Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2016:0826.20U74.13.00
bei uns veröffentlicht am26.08.2016

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. April 2013 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 415/12 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 441,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens IV ZR 202/14 haben die Klägerin zu 95% und die Beklagte zu 5% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 818 Umfang des Bereicherungsanspruchs


(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen


(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Pro

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Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2016 - 20 U 74/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2012 - IV ZR 134/11

bei uns veröffentlicht am 04.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 134/11 vom 4. September 2012 in dem Rechtsstreit Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski am 4. September 2012 beschlossen: Der Stre

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2016 - IV ZR 126/15

bei uns veröffentlicht am 24.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 126/15 Verkündet am: 24. Februar 2016 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:240216UIVZR126.15.0 Der IV.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. März 2016 - IV ZR 202/14

bei uns veröffentlicht am 23.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 202/14 Verkündet am: 23. März 2016 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:230316UIVZR202.14.0 Der IV. Zi

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 202/14 Verkündet am:
23. März 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:230316UIVZR202.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2016

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 8.593,11 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung.
2
Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1997 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.
3
Mit Schreiben vom Juni 2011 erklärte d. VN die Kündigung des Versicherungsvertrages und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2012 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a VVG a.F.
4
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
5
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil sie zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im Policenbegeleitschreiben zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil die Belehrung nicht den notwendigen Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform enthalte. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.
9
II. Die Revision ist begründet.
10
1. Entgegen der Ansicht des Versicherers lag eine zulässige Berufung vor. D. VN hat mit der Berufungsbegründung unter anderem geltend gemacht, dass sie aus europarechtlichen Gründen ihr Recht auf Widerspruch nicht verlieren darf. Damit hat d. VN sich auch gegen eine Verwirkung gewandt.
11
2. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
12
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
13
aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN - auch un- ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung - nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die Widerspruchsbelehrung im hier maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen Anforderungen nicht, weil sie inhaltlich fehlerhaft ist. Sie enthält keinen Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Dieses Formerfordernis konnte d. VN entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24).
14
Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
15
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nichterhalten hat.

16
bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
17
cc) D. VN hat das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. VN keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Ob - wie die Revisionserwiderung meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der genannte Belehrungsmangel ist nicht belanglos , sondern betrifft einen wesentlichen Punkt für die Ausübung des W iderspruchsrechts , nämlich die Form des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 29, 30).
18
b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
19
3. Ein Rückgewähranspruch war bei Erhebung der Klage im November 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2012 beginnen, da d. VN erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. VN Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn. 19 ff.).
20
4. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
21
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 35 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.04.2013 - 26 O 415/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.05.2014 - 20 U 74/13 -

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.

(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.

(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.

(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 202/14 Verkündet am:
23. März 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:230316UIVZR202.14.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2016

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 8.593,11 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung.
2
Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1997 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.
3
Mit Schreiben vom Juni 2011 erklärte d. VN die Kündigung des Versicherungsvertrages und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2012 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a VVG a.F.
4
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
5
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil sie zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im Policenbegeleitschreiben zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil die Belehrung nicht den notwendigen Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform enthalte. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.
9
II. Die Revision ist begründet.
10
1. Entgegen der Ansicht des Versicherers lag eine zulässige Berufung vor. D. VN hat mit der Berufungsbegründung unter anderem geltend gemacht, dass sie aus europarechtlichen Gründen ihr Recht auf Widerspruch nicht verlieren darf. Damit hat d. VN sich auch gegen eine Verwirkung gewandt.
11
2. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
12
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
13
aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN - auch un- ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung - nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die Widerspruchsbelehrung im hier maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen Anforderungen nicht, weil sie inhaltlich fehlerhaft ist. Sie enthält keinen Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Dieses Formerfordernis konnte d. VN entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24).
14
Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
15
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nichterhalten hat.

16
bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
17
cc) D. VN hat das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. VN keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Ob - wie die Revisionserwiderung meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der genannte Belehrungsmangel ist nicht belanglos , sondern betrifft einen wesentlichen Punkt für die Ausübung des W iderspruchsrechts , nämlich die Form des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 29, 30).
18
b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
19
3. Ein Rückgewähranspruch war bei Erhebung der Klage im November 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2012 beginnen, da d. VN erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. VN Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn. 19 ff.).
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4. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
21
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 35 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 (IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.04.2013 - 26 O 415/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.05.2014 - 20 U 74/13 -

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 126/15 Verkündet am:
24. Februar 2016
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:240216UIVZR126.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 3. Februar 2016 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagtenseite gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Januar 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.817,56 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier fondsgebundener Lebensversicherungen und Nutzungsersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung.
2
Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 bzw. zum 1. November 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Die d. VN übersandten Versicherungsscheine enthielten Belehrungen über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F.
3
Jeweils mit Schreiben vom 28. Mai 2013 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., mit Schreiben vom 25. Juni 2013 hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer akzeptierte die Kündigungen und zahlte die Rückkaufswerte aus.
4
Mit der Klage hat d. VN Rückzahlung aller auf die Verträge geleisteten Beiträge (3.197,55 € bzw. 3.123,65 €) nebst Nutzungszinsen abzüglich der bereits gezahlten Rückkaufswerte verlangt.
5
Nach Auffassung d. VN sind die Versicherungsverträge nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 2.817,56 € nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Versicherer auch insoweit Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision hat keinen Erfolg.
8
I. Das Berufungsgericht hat d. VN einen Anspruch auf Erstattung der von ihr auf die Versicherungsverträge geleisteten Prämien abzüglich der auf den Risikoschutz entfallenden Prämienanteile und auf die von dem Versicherer gezogenen Nutzungen zuerkannt und die Rückkaufswerte in Abzug gebracht. D. VN habe den Vertragsschlüssen noch widersprechen können. Die 14-tägige Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Die in den Versicherungsscheinen enthaltenen Widerspruchsbelehrungen seien inhaltlich fehlerhaft, weil der notwendige Hinweis darauf fehle, dass der Widerspruch in Textform zu erheben sei. Dieser Hinweis sei nicht deshalb entbehrlich, weil von der "Absendung" des Widerspruchs die Rede sei.
9
§ 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der ein Erlöschen des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie vorgesehen habe, sei auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar.
10
D. VN habe das Widerspruchsrecht nicht verwirkt und mit der Erklärung des Widerspruchs im Jahr 2013 nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, da die Beklagte es versäumt habe, d. VN ordnungsgemäß zu belehren.
11
D. VN könne somit aus ungerechtfertigter Bereicherung die gezahlten Versicherungsprämien zurückverlangen. Dabei müsse sie sich den darauf entfallenden reinen Risikoanteil für die Lebensversicherungen einschließlich der Todesfall-Zusatzversicherungen anrechnen lassen, um den während der Zeit der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz als erlangten Vermögensvorteil auszugleichen. Es könne nicht darauf abgestellt werden, welche Kosten entstanden wären, wenn alternativ jeweils reine Risikolebensversicherungen abgeschlossen worden wären. Die von dem Versicherer angeführten Beträge (104,42 € und 147,17 €) seien gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legen. Demgegenüber komme eine Anrechnung des Prämienanteils, der auf Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen sei, nicht in Betracht. Die Beklagte könne insoweit vor allem nicht den Einwand der Entreicherung erheben.
12
Nutzungen stünden d. VN nur in Höhe der von dem Versicherer angegebenen Beträge von 218,28 € bzw. 210,63 € zu, die sich aus einer positiven Fondsentwicklung ergäben. Weitergehende Nutzungen könne d. VN nicht beanspruchen. Der Anspruch beschränke sich auf die Erstattung der tatsächlich durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Der ihr insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast habe d. VN nicht genügt.
13
Die Forderungen d. VN seien nicht verjährt, da sie erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts entstanden und die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden sei.
14
II. Die hiergegen gerichtete Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft. Dieses hat die Revision entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht nur beschränkt auf die Höhe der gegen die Beklagte bestehenden Zahlungsansprüche d. VN zugelassen. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Ausweislich seines Tenors wurde die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, was ihre Verurteilung dem Grunde nach mitumfasst. Eine eindeutige Zulassungsbeschränkung auf die Frage der Anspruchshöhe ist auch den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Zulassung damit begründet, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages , dem wirksam widersprochen worden sei, bislang in den Einzelheiten nicht geklärt sei.
15
III. Die Revision ist unbegründet.
16
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht d. VN Bereicherungsansprüche zuerkannt.
17
Die zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsverträge schaffen keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Sie sind infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - jeweils rechtzeitig.
18
a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die in den Versicherungsscheinen enthaltenen Widerspruchsbelehrungen sind bereits insofern inhaltlich fehlerhaft, als sie keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 26 m.w.N.).
19
Ob - wie die Revision in Betracht zieht - eine Belehrung ausreichend ist, die d. VN weitergehend die Möglichkeit eines Widerspruchs auch in mündlicher Form einräumt, kann hier dahinstehen. Aus den in Rede stehenden Belehrungen lässt sich nicht entnehmen, dass auch ein mündlicher Widerspruch genügen sollte.
20
b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
21
aa) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
22
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat d. VN das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie d. VN keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39 m.w.N.).
23
Ob - wie die Revision meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der genannte Belehrungsmangel - der fehlende Hinweis auf die Textform - ist nicht belanglos, sondern betrifft einen für die Ausübung des Widerspruchsrechts wesentlichen Punkt (vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 32; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 30).
24
2. Aus der Erklärung des Widerspruchs folgende bereicherungsrechtliche Ansprüche waren, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, bei Klageerhebung im Jahr 2013 nicht verjährt. Die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB konnte erst mit Schluss des Jahres 2013 beginnen, da d. VN erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn. 19 ff.).
25
3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zum Widerspruch des Vertrages faktisch genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

26
a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die von dem Versicherer bezifferten Risikoanteile der streitgegenständlichen Lebensversicherungen zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung der Revision könne nicht Prämien in Ansatz gebracht werden, die d. VN hätte zahlen müssen, wenn sie selbständige Risikolebensversicherungen abgeschlossen hätte. Es geht um die rückwirkende Abwicklung der zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge, aufgrund derer d. VN bis zum Widerspruch zeitweilig Versicherungsschutz genossen hatte. Dafür sind die tatsächlich vom Versicherer kalkulierten Risikoanteile anzusetzen, nicht Prämien für den hypothetischen Fall, dass d. VN alternativ reine Risikolebensversicherungen abgeschlossen hätte.
27
b) Hinsichtlich der Abschluss- und Verwaltungskosten kann sich der Versicherer - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat-kausal durch die Prämienzahlungen entstanden, sondern unabhängig von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag angefallen und beglichen worden sind. Auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, da der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 42; IV ZR 448/14 Rn. 47).
28
Hinsichtlich der Abschlusskosten ist das Entreicherungsrisiko nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten der Beklagten zugewiesen.
Der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers gebietet es, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko hinsichtlich der Abschlusskosten trägt (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 43; IV ZR 448/14 aaO Rn. 48).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.06.2014- 26 O 513/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.01.2015 - 20 U 124/14 -

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 134/11
vom
4. September 2012
in dem Rechtsstreit
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 4. September 2012

beschlossen:
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 1.120,37 € festgesetzt.

Gründe:


1
Der Streitwert bemisst sich nach dem Zahlungsanspruch gemäß dem Klageantrag zu 1, den die Klägerin mit der Revision weiterverfolgt hat.
2
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind, auch wenn sie Gegenstand eines eigenen Antrags - des weiterverfolgten Klageantrags zu 3 - sind, als Nebenforderung i.S. der §§ 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG, 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06, VersR 2007, 1713 Rn. 4 ff. m.w.N.).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 22.03.2010- 264 C 14104/09 -
LG München I, Entscheidung vom 14.06.2011- 13 S 7903/10 -

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.