Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2016 - 20 U 30/16
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6. Januar 2016 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen ‑ 9 O 395/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 63.950,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 74% und die Beklagte zu 26% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 15.070,- € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Versicherungsnehmer D. A. schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine kapitalbildende Rentenversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Mai 1998 ab. Die Versicherungsnehmerin D. X. schloss mit einer weiteren Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Mai 2005 ab. Beide Versicherungsnehmer traten ihre Ansprüche aus den abgeschlossenen Versicherungen im April 2004 (A.) bzw. November 2008 (X.) im Zuge von Vertragsübernahmen an die Klägerin ab. Unter dem 11./17. Dezember 2008 trat die Klägerin sämtliche Rechte aus dem von der Versicherungsnehmerin X. übernommenen Versicherungsvertrag an die C-Bank zur Sicherung von Ansprüchen aus einem Rahmenkreditvertrag ab (Anlage B 12). Die Klägerin kündigte die Versicherungen im Mai 2004 (A.) bzw. im Juli 2010 (X.), woraufhin die Beklagte jeweils Rückkaufswerte auskehrte. Mit Schreiben vom 22. bzw. 23. Mai 2014 erklärte die Klägerin zu beiden Verträgen den Widerspruch.
4Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich der ausgekehrten Beträge.
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrungen zu den jeweiligen Verträgen seien formal und inhaltlich unzureichend. Der Versicherungsnehmer A. habe zudem keine vollständigen Verbraucherinformationen erhalten. Daher sei sie noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt gewesen.
6Die Klägerin hat beantragt,
71. die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag i.H.v. 52.374,31 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 98.880,59 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz aus dem Betrag i.H.v. 151.254,90 € seit dem 24.05.2014 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an der Lebensversicherung Nr. 000000, abgeschlossen am 21.04.1998/14.04.1998 zwischen der Beklagten und dem Zedenten D. A.;
82. die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag i.H.v. 50.055,61 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 45.007,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz aus dem Betrag i.H.v. 95.062,61 € seit dem 24.05.2014 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an der Lebensversicherungsnummer 00000000, abgeschlossen am 14.03.2005/06.05.2005 zwischen der Beklagten und der Zedentin D. X.;
93. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung sämtlicher Rechte an den Lebensversicherungen Nr. 000000 und Nr. 00000000 in Verzug befindet.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass die Klägerin noch zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F. berechtigt ist.
13Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Januar 2016, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
14Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge zunächst in vollem Umfang weiterverfolgt hat.
15Zum Vertrag mit dem ursprünglichen Versicherungsnehmer A. bringt sie vor, die Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Sie befinde sich in einem Anhang zum Versicherungsschein. Zwar sei sie fettgedruckt, aber das reiche nur aus, wenn sich die Belehrung an einer auffälligen Stelle befinde. Hier sei zudem auch an anderer Stelle Fettdruck verwendet worden. Zudem befinde sich die Belehrung nicht in der Police selber; dort werde nur auf die Anhänge verwiesen, was zur Intransparenz führe.
16Die Formulierung „Sie können immer innerhalb einer Frist von 14 Tagen … widersprechen“, sei wegen der Verwendung des Wortes „immer“ irreführend, weil der Eindruck entstehen könne, das Widerspruchsrecht bestehe zeitlich unbegrenzt. Jedenfalls müsse insoweit die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB greifen.
17Irreführend sei auch der letzte Satz der Belehrung, weil er den Eindruck erwecke, der Widerspruch bewirke nur, dass die Versicherungsbedingungen nicht Vertragsbestandteil würden. Fehlerhaft sei es ferner, auf die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hinzuweisen, weil diese europarechtswidrig sei und daher keine Anwendung finde. Darauf, ob der Versicherer dies bei Abfassung der Belehrung gewusst habe, komme es nicht an.
18Zu diesem Vertrag wird auch gerügt, dass die Verbraucherinformationen nicht vollständig seien. Die Klägerin bestreitet weiterhin, dass dem Versicherungsnehmer A. eine Verbraucherinformation bezüglich der Steuerhinweise erteilt worden ist. Jedenfalls seien die Hinweise im Anhang Nr. 4 mit Verweis auf „Steuerhinweise (261-1/96)“ unzureichend.
19Zum Vertrag mit der ursprünglichen Versicherungsnehmerin X. wird vorgetragen, die Belehrung sei inhaltlich unzureichend, weil die fristauslösenden Umstände nicht vollständig benannt werden; es fehle der Hinweis auf die Überlassung der Verbraucherinformation. Der allgemeine Hinweis auf die überlassenen Unterlagen reiche nicht. Die Belehrung sei zudem mit Blick auf den erteilten Hinweis auf die Textform problematisch, weil in den Versicherungsbedingungen für Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, Schriftform vorgeschrieben sei (GA 533). Jedenfalls gelte hier die kundenfeindlichste Auslegung.
20Nach Teilrücknahme (betreffend den Antrag zu 4) und Fallenlassen der Zug-um-Zug-Verurteilung beantragt die Klägerin zuletzt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
211. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 52.374,31 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 98.880,59 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag i.H.v. 151.254,90 € seit dem 24.05.2014 zu zahlen;
222. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 50.055,61 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 45.007,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag i.H.v. 95.062,61 € seit dem 24.05.2014 zu zahlen.
23Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
24Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
25II.
26Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
27A.
28Erfolglos bleibt die Berufung, soweit es Ansprüche in Bezug auf den zunächst von der Versicherungsnehmerin X. geschlossenen Versicherungsvertrag betrifft.
291.
30Die Klägerin hat - ihre Aktivlegitimation unterstellt - hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der auf diesen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des nach Kündigung ausgekehrten Betrags gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Mai 2005 zustande gekommen. Die Versicherungsnehmerin X. hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der von der Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2014 erklärte Widerspruch war verfristet.
31Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
32Dass der Versicherungsnehmerin X. die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen gemäß § 10a VAG mit dem Versicherungsschein übersandt wurden, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
33Die Widerspruchsbelehrung, die in dem 2-seitigen Policenbegleitschreiben vom 6. Mai 2005 (GA 141) enthalten ist, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
34Widerspruchsrecht
35Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
36Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Allerdings erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Der Senat hält dies aber für unschädlich. Die Belehrung stellt klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach „Überlassung der Unterlagen“ beginnt. Damit ist verdeutlicht, dass weder alleine die Überlassung des Versicherungsscheins noch die Überlassung der Versicherungsbedingungen ausreichen, um die Frist in Gang zu setzen, sondern dass es vielmehr noch der Überlassung weiterer Unterlagen bedarf. Welche Unterlagen dies sind, erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber ohne weiteres aus dem weiteren Text des Policenbegleitschreibens, auf das die Belehrung mit der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ersichtlich Bezug nimmt. In dem Policenbegleitschreiben heißt es einleitend:
37„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen
38H RentenFondspolice.“
39Bei diesen Unterlagen handelt es sich im Wesentlichen um den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (vgl. GA 142 ff). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer mithin unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens noch hinreichend klar, dass der Lauf der Widerspruchsfrist auch die Überlassung der Verbraucherinformationen voraussetzt.
40Diese vom Senat bereits zu einer im Wortlaut identischen Belehrung vertretene Auffassung (Senatsurt. v. 6. Dezember 2013 - 20 U 144/13 -) hat der Bundesgerichtshof mit Hinweisbeschluss vom 30. Juni 2015 - IV ZR 16/14 - bestätigt, indem dort angeführt ist, der Senat habe mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung die Ansicht vertreten, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Policenbegleitschreibens dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der abweichenden Auffassung des OLG Hamm (Beschl. v. 24. Juli 2013 - 20 U 106/13 -) folgt der Senat nicht, zumal in dem dortigen Fall auch im Versicherungsschein die Verbraucherinformationen nicht erwähnt wurden, während vorliegend etwa die „Verbraucherinformation zu den Anlagemöglichkeiten“ als „Beilagen zum Versicherungsschein“ angeführt worden sind (GA 143; S. 2 des Versicherungsscheins). Entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 11. August 2015 - 12 U 41/15 -) wird trotz der Verwendung des Begriffs „Beilagen“ im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Die Formulierung in der Belehrung und im Policenbegleitschreiben grenzt den Kreis der Unterlagen nicht ein, so dass für den Versicherungsnehmer nicht der Eindruck entstehen kann, die Verbraucherinformationen gehörten nicht zu den für den Fristbeginn maßgebenden Unterlagen. Diese Rechtsauffassung des Senats hat der Bundesgerichtshof mittlerweile - auch in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Ansicht des OLG Karlsruhe - mehrfach gebilligt (z.B. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2016 - IV ZR 492/15 - und - IV ZR 28/16 - und Beschl. v. 12. Juli 2016 - IV ZR 558/15 -). Die vorliegende Belehrung (und auch der Inhalt des Policenbegleitschreibens) ist identisch mit den den vorgenannten Entscheidungen jeweils zugrunde liegenden Belehrungen. In der nunmehr vorliegenden Entscheidung vom 7. September 2016 - IV ZR 306/14 - hat der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung in den Sachen IV ZR 16/14 und IV ZR 558/15 festgehalten (Rz.11), so dass der Senat derzeit keinen Anlass zu einer Änderung seiner bisherigen Auffassung sieht.
41Die Belehrung ist auch im Übrigen inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie weist zutreffend darauf hin, dass für die Widerspruchserklärung die Textform ausreicht. Ohne Bedeutung ist, dass nach § 3 der Versicherungsbedingungen Mitteilungen an die Versicherung stets schriftlich erfolgen müssen. Das lässt ‑ ungeachtet des Wortes „stets“ - bei vernünftiger Betrachtung keinen Zweifel daran aufkommen, dass speziell für die Widerspruchserklärung die Textform genügt, denn das sagt die Widerspruchsbelehrung unzweideutig. Was Textform bedeutet, muss nicht erläutert werden; der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann diesem Begriff ohne weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch nur in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss (BGH, VersR 2015, 876).
42Da die Beklagte die Versicherungsnehmerin X. mithin über ihr Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihr die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung des Versicherungsscheins überlassen hat, hätte diese das Widerspruchsrecht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
432.
44Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstößt, bedarf keiner Entscheidung. Der Senat ist auch nicht gehalten, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob das Policenmodell im Einklang steht mit den Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 sowie mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990) bzw. Art. 35 der die vorgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002. Einer Vorlage bedarf es deshalb nicht, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. dazu BVerfG, VersR 2015, 693).
45Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es einem Versicherungsnehmer, der mit Überlassung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformationen und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. erhalten hat, auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach nationalem Recht gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (BGH, VersR 2014, 1065). Dem schließt sich der Senat an.
46Es bedarf auch keiner Vorlage an den EuGH zur Entscheidung darüber, ob das Recht zur Lösung vom Vertrag verwirkt sein kann. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht. Die generellen Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt (BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 43 ff.). Danach ist eine missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (zuletzt etwa EuGH, ZfZ 2014, 100, Rz. 29). Rechtsmissbräuchliches Verhalten kann sich auf der Grundlage lediglich objektiver Kriterien ergeben, soweit die mit der einschlägigen Bestimmung verfolgten Zwecke beachtet werden (so insbes. EuGH, Slg. 2000, I-1705, Rz. 34). Wenn – wie vorliegend – der Versicherungsnehmer über sein Vertragslösungsrecht vor Wirksamwerden des Vertrags ordnungsgemäß belehrt wird und er die notwendigen Vertragsunterlagen rechtzeitig erhalten hat, dann sind die mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung angestrebten Ziele erreicht worden (s. BGH, aaO, Rz. 42; BVerfG, aaO, Rz. 47). Demgemäß ist es treuwidrig, wenn sich der solchermaßen belehrte und informierte Versicherungsnehmer unter Berufung auf ein (unterstelltes) gemeinschaftswidriges Zustandekommen des Vertrags von diesem nach Jahren wieder lösen will. Er würde sich dadurch gegenüber den vertragstreuen Versicherungsnehmern einen objektiv widerrechtlichen Vorteil verschaffen.
47Die Treuwidrigkeit des Verhaltens der Klägerin ergibt sich vorliegend daraus, dass die (ordnungsgemäß belehrte) Versicherungsnehmerin X. den Vertrag bis zur Kündigung durch die Klägerin über 5 Jahre lang durch Zahlung der Prämien durchgeführt und dadurch bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags begründet hat. Zudem hat die Klägerin den Widerspruch erst fast 4 Jahre nach der Kündigung erklärt.
483.
49Unabhängig von den Ausführungen zu den Ziff. 1 und 2 ist es der Klägerin selbst bei unterstellter Fehlerhaftigkeit der Belehrung verwehrt, gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Vertragsrückabwicklung nach erklärtem Widerspruch geltend zu machen. Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs kann sich die Ausübung des Widerspruchsrechts bei Vorliegen besonders gravierender Umstände als grob widersprüchliches und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßendes Verhalten des Versicherungsnehmers darstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 11. November 2015 – IV ZR 117/15 – und Beschl. v. 27. Januar 2016 – IV ZR 130/15 -). Allgemein gültige Maßstäbe können hierzu allerdings nicht aufgestellt werden; es ist vielmehr jeweils im Einzelfall festzustellen, ob die Ausübung des Widerspruchs trotz fehlerhafter Belehrung oder unvollständiger Verbraucherinformation mit Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen ist (BGH, Bschl. V. 11. Novembver 2015, aaO, Rz. 16). Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es treuwidrig sein, wenn der Versicherungsnehmer dem Vertragsschluss widerspricht, nachdem der Versicherungsvertrag nach einer Vertragskündigung auf ausdrückliches Verlangen des Versicherungsnehmers fortgesetzt worden ist (BGH, Beschl. v. 11. November 2015, aaO). Ferner ist Treuwidrigkeit angenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag alsbald nach Vertragsabschluss zur Sicherung eines Kredits unter Abtretung auch der Todesfallleistung verwendet hat (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016, aaO). Maßgebender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Abtretung der Todesfallleistung zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraussetzt, und beim Versicherer unter diesen Umständen erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet worden ist.
50Auch im vorliegenden Fall ist die Ausübung des Widerspruchsrechts als grob widersprüchlich zu werten. Die Klägerin hat ausweislich des Abtretungsvertrags mit der C-Bank vom 11./17. Dezember 2008 sämtliche Ansprüche (insbesondere auch diejenigen auf die Todesfallleistung) zur Sicherung von Ansprüchen aus einem Rahmenkreditvertrag abgetreten, und zwar unmittelbar nach der Vertragsübernahme im November 2008. Die Abtretung wurde der Beklagten mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 angezeigt (Anlage B 12). Unter diesen – mit dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 2016 vom zeitlichen Ablauf unmittelbar vergleichbaren – Umständen hat die Klägerin bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags begründet. Dass – anders als in der Konstellation, die dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 2016 (aaO) zugrunde lag – hier die Ansprüche aus der Lebensversicherung nur einmal (nicht, wie dort, noch ein zweites Mal) abgetreten worden sind, steht der Annahme eines grob widersprüchlichen Verhaltens nicht entgegen, denn schon der einmalige Einsatz der Lebensversicherung zur Kreditsicherung wird regelmäßig in dem Versicherer die berechtigte Erwartung wecken, dass der Versicherungsnehmer den Bestand des Vertrags nicht mehr in Frage stellen wird. Das ist auch vorliegend anzunehmen, denn die Abtretung war zeitlich nicht begrenzt.
51B.
52Die Berufung der Klägerin hat in der Sache zum Teil Erfolg, soweit es Ansprüche in Bezug auf den zunächst vom Versicherungsnehmer A. geschlossenen Versicherungsvertrag betrifft.
531.
54Die Klägerin konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 22. Mai 2014 widersprechen. Es steht nicht fest, dass dem Versicherungsnehmer A. bei Aushändigung des Versicherungsscheins auch die Verbraucherinformationen überlassen worden sind. Hierzu hatte der Senat bereits darauf hingewiesen, dass die Klägerin schon erstinstanzlich hinreichend bestritten hatte, dass dem Versicherungsnehmer A. mit Übersendung des Versicherungsscheins auch eine Verbraucherinformation überlassen worden ist; jedenfalls war in Abrede gestellt, dass diese Steuerhinweise erhalten hat. Das Bestreiten ergibt sich aus dem Vortrag auf den Seiten 3 und 6 der Klageschrift und, was die Steuerhinweise angeht, auch aus dem Vortrag auf S. 17 des Schriftsatzes vom 26. Februar 2015 (GA 133). Der Vortrag in der Berufung konkretisiert jenes Vorbringen. Die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil stehen dem nicht entgegen, denn Ausführungen dazu, dass dem Versicherungsnehmer A. die Steuerhinweise gemäß Vordruck 261-1/96 überlassen worden sind, finden sich im Urteil nicht. Der bloße Hinweis darauf, dass dieser Vordruck im Anhang Nr. 4 zum Versicherungsschein erwähnt und auf ihn Bezug genommen wird, ist keine Feststellung dazu, dass der Versicherungsnehmer A. diesen Vordruck auch tatsächlich erhalten hat.
55Dafür, dass die Beklagte dem Versicherungsnehmer A. Verbraucherinformationen (jedenfalls Steuerhinweise) überlassen hat, ist sie darlegungs- und beweispflichtig (§ 5a Abs. 2 Satz 2 VVG a.F.). Beweis hat sie nicht angetreten. Das geht zu ihren Lasten.
56Die Klägerin war noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar (BGHZ 201, 101 ff.; BVerfG, VersR 2016, 103). Die insoweit vom Bundesgerichtshof vorgenommene teleologische Reduktion jener Bestimmung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, VersR 2016, 103).
57Die Kündigung des Versicherungsvertrags steht dem Widerspruch nicht entgegen; ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BGH, aaO, Rz. 36/37.
58Das Widerspruchsrecht ist weder verwirkt noch stellt seine Ausübung im Jahr 2014 einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Besonders gravierende Umstände, die der Klägerin die Geltendmachung ihrer Ansprüche ausnahmsweise verwehren würden, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Angenommen hat der Bundesgerichtshof solche Umstände bislang, wenn die Versicherung nach vorausgegangener Kündigung auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers fortgeführt wurde (Beschl. v. 11. November 2015 ‑ IV ZR 117/15 -) oder wenn die Lebensversicherung zur Kreditsicherung mit Abtretung insbesondere der Todesfallleistung eingesetzt worden ist (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15 -), hingegen nicht, wenn der Versicherungsnehmer ein Policendarlehen in Anspruch genommen hat. (BGH, Urt. v. 27. Januar 2016 ‑ IV ZR 488/14 -). Vergleichbare Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Vertragsübernahme unter Abtretung der Ansprüche vom früheren Versicherungsnehmer A. auf die Klägerin keinen solchen Umstand dar. Dieser hat sich hierdurch gerade vom Vertrag mit der Beklagten gelöst, also keinen Vertragsbestätigungswillen erklärt. Für die Klägerin stellt sich die Vertragsübernahme nicht anders als ein Neuabschluss einer Versicherung dar; sie lässt für sich genommen nicht zwingend auf einen unbedingten Bindungswillen schließen.
592.
60Die Klägerin kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil diese rechtsgrundlos geleistet worden sind. Auf den Versicherungsvertrag sind unstreitig Zahlungen in Höhe von 138.466,01 € erbracht worden. Einen Risikoanteil an den Beiträgen macht die Beklagte nicht geltend.
61a)
62Die ausgezahlte Rückvergütung betrug unstreitig 86.091,70 € (GA 25). Darüber hinaus macht die Beklagten mindernd die abgeführte Kapitalertragsteuer mit einem Betrag von 3.311,40 € und einen Solidaritätszuschlag von 182,40 € (s. GA 26) geltend. Der Steuerabzug ist gerechtfertigt (s. BGH, VersR 2015, 1104).
63Zu erstatten sind daher von der Beklagten 48.880,51 €.
64b)
65Nutzungen können der Klägerin in geschätzter Höhe von 15.070,- € zuerkannt werden.
66Ausgehend von dem von der Beklagten nunmehr mit 83.721,85 € angegebenen Sparanteil an den Prämien, den der Senat zugrunde legt (die Angabe des Sachverständigen T mit 84.464,77 € beruht nur auf einer groben Schätzung), kann eine Schätzung unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen Schramm in seiner für die Klägerin erstellten Stellungnahme vom 1. Februar 2015 (GA 166 ff.) angegebenen Nettoverzinsung der Kapitalanlagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten (1998-2000: 7,7%, 2001: 7,1%, 2002: 3,6%, 2003: 4,2%) vorgenommen werden. Bei einem mittleren Zinsdatum des genau 6 Jahr lang laufenden Vertrags (1.5.2001) und einer mittleren Verzinsung von 6% ergeben sich geschätzte Nutzungen von gerundet 15.070,- €. Gezogene Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB hat die Beklagte allerdings nur bis zur Vertragsbeendigung aufgrund der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung zum 1. Mai 2004 zu erstatten; für die Folgezeit kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bestimmte Beträge zugunsten der Klägerin angelegt hat, weil sie dazu vertraglich nicht mehr gehalten war.
67Gezogene Nutzungen auf den Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Da diese Beitragsanteile entsprechend ihrer Bestimmung nicht zur Kapitalanlage genutzt werden (vgl. BGH, VersR 2016, 33), hätte die Klägerin näher vortragen müssen, dass und inwieweit tatsächlich aus diesen Beitragsanteilen Erträge erzielt worden sind. Dazu reicht der bloße Vortrag, diese Beitragsanteile seien in das Eigenkapital geflossen (und deshalb mit der Eigenkapitalrendite zu verzinsen) nicht aus.
68Auf die gezogenen Nutzungen in Höhe von 15.070,- € sind die Abschluss- und Verwaltungskosten, die die Beklagte nunmehr mit 54.743,95 € beziffert, entgegen deren Ansicht (im Anschluss an KG, VersR 2015, 1107) nicht anzurechnen. Eine solche Anrechnung steht nach Auffassung des Senats nicht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Abschluss- und Verwaltungskosten nicht auf den Prämienrückzahlungsanspruch des Versicherungsnehmers anzurechnen sind (BGH, VersR 2015, 1101 und 1104). Die Erwägungen, die der Bundesgerichtshof insoweit als maßgebend angesehen hat, lassen sich auf die Frage, ob eine Anrechnung der Abschluss- und Verwaltungskosten auf gezogene Nutzungen erfolgen muss, übertragen. Ohne Zweifel gilt dies für die Verwaltungskosten, denn deren Anrechenbarkeit scheitert daran, dass sie unabhängig vom konkreten Versicherungsvertrag angefallen und beglichen worden sind; auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, weil die Beklagte auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (so BGH, aaO). Was die Abschlusskosten angeht, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass diese nicht anzurechnen sind, weil der Versicherer insoweit das Entreicherungsrisiko zu tragen hat; das gebiete der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers. Widerspricht es – so der Bundesgerichtshof – aber dem europarechtlichen Effektivitätsgebot, wenn der Versicherungsnehmer zwar auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG dem Zustandekommen des Vertrages widersprechen könnte, aber die Abschlusskosten tragen müsste, dann scheidet eine Anrechnung der Abschlusskosten generell und damit auch auf den Anspruch auf Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB aus.
693.
70Die Beklagte ist somit zur Zahlung von insgesamt 63.950,51 € (48.880,51 € + 15.070,- €) zu verurteilen. Zinsen auf diesen Betrag schuldet die Beklagte nicht schon wie beantragt ab dem 24. Mai 2014. Das Schreiben vom 22. Mai 2014 (GA 27 f.) ist nicht verzugsbegründend, weil keine bezifferte Forderung gestellt wurde. Das Schreiben vom 7. August 2014 ist nicht verzugsbegründend, weil eine weit übersetzte Forderung (117.401,92 €) erhoben wurde (vgl. dazu BGH, VersR 2015, 1101, Rz. 49). Geschuldet sind nur Rechtshängigkeitszinsen (ab 26. November 2014, GA 38 R).
71C.
72Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Der Senat lässt die Revision zugunsten der Beklagten zu, soweit von der Entscheidung des KG (VersR 2015, 1107) abgewichen wird.
74Berufungsstreitwert: bis 260.000,- €
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2016 - 20 U 30/16
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2016 - 20 U 30/16 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juli 2013 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 252/12 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss bei der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 ab. Er kündigte die Versicherung zum 1. Januar 2011. Daraufhin zahlte die Beklagte einen Rückkaufswert von 8.625,64 € (GA 60) aus. Mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 2012 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a VVG.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien (16.500,- €) abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei berechtigt gewesen, dem Vertragsschluss noch im Jahr 2012 gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu widersprechen. Er hat bestritten, dass ihm die allgemeinen Versicherungsbedingungen vor der Antragstellung übermittelt worden seien. Ihm sei nicht erinnerlich, zu irgendeinem Zeitpunkt über das Widerspruchsrecht belehrt worden zu sein. Er könne nicht mehr sicher sagen, „dass sie die Unterlagen erhalten hat; sie kann dies auch nicht ausschließen“ (GA 12). Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das in § 5 a VVG a.F. normierte Policenmodell verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Er hat seinen Anspruch ferner auf eine Verletzung vorvertraglicher Beratungs- und Informationspflichten (auch über nicht offen gelegte Kick-back-Zahlungen) sowie auf eine fehlerhafte Kapitalanlageberatung gestützt und ein Widerrufsrecht wegen vereinbarter unterjähriger Zahlung der Beiträge gegen Zuschlag geltend gemacht.
5
Der Kläger hat beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.724,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen;
72. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.213,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. März 2012 zu zahlen;
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe den Versicherungsschein und mit dessen Übersendung die notwendigen Vertragsunterlagen erhalten.
11Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2013, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen.
12Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Er hält die Widerspruchsbelehrung für fehlerhaft. Er habe „mit Schriftsatz“ (GA 128) vorgetragen, ihm seien die Verbraucherinformationen weder bei noch nach Vertragsschluss übersandt worden. § 5a VVG a.F. hält der Kläger weiterhin für europarechtswidrig. Der Vortrag zum Widerrufsrecht nach verbraucherkreditrechtlichen Vorschriften werde „einstweilen nicht aufrechterhalten“; gleichwohl möge „ das erkennende Gericht dies abschließend würdigen“.
13Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
14Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
15II.
16Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Policenmodells gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a.F. wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 zustande gekommen. Der Kläger hat dem Vertragsschluss nicht binnen der vorliegend maßgebenden Frist von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprochen (§ 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 2012 erklärte Widerspruch war verfristet.
18Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
19Dass dem Kläger die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen gemäß § 10 a VAG mit dem Versicherungsschein übersandt wurden, ist prozessual als unstreitig zu behandeln. Der Kläger hat den Erhalt der Unterlagen unter Hinweis auf seine mangelnde Erinnerung der Sache nach mit Nichtwissen bestritten. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist es einer Partei grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise darf sich in Abweichung hiervon eine Partei auch zu eigenen Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen erklären, wenn nach der Lebenserfahrung glaubhaft ist, dass sie sich hieran nicht mehr erinnert (BGH NJW-RR 2002, 612, 613; ebenso aus jüngerer Zeit OLG Brandenburg, Urt. v. 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12 -, juris-Rz. 14; OLG Hamm, VersR 2012, 745; OLG Celle, Urt. v. 9. Februar 2012 - 8 U 191/11 -, juris-Rz. 34; OLG München, Urt. v. 25. September 2012 - 25 U 1828/12 -, juris-Rz. 11). Die bloße Behauptung, sich nicht erinnern zu können, reicht indes nicht aus (so bereits BGH NJW 1995, 130). Vorliegend ist mit keinem Wort näher dargelegt, ob und in welcher Weise sich der Kläger konkret bemüht hat, seine Erinnerung aufzufrischen bzw. aus welchen Gründen ihm dies nicht möglich war (vgl. zu einer insoweit bestehenden Obliegenheit: OLG Brandenburg, aaO). Vielmehr erschöpft sich auch der zweitinstanzliche Vortrag in allgemeinen, ersichtlich nicht konkret fallbezogenen Ausführungen.
20Die Widerspruchsbelehrung, die in dem 2-seitigen Policenbegleitschreiben vom 20. Dezember 2004 (Anlage B 2) enthalten ist, ist formal und inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie lautet:
21Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
22Im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben macht die Belehrung dem Versicherungsnehmer noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Allerdings erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Der Senat hält dies aber für unschädlich. Die Belehrung stellt klar, dass die Widerspruchsfrist erst nach „Überlassung der Unterlagen“ beginnt. Damit ist verdeutlicht, dass weder alleine die Überlassung des Versicherungsscheins noch die Überlassung der Versicherungsbedingungen ausreichen, um die Frist in Gang zu setzen, sondern dass es vielmehr noch der Überlassung weiterer Unterlagen bedarf. Welche Unterlagen dies sind, erschließt sich dem Versicherungsnehmer aber ohne weiteres aus dem weiteren Text des Policenbegleitschreibens, auf das die Belehrung mit der Formulierung „Überlassung der Unterlagen“ ersichtlich Bezug nimmt. In dem Policenbegleitschreiben heißt es einleitend:
23„wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen
24H Variable Fondspolice.“
25Bei diesen Unterlagen handelt es sich im wesentlichen um den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen (vgl. Anlage B 4). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer mithin unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens noch hinreichend klar, dass der Lauf der Widerspruchsfrist auch die Überlassung der Verbraucherinformationen voraussetzt.
26Die Belehrung ist auch in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt. Dies fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, NJW 2009, 3060). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Widerspruchsbelehrung ist in dem lediglich 2 Seiten umfassenden Policenbegleitschreiben durch Fettdruck und Unterstreichung vom sonstigen Text, der sonst keine fettgedruckten Abschnitte enthält, deutlich abgehoben. Er stellt überdies den letzten Absatz des Schreibens dar und befindet sich unmittelbar unter der Unterschrift der für die Beklagte handelnden Personen. Damit ist entgegen der Auffassung des Klägers gewährleistet, dass die Belehrung nicht übersehen wird.
27Da die Beklagte den Kläger mithin über sein Widerspruchsrecht wirksam belehrt und ihm die notwendigen Vertragsunterlagen mit Zusendung der Versicherungsscheins überlassen hat, hätte der Kläger das Widerspruchsrecht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen, was vorliegend nicht geschehen ist.
28§ 5 a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 1 VVG a.F. steht im Einklang mit europäischem Recht. Diese Gesetzesbestimmungen stellen sich insbesondere nicht als fehlerhafte Umsetzung der Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchstabe A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 bzw. Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A der die erstgenannte Richtlinie ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 dar.
29Die Richtlinienbestimmungen führen aus: „Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang .. (II nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG bzw. III nach Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG) Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.“ In dem jeweils genannten Anhang werden sodann die erforderlichen Angaben im Einzelnen aufgeführt.
30Diesen Anforderungen wird § 5 a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 VVG a.F. inhaltlich gerecht. Soweit er die Übermittlung der Verbraucherinformation nach § 10 a Abs. 1 VAG a.F., in dem die Angaben aus den Anhängen der Richtlinien übernommen worden sind, nicht zwingend bis zur Antragstellung verlangt, bleibt der Vertrag bis zum Ablauf einer vierzehntägigen Widerspruchsfrist nach Überlassung der Unterlagen schwebend unwirksam (vgl. dazu Senat, VersR 2011, 245 und 248 sowie RuS 2011, 216; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837 ff.; OLG Frankfurt, VersR 2005, 631 ff.). Diese rechtliche Konstruktion gewährleistet, dass eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers richtlinienkonform erst nach der gebotenen Verbraucherinformation eintritt (Senat, aaO).
31Die Ausführungen der Generalanwältin T in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12, die sich ‑ über die Frage des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2012 (IV ZR 76/11, VersR 2012, 608) hinaus – in der Sache auch mit der Europarechtskonformität des Policenmodells als solchem beschäftigen, geben dem Senat keinen Anlass, von seiner bisherigen Auffassung, wonach das Policenmodell als solches mit europäischem Recht in Einklang steht, abzuweichen.
32Soweit es eine mögliche Europarechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 31 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992) angeht, bleibt es bei den im vorgenannten Hinweisbeschluss angeführten Erwägungen. Die Generalanwältin dürfte zwar (anders als die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Vertragsverletzungsverfahren 2007/5046) die Konstruktion einer schwebenden Vertragsunwirksamkeit bis zum Ablauf der wirksam in Gang gesetzten Widerspruchsfrist, die dem Policenmodell des § 5a Abs. 1 VVG a.F. zugrunde liegt, erkannt haben (Schlussanträge Ziff. 28). Sie argumentiert indes, die nach der Richtlinie erforderlichen Informationen müssten vor der Wahl eines bestimmten Versicherers und eines bestimmten Vertrags erfolgen (Ziff. 59), also letztlich vor der Abgabe eines konkreten Angebots des Versicherungsnehmers auf Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags (vgl. Ziff. 62). Hergeleitet wird dies aus dem Zweck der Mitteilungspflicht, den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen (Ziff. 59). Dies wird gestützt auf den 23. Erwägungsgrund der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, der lautet:
33Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind.
34Aus der Formulierung in Satz 2 des 23. Erwägungsgrundes („…Vertrag auszuwählen“) kann aber nicht zwingend hergeleitet werden, dass die notwendigen Informationen erfolgen müssen, bevor der Versicherungsnehmer eine ihn wegen des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. noch nicht bindende Vertragserklärung abgegeben hat. Demgemäß heißt es in Art. 31 Absatz 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie auch nicht, dass die erforderlichen Informationen vor Abgabe einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung, sondern „vor Abschluss des Versicherungsvertrags“ zu erfolgen haben. Daraus muss gefolgert werden, dass dem Zweck der Informationspflicht auch dann genügt ist, wenn die Informationen erfolgen, bevor für den Versicherungsnehmer eine vertragliche Bindung eingetreten ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs vom 13. Juni 2013 in der Rechtssache E-11/12. Dort ist lediglich ausgeführt, Ziel der Dritten Lebensversicherungsrichtline sei es, den Verbraucher dadurch zu schützen, dass dieser im Besitz der notwendigen Informationen ist, wenn er seine Wahl trifft (Ziff. 62 der Entscheidungsgründe). Diese Wahl kann der Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss nach dem Policenmodell durch die Ausübung des Widerspruchsrechts, das keiner näheren Begründung bedarf, ausüben.
35Das Policenmodell steht auch im Einklang mit Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 90/619/EWG vom 8. November 1990). Nach Abs. 1 des Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie muss einem Versicherungsnehmer bei einem Lebensversicherungsvertrag von dem Zeitpunkt an, zu dem er davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, eine Frist zwischen 14 und 30 Tagen eingeräumt werden, um vom Vertrag zurücktreten zu können. Den Ausführungen der Generalanwältin dürfte zu entnehmen sein, dass sie die Auffassung vertritt, Art. 15 Absatz 1 verlange, dass das Rücktrittsrecht zu einem Zeitpunkt zu gewähren ist, zu dem der Vertrag bereits für beide Teile bindend geschlossen worden ist (s. Ziff. 60 der Schlussanträge: „Es liegt auf der Hand, dass ein Rücktritt von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen ist, weil kein Angebot und keine Annahme vorliegen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führen, nicht möglich ist.“).
36Nach nationalem Recht hat der Versicherungsnehmer bei einem Vertragsabschluss nach dem Policenmodell kein Rücktrittsrecht. Dieses wird nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 6 VVG a.F. durch das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. ersetzt. Die Generalanwältin scheint demgegenüber verlangen zu wollen, dass dem Versicherungsnehmer bei der Konstruktion des Vertragsabschlusses nach dem Policenmodell ein Rücktrittsrecht einzuräumen ist, wenn der Vertrag mit Ablauf der Widerspruchsfrist bindend geworden ist (so Ziff. 63 und 64).
37Art. 15 Absatz 1 Zweite Richtlinie Leben geht davon aus, dass die Rücktrittsfrist beginnt, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, „dass der Vertrag geschlossen ist“. Damit muss aber nicht zwingend ein für beide Seiten uneingeschränkt bindender Vertrag gemeint sein Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Konstruktion der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist bei Abschluss nach dem Policenmodell bedeutet nicht, dass der Vertrag bis zum Ablauf der Frist ohne jegliche Bindung ist. Auch ein schwebend unwirksamer Vertrag entfaltet eine Bindungswirkung: Insbesondere kann sich der andere Vertragspartner (vorliegend die Versicherung) nicht einseitig vom Vertrag lösen (vgl. zur Bindungswirkung bei schwebender Unwirksamkeit: Staudinger-Knothe, Neubearbeitung 2011, § 108 BGB, Rn. 3). Wenn die Versicherung beim Vertragsschluss nach dem Policenmodell den Versicherungsschein nebst den erforderlichen Unterlagen und der Belehrung über das Widerspruchsrecht übersendet, dann lässt sich das durchaus als Mitteilung, dass damit der Vertrag geschlossen ist, deuten (so auch OLG München, Urt. v. 10. Oktober 2013 – 14 U 1804/13 -, juris-Rz. 40). Aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie lässt sich nicht herleiten, dass dem Versicherungsnehmer bei Abschluss nach dem Policenmodell zwei Lösungsrechte zugebilligt werden müssen (nämlich ein Widerspruchsrecht und anschließend noch ein Rücktrittsrecht). Auch bei Vertragsschluss nach dem Policenmodell hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich innerhalb der Frist, die Art. 15 Absatz 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie vorschreibt, vom Versicherungsvertrag zu lösen, indem er den Widerspruch erklärt. Dass diese Erklärung nach der Konstruktion des Policenmodells bewirkt, dass der Vertrag als von vornherein nicht zustande gekommen anzusehen ist, begünstigt den Versicherungsnehmer sogar, weil das europarechtliche Rücktrittsrecht eine solche Rückwirkung nicht notwendig entfalten muss, denn die Rechtswirkungen des Rücktritts beschreibt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie dahin, dass der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit ist.
38Nach allem hält der Senat das Policenmodell als solches weiterhin für europarechtskonform. Welche Folgen sich aus einer etwaigen Europarechtswidrigkeit des Policenmodells bzw. der Regelung über die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für die Anwendung des nationalen Rechts ergeben würden, bedarf keiner abschließenden Erörterung (vgl. dazu OLG München, aaO). Allerdings könnte in dem hier gegebenen Fall, in dem der Widerspruch erst nach Kündigung und Abwicklung des Vertrags erklärt wird, zu erwägen sein, ob das Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Policenmodells jedenfalls dann erlischt, wenn die beiderseitigen Leistungen vollständig erbracht worden sind. Es liegt nicht fern, die insoweit vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (Urt. v. 16. Oktober 2013 - IV 52/12 -) auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen.
39Ein Widerrufsrecht nach verbraucherkreditrechtlichen Vorschriften steht dem Kläger nicht zu. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen zutreffend entschieden, dass eine vertraglich vereinbarte unterjährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs darstellt (VersR 2013, 341).
40Der Senat lässt die Revision zu. Ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist, dürfte sich unter Berücksichtigung der Äußerungen der Generalanwältin T nunmehr als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung darstellen. Mit Blick auf die Revisionszulassung sieht der Senat von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ab (vgl. Art. 267 AEUV).
41Berufungsstreitwert: 11.724,21 €
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Poli- cenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Dezember 2010 erklärte er die Kündigung des Versicherungsvertrages, woraufhin der Versicherer den Rückkaufswert auszahlte. Mit Schreiben vom Februar 2012 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen , eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
- 2
- Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
- 3
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
- 4
- II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
- 5
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
- 6
- III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte , es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.
- 8
- a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung war das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, auch der Ansicht, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.
- 9
- b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien bis er im Jahr 2010 die Kündigung erklärte. Er ließ dann nochmals über ein Jahr verstreichen bis zur Erklärung des Widerspruchs. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
- 10
- 2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Dr. Brockmöller Dr. Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.07.2013- 26 O 252/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 144/13 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.02.2015 - 9 O 108/14 - wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagten leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
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BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 29. Juni 2016
beschlossen:
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgen- den § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom August 2010 erklärte er den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen , eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
- 2
- Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
- 3
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
- 4
- II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil d. VN die bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss habe verstreichen lassen und fast sechs Jahre die Prämien gezahlt habe.
- 5
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
- 6
- III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es - bei identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text im Versicherungsschein - von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der Senat mit Beschluss vom 30. Juni 2015 (IV ZR 16/14, juris) die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits gebilligt hat.
- 8
- Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das Berufungsgericht, anders als die Revision meint, entschieden, dass die Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Der Senat hat mit genanntem Beschluss die tatrichterliche Beurteilung desselben Berufungssenats für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt, wonach eine wortgleiche Widerspruchsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die Nennung der fristauslösenden Unterlagen im Policenbegleitschreiben genügt, und die Revision durch Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen (Senats- beschlüsse vom 30. Juni 2015 und 16. September 2015 - IV ZR 16/14, juris). Entgegen der Ansicht der Revision gibt die abweichende Beurteilung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer wortgleichen Widerspruchsbelehrung (Urteil vom 11. August 2015 - 12 U 41/15 nicht veröffentlicht ) keinen Anlass zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, wird trotz Verwendung des Begriffs "Beilagen" im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Bedenkenfrei war das Berufungsgericht schließlich auch der Ansicht, die Belehrung in dem Policenbegleitschreiben sei in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.
- 9
- 2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.
- 10
- Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat ist es d. VN auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, bis er im Jahr 2010 unter anderem den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.05.2015- 26 O 156/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.09.2015 - 20 U 97/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 7. September 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 15.895,40 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 29. Juni 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 15. August 2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehindert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 4
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Widerspruchsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, werden hier nicht berührt, denn entscheidend ist im Streitfall, dass d. VN, der dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß über die Möglichkeit belehrt worden ist, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen gleichwohl in Vollzug gesetzt und ihn über mehrere Jahre durchgeführt hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.07.2015- 26 O 471/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 22.12.2015 - 20 U 147/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 30. Juni 2015 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 25. August 2015 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Soweit dort darauf hingewiesen wird, die Revision sei auf die Europarechtswidrigkeit des Policenmodells insgesamt gestützt, begründet dies im Streitfall nicht die Pflicht zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union, da es auf diese Frage hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss näher ausgeführt hat, wäre es dem Kläger, der trotz Belehrung darüber, dass er den Vertrag nicht zustande kommen lassen musste, diesen bis zur Kündigung sechs Jahre lang durchgeführt hat, wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich bei unterstellter Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells auf eine Unwirksamkeit des Vertrags zu berufen. Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten der Versicherungsnehmer festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. März 2015 - 1 BvR 3280/14, juris Rn. 31 ff. m.w.N.) und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil aaO; vgl. auch BVerfG aaO).
- 4
- Soweit die Revision geltend macht, es sei unionsrechtlich ungeklärt , ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften, berührt dies zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung die- ser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 32 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden auch hier nicht berührt, denn entscheidend ist im Streitfall, dass d. VN, der dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß über die Möglichkeit belehrt worden ist, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen gleichwohl in Vollzug gesetzt und ihn über mehrere Jahre durchgeführt hat (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 15.07.2013 - 26 O 252/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 144/13 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Januar 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 11.589,42 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 11. November 2015 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. Dezember 2015 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Der Einwand, das Berufungsgericht, sei schon nach Maßstäben des Europarechts gehindert gewesen, Verwirkung anzunehmen, greift nicht durch. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier in Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 4
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften , berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden auch hier nicht berührt. Ob d. VN bei Wiederin- kraftsetzung des Versicherungsvertrages im Jahr 2000 ordnungsgemäß über das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. belehrt wurde, ist nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass d. VN aufgrund der ihm 1996 erteilten Informationen Kenntnis vom Vertragsinhalt hatte, knüpft seine Treuwidrigkeit - anders als in dem der Senatsentscheidung vom 16. Juli 2014 zugrunde liegenden Fall - nicht an die jahrelange Prämienzahlung nach ordnungsgemäßer Belehrung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Wiederinkraftsetzung des Vertrages den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.02.2014- 25 O 16184/13 -
OLG München, Entscheidung vom 09.12.2014- 25 U 1381/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 22. März 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 9.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 27. Januar 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. März2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehindert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 3
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 4
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden hier nicht berührt. Ob d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, ist hier ausnahmsweise nicht entscheidungserheblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem zweimaligen Einsatz des Versicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits bei dem Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Januar 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 11.589,42 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 11. November 2015 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. Dezember 2015 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Der Einwand, das Berufungsgericht, sei schon nach Maßstäben des Europarechts gehindert gewesen, Verwirkung anzunehmen, greift nicht durch. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier in Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 4
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften , berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden auch hier nicht berührt. Ob d. VN bei Wiederin- kraftsetzung des Versicherungsvertrages im Jahr 2000 ordnungsgemäß über das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. belehrt wurde, ist nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass d. VN aufgrund der ihm 1996 erteilten Informationen Kenntnis vom Vertragsinhalt hatte, knüpft seine Treuwidrigkeit - anders als in dem der Senatsentscheidung vom 16. Juli 2014 zugrunde liegenden Fall - nicht an die jahrelange Prämienzahlung nach ordnungsgemäßer Belehrung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Wiederinkraftsetzung des Vertrages den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.02.2014- 25 O 16184/13 -
OLG München, Entscheidung vom 09.12.2014- 25 U 1381/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 22. März 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 9.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 27. Januar 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. März2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehindert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 3
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 4
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden hier nicht berührt. Ob d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, ist hier ausnahmsweise nicht entscheidungserheblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem zweimaligen Einsatz des Versicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits bei dem Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2016
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
- 2
- Diese wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Versicherungsbeginn zum 1. Januar 2000 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein ein Begleitschreiben , das eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. enthielt. Mit Schreiben vom 28. Juni 2002 kündigte der Kläger den Vertrag; die Beklagte zahlte den Rückkaufswert unter Berücksichtigung einer Vorauszahlung aus. Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 erklärte der Kläger "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".
- 3
- Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits erbrachten Zahlungen, insgesamt 11.451,86 €.
- 4
- Nach Auffassung des Klägers ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
- 5
- Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, da der Kläger jedenfalls nicht innerhalb eines Jahres nach Zahlung der (ersten und einzigen) Prämie gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. widersprochen habe.
- 9
- II. Die Revision ist begründet.
- 10
- 1. Ein - mit der Revision allein weiterverfolgter - Anspruch des Klägers auf Prämienrückzahlung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann dem Kläger mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
- 11
- a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
- 12
- aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Aus der bei den Gerichtsakten befindlichen Kopie des Policenbegleitschreibens ist eine drucktechnische Hervorhebung der W iderspruchsbelehrung nicht ersichtlich. Für die von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Behauptung, die Belehrung sei durch Fettdruck im Originalanschreiben hervorgehoben, hat die Beklagte - wie bereits das Landgericht ausgeführt hat - keinen Beweis angeboten. Im Übrigen ist die Belehrung inhaltlich unzulänglich, weil der erforderliche Hinweis auf die Schriftform des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3 b) fehlt und der Fristbeginn nur an die Übersendung des Versicherungsscheins, nicht auch der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation geknüpft wird (vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 27; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 25).
- 13
- Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 14
- Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
- 15
- bb) Die vorherige Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.).
- 16
- cc) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entsprechend den Regelungen des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften (im Folgenden HWiG) und des Verbraucherkreditgesetzes (im Folgenden VerbrKrG) nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung mit Auszahlung des Rückkaufswertes erloschen.
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- (1) Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften hat der Senat für den Fall angenommen, dass ein Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden ebenfalls VVG a.F.) belehrt worden war (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.). Die Regelungslücke in § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu den Folgen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Widerrufsbelehrung war in dem seinerzeit zu entscheidenden Fall dergestalt zu schließen, dass die Widerrufsfrist in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der Fassung vom 16. Januar 1986 und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990 erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung über das Widerrufsrecht beginnen konnte (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 12, 17 ff.). Allerdings stand dem Versicherungsnehmer bei Fehlen einer ausreichenden Widerrufsbelehrung kein unbegrenztes Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. zu; dieses erlosch vielmehr nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 25 ff.). Auch insoweit hat der Senat eine planwidrige Regelungslücke in § 8 Abs. 4 VVG a.F. gesehen und diese durch analoge Anwendung der an § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfenden Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG geschlossen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt. Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende Rechtsgedanke - die Schaffung von Rechtssicherheit nach Abwicklung des Schuldverhältnisses - lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. übertragen (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 28).
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- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung hat der Senat im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. für Fälle, in denen der Rückkaufswert ab dem 1. Januar 2003 ausgezahlt wurde, abgelehnt, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze - auch unter Berücksichtigung der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB - nicht mehr möglich ist (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
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- Auch für Fälle, in denen - wie hier - der Rückkaufswert vor dem 1. Januar 2003 ausgezahlt wurde, kommt im Rahmen des § 5a VVG a.F. ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung nicht in Betracht. Die Erwägungen für eine entsprechende Anwendung der §§ 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. lassen sich nicht auf das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. übertragen. Zwar mag auch bei dieser Konstellation ein Bedürfnis des Versicherers nach Rechtssicherheit bestehen. Es fehlt aber an einer planwidrigen Regelungslücke , die sich sowohl hinsichtlich des Beginns der Widerspruchsfrist als auch hinsichtlich einer zeitlichen Begrenzung des Widerspruchsrechts mittels der Vorschriften der § 7 Abs. 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 HWiG schließen lässt. Für den Fall des Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. sind § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG deshalb entsprechend anwendbar, weil sie an die Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfen und mit diesen korrespondieren (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 28). Die Bestimmungen über das Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung können nicht losgelöst von diesem Regelungskontext auf das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. angewandt werden, wenn es - wie dargelegt - aufgrund richtlinienkonformer teleologischer Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fortbesteht.
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- dd) Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - auch nicht ausnahmsweise deshalb treuwidrig, weil der Kläger hier ein sogenanntes "Policendarlehen" des Versicherers in Anspruch genommen habe. Dies folgt im Streitfall schon daraus, dass es sich um eine Vorauszahlung auf die künftige Versicherungsleistung handelte, die der Versicherer entsprechend nach der Kündigung des Versicherungsvertrages mit dem Rückkaufswert verrechnet hat. Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden war, ließ die Inanspruchnahme dieser Vorauszahlung keinen Schluss darauf zu, der Kläger hätte auch bei Kenntnis des Widerspruchsrechts an dem Versicherungsvertrag festgehalten und werde von dem ihm zustehenden Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen.
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- b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei- ne Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
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- 2. Der Rückgewähranspruch war bei Erhebung der Klage im Oktober 2011 noch nicht verjährt. Die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB konnte erst mit Schluss des Jahres 2011 beginnen, da der Kläger erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn. 19 ff.).
- 23
- 3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich der Kläger bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
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- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 36 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Kempten, Entscheidung vom 20.04.2012- 32 O 1769/11 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 17.01.2013- 14 U 2153/12 -
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.