Oberlandesgericht Köln Urteil, 17. Okt. 2014 - 19 U 81/11

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2014:1017.19U81.11.00
bei uns veröffentlicht am17.10.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.03.2011 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 91 O 128/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die T B 47.122,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2001 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits - einschließlich jener des Revisionsverfahrens - tragen die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


G r ü n d e :

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Oberlandesgericht Köln Urteil, 17. Okt. 2014 - 19 U 81/11 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 265 Veräußerung oder Abtretung der Streitsache


(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. (2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einf

Handelsgesetzbuch - HGB | § 89b


(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit 1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 325 Subjektive Rechtskraftwirkung


(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, das

Zivilprozessordnung - ZPO | § 318 Bindung des Gerichts


Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2013 - VII ZR 44/12

bei uns veröffentlicht am 11.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZR 44/12 vom 11. April 2013 in dem Rechtsstreit Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier, Kosziol und

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten.

(2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden.

(3) Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, dass er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1.
der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2.
die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1.
der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
2.
der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
3.
auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

(4) Der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1.
der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2.
die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1.
der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
2.
der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
3.
auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

(4) Der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 44/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben. Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 281.210,53 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten über die von der Klägerin begehrte Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs gemäß § 89b HGB analog.
2
Die Klägerin, die mit Kraftfahrzeugen handelte, war mehrere Jahrzehnte als Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch eine von der Beklagten zum 31. August 2001 erklärte Kündigung.
3
Die Klägerin verlangt einen Vertragshändlerausgleich in Höhe von 281.210,53 €, zu zahlen an die Stadtsparkasse A. Die Klägerin will ihrer Be- rechnung die letzten fünf Vertragsjahre zugrunde legen, weil sie das letzte Vertragsjahr nicht für repräsentativ hält.
4
Durch Grundurteil vom 21. April 2004 hat das Berufungsgericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.
5
Im Betragsverfahren hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin den Ausgleichsanspruch weiter.

II.

6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin sei bei der Anspruchsberechnung nicht vom letzten Vertragsjahr (1. September 2000 bis zum 31. August 2001) ausgegangen. Sie habe auch nicht vorgetragen, warum die Neuwagenumsätze mit Mehrfachkunden im letzten Vertragsjahr atypisch gewesen seien. Die vorgetragenen Zahlen über den Erlös der Vorjahre belegten, dass das Jahr 2000 im Vergleich zu den Vorjahren nicht atypisch verlaufen sei. Der Hinweis auf allgemeine Kaufzurückhaltung und "ruinösen" Wettbewerb durch das Autohaus L. reiche nicht aus.
7
Die Klägerin habe auch zu ihrem Umsatz im Neuwagengeschäft mit Mehrfachkunden nicht hinreichend vorgetragen. Dies habe bereits das Landgericht ausgeführt. Es sei darzulegen, dass und wann ein als Mehrfachkunde in Ansatz gebrachter Kunde ein weiteres Neufahrzeug erworben habe. Die Kläge- rin habe auch nicht vorgetragen, dass und warum die von ihr benannte Zeugin K. die behaupteten Verkaufsvorgänge bestätigen könne.
8
Aus den mit der Klageschrift überreichten Listen (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei, weil nicht festgestellt werden könne, welche Verträge im letzten Vertragsjahr oder im Zeitraum von vier Jahren vor dem letzten Vertragsjahr geschlossen worden seien. Es fehle insbesondere an Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und dazu, ob es sich um einen Neuwagenkauf handele.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör verletzt.
10
a) Zu Recht macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - XI ZR 471/11, juris, Rn. 7; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, juris, Rn. 8; vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris, Rn. 14; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, juris, Rn. 5; vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris, Rn. 14; jeweils m.w.N.).
11
aa) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass zur Annahme einer Stammkundeneigenschaft von Kunden eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers in der Regel eine Nachbestellung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erstkauf erforderlich ist (BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 17/09, NJW 2011, 3438 Rn. 17; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 19 f.; vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 3: Vertriebsrecht, 3. Aufl., Teil II Rn. 35). Das greift die Beschwerde nicht an.
12
bb) Das Berufungsgericht hat beanstandet, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen zur Klageschrift (Anlagen 16 bis 21) ergebe sich nicht hinreichend, wer Mehrfachkunde sei. Es fehlten insbesondere Angaben zum Datum des Vertragsschlusses und zu der Frage, ob es sich dabei um den Kauf eines Neuwagens handele. Das wird dem Vortrag der Klägerin nicht gerecht, wonach die von ihr angebotene Zeugin K. nur solche Kunden in die mit der Klageschrift überreichten Listen eingetragen habe, die in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Neuwagen - in den Listen gekennzeichnet als "NW" - bei der Klägerin gekauft hätten. Die Zeugin habe dies, so hat die Klägerin vorgetragen, anhand früherer Umsätze überprüft; sie sei im Verkauf tätig gewesen und habe (meist) aus eigener Kenntnis gewusst, dass es sich um Stammkunden gehandelt habe. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt, dass die Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 für die ersten Monate des letzten Vertragsjahres nähere Angaben zu früheren Käufen durch mehrere Kunden gemacht hat. In der Liste 20 betrifft dies die Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1902, 1982, 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945, 1850 und 1987. Die Klägerin hat dabei in den meisten Fällen (Geschäfte mit den "NW"-Nummern 1983, 1932, 1984, 1820, 1954, 1945) konkret auf andere, ihrerseits mit "NW"-Nummern bezeichnete Geschäftsunterlagen Bezug genommen, die sie im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Insbesondere anhand von Rechnungen erschließt sich herkömmlicherweise das Datum des Vertragsschlusses. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen sind durch ein Versäumnis der Justiz vorzeitig vernichtet worden. Sofern das Datum des Vertragsschlusses nunmehr nicht mehr festgestellt wer- den kann, spricht alles dafür, dass dies auf der von der Klägerin nicht zu verantwortenden Aktenvernichtung beruht.
13
cc) Das Vorbringen der Klägerin bietet unter diesen UmständenAnlass für eine Schätzungsvernehmung der Zeugin gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für die mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 zusätzlich als Zeugen angebotenen Fahrzeugkäufer W. und B. ("NW"-Nummern 1902 und 1982). Steht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, wie hier, dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung der Höhe, darf von der Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs grundsätzlich nicht schon deshalb abgesehen werden, weil es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung des gesamten Unternehmervorteils (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB analog) und des damit einhergehenden Verlusts des Vertragshändlers (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB a.F. analog) fehlt (BGH, Urteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter III; Emde, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 89b HGB Rn. 354). Auch wenn der Klägervortrag den Sachverhalt nicht vollständig erschöpft, ist zu prüfen, in welchem Umfang dieser eine hinreichende Grundlage für eine Schätzung wenigstens eines in jedem Fall gegebenen Mindestausgleichsanspruchs bietet. Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf nur dann abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23; vom 22. Mai 1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, 257; jeweils m.w.N.).
14
b) Das Berufungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, das die Zeugin K. betreffende Beweisangebot hätte den Anforderungen des § 373 ZPO nur entsprochen , wenn die Klägerin substantiiert zum Inhalt der vorgelegten Listen (Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift) vorgetragen hätte. Das lässt besorgen, dass das Berufungsgericht von der Vorstellung geleitet war, die in den Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift enthaltenen Informationen müssten erneut in der Klageschrift unterbreitet werden. Ein solches Verständnis wäre nicht richtig. Zwar können Anlagen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69 Rn. 25). Allerdings darf die Klägerin auf die vorgenannten Anlagen, die sie der Klageschrift beigefügt hat, Bezug nehmen, weil diese aus sich heraus verständlich sind und dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangen. Es wäre Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in den Anlagen 16 bis 21 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann erneut schriftsätzlich dem Gericht unterbreiten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639 unter II 3 a; siehe auch BVerfG, NJW 1994, 2483). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall im Hinblick auf die Anlagen 16 bis 21 zur Klageschrift jedoch nicht vor.
15
3. Der angefochtene Beschluss beruht im Hinblick auf das nachAnsicht des Berufungsgerichts maßgebliche letzte Vertragsjahr (1. September 2000 bis 31. August 2001) auf der Grundrechtsverletzung. Denn es ist - was für die Annahme eines Beruhens bei Verfahrensfehlern ausreicht (BGH, Urteil vom 20. März 1995 - II ZR 198/94, NJW 1995, 1841 unter II 2; MünchKommZPO/ Krüger, 4. Aufl., § 545 Rn. 14) - nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es den von der Klägerin angebotenen Beweis für die Werbung von Stammkunden erhoben hätte.
16
4. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , seine Auffassung zu überprüfen, wonach das letzte Vertragsjahr repräsentativ und deshalb maßgeblich sei. Der für den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB analog maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prog- nosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (BGH, Urteile vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II B 1 b; vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vom 28. April 1999 - VIII ZR 354/97, BGHZ 141, 248, 252; vom 22. März 2006 - VIII ZR 173/04, NJW-RR 2006, 1328 Rn. 20; vom 1. Oktober 2008 - VIII ZR 13/05, NJW-RR 2009, 824 Rn. 20; vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 209/07, NJW 2011, 848 Rn. 26; MünchKommHGB/ von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 89b Rn. 131; Thume, aaO, Teil II Rn. 39, 91). Das Berufungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Umsätze der Klägerin im Neuwagengeschäft nach ihrem Vortrag im letztenVertragsjahr deshalb zurückgegangen seien, weil im Zuge einer von der Beklagten Ende 1999/Anfang 2000 veranlassten Umstrukturierung kleinere Vertragshändler, wie die Klägerin, wegfallen sollten und sie nach dem 30. April 2001 im Neuwagengeschäft keinerlei Umsatz mehr erwirtschaftet habe.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 30.03.2011 - 91 O 128/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.01.2012 - 19 U 81/11 -

(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1.
der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2.
die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1.
der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
2.
der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
3.
auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

(4) Der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1.
der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2.
die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1.
der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
2.
der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
3.
auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

(4) Der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.