Oberlandesgericht Köln Urteil, 30. Sept. 2015 - 16 U 46/15

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2015:0930.16U46.15.00
bei uns veröffentlicht am30.09.2015

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.02.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 2 O 232/13 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 26.126,25 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Oberlandesgericht Köln Urteil, 30. Sept. 2015 - 16 U 46/15 zitiert 12 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters


(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 74 Wirkung der Streitverkündung


(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention. (2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rüc

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2009 - IX ZR 214/07

bei uns veröffentlicht am 19.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 214/07 Verkündet am: 19. März 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Zur Beratungspfl

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2014 - IX ZR 199/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR199/13 Verkündet am: 25. September 2014 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 675, 665

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2008 - IX ZR 140/07

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2015 - IX ZR 186/14

bei uns veröffentlicht am 07.05.2015

Tenor Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Juli 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention.

(2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.

(3) In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, dass statt der Zeit des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR199/13
Verkündet am:
25. September 2014
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Steuerberater ist ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, die Jahresberichte
des Bundesfinanzhofs einzusehen.

b) Der Steuerberater darf einen im Auftrag des Mandanten eingelegten Einspruch
nicht eigenmächtig zurücknehmen.
BGH, Urteil vom 25. September 2014 - IX ZR 199/13 - LG Stendal
AG Stendal
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juni 2014 durch die Richter Vill, Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin
Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal vom 24. Juli 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte Steuerberatergesellschaft beriet den Kläger steuerlich. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machte sie für ihn Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, die dadurch entstanden waren, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz aus privaten Gründen verlegt, seine Wohnung am Ort seiner beruflichen Tätigkeit aber als Zweitwohnung beibehalten hatte. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung dieser Kosten ab. Die Beklagte legte weisungsgemäß Einspruch ein. Nachdem das Finanzamt erklärt hatte, an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten zu wollen, nahm die Beklagte den Einspruch am 12. Februar 2009 ohne Rücksprache mit dem Kläger zurück.

2
Am 5. März 2009 änderte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung. Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung sei auch dann anzunehmen , wenn die Hauptwohnung verlegt und die bisherige Wohnung als Zweitwohnung am Beschäftigungsort beibehalten werde (VI R 23/07, BFHE 224, 420; VI R 58/06, BFHE 224, 413; VI R 53/07, nv; VI R 31/08, BFH/NV 2009,

1256).


3
Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz in Höhe des Betrages, um den sich seine Steuerschuld bei Berücksichtigung des Mehraufwandes reduziert hätte. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.108,06 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die nicht mit dem Kläger abgestimmte Rücknahme des Einspruchs stelle eine erhebliche Verletzung der Pflichten aus dem Beratungsvertrag dar. Die Beklagte hätte von der möglicherweise bevorstehenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wissen müssen. Sie sei zwar nicht gehalten gewesen, eine im Jahr 2008 in der Zeitschrift "Der Ertragssteuerberater" (EStB 2008, 27) veröffentlichte Rechtsprechungsübersicht zur Kenntnis zu nehmen, in welcher das Problem behandelt worden sei, weil diese Zeitschrift nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters gehöre. Sie hätte jedoch den Jahresbericht des Bundesfinanzhofs für das Jahr 2007 lesen müssen. Die im Internet veröffentlichten Jahresberichte seien frei verfügbar und wiesen - übersichtlich gegliedert - auf wenigen Seiten die wichtigsten anhängigen Revisionsverfahren aus. Im Jahresbericht 2007 sei unter Punkt D. I. 2 unter dem Schlagwort "Doppelte Haushaltsführung in Wegverlegungsfällen" über das im sechsten Senat anhängige Revisionsverfahren VI R 23/07 berichtet worden. Ob der Jahresbericht für das Jahr 2008 bereits im Netz gestanden habe und damit für die Beklagte verfügbar gewesen sei, könne dahinstehen. Der Bundesfinanzhof habe dem Verfahren VI R 23/07 ersichtlich eine besondere Bedeutung beigemessen. Bei dieser Sachlage sei die Beklagte verpflichtet gewesen, vor der Rücknahme des Einspruchs Rücksprache mit dem Kläger zu nehmen.

II.


6
Diese Ausführungen tragen die angefochtene Entscheidung nicht. Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie im Zeitpunkt der Rücknahme des Einspruchs vom Fortbestand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen ist.
7
1. Allerdings gab es im Zeitpunkt der Rücknahme des Einspruchs am 12. Februar 2009 die vom Berufungsgericht festgestellten Anhaltspunkte für eine bevorstehende Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

8
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I, 2645) stellten notwendige Mehraufwendungen , die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstanden, abzugsfähige Werbungskosten dar. Eine doppelte Haushaltsführung lag vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhielt, beschäftigt war und auch am Beschäftigungsort wohnte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Der Bundesfinanzhof verneinte in ständiger Rechtsprechung die berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hatte und von der am Beschäftigungsort beibehaltenen oder von einer dort neu begründeten Zweitwohnung aus seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachging (BFHE 115, 322, 325 f; 126, 511, 513 f; 126, 518, 520; vgl. auch BFHE 224, 420, 423); die doppelte Haushaltsführung sei in einem solchen Fall nicht beruflich, sondern privat veranlasst.
9
b) Die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde in der Kommentar- und Aufsatzliteratur kritisiert (vgl. etwa Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 9 Rn. 147 sowie die Nachweise bei BFHE 224, 420, 423). Das Amtsgericht hat eine in der Zeitschrift EStB 2008, 27 veröffentlichte Rechtsprechungsübersicht herangezogen, in welcher auf das Revisionsverfahren VI R 23/07 hingewiesen worden ist. Das Revisionsverfahren VI R 23/07 wurde überdies in den Jahresberichten des Bundesfinanzhofs von 2008 und 2009 erwähnt. Im Jahresbericht 2009 wurden unter der Überschrift "Doppelte Haushaltsführung in Wegverlegungsfällen" weitere anhängige Revisionsverfahren aufgeführt (VI R 58/06, VI R 53/07 und VI R 31/08). Ob dieser Bericht im Zeitpunkt der Einspruchsrücknahme bereits im Internet abrufbar war, hat das Berufungsge- richt allerdings nicht feststellen können. Alle genannten Revisionsverfahren finden sich schließlich auch in der monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinenden Liste der beim Bundesfinanzhof, Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren in Steuersachen.
10
2. Der Beklagten gereicht es auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts jedoch nicht zum Verschulden, dass sie diese Hinweise nicht wahrgenommen hat.
11
a) Grundsätzlich darf der Steuerberater auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Wegen der richtungsweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten; denn von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung pflegt nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt der Beratung. Über deren Entwicklung muss sich der Berater anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.
12
b) Eine Änderung der Rechtsprechung hat der Berater allerdings dann in Betracht zu ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung haben können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Erkenntnissen fehlt. Eine Verpflichtung des Beraters , die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der Aufsatzliteratur heranzuziehen, kann ausnahmsweise auch dann bestehen , wenn ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Hat der Berater eine Angelegenheit aus einem solchen Bereich zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen, wobei ihm ein realistischer Toleranzrahmen zuzubilligen ist. Es kommt auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist darauf abzustellen, mit welchem Grad an Deutlichkeit (Evidenz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahe legt. Ferner kann ins Gewicht fallen, mit welchem Aufwand - auch an Kosten - der neuen Rechtsentwicklung im Interesse des Mandanten Rechnung getragen werden kann (BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 140/07, BGHZ 178, 258 Rn. 9; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, WM 2010, 2050 Rn. 17).
13
c) Der Jahresbericht des Bundesfinanzhofs ist nicht Teil der amtlichen Sammlung und gehört nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften, welche ein Steuerberater auszuwerten hat.
14
aa) Welche Zeitschriften dies sind, hat der Senat bisher offen gelassen. Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In Betracht kommen vor allem das vom Bundesfinanzministerium herausgegebene Bundessteuerblatt und die von der Bundessteuerberaterkammer herausgegebene Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht". Es muss sich um Zeitschriften handeln, welche die für die Beratungspraxis benötigten Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. Da der Berater nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern auch die aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm nicht die Kenntnis jeder einzelnen Entscheidung des Bundesfinanzhofs erwartet werden. Auch reine Entscheidungssammlungen, etwa die Zeitschrift BFH/NV, braucht er daher nicht vollständig auszuwerten. Er darf vielmehr darauf vertrauen, über etwa- ige neue Rechtsentwicklungen durch die allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden (BGH, Urteil vom 23. September 2010, aaO, Rn. 24 ff).
15
bb) Hinsichtlich der noch nicht ergangenen, sondern erst bevorstehenden höchstrichterlichen Entscheidungen können keine höheren Anforderungen gestellt werden. Ein Steuerberater ist nicht gehalten, die monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinende Liste der beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren durchzusehen (BGH, Urteil vom 6. November 2008, aaO Rn. 25). Gleiches gilt für die Jahresberichte des Bundesfinanzhofs. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass eine Durchsicht dieser Berichte ohne großen Aufwand möglich ist. Ihnen ist ein Inhaltsverzeichnis vorausgestellt, welches das Auffinden der eingegangenen Revisionen von besonderem Interesse (Abschnitt
D) und der zu erwartenden Entscheidungen von besonderer Bedeutung (Abschnitt E) in den einzelnen Rechtsgebieten erleichtert. Adressat der Jahresberichte ist jedoch nicht der einzelne Steuerberater. Sie stehen im Zusammenhang mit der Jahrespressekonferenz des Bundesfinanzhofs, auf welcher der Präsident oder die Präsidentin des Gerichts die Geschäftsentwicklung des vergangenen Jahres erläutert, einen Überblick über im Berichtsjahr neu eingegangene wichtige Streitverfahren gibt und zudem auf Verfahren von besonderem Interesse hinweist, die im laufenden Jahr zur Entscheidung anstehen. Der jeweilige Jahresbericht wird an die Teilnehmer dieser Veranstaltung verteilt und anschließend auf der Internetseite des Gerichts veröffentlicht. Auch wenn der Bericht also jedermann zugänglich ist, richtet er sich doch vorrangig an die Vertreter der allgemeinen Presse und der Fachpresse, die ihn publizistisch verwerten. Der einzelne Steuerberater kann sich darauf verlassen, die für ihn bedeutsamen Informationen der allgemeinen Presse und der Fachliteratur entnehmen zu können.

16
d) Die Zeitschrift "Der Ertragsteuerberater" gehört nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters. Gegenteiliges folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht daraus, dass "sogar" das Amtsgericht, ein Zivilgericht, den hier einschlägigen Aufsatz EStB 2008, 27 aufgefunden habe. Eine DatenbankRecherche zum Themenkreis der Wegverlegungsfälle mit dem bekannten Aktenzeichen VI R 23/07 führt sehr schnell zu diesem Aufsatz und zu weiteren Aufsätzen in der genannten Zeitschrift. Allein deshalb muss diese jedochnicht von jedem Berater fortlaufend gelesen werden. Dass die seit dem Jahre 2004 beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren Gegenstand eines Aufsatzes oder einer Anmerkung in einer allgemeinen Fachzeitschrift gewesen wäre , hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht dargetan. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es nicht Sache der Beklagten darzulegen, in welchen von ihr ausgewerteten Zeitschriften das Thema "Wegverlegungsfälle" nicht behandelt worden ist. Darlegungs - und beweispflichtig für eine Pflichtverletzung des Beraters ist grundsätzlich der Mandant, der Schadensersatz verlangt.

III.


17
Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

18
1. Die Beklagte hat gegen ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen , indem sie den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid eigenmächtig , ohne Rücksprache mit dem Kläger, zurückgenommen hat.
19
a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater - der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt - verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1968 - VI ZR 24/66, VersR 1968, 792, 794; vom 10. Juni 1980 - VI ZR 127/79, VersR 1980, 925; vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, WM 1984, 1024; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 8; Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist er zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Der Auftraggeber trägt das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags; deswegen hat er und nicht der Berater die grundlegenden Entscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen (Vill, aaO Rn. 842, 844). Der Berater darf, auch wenn er über ein höheres Maß an Sachkunde und Erfahrung in schwierigen Rechts- und Sachlagen verfügt, nicht seine Entscheidung an die Stelle derjeniger seines Mandanten setzen. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn zum Schadensersatz verpflichten kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007, aaO). Anspruchsgrundlage ist insoweit § 280 BGB (Soergel/Beuthien, BGB, 13. Aufl., § 665 Rn. 17; MünchKomm-BGB-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 665 Rn. 36; Staudinger /Martinek, BGB (2006), § 665 Rn. 27; Fehrenbacher in Prüt- ting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 665 Rn. 7; vgl. zum alten Schuldrecht Knütel, ZHR 137 (1973), 285, 324 f).
20
b) Indem die Beklagte den Einspruch zurückgenommen hat, hat sie gegen eine Weisung des Klägers verstoßen. Wird ein Steuerberater beauftragt, Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen, heißt das in aller Regel zugleich , dass der auftragsgemäß eingelegte Einspruch durchgeführt und nicht zurückgenommen werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass das im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, hat keine der Parteien vorgetragen.
21
c) Die Beklagte ist nach dem Hinweis des zuständigen Finanzamts auf die Aussichtslosigkeit des Einspruchs und aufgrund der ihr bekannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung wohl davon ausgegangen , dass der Kläger einer Rücknahme des Einspruchs zustimmen würde. Gleichwohl hätte sie ihn von ihrer Absicht, den Einspruch zurückzunehmen, in Kenntnis setzen und seine Entscheidung abwarten müssen. Ausreichend Zeit hätte sie gehabt. Dass Gefahr im Verzug gewesen wäre, hat die für die tatsächlichen Voraussetzungen einer berechtigten Abweichung nach § 665 BGB darlegungs - und beweispflichtige Beklagte (vgl. MünchKomm-BGB/Seiler, aaO Rn. 40) nicht vorgetragen. Ihr Handeln war schuldhaft; denn seine Vertragspflichten , insbesondere die Vorschrift des § 665 BGB, hat der Steuerberater zu kennen.
22
2. Die in der unterbliebenen Rückfrage liegende Pflichtverletzung hat den geltend gemachten Schaden verursacht.

23
a) Verletzt der Steuerberater eine Vertragspflicht, so kann der Mandant Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden muss also eine ursächliche Verknüpfung in dem Sinne bestehen, dass das dem Berater vorgeworfene Handeln oder Unterlassen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt (G. Fischer in Zugehör/G. Fischer /Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, aaO Rn. 1097). Wird dem Berater ein Unterlassen vorgeworfen, ist folglich zu prüfen, ob der Erfolg auch dann eingetreten wäre, wenn die unterbliebene Handlung vorgenommen worden wäre. Im hier gegebenen Fall eines Verstoßes gegen die aus § 665 Satz 2 BGB folgende Pflicht zur Rücksprache mit dem Mandanten setzt eine Schadensersatzpflicht daher voraus, dass der Mandant eine andere Weisung erteilt hätte (Staudinger /Martinek, BGB (2006) § 665 Rn. 27). Damit ist ein hypothetischer Kausalverlauf zu prüfen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht des Klägers und Revisionsbeklagten geht es insoweit jedoch nicht um die Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der hypothetischen Kausalität, sondern allein um die Anspruchsvoraussetzung der Kausalität der unterlassenen Nachfrage für den entstandenen Schaden (vgl. G. Fischer , aaO Rn. 1098; BGH, Urteil vom 16. Juni 1988 - IX ZR 69/87, WM 1988, 1454, 1156 f zur Notarhaftung; vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, WM 1992, 2020, 2022 zur Anwaltshaftung).
24
b) Feststellungen dazu, wie sich der Kläger auf eine Rückfrage der Beklagten hin verhalten hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. In den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte mehrfach vorgetragen, dass der Kläger dann, wenn er auf die ablehnende Stellungnahme des Finanzamtes hingewiesen worden wäre, den Einspruch zurückgenommen hätte. Der Kläger hat dem- gegenüber darauf verwiesen, dass er Einspruch eingelegt habe, um eine Entscheidung in der Sache zu erreichen. Darlegungs- und beweispflichtig für den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist der geschädigte Mandant (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 313; vom 5. Februar 2009 - IX ZR 6/06, WM 2009, 715 Rn. 7). Der Kläger, der insbesondere gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO seine Vernehmung als Partei hätte anbieten können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 49/02, WM 2005, 2110, 2111), hat in den Tatsacheninstanzen keinen Beweis angetreten.
25
c) Der Kläger hätte allerdings auch von Amts wegen vernommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 53/05, WM 2006, 1736 Rn. 18); dazu oder zu einem rechtlichen Hinweis (§ 139 ZPO) haben die Vorinstanzen von ihrem abweichenden rechtlichen Standpunkt aus keinen Anlass gesehen. Im Ergebnis erweist sich die Klage unabhängig von der unterbliebenen Beweisaufnahme als begründet, so dass der Senat von der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht abzusehen und die Revision der Beklagten zurückzuweisen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).
26
aa) Die Frage, wie sich der Mandant auf eine gemäß § 665 Satz 2 BGB geschuldete Rückfrage verhalten hätte, gehört ebenso wie diejenige nach der Reaktion auf eine pflichtgemäße Beratung hin zur haftungsausfüllenden Kausalität , die nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 399; vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12; G. Fischer, aaO Rn. 1100; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung , 2. Aufl., S. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommen im Rahmen der Beraterhaftung unter bestimmten Voraus- setzungen Beweiserleichterungen in Betracht, dann nämlich, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten des Mandanten typischerweise gegeben ist. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 ff; vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12; Beschluss vom 15. Mai 2014 - IX ZR 267/12, WM 2014, 1379 Rn. 2; G. Fischer, aaO Rn. 1113).
27
bb) Im vorliegenden Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger die Anregung des Finanzamtes und der Beklagten, den Einspruch zurückzunehmen, nicht aufgegriffen hätte. Er hatte trotz der seinem Anliegen entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen lassen. Er konnte die steuermindernde Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung nur dann erreichen , wenn er den Einspruch aufrecht erhielt und nicht zurücknehmen ließ. Gründe, die aus Sicht des Klägers für eine Rücknahme des Einspruchs sprechen könnten, sind von der Beklagten nicht dargetan worden und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der Kläger, wie er im Berufungsverfahren dargelegt hat, hierdurch keine Kosten sparen. Die Kosten der Steuerberatung waren bereits mit der Einlegung und Begründung des Einspruchs angefallen; die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wäre kostenfrei ergangen.
Vill Gehrlein Lohmann
Pape Möhring

Vorinstanzen:
AG Stendal, Entscheidung vom 17.07.2012 - 3 C 959/11 (4.0) -
LG Stendal, Entscheidung vom 24.07.2013 - 23 S 2/13 -

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Juli 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Arzt, war Teilhaber einer auf seinem Grundstück betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die Betriebsmittel der Gemeinschaftspraxis standen im Alleineigentum des Klägers. Im Dezember 1996 veräußerte er 10 v.H. und im Dezember 1997 weitere 40 v.H. der Betriebsmittel an den neben ihm in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt. Das Grundstück blieb als Sonderbetriebsvermögen im Alleineigentum des Klägers. Sein damaliger Steuerberater erreichte zunächst, dass der in den Jahren 1997 und 1998 vereinnahmte Erlös vom Finanzamt als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG behandelt wurde. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung änderte das Finanzamt seinen Standpunkt, weil mit den Praxisanteilen kein Anteil am Grundstück als der wesentlichen Betriebsgrundlage übertragen worden sei. Mit Änderungsbescheiden vom 1. März 2002 für die Jahre 1997 und 1998 wurde der Veräußerungserlös als nicht steuerbegünstigter laufender Gewinn festgestellt. Im Auftrag des Klägers legte die Beklagte, die bereits im Jahr 1999 die Erstellung der Buchhaltung, der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen sowie die damit verbundene steuerliche und wirtschaftliche Beratung des Klägers übernommen hatte, gegen die Bescheide Einspruch ein. Im November 2008 teilte das Finanzamt mit, dass es seine bisherige Rechtsauffassung aufrechterhalte. Daraufhin nahm der Kläger seine Einsprüche zurück und erbrachte die vom Finanzamt geforderte Steuernachzahlung in Höhe von 223.328,50 €. Der frühere Steuerberater, vom Kläger auf Erstattung dieses Betrags in Anspruch genommen, berief sich auf Verjährung.

2

Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 223.328,50 € mit der Begründung, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht in unverjährter Zeit auf Regressansprüche gegen den früheren Steuerberater hingewiesen. Die Klage hat in den beiden Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er gegen seinen vormaligen Steuerberater einen Regressanspruch haben könnte. Einen ausdrücklichen Auftrag, mögliche Schadensersatzansprüche gegen den früheren Steuerberater zu prüfen, habe der Kläger nicht erteilt. Der Auftrag zur Einlegung eines Einspruchs gegen die belastenden Steuerbescheide habe die Prüfung von Regressansprüchen nicht umfasst, weil die Frage eines Regressanspruchs gegen den früheren Steuerberater nicht in unmittelbarer Beziehung zu dem erteilten Mandat gestanden habe; das eine sei eine zivilrechtliche, das andere eine steuerrechtliche Frage. Es habe sich bei der von dem Vorberater gewählten rechtlichen Konstruktion auch nicht um eine auf den ersten Blick ersichtliche steuerliche Fehlentscheidung gehandelt, weil für die Beklagte nicht erkennbar gewesen sei, ob eine Gestaltung, bei der die in Rede stehende Steuerpflicht des Klägers vermieden worden wäre, überhaupt hätte realisiert werden können. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass der Mandant auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen den vorberatenden Steuerberater hinzuweisen sei, auch wenn das eigene Mandat nur die Vertretung in einem Finanzrechtsstreit umfasse, betreffe dies die Pflichten eines Rechtsanwalts. Auf einen Steuerberater könne diese Rechtsprechung nicht übertragen werden.

II.

5

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten, den Kläger vor Ablauf der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regressanspruch gegen seinen früheren Steuerberater und auf die insoweit maßgebliche Verjährungsfrist hinzuweisen, verneint.

6

1. Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14 mwN). Das allgemeine Mandat der Beklagten erstreckte sich auf die Erstellung der Buchhaltung, der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen. Darüber hinausgehende Leistungen bedurften eines besonderen Auftrags. Einen solchen besonderen Auftrag hat der Kläger der Beklagten erteilt, als er sie mandatierte, gegen die Feststellungsbescheide vom 1. März 2002 Einspruch einzulegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beauftragte der Kläger die Beklagte hingegen nicht ausdrücklich mit der Prüfung von Regressansprüchen gegen seinen steuerlichen Vorberater. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.

7

2. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf einen Regressanspruch gegen seinen Vorberater hinzuweisen, ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters. Dieser ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. In den durch seinen Auftrag gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO mwN).

8

a) Zu den danach bestehenden vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters gehört es - anders als bei einem Rechtsanwalt - grundsätzlich nicht, den Mandanten auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen seinen Vorgänger hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303; vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 393 f; vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 26; OLG Hamm, GI 1995, 53; LG Köln, DStRE 2009, 1351, 1352). Die Vertragspflichten eines Steuerberaters beschränken sich in der Regel auf das Steuerrecht (§§ 1-3, 33 StBerG); eine geschäftsmäßige Besorgung anderer Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung ist ihm nach dem hier noch anwendbaren Art. 1 §§ 1, 4 Abs. 3 RBerG grundsätzlich untersagt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 11). Auf die steuerrechtliche Seite früherer Entscheidungen bezieht sich auch die in der Rechtsprechung anerkannte Nebenpflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten auf offen zu Tage liegende Fehlentscheidungen hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 362; vom 7. März 2013, aaO Rn. 14 mwN). Eine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten hinzuweisen, kann daraus nicht abgeleitet werden.

9

b) Der Umstand, dass die Beklagte im Streitfall beauftragt war, den Kläger im Einspruchsverfahren gegen die geänderten Feststellungsbescheide vom 1. März 2002 zu vertreten, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

10

aa) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 29. April 1993 (IX ZR 101/92, WM 1993, 1508) entschieden, dass ein Rechtsanwalt, dessen Mandat nicht auf eine umfassende Beratung gerichtet, sondern auf die Vertretung in einem Finanzrechtsstreit beschränkt ist, gleichwohl verpflichtet ist, seinen Auftraggeber auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen den Steuerberater hinzuweisen, wenn für ihn ersichtlich ist, dass bei einem Verlust des Prozesses Ansprüche gegen diesen in Betracht kommen und der Auftraggeber insoweit nicht anderweitig beraten wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juli 1971 - VI ZR 140/70, VersR 1971, 1119; vom 18. März 1993 - IX ZR 120/92, WM 1993, 1376). Die Entscheidung stellt klar, dass die auch sonst bestehende Pflicht des Rechtsanwalts, auf eine Regressmöglichkeit hinzuweisen, durch die Beschränkung des Mandats auf eine Prozessführung keine Einschränkung erfährt.

11

bb) Für die Pflichten eines Steuerberaters, dessen Mandat auf die Vertretung in einem Steuerverwaltungs- oder finanzgerichtlichen Verfahren gerichtet ist, kann daraus schon deshalb nichts abgeleitet werden, weil ein Steuerberater - anders als ein Rechtsanwalt - auch bei einem umfassenden Mandat grundsätzlich nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet ist. Auch die Besonderheiten eines Mandats zur Vertretung in einem Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren rechtfertigen in dieser Hinsicht keine Gleichstellung der Pflichten eines Steuerberaters mit denjenigen eines Rechtsanwalts (aA Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 411). Steuerberater sind berechtigt, geschäftsmäßig ihre Mandanten in Steuerverwaltungsverfahren und Finanzgerichtsstreitigkeiten zu vertreten (§ 33 Satz 1 StBerG, § 80 Abs. 1 AO, § 62 Abs. 2 FGO). Dadurch soll auf dem Gebiet des Steuerrechts eine sachgemäße, die Interessen des Rechtssuchenden wahrende Vertretung gewährleistet werden. Ein entsprechendes Mandat begründet jedoch nicht die gleichen Pflichten wie ein Auftrag, der einem Rechtsanwalt erteilt wird. Unterschiede bestehen insbesondere bei den Nebenpflichten des Mandats. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen seines Mandanten in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung wahrzunehmen. Auch wenn sein Auftrag auf die Prozessführung beschränkt ist, darf er die Prozessführung nicht isoliert von den übrigen Interessen des Auftraggebers sehen. Vielmehr hat er die mit dem Rechtsstreit unmittelbar zusammenhängenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belange seiner Partei mit zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihr nicht insoweit durch ein Versäumnis während des Prozesses Nachteile entstehen (BGH, Urteil vom 29. April 1993, aaO S. 1509). Ein mit der Vertretung beauftragter Steuerberater hat die steuerlichen Interessen seines Mandanten im Rahmen des Mandats ebenfalls umfassend wahrzunehmen. Darüber hinaus gehende rechtliche Interessen seines Mandanten wie mögliche zivilrechtliche Regressansprüche, die bei einem ungünstigen Ausgang des Einspruchs- oder Klageverfahrens gegen Dritte bestehen können, liegen jedoch außerhalb seines Auftrags. Die für die Beurteilung eines solchen Regressanspruchs und insbesondere seiner Verjährung erforderlichen besonderen Rechtskenntnisse kann ein Mandant von einem Steuerberater regelmäßig nicht erwarten. Die Entscheidung des Mandanten, mit seiner Vertretung einen Steuerberater und nicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen, wird regelmäßig auf dem Bestreben beruhen, sich die besonderen steuerrechtlichen Fachkenntnisse des Steuerberaters zunutze zu machen. Auf eine umfassende zivilrechtliche Beratung kann er in diesem Fall nicht vertrauen. Dementsprechend muss ein Steuerberater den Auftrag des Mandanten zu seiner Vertretung in einem Steuerverfahren oder in einem Prozess vor dem Finanzgericht nicht dahin verstehen, dass auch die Wahrung von Ansprüchen gegen Dritte geschuldet sein soll.

12

c) Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Beklagte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, die neben Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern auch Rechtsanwälte beschäftigt. Maßgeblich ist, dass das vom Kläger erteilte Mandat auf eine Hilfeleistung in Steuersachen gerichtet war und nicht allgemein auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die übertragenen Aufgaben seitens der Beklagten nicht von Steuerberatern, sondern von Rechtsanwälten wahrgenommen worden seien.

Kayser                      Gehrlein                         Pape

               Grupp                          Möhring

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR199/13
Verkündet am:
25. September 2014
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Steuerberater ist ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, die Jahresberichte
des Bundesfinanzhofs einzusehen.

b) Der Steuerberater darf einen im Auftrag des Mandanten eingelegten Einspruch
nicht eigenmächtig zurücknehmen.
BGH, Urteil vom 25. September 2014 - IX ZR 199/13 - LG Stendal
AG Stendal
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juni 2014 durch die Richter Vill, Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin
Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal vom 24. Juli 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte Steuerberatergesellschaft beriet den Kläger steuerlich. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machte sie für ihn Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, die dadurch entstanden waren, dass der Kläger seinen Hauptwohnsitz aus privaten Gründen verlegt, seine Wohnung am Ort seiner beruflichen Tätigkeit aber als Zweitwohnung beibehalten hatte. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung dieser Kosten ab. Die Beklagte legte weisungsgemäß Einspruch ein. Nachdem das Finanzamt erklärt hatte, an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten zu wollen, nahm die Beklagte den Einspruch am 12. Februar 2009 ohne Rücksprache mit dem Kläger zurück.

2
Am 5. März 2009 änderte der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung. Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung sei auch dann anzunehmen , wenn die Hauptwohnung verlegt und die bisherige Wohnung als Zweitwohnung am Beschäftigungsort beibehalten werde (VI R 23/07, BFHE 224, 420; VI R 58/06, BFHE 224, 413; VI R 53/07, nv; VI R 31/08, BFH/NV 2009,

1256).


3
Der Kläger verlangt nunmehr Schadensersatz in Höhe des Betrages, um den sich seine Steuerschuld bei Berücksichtigung des Mehraufwandes reduziert hätte. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.108,06 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die nicht mit dem Kläger abgestimmte Rücknahme des Einspruchs stelle eine erhebliche Verletzung der Pflichten aus dem Beratungsvertrag dar. Die Beklagte hätte von der möglicherweise bevorstehenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wissen müssen. Sie sei zwar nicht gehalten gewesen, eine im Jahr 2008 in der Zeitschrift "Der Ertragssteuerberater" (EStB 2008, 27) veröffentlichte Rechtsprechungsübersicht zur Kenntnis zu nehmen, in welcher das Problem behandelt worden sei, weil diese Zeitschrift nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters gehöre. Sie hätte jedoch den Jahresbericht des Bundesfinanzhofs für das Jahr 2007 lesen müssen. Die im Internet veröffentlichten Jahresberichte seien frei verfügbar und wiesen - übersichtlich gegliedert - auf wenigen Seiten die wichtigsten anhängigen Revisionsverfahren aus. Im Jahresbericht 2007 sei unter Punkt D. I. 2 unter dem Schlagwort "Doppelte Haushaltsführung in Wegverlegungsfällen" über das im sechsten Senat anhängige Revisionsverfahren VI R 23/07 berichtet worden. Ob der Jahresbericht für das Jahr 2008 bereits im Netz gestanden habe und damit für die Beklagte verfügbar gewesen sei, könne dahinstehen. Der Bundesfinanzhof habe dem Verfahren VI R 23/07 ersichtlich eine besondere Bedeutung beigemessen. Bei dieser Sachlage sei die Beklagte verpflichtet gewesen, vor der Rücknahme des Einspruchs Rücksprache mit dem Kläger zu nehmen.

II.


6
Diese Ausführungen tragen die angefochtene Entscheidung nicht. Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie im Zeitpunkt der Rücknahme des Einspruchs vom Fortbestand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen ist.
7
1. Allerdings gab es im Zeitpunkt der Rücknahme des Einspruchs am 12. Februar 2009 die vom Berufungsgericht festgestellten Anhaltspunkte für eine bevorstehende Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

8
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I, 2645) stellten notwendige Mehraufwendungen , die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstanden, abzugsfähige Werbungskosten dar. Eine doppelte Haushaltsführung lag vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhielt, beschäftigt war und auch am Beschäftigungsort wohnte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Der Bundesfinanzhof verneinte in ständiger Rechtsprechung die berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hatte und von der am Beschäftigungsort beibehaltenen oder von einer dort neu begründeten Zweitwohnung aus seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachging (BFHE 115, 322, 325 f; 126, 511, 513 f; 126, 518, 520; vgl. auch BFHE 224, 420, 423); die doppelte Haushaltsführung sei in einem solchen Fall nicht beruflich, sondern privat veranlasst.
9
b) Die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde in der Kommentar- und Aufsatzliteratur kritisiert (vgl. etwa Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 9 Rn. 147 sowie die Nachweise bei BFHE 224, 420, 423). Das Amtsgericht hat eine in der Zeitschrift EStB 2008, 27 veröffentlichte Rechtsprechungsübersicht herangezogen, in welcher auf das Revisionsverfahren VI R 23/07 hingewiesen worden ist. Das Revisionsverfahren VI R 23/07 wurde überdies in den Jahresberichten des Bundesfinanzhofs von 2008 und 2009 erwähnt. Im Jahresbericht 2009 wurden unter der Überschrift "Doppelte Haushaltsführung in Wegverlegungsfällen" weitere anhängige Revisionsverfahren aufgeführt (VI R 58/06, VI R 53/07 und VI R 31/08). Ob dieser Bericht im Zeitpunkt der Einspruchsrücknahme bereits im Internet abrufbar war, hat das Berufungsge- richt allerdings nicht feststellen können. Alle genannten Revisionsverfahren finden sich schließlich auch in der monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinenden Liste der beim Bundesfinanzhof, Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren in Steuersachen.
10
2. Der Beklagten gereicht es auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts jedoch nicht zum Verschulden, dass sie diese Hinweise nicht wahrgenommen hat.
11
a) Grundsätzlich darf der Steuerberater auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Wegen der richtungsweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten; denn von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung pflegt nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt der Beratung. Über deren Entwicklung muss sich der Berater anhand der amtlichen Sammlungen und der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten.
12
b) Eine Änderung der Rechtsprechung hat der Berater allerdings dann in Betracht zu ziehen, wenn ein oberstes Gericht sie in Aussicht stellt oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung haben können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Erkenntnissen fehlt. Eine Verpflichtung des Beraters , die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der Aufsatzliteratur heranzuziehen, kann ausnahmsweise auch dann bestehen , wenn ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und neue höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Hat der Berater eine Angelegenheit aus einem solchen Bereich zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen, wobei ihm ein realistischer Toleranzrahmen zuzubilligen ist. Es kommt auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist darauf abzustellen, mit welchem Grad an Deutlichkeit (Evidenz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahe legt. Ferner kann ins Gewicht fallen, mit welchem Aufwand - auch an Kosten - der neuen Rechtsentwicklung im Interesse des Mandanten Rechnung getragen werden kann (BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 140/07, BGHZ 178, 258 Rn. 9; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, WM 2010, 2050 Rn. 17).
13
c) Der Jahresbericht des Bundesfinanzhofs ist nicht Teil der amtlichen Sammlung und gehört nicht zu den einschlägigen Fachzeitschriften, welche ein Steuerberater auszuwerten hat.
14
aa) Welche Zeitschriften dies sind, hat der Senat bisher offen gelassen. Die Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In Betracht kommen vor allem das vom Bundesfinanzministerium herausgegebene Bundessteuerblatt und die von der Bundessteuerberaterkammer herausgegebene Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht". Es muss sich um Zeitschriften handeln, welche die für die Beratungspraxis benötigten Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. Da der Berater nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern auch die aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm nicht die Kenntnis jeder einzelnen Entscheidung des Bundesfinanzhofs erwartet werden. Auch reine Entscheidungssammlungen, etwa die Zeitschrift BFH/NV, braucht er daher nicht vollständig auszuwerten. Er darf vielmehr darauf vertrauen, über etwa- ige neue Rechtsentwicklungen durch die allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden (BGH, Urteil vom 23. September 2010, aaO, Rn. 24 ff).
15
bb) Hinsichtlich der noch nicht ergangenen, sondern erst bevorstehenden höchstrichterlichen Entscheidungen können keine höheren Anforderungen gestellt werden. Ein Steuerberater ist nicht gehalten, die monatlich als Anlage zum Bundessteuerblatt erscheinende Liste der beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren durchzusehen (BGH, Urteil vom 6. November 2008, aaO Rn. 25). Gleiches gilt für die Jahresberichte des Bundesfinanzhofs. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass eine Durchsicht dieser Berichte ohne großen Aufwand möglich ist. Ihnen ist ein Inhaltsverzeichnis vorausgestellt, welches das Auffinden der eingegangenen Revisionen von besonderem Interesse (Abschnitt
D) und der zu erwartenden Entscheidungen von besonderer Bedeutung (Abschnitt E) in den einzelnen Rechtsgebieten erleichtert. Adressat der Jahresberichte ist jedoch nicht der einzelne Steuerberater. Sie stehen im Zusammenhang mit der Jahrespressekonferenz des Bundesfinanzhofs, auf welcher der Präsident oder die Präsidentin des Gerichts die Geschäftsentwicklung des vergangenen Jahres erläutert, einen Überblick über im Berichtsjahr neu eingegangene wichtige Streitverfahren gibt und zudem auf Verfahren von besonderem Interesse hinweist, die im laufenden Jahr zur Entscheidung anstehen. Der jeweilige Jahresbericht wird an die Teilnehmer dieser Veranstaltung verteilt und anschließend auf der Internetseite des Gerichts veröffentlicht. Auch wenn der Bericht also jedermann zugänglich ist, richtet er sich doch vorrangig an die Vertreter der allgemeinen Presse und der Fachpresse, die ihn publizistisch verwerten. Der einzelne Steuerberater kann sich darauf verlassen, die für ihn bedeutsamen Informationen der allgemeinen Presse und der Fachliteratur entnehmen zu können.

16
d) Die Zeitschrift "Der Ertragsteuerberater" gehört nicht zur Pflichtlektüre eines Steuerberaters. Gegenteiliges folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht daraus, dass "sogar" das Amtsgericht, ein Zivilgericht, den hier einschlägigen Aufsatz EStB 2008, 27 aufgefunden habe. Eine DatenbankRecherche zum Themenkreis der Wegverlegungsfälle mit dem bekannten Aktenzeichen VI R 23/07 führt sehr schnell zu diesem Aufsatz und zu weiteren Aufsätzen in der genannten Zeitschrift. Allein deshalb muss diese jedochnicht von jedem Berater fortlaufend gelesen werden. Dass die seit dem Jahre 2004 beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren Gegenstand eines Aufsatzes oder einer Anmerkung in einer allgemeinen Fachzeitschrift gewesen wäre , hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht dargetan. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es nicht Sache der Beklagten darzulegen, in welchen von ihr ausgewerteten Zeitschriften das Thema "Wegverlegungsfälle" nicht behandelt worden ist. Darlegungs - und beweispflichtig für eine Pflichtverletzung des Beraters ist grundsätzlich der Mandant, der Schadensersatz verlangt.

III.


17
Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

18
1. Die Beklagte hat gegen ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verstoßen , indem sie den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid eigenmächtig , ohne Rücksprache mit dem Kläger, zurückgenommen hat.
19
a) Grundsätzlich ist der rechtliche Berater - der Steuerberater ebenso wie der Rechtsanwalt - verpflichtet, die Weisungen seines Mandanten zu befolgen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1968 - VI ZR 24/66, VersR 1968, 792, 794; vom 10. Juni 1980 - VI ZR 127/79, VersR 1980, 925; vom 20. März 1984 - VI ZR 154/82, WM 1984, 1024; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 8; Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 841). Nach § 675 Abs. 1, § 665 BGB ist er zwar berechtigt, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, dass der Auftraggeber bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Vor der Abweichung hat er jedoch dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Der Auftraggeber trägt das Misserfolgs- und Kostenrisiko des Auftrags; deswegen hat er und nicht der Berater die grundlegenden Entscheidungen darüber zu treffen, in welcher Weise seine Interessen wahrgenommen werden sollen (Vill, aaO Rn. 842, 844). Der Berater darf, auch wenn er über ein höheres Maß an Sachkunde und Erfahrung in schwierigen Rechts- und Sachlagen verfügt, nicht seine Entscheidung an die Stelle derjeniger seines Mandanten setzen. Weicht der Berater von einer Weisung des Mandanten ab, liegt darin eine Pflichtverletzung, die ihn zum Schadensersatz verpflichten kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007, aaO). Anspruchsgrundlage ist insoweit § 280 BGB (Soergel/Beuthien, BGB, 13. Aufl., § 665 Rn. 17; MünchKomm-BGB-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 665 Rn. 36; Staudinger /Martinek, BGB (2006), § 665 Rn. 27; Fehrenbacher in Prüt- ting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., § 665 Rn. 7; vgl. zum alten Schuldrecht Knütel, ZHR 137 (1973), 285, 324 f).
20
b) Indem die Beklagte den Einspruch zurückgenommen hat, hat sie gegen eine Weisung des Klägers verstoßen. Wird ein Steuerberater beauftragt, Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen, heißt das in aller Regel zugleich , dass der auftragsgemäß eingelegte Einspruch durchgeführt und nicht zurückgenommen werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass das im vorliegenden Fall anders gewesen sein könnte, hat keine der Parteien vorgetragen.
21
c) Die Beklagte ist nach dem Hinweis des zuständigen Finanzamts auf die Aussichtslosigkeit des Einspruchs und aufgrund der ihr bekannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung wohl davon ausgegangen , dass der Kläger einer Rücknahme des Einspruchs zustimmen würde. Gleichwohl hätte sie ihn von ihrer Absicht, den Einspruch zurückzunehmen, in Kenntnis setzen und seine Entscheidung abwarten müssen. Ausreichend Zeit hätte sie gehabt. Dass Gefahr im Verzug gewesen wäre, hat die für die tatsächlichen Voraussetzungen einer berechtigten Abweichung nach § 665 BGB darlegungs - und beweispflichtige Beklagte (vgl. MünchKomm-BGB/Seiler, aaO Rn. 40) nicht vorgetragen. Ihr Handeln war schuldhaft; denn seine Vertragspflichten , insbesondere die Vorschrift des § 665 BGB, hat der Steuerberater zu kennen.
22
2. Die in der unterbliebenen Rückfrage liegende Pflichtverletzung hat den geltend gemachten Schaden verursacht.

23
a) Verletzt der Steuerberater eine Vertragspflicht, so kann der Mandant Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden muss also eine ursächliche Verknüpfung in dem Sinne bestehen, dass das dem Berater vorgeworfene Handeln oder Unterlassen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt (G. Fischer in Zugehör/G. Fischer /Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, aaO Rn. 1097). Wird dem Berater ein Unterlassen vorgeworfen, ist folglich zu prüfen, ob der Erfolg auch dann eingetreten wäre, wenn die unterbliebene Handlung vorgenommen worden wäre. Im hier gegebenen Fall eines Verstoßes gegen die aus § 665 Satz 2 BGB folgende Pflicht zur Rücksprache mit dem Mandanten setzt eine Schadensersatzpflicht daher voraus, dass der Mandant eine andere Weisung erteilt hätte (Staudinger /Martinek, BGB (2006) § 665 Rn. 27). Damit ist ein hypothetischer Kausalverlauf zu prüfen. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht des Klägers und Revisionsbeklagten geht es insoweit jedoch nicht um die Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der hypothetischen Kausalität, sondern allein um die Anspruchsvoraussetzung der Kausalität der unterlassenen Nachfrage für den entstandenen Schaden (vgl. G. Fischer , aaO Rn. 1098; BGH, Urteil vom 16. Juni 1988 - IX ZR 69/87, WM 1988, 1454, 1156 f zur Notarhaftung; vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, WM 1992, 2020, 2022 zur Anwaltshaftung).
24
b) Feststellungen dazu, wie sich der Kläger auf eine Rückfrage der Beklagten hin verhalten hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. In den Tatsacheninstanzen hat die Beklagte mehrfach vorgetragen, dass der Kläger dann, wenn er auf die ablehnende Stellungnahme des Finanzamtes hingewiesen worden wäre, den Einspruch zurückgenommen hätte. Der Kläger hat dem- gegenüber darauf verwiesen, dass er Einspruch eingelegt habe, um eine Entscheidung in der Sache zu erreichen. Darlegungs- und beweispflichtig für den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist der geschädigte Mandant (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 313; vom 5. Februar 2009 - IX ZR 6/06, WM 2009, 715 Rn. 7). Der Kläger, der insbesondere gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO seine Vernehmung als Partei hätte anbieten können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 49/02, WM 2005, 2110, 2111), hat in den Tatsacheninstanzen keinen Beweis angetreten.
25
c) Der Kläger hätte allerdings auch von Amts wegen vernommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 53/05, WM 2006, 1736 Rn. 18); dazu oder zu einem rechtlichen Hinweis (§ 139 ZPO) haben die Vorinstanzen von ihrem abweichenden rechtlichen Standpunkt aus keinen Anlass gesehen. Im Ergebnis erweist sich die Klage unabhängig von der unterbliebenen Beweisaufnahme als begründet, so dass der Senat von der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht abzusehen und die Revision der Beklagten zurückzuweisen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).
26
aa) Die Frage, wie sich der Mandant auf eine gemäß § 665 Satz 2 BGB geschuldete Rückfrage verhalten hätte, gehört ebenso wie diejenige nach der Reaktion auf eine pflichtgemäße Beratung hin zur haftungsausfüllenden Kausalität , die nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 399; vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12; G. Fischer, aaO Rn. 1100; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung , 2. Aufl., S. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommen im Rahmen der Beraterhaftung unter bestimmten Voraus- setzungen Beweiserleichterungen in Betracht, dann nämlich, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten des Mandanten typischerweise gegeben ist. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 ff; vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12; Beschluss vom 15. Mai 2014 - IX ZR 267/12, WM 2014, 1379 Rn. 2; G. Fischer, aaO Rn. 1113).
27
bb) Im vorliegenden Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger die Anregung des Finanzamtes und der Beklagten, den Einspruch zurückzunehmen, nicht aufgegriffen hätte. Er hatte trotz der seinem Anliegen entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen lassen. Er konnte die steuermindernde Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung nur dann erreichen , wenn er den Einspruch aufrecht erhielt und nicht zurücknehmen ließ. Gründe, die aus Sicht des Klägers für eine Rücknahme des Einspruchs sprechen könnten, sind von der Beklagten nicht dargetan worden und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere konnte der Kläger, wie er im Berufungsverfahren dargelegt hat, hierdurch keine Kosten sparen. Die Kosten der Steuerberatung waren bereits mit der Einlegung und Begründung des Einspruchs angefallen; die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wäre kostenfrei ergangen.
Vill Gehrlein Lohmann
Pape Möhring

Vorinstanzen:
AG Stendal, Entscheidung vom 17.07.2012 - 3 C 959/11 (4.0) -
LG Stendal, Entscheidung vom 24.07.2013 - 23 S 2/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 140/07 Verkündet am:
6. November 2008
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Steuerberater, der mit der Prüfung eines Steuerbescheides beauftragt ist, muss
mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit
des anzuwendenden Steuergesetzes nicht erörtern, so lange keine
entsprechende Vorlage eines Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht
ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der
Besteuerung aus anderen Umständen, insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang
ergangenen, im Bundessteuerblatt veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
ergibt.

b) Der Steuerberater ist im Einzelfall noch nicht verpflichtet, die Möglichkeit eines Einspruchs
wegen Verletzung der Erhebungsgleichheit mit seinem Mandanten zu erörtern
, wenn weder der Gesetzgeber die vorliegenden Hinweise auf die gleichheitswidrige
Besteuerung erkennbar zum Anlass genommen hat, dem Mangel abzuhelfen,
noch die Fachkreise hierauf in breit geführter Diskussion reagiert haben.
BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 140/07 - OLG Hamburg
Hamburg LG
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. November 2008 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 4. Juli 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Hamburg vom 7. September 2006 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der von dem Beklagten steuerlich beratene vormalige Kläger, der von der Klägerin beerbt wurde (nachfolgend nur Kläger), erklärte in seiner im Jahr 1999 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 1998 Einkünfte aus Wertpapierveräußerungsgeschäften in Höhe von 4.087.985 DM. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 7. Januar 2000 unter voller Berücksichtigung der Einkünfte aus den Veräußerungsgeschäften Einkommensteuer in Höhe von 2.560.516 DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) fest. Mit Bescheid vom 26. Juni 2000 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Einkommensteuer setzte es auf 2.560.632 DM fest. Dieser Bescheid wurde nicht angegriffen. Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2002 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer mit Bescheid vom 4. April 2002 erhöht fest. Gegen diesen Bescheid legte eine der Sozietät des Beklagten angehörende Steuerberaterin auf Weisung des Klägers unter Bezugnahme auf ein anhängiges Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, von dem dieser aus der Tagespresse erfahren hatte, Einspruch ein. Jenes andere Verfahren führte nach Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) für die Veranlagungsjahre 1997 und 1998 zur Feststellung der Nichtigkeit der Besteuerung von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren (BVerfG, Urt. v. 9. März 2004 - 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 ff). Der Einspruch des Klägers hatte nur im Umfang der erhöhten Festsetzung Erfolg.
2
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe des auf die Besteuerung der Gewinne aus Wertpapiergeschäften entfallenden im Juni 2000 bestandskräftig festgesetzten Steuerbetrages, des hierauf entfallenden Solidaritätszuschlags und der Zinsen auf den Erstattungsbetrag, insgesamt 1.421.611,43 € zuzüglich Zinsen, in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.


4
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in DStRE 2007, 1593 ff veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem Beklagten falle eine Pflichtverletzung zur Last. Ihn hätten über den Normalfall hinausgehende Beratungspflichten getroffen , weil es sich um eine Angelegenheit von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gehandelt habe. Der Beklagte hätte die Parallelität zwischen dem Zinsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 (BVerfGE 84, 239) und dem Steuerfall des Klägers erkennen müssen, weil dessen Gewinne aus Wertpapiergeschäften resultierten, die - ebenso wie Zinseinkünfte - über Banken und Bankendepots und damit im Schutz- und Regelungsbereich des § 30a AO in der seit dem 3. August 1988 geltenden Fassung abgewickelt worden seien. Die Parallelität sei derart signifikant, dass sie sich jedem fachkundigen Steuerberater ab der Veröffentlichung dieses Urteils bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Spekulationssteuer bei Wertpapieren vom 9. März 2004 aufgedrängt hätte. Die Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Zinsurteil beträfen nicht die materielle Besteuerungsgrundlage, sondern die Regelungen des Erhebungsverfahrens. Gerügt worden sei die Unzulässigkeit einer mangels wirksamer Kontrollmöglichkeiten faktisch allein vom Willen des Steuerpflichtigen abhängigen Besteuerung. Das strukturelle Erhebungsdefizit habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zugerechnet und hierbei deutlich gemacht, dass nach Ablauf einer Übergangszeit ohne ausreichende gesetzgeberische Nachbesserung künftig auch die materielle Steuernorm selbst verfassungswidrig werde.
5
Der Beklagte hätte auch die in der einschlägigen steuerrechtlichen Literatur geäußerten Bedenken gegen eine verfassungskonforme Steuererhebung hinsichtlich der dem Regelungsbereich des § 30a AO unterfallenden Spekulationsgewinne sowie gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift zur Kenntnis nehmen und den Kläger über diese unterrichten müssen, um ihm die eigenverantwortliche Entscheidung über die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die Festsetzung zu ermöglichen. Im Jahre 2000 hätte der Beklagte schließlich auf das in der Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (EFG) vom 25. Februar 2000 veröffentlichte Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 23. September 1999 und auf die Mitteilung über die Einlegung der Revision gegen dieses Urteil in der Anlage zum Bundessteuerblatt (Liste der beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren) vom 10. April 2000 aufmerksam werden müssen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger bei zutreffender Unterrichtung über die Problematik des § 30a AO den Steuerbescheid nicht hätte bestandskräftig werden lassen. Das Kostenrisiko eines Einspruchs sei mit ca. 350 € gering gewesen. Auch die Gefahr, dass im Falle eines Einspruchs vom Finanzamt bisher übersehene Einnahmen der Ehefrau berücksichtigt worden wären, sei zu vernachlässigen gewesen. Schließlich habe der Kläger tatsächlich Einspruch einlegen lassen, nachdem er Kenntnis von dem anhängigen Revisionsverfahren erlangt habe. Der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger bei Prüfung der Steuerbescheide im Jahre 2000 auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG in der vom 29. April 1997 bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (fortan: § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG a.F.) wegen Verletzung der Erhebungsgleichheit hinzuweisen.
8
1. Unter welchen Voraussetzungen der Steuerberater seinen Mandanten auf die mögliche Verfassungswidrigkeit einer materiellen Steuernorm hinzuweisen hat, ist vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden. Ähnlich wie der anwaltliche oder steuerliche Berater von dem Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehen kann, darf der Steuerberater im Grundsatz auf die Verfassungsmäßigkeit der auf den Steuerfall anzuwendenden Gesetze vertrauen.
9
a) Wegen der richtungweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten (BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, WM 1993, 2129, 2130; v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, WM 2000, 2431, 2435; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 545 f). Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme. Hierbei darf der Berater in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen, weil von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden pflegt (BGHZ 85, 64, 66; 87, 150, 155 f; BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, aaO; Zugehör, aaO Rn. 549; Fahrendorf in Rinsche/Fahrendorf /Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 488). Entgegenstehende Judikatur von Instanzgerichten und vereinzelte Stimmen im Schrifttum verpflichten den Rechtsanwalt regelmäßig nicht, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die abweichende Meinung zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, aaO; Zugehör, aaO Rn. 552). Eine Änderung der Rechtsprechung hat er allerdings in Betracht zu ziehen, wenn ein oberstes Gericht darauf hinweist oder neue Entwicklungen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft Auswirkungen auf eine ältere Rechtsprechung haben können und es zu einer bestimmten Frage an neueren höchstrichterlichen Entscheidungen fehlt (BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, aaO S. 2131). Eine Verpflichtung des Beraters, die Rechtsprechung der Instanzgerichte und das Schrifttum einschließlich der Aufsatzliteratur heranzuziehen, kann ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn ein Rechtsgebiet aufgrund eindeutiger Umstände in der Entwicklung begriffen und (neue) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, aaO S. 2435). Hat ein Rechtsanwalt eine Angelegenheit aus einem solchen Bereich zu bearbeiten, muss er auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen , wobei ihm ein "realistischer Toleranzrahmen" zuzubilligen ist (BGH, Urt. v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, aaO).
10
Entscheidend sind die besonderen Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich wird darauf abzustellen sein, mit welchem Grad an Deutlichkeit (Evidenz) eine neue Rechtsentwicklung in eine bestimmte Richtung weist und eine neue Antwort auf eine bisher anders entschiedene Frage nahe legt. Ferner kann ins Gewicht fallen, mit welchem Aufwand - auch an Kosten - der neuen Rechtsent- wicklung im Interesse des Mandanten Rechnung getragen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, aaO S. 2131).
11
b) An die Sorgfaltspflichten des Steuerberaters bei der Prüfung eines Steuerbescheides auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage sind entsprechende Maßstäbe anzulegen.
12
aa) Danach darf ein Steuerberater grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit des von der Steuerverwaltung angewendeten Steuergesetzes vertrauen. Die Verwaltung hat Gesetze trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit anzuwenden. Gleiches gilt für die mit dem Steuerfall befassten Gerichte. Erst wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, hat es das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; bloße verfassungsrechtliche Zweifel berechtigen noch nicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 78, 104, 117; 86, 52, 57 f; Jarass in Jarass/Pieroth, GG 9. Aufl. Art. 100 Rn. 10). Daher wird eine Steuernorm bei bloßen verfassungsrechtlichen Bedenken von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten angewendet werden. Der Mandant kann unter dieser Voraussetzung seine verfassungsrechtlichen Bedenken erst nach Erschöpfung des Rechtsweges im Wege einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) durchsetzen.
13
bb) Aus der Grundpflicht des Steuerberaters, den Mandanten im Rahmen seines Mandats umfassend und möglichst erschöpfend steuerlich zu beraten , kann sich ausnahmsweise die Pflicht ergeben, auch auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit eines bislang als verfassungsmäßig behandelten Steuergesetzes hinzuweisen.

14
(1) Ein Ausnahmefall kann etwa gegeben sein, wenn das Bundesverfassungsgericht in einer Senatsentscheidung in ähnlichem Zusammenhang eine Verfassungsfrage behandelt und dabei eine aussagekräftige Vorentscheidung auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung des anhängigen Besteuerungsfalls getroffen hat. Drängt sich ein Zusammenhang auf, hat der Steuerberater den Mandanten hierauf hinzuweisen, um ihm die eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen, ob er - gestützt auf die Parallelentscheidung des Bundesverfassungsgerichts - den Weg durch die Instanzen einschlagen will. Auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Anfechtung des Steuerbescheides durch den Berater kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1999 - IX ZR 298/97, WM 1999, 1342, 1344).
15
(2) Eine Hinweispflicht auf etwaige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerungsgrundlage kann auch dann bestehen, wenn ein Gericht einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG gefasst und der Berater hiervon Kenntnis erlangt hat. In diesen Fällen ist es zwar nicht stets naheliegend, dass das Bundesverfassungsgericht die zugrunde liegende Norm für verfassungswidrig erklären wird. Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle hat erfahrungsgemäß nur eine geringe Erfolgsquote (vgl. Zuck in Lechner/Zuck, BVerfGG 5. Aufl. vor § 80 Rn. 10; HK-BVerfGG/Dollinger 2. Aufl. § 81a Rn. 2). Eine Hinweispflicht ist aber gleichwohl anzunehmen, weil in diesen Fällen einer möglichen neuen Rechtsentwicklung mit geringem Aufwand - auch an Kosten - Rechnung getragen werden kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, aaO S. 2131). Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 AO ruht das Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des Musterverfahrens, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm ein Verfahren bei dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bun- desgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird (vgl. Klein/ Brockmeyer, AO 9. Aufl. § 363 Rn. 22). Aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Besonderheit kann sich der Mandant ohne großen Aufwand die Möglichkeit sichern , von einer späteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Nutzen zu ziehen, ohne dass dem die Bestandskraft des Steuerbescheides entgegensteht (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
16
(3) Pflichtwidrig handelt der Steuerberater nur, wenn er das Beratungsgespräch versäumt, obwohl hierzu - für ihn erkennbar - ein konkreter Anlass bestand. Dies gilt auch in Fällen schwerwiegender wirtschaftlicher Bedeutung (s. hierzu BGH, Urt. v. 15. November 2007 - IX ZR 34/04, WM 2008, 41, 42 Rn. 10). Ohne hinreichende Veranlassung braucht der Steuerberater weder nach verfassungsrechtlichen Argumenten gegen die anzuwendende Steuernorm noch nach einem Musterverfahren zu suchen, welches seinem Mandanten die Möglichkeiten des § 363 Abs. 2 AO eröffnet. Einzelne Stimmen in der Literatur, welche eine Steuernorm - auch unter Berufung auf neue Gesichtspunkte - für verfassungswidrig halten, begründen noch keinen Anlass für ein Rechtsgespräch mit dem Mandanten, weil solche Bedenken in den letzten Jahren vielfach erhoben worden sind und sich in den wenigsten Fällen als zutreffend herausgestellt haben (vgl. Lange DB 2008, 511, 516; Beisel DStR 1459, 1460; ähnlich bereits Messmer/Späth DStR 1967, 554, 555; vgl. auch Meixner /Hörnig DStR 2007, 411). Gleiches gilt grundsätzlich für eine vereinzelte instanzgerichtliche Entscheidung, welche die Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes diskutiert, letztlich aber bestätigt, mag gegen sie auch der Bundesfinanzhof mit dem Ziel angerufen worden sein, eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu erreichen.
17
2. Nach diesen Grundsätzen fällt dem Beklagten kein Verstoß gegen steuerrechtliche Beratungspflichten zur Last. Solche trafen den Beklagten nur in dem Zeitraum von der Abgabe der Steuererklärung über den Zugang des ersten Steuerbescheides vom 7. Januar 2000 bis hin zum Eintritt der Bestandskraft des am 27. Juni 2000 zugegangenen Bescheides vom 26. Juni 2000. Mit der Bestandskraft des zweiten Bescheides, der den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, war die Steuerfestsetzung für die erklärten Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren nicht mehr abänderbar (vgl. Klein/Rüsken, aaO § 164 Rn. 38). Eine Beratung nach diesem Zeitpunkt konnte den eingetretenen Steuerschaden selbst bei Nichtigkeit der zugrunde liegenden Steuernorm nicht mehr beseitigen. Denn nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bleiben nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, welche auf einer für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt.
18
Bei a) Abgabe der Steuererklärung und auch noch bei Zugang und Überprüfung des Bescheides vom 7. Januar 2000 musste der Beklagte nicht mit der Möglichkeit einer Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Gewinnen aus Spekulationsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG a.F., die Anlass für ein Beratungsgespräch geboten hätte, rechnen. Das Berufungsgericht hat insoweit die Ausstrahlungswirkung des Zinsurteils vom 27. Juni 1991 (BVerfGE 84, 239) auf den vorliegenden Steuerfall überschätzt.
19
aa) Das auch im Bundessteuerblatt nahezu vollständig abgedruckte Urteil (BStBl. II 1991, 654 ff) hätte der Beklagte allerdings in angemessener Zeit nach der Veröffentlichung, mithin noch im Laufe des Jahres 1991, zur Kenntnis nehmen müssen. Kerngedanke dieser Entscheidung ist - ausgehend von der Feststellung, dass bei einem Vergleich zwischen den erklärten und nicht erklärten , aber steuerbaren Kapitalerträgen jedenfalls die Hälfte der Erträge nicht er- fasst werden (BVerfGE 84 aaO S. 276 f) - der von dem Gesetzgeber verantwortete Erhebungsmangel, welcher verfassungsrechtliche Relevanz erhält, wenn sich das Verfahrensrecht gegenüber einem Besteuerungstatbestand strukturell gegenläufig auswirkt, so dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann. Eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen beruht, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschließen, trifft nicht mehr alle und verfehlt die steuerliche Leistungsgleichheit (BVerfGE 84 aaO S. 272 f). Die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit führt nach Ablauf einer Nachbesserungsfrist zur Verfassungswidrigkeit auch der materiellen Norm.
20
bb) Eine sorgfältige Auswertung dieses Urteils hätte einen steuerlichen Berater allerdings auf den Gedanken bringen können, dass die vorgenannten Erwägungen in ähnlicher Weise auch auf die Besteuerung von Gewinnen aus Effektengeschäften zutreffen könnten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergab sich ein solcher Zusammenhang in der ersten Jahreshälfte 2000 für den Beklagten jedoch nicht mit einer für den Vorwurf der Pflichtverletzung erforderlichen Stärke.
21
(1) Das Zinsurteil betrifft den damals rund 19 Jahre zurückliegenden Veranlagungszeitraum 1981, für den noch nicht § 30a AO, sondern der sogenannte Bankenerlass in der Fassung vom 31. August 1979 (vgl. BStBl. I 1979, 590) maßgeblich war (vgl. BVerfGE 84 aaO S. 248 f). Dieser Erlass ist zwar, worüber in dem Zinsurteil auch berichtet wird, als § 30a AO "weitgehend" in die Abgabenordnung übernommen worden. Zu einer strukturell gegenläufigen Erhebungsregelung im Veranlagungsjahr 1998 verhält sich das Urteil jedoch nicht. Der an die verfassungsmäßige Ordnung gebundene (Art. 20 Abs. 3 GG) Gesetzgeber hat die Parallelen zwischen der Zinsbesteuerung und der Spekulati- onssteuer für Wertpapiere bei den nach dem Zinsurteil von ihm entfalteten Aktivitäten nicht zum Anlass genommen, der gleichheitswidrigen Spekulationsbesteuerung abzuhelfen. Er hat den ihm erteilten Auftrag, den Gleichheitsgrundsatz bei der Zinsbesteuerung innerhalb angemessener Frist, spätestens jedoch mit Wirkung vom 1. Januar 1993, durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen für die Zukunft zu gewährleisten, auf andere Weise als durch eine Änderung des § 30a AO erfüllt. Das Gesetz zur Neuregelung der Zinsbesteuerung vom 9. November 1992 (Zinsabschlaggesetz, BGBl. I 1853) lässt § 30a AO der damals geltenden Fassung unberührt. Dass dies nicht auf eine rechtspolitische Umsetzungsschwäche, sondern auf ein Wahrnehmungsdefizit des Gesetzgebers zurückzuführen war, zeigt dessen rasche Reaktion auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. Juli 2002 zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b EStG (BStBl. 2003 II S. 74 ff), über die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. März 2004 (BVerfGE 110 aaO S. 132) berichtet (Art. 1 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003, BGBl. I 2645, 2646). Das Bundesverfassungsgericht selbst hält es in seiner an das Urteil vom 9. März 2004 anknüpfenden Kammerrechtsprechung für unzulässig, die in dem Zinsurteil gesetzte Übergangsfrist bis zum 1. Januar 1993 auf die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren nach § 23 EStG zu übertragen (vgl. BVerfG WM 2006, 1168, 1169).
22
(2) In Rechtsprechung und Literatur wurden aus dem Zinsurteil auch nach dem Ablauf der dem Gesetzgeber gesetzten Frist zur Behebung der Mängel keine Schlüsse gezogen, die den steuerlichen Berater darauf hätten hinlenken müssen, dass mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer die vom Bundesverfassungsgericht gerügten Erhebungsdefizite in anderen Zusammenhängen möglicherweise noch nicht beseitigt waren. Der Diskussionsstand um die Verfassungsmäßigkeit des § 30a AO war aus dem Urteil des VIII. Senats des Bun- desfinanzhofs vom 18. Februar 1997 (BFHE 183, 45 ff) abzulesen. Die Diskussion wurde allein um die Verfassungsmäßigkeit der Zinsbesteuerung geführt. Rückschlüsse auf die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Steuern auf Gewinne aus Veräußerungen von Wertpapieren wurden daraus in Fachkreisen nicht verbreitet abgeleitet (vgl. BVerfG WM 2006, 1166, 1169). Hätte sich die von dem VIII. Senat des Bundesfinanzhofs vertretene einschränkende Auslegung des § 30a AO (BFHE 183 aaO S. 55 ff) oder die Auffassung von der Verfassungswidrigkeit dieser Norm durchgesetzt, wären die eine Ermittlung durch die Finanzbehörden einschränkenden Wirkungen des § 30a AO entfallen. Gerade diese Wirkungen hatten aber in dem Zinsurteil zu der Feststellung eines strukturellen Erhebungsdefizits mit der Folge der Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm geführt (vgl. BVerfGE 84, 239, 278 ff). Die Diskussion deutet also auf den Weg hin, die Verfassungsmäßigkeit der materiellen Steuernorm dadurch zu sichern, dass die Verfahrensnorm gleichheitswahrend angewendet wurde.
23
(3) Die später von dem Bundesverfassungsgericht angenommene Parallelität zur Zinsbesteuerung ist bis zur Zustellung des Steuerbescheides vom 7. Januar 2000 auch nicht in einer anderen Weise aufgedeckt worden, die der Beklagte hätte zur Kenntnis nehmen müssen. In der veröffentlichten Rechtsprechung ist seit der Bekanntgabe des Zinsurteils die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Spekulationsgeschäften aus dem Gesichtspunkt eines strukturellen Vollzugsdefizits bis zu dem Urteil des SchleswigHolsteinischen Finanzgerichts vom 23. September 1999, das noch von einer Verfassungsmäßigkeit ausgegangen ist, nicht behandelt worden (vgl. hierzu BFHE 199, 451, 458 f). In der Kommentarliteratur wurde die Thematik lediglich vereinzelt angesprochen. Zwei Kommentierungen bejahten die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Spekulationsgewinnen unter Berufung auf das Zinsurteil (Glenk in Blümich/Glenk, EStG KStG GewStG 15. Aufl. 63. Ergänzungslieferung Juni 1999 § 23 EStG Rn. 10; Tipke in Tipke/Kruse, AO 16. Aufl. 84. Ergänzungslieferung April 1998 Rn. 30 aE, 24 aE, 25 aE). Eine weitere Kommentierung äußerte sich andeutungsweise in diese Richtung. Crezelius (in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz 56. Ergänzungslieferung Juni 1995 § 23 Rn. A 70) hat darauf hingewiesen, die dem Anwendungsbereich des § 23 EStG unterfallenden Einkünfte ließen sich relativ leicht verschleiern, wodurch diese Vorschrift regelmäßig leer laufe. Die Konsequenz einer möglichen Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes wird aber nicht ausgesprochen. Die von dem Berufungsgericht zitierte Fundstelle (Crezelius in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, aaO A 23) befasste sich in der damaligen Fassung nur mit verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf eine unterschiedliche Besteuerung gewerblicher und privater Veräußerungseinkünfte sowie allgemein mit den bestehenden fehlenden staatlichen Kontrollmöglichkeiten aller privaten Veräußerungsgeschäfte. Andere Kommentierungen erwähnten die Problematik nicht (vgl. Schmidt, EStG 18. Aufl. 1999 § 23 Rn. 2) oder haben keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen (vgl. Bachem in Bordewin /Brandt, Kommentar zum EStG 153. Ergänzungslieferung April 1996 § 23 Rn. 30).
24
der In Aufsatzliteratur wurde eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Spekulationsgeschäften ebenfalls nicht diskutiert. In einer 1991 erschienenen Anmerkung zum Zinsurteil wird das Vollzugsdefizit bei der Versteuerung von Wertpapier-Veräußerungsgewinnen mit nur einem Satz gestreift (Felix, FR 1991, 389, 390). Diese Anmerkung ist zunächst vereinzelt geblieben, repräsentierte nicht die Wahrnehmung in den Fachkreisen (vgl. BFHE 199 aaO S. 460) und hat keine bei der steuerlichen Beratung zu beachtende Diskussion in der Literatur ausgelöst. Erst am 23. Oktober 2000 und da- mit nach dem für den Streitfall maßgeblichen Zeitraum ist ein Aufsatz, der die Problematik vertiefend behandelt, veröffentlicht worden (Balmes FR 2000, 1069 ff).
25
b) Bis zu der Bestandskraft des Steuerbescheides vom 26. Juni 2000 war der Stand der Diskussion in der Literatur unverändert. Zwischenzeitlich war allerdings das mit der Revision angegriffene Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 23. September 1999 veröffentlicht (EFG 2000, 178 ff erschienen am 25. Februar 2000) und in die am 10. April 2000 erschienene Liste der beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren aufgenommen worden (Beilage Nr. 1/2000 zu BStBl. II S. 93). Diese Veröffentlichungen mussten dem Beklagten aber nicht bekannt sein, weil eine entsprechende Recherchetätigkeit von ihm im Juni 2000 aufgrund der bisher vorliegenden, vorstehend unter a) erörterten Hinweise nicht verlangt werden konnte. Deshalb brauchte er auch die Anhängigkeitsliste nicht durchzusehen. Diese hat den Charakter eines Nachschlagewerkes (Umfang der Beilage 1/2000: 168 Seiten mit durchschnittlich ungefähr zehn Entscheidungen je Seite). Es würde die Pflichten des Steuerberaters überspannen, wenn er bei drohender Unabänderbarkeit eines Steuerbescheides eines seiner Mandanten die Anhängigkeitsdatei jeweils ohne hinreichenden Anlass darauf durchzusehen hätte, ob ein anhängiges Revisionsverfahren den aktuellen Rechtsstand, welcher der Bearbeitung der Steuersache zugrunde liegt, in Frage stellen könnte.

III.


26
Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsver- letzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung sind nicht gegeben. Das klagabweisende Urteil des Landgerichts ist wieder herzustellen.
Kayser Raebel Gehrlein
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.09.2006 - 313 O 483/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.07.2007 - 8 U 114/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 26/09
Verkündet am:
23. September 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der mit der Anmeldung von Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Geldspielautomaten
betraute Steuerberater braucht den Mandanten auf eine etwaige Gemeinschaftswidrigkeit
der Besteuerung erst hinzuweisen, sobald der Bundesfinanzhof dahin lautende
Bedenken in einer Entscheidung, die dem Steuerberater bekannt sein muss, äußert.
Ein Steuerberater braucht eine nicht mit einem Leitsatz versehene Entscheidung des
Bundesfinanzhofs, die lediglich in einer nicht amtlichen Entscheidungssammlung,
aber in keiner der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften abgedruckt wurde,
vorbehaltlich anderer Hinweise nicht zu kennen.
Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Versäumt es der Steuerberater, im Anschluss an die beratungsfehlerfreie Abgabe
von Jahresumsatzsteueranmeldungen auf eine danach bekannt gewordene Rechtsprechungsänderung
durch einen Antrag auf Neufestsetzung zu reagieren, so beginnt
die Verjährung eines Ersatzanspruchs des Mandanten erst mit dem Ende der
Festsetzungsfrist zu laufen.
BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09 - OLG Koblenz
LGMainz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
20. Mai 2009 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape
und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Januar 2009 und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. Mai 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die mit der Klage für die Steuerjahre 1997 bis 2000 geltend gemachten Schadensersatzansprüche abgewiesen wurden.
Im Umfang der Aufhebung wird der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Wegen der Anspruchshöhe und der Kosten des Rechtsstreits wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger betraute die beklagte Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen eines bis Januar 2004 andauernden Mandats mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Angelegenheiten. Die Beklagte gab für von dem Kläger in den Jahren 1995 bis 2000 aus dem Betrieb von Geldspielautomaten erzielte Umsätze bei dem Finanzamt Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1995 ging am 11. Februar 1997, die für das Jahr 1996 am 9. Januar 1998, die für das Jahr 1997 am 25. Januar 1999, die für das Jahr 1998 am 13. März 2000, die für das Jahr 1999 am 20. Oktober 2000 und die für das Jahr 2000 am 12. April 2002 bei dem Finanzamt ein. Aufgrund einer im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung setzte das Finanzamt unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gegen den Kläger jeweils mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 für die Jahre 1998 bis 2000 die Umsatzsteuer fest.
2
Mit der am 27. Dezember 2005 eingereichten und am 14. Januar 2006 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte, die sich auf die Einrede der Verjährung beruft, wegen der für die Jahre 1995 bis 2000 entrichteten Umsatzsteuer auf Schadensersatzleistung von 32.929,41 € in Anspruch. Er meint, die Beklagte habe bereits ab dem Jahr 1995 erkennen müssen, dass Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten nach dem Gemeinschaftsrecht nicht umsatzsteuerpflichtig seien und die dieser Wertung entgegenstehende deutsche Gesetzeslage keinen Bestand haben werde. Die Klage hatte in den Vorinstanzen lediglich in Höhe eines Betrages von 1.236,62 € Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 Schadensersatz verlangt. Die weitergehende, die Jahre 1997 bis 2000 betreffende Revision hat hingegen Erfolg. Insoweit führt sie zum Erlass eines Grundurteils (§ 304 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, das auf der Grundlage ergänzender Feststellungen über die Schadenshöhe zu entscheiden hat.

I.


4
Berufungsgericht Das hat ausgeführt: Die Beklagte habe keine Beratungspflicht verletzt, weil die Handhabung der steuerlichen Angelegenheiten des Klägers der damaligen Gesetzeslage entsprochen habe. Das FG Münster habe in einem Beschluss vom 15. September 2000 (5 V 4286/00, EFG 2001, 394) die Auffassung vertreten, es sei unzweifelhaft, dass aus in Gaststätten und Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten erzielte Umsätze nicht unter die Befreiungsregelung des § 4 Nr. 9 lit. b UstG fielen. Abweichende Auffassungen des Schrifttums habe der Berater bei Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht berücksichtigen müssen. Erst nach dem Anfang des Jahres 2001 bekannt gewordenen Inhalt der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (V B 187/00) sei es als ernsthaft zweifelhaft zu beurteilen gewesen, ob Umsätze aus Geldspielautomaten besteuert werden dürften. Darum sei eine Pflichtverletzung der Beklagten in den Jahren 1995 bis 2000 nicht gegeben. Ferner habe keine Möglichkeit bestanden, die Finanzbehörden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 zum Aufgreifen bereits bestandskräftig abgeschlossener Verfahren zu veranlassen.

5
Überdies seien Schadensersatzansprüche des Klägers nach der hier noch anwendbaren Regelung des § 68 StBerG a.F. verjährt. Die Verjährung habe mit der Einreichung der Steueranmeldungen bei dem Finanzamt zu laufen begonnen. Die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs seien nicht gegeben. Eine erneute Pflichtverletzung könne nur angenommen werden, wenn während des Laufs der Verjährungsfrist und vor Beendigung des Auftrags ein begründeter Anlass zur Belehrung eingetreten und diese dennoch unterblieben sei. Eine fehlerhafte Erklärungspraxis biete nicht ohne weiteres Anlass, über eine auf dem nämlichen Fehler beruhende Haftung zu belehren. Ein Anlass zur Belehrung habe sich erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahre 2005 ergeben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Primärverjährung abgelaufen und das Mandat bereits beendet gewesen.

II.


6
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben überwiegend Erfolg.
7
1. Soweit es um die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 2000 geht, scheidet ein Beratungsfehler der Beklagten aus. Zum Zeitpunkt der Einreichung sämtlicher Umsatzsteueranmeldungen war für die Beklagte noch kein begründeter Anhalt dafür gegeben, dass die von dem Kläger erzielten Umsätze infolge einer sich abzeichnenden Gemeinschaftswidrigkeit von § 4 Nr. 9 lit. b UStG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung nicht der Umsatzsteuer unterliegen könnten.

8
Wegen a) der richtungweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme. Hierbei darf der Berater in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen, weil von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden pflegt (BGHZ 178, 258, 262 Rn. 9 m.w.N.). Ebenso darf ein Steuerberater grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit des von der Steuerverwaltung angewendeten Steuergesetzes vertrauen. Die Verwaltung hat Gesetze trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit anzuwenden. Gleiches gilt für die mit dem Steuerfall befassten Gerichte. Erst wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, hat es das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; bloße verfassungsrechtliche Zweifel berechtigen noch nicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 12). Danach kann sich nur ausnahmsweise die Pflicht ergeben, auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit eines bislang als verfassungsgemäß behandelten Steuergesetzes hinzuweisen (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 13). Der Steuerberater , der mit der Prüfung eines Steuerbescheides beauftragt ist, muss mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Steuergesetzes nicht erörtern, so lange keine entsprechende Vorlage eines Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung aus anderen Umständen, insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang ergangenen, im Bundessteuerblatt veröffentlich- ten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt (BGHZ 178, 258, 264 Rn. 15).
9
b) Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, der die Gemeinschaftswidrigkeit einer Steuernorm betrifft, trotz abweichender Vorlagevoraussetzungen entsprechend anzuwenden. Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des innerstaatlichen mit dem Gemeinschaftsrecht und versäumt das letztinstanzlich befasste Gericht das gemäß dem hier noch anzuwendenden Art. 234 Abs. 3 EGV gebotene Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, kann der Betroffene mit einer Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG die Vorlage erzwingen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09, ZIP 2010, 642 f Rn. 14 ff). Da der Beklagten bei Einreichung der letzten die Jahre 1995 bis 2000 betreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung vom 12. April 2002 noch nicht die Möglichkeit einer Gemeinschaftswidrigkeit der maßgeblichen Regelung des § 4 Nr. 9 lit. b UStG bekannt sein musste, kann ihr im Zusammenhang mit der Abgabe sämtlicher Umsatzsteuerjahreserklärungen ein Beratungsfehler nicht angelastet werden.
10
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat durch Urteil vom 11. Juni 1998 (C 283/95, RIW 1998, 644) entschieden, dass ein Mitgliedstaat unerlaubtes Glücksspiel nicht der Umsatzsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels - konkret ging es um Roulette - durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist. Danach verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der Erhebung der Umsatzsteuer eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 30. November 2000 (V B 187/00, BFH/NV 2001, 657) im Rahmen eines Antrags auf Ausset- zung der sofortigen Vollziehung die Besteuerung von Umsätzen aus Geldspielautomaten generell als ernstlich zweifelhaft erachtet. Zur Begründung hat er ausgeführt (aaO, S. 658), dass es mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität unvereinbar sein könnte, für die Besteuerung von Geldspielautomatenumsätzen danach zu unterscheiden, ob sie in und von öffentlich zugelassenen Spielbanken ausgeführt werden oder nicht. Ferner bedürfe es der Prüfung, ob das für die Mitgliedstaaten geltende Verbot, die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist, nicht erst Recht auch für erlaubte Veranstaltungen eines Glücksspiels gelten müsse. Auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (V R 7/02, BFHE 200, 149) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 17. Februar 2005 (C 453/02 und 462/02, EuZW 2005, 210) erkannt, dass das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt. Daran anknüpfend hat der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 12. Mai 2005 (V R 7/02, BFHE 210, 164) entschieden, dass sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B lit. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen kann, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 lit. b UStG keine Anwendung findet.
11
bb) Bei dieser Sachlage kann in der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen durch die Beklagte für die Jahre 1995 bis 1999 ein Beratungsfehler nicht erblickt werden. Die Beklagte hat die Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 1995 bis 1999 - für das letztgenannte Jahr am 20. Oktober 2000 - jeweils vor Erlass des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) abgegeben, wo vor dem Hintergrund der Steuerfreiheit in Spielbanken veranstalteten Automatenglücksspiels erstmals Bedenken gegen die Zulässigkeit der Besteuerung außerhalb von Spielbanken veranstalteter erlaubter Automatenglücksspiele geäußert worden waren. Bis dahin brauchte die Beklagte selbständige Rückschlüsse darauf, dass die Besteuerung auch des erlaubten Glückspiels mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein könnte, nicht zu ziehen.
12
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte im Urteil vom 5. Mai 1994 (C 38/93) gegen die Umsatzsteuerpflicht von in Gaststätten mit Geldspielautomaten erzielten Umsätzen keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erhoben (BStBl II 1994, 548). Hinweise für die generelle Unzulässigkeit einer Besteuerung dieser Umsätze konnten auch nicht seinem Urteil vom 11. Juni 1998 entnommen werden, das lediglich die Freistellung des verbotenen Glücksspiels von der Umsatzsteuerpflicht anordnete, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei war. Die Entscheidung behielt den Mitgliedstaaten ausdrücklich vor, die Bedingungen und Grenzen einer Befreiung des erlaubten Glücksspiels von der Umsatzsteuer festzulegen (aaO, S. 645 Rn. 25). Die in dem Verfahren von der Kommission vertretene Auffassung, dass kein absolutes Verbot der Besteuerung von Glücksspielen bestehe, wurde von dem Gerichtshof nicht beanstandet (aaO, Rn. 26; Lausterer UR 1998, 361, 364). Demzufolge war der Gerichtshof in der Entscheidung aus dem Jahre 1998 lediglich einer Differenzierung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Glücksspiel entgegengetreten und hatte daraus gefolgert, dass eine Steuerbefreiung nicht allein erlaubtem Glücksspiel vorbehalten werden dürfe (aaO S. 645 Rn. 28; ebenso BGH, Beschl. v. 17. August 1998 - 5 StR 59/97, HFR 1999, 410).

13
Die ausschließlich auf das unerlaubte Glückspiel bezogenen Ausführungen im Urteil vom 11. Juni 1998 waren mithin für die vorliegende Gestaltung eines erlaubten Glückspiels nicht einschlägig. Zwar mag es bei einer rückschauenden Bewertung naheliegen, die Entscheidung bereits im Sinne der Umsatzsteuerfreiheit auch des erlaubten Glückspiels zu deuten (vgl. EuGH, Urt. v. 17. Februar 2005, aaO S. 211 Rn. 28; dagegen aber etwa Birk/Jahndorf UR 2002, 289, 294). Diese Schlussfolgerung hatte aber seinerzeit der Gerichtshof selbst nicht gezogen, weil er nicht etwa eine bestehende generelle umsatzsteuerrechtliche Privilegierung des erlaubten auf das unerlaubte Glückspiel erstreckt hatte. Vielmehr hatte er aus der im konkreten Einzelfall gegebenen Umsatzsteuerfreiheit des in Spielbanken ausgeübten erlaubten auch die Umsatzsteuerfreiheit eines gleichartigen unerlaubten Glücksspiels hergeleitet. Er war aber gerade nicht davon ausgegangen, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit von in Spielbanken ausgeübtem Glücksspiel außerhalb veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig sind und diese Vergünstigung mithin auch dem unerlaubten Glücksspiel zustatten kommt. Mithin hatte er insbesondere nicht die Forderung erhoben, erlaubtes Glücksspiel, soweit es dem in Spielbanken veranstalteten Glücksspiel entspricht, allgemein von der Umsatzsteuerpflicht zu entbinden.
14
(2) Vor diesem Hintergrund konnten nach deutschem Recht ohne Widerspruch zu dem Urteil vom 11. Juni 1998 weiterhin erlaubte Glücksspiele, die weder der Rennwett- und Lotteriesteuer noch der Spielbankenabgabe unterlagen , nach § 4 Nr. 9 lit. b UStG der Umsatzsteuer unterworfen werden (vgl. Rau/ Dürrwächter/Klenk, UStG 8. Aufl. Lieferung September 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 173). Dies entsprach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, den Spielvorgang entweder mit Rennwett- und Lotteriesteuer bzw. der Spielbankenabgabe oder Umsatzsteuer zu belegen (Offerhaus/van Nahmen, UStG 129. Erg.-Lieferung, Juni 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 51; Dziadkowski UVR 1998, 289, 293). Umsätze aus erlaubtem Glücksspiel waren aus dieser Warte nicht deswegen von der Umsatzsteuer auszunehmen, weil solche Umsätze steuerfrei in einer Spielbank ausgeführt werden konnten (FG Münster, Beschl. v. 15. September 2000 - 5 V 4286/00, EFG 2001, 394, 395). Dem Gesetzgeber wurde als Folgerung aus dem Urteil vom 11. Juni 1998 lediglich empfohlen, die allein im Blick auf unerlaubtes Glücksspiel entstandene Gesetzeslücke durch dessen Einbeziehung in die Rennwett- und Lotteriesteuer zu schließen (Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 54; vgl. auch EuGH, Urt. v. 11. Juni 1998, aaO S. 645 Rn. 30).
15
(3) In Einklang mit den vorstehenden Erwägungen war das Urteil vom 11. Juni 1998 in den einschlägigen Erläuterungswerken lediglich dahin verstanden worden, dass die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels unter die Steuerbefreiung fällt, die einem erlaubten Glücksspiel zuteil wird (Bunjes /Geist/Heidner, UStG 6. Aufl. 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 15; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch Lieferung 21. Oktober 1999 Rn. 338.5; ders.; aaO Lieferung 23. März 2000 Rn. 338.11; Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 52 ff.; Sölch/Ringleb/Mößlang UStG EL 43 Januar 2000 § 4 Rn. 30; ders., aaO EL 44 September 2000). In einem Besprechungsaufsatz wurde die Entscheidung in dem Sinne interpretiert, dass die Mitgliedstaaten weiter berechtigt seien, auf bestimmte Formen des Glücksspiels Umsatzsteuer zu erheben, jedoch eine dem erlaubten Glücksspiel vorbehaltene Steuerbefreiung auch dem unerlaubten Glücksspiel zugute kommen müsse (Lausterer, aaO). Weitergehende Überlegungen zur Umsatzsteuerfreiheit des erlaubten Glücksspiels sind auf der Grundlage des Urteils vom 11. Juni 1998 in Schrifttum und Rechtsprechung bis zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000, der seine rechtlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der Umsatzsteuerpflicht des Glücksspiels mit dem Gemeinschaftsrecht durch keinerlei Rechtsprechungsund Schrifttumsnachweise unterlegt, nicht angestellt worden. Insbesondere ist nicht die Auffassung vertreten worden, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit der Spielbanken in anderem Rahmen veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele von der Umsatzsteuer zu entbinden sind. Eine auch nur in Ansätzen in die Richtung der späteren Rechtsentwicklung weisende wissenschaftliche Diskussion hatte sich bis zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1999 durch die Beklagte am 20. Oktober 2000 nicht herausgebildet. Auch die Revision vermag entsprechende Stellungnahmen nicht aufzuzeigen. Mithin kann der Beklagten die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1995 bis 1999 nicht als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden.
16
c) Auch die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 durch die Beklagte am 12. April 2002 stellt keinen Beratungsfehler dar, weil der Beklagten die lediglich vereinzelt veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO), nach deren Inhalt die Steuerpflicht von Umsätzen aus Glückspiel ernsthaften gemeinschaftsrechtlichen Bedenken ausgesetzt war, nicht bekannt sein musste.
17
aa) Der Rechtsberater hat seine Tätigkeit für den Mandanten in erster Linie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten; denn diese hat richtungweisende Bedeutung für Entwicklung und Anwendung des Rechts. Der Berater muss sich deshalb über die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur anhand der amtlichen Sammlungen, sondern auch der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten. Strengere Anforderungen sind jedoch zu stellen, wenn ein Rechtsgebiet ersichtlich in der Entwicklung begriffen und (weitere) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Dann muss ein Berater, der eine Angelegenheit aus diesem Bereich zu bearbeiten hat, auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen (BGH, Urt. v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, WM 2000, 2431, 2435).
18
bb) Danach kann aus der Nichtberücksichtigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) ein Beratungsfehler nicht hergeleitet werden.
19
(1) Im Streitfall können bereits im Ausgangspunkt keine gesteigerten Anforderungen an die Beobachtungs- und Recherchierungspflicht der Beklagten gestellt werden, weil die Rechtslage nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit der letzten diesen Bereich betreffenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. 11. Juni 1998, aaO) keine besonderen Entwicklungstendenzen erkennen ließ und neue höchstrichterliche Rechtsprechung bis zu dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zu erwarten war. Auch im Schrifttum fanden sich - wie oben unter 1. b), bb), (3) näher ausgeführt - keine Äußerungen, die rechtliche Bedenken gegen die Umsatzsteuerpflicht nahe legten und damit Anlass für die Erwartung einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung gaben.
20
(2) Der Bundesfinanzhof hat die hier maßgebliche Entscheidung vom 30. November 2000 (aaO) weder für die amtliche Sammlung bestimmt noch überhaupt mit einem Leitsatz versehen. Der letztgenannte Umstand kann dazu beigetragen haben, dass die für eine große Vielzahl von Fällen bedeutsame und darum durchaus veröffentlichungswürdige Entscheidung in den steuerrechtlichen Fachzeitschriften eine denkbar geringe Resonanz gefunden hat. Der Beschluss wurde ausweislich der Nachweise, die der Juris-Datenbank entnommen werden können, in voller Länge außer in BFH/NV lediglich in der "Steuerrechtsprechung in Karteiform", die zwischenzeitlich offenbar eingestellt wurde, abgedruckt. Die weiteren angegebenen Fundstellen "StuB" (Steuern und Bilanzen ), "BFH-PR" sowie "D-spezial" (Steuer- und Wirtschaftsrecht in den neuen Bundesländern, 1991 - 2005) enthielten nur den Abdruck eines redaktionellen Leitsatzes bzw. eine Kurzwiedergabe.
21
(3) Der rechtliche Berater muss jedoch nur über die in den amtlichen Sammlungen und in den einschlägigen allgem einen Fachzeitschriften veröffentlichten Entscheidungen der obersten Bundesgerichte orientiert sein (BGH, Beschl. v. 18. Januar 1952 - I ZB 13/51, NJW 1952, 425; Urt. v. 21. September 2000, aaO). An einer derartigen Veröffentlichung fehlt es hier.
22
Da sich die amtlichen Sammlungen der obersten Gerichtshöfe bekanntermaßen auf den Abdruck besonders gewichtiger Entscheidungen beschränken und die Gerichtshöfe insoweit eine Vorauswahl treffen, gehört es zur ordnungsgemäßen Berufsausübung eines rechtlichen Beraters, sich über diese grundlegenden Entscheidungen, die auch bei einer Veröffentlichung durch Fachzeitschriften vielfach eigens gekennzeichnet werden, fortlaufend zu unterrichten. Vom Inhalt der nicht in den amtlichen Sammlungen enthaltenen Entscheidungen hat sich der Rechtsberater mit Hilfe der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften zu informieren. Angesichts der auch für rechtliche Berater nur schwer überblickbaren Fülle der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte übernehmen die einschlägigen allgemeinen Fa chzeitschriften eine Filterfunktion , indem sie die für die Praxis allgemein bedeutsamen Entscheidungen abdrucken , einzelne besonders gewichtige - etwa für die amtliche Sammlung bestimmte - Entscheidungen zeitlich bevorzugt veröffentlichen oder auch zusätzlich mit einer Anmerkung oder einem Besprechungsaufsatz versehen und auf den Abdruck weniger bedeutsamer Entscheidungen verzichten. Unterliegt der rechtliche Berater - wie im Streitfall - keiner gesteigerten Beobachtungs- und Recherchierungspflicht, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, durch die Lektüre dieser einschlägigen Fachzeitschriften über aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichend orientiert zu werden.
23
(4) Angesichts des durch die vereinzelten Veröffentlichungen vermittelten geringen Verbreitungsgrades kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
24
dem Von Steuerberater kann grundsätzlich verlangt werden, dass er über eine in wenigstens einer "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschrift" veröffentlichte höchstrichterliche Entscheidung im Bilde ist (Fahrendorf in Fahrendorf /Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 512). Vorliegend kann offen bleiben, welche Periodika zu den "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften" zu rechnen sind. Insoweit wird im Schrifttum erwogen , dass der Steuerberater jedenfalls das - vom Bundesfinanzministerium herausgegebene und darum keine eigentliche Fachzeitschrift darstellende - "Bundessteuerblatt" und als Organ der Bundessteuerberaterkammer das "Deutsche Steuerrecht" zu beachten hat (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 237). Die hier betroffenen, wenig verbreiteten Periodika "Steuerrechtsprechung in Karteiform", "StuB", "BFH-PR" und "D-spezial" gehören jedenfalls nicht zu dem - möglicherweise weiter zu ziehenden - Kreis der ständig zu verfolgenden Periodika.
25
Die (5) Beklagte musste - zumal sie hier keine gesteigerte Beobachtungs - und Recherchierungspflicht traf - mit der in keiner der einschlägigen Fachzeitschriften, sondern nur in der Sammlung BFH/NV veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht vertraut sein.

26
Mag es auch wünschenswert sein, dass ein Rechtsberater sich über die gesamte, seine Tätigkeit betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung lückenlos auf dem Laufenden hält, so kann gegenwärtig nicht verlangt werden, dass er schlechthin jede in seinen Arbeitsbereich fallende höchstrichterliche - hier nicht einmal mit einem Leitsatz versehene - Entscheidung kennt (vgl. Heinemann in Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht 3. Aufl. § 11 Rn. 21). Da ein Rechtsberater neben der Rechtsprechung auch aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm grundsätzlich nur die Lektüre der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften erwartet werden, wo sich diese Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. Eine über die einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften hinausgehende Sichtung des gesamten Entscheidungsmaterials eines obersten Gerichtshofs würde die Pflichten eines Rechtsberaters schon wegen des damit verbundenen Zeitaufwands überspannen, zumal vollständige Entscheidungssammlungen nicht für alle obersten Gerichtshöfe angeboten werden. Solange daher auf ernstliche Rechtszweifel gestützte Aussetzungsbeschlüsse des Bundesfinanzhofs unzureichend veröffentlicht werden, obwohl sie für die Beratungspraxis als Hinweis auf mögliche Zukunftsentscheidungen , die bereits gegenwärtige Berücksichtigung verlangen, besonders wichtig sind, kann dem steuerlichen Berater ihre Unkenntnis haftungsrechtlich nicht vorgeworfen werden. Ob bei einer fortschreitenden, einen einfachen, raschen und kostengünstigen Zugriff gestattenden Informationstechnologie in Zukunft strengere Anforderungen an die Kenntnis höchstrichterlicher Entscheidungen zu stellen sind, kann vorliegend offen bleiben.
27
Besteht keine Verpflichtung zu einer ausnahmslosen Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kann von dem Berater die vollständige Auswertung der Zeitschrift BFH/NV, bei der es sich um eine keine redaktionellen Beiträge enthaltende Rechtsprechungssammlung handelt, grundsätzlich nicht gefordert werden. Die Beklagte durfte vielmehr darauf vertrauen, über etwaige neue Rechtsentwicklungen durch die einschlägigen allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden. Darum war ein Tätigwerden erst auf den für die amtliche Sammlung bestimmten Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) geboten.
28
cc) Soweit sich der Kläger darauf beruft, den Beklagten durch Übermittlung eines Rundschreibens des Automaten-Verbands R. auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 hingewiesen zu haben , ist das Vorbringen mangels hinreichender Substantiierung unbeachtlich.
29
Der Beklagte hat in der Klageerwiderung geltend gemacht, der Kläger sei durch zwei Rundschreiben des Automaten-Verbands R. vom 28. Mai 2001 und vom 21. Februar 2002 über die Rechtslage unterrichtet worden , sei aber nicht der darin enthaltenen Empfehlung gefolgt, die Rundschreiben an seinen Steuerberater - also die Beklagte - weiterzuleiten. Der Kläger hat darauf repliziert, tatsächlich habe er die beiden Rundschreiben der Beklagten mittels Fax zur Kenntnis gegeben. Es fehlt jedoch an jeder Darlegung, wann die Faxübermittlung stattgefunden haben soll. Da beide Rundschreiben zu verschiedenen Zeitpunkten an die Empfänger versandt wurden, hätte es, um der Beklagten eine Einlassung zu ermöglichen, zumindest einer zeitlichen Konkretisierung der Übermittlungsvorgänge bedurft.
30
2. Jedoch ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 gegeben, weil es die Beklagte versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf die durch den in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) zugunsten des Klägers geänderte Rechtslage zu reagieren. Dagegen scheidet ein Schadensersatzanspruch mangels einer Verpflichtung der Beklagten zu einem Tätigwerden bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 für die Steuerjahre 1995 und 1996 aus.
31
a) Die seitens der Beklagten für den Kläger abgegebenen jährlichen Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) standen nach der Regelung des § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
32
Ein solcher Nachprüfungsvorbehalt hat zur Folge, dass die Steuerfestsetzung von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden kann (§ 164 Abs.2 Sätze 1 und 2 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn das Finanzamt diesen aufhebt (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO), ansonsten mit Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO), welche im Falle der Umsatzsteuer vier Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Steueranmeldung eingereicht wurde (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Auch eine Steueranmeldung, welche einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid gleichsteht, kann mit Einspruch und Anfechtungsklage angefochten werden (Cöster in Pahlke/Koenig, AO 2. Aufl. § 168 Rn. 26). Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruchs beginnt hier mit der Steueranmeldung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO). Legt der Steuerpflichtige keinen Einspruch ein, wird die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steueranmeldung zwar formell bestandskräftig; die formelle Bestandskraft lässt jedoch die Möglichkeit unberührt, den Bescheid innerhalb der Nach- prüfungsfrist nach der Regelung des § 164 AO abzuändern (Koenig in Pahlke /Koenig, aaO § 172 Rn. 8). Die Abänderungsbefugnis nach § 164 AO ermöglicht dabei die umfassende Überprüfung des Steuerbescheids auch im Hinblick auf solche Gesichtspunkte, welche zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorbehaltsbescheids schon bekannt waren (BFHE 198, 184, 190 f). Das Unterlassen des Steuerpflichtigen, den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid anzufechten, führt somit zu keiner materiellen Präklusion von Einwendungen.
33
b) Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte nach der spätestens im Frühjahr des Jahres 2003 anzunehmenden Kenntnis von dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) innerhalb der noch offenen Festsetzungsfristen eine Neufestsetzung der Umsatzsteuer beantragen müssen.
34
Soweit aa) die Umsatzsteuererklärungen vom 11. Februar 1997 und 9. Januar 1998 für die Steuerjahre 1995 und 1996 in Rede stehen, war allerdings der Vorbehalt der Nachprüfung am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 abgelaufen. Da der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) laut der in der Juris-Datenbank enthaltenen Nachweise erst im Jahr 2003 veröffentlicht wurde (vgl. etwa DStRE 2003, 179), bestand keine Verpflichtung der Beklagten, für diese Jahre eine Neufestsetzung zu beantragen.
35
bb) Anders verhält es sich hingegen für die Jahre 1997 bis 2000. Für das Jahr 1997 lief die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2003, für die Folgejahre 1998 bis 2000 wegen der Aufhebung des Vorbehalts durch die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Bescheide am 29. Oktober 2003 ab. Hier bestand für die Beklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen mit Rücksicht auf den Be- schluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 ohne weiteres die Möglichkeit , im Interesse des Klägers eine Neufestsetzung zu beantragen. Insoweit ist der Beklagten ein Beratungsfehler anzulasten, der dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht auslöst.
36
c) Diese Schadensersatzansprüche sind nicht verjährt.
37
aa) Für den Beginn der Verjährung ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214) aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG hier anwendbar, weil die geltend gemachten Ansprüche vor dem 15. Dezember 2004 entstanden sind (BGH, Urt. v. 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6). Die Dauer der Verjährung bestimmt sich nach § 195 BGB - in Übereinstimmung mit der früheren Regelung des § 68 StBerG - auf drei Jahre (BGH, Urt. v. 12. November 2009 - IX ZR 152/08, WM 2010, 372, 373 Rn. 7).
38
bb) Die dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der infolge der alsbaldigen Zustellung (§ 167 ZPO) maßgeblichen Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 nicht abgelaufen.
39
aa) Regelmäßig beginnt die Verjährung für einen Anspruch gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, nicht erst mit der Bestandskraft, sondern bereits mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids. Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, entspricht diesem Zeitpunkt die Einreichung der Umsatzsteueranmeldung beim Finanz- amt. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Umsatzsteuer von dem Unternehmer jährlich anzumelden ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) und die Anmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (BGH, Urt. v. 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107; Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416, 1417 Rn. 19; Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 172/05, WM 2009, 863, 864 Rn. 11).
40
Das kann aber nicht gelten, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters erst nach Erlass des Steuerbescheids einsetzt. Besteht die Pflichtwidrigkeit darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen den Bescheid nicht eingelegt wird, so entsteht der Schaden in dem Augenblick, in dem der Steuerpflichtige von sich aus nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des Steuerbescheids erwirken kann; die eng begrenzten Abänderungsmöglichkeiten nach § 173 AO reichen nicht aus, den Eintritt des Schadens erst für den Zeitpunkt anzunehmen, von dem an auch sie nicht mehr bestehen (BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95,WM 1996, 2066, 2067; Urt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787).
41
bb) Da der Beklagten im Blick auf die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 keine Pflichtwidrigkeit angelastet wird, hat sich ein Schaden nicht bereits mit der Anmeldung verwirklicht. Vielmehr wird der Beklagten vorgeworfen, bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen einen Antrag auf eine Neufestsetzung versäumt zu haben. Diese Nachlässigkeit steht der unterlassenen Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs gleich. Ein Antrag auf Neufestsetzung konnte für das Jahr 1997 bis zum 31. Dezember 2003 und für die Folgejahre 1998 bis 2000 bis zum 29. Oktober 2003 gestellt werden. Die von diesen Zeitpunkten an laufende Verjährungsfrist von drei Jahren war im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 noch nicht verstrichen. Mithin geht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede ins Leere.

III.


42
Danach ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO), soweit die Klage die Steuerjahre 1995 und 1996 zum Gegenstand hat. Bezüglich der Steuerjahre 1997 bis 2000 ist die Revision hingegen begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist dem Senat mangels tatrichterlicher Feststellungen zur Schadenshöhe verwehrt. Der Senat kann jedoch, weil die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht, ein Urteil über den Grund des Anspruchs (§ 304 Abs. 1 ZPO) erlassen (BGH, Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 144/03, WM 2005, 1624, 1625; v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 18/94, ZIP 1995, 297, 300; v. 17. September 1998 - IX ZR 237/97, ZIP 1998, 1793, 1797).
43
Die Sache ist zur Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die insoweit notwendigen Feststellungen , auf die es nach seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht ankam, nunmehr zu treffen hat. Dabei wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte die Schadensberechnung des Klägers im Blick auf die behaupteten Umsätze bestritten und - auch unter dem Gesichtspunkt etwaiger Steuervorteile - das Fehlen eines Gesamtvermögensvergleichs beanstandet hat. Die dem Kläger durch den Automaten-Verband R. zuteil gewordene Unterrichtung dürfte nicht geeignet sein, ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzunehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftraggeber nicht als mitwirkendes Verschulden vorge- worfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369, 371 Rn. 21). Selbst ein Mandant mit juristischer Vorbildung darf sich auf eine einwandfreie Arbeit seines Beraters verlassen (BGH, Urt. v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1395).
Kayser Raebel Gehrlein
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 09.05.2008 - 2 O 486/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.01.2009 - 5 U 732/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 214/07
Verkündet am:
19. März 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Beratungspflicht des Anwalts über den sichersten Weg zur Erlangung eines
auslaufenden Steuervorteils.
BGH, Urteil vom 19. März 2009 - IX ZR 214/07 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
19. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof.
Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die W. KG, deren Komplementäre und Kommanditisten ausschließlich natürliche Personen sind, brachte im Jahre 1997 als Alleingesellschafterin ihre Anteile an der A. GmbH (nachfolgend: A. ), einer Finanzholding , gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG im Wege einer Kapitalerhöhung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zum steuerlichen Buchwert in die ebenfalls als GmbH geführte Klägerin ein. Im Dezember des Jahres 1999 erwarb die Klägerin , eine Tochtergesellschaft der W. KG, von der A. die Anteile an der A. AG (nachfolgend : A. A.); dadurch sollte vermieden werden, dass die Anfangsverluste dieses im Januar des Jahres 1999 gegründeten Unternehmens in das Geschäftsergebnis der A. einfließen. Aufgrund dieser Transaktion verfügte die Klägerin in der A. und der A. A. über zwei jeweils durch Ergebnisabführungsverträge mit ihr verbundene 100-prozentige Tochtergesellschaften. Die A. hatte ihrerseits vier 100prozentige Tochterunternehmen, nämlich die Privat- und Handelsbank AG, die Leasing GmbH, die Datensysteme GmbH und die Versicherungsdienst GmbH.

2
1. September Am 2000 wandte sich die Klägerin im Blick auf das zum 1. Januar 2001 geplante Steuersenkungsgesetz wegen der Möglichkeit einer steuerfreien Veräußerung von Anteilen an der -Gruppe an die Beklagte zu 1, eine Sozietät von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Entsprechend dem von der Beklagten zu 1 auf der Grundlage des § 8b KStG entwickelten, von dem Finanzamt Neuss I auf ein verbindliches Auskunftsersuchen als steuerfrei eingestuften Konzept brachte die Klägerin am 22. Mai 2001 ihre Anteile an der A. und an der A. A. gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten zum steuerlichen Buchwert (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG) in die kurz zuvor gegründete Holding GmbH ein. Anschließend veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der Holding GmbH am 5.Juli 2001 zum Preis von 1,1 Milliarden € an die B. (nachfolgend: B. ). Auf Wunsch der Erwerberin wurde aus in ihrem Heimatrecht liegenden Gründen abweichend von dem ursprünglichen Vertragsmodell der Beklagten zu 1 der dingliche Übergang der Geschäftsanteile auf das Jahr 2002 verschoben, jedoch der wirtschaftliche Übergang der Anteile und der Gegenleistung durch wechselseitige unwiderrufliche Optionen bereits im Jahre 2001 sichergestellt. Außerdem wurden der Erwerberin ab dem Jahre 2001 umfangreiche Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung eingeräumt. Die Übertragung der Geschäftsanteile wurde am 14. Mai 2002 notariell beurkundet.
3
Ein Betriebsprüfer des Finanzamts Neuss I vertrat gegenüber der Klägerin im Jahre 2003 die Auffassung, der von ihr durch den Verkauf der -Gruppe erzielte Veräußerungsgewinn könne infolge einer zwischenzeitlichen Änderung des § 8b KStG steuerpflichtig sein. Nach Maßgabe im März und April 2004 gegen sie ergangener Steuerbescheide entrichtete die Klägerin, die gleichzeitig Einspruch einlegte, Steuern in Höhe von rund 255 Mio. €. Entsprechend einer mit der Klägerin am 22. November 2004 getroffenen Übereinkunft hob das zuständige Finanzamt, das nach erneuter Prüfung des Sachverhalts von einer Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an der Holding auf die B. mit dem Vertragsschluss vom 5. Juli 2001 ausging, die Steuerbescheide auf und erstattete der nunmehr anderweitig steuerlich beratenen Klägerin die gezahlten Steuern nebst Zinsen.

4
Die Klägerin hat - vor der Einigung mit der Finanzverwaltung - gegen die Beklagte zu 1 und nach teilweiser Klagerücknahme gegen die Beklagten zu 2, 3, 5 und 6 als Gesellschafter der Beklagten zu 1 Feststellungsklage des Inhalts erhoben, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen Nachteil aus der Besteuerung des Veräußerungsgewinns zu ersetzen. Sie hat die Klage hinsichtlich des Steuerschadens nach der Einigung mit dem Finanzamt für erledigt erklärt und die weitere Feststellung begehrt, dass die Beklagten zu 1, 2, 3, 5 und 6 verpflichtet sind, ihr die Kosten der Rechtsberatung zur Abwendung der Steuerschuld zu erstatten. Für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage hat die Klägerin, die den Beklagten vorwirft, nicht den sichersten Weg zur Erlangung der Steuerbefreiung eingeschlagen zu haben, beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 1.720.853,19 € zu verurteilen. Das Landgericht hat dem Erledigungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin insgesamt abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihr in den Vorinstanzen abgewiesenes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht hat die Feststellungsanträge teils als unzulässig, teils als unbegründet erachtet. Es hat in der Sache ausgeführt, die Beklagte zu 1 treffe nicht der Vorwurf, der Klägerin keinen anderen, sichereren Weg zur Verwirklichung des angestrebten Steuervorteils empfohlen zu haben. Zur Erreichung des von der Klägerin verfolgten Ziels einer Veräußerung der -Gruppe und der steuerfreien Vereinnahmung des Erlöses habe es der Anwend- barkeit des § 8b Abs. 2 KStG auf den Veräußerungsgewinn bedurft. Zwar werde die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG nicht gewährt, wenn die Anteile von einem Einbringenden, der nicht zu dem nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Kreis der Steuerpflichtigen gehöre, erworben worden seien. Die Beklage zu 1 habe jedoch die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns in Anwendung der gesetzlichen Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG, der Einbringungsvorgänge nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ebenfalls als steuerfrei behandele, sichergestellt. Zwar habe die im Blick auf § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG mögliche Alternative bestanden, dass die Klägerin nur die Anteile an der A. A. und die A. die Anteile an ihren Tochterunternehmen in die neu gegründete Holding GmbH einbringen. In diesem Fall habe aber das Risiko gedroht, dass das Finanzamt nach der absehbaren Änderung des § 8b Abs. 4 KStG von einer Gesetzesumgehung ausgehe und die Steuerfreiheit in Anwendung von § 42 AO versage. Ein Missbrauch habe sich bei dieser Gestaltung aufgedrängt, weil die A. nach Durchführung des Geschäfts als funktionslose (Holding-)Gesellschaft zurückgeblieben wäre, ohne dass wirtschaftliche Gründe für ihre Einschaltung erkennbar gewesen seien.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Sämtliche Feststellungsanträge sind unbegründet, weil der Beklagten zu 1 eine Fehlberatung nicht angelastet werden kann. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Klägerin erhobenen einzelnen Feststellungsanträge zulässig sind (BGH, Urt. v. 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942, 1948 Rn. 66). Die Abweisung der Klage als insgesamt unbegründet anstelle - wie von dem Berufungsgericht erkannt - als teils unzulässig und teils unbegründet verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot (BGHZ 23, 36, 50; 46, 281, 283 f).
8
1. Die Beklagten haben nicht gegen die Verpflichtung verstoßen, der Klägerin den zur Erreichung des angestrebten Steuervorteils sichersten Weg vorzuschlagen.
9
Der um Rat ersuchte steuerliche Berater ist zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche vorhersehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den relativ sichersten und ungefährlichsten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann (BGHZ 129, 386, 396; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, WM 1993, 510, 511; v. 3. Juni 1993 - IX ZR 173/92, NJW 1993, 2799, 2800; v. 15. Juli 2004 - IX ZR 472/00, NJW 2004, 3487 m.w.N.; v. 8. Februar 2007 - IX ZR 188/05, WM 2007, 903 Rn. 8).
10
2. Das von der Beklagten zu 1 entwickelte Steuer- und Vertragsmodell war aus der damaligen Sicht am ehesten geeignet, die von der Klägerin angestrebte Steuerersparnis zu verwirklichen.
11
a) Gemäß § 8b Abs. 2 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433) und des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1850) blieben bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer anderen Körperschaft außer Ansatz. Die damit gewährte Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns einer Kapitalgesellschaft entfiel nach § 8b Abs. 4 KStG, falls die Anteile einbringungsgeboren im Sinne des § 21 UmwStG, also durch eine Sacheinlage entstanden waren (§ 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG) oder die Anteile durch eine Körperschaft von einem Einbringenden, der nicht zu den nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Steuerpflichtigen gehört, zu einem Wert unter dem Verkehrswert erworben worden waren (§ 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG). Durch § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG wurde auch bei Eingreifen eines Versagungsgrundes nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG im Wege zweier Rückausnahmen die Steuerbefreiung gewährt, sofern der in § 8b Abs. 2 KStG bezeichnete Vorgang später als sieben Jahre nach Erwerb der Anteile stattfand (§ 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG) oder die Anteile auf der Grundlage des § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erworben worden waren (§ 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG).
12
b) Das von der Beklagten zu 1 entwickelte Vertragskonzept entsprach diesem Regelungsgeflecht und führte infolge der Verwirklichung der Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG bestimmungsgemäß zur Steuerfreiheit des von der Klägerin erzielten Veräußerungsgewinns.
13
Die Klägerin verlor zwar zunächst die ihr durch § 8b Abs. 2 KStG gewährte Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG, weil sie die Anteile von der W. KG erworben hatte, die als Personengesellschaft nicht zu den durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Steuerpflichtigen - Kapitalgesellschaften und folglich juristischen Personen - gehörte. Jedoch kam der Klägerin die Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG zustatten, weil sie die Anteile von der W. KG aufgrund eines Einbringungsvorgangs nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG erworben hatte und darum die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen konnte. Entgegen der Intention des Gesetzgebers fand § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG nach seinem eindeutigen Wortlaut nämlich auch Anwendung, wenn die betroffenen Anteile nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG von einer natürlichen Person eingebracht wurden (Gosch KStG 2005 § 8b Rn. 430; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG 2. Aufl. § 8b Rn. 234; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG § 8b Rn. 205; Streck/Binnewies KStG 6. Aufl. § 8b Anm. 13; van Lishaut/Förster GmbHR 2000, 1121, 1127; Seibt DStR 2000, 2061, 2064 m.w.N.; Eilers/Wienands GmbHR 2000, 1229, 1239).
14
c) Zwar wurde § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3858) dahin umgestaltet , dass die zugunsten einer Steuerbefreiung wirkende Rückausnahme nicht eingreift , wenn die Einbringung der Anteile durch eine natürliche Person erfolgte (BTDrucks. 14/6882 S. 36). Diese Regelung gilt gemäß § 34 Abs. 4 Satz 7 KStG für Veräußerungen , die nach dem 15. August 2001 verwirklicht wurden. Die Anknüpfung an diesen Stichtag beruht darauf, dass an diesem Tag der die Gesetzesänderung einlei- tende Kabinettsbeschluss gefasst wurde und folglich danach ein Vertrauen auf die Fortgeltung des bisherigen Rechtszustandes nicht mehr schutzwürdig war (Streck/Binnewies, aaO).
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d) Da die Veräußerung der Geschäftsanteile im Streitfall am 5. Juli 2001 erfolgte und der B. als Erwerberin in diesem Zeitpunkt mit Hilfe von Optionen zugleich das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen übertragen wurde (vgl. Göbl/Adrian aaO, die für die Steuerbefreiung sogar den Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrages für maßgeblich halten), konnte die Klägerin entsprechend dem von der Beklagten zu 1 entwickelten Konzept die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG realisieren. Es entsprach insbesondere auch der Auffassung der Steuerverwaltung, dass bereits die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Gesellschaftsanteilen den Befreiungstatbestand auslöst (BMF BStBl I 2003, 292 Rn. 50). Dieser Vorgabe hat das von der Beklagten zu 1 entwickelte Konzept uneingeschränkt genügt. Damit war ein Risiko, die Steuerbefreiung nicht zu erlangen, ausgeschlossen. Der Beklagten zu 1 ist es mithin gelungen, den Vorgang noch vor der teils rückwirkenden Gesetzesänderung unter dem Dach des bisherigen Rechts abzuwickeln (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juli 2004, aaO).
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3. Die Beklagte zu 1 war entgegen der Auffassung der Revision nicht unter dem Gesichtspunkt des sichereren Wegs zu der Empfehlung an die Klägerin verpflichtet , die Klägerin möge die Anteile an der A. A. und die A. die Anteile an ihren Tochtergesellschaften in die Holding-Gesellschaft einbringen und die Anteile an dieser Holdinggesellschaft an die B. veräußern.
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a) Wäre der Veräußerungsvorgang in dieser Weise abgewickelt worden, hätte die Gefahr einer Missbilligung durch die Finanzverwaltung wegen einer Umgehung des § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG bestanden. Falls die Anteilsübertragung auf eine Zwischengesellschaft nicht auf Dauer angelegt ist und lediglich dazu dient, die Anteile an der Altgesellschaft steuerfrei zu veräußern, geht die Finanzverwaltung regelmäßig von einem Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO aus (Seibt, aaO). Die persönliche Sperre des § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG wirkt also auch bei mittelba- ren Veräußerungen (BMF-Schreiben vom 28. April 2003, BStBl. I 2003, 292 Rn. 38, 49; Gail/Goutier/Grützner/Janssen, KStG § 8b Rn. 170). In einer solchermaßen verdächtigen Weise hätte sich der Streitfall gestaltet, wenn die Klägerin mit der A. eine Holding-Gesellschaft errichtet hätte, in die von der Klägerin die A. A. und von der A. deren Tochtergesellschaften eingebracht worden wären. Die Anteilsübertragung auf die Holding-Gesellschaft hätte dann dem ausschließlichen Zweck gedient , die Anteile an der -Gruppe steuerfrei zu veräußern. Eine dahingehende Bewertung war hier vor dem Hintergrund des der Finanzverwaltung ursprünglich mitgeteilten , anders lautenden Veräußerungskonzepts durchaus naheliegend, weil die neu gegründete Holdinggesellschaft allein zum Zwecke eines steuerbegünstigten Verkaufs errichtet worden wäre. Während nach der seitens der Beklagten entwickelten Konzeption die Gründung der Holdinggesellschaft zumindest auch einem erleichterten Verkauf sämtlicher Beteiligungen unter einem Dach diente, wäre nach dem Modell der Klägerin die Holding ausschließlich zu steuerlichen Zwecken gegründet worden. Die Klägerin wollte nach ihrem Revisionsvorbringen gerade nicht den Weg des unmittelbaren Verkaufs der Tochtergesellschaften durch die A. beschreiten. Statt dessen sollten die Tochtergesellschaften der A. unter Einbeziehung der unmittelbar von der Klägerin gehaltenen A. A. in eine Holding eingebracht werden, an der neben der A. auch die Klägerin als Muttergesellschaft sowohl der A. und deren Tochtergesellschaften als auch der von ihr selbst eingebrachten A. A. beteiligt war. Die Annahme einer Umgehung liegt aber überaus nahe, wenn eine Gesellschaft , der bei einer Eigenveräußerung steuerliche Nachteile drohen, mittelbar an der Veräußerung ihrer Tochter- und Enkelgesellschaften mitwirkt. Vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme, dass die von der Klägerin angeführte Alternative aus der damaligen Warte im Vergleich zu dem von der Beklagten zu 1 entwickelten Modell einen sichereren Weg zur Erlangung der Steuervergünstigung dargestellt hätte. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass eine Steuerbefreiung auch nach der vermeintlich sicheren Variante der Klägerin nur in Anwendung der Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG zu verwirklichen gewesen wäre.
18
b) Darüber hinaus war der von der Klägerin favorisierte Weg angesichts der nach § 37 Abs. 7 KStG ebenfalls mit Rückwirkung ausgestatteten Regelung des § 15 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG in der Fassung vom 20. Dezember 2001 mit weiteren erheblichen steuerlichen Unwägbarkeiten verbunden, welche der Annahme entgegenstehen , dass im Rahmen dieser Vorgehensweise der steuerliche Vorteil am sichersten zu verwirklichen gewesen wäre. Wegen der hier gegebenen konzernrechtlichen Verflechtung bestand die Gefahr, dass die Klägerin die erstrebte Steuerersparnis mit Hilfe der von ihr bevorzugten gesellschaftsrechtlichen Gestaltung nicht realisieren konnte. Da die A. den durch den Verkauf ihrer Anteile an der neu gegründeten Holdinggesellschaft erzielten Erlös als Organgesellschaft aufgrund des Gewinnabführungsvertrages an die Klägerin als Organträgerin hätte abführen müssen, wäre nach § 15 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG für die Anwendung des § 8b KStG auf die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin abzustellen gewesen. Dann wäre der Sachverhalt auch auf der Grundlage des von der Klägerin bevorzugten Weges im Ergebnis steuerrechtlich so zu beurteilen gewesen, wie wenn die Klägerin selbst die Veräußerung vorgenommen hätte.
19
Dies räumt auch die Revision ein. Sie macht lediglich geltend, das Eingreifen des § 15 KStG ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung des Streitfalles. Die in § 15 Nr. 2 KStG enthaltene Anordnung, den § 8b KStG auf die Organgesellschaft nicht anzuwenden, rechtfertige nicht den Schluss, bei der Organgesellschaft handele es sich von vornherein um einen nicht durch § 8b KStG begünstigten Steuerpflichtigen. Auch würde diese Begünstigung weitgehend leer laufen, wenn die Einbringung durch eine Organgesellschaft die Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG praktisch ausschließe. Dem ist nicht zu folgen.
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aa) Da § 8b Abs. 2 KStG nur von einer Körperschaft in Anspruch genommen werden kann, könnte ein als Personengesellschaft konstituierter Organträger über eine als Körperschaft verfasste Organgesellschaft in den Genuss ihm seiner Rechtsform wegen nicht zustehender Steuervergünstigungen gelangen. Nach § 15 Nr. 2 Satz 1 KStG werden deshalb die Vorschriften des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG auf eine Organgesellschaft nicht angewendet. Vielmehr ordnet § 15 Nr. 2 Satz 2 KStG zur Vermeidung einer unberechtigten Steuerbegünstigung des Organträgers an, dass § 8b KStG nur bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers und nicht der Organgesellschaft anzuwenden ist (vgl. BT-Drucks. 14/6882 S. 37 f). Die Bestimmungen über die Freistellung von Beteiligungserträgen finden mithin ausschließlich auf der Ebene des Organträgers Berücksichtigung (Münch.Hdb.AG/Kraft, 3. Aufl. § 71 Rn. 49). Die Regelung des § 8b KStG kommt dem Organträger - hier also der Klägerin - somit nur zustatten, wenn die Vorschrift ihren tatbestandlichen Voraussetzungen nach für ihn und auch seine Rechtsform gilt (Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, aaO § 15 Rn. 18). Mit Hilfe der Regelung des § 15 Nr. 2 Satz 1 KStG wird also Vorsorge dagegen getroffen, dass die Rechtsfolgen des § 8b KStG einen Steuerpflichtigen begünstigen, der nicht in den Anwendungsbereich des § 8b KStG fällt (Erle in Erle/Sauter, aaO § 15 Rn. 35). Die steuerliche Behandlung bei der Organgesellschaft angefallener Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen bestimmt sich folglich danach, ob sie auf der obersten Beteiligungsstufe einer Körperschaft zuzurechnen sind (Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, aaO § 15 Rn. 19). Da sonach allein die für den Organträger selbst geltenden Besteuerungsregeln maßgeblich sind, kommt ihm eine Steuerbefreiung nach § 8b KStG nicht zugute, falls er nicht unter den durch diese Vorschrift begünstigten Personenkreis fällt (Gosch/Neumann, aaO § 15 Rn. 17; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, aaO § 15 Rn. 18).
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bb) Das von der Klägerin favorisierte Modell einer Veräußerung der Tochtergesellschaften der A. über eine gemeinsam mit der Klägerin errichtete HoldingGesellschaft hätte danach - ebenso wie eine unmittelbare Veräußerung der Tochtergesellschaften durch die A. - wegen des zwischen der A. und der Klägerin bestehenden Ergebnisabführungsvertrages und der durch § 15 Nr. 2 Satz 1 und 2 KStG angeordneten Anwendung des § 8b KStG auf die Klägerin nicht zu einer anderen steuerlichen Bewertung geführt. Die Klägerin wäre nicht in den Genuss des § 8b Abs. 2 KStG gelangt, weil wegen des Erwerbs der Anteile an der A. von der W. KG, die nicht zu den nach § 8b Abs. 2 begünstigten Steuerpflichtigen gehört, der Versagungsgrund des § 8b Abs. 4 Nr. 2 KStG vorgelegen hätte. Ohne Bedeutung ist es, dass die Anteile der A. an ihren Tochtergesellschaften an sich in Einklang mit § 8b Abs. 2 steuerbefreit veräußert werden konnten, weil die Besteuerung durch § 15 Nr. 2 auf die Ebene des Organträgers verlagert wird. Den Steuervorteil hätte die Klägerin deshalb, was die Revision nicht verkennt, ebenfalls nur auf der Grundlage der Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG und unter den gleichen Voraussetzungen wie im Rahmen der tatsächlich gewählten Gestaltung erzielen können. § 8b Abs. 2 KStG wäre folglich nicht ohne weiteres auf den von der Klägerin erzielten Veräußerungsgewinn anzuwenden gewesen. Ob die Steuerbefreiung des § 8b KStG gewährt würde, richtete sich vielmehr auch bei Wahl dieser Veräußerungsform gemäß § 15 Nr. 2 Satz 2 KStG allein nach den steuerlichen Gegebenheiten bei der Klägerin. Deshalb war das Modell der Klägerin mit denselben Risiken behaftet, welche sie bei dem Modell der Beklagten zu erkennen glaubt.
22
cc) Ob es - wie die Revision meint - "zirkelschlüssig" wäre, wollte man aus der Nichtanwendungsanordnung in § 15 Nr. 2 Satz 1 KStG folgern, bei einer Organgesellschaft greife § 8b KStG schon tatbestandsmäßig nicht ein, kann dahin stehen. Entscheidend ist, dass § 8b Abs. 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers zur Anwendung kommt und dass die Steuerbefreiung so oder so nur in Anwendung der Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG zu verwirklichen gewesen wäre, was die Revision nicht in Abrede stellt.
23
dd) Entgegen der Auffassung der Revision steht die hier entwickelte Lösung auch nicht mit Sinn und Zweck des Gesetzes in Widerspruch. Es mag zutreffen, dass "die meisten deutschen Konzerne steuerrechtlich eine Organschaft darstellen". Deswegen laufen die Begünstigungen des §8b Abs.2 KStG aber nicht ins Leere. Sie können allerdings nur von dem Organträger in Anspruch genommen werden, falls dieser die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.09.2006 - 13 O 289/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.10.2007 - I-23 U 199/06 -

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.