, eines Benutzernamens und einer E-Mail-Adresse. An die E-Mail-Adresse wird ein Passwort versandt, das den Zugang zum Portal eröffnet. Die Nutzer können auf verschiedenen Seiten der Website Informationen über sich selbst zur Verfügung stellen, Nachrichten an andere Nutzer senden oder eigene soziale Kontaktnetze, bestehend aus "Freunden", "Mitgliedern einer Stufe" und "Clubs" aufbauen. Neben den Rubriken "meine Seite", "meine Freunde", "Nachrichten", "meine Stadt" u.ä. gibt es die Rubrik "meine Schule". Dort können Aspekte wie die Ausstattung der Schule, das Schulgebäude aber auch Faktoren wie der "Partyfaktor" und der "Flirtfaktor" mit Noten bewertet werden. Auf dieser Seite können unter dem Menüpunkt "Lehrerzimmer" die Namen von Lehrkräften, die an der Schule unterrichten, eingetragen werden. Über einen Klick gelangt man zu einer Unterseite, auf der der Klarname und die Unterrichtsfächer der Lehrkraft verzeichnet sind. Daneben sind in einem Bewertungsmodul Kriterien aufgelistet, wie beispielsweise "cool und witzig", "beliebt", "motiviert", "menschlich", "guter Unterricht" und "faire Noten". Unter Verwendung der Bewertungskriterien können Noten von 1 bis 6 der im Schulbereich üblichen Notenwertigkeit vergeben werden. Bei früher mindestens vier und inzwischen mindestens zehn abgegebenen Einzelbewertungen wird aus dem Durchschnitt eine Gesamtnote gebildet. Benotungen mit ausschließlich der Note 1 oder 6 werden ausgesondert und fließen nicht in die Gesamtbenotung ein. Auf der Lehrerseite befindet sich außerdem die Schaltfläche "Hier stimmt was nicht", über die Nutzer die Betreiber auf Unstimmigkeiten aufmerksam machen können. Das Bewertungsergebnis wird in Form eines Zeugnisses angezeigt und kann ausgedruckt werden. Ferner können die Nutzer angebliche Zitate der Lehrer unter der Rubrik "Zitate: Alles, was …. schon so vom Stapel gelassen hat (Lustiges, Fieses …)" wiedergeben. Erfolgt innerhalb von 12 Monaten keine Neubewertung für einen Lehrer, werden die früher abgegebenen Bewertungen und die eingegebenen Zitate gelöscht.
- 2
- Die Klägerin hat Anfang Mai 2007 davon erfahren, dass auf der entsprechenden Seite der Website der Beklagten zu 4 ein Zeugnis unter ihrem Namen, der Angabe der Schule, an der sie unterrichtet, und dem Unterrichtsfach Deutsch abgespeichert ist, in dem sie auf der Grundlage von vier Schülerbewertungen mit der durchschnittlichen Gesamtbewertung 4,3 benotet worden ist. Zitate sind dort nicht wiedergegeben. Name, Schule und Unterrichtsfächer der Klägerin können außerdem über die Homepage der Schule im Internet abgerufen werden.
- 3
- Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2007 dem Antrag der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 bis 3 entsprechend die Bewertungsseite verboten hat, ist dieses Verbot auf den Widerspruch der Beklagten zu 1 bis 3 aufgehoben und der Antrag zurückgewiesen worden. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zur Löschung und zur Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, der Schule und der unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit der Gesamt- und Einzelbewertung durch Noten von 1 bis 6 in den auf der Website "spickmich.de" genannten Kategorien sowie der Zitat- und Zeugnisfunktion zu verurteilen. Das Landgericht hat die auf Löschung der Daten gerichteten Klaganträge 1 bis 3 mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig und im Übrigen die Klage als unbegründet abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in CR 2008, 512 ff. veröffentlicht ist, hält in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Klage auf Löschung der streitgegenständlichen Daten aus der Datenbank der Website www.spickmich.de für unzulässig, weil der Unterlassungsanspruch dem Schuldner im Falle der Verurteilung eine dauerhafte, mit Ordnungsmittel bewehrte Verpflichtung auferlege und insofern nicht ersichtlich sei, inwieweit die Klägerin durch die Löschung der Daten darüber hinaus etwas erreichen könnte. Im Übrigen sei ein Unterlassungsanspruch weder wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin noch wegen der Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gegeben. Bei der Nennung des Namens der Klägerin, ihrer beruflichen Tätigkeit und der von ihr unterrichteten Fächer handle es sich um wahre Tatsachenbehauptungen. Die Bewertungen der Klägerin stellten Meinungsäußerungen bzw. Werturteile dar. Nach der gebotenen Abwägung des mit dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin kollidierenden Grundrechts auf Meinungsfreiheit stellten die Bewertungen keinen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Eine Schmähkritik oder auch ein An-den-Prangerstellen sei nicht gegeben. Die von der Klägerin angegriffenen Kriterien "guter Unterricht", "fachlich kompetent", "motiviert", "faire Noten", "faire Prüfungen" und "gut vorbereitet" bezögen sich auf die berufliche Tätigkeit. Die Bewertungsmöglichkeiten "cool und witzig", "menschlich", "beliebt" und "vorbildliches Auftreten" seien zwar persönliche Attribute der Klägerin, sie spielten aber auch im Rahmen ihres beruflichen Wirkens eine Rolle. Im beruflichen Bereich müsse sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breite Öf- fentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere habe, einstellen. Die Benotungen könnten den Schülern und Eltern zur Orientierung dienen und zu wünschenswerter Kommunikation, Interaktion und erhöhter Transparenz führen. Der schulische Bereich und die berufliche Tätigkeit von Lehrern seien durch Bewertungen gekennzeichnet, so dass es - auch vor dem Hintergrund eines Feedbacks - nahe liege, diese im Rahmen einer Evaluation zurückzugeben. Die eingerichteten Zugangskriterien böten ausreichend Gewähr dafür, dass das Portal jedenfalls überwiegend von den Schülern der aufgerufenen Schule und von interessierten Eltern und Lehrern genutzt werde. Die Bewertungsseiten seien nicht bei Eingabe des Lehrernamens mit einer Internetsuchmaschine auffindbar. Auch über das Schülerportal www.spickmich.de sei es nicht Erfolg versprechend, nur über die Eingabe des Namens nach der Bewertung des Lehrers zu suchen.
- 5
- Die Veröffentlichung der Bewertung sei nicht schon deshalb unzulässig, weil sie anonym abgegeben werde. In § 4 Abs. 6 des (am 28. Februar 2007 außer Kraft getretenen) Teledienstedatenschutzgesetzes sei die anonyme Nutzung des Internets vorgesehen. Aufgrund des hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen Lehrer und Schüler würden letztere bei Veröffentlichung ihres Namens aus Furcht vor negativen Konsequenzen auf eine Kundgabe ihrer Meinung häufig verzichten. Solange der Betroffene gegen den Betreiber des Forums bei unzulässigen, weil beleidigenden, unwahren oder schmähenden Äußerungen vorgehen könne, trete das Interesse an der Individualisierung desjenigen, der die Bewertung abgebe, hinter dem Schutz der Freiheit eines breiten Kommunikationsprozesses über die Qualität der Bildungsarbeit zurück. Auch die Gefahr, dass sich Nutzer mit unrichtigen Angaben als Schüler einloggen, mache die Bewertungsseite nicht unzulässig. Die Möglichkeit der Verbreitung angeblicher Zitate der Klägerin verletze nicht deren Persönlichkeitsrecht. Bisher sei ein Falschzitat noch nicht eingestellt worden.
- 6
- Die persönlichen Daten der Klägerin in Form ihres Klarnamens, der Schule, an der sie unterrichte, und der unterrichteten Fächer seien ohne Mühe aus einer allgemein zugänglichen Quelle, nämlich der Homepage der Schule zu entnehmen. Ein Unterlassungsanspruch bestehe auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 BDSG, § 1004 BGB analog. Zwar könne es sich bei den Benotungen um Daten im Sinne des § 3 BDSG handeln, deren Veröffentlichung die Klägerin nicht gemäß § 4 Abs. 1 BDSG zugestimmt habe. Doch sei nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG die Übermittlung und Speicherung der Daten zulässig. Die Beklagten verfolgten mit der von ihnen betriebenen Website durch Werbung u.ä. ein eigenes geschäftliches Interesse. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Klägerin an dem Ausschluss der Verbreitung oder der Nutzung der Daten bestehe nach der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht.
II.
- 7
- Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Der Klägerin stehen weder Löschungsansprüche noch Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten zu.
A
- 8
- Die Klage ist nicht schon unzulässig, soweit die Klägerin die Löschung der bereits veröffentlichten Daten aus der Datenbank der Website www.spickmich.de begehrt. Die Löschung geht über die Unterlassung der künf- tigen Veröffentlichung gleicher Daten hinaus, weil die Veröffentlichung durch Übermittlung der Daten auch ohne deren Löschung beispielsweise mittels einer wirksamen Zugangssperre verhindert werden könnte. Der Klägerin kann deshalb das Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Anträge auf Löschung nicht von vornherein abgesprochen werden.
B
- 9
- Die Klage ist aber unbegründet.
- 10
- I. Allerdings sind die Beklagten nicht bereits nach § 10 Telemediengesetz (künftig: TMG) von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihnen betriebenen Website befreit.
- 11
- 1. Das Telemediengesetz gilt für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind (Telemedien), § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG. Telemediendienste betreffen nicht den Bereich der reinen Übertragung, bei dem es sich um Telekommunikation wie beispielsweise der Internettelefonie handelt. Außerdem sind sie von den Rundfunkdiensten abzugrenzen, bei denen es sich um für die Allgemeinheit bestimmte Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters handelt, § 2 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV).
- 12
- Danach ist die Website der Beklagten weder nur der Telekommunikation zuzuordnen noch erfüllt sie inhaltlich die Voraussetzungen für einen Rundfunkdienst. Sie stellt vielmehr einen Informations- und Kommunikationsdienst im Sinne der Vorschriften des Telemediengesetzes dar.
- 13
- 2. Nach § 10 Satz 1 TMG sind Provider nicht für fremde Inhalte verantwortlich , wenn sie keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Informationen haben, die Informationen auch nicht offensichtlich rechtswidrig sind oder wenn sie diese unverzüglich sperren, sobald sie Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit erlangen.
- 14
- Als Veranstalterin eines Internetforums, das den Nutzern inhaltliche Dienste anbietet und nicht nur Telekommunikationsleistungen zur Verfügung stellt, ist die Beklagte zu 4 zwar Diensteanbieter im Sinne dieser Vorschrift. Ob sie sich die Wertungen der Schüler als eigene zurechnen lassen muss (vgl. ablehnend Ladeur, RdJB 2008, 16, 30), was zu ihrer vollen Verantwortlichkeit für die Inhalte der Informationen nach § 7 TMG führen würde, bedarf jedoch keiner weiteren Klärung, weil die Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG jedenfalls nicht die Störerhaftung umfasst, die von der Klägerin geltend gemacht wird. § 10 TMG betrifft lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung des Diensteanbieters (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - VersR 2007, 1004 f.; BGHZ 158, 236, 264 ff. zur Vorgängerregelung in § 11 Satz 1 TDG). Dies ergibt sich aus der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG, wonach die Verpflichtungen zur Entfernung und Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt bleiben. Wird ein rechtswidriger Beitrag in ein Community-Forum eingestellt , ist der Betreiber als Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unterlassung und, wenn nur über die Beseitigung der Daten die Unterlassung durchgesetzt werden kann, zur Löschung verpflichtet. Ebenso wie der Verleger die von einem Presseerzeugnis ausgehende Störung beherrscht und deshalb grundsätzlich neben dem Autor eines beanstandeten Artikels verantwortlich ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 3, 270, 275 ff. und 14, 163, 174; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., LPG § 6, Rn. 276 f.), ist der Betreiber eines Internetforums Herr des Angebots und kann der Verletzte deshalb Löschungs- und Unterlassungsansprüche auch gegen ihn richten.
- 15
- Rechtliche Betreiberin der Website und damit rechtlich verantwortlich für dadurch gegebene Beeinträchtigungen Dritter ist die Beklagte zu 4. Daneben trifft die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesellschafter und Geschäftsführer gegebenenfalls die Verantwortlichkeit als Mitstörer, weil mögliche Beeinträchtigungen Dritter zumindest mittelbar von ihnen zu verantworten sind (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1976 - VI ZR 23/72 - NJW 1976, 799; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1978 - V ZR 214/77 - NJW 1979, 551; Palandt/Bassenge BGB, 68. Aufl., § 1004 Rn. 15 ff.).
- 16
- II. 1. Der Klägerin steht kein Anspruch nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) auf Löschung der streitgegenständlichen Daten aus der Datenbank der Website www.spickmich.de zu. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies ist im Streitfall zu verneinen.
- 17
- a) Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nach § 4 Abs. 1 BDSG dann zulässig, wenn das Gesetz die Datenverarbeitung erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Der Begriff der personenbezogenen Daten umfasst alle Informationen, die über eine Bezugsperson etwas aussagen oder mit ihr in Verbindung zu bringen sind. Das sind nicht nur klassische Daten wie etwa der Name oder der Geburtsort, sondern auch Meinungs- äußerungen, Beurteilungen und Werturteile, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen, die Wiedergabe von mündlichen und schriftlichen Aussagen eines Betroffenen und die Darstellung des privaten oder des dienstlichen Verhaltens eines Betroffenen (vgl. Gola/Schomerus BDSG, 7. Aufl., § 3 Rn. 2 ff.; Dammann in Simitis Hsg., BDSG, 6. Aufl., § 3 Rn. 7 ff.; Schaffland/Wiltfang, BDSG Stand 1/2009, § 3 Rn. 6; Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG, 38. Erg.lief., § 3 Rn. 24; Dorn DuD 2008, 98, 99; Dix DuD 2006, 330; Greve/Schärdel MMR 2008, 644, 647).
- 18
- Von den Beteiligten wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Beklagten als nicht-öffentliche Stelle im Sinn des § 2 Abs. 4 BDSG unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen Daten verarbeiten und nutzen, die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse der Klägerin enthalten und damit personenbezogen sind (§ 3 Abs. 1 BDSG). Somit gelten für die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten durch die Beklagten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. In die Erhebung, Speicherung und Übermittlung ihrer Daten hat die Klägerin zweifelsohne nicht eingewilligt (§ 4 Abs. 1 BDSG). Doch ist die Datenerhebung und Speicherung durch die Beklagten dennoch zulässig.
- 19
- b) Soweit in der rechtlichen Diskussion zur Zulässigkeit von Bewertungsforen die Auffassung vertreten wird, dass die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes auf die Datenerhebung und -übermittlung in Form eines Bewertungsportals nur eingeschränkt Anwendung fänden, weil für mit Bewertungsforen verbundene Datenerhebungen das in § 41 BDSG enthaltene Medienprivileg gelte (vgl. Greve/Schärdel aaO, 647 f.; Plog CR 2007, 668, 669; unklar Pfeifer /Kamp ZUM 2009, 185, 186; aA Walz in Simitis, aaO, § 41 Rn. 7 ff.), vermag sich dem der erkennende Senat für den vorliegenden Streitfall nicht anzuschließen.
- 20
- aa) Das Medienprivileg stellt die Presse bei der Erfüllung ihrer in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuerkannten und garantierten Aufgaben (vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz GG, Stand Januar 2009, Art. 75 Rn. 85; v. Münch/v. Münch GG, 5. Aufl., Bd. 3 Art. 75 Rn. 24; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, § 41 Rn. 6) von der Einhaltung der Datenschutzvorschriften weitgehend frei, denn ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich. Deshalb hat der Bund als Rahmengesetzgeber (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 GG; aufgehoben durch das Grundgesetzänderungsgesetz vom 28. August 2006, BGBl. I 2006 S. 2034, 2035) in dem im Zuge der Datenschutzreform 2001 geänderten § 41 Abs. 1 BDSG (BGBl. I 2001 S. 904, 918) den Ländern aufgegeben , in ihrer Gesetzgebung den Vorschriften der §§ 5, 9 und 38a BDSG entsprechende Regelungen einschließlich einer hierauf bezogenen Haftungsregelung vorzusehen. Im Rückschluss folgt aus der Regelung des § 41 Abs. 1 BDSG, dass das Bundesdatenschutzgesetz für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse keine Anwendung finden kann, weil insoweit dem Bund die über die Rahmenkompetenz hinausgehende Regelungskompetenz fehlte. Auch für den Datenschutz besteht keine eigene Bundeskompetenz, vielmehr ist die Kompetenz für denjenigen Bereich einschlägig, in dem die Daten geschützt werden sollen (vgl. Schiedermair in Dörr/Kreile/Cole Handbuch Medienrecht S. 297 f.). § 41 BDSG gilt für die Presse im verfassungsrechtlichen Sinne, folglich auch für die "elektronische Presse" (vgl. Walz in Simitis, aaO, § 41 Rn. 9; Spindler/Schuster/Waldenberger, Recht der elektronischen Medien, Presserecht , 7. Teil Rn. 118 ff.). Telemedien sind mithin grundsätzlich vom Medienprivileg dann umfasst, wenn sie unter den Pressebegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen.
- 21
- bb) Die sich aus § 41 Abs. 1 BDSG ergebende datenschutzrechtliche Sonderstellung der Medien ist daran gebunden, dass die Erhebung, Verarbei- tung und Nutzung personenbezogener Daten einer pressemäßigen Veröffentlichung dient. Maßgebend ist, dass die Daten "ausschließlich für eigene journalistisch -redaktionelle oder literarische Zwecke" bestimmt sind. Übertragen auf den Bereich der Telemedien kann mithin die reine Übermittlung von erhobenen Daten an Nutzer nicht unter den besonderen Schutz der Presse fallen, weil die bloße automatische Auflistung von redaktionellen Beiträgen noch nicht eine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung darstellt (zu weitgehend Greve /Schärdel aaO). Erst wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist, kann von einer solchen Gestaltung gesprochen werden (vgl. Schmittmann in Schwartmann Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 1. Teil, 6. Abschnitt Rn. 27 f.; Walz in Simitis aaO, § 41 Rn. 16 ff.; Schaffland/Wiltfang, BDSG Stand 1/2009, § 41 Rn. 4; Bergmann/Möhrle/Herb aaO, § 41 Rn. 9).
- 22
- Im Streitfall wird lediglich die Zahl der abgegebenen Bewertungen erfasst und ein arithmetisches Mittel aus den abgegebenen Noten errechnet. Ob dies automatisiert durch ein entsprechendes Programm erfolgt, was nahe liegt, bedarf keiner weiteren Klärung, weil es sich auch bei einer Berechnung durch die Beklagten selbst nicht um eine journalistisch-redaktionelle Bearbeitung handelt, die die Anwendung des Medienprivilegs eröffnen könnte.
- 23
- c) Jedoch sind die Beklagten nach den Regelungen in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BDSG zur Datennutzung berechtigt.
- 24
- aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist im Streitfall der Anwendungsbereich des § 29 BDSG und nicht des § 28 BDSG eröffnet. Die Beklagten verfolgen mit der Erhebung der Daten keinen eigenen Geschäftszweck , wie dies § 28 BDSG voraussetzt (Ehmann in Simitis, aaO, § 28 Rn. 22; Gola/Schomerus, aaO, § 28 Rn. 4; Ballhausen/Roggenkamp K&R 2008, 407, 403), sondern erheben und speichern die Daten geschäftsmäßig im Sinne des § 29 BDSG zur Übermittlung an Dritte (vgl. auch Heller ZUM 2008, 243, 245; Dorn DuD 2008, 98, 100; Dix, DuD 2006, 330). Dass zur Finanzierung der Website auch Werbeanzeigen verbreitet werden, ist nicht Zweck der Datenerhebung. Die Erhebung der Daten erfolgt vielmehr im Informationsinteresse und für den Meinungsaustausch der Nutzer. Hingegen liegt eine geschäftsmäßige Erhebung im Sinne des § 29 BDSG vor, weil die Tätigkeit auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Dabei ist eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne einer Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich (Ehmann in Simitis, aaO § 29 Rn. 48; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, § 29 Rn. 19; Schaffland /Wiltfang, aaO, § 29 Rn. 4).
- 25
- bb) Soweit es um die Namen der Klägerin, der Schule und die unterrichteten Fächer geht, können diese Daten zwar von der Homepage der Schule abgerufen werden. Sie sind somit bereits im System vorhanden, so dass die Erhebung und Nutzung dieser Daten nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG grundsätzlich zulässig ist. Nach den Umständen des Streitfalls bedarf es für die Frage der Zulässigkeit jedoch einer Würdigung im Zusammenhang mit der Speicherung der Bewertungen, weil nur die gemeinsame Verwendung der Daten den von den Beklagten verfolgten Zweck erfüllt.
- 26
- (1) Die Speicherung der Bewertungen ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben ist. Der wertausfüllungsbedürftige Begriff des "schutzwürdigen Interesses" verlangt eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt, unter Berücksichtigung der objektiven Wertordnung der Grundrechte. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen die Datenerhebung und -speicherung dient (vgl. Gola /Schomerus aaO, § 29 Rn. 11). Legt die Daten erhebende Stelle dar und beweist sie erforderlichenfalls, dass sie die Daten zur Erreichung des angestrebten rechtlich zulässigen Zwecks braucht, darf sie die Daten erheben, solange entgegenstehende schutzwürdige Interessen des Betroffen nicht erkennbar sind. Das Vorliegen von schutzwürdigen Interessen des Betroffenen lässt sich nur in Bezug auf den zukünftigen Verwendungskontext der Daten bestimmen (vgl. Ehmann in Simitis, aaO § 29 Rn. 159 ff. m.w.N.). Schutzwürdige Interessen des Betroffenen können in der Wahrung seines Persönlichkeitsrechts, aber auch in der Abwehr von wirtschaftlichen Nachteilen liegen, die bei der Veröffentlichung der Daten zu besorgen sind. Wendet sich der Betroffene gegen die Datenerhebung, hat er darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er des Schutzes bedarf. Bietet die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung keinen Grund zu der Annahme, dass die Speicherung der in Frage stehenden Daten zu dem damit verfolgten Zweck schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt, ist die Speicherung zulässig (Gola/Schomerus, aaO).
- 27
- (2) Im Streitfall hat somit eine Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu erfolgen, wie das Berufungsgericht sie auch vorgenommen hat. Diese Abwägung unterliegt in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung und hat im Ergebnis Bestand.
- 28
- Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stellt sich als Befugnis des Einzelnen dar, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 ff.; 72, 155, 170; 78, 77, 84; 115, 166, 188; BVerfG NJW 2008, 822, 826). Es erschöpft sich nicht in der Funktion des Abwehrrechts des Bürgers gegen den Staat, sondern entfaltet als Grundrecht Drittwirkung und beeinflusst hierdurch auch die Werteordnung des Privatrechts (vgl. BVerfGE 7, 198 ff. - Lüth; Palandt/Sprau aaO, § 823 Rn. 85). Dem entspricht die Regelung in § 27 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, wonach die Vorschriften des Datenschutzes auch für nicht öffentliche Stellen gelten.
- 29
- cc) Durch die Erhebung und Speicherung der Benotungen unter Nennung ihres Namens, der Schule und der von ihr unterrichteten Fächer wird die Klägerin unabhängig vom Vorliegen einer Ehrverletzung zweifellos in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Ob es sich hierbei um schutzwürdige Belange handelt, die der Datenerhebung und -speicherung durch die Beklagten entgegenstehen, muss durch eine Abwägung mit der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Kommunikationsfreiheit der Beklagten und der Nutzer (Art. 5 Abs. 1 GG) bestimmt werden.
- 30
- (1) In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden (vgl. Senat, BGHZ 24, 72, 79 f.; 27, 284, 289 f.; 73, 120, 124; Urteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85 - VersR 1987, 778, 779; vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 83/87 - VersR 1988, 379, 381 und vom 13. November 1990 - VI ZR 104/90 - VersR 1991, 433, 434). Danach genießen besonders hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören (vgl. BVerfGE 65, 1, 41 ff.; 78, 77, 84). Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden. Deshalb muss der Einzelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls oder überwiegenden Rechtsinteressen Dritter getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 ff.; 78, 77, 85 ff.).
- 31
- (2) Zutreffend wertet das Berufungsgericht die von den Beklagten erhobenen und abgespeicherten Bewertungen der Klägerin als Werturteile, die die Sozialsphäre der Klägerin tangieren. Die Bewertungen betreffen die berufliche Tätigkeit der Klägerin, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. Senat, BGHZ 36, 77, 80 und 161, 266, 268; Urteile vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79 - VersR 1981, 384, 385 und vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 - VersR 2007, 511, 512; BVerfG, NJW 2003, 1109, 1111; Zimmermanns, ZfL 2003, 79, 80 f.). Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind.
- 32
- Im Streitfall sind entgegen der Auffassung der Revision die Bewertungen nicht schon deshalb unzulässig, weil die Beklagten mit der Angabe, dass zehn - früher vier - Schüler die Lehrkraft bewertet hätten, eine unwahre Tatsache behaupteten , da jedermann mehrere Bewertungen unter irgendeinem Namen abgeben könne. Insoweit ist schon aufgrund des Systems des Bewertungsforums ersichtlich, dass die Beklagten nur die Information weitergeben, die von einem Nutzer ins System eingegeben worden ist. Im Hinblick auf die Anonymität der Nutzer ist eine darüber hinaus gehende Überprüfung gar nicht möglich.
- 33
- (3) Die Bewertungen "fachlich kompetent" und "gut vorbereitet" sind Meinungsäußerungen , auch wenn sie einen Tatsachengehalt aufweisen, mit dem sich die Meinungsäußerung vermengt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG greift unabhängig davon ein, ob die Äußerung zugleich einen tatsächlichen Kern aufweist, denn der Schutzbereich des Grundrechts erstreckt sich auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. Senat, BGHZ 132, 13, 21; Urteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 250; BVerfGE 61, 1, 9; 85, 1, 15; BVerfG NJW 2008, 358, 359). Die Einschätzungen der Klägerin als mehr oder weniger "cool und witzig", "menschlich" , "beliebt" und mit "vorbildlichem Auftreten" betreffen zwar persönliche Eigenschaften , die aber der Klägerin aufgrund ihres Auftretens innerhalb des schulischen Wirkungskreises beigelegt werden. Sie stellen mithin keinen über die Sozialsphäre hinausgehenden Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin dar. Hinsichtlich der Bewertungskriterien "guter Unterricht", "fachlich kompetent", "motiviert", "faire Noten", "faire Prüfungen" und "gut vorbereitet" geht auch die Revision davon aus, dass es sich um Benotungen für ein Verhalten handelt, das der Sozialsphäre der Klägerin zuzuordnen ist.
- 34
- (4) Die Bewertungen stellen weder eine unsachliche Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde der Klägerin dar, die eine Abwägung der Rechte der Beteiligten entbehrlich machen würden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 250 f. m.w.N.; BGHZ 143, 199, 209; BVerfGE 93, 266, 294; BVerfG, NJW-RR 2000, 1712). Für derartige Umstände fehlen jegliche Anhaltspunkte.
- 35
- (5) Das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die Klägerin selbst nicht an dem Portal als Nutzerin beteiligt ist. Dieses Recht hängt nicht davon ab, dass der Betroffene selbst am Meinungsaustausch teilnimmt.
- 36
- (6) Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin steht der Datenerhebung im Internet auch nicht deshalb entgegen, weil sie geltend macht, im Hinblick auf die Sprechstunden, Elternabende sowie den Kontakt der Schüler untereinander bedürfe es keiner für jedermann zugänglichen Bewertung von Lehrern für eine Orientierung von Schülern und Eltern. Die Meinungsfreiheit umfasst das Recht des Äußernden, die Modalitäten einer Äußerung und damit das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen. Grundsätzlich können Form und Umstände einer Meinungskundgabe so gewählt werden, dass damit die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung erzielt wird (BVerfG, NJW 2003, 1109, 1110). Allerdings müssen damit verbundene Beeinträchtigungen der Rechte Dritter zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1994 - VI ZR 1/94 - VersR 1994, 1116, 1117) sowie erforderlich, und das Verhältnis zwischen Rechtsgüterschutz und -beschränkung muss insgesamt angemessen sein (vgl. Senatsurteil BGHZ 91, 233, 240 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.
- 37
- Es kann nicht bezweifelt werden, dass über das Internet ein umfassenderer Meinungsaustausch möglich ist als dieser an Elternsprechtagen oder in Pausenhof- oder Schulweggesprächen erfolgen kann. Die Beklagten beschränken durch die Registrierung der Nutzer den Zugriff auf Informationen über eine Lehrkraft einer bestimmten Schule. Die Revision vernachlässigt bei dem Einwand , dass sich jedermann als Nutzer registrieren lassen könne, dass die Registrierung die Kenntnis der Schule voraussetzt und Mehrfachregistrierungen mit derselben E-mail-Adresse nicht möglich sind. Die Daten können weder über eine Suchmaschine noch über die Internetadresse www.spickmich.de nur mit der Eingabe eines Namens abgerufen werden. Aus sich heraus sind die Daten "substanzarm" und gewinnen lediglich für den an Informationsgehalt, der die Klägerin oder wenigstens die Schule kennt. In diesem Fall besteht aber grundsätzlich ein berechtigtes Informationsinteresse über das berufliche Auftreten der Lehrkraft. Erfolgt innerhalb eines Jahres keine Neubewertung, werden die eingegebenen Daten nach Ablauf von zwölf Monaten gelöscht, so dass auch ihr Verbleib im System eingeschränkt ist.
- 38
- Die Datenerhebung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil sie wegen der begrenzten Anzahl der anonymen Bewertungen ungeeignet wäre, das Interesse der Nutzer zu befriedigen. Die anonyme Nutzung ist dem Internet immanent (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 101/06 - VersR 2007, 1004, 1005). Dementsprechende Regelungen zum Schutz der Nutzerdaten gegenüber dem Diensteanbieter finden sich in den §§ 12 ff. TMG, den Nachfolgeregelungen zu § 4 Abs. 4 Nr. 10 TDG. Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde nicht nur im schulischen Bereich , um den es im Streitfall geht, die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (vgl. Ballhausen/Roggenkamp K&R 2008, 403, 406).
- 39
- Auch wenn die Erhebung der Daten nach Vielfalt und Qualität nicht den Anforderungen an eine aussagekräftige Lehrerevaluation entspricht, begründet dies noch kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Unterlassung der Datenerhebung und -speicherung. Das Recht auf Meinungsfreiheit ist nicht beschränkt auf objektivierbare allgemein gültige Werturteile. Dass es sich um Äußerungen von Schülern und damit weitgehend von Minderjährigen handelt, ist für jeden Nutzer ebenso offenbar wie der Umstand, dass die Bewertungen von subjektiven Einschätzungen geprägt sein können. Einer diffamierenden Herabsetzung beugen die Beklagten in gewissem Maße durch die Vorgabe von Bewertungskriterien und die Schaltfläche "Hier stimmt was nicht" vor, mit der den Nutzern die Möglichkeit gegeben wird, die Betreiber auf Unstimmigkeiten aufmerksam zu machen. Den Nutzern eines Schülerforums wird im Allgemeinen nach ihrem Erwartungshorizont auch bewusst sein, dass die Bewertungen nicht die gleiche Bedeutung haben können wie beispielsweise ein Warentest für ein bestimmtes Produkt, der von neutralen, objektiven und sachkundigen Testern durchgeführt wird (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1997 - VI ZR 114/96 - VersR 1997, 1501, 1502 m.w.N.; vgl. zu dieser Problematik Pfeifer/Kamp ZUM 2009, 185, 190).
- 40
- (7) Demgegenüber befriedigen die Beklagten das Informationsinteresse von Schülern, Eltern und Lehrern der Schule, indem sie den Meinungsaustausch unter den Schülern über ihre Erfahrungen mit der Klägerin vereinfachen und anregen. Der Klägerin eröffnet die Bewertungsseite die Möglichkeit eines Feedback über ihre Akzeptanz bei den Schülern. Konkrete Beeinträchtigungen, zu denen es aufgrund der Bewertung gekommen sei, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin gegen die Erhebung und Nutzung der Daten durch die Beklagten ist nicht gegeben, so dass die Speicherung der Daten nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG zulässig ist.
- 41
- 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der entsprechenden Daten nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog, i.V.m. § 4 Abs. 1 BDSG durch deren Übermittlung an die abfragenden Nutzer. Diese ist vielmehr nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 a und 2 BDSG zulässig.
- 42
- a) Grundsätzlich ist die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 a und 2 BDSG daran gebunden, dass der Datenempfänger ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Daten glaubhaft darlegt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung besteht. Von daher könnte nach dem Wortlaut des § 29 BDSG eine Datenübermittlung der vorliegenden Art unzulässig sein, weil sie anonymisiert erfolgt und es schon deshalb an einer solchen Darlegung fehlt (vgl. etwa Dix, DuD 2006, 330; Schilde-Stenzel, RDV 2006, 104 ff.). Indessen ist insoweit eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift geboten, die das Grundrecht der Meinungsfreiheit gebührend berücksichtigt. Hierfür ist zu bedenken, dass ein durch Portalbetreiber organisierter Informationsaustausch im Internet weder technisch möglich war noch dergleichen für denkbar gehalten wurde, als § 29 BDSG am 1. Juni 1991 Eingang in das Bundesdatenschutzgesetz gefunden hat. Vielmehr sollte § 29 BDSG die "klassischen" geschäftlichen Datenverarbeitungen reglementieren, wie etwa den gewerbsmäßigen Handel mit personenbezogenen Daten im Adresshandel oder die Unterhaltung von Wirtschafts- und Handelsauskunftsdateien (Ehmann in Simitis, aaO, § 29 Rn. 1 ff.). Für Datenabfragen aus Bewertungsforen führt mithin die wortgetreue Anwendung der Vorschriften in § 29 Abs. 2 Nr. 1 a und 2 BDSG zu einem Widerspruch zu dem sich aus Art. 5 Abs. 1 GG ergebenden Recht auf uneingeschränkte Kommunikationsfreiheit. Sie ist auch nicht verein- bar mit dem bis 28. Februar 2007 in § 4 Abs. 6 Teledienstedatenschutzgesetz und seit 1. März 2007 in den §§ 12 ff. TMG gewährleisteten Recht des Internetnutzers auf Anonymität. Einer verfassungskonformen Auslegung bedarf es auch, soweit § 29 Abs. 2 Satz 4 BDSG die Datenempfänger verpflichtet, die Gründe für das Vorliegen eines berechtigten Interesses aufzuzeichnen und, in welcher Art und Weise dieses glaubhaft dargelegt ist (vgl. Ballhausen /Roggenkamp aaO, 409; Braun, jurisPR-ITR 11/2007 Anm. 4; Plog/Bandehzadeh aaO; zum Grundrecht der Informationsfreiheit Kloepfer/Schärdel JZ 2009, 453 ff.).
- 43
- b) Das Recht der Meinungsfreiheit umfasst auch das Recht, mit seiner Meinung gehört zu werden und diese zu verbreiten. Es besteht der Grundsatz des freien Meinungsaustauschs nicht nur für Themen, die von besonderem Belang für die Öffentlichkeit sind (vgl. BVerfGE 20, 56, 97; 20, 162, 177; BVerfG NJW 2008, 1793, 1797). Wäre die verfassungsmäßig geschützte Verbreitung von Beiträgen zur Meinungsbildung in Form der Teilnahme an einem Meinungsforum im Internet nur zulässig, sofern dabei nicht persönliche Daten übermittelt werden, würden Meinungs- und Informationsfreiheit auf Äußerungen ohne datenmäßig geschützten Inhalt beschränkt, außer es läge die Einwilligung des Betroffenen vor. Bewertungen würden dadurch weitgehend unmöglich gemacht, weil alle negativen Äußerungen aus dem System genommen werden müssten, für deren Weitergabe die Einwilligung des Betroffenen im Allgemeinen fehlt (vgl. Plog/Bandehzadeh K&R 2008, 45). Bewertungsportale bewegen sich naturgemäß in einem Spannungsfeld, in dem der Betroffene bei negativen Bewertungen ein Interesse an dem Ausschluss der Verwendung seiner Daten hat. Beschränkungen der grundrechtlich geschützten Meinungs- und Informationsfreiheit sind aber nur dann rechtmäßig, wenn sie verhältnismäßig sind (BVerfG, NJW 2001, 503, 505). Die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an die abfragenden Nutzer muss deshalb aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse desjenigen , dem die Daten über das Internet übermittelt werden, beurteilt werden. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen den Interessen des Abrufenden an der Kenntnis der Daten und desjenigen, der die Daten übermittelt hat, an deren Weitergabe gegenüberzustellen. Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten sind zu messen an den Aufgaben und Zwecken, denen Speicherung und Übermittlung dienen (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 244/84 - NJW 1986, 2505, 2506).
- 44
- c) Im Streitfall ist danach im Hinblick auf die Zugangsbeschränkungen für die Nutzer, die geringe Aussagekraft und Eingriffsqualität der Daten sowie den Umstand, dass die Erhebung dieser Daten in zulässiger Weise zum Zweck der Übermittlung erfolgt ist, auch diese in Wahrung des Grundrechts auf Informationsgewährung und -beschaffung der Beklagten zulässig. Die Übermittlung kann nicht generell untersagt werden, weil konkrete Umstände, die derzeit einer Übermittlung entgegenstehen könnten, von der Klägerin nicht vorgetragen sind. Die Befürchtung einer generellen Prangerwirkung für den benoteten Lehrer kann kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin begründen, solange Anhaltspunkte für eine solche Wirkung im Hinblick auf ihre Person nicht gegeben sind. Auch etwaige negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Schulwesens können eine schützenswerte subjektive Rechtsposition der Klägerin nicht begründen.
- 45
- 3. Hat die Klägerin die Übermittlung, Erhebung und Speicherung der streitgegenständlichen Daten hinzunehmen, kann sie den Beklagten auch nicht untersagen, diese in Form eines Zeugnisses darzustellen. Dass ein Vergleich mit von der Schule ausgegebenen Schülerzeugnissen, Arbeitszeugnissen oder dienstlichen Beurteilungen - wie ihn die Revision zieht - zumindest fern liegt, ergibt sich schon aus der äußeren Form des Zeugnisses, das mit "spickmich" unterzeichnet ist.
- 46
- 4. Erfolglos bleibt die Revision auch, soweit sie sich gegen die Zitatfunktion auf der Bewertungsseite der Homepage der Beklagten wendet. Zwar schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dagegen, dass jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 54, 148 - Eppler). Eine für den Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB analog erforderliche gegenwärtige oder unmittelbar drohende Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts hat die Klägerin jedoch insoweit nicht dargetan. Eine solche liegt schon deshalb fern, weil bisher ein Zitat nicht eingetragen worden ist. Soweit sich die Klägerin auf eine Erstbegehungsgefahr beruft, zeigt die Revision keinen Vortrag dazu auf, den das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft außer Acht gelassen hätte (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 144/86 - NJW 1987, 2222 f. sowie vom 17. Juni 1997 - VI ZR 114/96 - NJW 1997, 2593 f. und vom 26. September 2000 - VI ZR 279/99 - NJW 2001, 157, 160 m.w.N.).
III.
- 47
- Nach allem war die Revision mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
LG Köln, Entscheidung vom 30.01.2008 - 28 O 319/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.07.2008 - 15 U 43/08 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
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Der Beschluss des Kammergerichts vom 19. Mai 2008 - 10 U 190/07 - und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2007 - 27 O 184/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
-
...
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Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Verurteilung, mit der dem Beschwerdeführer untersagt wurde, wörtlich aus anwaltlichen Schreiben zu zitieren.
- 2
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1. a) Der Beschwerdeführer betreibt die Internetseite www., auf der er die "N. Zeitung online" publiziert. Im Jahr 2006 beabsichtigte er, dort einen Artikel seines Mitbeklagten des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens, R., zu veröffentlichen. Dieser hatte ein Buch über ein Bankhaus verfasst und war deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Der Artikel befasste sich mit jenem Rechtsstreit, insbesondere mit dem Verhalten des von dem klagenden Bankhaus bevollmächtigten Rechtsanwalts H. in einem Gerichtstermin. Da der Beschwerdeführer den Artikel bebildern wollte, fragte er schriftlich bei dem Sozius des Prozessvertreters H. - dem Kläger des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) - an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils unfreundlichen und ironischen Ton gehalten. Sie begann mit der Anrede "Sehr geehrter(?) Herr S." und enthielt die Ankündigung, dass sich der Beschwerdeführer "auch künftig nicht einschüchtern lassen" und man sich vielleicht vor dem Bundesverfassungsgericht wiedertreffen werde. Weiter hieß es wörtlich:
- 3
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"Noch eine Frage: Da ich in der nächsten N.-Ausgabe einen Artikel über R.s Termin in Berlin veröffentlichen werde, an dem Ihr Kollege H. so schön beteiligt war, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erlauben würden, das Foto von Ihrer website (...) dafür zu verwenden. Teilen Sie mir doch bitte auch gleich mit, an welcher Stelle Herr H. zu sehen ist. Dass Sie in der Mitte stehen, dürfte ja klar sein. Dann wissen unsere LeserInnen doch auch, wie Sie und Ihre Kollegen sich öffentlich präsentieren..."
- 4
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Der Kläger antwortete mit E-Mail vom 12. September 2006, in der er der Nutzung von Bildnissen seiner Person und seines Sozius' widersprach und mit rechtlichen Schritten drohte. Wörtlich hieß es:
- 5
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"...wir widersprechen ausdrücklich jedweder Nutzung von Bildnissen von Herrn H. und meiner Person. Sollten Sie hiergegen verstoßen, werden wir eigenständige rechtliche Schritte einleiten. Wir weisen darauf hin, dass wir unlängst auch anderen Medienunternehmern die Veröffentlichung von Bildnissen unsererseits verboten haben."
- 6
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Am selben Tag erschien der Artikel auf der Website des Beschwerdeführers. Darin wurde über den Verlauf einer mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit über das Buch berichtet, wobei das Auftreten des Rechtsanwalts H., aber auch seine äußere Erscheinung abfällig kommentiert wurden. Dem Text war eine Anmerkung der Redaktion beigefügt, in deren Rahmen mitgeteilt wurde, dass der Kläger auf Anfrage "ein eindrucksvolles homepage-Foto seiner 'Kanzlei' zu R.s Glosse" nicht habe freigeben wollen. Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie einer weiteren E-Mail, mit der der Rechtsanwalt H. ebenfalls mit deutlichen Worten der Veröffentlichung eines Bildnisses entgegengetreten war, wörtlich wiedergegeben.
- 7
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b) Der Kläger nahm den Beschwerdeführer und seinen Mitbeklagten daraufhin bei dem Landgericht Berlin auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben wie in dem streitgegenständlichen Artikel in Anspruch.
- 8
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Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 5. Juni 2007 gab das Landgericht der Klage gegen den Beschwerdeführer vollen Umfangs statt. Der Kläger habe einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zwar hätte der Beschwerdeführer durchaus erwähnen dürfen, dass sich der Kläger gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses im Rahmen des Artikels verwahre, denn es handele sich um eine Äußerung, die nicht die Privatsphäre des Klägers, sondern die Sozialsphäre betreffe. Es bestehe auch kein rechtlicher Automatismus dahingehend, dass die Veröffentlichung jeglichen Schreibens unzulässig sei, welches zur Rechtswahrnehmung versandt worden sei. Zu berücksichtigen sei aber, dass es das gute Recht des Klägers gewesen sei, die Anfrage hinsichtlich der Bildveröffentlichung zu verneinen. Da er dies mit harschen Worten getan und sogleich mit rechtlichen Schritten gedroht habe, werde er durch die öffentliche Wiedergabe seiner Worte zu einem gewissen Grad vorgeführt als jemand, der sogleich mit einer Klage drohe, wenn lediglich ein öffentlich zugängliches Foto von ihm veröffentlicht werden solle. Hierin liege die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Demgegenüber wiege das Interesse der Öffentlichkeit, den genauen Wortlaut der Reaktion des Klägers zu erfahren, nur gering. Insbesondere gehe es vorliegend gerade nicht darum zu diskutieren, wie presserechtlich erfahrene Anwälte gegen ihnen unliebsame Veröffentlichungen vorgingen, was durchaus von öffentlichem Interesse sein könnte.
- 9
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c) Der Beschwerdeführer wandte sich hiergegen mit der Berufung. Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 19. Mai 2008 wies das Kammergericht das Rechtsmittel nach entsprechendem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dem Kläger stehe der geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu, denn sein Persönlichkeitsrecht überwiege hier das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass das Interesse an dem genauen Wortlaut gering sei. Zudem werde durch die streitgegenständliche Veröffentlichung der unzutreffende Eindruck erweckt, der Kläger reagiere auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung.
- 10
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2. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
- 11
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a) Indem das Kammergericht die Berufung des Beschwerdeführers ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen habe, obwohl die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gehabt habe und obwohl das Erfordernis der Unverzüglichkeit gem. § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sei, habe es das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar habe das Kammergericht seinen Vortrag vollständig zur Kenntnis genommen und sich mit sämtlichen von ihm vorgebrachten Einwänden befasst. Es habe ihm allerdings die Möglichkeit genommen, seine Argumente in einem Verhandlungstermin mündlich vorzutragen.
- 12
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b) In der Sache seien die angegriffenen Entscheidungen zu Unrecht von einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ausgegangen und hätten hierdurch die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt. Dem Kläger müsse aufgrund der Anfrage des Beschwerdeführers klar gewesen sein, dass eine Veröffentlichung beabsichtigt gewesen sei. Da er sie dennoch beantwortet habe, ohne darauf hinzuweisen, dass er mit einer Verbreitung seiner Antwort nicht einverstanden sei, sei nicht erkennbar, wodurch die wahrheitsgemäße Wiedergabe derselben seine Persönlichkeitsbelange beeinträchtigt haben könnte. Selbst wenn aber ein Eingriff in durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interessen des Klägers vorläge, müsste die dann erforderliche Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ausfallen. Hierbei müsste sich insbesondere auswirken, dass das angegriffene Unterlassungsurteil einen einschüchternden Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG entfalten könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass nach den vom Kammergericht nicht beanstandeten Ausführungen des Landgerichts eine Wiedergabe des Schreibens des Klägers in indirekter Rede, in den eigenen Worten des Beschwerdeführers zulässig gewesen wäre, nicht aber ein wörtliches Zitat. Auch der nach Auffassung der Gerichte durch das Zitat erweckte unzutreffende Eindruck, der Kläger reagiere übermäßig scharf auf eine schlichte Anfrage, könne den angenommenen Unterlassungsanspruch nicht tragen, denn er würde allenfalls eine Verurteilung zur Unterlassung rechtfertigen, das Zitat in einer Weise wiederzugeben, die diesen Eindruck hervorruft.
- 13
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens geäußert. Der Kläger hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO gegen die angegriffene Berufungsentscheidung keinen Gebrauch gemacht habe. Die Senatsverwaltung für Justiz Berlin hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
-
II.
- 15
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bei der Veröffentlichung wahrer Tatsachen (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
- 17
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nur teilweise zulässig; im Umfang ihrer Zulässigkeit ist sie allerdings auch offensichtlich begründet.
- 18
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a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, genügen seine Ausführungen nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Er macht diesbezüglich geltend, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO entgegen der Auffassung des Kammergerichts nicht erfüllt gewesen seien, so dass über seine Berufung nicht ohne mündliche Verhandlung hätte entschieden werden dürfen. Hiermit ist nicht einmal die Möglichkeit eines entscheidungserheblichen Gehörsverstoßes schlüssig dargetan. Denn Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt grundsätzlich keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 89, 381 <391> m.w.N.) und die Verfassungsbeschwerde lässt auch keine besonderen Umstände erkennen, aufgrund deren der Beschwerdeführer vorliegend auf einen Verhandlungstermin angewiesen gewesen sein könnte, um seinem Vorbringen Gehör zu verschaffen. Vielmehr teilt er selbst mit, dass das Kammergericht sein sämtliches schriftsätzliches Vorbringen berücksichtigt hat und er in einer mündlichen Verhandlung seine Argumentation lediglich "noch einmal" hätte vorbringen können. Vor diesem Hintergrund sind zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es aufgrund einer mündlichen Verhandlung in der Sache zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre und die Verurteilung somit auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruhen könnte.
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b) Im Übrigen, hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 GG, ist die Verfassungsbeschwerde hingegen zulässig und im Sinne des § 93c BVerfGG offensichtlich begründet.
- 20
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aa) Dass der Beschwerdeführer den geltend gemachten Gehörsverstoß nicht mit dem Rechtsbehelf des § 321a ZPO angegriffen hat, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, denn eine allein auf die geltend gemachten Rechtsfehler bei der Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO gestützte Anhörungsrüge wäre ohne jede Aussicht auf Erfolg geblieben. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwerdeführer aber nicht verwiesen werden (vgl. BVerfGE 78, 58 <68 f.> und speziell zur Anhörungsrüge BVerfGK 7, 403 <407>).
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bb) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet. Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. In dessen Schutzbereich fallen außer Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Bildung von Meinungen beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 71, 162 <179>; 99, 185 <197>, stRspr.). Dies ist bei einem Zitat wie dem hier streitgegenständlichen ersichtlich der Fall, denn die Wiedergabe der ablehnenden Antwort war - wovon auch die Gerichte ausgegangen sind - geeignet, zu einer Bewertung des Klägers beizutragen.
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Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist zwar nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen.
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Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständliche Äußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt. Ihre Auffassung, dass sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletze und diesem Grundrecht der Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zukomme, ist aber verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet.
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(1) Vor dem Hintergrund, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>), begegnet bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, erheblichen Bedenken.
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Soweit das Landgericht darauf abhebt, dass der Kläger "öffentlich vorgeführt" werde, mag dies als Bezugnahme auf die Rechtsfigur der Prangerwirkung zu verstehen sein. Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, S. 619 <620 f.>; Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 -, NJW 2009, S. 2888 <2892>), was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1994 - VI ZR 1/94 -, VersR 1994, S. 1116 <1118>). Dabei kann die Anprangerung dazu führen, dass die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen ist. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 35, 202 <233>; 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>).
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Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall ist jedoch nicht nachvollziehbar begründet. Die Urteilsgründe lassen insbesondere nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.
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Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Zwar verdeutlicht sie, worin das Gericht die den Ruf des Klägers beeinträchtigende Wirkung des Textes sieht, nämlich darin, dass er dessen Reaktion als unangemessen erscheinen lasse. Indes kann dem Text der Aussagegehalt, dass der zitierten E-Mail eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, nicht beigemessen werden. Er verhält sich ausdrücklich in keiner Weise zu dem Wortlaut oder Charakter der Anfrage, sondern teilt lediglich mit, der Kläger habe "auf Anfrage" das Foto nicht freigeben mögen. Soweit das Kammergericht gerade dem Schweigen des Textes hierzu die Aussage entnehmen will, dass die Anfrage keine erwähnenswerten Besonderheiten aufgewiesen habe, ist dies zwar im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <353 f.>; BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -, NJW 2006, S. 601 <603>). Allerdings hat das Gericht einen solchen Fall nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Insbesondere hat es den Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und hierdurch die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt. So hat es zum einen nicht erwogen, ob nicht gerade die nach seiner Auffassung bemerkenswerte Schärfe der E-Mail die Annahme, dass lediglich eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, für den maßgeblichen Durchschnittsleser fernliegend erscheinen lassen musste. Ebenso wenig hat es gewürdigt, dass der von dem Beschwerdeführer verbreitete Artikel eine Vielzahl kritischer und herabsetzender Äußerungen über den Sozius des Klägers enthält, was vom Leser ebenfalls als Hinweis auf eine entsprechend formulierte Anfrage verstanden werden dürfte. Schließlich ist das Kammergericht auch nicht darauf eingegangen, dass in dem Text ausdrücklich mitgeteilt wird, die Anfrage habe sich auf eine Verwendung des Bildes für eine "Glosse" bezogen, die von dem Prozessgegner des von der Kanzlei des Klägers vertretenen Bankhauses verfasst war und somit keine positive Darstellung des Klägers erwarten ließ.
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(2) Ebenfalls verfassungsrechtlich zu beanstanden sind die Erwägungen, auf die die Gerichte ihre Abwägung zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers gestützt haben. Insoweit heben die angegriffenen Entscheidungen wesentlich darauf ab, dass das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Diese Erwägung lässt befürchten, dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handelt es sich bei dem - hier als gering erachteten - öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeutet aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre und von dem Grundrechtsträger nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt würde. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden. Hierbei werden sie gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass die Äußerung wahrer Tatsachen, zumal solcher aus dem Bereich der Sozialsphäre, regelmäßig hingenommen werden muss (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Tenor
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1. Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22. Juli 2014 - 7 U 105/12 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
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2. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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4. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
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5. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Unterlassungsverurteilung.
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1. Die Beschwerdeführerin verlegt die Tageszeitung "taz" und betreibt die Internetseite www.taz.de. Der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) ist Journalist bei der BILD-Zeitung und Autor mehrerer Bücher, die teilweise in Zusammenarbeit mit Politikern entstanden sind, wie auch des Buchs des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff "Besser die Wahrheit", das im Jahr 2007 in Form eines Interviewbuchs erschien. Der Kläger hatte mit dem Verlag einen Autorenvertrag geschlossen. Die Rechnung für eine bereits geschaltete Werbekampagne reichte der Verlag an einen bekannten Unternehmer weiter, der im Februar 2008 aus seinen Privatmitteln einen Betrag von 42.700 € auf diese Rechnung zahlte.
- 3
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Die BILD-Zeitung berichtete am Abend des 19. Dezember 2011 über diesen Vorgang unter www.bild.de, als der damalige Bundespräsident (zunächst) wegen eines privaten Darlehens und eines diesbezüglichen Anrufs beim damaligen Chefredakteur von BILD media unter Beschuss geraten war. Sie veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein Zitat des Klägers vom Vortag, dass er "erst heute" von der Weitergabe der Rechnungen erfahren habe. Am 20. Dezember 2011 erschien auf www.bild.de ein Beitrag des Klägers, in dem er die Anzeigenfinanzierung kritisierte. In der Überschrift wurde er namentlich genannt und mitgeteilt, dass er die Anzeigen für problematisch halte.
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Dies nahm die Beschwerdeführerin zum Anlass, am 21. Dezember 2011 in der Printausgabe die streitgegenständliche Berichterstattung zu veröffentlichen.
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Bundespräsident unter Beschuss
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Abseits des Geheuls
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Wulff wankt. Muss er zurücktreten? Gründe dafür gibt es, jeden Tag ein paar mehr. Aber Journalisten sollen in dieser Frage nicht der Maßstab sein. Ein Plädoyer.(…)
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Auch Christian Wulff steht zu Christian Wulff. (…) Anders die Medien, viele haben ihr Urteil über den Bundespräsidenten gefällt. Zu beobachten ist ein bemerkenswerter Schulterschluss vom Boulevard zum Feuilleton, ein seltenes Medienereignis. Das letzte Mal zu bestaunen, als Joachim Gauck ins Schloss Bellevue einziehen sollte. Es hat nicht geklappt.
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Sollen Schlagzeilen Wulff stürzen?
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(…) Die Bild collagiert eine Auswahl eindeutiger Überschriften ("Wulffs heikle Urlaubs-Liste", "Wulff wartet auf Weihnachtswunder", "Ein Präsident auf Abruf") und fragt, scheinbar besorgt, ernsthaft scheinheilig: "Wie lange hält das Amt solche Schlagzeilen aus?"
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Eine interessante Frage, die viel über ihren Urheber im Speziellen und die Debatte im Allgemeinen aussagt. (…) Interessant ist diese Frage vor allem dann, wenn sie die Bild stellt. Das Boulevardblatt ist in der Causa Wulff nicht Beobachter. Sondern Akteur. Bild-Autor (…) [= der Kläger] schrieb das umstrittene Wulff-Buch "Besser die Wahrheit", für das der Millionär M. Werbeanzeigen im Wert von rund 50.000 Euro schaltete. In der heutigen Ausgabe des Boulevardblattes behauptete [der Kläger], er habe von nichts gewusst: "Ich habe erst heute erfahren, dass die Rechnung vom Verlag an Herrn M. weitergegeben wurde".
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Ob [der Kläger] die Wahrheit sagt oder lügt, ob er vom Wulff-M.-Sumpf wusste (oder womöglich selbst darin schwamm), ist kaum herauszufinden. In der großen Affäre um den Bundespräsidenten bleibt diese Frage allenfalls eine Randnotiz. [Der Kläger] muss, anders als der Bundespräsident, kaum fürchten, dass seine Verstrickungen enthüllt und seine Abhängigkeiten öffentlich werden. Er ist Journalist, nicht Politiker. Das ist, in diesem Fall, sein Glück.
- 5
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Der Kläger begehrte von der Beschwerdeführerin Unterlassung des letzten Absatzes. Hilfsweise beantragte er die Beschwerdeführerin zur Unterlassung zu verurteilen, durch die Passage den Verdacht zu erwecken, dass der Kläger bereits vor dem 19. Dezember 2011 gewusst habe, wer die Werbeanzeigen für das Buch "Besser die Wahrheit" finanziert habe.
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2. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, änderte das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil ab und gab dem Hilfsantrag statt. Die angegriffene Berichterstattung verletze den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es handle es sich um eine Verdachtsberichterstattung. Ein unbefangener Durchschnittsleser werde die Passage nicht als Meinungsäußerung auffassen, sondern dergestalt, dass die Beschwerdeführerin den Vorgang um die Kenntnisnahme des Klägers von der Bezahlung der Anzeigen bewerte. Die Beschwerdeführerin stelle nicht die Behauptung auf, dass der Kläger lüge, sie verbreite aber einen entsprechenden Verdacht. Maßgebliches Gewicht komme dabei dem Satz "Das ist, in diesem Fall, sein Glück." zu. Dieses Glück bestehe nach dem Leserverständnis dahin, dass auf Grund der ausgebliebenen Nachforschungen die Verstrickungen des Klägers nicht zutage treten würden. Damit gehe im Gesamtkontext der Verdacht einher, der Kläger habe gelogen. Im vorliegenden Rechtsstreit habe die Vernehmung des zuständigen Verlagsmitarbeiters die entsprechende Behauptung der Beschwerdeführerin nicht bestätigt. Die angegriffene Berichterstattung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, setze sie ihn doch dem Verdacht aus, gelogen zu haben. Für die Äußerung dieses Verdachtes fehle es aber am Mindestbestand an Beweistatsachen, so dass sie unzulässig sei.
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3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts und rügt insbesondere die Verletzung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
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4. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Präsidentin des Bundesgerichtshofs und der Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet und mit ihr eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt wird. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen im Bereich des Äußerungsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 85, 1; 99, 185; 114, 339). Danach ist die Verfassungsbeschwerde im Umfang der Annahme zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
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2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
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a) Auslegung und Anwendung der einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die Vorschriften des Zivilrechts Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; 85, 1 <13>; stRspr). Handelt es sich um Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschränken, ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das eingeschränkte Grundrecht zu beachten, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>). Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt erst vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; 42, 143 <149>; 85, 1 <13>). Handelt es sich um Eingriffe in die Meinungsfreiheit, kann dies allerdings schon bei unzutreffender Erfassung oder Würdigung einer Äußerung der Fall sein (BVerfGE 85, 1 <13>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind ferner verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einstufen mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfGE 85, 1 <14> m.w.N).
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b) Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 94, 1 <8>), handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13 -, juris, Rn.13).
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c) Die angegriffene Entscheidung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Das Oberlandesgericht geht in verfassungsrechtlich nicht tragbarer Weise davon aus, dass die Äußerung der Beschwerdeführerin als Tatsache einzuordnen ist und mithin die Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung zur Anwendung kommen. Dass Oberlandesgericht verneint zunächst das Vorliegen einer Meinungsäußerung mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin eine Bewertung vornehme. Diese Begründung ist nicht schlüssig, da eine Bewertung gerade keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung ist. Das Oberlandesgericht nimmt dennoch eine Tatsachenbehauptung an und wendet die Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung an, die bei Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist, zur Anwendung kommen (vgl. BVerfGE 114, 339 <353>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 -, NJW-RR 2010, S. 470 <471>; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 -, NJW 2014, S. 2029 <2932>). Das Oberlandesgericht verkennt hierbei, dass die kritische Bewertung der Äußerung des Klägers und die als bloße Vermutung ausgewiesenen Zweifel an der Wahrheit dieser Aussage von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind und, abgeleitet aus den konkreten Umständen der Nähe des Klägers zu den in Frage stehenden Ereignissen, damit ein Werturteil darstellen.
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d) Bereits die unzutreffende Einordnung der Äußerung als Tatsachenbehauptung verletzt die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese wirkt sich auch auf die vorgenommene Abwägung aus, bei der sich das Oberlandesgericht auf die Feststellung beschränkt, dass es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt.
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3. Die Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist der Gesamtzusammenhang der streitgegenständlichen Äußerung zu beachten, die in eine Kritik am medialen Umgang mit dem Bundespräsidenten eingebettet war und an die Tätigkeit des Klägers als Autor des Buchs anknüpft. In die Abwägung wird weiter einzustellen sein, dass sich der Kläger mit seinem Artikel selbst in die Öffentlichkeit begeben hat.
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4. Soweit die Beschwerdeführerin das Urteil des Landgerichts angreift und die Verletzung weiterer Grundrechte rügt, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.
(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.
(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.
(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.
(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.
(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.
(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.
(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal und ein Prälat, nehmen den Beklagten, einen Journalisten, auf Unterlassung wörtlicher oder sinngemäßer Tatsachenbehauptungen dahingehend in Anspruch, den Klägern sei es aufgrund eines an sie gerichteten Briefes einer Frau D. vom 18. September 1996 möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, außerdem hätten sie den Pfarrer, der die angebliche Sexualbeziehung zu der Minderjährigen erpresst habe, aus seinem Amt entfernen können. Sie behaupten, der Beklagte habe diese Tatsachenbehauptungen versteckt in zwei Zeitungsartikeln und einem Rundfunkbeitrag, die alle Ende 1996 erschienen sind, aufgestellt.
- 2
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das in NJW-RR 1998, 1175 veröffentlichte Berufungsurteil, mit dem die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich des Klägers zu 3 wegen fehlender Aktivlegitimation erfolgreich gewesen , im übrigen jedoch zurückgewiesen worden war, ist vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. Die Kläger haben den Beklagten nunmehr auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch genommen, aus denen sie die versteckten Aussagen im Sinne des ursprünglichen Antrages herleiten. Die Berufung ist weitgehend ohne Erfolg geblieben; das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben mit der Einschränkung, dass dem Beklagten die Verbreitung der beanstandeten verdeckten Tatsachenbehauptungen, wie in den zwei 1996 erschienenen Artikeln und dem am 24. November 1996 gesendeten Rundfunkbeitrag geschehen, verboten werde ohne den klarstellenden Zusatz, dass den Klägern weder der Name des betroffenen Mädchens noch der des Pfarrers bekannt gewesen, weil von Frau D. nicht mitgeteilt worden sei. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung auch gegenüber den Klägern zu 1, 2 und 4.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB, da der Beklagte in den zwei 1996 veröffentlichten Artikeln und dem am 24. November 1996 ausgestrahlten Rundfunkbeitrag in verdeckter Form unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, welche geeignet seien, das Ansehen der Kläger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
- 4
- So habe der Kläger im Radiobeitrag die verdeckten und unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die Kläger hätten aufgrund eines Schreibens von Frau D. vom 18. September 1996, in dem diese das Bistum darüber informierte , dass eine Jugendliche aufgrund einer erpressten Sexualbeziehung zu einem katholischen Pfarrer schwanger geworden sei und nach Beratung diese Schwangerschaft in den nächsten Tagen abbrechen werde, die Möglichkeit gehabt , unmittelbar Kontakt mit der Betroffenen aufzunehmen und den Schwangerschaftsabbruch zu verhindern, sowie, den Klägern sei der Name des beschuldigten Pfarrers bekannt gewesen, so dass sie ihn aus dem Amt hätten entfernen können.
- 5
- In dem Artikel für die Zeitschrift "Die Woche" seien die beiden verdeckten Behauptungen ebenfalls aufgestellt worden, während im Artikel in der Zeitschrift "Kirche intern" nur die erste (bezüglich der Kontaktaufnahmemöglichkeit) aufgestellt worden sei.
- 6
- Der Beklagte habe dabei verschwiegen, dass der Kläger zu 4 unstreitig in einem dem Schreiben vorangegangenen Telefonat mit Frau D. nach dem Namen des Pfarrers und der betroffenen Minderjährigen gefragt und keine Antwort erhalten hatte und dass der Brief diese Informationen unstreitig ebenfalls nicht enthielt. Das Verschweigen wesentlicher Umstände und damit die unvollständige Darstellung des Sachverhalts begründe eine verdeckte Tatsachenbehauptung , die dadurch unrichtig sei.
II.
- 7
- Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB mit der im Tenor des Berufungsgerichts erfolgten Einschränkung zu.
- 8
- 1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 (Erzbistum K.).
- 9
- a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz , der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfGE 93, 266, 291).
- 10
- b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.
- 11
- Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen , wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.
- 12
- Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGHZ 124, 173, 174 f. verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz , 10. Auflage, Art. 140, Rn. 12).
- 13
- 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der drei Presseberichte deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst habe.
- 14
- a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330; vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenomme- nen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344).
- 15
- b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist diese revisionsrechtliche Überprüfung auch im Streitfall vorzunehmen und nicht etwa durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) abschließend erfolgt. Vielmehr erstreckt sich die Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nur auf den Umfang der Feststellung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Feststellung im Sinne dieser Vorschriften ist jedenfalls die Entscheidungsformel, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergänzt um die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfGE 1, 14, 37; 19, 377, 392; 20, 56, 87; 40, 88, 93; 96, 375, 404; 104, 151, 197; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. A., § 31 Rn. 58). Jedoch erfasst die Bindungswirkung nur die Auslegung der Verfassung, nicht die einfachrechtlicher Normen (Umbach/Clemens/Dollinger aaO, Rn. 60). Hierzu ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lediglich zu entnehmen, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte, wonach bei der Annahme von verdeckten Aussagen eine besondere Zurückhaltung geboten sei und deshalb die dem Leser nahe gelegte Schlussfolgerung unabweislich sein müsse, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.
- 16
- c) Mit Recht hat sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - VersR 1994, 1123, 1124; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
- 17
- Danach ist bei der Ermittlung so genannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO und vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 aaO).
- 18
- d) Ob das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht die dem Leser nahegelegten Schlussfolgerungen für so unabweislich gehalten hat, dass sie eine verdeckte Äußerung beinhalten, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine bewusst unvollständige Berichterstattung vor, die ebenfalls unzulässig ist. Wenn nämlich - wie die Revision geltend macht - dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten (vgl. BVerfGE 12, 113, 130; Senatsurteile BGHZ 31, 308, 318; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193) und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1961 - VI ZR 222/60 - VersR 1961, 980, 982; vom 9. November 1965 - VI ZR 276/64 - VersR 1966, 85, 87; vom 30. Januar 1979 - VI ZR 163/77 - VersR 1979, 520, 521; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193; ebenso Soehring, Presserecht, 3. A., Rn. 16.44b; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A., Kap. 5 Rn. 81). Liegt es - wie im Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt - nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlussfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193). Eine Tatsachenbehauptung , die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, ist schon aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - aaO).
- 19
- Insoweit gelten für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze wie für die Verdachtsberichterstattung. Auch hier ist näm- lich eine vollständige Berichterstattung erforderlich, so dass dem Leser auch die entlastenden Umstände mitgeteilt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95 - VersR 1997, 325, 327). So darf bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195).
- 20
- e) Um solche Umstände handelt es sich hier. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass den Klägern weder der Name des Mädchens noch der Name des Pfarrers mitgeteilt worden waren, geeignet ist, die mitgeteilten Vorgänge und insbesondere den Vorwurf verspäteten Handelns bzw. der Untätigkeit in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen, den Klägern günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Denn während es bei Bekanntheit der Personalien aller an dem Vorfall beteiligten Personen beim Durchschnittsleser auf Unverständnis stoßen dürfte, dass weder der Minderjährigen umgehend Hilfe angeboten noch gegen den Pfarrer vorgegangen wurde, erscheint eine entsprechende Schlussfolgerung bei Wissen darum, dass die Namen und Personalien der Beteiligten den Klägern nicht bekannt waren, wesentlich ferner liegend. Deshalb durften hier diese Umstände, die eine Entlastung bewirken konnten , im Rahmen der konkreten Berichterstattung nicht verschwiegen werden.
- 21
- Unstreitig sind den Klägern weder durch den Brief noch durch das vorausgegangene Telefonat die Namen des betroffenen Mädchens und des Pfarrers mitgeteilt worden. Das reicht unter den gegebenen Umständen für die Annahme einer bewusst unvollständigen Berichterstattung aus, weil der Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis der Kläger hatte, die unstreitig auch nicht vorhanden war.
- 22
- f) Ist mithin diese bewusst unvollständige Berichterstattung der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, greift der Grundsatz ein, dass an solchen Äußerungen kein berechtigtes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 61, 1, 8 f.; 85, 1, 15); der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der Beklagte bei seinen Recherchen hinsichtlich der Frage der nachfolgenden Informationsmöglichkeiten der Kläger über Frau D. die publizistische Sorgfalt gewahrt hat oder nicht. Dem durch Art. 5 GG geschützten Anliegen des Beklagten , durch seine Berichterstattung aufzuzeigen, dass die Kläger von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, mit dem betroffenen Mädchen in Kontakt zu treten oder die Identität des Pfarrers in Erfahrung zu bringen, wird durch die jetzige Tenorierung des Berufungsurteils ausreichend Rechnung getragen , die auch im übrigen nicht zu beanstanden ist.
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.06.1997 - 28 O 44/97 -
OLG Köln, Entscheidung vom 01.07.2004 - 15 U 126/97 -
Tenor
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Der Beschluss des Kammergerichts vom 19. Mai 2008 - 10 U 190/07 - und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2007 - 27 O 184/07 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
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...
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Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Verurteilung, mit der dem Beschwerdeführer untersagt wurde, wörtlich aus anwaltlichen Schreiben zu zitieren.
- 2
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1. a) Der Beschwerdeführer betreibt die Internetseite www., auf der er die "N. Zeitung online" publiziert. Im Jahr 2006 beabsichtigte er, dort einen Artikel seines Mitbeklagten des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens, R., zu veröffentlichen. Dieser hatte ein Buch über ein Bankhaus verfasst und war deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Der Artikel befasste sich mit jenem Rechtsstreit, insbesondere mit dem Verhalten des von dem klagenden Bankhaus bevollmächtigten Rechtsanwalts H. in einem Gerichtstermin. Da der Beschwerdeführer den Artikel bebildern wollte, fragte er schriftlich bei dem Sozius des Prozessvertreters H. - dem Kläger des hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) - an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils unfreundlichen und ironischen Ton gehalten. Sie begann mit der Anrede "Sehr geehrter(?) Herr S." und enthielt die Ankündigung, dass sich der Beschwerdeführer "auch künftig nicht einschüchtern lassen" und man sich vielleicht vor dem Bundesverfassungsgericht wiedertreffen werde. Weiter hieß es wörtlich:
- 3
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"Noch eine Frage: Da ich in der nächsten N.-Ausgabe einen Artikel über R.s Termin in Berlin veröffentlichen werde, an dem Ihr Kollege H. so schön beteiligt war, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erlauben würden, das Foto von Ihrer website (...) dafür zu verwenden. Teilen Sie mir doch bitte auch gleich mit, an welcher Stelle Herr H. zu sehen ist. Dass Sie in der Mitte stehen, dürfte ja klar sein. Dann wissen unsere LeserInnen doch auch, wie Sie und Ihre Kollegen sich öffentlich präsentieren..."
- 4
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Der Kläger antwortete mit E-Mail vom 12. September 2006, in der er der Nutzung von Bildnissen seiner Person und seines Sozius' widersprach und mit rechtlichen Schritten drohte. Wörtlich hieß es:
- 5
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"...wir widersprechen ausdrücklich jedweder Nutzung von Bildnissen von Herrn H. und meiner Person. Sollten Sie hiergegen verstoßen, werden wir eigenständige rechtliche Schritte einleiten. Wir weisen darauf hin, dass wir unlängst auch anderen Medienunternehmern die Veröffentlichung von Bildnissen unsererseits verboten haben."
- 6
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Am selben Tag erschien der Artikel auf der Website des Beschwerdeführers. Darin wurde über den Verlauf einer mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit über das Buch berichtet, wobei das Auftreten des Rechtsanwalts H., aber auch seine äußere Erscheinung abfällig kommentiert wurden. Dem Text war eine Anmerkung der Redaktion beigefügt, in deren Rahmen mitgeteilt wurde, dass der Kläger auf Anfrage "ein eindrucksvolles homepage-Foto seiner 'Kanzlei' zu R.s Glosse" nicht habe freigeben wollen. Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie einer weiteren E-Mail, mit der der Rechtsanwalt H. ebenfalls mit deutlichen Worten der Veröffentlichung eines Bildnisses entgegengetreten war, wörtlich wiedergegeben.
- 7
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b) Der Kläger nahm den Beschwerdeführer und seinen Mitbeklagten daraufhin bei dem Landgericht Berlin auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben wie in dem streitgegenständlichen Artikel in Anspruch.
- 8
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Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 5. Juni 2007 gab das Landgericht der Klage gegen den Beschwerdeführer vollen Umfangs statt. Der Kläger habe einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zwar hätte der Beschwerdeführer durchaus erwähnen dürfen, dass sich der Kläger gegen eine Veröffentlichung seines Bildnisses im Rahmen des Artikels verwahre, denn es handele sich um eine Äußerung, die nicht die Privatsphäre des Klägers, sondern die Sozialsphäre betreffe. Es bestehe auch kein rechtlicher Automatismus dahingehend, dass die Veröffentlichung jeglichen Schreibens unzulässig sei, welches zur Rechtswahrnehmung versandt worden sei. Zu berücksichtigen sei aber, dass es das gute Recht des Klägers gewesen sei, die Anfrage hinsichtlich der Bildveröffentlichung zu verneinen. Da er dies mit harschen Worten getan und sogleich mit rechtlichen Schritten gedroht habe, werde er durch die öffentliche Wiedergabe seiner Worte zu einem gewissen Grad vorgeführt als jemand, der sogleich mit einer Klage drohe, wenn lediglich ein öffentlich zugängliches Foto von ihm veröffentlicht werden solle. Hierin liege die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Demgegenüber wiege das Interesse der Öffentlichkeit, den genauen Wortlaut der Reaktion des Klägers zu erfahren, nur gering. Insbesondere gehe es vorliegend gerade nicht darum zu diskutieren, wie presserechtlich erfahrene Anwälte gegen ihnen unliebsame Veröffentlichungen vorgingen, was durchaus von öffentlichem Interesse sein könnte.
- 9
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c) Der Beschwerdeführer wandte sich hiergegen mit der Berufung. Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 19. Mai 2008 wies das Kammergericht das Rechtsmittel nach entsprechendem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dem Kläger stehe der geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu, denn sein Persönlichkeitsrecht überwiege hier das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Zutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, dass das Interesse an dem genauen Wortlaut gering sei. Zudem werde durch die streitgegenständliche Veröffentlichung der unzutreffende Eindruck erweckt, der Kläger reagiere auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung.
- 10
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2. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
- 11
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a) Indem das Kammergericht die Berufung des Beschwerdeführers ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen habe, obwohl die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gehabt habe und obwohl das Erfordernis der Unverzüglichkeit gem. § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sei, habe es das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar habe das Kammergericht seinen Vortrag vollständig zur Kenntnis genommen und sich mit sämtlichen von ihm vorgebrachten Einwänden befasst. Es habe ihm allerdings die Möglichkeit genommen, seine Argumente in einem Verhandlungstermin mündlich vorzutragen.
- 12
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b) In der Sache seien die angegriffenen Entscheidungen zu Unrecht von einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ausgegangen und hätten hierdurch die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt. Dem Kläger müsse aufgrund der Anfrage des Beschwerdeführers klar gewesen sein, dass eine Veröffentlichung beabsichtigt gewesen sei. Da er sie dennoch beantwortet habe, ohne darauf hinzuweisen, dass er mit einer Verbreitung seiner Antwort nicht einverstanden sei, sei nicht erkennbar, wodurch die wahrheitsgemäße Wiedergabe derselben seine Persönlichkeitsbelange beeinträchtigt haben könnte. Selbst wenn aber ein Eingriff in durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interessen des Klägers vorläge, müsste die dann erforderliche Abwägung zugunsten der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers ausfallen. Hierbei müsste sich insbesondere auswirken, dass das angegriffene Unterlassungsurteil einen einschüchternden Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG entfalten könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass nach den vom Kammergericht nicht beanstandeten Ausführungen des Landgerichts eine Wiedergabe des Schreibens des Klägers in indirekter Rede, in den eigenen Worten des Beschwerdeführers zulässig gewesen wäre, nicht aber ein wörtliches Zitat. Auch der nach Auffassung der Gerichte durch das Zitat erweckte unzutreffende Eindruck, der Kläger reagiere übermäßig scharf auf eine schlichte Anfrage, könne den angenommenen Unterlassungsanspruch nicht tragen, denn er würde allenfalls eine Verurteilung zur Unterlassung rechtfertigen, das Zitat in einer Weise wiederzugeben, die diesen Eindruck hervorruft.
- 13
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3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens geäußert. Der Kläger hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil der Beschwerdeführer von der Möglichkeit einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO gegen die angegriffene Berufungsentscheidung keinen Gebrauch gemacht habe. Die Senatsverwaltung für Justiz Berlin hat von einer Stellungnahme abgesehen.
- 14
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Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
-
II.
- 15
-
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
- 16
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bei der Veröffentlichung wahrer Tatsachen (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
- 17
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nur teilweise zulässig; im Umfang ihrer Zulässigkeit ist sie allerdings auch offensichtlich begründet.
- 18
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a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, genügen seine Ausführungen nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen. Er macht diesbezüglich geltend, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO entgegen der Auffassung des Kammergerichts nicht erfüllt gewesen seien, so dass über seine Berufung nicht ohne mündliche Verhandlung hätte entschieden werden dürfen. Hiermit ist nicht einmal die Möglichkeit eines entscheidungserheblichen Gehörsverstoßes schlüssig dargetan. Denn Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt grundsätzlich keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 89, 381 <391> m.w.N.) und die Verfassungsbeschwerde lässt auch keine besonderen Umstände erkennen, aufgrund deren der Beschwerdeführer vorliegend auf einen Verhandlungstermin angewiesen gewesen sein könnte, um seinem Vorbringen Gehör zu verschaffen. Vielmehr teilt er selbst mit, dass das Kammergericht sein sämtliches schriftsätzliches Vorbringen berücksichtigt hat und er in einer mündlichen Verhandlung seine Argumentation lediglich "noch einmal" hätte vorbringen können. Vor diesem Hintergrund sind zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es aufgrund einer mündlichen Verhandlung in der Sache zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre und die Verurteilung somit auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruhen könnte.
- 19
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b) Im Übrigen, hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 GG, ist die Verfassungsbeschwerde hingegen zulässig und im Sinne des § 93c BVerfGG offensichtlich begründet.
- 20
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aa) Dass der Beschwerdeführer den geltend gemachten Gehörsverstoß nicht mit dem Rechtsbehelf des § 321a ZPO angegriffen hat, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, denn eine allein auf die geltend gemachten Rechtsfehler bei der Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO gestützte Anhörungsrüge wäre ohne jede Aussicht auf Erfolg geblieben. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwerdeführer aber nicht verwiesen werden (vgl. BVerfGE 78, 58 <68 f.> und speziell zur Anhörungsrüge BVerfGK 7, 403 <407>).
- 21
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bb) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet. Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. In dessen Schutzbereich fallen außer Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Bildung von Meinungen beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 71, 162 <179>; 99, 185 <197>, stRspr.). Dies ist bei einem Zitat wie dem hier streitgegenständlichen ersichtlich der Fall, denn die Wiedergabe der ablehnenden Antwort war - wovon auch die Gerichte ausgegangen sind - geeignet, zu einer Bewertung des Klägers beizutragen.
- 22
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Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist zwar nicht vorbehaltlos gewährt, sondern steht gem. Art. 5 Abs. 2 GG insbesondere unter der Schranke der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die hier angewendeten Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB gehören. Jedoch haben die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts zu berücksichtigen.
- 23
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Diesem Erfordernis werden die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend gerecht. Die Gerichte haben zwar nicht verkannt, dass die streitgegenständliche Äußerung dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt. Ihre Auffassung, dass sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletze und diesem Grundrecht der Vorrang vor der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers zukomme, ist aber verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet.
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(1) Vor dem Hintergrund, dass das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>), begegnet bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, erheblichen Bedenken.
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Soweit das Landgericht darauf abhebt, dass der Kläger "öffentlich vorgeführt" werde, mag dies als Bezugnahme auf die Rechtsfigur der Prangerwirkung zu verstehen sein. Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, S. 619 <620 f.>; Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 -, NJW 2009, S. 2888 <2892>), was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1994 - VI ZR 1/94 -, VersR 1994, S. 1116 <1118>). Dabei kann die Anprangerung dazu führen, dass die regelmäßig zulässige Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre im Einzelfall mit Rücksicht auf die überwiegenden Persönlichkeitsbelange des Betroffenen zu untersagen ist. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 35, 202 <233>; 97, 391 <406>; BVerfGK 8, 107 <115>).
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Ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall ist jedoch nicht nachvollziehbar begründet. Die Urteilsgründe lassen insbesondere nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.
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Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Zwar verdeutlicht sie, worin das Gericht die den Ruf des Klägers beeinträchtigende Wirkung des Textes sieht, nämlich darin, dass er dessen Reaktion als unangemessen erscheinen lasse. Indes kann dem Text der Aussagegehalt, dass der zitierten E-Mail eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, nicht beigemessen werden. Er verhält sich ausdrücklich in keiner Weise zu dem Wortlaut oder Charakter der Anfrage, sondern teilt lediglich mit, der Kläger habe "auf Anfrage" das Foto nicht freigeben mögen. Soweit das Kammergericht gerade dem Schweigen des Textes hierzu die Aussage entnehmen will, dass die Anfrage keine erwähnenswerten Besonderheiten aufgewiesen habe, ist dies zwar im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerfGE 12, 113 <130 f.>; 114, 339 <353 f.>; BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -, NJW 2006, S. 601 <603>). Allerdings hat das Gericht einen solchen Fall nicht in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Insbesondere hat es den Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und hierdurch die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt. So hat es zum einen nicht erwogen, ob nicht gerade die nach seiner Auffassung bemerkenswerte Schärfe der E-Mail die Annahme, dass lediglich eine "schlichte Anfrage" vorausgegangen sei, für den maßgeblichen Durchschnittsleser fernliegend erscheinen lassen musste. Ebenso wenig hat es gewürdigt, dass der von dem Beschwerdeführer verbreitete Artikel eine Vielzahl kritischer und herabsetzender Äußerungen über den Sozius des Klägers enthält, was vom Leser ebenfalls als Hinweis auf eine entsprechend formulierte Anfrage verstanden werden dürfte. Schließlich ist das Kammergericht auch nicht darauf eingegangen, dass in dem Text ausdrücklich mitgeteilt wird, die Anfrage habe sich auf eine Verwendung des Bildes für eine "Glosse" bezogen, die von dem Prozessgegner des von der Kanzlei des Klägers vertretenen Bankhauses verfasst war und somit keine positive Darstellung des Klägers erwarten ließ.
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(2) Ebenfalls verfassungsrechtlich zu beanstanden sind die Erwägungen, auf die die Gerichte ihre Abwägung zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers gestützt haben. Insoweit heben die angegriffenen Entscheidungen wesentlich darauf ab, dass das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Diese Erwägung lässt befürchten, dass die Gerichte den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG grundlegend verkannt haben. Zwar handelt es sich bei dem - hier als gering erachteten - öffentlichen Informationsinteresse um einen wesentlichen Abwägungsfaktor in Fällen einer Kollision der grundrechtlich geschützten Äußerungsinteressen einerseits und der Persönlichkeitsbelange des von der Äußerung Betroffenen andererseits. Dies bedeutet aber nicht, dass die Meinungsfreiheit nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt wäre und von dem Grundrechtsträger nur gleichsam treuhänderisch für das demokratisch verfasste Gemeinwesen ausgeübt würde. Vielmehr gewährleistet das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen werden. Hierbei werden sie gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, dass die Äußerung wahrer Tatsachen, zumal solcher aus dem Bereich der Sozialsphäre, regelmäßig hingenommen werden muss (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>; 99, 185 <196 f.>).
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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verurteilung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung in dem von ihr herausgegebenen Nachrichtenmagazin …
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I.
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In der Ausgabe vom 4. Februar 2013 des Nachrichtenmagazins … (Ausgabe Nr. 6/2013) veröffentlichte die Beschwerdeführerin eine Berichterstattung, in der es um Schleichwerbevorwürfe gegenüber einem bekannten Fernsehmoderator G. ging, dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens. Der Artikel stellt Verdachtsmomente dar, wonach in Fernsehsendungen versteckt für die Produkte verschiedener Firmen, hier den Tiermarkt-Discounter F. und die Floristenbranche, Werbung betrieben werde.
- 3
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Im Vorfeld der Berichterstattung hatte der Redakteur der Beschwerdeführerin den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers per E-Mail mit verschiedenen Aspekten der geplanten Veröffentlichung konfrontiert und diesbezüglich zur Stellungnahme aufgefordert. Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers der Beschwerdeführerin telefonisch mit, er und sein Mandant hätten nicht vor, die zahlreichen Fragen zu beantworten. Der Fernsehmoderator G. habe noch nicht einmal gewusst, dass es eine Firma namens F. gebe. Genauso sei es "Quatsch", dass er auf Befehl "Valentinstag" gesagt habe. Am Ende teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Inhalt des Gesprächs nicht in der geplanten Berichterstattung verwendet werden dürfe. Nach Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels forderte der Antragsteller die Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung auf, was diese zurückwies.
- 4
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1. Antragsgemäß erließ daraufhin das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 11. März 2013 eine einstweilige Anordnung, mit der die Beschwerdeführerin zum Abdruck der folgenden Gegendarstellung verpflichtet wurde:
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In … Nr. 6 vom 04.02.2013 heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Lasst Blumen sprechen! …Neue Fälle deuten auf noch weit raffiniertere Schleichwerbung hin.":
-
"… bestand 2007 ein Kooperationsvertrag für 'W.?' mit der Firma F. D., mit G.-Bruder C. an der Spitze, verkaufte … die Markenrechte der Show an die Tiermarktkette. … dass G. in seiner Anmoderation das Wort 'F.' unterbrachte. Zur Wettpatin … gewandt: 'Du musst sagen ja oder nein, Hunde-Fressnapf, Mann gegen Hund.'"
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Hierzu stelle ich fest:
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Ich habe das Wort "F." nicht gewählt, um den Namen des Unternehmens zu erwähnen. Mir war nicht bekannt, dass es eine Firma mit diesem Namen gibt.
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Weiter heißt es:
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"Deal … mit der Fl. AG. … Den Namen Fl. erwähnte G. nicht. Dafür lenkte er aber die Aufmerksamkeit auf ein Ereignis, das zu den Festtagen der Floristenbranche zählt: den Valentinstag. … Gleich dreimal erinnerte G. an den Valentinstag."
-
Hierzu stelle ich fest:
-
Bei der Erwähnung des Begriffs "Valentinstag" war mir weder bekannt, dass es Kontakte zu der Firma Fl. gab, noch hat mich irgendjemand dazu aufgefordert, in der Sendung den Begriff "Valentinstag" zu erwähnen.
- 5
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2. Auf den Widerspruch der Beschwerdeführerin bestätigte das Landgericht mit angegriffenem Urteil vom 8. April 2013 die einstweilige Verfügung. Der Antragsteller habe gemäß § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes (HbgPrG) einen Anspruch auf Veröffentlichung der Gegendarstellung. Auch in dem Fall, dass ein Betroffener auf die Anfrage der Presse reagiere, jedoch gleichzeitig untersage, seine Erläuterungen in die Berichterstattung einfließen zu lassen, bleibe ihm sein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung erhalten. Es bestehe keine Obliegenheit dazu, sich bereits im Vorfeld zu Tatsachenbehauptungen zu erklären, die ein Dritter zu veröffentlichen beabsichtige. Das folge schon daraus, dass der Abgabe einer solchen Stellungnahme zahlreiche Umstände entgegenstehen könnten wie mangelnde Zeit, die Auffassung, dass der Gegenstand ohnehin nicht öffentlich erörtert werden solle oder dürfe, vorangegangene Streitigkeiten mit dem Publikationsorgan, das die Anfrage ausspreche, und ein daraus resultierendes Misstrauen oder die Überzeugung, dass es ohnehin genügend andere Recherchemöglichkeiten gebe, die dazu führen würden, dass das Publikationsorgan von sich aus die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung erkennen werde. Derartige Denk- und Handlungsweisen seien Ausfluss der privaten Lebensauffassung und -gestaltung des Betroffenen, über die er keine Rechenschaft zu geben verpflichtet sei. Zwischen der Abgabe einer vorherigen Stellungnahme und der Erwiderung auf eine erfolgte Tatsachenbehauptung bestünden wesentliche Unterschiede, die es schon im Ansatz nicht zuließen, aus dem Unterlassen des einen den Verlust des Rechts zum anderen herzuleiten. Das Recht auf Gegendarstellung gebe dem Betroffenen nicht allein ein Recht darauf, auf eine Tatsachenbehauptung mit einer Tatsachenbehauptung zu erwidern. Vielmehr müsse der Abdruck der Gegendarstellung an bestimmter Stelle in bestimmter Form erfolgen. Eine Stellungnahme des Publikationsorgans zu der Gegendarstellung in derselben Ausgabe, in der sie erscheine, müsse sich auf tatsächliche Angaben beschränken. Hingegen könne der Betroffene, der von einem Publikationsorgan um Abgabe einer Stellungnahme zu einer ihn betreffenden Behauptung gebeten werde, sich in keinem Fall sicher sein, dass diese Stellungnahme in die Berichterstattung so eingearbeitet werde, dass dies in seiner Wertigkeit einer Gegendarstellung entspreche; mitunter könne er sogar Anlass zu der Befürchtung haben, dass das Publikationsorgan die von ihm abgegebene Stellungnahme dazu nutzen werde, den Eindruck zu erwecken, auch weitere Behauptungen in dem Beitrag beruhten auf eigenen Auskünften des Betroffenen, oder gar dazu, sich über ihn lustig zu machen oder ihn in ein schlechtes Licht zu rücken. Aus diesem Grund könne es kein widersprüchliches Verhalten darstellen, wenn der Betroffene zunächst die Veröffentlichung abwarte, um sich gegebenenfalls erst im Anschluss daran zu den darin enthaltenen, ihn betreffenden Behauptungen öffentlich zu äußern.
- 6
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3. Die gegen das Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Urteil vom 3. Februar 2015 zurück. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Betroffener, wie hier der Antragsteller, mit einer Stellungnahme erreichen wolle, dass jegliche Veröffentlichung über einen Gegenstand unterbleibe, ihre Verwendung dem Verbreiter daher untersage, und sich nach einer gleichwohl erfolgten Veröffentlichung gegen diese wende. Denn mit seinem Verhalten vor der Veröffentlichung vertrete der Betroffene zulässigerweise einen Rechtsstandpunkt, woraus ihm im späteren Streit mit dem Verbreiter kein Nachteil erwachsen dürfe. Dieser Vorgehensweise könne im Übrigen schon deshalb kein Moment des Rechtsmissbrauchs oder der Widersprüchlichkeit bei einer späteren Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verbreiter innewohnen, weil der Verbreiter auf Grundlage dieses Verhaltens nicht darauf vertrauen könne, dass der Betroffene die beabsichtigte Berichterstattung hinnehmen werde. Er werde vielmehr bereits im Vorfeld seiner Veröffentlichung davor gewarnt, dass er bei ihrem Vollzug damit rechnen müsse, dass - und bezogen auf welchen Gegenstand - er von dem Betroffenen äußerungsrechtlich in Anspruch genommen werde. Die Annahme einer Obliegenheit zur Stellungnahme zu einer bevorstehenden Veröffentlichung die im Falle des Schweigens damit sanktioniert werde, dass die betroffene Person ihr Recht auf eine Gegendarstellung verlöre, würde die gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Person erheblich einschränken, ohne dass ein tragfähiger Grund für eine solche Einschränkung vorläge. Der Verbreiter werde dadurch auch nicht rechtlos gestellt, zumal er nach dem Hamburger Pressegesetz berechtigt sei, sich zu der Gegendarstellung mit Tatsachen zu äußern.
- 7
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4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Der Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs stehe in der vorliegenden Konstellation das fehlende Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen entgegen. Die Fachgerichte ignorierten, dass das Gegendarstellungsrecht dem von einer Berichterstattung Betroffenen lediglich das Recht vermitteln solle, hinreichend zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht in angemessener Weise geschehen sein sollte. Der nach Auffassung der Fachgerichte pauschal geltende Grundsatz, demzufolge ein bewusstes Schweigen auf eine Vorabanfrage niemals zu einem Verlust des Gegenleistungsrechts führen könne, schließe jede Möglichkeit der Berücksichtigung der Einzelfallumstände aus und eröffne einem Betroffenen die Möglichkeit, das Gegendarstellungsrecht in verfassungswidriger Weise als Sanktionsinstrument gegen eine unliebsame Berichterstattung zu missbrauchen. Die Rechtsprechung der Fachgerichte laufe faktisch auf ein Wahlrecht des Betroffenen hinaus, ob er sich vorab in Form einer Stellungnahme oder nachträglich in Form einer Gegendarstellung zu Wort melden möge. Die Annahme eines solchen Wahlrechts werde der im Gegendarstellungsrecht auszutarierenden grundrechtlichen Interessenkollision nicht gerecht, weil damit der Missbrauch des mit einem erheblichen Imageschaden für die Presse verbundenen Gegendarstellungsrechts zum Zwecke der Einschüchterung der Presseorgane legitimiert werde.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248 ff.>). Sie ist unbegründet.
- 9
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Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zum Gegendarstellungsrecht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 63, 131 <142>; 73, 118 <201>; 97, 125 <148>).
- 10
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1. Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der Normen zum Gegendarstellungsrecht die durch die Pressefreiheit gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die in den Gesetzen zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Persönlichkeitsrechtsschutz des Betroffenen ebenso wie die damit konkurrierende Pressefreiheit im Wege praktischer Konkordanz beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9>). Nur die Beachtung dieser Anforderungen wird vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft. Demgegenüber ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 94, 1 <9 f.>; 112, 332 <358>; 120, 180 <210>).
- 11
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Die Regelungen zum Gegendarstellungsrecht sollen den Einzelnen vor Gefahren schützen, die ihm durch die Erörterung seiner persönlichen Angelegenheiten in der Presse drohen. Sie sind ein Gegenstück zur Freiheit der Presseberichterstattung, der der Betroffene, dem seine Angelegenheiten unzutreffend dargestellt scheinen, in der Regel nicht mit Aussicht auf dieselbe publizistische Wirkung entgegentreten kann. Zum Ausgleich dieses Gefälles obliegt dem Gesetzgeber eine aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgende Schutzpflicht, den Einzelnen wirksam gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individualsphäre zu schützen (vgl. BVerfGE 73, 118 <201>). Dazu gehört, dass der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit hat, ihr mit seiner eigenen Darstellung entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 63, 131 <142 f.>).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen bewegen sich die angegriffenen Entscheidungen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
- 13
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a) Die von den Fachgerichten angestellten Erwägungen, warum eine vorherige Stellungnahme zu einer geplanten Berichterstattung keine Obliegenheit des Betroffenen darstellt, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie stützen sich mit tragfähigen Gründen darauf, dass eine solche Obliegenheit die Möglichkeiten zur Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs weitgehend leerlaufen ließe oder jedenfalls unzumutbar erschwerte, weil sich Medienunternehmen dann Gegendarstellungsansprüchen weitestgehend dadurch entziehen könnten, dass sie die jeweils Betroffenen vorab um Stellungnahmen baten. Den Betroffenen bliebe dann kaum mehr eine Möglichkeit zu einer eigenen Darstellung des streitigen Sachverhalts - entweder weil sie sich auf die indirekte Wiedergabe ihrer Sicht durch die Presseartikel verweisen lassen müssten oder weil sie des Rechts mangels Antwort verlustig gegangen seien. Zudem würde eine solche Obliegenheit den von einer Berichterstattung Betroffenen letztlich dazu verpflichten, an einer gegen seinen Willen geplanten Berichterstattung mitzuwirken, indem er zu den darin vorgesehenen Themen Stellung nimmt. Diese Erwägungen sind tragfähig.
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b) Ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist die Argumentation der Gerichte, dass die Verweigerung einer Stellungnahme von dem Betroffenen nicht im Einzelfall gerechtfertigt werden müsse. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen, vorliegend etwa des Rechts, auf Vorhaltungen seitens der Presse zu schweigen oder zu erklären, man lehne eine derartige Berichterstattung insgesamt ab, muss nicht gerechtfertigt werden und kann nicht als Grund für einen grundsätzlichen oder auch nur regelhaften Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses an einer späteren Gegendarstellung angesehen werden. Daraus folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht, dass jede Möglichkeit einer Berücksichtigung von Einzelfallumständen ausgeschlossen wäre. Über das Kriterium des "berechtigten Interesses" können nach wie vor Fälle ausgeschlossen werden, in denen die Einräumung von Gegendarstellungsansprüchen unbillig oder rechtsmissbräuchlich erscheint. Nach der jedenfalls gut vertretbaren Auffassung der Fachgerichte gehören die streitgegenständlichen Fälle jedoch nicht dazu.
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c) Die Annahme der Fachgerichte, eine von dem Betroffenen selbst verfasste Gegendarstellung und die indirekte Berücksichtigung einer Stellungnahme des Betroffenen in der Berichterstattung der Presse hätten eine unterschiedliche "Wertigkeit", ist verfassungsrechtlich tragfähig. Denn der Gegendarstellung kommt eine weitaus größere publizistische Wirkung zu als einer - im Zweifel kurzen - Erwähnung der Stellungnahme des Betroffenen im ursprünglichen Artikel. Letztlich wird die nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben geforderte "gleiche publizistische Wirkung" in der Regel nur über eine Gegendarstellung hergestellt, deren Geltendmachung die Publikationsorgane zum Ausgleich der kollidierenden Grundrechte hinzunehmen haben. Die Beschwerdeführerin verkennt den Schutzzweck des Gegendarstellungsrechts, wenn sie behauptet, dieses solle dem von einer Berichterstattung Betroffenen lediglich das Recht vermitteln, "hinreichend zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht in angemessener Weise geschehen sein sollte". Zwar schließt die neutrale Darstellung des vom Betroffenen geäußerten Standpunktes in der Regel die spätere Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs aus, jedoch kann dies nicht bedeuten, dass der Betroffene zu einer Vorab-Stellungnahme gleichsam gezwungen wäre, um eine (möglicherweise) gleiche publizistische Wirkung seiner Äußerung zu erreichen. Dabei ist die in § 11 Abs. 3 HbgPrG vorgesehene Möglichkeit einer redaktionellen Anmerkung zu der Gegendarstellung ein Mittel des Ausgleichs, das es dem Medienunternehmen ermöglicht, auf den Eingriff in seine Pressefreiheit zu erwidern und damit faktisch das "letzte Wort" zu haben. Damit ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt, da das Gegendarstellungsrecht in § 11 HbgPrG einen verfassungsgemäßen Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen darstellt.
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d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es auch nicht erforderlich, die Einräumung eines Gegendarstellungsrechts stets von einer einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechte abhängig zu machen. Vielmehr ist dem Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten aus Art. 5 Abs.1 GG auf der einen Seite und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auf der anderen Seite vom Grundsatz her bereits durch die jeweiligen einfachrechtlichen Regelungen der Bundesländer und im Rundfunkstaatsvertrag Rechnung getragen. Der Vorbehalt einer Einzelfallabwägung als generelle Voraussetzung eines Gegendarstellungsanspruchs würde die im Rahmen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>) verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende geschaffene gesetzliche Regelung, hier des § 11 HbgPrG, unterlaufen. Über das Erfordernis des "berechtigten Interesses" kann besonderen Konstellationen im Einzelfall Rechnung getragen werden.
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e) Die Argumentation der Fachgerichte, dass auch die Abgabe der geforderten Stellungnahme bei gleichzeitigem Verbot von deren Berücksichtigung in der geplanten Berichterstattung nicht zu einem Fortfall des Gegendarstellungsanspruchs führt, da es sich dabei lediglich um ein - dem Betroffenen nicht vorwerfbares - Agieren mit offenen Karten handelt, begegnet gleichfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt in dieser Ankündigung der Gegenwehr schon deshalb nicht, weil es sich dabei um die Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt. Es ist keine illegitime "Einschüchterung", wenn die Presse daraufhin entscheiden muss, ob sie den entsprechenden Bericht - möglicherweise auch mit dem Risiko, Gegendarstellungsansprüchen ausgesetzt zu sein - verfasst.
- 18
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.631,74
Gründe:
I.
Der Beklagte, ein in die Rechtsanwaltskammer aufgenommener Rechtsbeistand , ist vom Amtsgericht verurteilt worden, verschiedene Gegenstände aus dem Abstandsbereich zum Grundstück des Klägers zu entfernen und eine Zahlung zu leisten. Die von dem Beklagten - ohne anwaltliche Vertretung - eingelegte Berufung ist durch Beschluß des Landgerichts als unzulässig verworfen worden. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Beklagte die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht anstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Auch die weitere (BGH, Beschl. v. 7. Mai 2003, XII ZB 191/02, z. Veröff. best.) Zulässigkeitsvoraussetzung des § 574 Abs. 2 ZPO ist gegeben, denn der Beklagte hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt (Senat, BGHZ 151, 221). An die Darlegung (Senatsbeschluß v. 27. März 2003, V ZR 291/02, für BGHZ best.) sind keine besonderen Anforderungen zu stellen, denn die zu beantwortende Rechtsfrage, ob nämlich der in § 209 BRAO in die Rechtsanwaltskammer aufgenommene Rechtsbeistand ("Kammerrechtsbeistand") im Anwaltsprozeß (§ 78 ZPO) postulationsfähig ist, und die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage ergeben sich unmittelbar aus dem Prozeßrechtsverhältnis. Zur Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache war ein Hinweis auf Streit in Rechtsprechung und Literatur nicht möglich (siehe unten III 1). Der von der Rechtsbeschwerde geforderten Gleichbehandlung der "Kammerrechtsbeistände" mit den Rechtsanwälten kommt aber für beide Berufsstände tatsächliche und wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies kann Grundsatzbedeutung begründen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zivilprozeßreform, BRDrucks. 536/00, S. 266; Wenzel, NJW 2002, 3353, 3354) und bewirkt dies im Streitfall. Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht es nicht entgegen, daß der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 übersteigt (BGH, Beschl. v. 4. September 2002, VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783; Senat, Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, NJW-RR 2003, 132; anders für die Nichtzulassungsbeschwerde bei Verwerfung der Berufung durch Urteil: BGH, Beschl. v. 30. April 2003, IV ZR 336/02, z. Veröff. best.; zur vorgesehenen Regelung im Entwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes vgl. BT-Drucks. 15/1508).III.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.1. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO müssen sich die Parteien vor den Landgerichten durch einen bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen; der Rechtsanwalt, der danach zur Vertretung berechtigt ist, kann sich auch selbst vertreten (§ 78 Abs. 6 ZPO). § 25 EGZPO stellt den gemäß § 209 BRAO in die Rechtsanwaltskammer aufgenommenen Inhaber der Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung, mithin den "Kammerrechtsbeistand", in bestimmten Beziehungen, nämlich im Sinne der § 88 Abs. 2, § 121 Abs. 2, § 133 Abs. 2, §§ 135, 157 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 169 Abs. 2, §§ 174, 178 Abs. 1 Nr. 2, §§ 195, 317 Abs. 4 Satz 2, § 397 Abs. 2, § 811 Nr. 7 ZPO, einem Rechtsanwalt gleich. Eine darüber hinausgehende Gleichstellung ist nicht erfolgt. Die Bestimmungen sind eindeutig und lassen eine ausdehnende Auslegung zugunsten des "Kammerrechtsbeistands" nicht zu. Auch eine analoge Anwendung auf diese Berufsgruppe kommt nicht in Frage. Ziel des durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl. I, S. 2585) eingeführten § 25 EGZPO war es, Rechtsbeistände alten Rechts den Rechtsanwälten in bestimmten Beziehungen gleichzustellen, wenn sie der Kammer beigetreten waren; dies sollte ausdrücklich in Zivilsachen nur für Verfahren vor den Amtsgerichten gelten (vgl. BT-Drucks. 13/4184, S. 56). Dementsprechend ist es einhellige Meinung im Schrifttum, daß § 25 EGZPO am Anwaltszwang nichts geändert hat und "Kammerrechtsbeistände" in einem Anwaltsprozeß nicht vertretungsberechtigt sind (vgl. statt aller MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 25 EGZPO Rdn. 2; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 25 EGZPO
Rdn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 25 EGZPO, Rdn. 1; zum Verhältnis des Kammerrechtsbeistands zu sonstigen Rechtsbeiständen, vgl. BGH, Beschl. v. 26. März 2003, VIII ZB 104/02, z. Veröff. best.).
2. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Entscheidung über die Schließung des Berufs des Rechtsbeistandes alten Rechts keinen Anlaß gesehen, gegen das Überleitungsrecht, zu dem die Beschränkung der Zulassung der "Kammerrechtsbeistände" auf das Verfahren vor dem Amtsgericht zählt, Bedenken zu erheben (BVerfGE 75, 246, 278 ff.). Der Vorbehalt der umfassenden forensischen Tätigkeit zugunsten der Rechtsanwälte stellt eine subjektive, auf persönliche Eigenschaften, Tätigkeiten und erworbene Abschlüsse abstellende Berufszulassungsvoraussetzung dar, die dem Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes , der Qualität der Zivilrechtspflege, dient. Die unterschiedliche Behandlung der beiden Berufe ist sachlich gerechtfertigt, denn die Tätigkeit als "Kammerrechtsbeistand" erfordert, anders als diejenige als Rechtsanwalt (dazu § 4 BRAO), nicht die Befähigung zum Richteramt. Zudem verfügen Kammerrechtsbeistände regelmäßig über eine geringere fachliche Ausgangsqualifikation als Rechtsanwälte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. Juli 1989, NJW 1989, 2611, 2612; BGH, Beschl. v. 25. Januar 1999, AnwZ(B) 53/98, NJW 1999, 1116, 1117).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Wenzel Tropf Klein Schmidt-Räntsch Stresemann