Oberlandesgericht Köln Schlussurteil, 21. Juni 2016 - 9 U 41/15
Tenor
1. Das Teilversäumnisurteil des Senats vom 16.02.2016 – 9 U 41/15 – wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richten.
2. Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz tragen der Kläger zu 76 % und die Beklagte zu 24%, mit Ausnahme der weiteren, im Zusammenhang mit der Säumnis des Klägers im Verhandlungstermin vom 16.02.2016 entstandenen Kosten, die dem Kläger auferlegt werden.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 II, 313 a ZPO abgesehen.
4II.
5Gegenstand des nach rechtzeitigem Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil des Senats vom 16.02.2016 noch anhängigen Berufungsverfahrens ist zum einen die im angefochtenen Urteil des Landgerichts zu Unrecht titulierte Verpflichtung der Beklagten zur Freistellung des Klägers und seiner mitversicherten Ehefrau von den in der Kostenrechnung der Kanzlei N C E vom 29.01.2014 abgerechneten außergerichtlichen Anwaltskosten (2.830,18 €) und den im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten (1.426,99 €) in Höhe von insgesamt 4.257,17 €. Insoweit ist die Berufung der Beklagten begründet.
6Desweiteren ist noch streitgegenständlich der im angefochtenen Urteil des Landgerichts zu Unrecht zuerkannte Anspruch des Klägers auf Deckungsschutz hinsichtlich der angefallenen bzw. noch anfallenden Kosten seines Prozessbevollmächtigten – einschließlich der von letzteren verauslagten Gerichtskosten - im Zusammenhang mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Anlageberatungsgesellschaft T GmbH – im folgenden T - vor dem Landgericht Saarbrücken – zum Teil abgerechnet mit 4.431,36 € und Gegenstand des Freistellungsantrags zu 1), zum Teil Gegenstand des Feststellungsantrags zu 2) -. Hinsichtlich dieses Anspruchs ist die Klage derzeit unbegründet und die Berufung der Beklagten ebenfalls begründet.
7Aufgrund der Unbegründetheit des Einspruchs der Kläger war das angefochtene Teilversäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
8Für den Versicherungsfall ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 eingetreten ist (Art 1 II EGVVG). Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seine Ausführungen im Teilversäumnis- und Teilurteil vom 16.02.2016.
91. Freistellungsantrag zu 1) betreffend die Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers für die außergerichtliche Tätigkeit i.H.v. 2.830,18 € und die im Güteverfahren gegen die T entstandenen Gebühren i.H.v. 1.426,99 €, insg. 4.257,17 €:
10Dem Kläger steht der hinsichtlich dieser Gebühren geltend gemachte Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht zu.
11a) Bei den Anwaltsgebühren, die im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs des Klägers und seiner Ehefrau gegenüber der T und deren Geltendmachung im Güteverfahren entstanden sind, handelt es sich nicht um „gesetzliche Gebühren“ eines für den Kläger als Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts i.S.d. § 2 I a) ARB 75, so dass diese im Rahmen der Rechtsschutzversicherung nicht versichert und damit von der Beklagten nicht zu erstatten sind. Da von einer gebührenrechtlichen Identität der Angelegenheiten „Schadensersatzansprüche gegen die T“ einerseits und „Schadensersatzansprüche gegen Herrn G/B GmbH“ andererseits i.S.d. § 15 II RVG auszugehen ist, hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Gebühren nicht noch zusätzlich neben den ihm bereits von der Beklagten erstatteten Gebühren für seine außergerichtliche Tätigkeit und für die Durchführung des Güteverfahrens zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers und seiner Ehefrau gegen den Initiator Herrn G verlangen und abrechnen dürfen.
12Dass dem Kläger diese Gebühren durch die Beklagte erstattet wurden, nämlich durch Begleichung der in der Kostennote vom 29.01.2014 abgerechneten Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit gegen den Gründungsgesellschafter Herrn G und die B2 GmbH in Höhe von 2.830,18 € sowie die Durchführung des Güteverfahrens gegen diese in Höhe weiterer 1.426,99 € (Anl. K 16 Anlagenheft), ist unstreitig.
13Die Abgrenzung der Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, die mehrere Auftragsgegenstände umfassen kann, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse im Einzelfall grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. (BGH, Urt. v. 03.05.2005, – IX ZR 401/00 –, NJW 2005, 2927 ff. in juris Rn. 11 m.w.N.). Auch mehrere Aufträge betreffen regelmäßig dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der Tätigkeit gesprochen werden kann und insbesondere die innerlich zusammengehörenden Gegenstände von dem Rechtsanwalt einheitlich bearbeitet werden können (BGH, Urt. v. 04.12.2007, – VI ZR 277/06 -, VersR 2008, 413/414 in juris; BGH, Urt. v. 08.05.2014, – IX ZR 219/13 –, NJW 2014, 2126 ff. in juris Rn. 14; OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.08.2010, – 7 U 97/10 –, BeckRS 2011, 04763 Ziff. 1.). Solange sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts innerhalb dieses Rahmens bewegt, betreffen alle seine Tätigkeiten, auch wenn sie sich auf verschiedene rechtliche Gegenstände beziehen, dieselbe Angelegenheit (OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.08.2010, – 7 U 97/10 –, BeckRS 2011, 04763 Ziff. 1.).
14Soweit der Kläger und seine Ehefrau ihren Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung des ihnen entstandenen Schadens wegen angeblicher Wertlosigkeit der Kapitalanlage gegen die aus ihrer Sicht Verantwortlichen, nämlich den Gründungsgesellschafter Herrn G als Initiator und die T als Anlageberatungsgesellschaft, die ihnen die Kapitalanlage vermittelt hat, mandatiert haben, handelt es sich um einen einheitlichen Auftrag. Dass der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten hierzu durch Unterzeichnung von zwei Vollmachten (K 4 und K 19 Anlagenhaft) formal zwei Aufträge zur außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung gegenüber den beiden vermeintlichen Schädigern erteilt hat, steht der Einheitlichkeit dieser Mandatierung und der Annahme „derselben Angelegenheit“ nicht entgegen. Dafür spricht zunächst die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche gegen beide „Schädiger“ an demselben Tag, am 09.10.2011, wie sich aus den vorgelegten, auf den gleichen Tag datierten Vollmachten (K 4 und K 19 Anlagenheft) ergibt.
15Grundlage der zu verfolgenden Schadensersatzansprüche gegen die genannten Anspruchsgegner war zudem im Wesentlichen derselbe Sachverhalt und derselbe Schaden des Klägers und seiner Ehefrau. Die formale Erteilung von zwei Aufträgen durch den Kläger mit den zu diesem Zweck unterzeichneten zwei Vollmachten steht nach der zitierten Rechtsprechung des BGH der Annahme „derselben Angelegenheit“ nicht entgegen, wenn – wie hier - die übrigen dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ungeachtet dessen, dass schon zweifelhaft sein dürfte, ob die formale Erteilung von zwei Aufträgen auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist, kann eine solche rein formelle Aufspaltung ohne plausiblen Grund nicht dazu führen, dass bei Vorliegen eines einheitlichen Rahmens und eines inneren Zusammenhangs zwei verschiedene Angelegenheiten angenommen werden müssen.
16Infolge dessen bedurfte es auch keiner Beweisaufnahme darüber, ob die Interessenwahrnehmung gegenüber der Anlageberatungsgesellschaft einerseits und gegenüber dem Initiator G andererseits auf einem jeweils separat erteilten Auftrag beruhte.
17Die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers hielt sich auch im gleichen Rahmen. Er sollte die jeweils in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche gegen den Initiator Herrn G sowie gegen die T außergerichtlich geltend machen und sodann ein Güteverfahren durchführen. Nach dessen Scheitern sollten die Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Interessenwahrnehmung des Klägers und seiner Ehefrau gegenüber dem Gründungsgesellschafter einerseits – insoweit Prospekthaftung - und der Anlageberatungsgesellschafter andererseits – insoweit fehlerhafte Anlagenberatung - unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen hatte und es dabei zu unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen der Vorwürfe kommen konnte, hindert die Annahme derselben Angelegenheit nicht. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Anwalt besorgen soll (OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.08.2010, – 7 U 97/10 –, BeckRS 2011, 04763 Ziff. 1.). Dieser bei Mandatsbeginn vorgegebene Tätigkeitsrahmen wurde auch nicht nachträglich verlassen, weshalb die Tätigkeit der Inanspruchnahme zweier Anspruchsgegner auf Ersatz eines Schadens aufgrund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen als eine Angelegenheit anzusehen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob zwingend eine einheitliche Verurteilung der gesamtschuldnerisch Haftenden erfolgt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.08.2010, – 7 U 97/10 –, BeckRS 2011, 04763 Ziff. 1.).
18Ein innerer Zusammenhang zwischen den geltend zu machenden Schadensersatzansprüchen gegen den Gründungsgesellschafter und die Anlageberatungsgesellschaft liegt darin, dass sowohl die Inanspruchnahme des Initiators Herrn G als auch der T als Anlageberatungsgesellschaft ihre Grundlage in der streitgegenständlichen Anlageentscheidung des Klägers und seiner Ehefrau haben, sei es infolge des fehlerhaften Prospekts, sei es aufgrund fehlerhafter Beratung durch die T, welche auf der Grundlage des fehlerhaften Prospekts erfolgt ist. Beide Inanspruchnahmen sind auf Ersatz desselben Schadens gerichtet. Der innere Zusammenhang entfällt auch nicht dadurch, dass die außergerichtliche Inanspruchnahme mit getrennten Schreiben erfolgte, gegen die beiden Schuldner jeweils gesonderte Güteverfahren mit getrennten Anträgen eingeleitet worden sind und die darin jeweils enthaltene Anspruchsbegründung den Anforderungen an den Vortrag der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen angepasst worden ist; denn dies diente gleichermaßen dem mit dem erteilten Mandat angestrebten Ziel der Durchsetzung der vermeintlichen Schadensersatzansprüche des Klägers aus der Kapitalanlage. Dafür spricht auch, dass die Schriftsätze zur Einleitung des Güteverfahrens gegen die beiden vermeintlichen Schädiger jeweils vom 29.12.2011 an die gleiche Gütestelle – Herrn Rechtsanwalt Dreher – gerichtet worden sind, inhaltlich im Wesentlichen identisch waren und die Schadensersatzansprüche jeweils mit der Verletzung von Aufklärungspflichten über die im Einzelnen aufgeführten Aspekte begründet worden sind (vgl. K 5 und K 20 Anlagenheft). Auch ein Vergleich der beiden Klageschriften gegen den Gründungsgesellschafter vom 14.05.2013 (K 15 Anlagenheft) und gegen die T vom 10.06.2013 (K 28 Anlagenheft) zeigt die weitgehende Identität des zugrunde gelegten Sachverhalts. Dass bei einem Vorgehen gegen die T auch ein Lebenssachverhalt von Bedeutung sein kann, dem beim Vorgehen gegen den Gründungsgesellschafter keine Bedeutung zukommen muss, wie der Inhalt des zwischen der T und dem Kläger sowie seiner Ehefrau geführten Beratungsgesprächs, steht der Annahme derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger selbst zum Inhalt des Beratungsgesprächs nichts vorträgt, außer, dass keine Aufklärung über die Risiken der Anlageform und die im Prospekt enthaltenen Unrichtigkeiten erfolgt sein soll.
19b) Die Beklagte ist mit diesem Einwand auch nicht wegen unterlassenen Hinweises gemäß § 158 n S. 2 VVG a.F. aufgrund der Fiktion des § 158 n S. 3 VVG a.F. ausgeschlossen.
20Soweit die Beklagte in ihrem Schreiben vom 03.12.2012 (K 22 Anlagenheft) unter Bezugnahme auf zwei andere Schreiben in einer Parallelsache vom 28.11.2012 (K 23 Anlagenheft) und vom 19.12.2011 (K 7 Anlagenheft) dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt hat, dass dieser die rechtlichen Interessen im Namen und im Auftrag des Klägers und seiner mitversicherten Ehefrau wahrnehmen solle, unter Hinweis darauf, dass die Gebühr für seine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber der B GmbH, Herrn G und der T aber nur einmal anfalle, weil es sich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 II RVG handele, liegt darin keine Berufung der Beklagten auf das Fehlen der Erfolgsaussicht oder auf Mutwilligkeit i.S.d. § 158 n S. 1 VVG a.F. bzw. i.S.d. § 1 I ARB 75.
21Die hinreichenden Erfolgsaussichten der Schadenersatzbegehren des Klägers gegen den Initiator der Kapitalanlage sowie gegen die T hat die Beklagte zu keiner Zeit in Abrede gestellt. Sie hat vielmehr vorgerichtlich im Dezember 2012 den Prozessbevollmächtigten des Klägers in Beantwortung dessen Deckungsanfrage auf Gewährung von Rechtsschutz für eine außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T mit anschließendem Schlichtungsverfahren ausdrücklich ermächtigt, die Interessen des Klägers und seiner Ehefrau außergerichtlich wahrzunehmen.
22Auch auf die Mutwilligkeit will sie sich mit ihrem Hinweis auf die Einheitlichkeit der Angelegenheit i.S.d. § 15 II RVG im Hinblick darauf nicht berufen, dass sie die außergerichtliche Verfolgung der vermeintlichen Schadensersatzansprüche grundsätzlich befürwortet und dafür auch Deckungsschutz gewährt hat, lediglich mit dem Hinweis auf eine rechtliche Einordnung als einheitliche Angelegenheit mit der sich daraus ergebenden Gebührenberechnung. Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung immer dann, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen den voraussichtlich entstehenden Kosten und dem angestrebten Erfolg (Kosten/Nutzen) besteht, d.h. wenn eine Rechtsverfolgung von einer verständigen „bemittelten“ Partei im Hinblick auf das Kosten-Nutzenverhältnis unterlassen würde (MK/Richter, VVG Band 2 2011, § 128 Rn. 10). Das grundsätzliche Bestehen eines Kosten-Nutzenverhältnisses bei der Geltendmachung vermeintlicher Schadensersatzansprüche des Klägers und der mitversicherten Ehefrau gegenüber dem Initiator als auch gegenüber der T hat die Beklagte zu keiner Zeit angezweifelt. Ihr Einwand betraf vielmehr die Frage, ob eine die Leistungspflicht auslösende gesetzliche Gebühr i.S.d. § 2 I ARB 75 angefallen ist, und damit den Umfang sowie die Höhe der bei grundsätzlich anerkannter Leistungspflicht der Beklagten zu erstattenden Gebühren. Dieser Einwand wird von der Fiktion des § 158 n S. 3 VVG a.F. bei unterlassenem Hinweis gemäß § 158 n S. 2 VVG a.F. nicht erfasst.
23§ 158 n VVG a.F. hindert den Deckungsschutz gewährenden Versicherer nicht, eine Gebührenforderung des Anwalts mit der Begründung abzuwehren, es handele sich um unnötige Kosten. § 158 n VVG a.F. erfasst nur den Fall, dass der Versicherer Deckungsschutz für eine bestimmte Interessenwahrnehmung versagt, also erklärt, dass keine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehe. Hingegen befasst sich § 158 n VVG a.F. nicht mit der Frage, welche Leistungen der Versicherer im Rahmen eines zugesagten Deckungsschutzes zu erbringen hat, insbesondere unter welchen Voraussetzungen der Versicherer welche Gebühren des vom Versicherungsnehmer beauftragten Anwalts zu bezahlen hat. Ebenso wenig regelt § 17 ARB 75 diese Frage. Dies ergibt eine Auslegung dieser Normen, die die Frage betreffen, ob die Rechtsverfolgung als solche Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig ist (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 22 – 24).
24Darum geht es vorliegend nicht. Die Parteien streiten vielmehr darüber, ob die aufgrund der außergerichtlichen Tätigkeit und der Einleitung des Güteverfahrens gegen die T entstandenen Anwaltskosten – bei der von der Beklagten anerkannten Pflicht, Versicherungsschutz zu gewähren – notwendig waren oder die hierdurch entstandenen Kosten bei einem kostensparenden Vorgehen vermeidbar gewesen wären.
25In Rechtsprechung und Literatur wird zum Teil unzulässiger Weise zwischen Mutwilligkeit und Schadensminderungsobliegenheit [§ 62 I VVG a.F., § 15 I d) cc) ARB] des Versicherungsnehmers nicht sorgfältig unterschieden; so insbesondere in Fällen unnötiger Kostenerhöhung, wie z.B. bei unnötiger Führung getrennter Prozesse oder dem Einwand der Möglichkeit der einfacheren oder kostengünstigeren Prozessführung (MK/Richter, VVG Band 2, 1. Aufl. 2011, § 128 Rn. 13 m.w.N.). Der Hinweis auf die Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit führt i.d.R. nicht zu einer generellen Ablehnung der Eintrittspflicht, sondern nur zur Nichtübernahme von Mehrkosten aufgrund eines nicht Kosten sparenden Vorgehens. Dabei geht es um subjektiv vorwerfbares Verhalten des Versicherungsnehmers, das grundsätzlich für eine Überprüfung im Rahmen eines Gutachterverfahrens i.S.d. § 158 n VVG a.F. nicht geeignet ist. Eine Ablehnung des Versicherungsschutzes wegen Mutwilligkeit erfolgt hingegen aufgrund objektiver Kriterien und betrifft Rechtsschutzfälle, in denen insgesamt kein Versicherungsschutz gegeben ist. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen und ggf. bestehende Hinweispflichten (§ 158 n S. 2 VVG a.F. bzw. § 128 S. 2 VVG n.F.) ist auf eine exakte Zuordnung zu achten (MK/Richter a.a.O. § 128 Rn. 13).
26Es ist auch keine europarechtskonforme Auslegung von § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F. dahingehend vorzunehmen, dass dieser über seinen insoweit eindeutigen Wortlaut hinaus auch dann anzuwenden ist, wenn der Versicherer – wie hier die Beklagte – sich auf andere Deckungsablehnungsgründe als eine fehlende Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit der rechtlichen Interessenwahrnehmung beruft. Ebenso wenig bedarf es wegen dieser Frage einer Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH gemäß Art 267 III AEUV, weil die für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebliche Regelung in Art 6 der Richtlinie 87/344/EWG hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen das Schiedsverfahren eingeschaltet werden soll, klar ist und § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F. offensichtlich nicht gegen diese unionsrechtliche Bestimmung verstößt, sondern mit dieser vereinbar ist.
27Dabei hat der Senat die ihm nach Art. 288 III AEUV obliegende Verpflichtung zur Verwirklichung des in der Richtlinie vorgesehenen Ziels, zur Gewährleistung des Rechtsschutzes, der sich für den einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und zur Sicherstellung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts berücksichtigt. Ferner hat der Senat bei der Anwendung der speziell zur Umsetzung der o.g. Richtlinie erlassenen Vorschrift des § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F. beachtet, dass zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art 288 III AEUV das innerstaatliche Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.12.2014, - 2 BvR 1549/07).
28Das BVerfG hat ausgeführt, dass Art. 101 I S. 2 GG verletzt werde, wenn zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vorliege oder eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet habe oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung) erscheine und das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreite. Dies sei aber dann nicht der Fall, wenn das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilde, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („Acte clair“) oder durch die Rechtsprechung in einer Weise geklärt sei, die keinen vernünftigen Zweifel offen lasse (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 07.10.2015, - 2 BvR 413/15 -, in juris Rn. 36 m.w.N.). Vorliegend ist von einer von vornherein eindeutigen Rechtslage auszugehen.
29Der BGH hat hierzu unter Bezugnahme auf zitierte Literaturansichten ausgeführt, dass Art. 6 der Richtlinie 87/344/EWG nur die Ablehnung des Deckungsschutzes regele (BGH, Beschluss v. 09.03.2016, – IV ZR 266/14 – in juris Rn. 5). Soweit in Art. 6 der Richtlinie 87/344/EWG die Rede von einem Verfahren sei, in dem die Haltung entschieden wird, „die bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechtsschutzversicherer und seinem Versicherten hinsichtlich des Vorgehens zur Beilegung des Streitfalls einzunehmen ist“, seien damit nur solche Meinungsverschiedenheiten über die Erfolgsaussichten (Mutwilligkeit) angesprochen, nicht etwa solche über das Eingreifen eines Risikoausschlusses (Prölls/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. § 128 Rn. 1; Müller VW 1988 S. 1354 ff.).
30Diese restriktive Auslegung folgt auch nach Überzeugung des Senats zwingend daraus, dass mit dem Begriff „Streitfall“ in Art. 6 der Richtlinie 87/344/EWG der Rechtsstreit des Versicherten mit seinem Streitgegner gemeint ist, für den er Deckungsschutz begehrt. Dafür spricht zunächst die Formulierung des letzten Halbsatzes „…, nachdem die Haltung, die … zur Beilegung des Streitfalles einzunehmen ist, entschieden wird“. Weiteres Argument für dargestellte Auslegung des Begriffs „Streitfall“ in Art. 6 87/344/EWG ist der Wortlaut von Art. 7 EG-Richtlinie 87/344/EWG vom 22.06.1987, worin zwei selbständige Informationspflichten geregelt sind. Zum einen die Pflicht bezüglich des Rechts der freien Anwaltswahl im Falle einer Interessenkollision und zum anderen, eine solche im Hinblick auf die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren nach Art. 6 der Richtlinie 87/344/EWG bei einer Uneinigkeit in der Frage der Regelung des Streitfalles einzuleiten. Auch hier wurde der Begriff des „Streitfalles“, der besser durch „Rechtsstreit“ zu ersetzen wäre, verwandt. Daraus ist zu schließen, dass die Verfasser der EG-Richtlinie unter dem Begriff „Streitfall“ den Rechtsstreit des Versicheren, für den dieser Deckungsschutz begehrt, verstanden haben. Aus der Formulierung „Uneinigkeit in der Frage der Regelung des Streitfalles“ in Art. 7 EG-Richtlinie 87/344/EWG wird vollends deutlich, dass die Verfasser der EG-Richtlinie auf jeden Fall in diesem Zusammenhang den Begriff „Streitfall“ in dem oben darstellten Sinne definiert haben und sie diesen Begriff einheitlich verwendet haben, so dass er auch in Art. 6 EG-Richtlinie 87/344/EWG in gleicher Weise zu verstehen ist (Schröder-Frerkes, Konfliktbeilegungsmechanismen in der Rechtsschutzversicherung, 1991 S.337 – 339). Hieraus lässt sich wiederum der Schluss ziehen, dass das Schiedsverfahren die Haltung (besser die Entscheidung) über das weitere Vorgehen regelt und folglich die Erfolgsaussichten überprüft. Ferner spricht für dieses Verständnis die praktizierte Verfahrensweise in fast allen europäischen Ländern, die überwiegend wegen des seit langem festgestellten hohen Konfliktpotentials Schiedsverfahren für den Bereich der Erfolgsaussichtenprüfung installiert haben. Ansatzpunkte dafür, dass die Verfasser der EG-Richtlinie 87/344/EWG über die bisher geübte Praxis hinausgehen und die Schiedsklausel auf alle möglichen Meinungsverschiedenheiten angewandt wissen wollten, sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
31Dem entspricht auch die in Umsetzung dieser Richtlinie erlassene Regelung des § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F., so dass die beschränkte Geltung der in § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F. geregelten Pflichten der Versicherung auf die darin genannten Deckungsablehnungsgründe nicht zur Europarechtswidrigkeit dieser Vorschrift aufgrund unzureichender Umsetzung der EG-Richtlinie v. 22.06.1987, 87/344/EWG führt. § 158 n VVG a.F. bzw. § 128 VVG n.F. entsprechen auch in ihrer Einschränkung des obligatorischen Schiedsverfahrens auf Meinungsverschiedenheiten über die Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit der EG-RechtsschutzVersRL (Prölls/Martin/Armbrüster a.a.O. § 128 VVG Rn. 1; Staudinger/Halm/Wendt/Brünger, Fachanwalts-Kommentar Versicherungsrecht 2013, § 128 Rn. 3 a.E.). Im Zuge der VVG-Reform ist in § 125 VVG erstmals der Inhalt der den Rechtsschutzversicherer betreffenden Leistungspflicht gesetzlich umgeschrieben worden. Die sich daran anschließenden §§ 126-129 VVG sind inhaltsgleich an die Stelle der §§ 158 l – 158 o VVG a.F. getreten und beschränken sich auf die Umsetzung der versicherungsvertragsrechtlichen Regeln der EG-RechtsschutzVersRL (Abl. EG 1987 Nr. L 185, VerBAV 1987, 442 ff.).
32Demnach ist die Rechtslage i.S.d. der zitierten Entscheidung des BVerfG von vornherein eindeutig, so dass es einer Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 III AEUV nicht bedarf. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 13.07.2010 – Vf. 98-VI-09 – (vorgelegt als K 97 Bl. 452 ff. d.A.), wonach der Anwendungsbereich des § 158 n VVG a.F. seinerzeit noch nicht eindeutig geklärt war, ist damit überholt.
332. Freistellungsantrag zu 1) bzgl. angefallener Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers und von diesem verauslagter Gerichtskosten für die gerichtliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegen die T vor dem LG Saarbrücken i.H.v. 4.431,36 € und Feststellungsantrag zu 2) bzgl. etwaiger in diesem Rechtsstreit noch anfallender weiterer Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers:
34Das Landgericht hat auch Deckungsschutzansprüche des Klägers gegen die Beklagte hinsichtlich der anwaltlichen Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Erhebung der gesonderten Schadensersatzklage gegen die T vor dem Landgericht Saarbrücken und der dafür bereits abgerechneten sowie in Zukunft noch anfallenden Anwaltsgebühren sowie der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verauslagten Gerichtskosten zu Unrecht zuerkannt. Insoweit ist die Klage derzeit unbegründet.
35a) Offen bleiben kann insoweit, ob eine Leistungspflicht der Beklagten aufgrund ihres Einwandes gegenüber diesem Deckungsanspruch des Klägers, die Erhebung einer gesonderten Klage gegen die T in einem neuen Prozess führe zu einer unnötigen Prozesskostenerhöhung, nach 15 I d) cc) ARB bzw. § 62 VVG a.F. wegen der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit ausgeschossen ist.
36b) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung aus der Rechtsschutzversicherung zur Freistellung des Klägers von den bereits abgerechneten Anwaltsgebühren und den verauslagten Gerichtskosten sowie zur Übernahme etwaiger noch entstehender Anwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten in dem Rechtsstreit gegen die T durch ihre vorgerichtlich im Schreiben vom 16.04.2014 erklärte Zusage im Zusammenhang mit der Ablehnung des Ausgleichs der Kostenrechnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.01.2014 erfüllt, sie werde dem Kläger und seiner mitversicherten Ehefrau Rechtsschutz für die Abwehr dieser Forderung gewähren, sollte der Rechtsanwalt seinen vermeintlichen Gebührenanspruch bei ihnen geltend machen wollen (K 32 AH). Dass sich die Zusage des Abwehrschutzes auch auf die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers verauslagten und in der Kostennote vom 29.01.2014 abgerechneten Gerichtskosten in Höhe von 1.668,- € sowie etwaige zukünftig in diesem Rechtsstreit noch anfallende Rechtsanwaltsgebühren beziehen sollte, ergibt sich aus der Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 14.11.2014 (Bl. 97 d.A.), sie habe mit Schreiben vom 16.04.2014 (K 32 AH) dem Kläger „Deckungszusage für die Abwehr der streitgegenständlichen Kostenforderung seiner Prozessbevollmächtigten“ erteilt. Der mit dem Freistellungsantrag zu 1) geltend gemachte Betrag von 8.688,53 € aus der Kostenrechnung vom 29.01.2014 beinhaltete neben den außergerichtlichen und gerichtlichen Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T auch die von diesem mit der Klageerhebung vor dem Landgericht Saarbrücken verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 1.668,- €. Der Feststellungsantrag zu 2) betraf u.a. auch etwaige zukünftig in diesem Rechtsstreit noch anfallende Rechtsanwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers.
37Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH kann der Versicherer den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers hinsichtlich der nach § 2 I a ARB 75 vom Versicherer zu tragenden gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts auch dadurch erfüllen, dass er dem Versicherungsnehmer Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Prozessbevollmächtigten zusagt. Denn auf welche Art und Weise der Versicherer den Kostenbefreiungsanspruch erfüllt, richte sich nach den allgemein für einen Freistellungsanspruch geltenden Regeln. Weder der Versicherungsvertrag noch die einbezogenen ARB 75 noch das Gesetz (§§ 158 l – 158 o VVG a.F. bzw. § 125 VVG n.F.) enthielten vorrangige oder von den allgemeinen Regeln abweichende Bestimmungen, die es ausschließen, dass der Versicherer seine Freistellungsverpflichtung hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren durch Gewährung von Abwehrschutz erfüllt. Es stimme zudem mit der in der Rechtsschutzversicherung angelegten Trennung zwischen Versicherungsvertrag und Mandatsverhältnis überein und benachteilige den Versicherungsnehmer nicht unangemessen (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 32). Hierzu führt der BGH aus, dem Rechtsschutzversicherer stehe es grundsätzlich frei, auf welche Weise er den Versicherungsnehmer von einer Gebührenforderung seines Rechtsanwalts befreie. Entscheidend sei nur, dass das Ergebnis – Befreiung des Versicherungsnehmers von der Verbindlichkeit - erreicht werde (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 33 m.w.N.; BGH, Urt. v. 16.07.2014, – IV ZR 88/13 -, BGHZ 202, 122 ff. Rn. 27 m.w.N.). Über die Frage, ob und in welcher Höhe die vom Versicherer nach § 2 I a ARB 75 zu tragende gesetzliche Vergütung des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts entstanden ist und ob diesem Anspruch Einwendungen entgegenstehen, könne – insoweit für den Versicherungsnehmer auch erkennbar – nur im Mandatsverhältnis zwischen diesem und seinem Anwalt entschieden werden, und richte sich nicht nach dem Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 41). Ein Urteil in einem Prozess zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die streitige Frage der Berechtigung der anwaltlichen Gebührenforderung wäre für den Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers nach allgemeiner Meinung nicht bindend, so dass letzterer trotz eines klageabweisenden Urteils in jenem Prozess an der Durchsetzung seines Gebührenanspruchs gegen den Versicherungsnehmer in einem neuen Prozess nicht gehindert wäre (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 41 m.w.N.). An einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers fehle es, weil die vom Versicherer gewährte Abwehrdeckung dem Versicherungsnehmer bei Gebührenforderungen seines Rechtsanwalts wesentliche Vorteile biete. Der Versicherer trägt Kosten und Risiko des Gebührenrechtstreits zwischen Versicherungsnehmer und seinem Rechtsanwalt, während für einen Rechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Rechtsschutzversicherer bedingungsgemäß kein Versicherungsschutz besteht. Das Ergebnis des Prozesses zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Rechtsanwalt bindet auch den Rechtsschutzversicherer. Nur im Mandatsverhältnis Versicherungsnehmer - Rechtsanwalt besteht die Möglichkeit, in bestimmten Fallgestaltungen einfach und kostengünstig Streitigkeiten über Grund und Höhe der gesetzlichen Vergütung zu entscheiden (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 44). Angesichts dessen falle der dabei bestehende Nachteil für den Versicherungsnehmer, eine streitige Auseinandersetzung mit dem Rechtsanwalt führen zu müssen, nicht entscheidend ins Gewicht, zumal für Rechtsanwalt und Versicherungsnehmer offensichtlich sei, dass diese Auseinandersetzung nicht auf einem Misstrauen des Versicherungsnehmers, sondern auf die Haltung des Versicherers zurückzuführen sei, der die jeweilige Gebührenforderung für unberechtigt halte (BGH, Urt. v. 21.10.2015, – IV ZR 266/14 –, in juris Rn. 45). Diesen Ausführungen des BGH schließt sich der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung im Urteil vom 04.08.2015, - 9 U 82/14 – (r+s 2015, 501 ff.) für die vorliegende Fallkonstellation an. Der Übertragung dieser Rechtsprechung steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Gewährung von Deckungsschutz für eine Klage gegen die T in Form einer Klageerweiterung im anhängigen Rechtsstreit gegen Herrn G im Juni/Juli 2013 und der Zusage der Gewährung von Abwehrschutz gegen die Forderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers seitens der Beklagten mehrere Monate liegen. Auch in der zitierten Entscheidung des BGH vom 21.10.2015, - IV ZR 266/15 – hatte die Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für ein Vorgehen u.a. auch gegen den Wirtschaftprüfer als Gehilfen bereits im Juli 2009 zugesagt, zwei Jahre später im Juli 2011 hat sie dem dortigen Kläger Abwehrschutz gegen eine aus ihrer Sicht unberechtigte Gebührenforderung seiner Rechtsanwälte zugesagt.
38Die Frage, ob die Beklagte sich auf ihren weiteren Einwand der fehlenden Erstattungsfähigkeit der im Rechtsstreit gegen die T entstandenen Anwaltskosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen unnötiger gesonderter Klageerhebung vor einem anderen Landgericht nach § 158 n S. 3 VVG a.F. (= § 128 S. 3 VVG n.F.) aufgrund unterlassenen Hinweises nach § 158 n S. 2 VVG a.F. (= § 128 S. 2 VVG n.F.) nicht mehr berufen kann, brauchte aufgrund des demnach nicht eröffneten Anwendungsbereichs des § 158 n S. 2 VVG a.F. nicht entschieden zu werden.
39Es bedurfte nach dem unter Ziff. 1. dargelegten Verständnis von Art 6 der Richtlinie 87/344/EWG aber auch keiner Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH zu der Frage, ob mit „Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherer und seinem Versicherten“ auch der Streit darüber erfasst ist, ob der Versicherer seine Leistungspflicht aus der Rechtsschutzversicherung dadurch vollständig erfüllt hat, dass er dem Versicherungsnehmer Abwehrschutz gegen die Geltendmachung des im Rechtsstreit gegen seinen Gegner angefallenen Anwaltshonorars seines Prozessbevollmächtigten gewährt, anstatt ihm umfänglichen Deckungsschutz auch für die in diesem Rechtsstreit anfallenden Anwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
40Der in Art 6 der EG-Richtlinie 87/344/EWG geregelte Fall der Ablehnung des begehrten Deckungsschutzes ist – wie dargelegt – nicht gegeben, weil die Beklagte dem Kläger Deckung in der Form zugesagt hat, ihm Kostenschutz gegen die Gebührenforderung ihrer Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit im Rechtsstreit gegen die T einschließlich der von diesen verauslagten Gerichtskosten zu gewähren. Die streitige Frage, in welcher Form der beklagte Versicherer den begehrten Rechtsschutz für den Streitfall zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Gegner gewährt, ist von Art 6 der Richtlinie 87/344/EWG nach deren eindeutigem Wortlaut nicht erfasst.
41Der Kläger kann sich gegenüber dem begründeten Erfüllungseinwand der Beklagten aufgrund gewährten Abwehrschutzes gegen diese Anwaltshonorarforderung des klägerischen Prozessbevollmächtigten nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten berufen. Ein solches kann nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte auf die Deckungsanfrage des Klägers vom 04.06.2013 (K 25) mit der Bitte um Gewährung von Kostenschutz für die gerichtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche angesichts der – vermeintlich (vgl. BGH, Urt. v. 20.08.2015, - III ZR 373/14 -; OLG München, Urt. v. 19.02.2016, - 3 U 621/15 -) - drohenden Verjährung am 30.06.2013 mit Antwortschreiben vom 03.07.2013 – so die Ansicht des Klägers - völlig verspätet reagiert haben soll, mit der Folge, dass diese die darin vorgegebenen Handlungsalternative nicht mehr einhalten konnten, weil durch die vermeintlich erforderliche verjährungshemmende Klageerhebung gegen die T die Gebühren und Kosten überwiegend angefallen seien.
42Es fehlt bereits an einer verzögerten Bearbeitung der Kostendeckungsanfrage vom 04.06.2013 durch die Beklagte. Abgesehen davon, dass die der Beklagten gesetzte Frist bis 12.06.2013 von ca. einer Woche zu kurz bemessen war, hat diese bereits mit Schreiben vom 14.06.2013 (K 26) den Kostenschutz auf die gerichtliche Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegen die T in 1. Instanz erweitert, allerdings nur im Wege der Klageerweiterung im bereits anhängigen Verfahren gegen den Initiator Herrn G. Dieses Schreiben enthielt zudem den Hinweis, diese Zusage gelte auch für die übrigen bei der Beklagten rechtsschutzversicherten Mandanten, für die Kostenschutz im außergerichtlichen Bereich bereits bestätigt worden sei, so dass der Prozessbevollmächtigten des Klägers damit die erforderliche Gewissheit vor Klageerhebung hatte. Mit nachfolgendem Schreiben vom 03.07.2013 (K 27) hat die Beklagte sodann entsprechend ihrer Ankündigung im Schreiben vom 14.06.2013, die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gewünschten individuellen Zusagen für jeden einzelnen Versicherten in den kommenden Wochen zu übermitteln, eine Auflistung der Verfahren übersandt, für die ihre erweiterte Kostenzusage gelten sollte.
43Unter Berücksichtigung, dass der Beklagten vor Gewährung des beantragten Deckungsschutzes eine angemessene Frist zur rechtlichen Prüfung zuzubilligen ist, es sich vorliegend um eine komplexe Angelegenheit gehandelt hat, für eine Vielzahl von Verfahren Kostenschutz beantragt worden war, gebührenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit gesonderter Klageerhebung gegen die T vor einem anderen Gericht erstmals geprüft werden mussten und die Deckungsanfrage vom 04.06.2013 unter Berücksichtigung des normalen Postlaufs von 2-3 Tagen erst am 07.06.2013 bei der Beklagten eingegangen sein dürfte, erfolgte die Beantwortung der Kostendeckungsanfrage seitens der Beklagten mit Schreiben vom 14.06.2013 und 03.07.2013 in einem angemessenen Zeitraum. Es hätte angesichts der vermeintlich drohenden Verjährung Ende Juni 2013 dem Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten oblegen, die Deckungsanfrage rechtzeitiger unter Berücksichtigung der der Beklagten zustehenden Prüfungs- und Bearbeitungszeit zu stellen. Dazu stand dem Kläger ausreichend Zeit zur Verfügung vor dem Hintergrund, dass der Güterichter das vorangegangene Güteverfahren gegen die T bereits am 18.12.2012 für gescheitert erklärt hat und nur noch ein Klageverfahren in Betracht kam. Insbesondere konnte der Kläger weder erwarten noch darauf vertrauen, dass er rechtzeitig eine Rückantwort der Beklagten erhalten würde, zumal seitens der Beklagten auch keine Verpflichtung bestand, die Angelegenheit vorrangig zu bearbeiten, nachdem der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht für eine rechtzeitigere Stellung der Deckungsanfrage gesorgt hatten. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang, dass die Klageschrift gegen die T bereits vom 10.06.2013 datiert, also bereits vor Ablauf der der Beklagten in der Deckungsanfrage gesetzten Frist erstellt und nach dem klägerischen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2016 in der Zeit vom 12. – 14.06.2013 zur Zustellung, also vor Ablauf der angemessenen Bearbeitungsfrist, übersendet worden ist.
44Die Kostenscheidung beruht auf § 92 I, 344 ZPO.
45Die Kostenentscheidung im Teilversäumnisurteil und Teilurteil des Senats vom 16.02.2016 war wie erkannt abzuändern, weil die Beklagte hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2), soweit er ihre bestehende Verpflichtung zur Gewährung von Kostenschutz für die noch nicht abgerechneten, zukünftig noch anfallenden Gerichtskosten sowie die Anwaltsgebühren der T in dem Rechtsstreit betrifft, nach den Ausführungen im rechtskräftigen Teilurteil vom 16.02.2016 vollständig unterlegen ist und ihre insoweit eingelegte Berufung zurückgewiesen worden ist. Da die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre im Rechtsstreit gegen die T angefallenen Anwaltsgebühren bereits vollständig abgerechnet und insoweit Kostenschutz mit dem Freistellungsantrag zu 1) beantragt haben, sind diese nicht mehr Gegenstand des Feststellungsantrags zu 2). Dass darüber hinaus noch weitergehende Anwaltskosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers in diesem Rechtsstreit anfallen werden, ist unwahrscheinlich und rechtfertigt deswegen hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2) vorgenommene Kostenverteilung.
46Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
47Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob ein Rechtschutzversicherer den Befreiungsanspruch seines Versicherungsnehmers hinsichtlich der von ihm nach § 2 I a) ARB 75 zu tragende gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts auch dadurch erfüllen kann, dass er dem Versicherungsnehmer – wie hier die Beklagte dem Kläger – Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Prozessbevollmächtigten zusagt. Diese Frage hat der BGH in der Entscheidung vom 21.10.2015 – IV ZR 266/14 – entschieden.
48Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.380,- €
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Schlussurteil, 21. Juni 2016 - 9 U 41/15
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Schlussurteil, 21. Juni 2016 - 9 U 41/15
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Oberlandesgericht Köln Schlussurteil, 21. Juni 2016 - 9 U 41/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 10. April 1997 e röffneten Konkursverfahren über das Vermögen der M. C. E. GmbH & Co. KG (i.F.: Gemeinschuldnerin). Er nimmt den beklagten Rechtsanwalt auf Her-ausgabe empfangener Gelder in Höhe von 168.712,60 DM nebst Zinsen in Anspruch.
Der Beklagte wurde im Januar 1994 von der Gemeinschuldn erin beauftragt , sie durch einen freiwilligen Vergleich mit ihren Gläubigern zu entschulden und die Vergleichsbeträge auszuzahlen. Zu diesem Zweck empfing er in Höhe von insgesamt 276.150 DM Gelder von der Gemeinschuldnerin und - nach seinem Vortrag - auch von der ihr verbundenen Co. Ma. Co. GmbH & Co. KG (i.F.: CoMaCo). Einen Betrag von 154.680,26 DM verwendete der Beklagte zur Gläubigerbefriedigung; 81.625,64 DM entnahm er als Gebührenabschlag für das Vergleichsmandat. Hiervon beanspruchte der Beklagte zuletzt noch 50.228,79 DM, die er gegen die Klageforderung aufrechnete. Des weiteren rechnete der Beklagte mit Anwaltshonoraren für 21 andere Mandate in der Zeit vom 15. Dezember 1993 bis zum 26. November 1996 im Gesamtbetrag von 86.470,50 DM auf.
Zur Rechtfertigung der Klageforderung von 168.712,60 DM hat der Kläger behauptet, für das Vergleichsmandat sei zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten eine Vergütung einschließlich Ersatz von Auslagen und Umsatzsteuern in Höhe von lediglich 17.150 DM vereinbart worden. Insoweit hat der Kläger die Zahlung des von dem Beklagten zunächst geltend gemachten Mehrbetrages von 37.242,10 DM begehrt. Weitere 86.470,50 DM hat der Kläger mit der Begründung gefordert, daß die Zweckbestimmung des Vergleichsmandates und der hierfür empfangenen Gelder der vom Beklagten erklärten Aufrechnung mit den Vergütungen für andere Mandate entgegenstehe. Schließlich hat der Kläger die Rückzahlung von 45.000 DM verlangt, die dem
Beklagten ebenfalls zur Ablösung von Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin - somit zweckgebunden - zur Verfügung gestellt worden seien.
Soweit der Beklagte die Leistung der empfangenen Gel der für den außergerichtlichen Vergleich durch die Gemeinschuldnerin bestritten hat, beruft sich der Kläger hilfsweise auf die mit ihm im April 1998 vereinbarte Abtretung entsprechender Forderungen der CoMaCo.
Der Beklagte hat sich auch im übrigen gegen das Forderu ngsrecht des Klägers gewendet und dazu den Inhalt eines ihm am 25. März 1995 zugestellten Beschlusses vorgetragen, mit dem zugunsten des Gläubigers S. die Ansprüche der Gemeinschuldnerin gegen den Beklagten aus dem Treuhandauftrag in Höhe von 155.000 DM gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden sind.
Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat unter Klageabweisung im übrigen die Verurteilung auf den zweitinstanzlichen Hilfsantrag des Klägers in Höhe von 104.266,46 DM nebst Zinsen, zahlbar an den Pfändungspfandgläubiger, beschränkt. Mit der angenommenen Revision verfolgt der Beklagte seinen hiergegen gerichteten Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet, soweit das Berufungsgericht d ie Verurteilung des Beklagten zur Zahlung aufrecht erhalten hat. Die Entscheidung ergeht
durch Versäumnisurteil, jedoch nach § 557 ZPO a.F., § 331 ZPO aufgrund sachlicher Prüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff, st. Rspr.).
I.
Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß das Berufung sgericht den zweitinstanzlichen Hilfsantrag des Klägers trotz Widerspruchs gegen die Klageänderung zugelassen hat. Dies ist gemäß § 268 ZPO, § 557 ZPO a.F. im Revisionsverfahren nicht nachzuprüfen. Im übrigen war der nachgeschobene Hilfsantrag sachdienlich (vgl. BGHZ 114, 138, 141; 147, 225, 229).
II.
Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Beklagten für das Vergleichsmandat, innerhalb dessen er unstreitig zur Verrechnung der insoweit anfallenden Gebühren- und Auslagenerstattungsansprüche befugt war, lediglich solche in Höhe von 17.150 DM zugebilligt hat.
1. Das Berufungsgericht hat keine entsprechende Gebühren vereinbarung , die zwischen den Parteien streitig ist, festgestellt. Die Aktennotiz des Beklagten , in welcher er unter anderem Gebühren in Höhe von 17.150 DM ermittelt hat (Anlage K 3/2), ist ohne eine solche Rechtsgrundlage für den aufgerechneten Vergütungsanspruch des Vergleichsmandates nicht entscheidend, zumal sie nach dem eigenen Vortrag des Klägers erst im Dezember 1994, also lange nach der Auftragserteilung, gefertigt worden sein soll.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft das Verglei chsmandat des Beklagten als eine einzige Gebührenangelegenheit aufgefaßt. Die Abgrenzung der Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 2 BRAGO, die mehrere Auftragsge-
genstände umfassen kann (vgl. § 7 Abs. 2 BRAGO), ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse im Einzelfall grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Denn hierbei ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend (BGH, Urt. v. 29. Juni 1978 - III ZR 49/77, LM BRAGebO § 6 Nr. 1; v. 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431; v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, WM 2004, 1792, 1793 f). Auch eine übereinstimmende Annahme der Auftraggeberin und des Beklagten, das Mandat umfasse gebührenrechtlich nur eine Angelegenheit, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, hätte als reine Geschäftsgrundlage nicht die Wirkung, den gesetzlichen Begriff der Angelegenheit gemäß § 13 Abs. 2 BRAGO für das streitige Mandatsverhältnis abzubedingen.
In der Regel betrifft ein Auftrag dieselbe Angelege nheit, wenn zwischen mehreren Auftragsgegenständen, hier dem angestrebten Vergleich mit einer Vielzahl von Gläubigern der späteren Gemeinschuldnerin, ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen äußeren Tätigkeitsrahmen wahrt (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003, aaO; BVerwG NJW 2000, 2289 a.E. f). Innerhalb eines solchen Rahmens kann auch die außergerichtliche Einigung mit allen oder den hauptsächlichen Gläubigern eines Schuldnerunternehmens zum Zweck der Sanierung aufgrund der verbindenden Zielsetzung für den beauftragten Anwalt eine einzige Gebührenangelegenheit sein (vgl. Riedel/Sußbauer/Fraunholz, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung 8. Aufl. § 13 Rn. 24 a.E.).
Der Senat hat in der Vergangenheit bei der Prüfung eines einheitlichen äußeren Rahmens der entfalteten Anwaltstätigkeit unter anderem darauf abgestellt , ob mehrere Restitutionsansprüche in einem Verwaltungsverfahren ver-
folgt werden können; soweit dies nicht möglich sei, werde der einheitliche Tätigkeitsrahmen gesprengt (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003, aaO). Im Schrifttum wird das Beispiel der anwaltlichen Korrespondenz für mehrere Unfallgeschädigte mit demselben Versicherer erörtert, wobei der getrennte Schriftverkehr auch mehrere Gebührenangelegenheiten zur Folge haben soll (vgl. Schmidt, AnwBl. 1973, 333, 334). Unter Berücksichtigung dieses äußeren Handlungsrahmens muß auch die Tätigkeit des Beklagten innerhalb des Vergleichsmandates im Streitfall abgegrenzt werden. Wegen der Gleichförmigkeit des Vorgehens handelte es sich bei der Regulierung derjenigen Forderungen um eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen, bei denen der Beklagte lediglich Rundschreiben versandte und auch die Gläubiger in gleicher Weise reagierten, sei es, daß sie in einen Vergleich mit teilweisem Forderungsverzicht einwilligten, sei es, daß sie Entgegenkommen endgültig ablehnten. Der einheitliche Tätigkeitsrahmen wurde indes in den Fällen verlassen, in denen der Beklagte differenziert vorgehen mußte. Dies ist in den Fällen anzunehmen, in denen er sich mit Gläubigern gesondert auseinandersetzen mußte, mit ihnen einzeln Besprechungen führte und unterschiedliche Verhandlungsergebnisse erzielte (vgl. Döser, AnwBl. 1989, 664, 665). Hier sind - ähnlich einer Abtrennung einzelner Verfahren durch das Prozeßgericht - nachträglich aus derselben Ursprungsangelegenheit in den äußerlich verselbständigten Teilen mehrere neue Gebührenangelegenheiten entstanden. Das hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Berechtigt ist ferner die Rüge der Revision, das Berufu ngsgericht habe sich nicht mit der Behauptung des Beklagten auseinandergesetzt, daß der Vertreter der Auftraggeberin (Dr. K. ) später ausdrücklich auf einer "Einzelabrechnung" aller Fälle bestanden habe. Für sich allein spricht dieser Umstand
zwar nicht zwingend dafür, daß die Mandatsbeteiligten sich darauf geeinigt haben , die Regulierungsversuche gegenüber jedem Gläubiger vergütungsrechtlich als gesonderte Angelegenheit zu behandeln. Die Auftraggeberin könnte auch im Auge gehabt haben, daß die Geschäfts-, Besprechungs- und Vergleichsgebühren nach unterschiedlichen Gegenstandswerten zu berechnen waren. Eine Gebührenberechnung des Beklagten, welche für die Auftraggeberin durchschaubar sein sollte, mußte daher in eine gruppenweise Aufstellung der Einzelforderungen gegliedert sein. Andererseits konnte die übergangene Behauptung jedoch auch als Indiz dafür gewertet werden, daß die Parteien gerade nicht - wie das Berufungsgericht gemeint hat - "wie selbstverständlich davon ausgingen, die treuhänderische Tätigkeit und sämtliche Verhandlungen seien als einheitliche Angelegenheit zu würdigen". Wegen der Ambivalenz der Behauptung des Beklagten wäre sie tatrichterlich entsprechend zu würdigen gewesen.
Über die Folgen einer gebührenrechtlichen Vereinzelun g aller Vergleichsversuche nach Anzahl der Gläubiger hätte der Beklagte überdies die Auftraggeberin aufklären müssen und sich bei entsprechendem Versäumnis schadensersatzpflichtig machen können (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003, aaO S. 1794 unter II. 1. b). Auch dies wird das Berufungsgericht im vorstehenden Zusammenhang zu würdigen haben.
3. Selbst wenn von einer einzigen Angelegenheit im Si nne des § 13 Abs. 2 BRAGO auszugehen wäre, könnte für das Vergleichsmandat nicht - wie es das Berufungsgericht in Anlehnung an den Klägervortrag und die Besprechungsnotiz des Beklagten (Anlage K 3/2) angenommen hat - ein Streitwert von 670.000 DM zugrunde gelegt werden. Auch insoweit gilt, daß tatsächliche
Übereinstimmungen ohne rechtsgeschäftliche Vereinbarung den Wert des Geschäftsgegenstandes und die anzuwendenden Gebührensätze unter den Beteiligten nicht bindend festlegen konnten.
Das Berufungsgericht hat in diesem Punkt überdies den Gr undsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil es Sachvortrag des Beklagten prozeßordnungswidrig außer Betracht gelassen hat. Es hat sich davon leiten lassen, nach § 137 Abs. 3 ZPO nicht verpflichtet zu sein, aus umfangreichen Anlagen zu den Schriftsätzen des Beklagten die einzelnen Forderungspositionen herauszusuchen und deren Gesamtwert aufzuaddieren. Darum geht es hier nicht. Das Berufungsgericht hat selbst in seinem Urteilstatbestand die fraglichen Forderungen unter Angabe der Gläubiger und der vom Beklagten angesetzten Gebührenhöhe aufgezählt. Die zugehörigen Gegenstandswerte waren der vom Beklagten gefertigten, zweitinstanzlich nochmals vorgelegten Gläubiger- und Forderungsliste (GA IV 928 bis 932 - vor Doppelheftung) unschwer zu entnehmen. Die Bezugnahme auf diese Liste in der mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht dem Beklagten nicht nach § 137 Abs. 3 ZPO verwehrt. Dann durfte es nicht ohne rechtlichen Hinweis Teile des Verhandlungsstoffes, dessen Rekonstruktion aus den vorbereitenden Schriftsätzen nebst Anlagen ihm zu mühevoll erschien, bei seiner Entscheidungsfindung außer Betracht lassen. In der Zurückweisung der Bezugnahme zum Zweck des mündlichen Sachvortrags lag das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Oktober 1956 (IV ZR 58/56, LM ZPO § 137 Nr. 1) schon im Ausgangspunkt anders.
III.
Soweit es um die Aufrechnung mit weiteren Vergütungsa nsprüchen des Beklagten in Höhe von 86.470,50 DM geht, hat das Berufungsgericht gemeint, von einer Klärung der streitigen Frage absehen zu können, inwieweit der Kläger den Beklagten aus einem in der Person der Gemeinschuldnerin entstandenen oder aus dem abgetretenen Recht der CoMaCo auf Herausgabe der zur Geschäftsbesorgung erhaltenen Gelder (§ 675 Abs. 1, § 667 BGB) in Anspruch nehmen kann. Diese Frage durfte das Berufungsgericht nicht offenlassen.
Der erst 1998 an den Kläger abgetretene Anspruch der CoMaCo wurde von der bereits im März 1995 ausgebrachten Pfändung bei der Gemeinschuldnerin nicht ergriffen. Über die fortdauernde Zweckbindung etwaiger Gelder der Zedentin, die sich noch in der Hand des Beklagten befinden, hat das Berufungsgericht nichts festgestellt. Diese Bindung dauerte nur bis zur Erreichung oder bis zum Fortfall des Auftragszwecks. Sie ist von einer Abrechnung des Beauftragten nicht abhängig; denn der Auftraggeber kann die Geschäftsbesorgung auch selbst abrechnen und danach die Herausgabe seines Guthabens fordern. Der abgetretene Anspruch auf Herausgabe des zur Ausführung des Auftrags Erhaltenen war im Gegensatz zu den empfangenen Geldern selbst durch den Auftragszweck nicht mehr gebunden. Die Fälligkeit dieses Anspruchs setzte vielmehr die Erledigung des Auftragszwecks voraus. Dann konnte der Beklagte gegen den abgetretenen Anspruch aber auch - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - grundsätzlich mit den außerhalb des Vergleichsmandates geltend gemachten weiteren Vergütungsansprüchen aufrechnen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1426 unter 1.); entgegenstehende Treuepflichten sind nicht ersichtlich. Das
Berufungsurteil ist deshalb rechtsfehlerhaft, soweit es die Aufrechnung des Beklagten mit Gegenansprüchen nicht zugelassen hat.
IV.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 Z PO a.F.). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
1. Das Berufungsgericht wird zunächst prüfen müssen, inwie weit der Klageanspruch in der Person der Gemeinschuldnerin oder der Zedentin entstanden ist. Für den Fall, daß der Klageanspruch sich ausschließlich aus dem ursprünglichen Recht der Gemeinschuldnerin ergibt und von der nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht gehinderten Pfändung daher vollen Umfangs ergriffen worden ist, wird das Berufungsgericht in Anwendung von § 392 BGB zu unterscheiden haben: Die Vergütungsansprüche der zwischen dem 15. Dezember 1993 und 20. Dezember 1994 erstellten Honorarnoten Nr. 1 bis 12 dürften entstanden und nach § 16 BRAGO fällig geworden sein, bevor der Pfändungsbeschlag gemäß § 829 Abs. 3 ZPO bewirkt worden ist. Zu den Vergütungsansprüchen der Honorarnoten 13 bis 21, deren früheste vom 30. Oktober 1995 datiert, sind entsprechende Feststellungen nachzuholen.
Nach Zurückverweisung kann der Beklagte seinen Vortrag zur zeitlichen Entstehung und Fälligkeit der aufgerechneten Ansprüche ergänzen. Zur Forderungsentstehung beim Schutz einer Aufrechnungslage nach den §§ 392, 406 BGB wird auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 27. April 1972 (BGHZ 58, 327, 331) und vom 22. November 1979 (VII ZR 322/78, NJW 1980, 584 f) hingewiesen; hiernach genügt die Entstehung der aufgerechneten Ansprüche dem Rechtsgrunde nach.
2. Die Zurückverweisung gibt dem Beklagten außerdem Gel egenheit, seinen Vergütungsanspruch aus dem Vergleichsmandat unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Vereinzelung der Angelegenheiten neu abzurechnen. Nach anderweitiger Abgrenzung der Angelegenheiten kann sich auch die Frage ergeben, inwieweit dem Beklagten für seine Tätigkeit jeweils die im bisherigen Zusammenhang unangegriffene Mittelgebühr zusteht.
3. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus die Gege nseitigkeit oder den Bestand der aufgerechneten weiteren Vergütungsansprüche des Beklagten zu den Positionen 7, 20 und 21 seiner Honorarnoten verneint hat, wird es sich auch mit dem Vorbringen der Revision auseinanderzusetzen haben, sofern dies nach seinen weiteren Feststellungen im zweiten Berufungsdurchgang entscheidungserheblich werden sollte.
Ganter Raebel Kayser
Vill Lohmann
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren , welche ihm im Zusammenhang mit der Abmahnung wegen einer Veröffentlichung in der von der Beklagten verlegten "Abendzeitung" entstanden sind.
- 2
- Mit zwei Schreiben vom 21. April 2004 forderten die anwaltlichen Vertreter des Klägers die Beklagte auf, zwei strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungen hinsichtlich eines bebilderten Artikels mit der Überschrift "Rosenkrieg bei Otto: Ehefrau will Millionen" zu erklären, und zwar je eine Erklärung über die Wort- und die Bildberichterstattung. Mit Schreiben vom 22. April 2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die beiden unterzeichneten Erklärungen. Mit Schreiben vom 23. April 2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers zwei Rechnungen. Die Rechnung Nr. 0400488 in Höhe von 993,89 € betraf die Wortberichterstattung und berechnete eine 8/10 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 50.000 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Die Rechnung Nr. 0400489 berechnete für die Bildberichterstattung in gleicher Weise eine 8/10 Gebühr nebst Nebenkosten aus einem Streitwert von 30.000 €.
- 3
- Mit der Klage machte der Kläger den Betrag von 993,89 € aus der erstgenannten Rechnung geltend. Das Amtsgericht hat über ein Anerkenntnis der Beklagten und einen im Wege der Widerklage erhobenen negativen Feststellungsantrag hinausgehende Kostenerstattungsansprüche des Klägers bejaht. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts zu Ziff. 1 der Entscheidungsformel teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 933,22 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29. April 2005 verurteilt, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge aus der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die getrennte Verfolgung der Unterlassungsansprüche für Text- und Bildveröffentlichung sei zulässig. Eine getrennte Geltendmachung sei nicht rechtsmissbräuchlich, sondern zweckmäßig. Das Risiko einer durch die Zusammenfassung erschwerten Durchsetzung des Rechts müsse nicht der Verletzte tragen. Der Kläger sei, wie seine Klage zeige, mit der getrennten Abrechnung der Angelegenheit einverstanden. Für die Schadensersatzpflicht der Beklagten sei es unerheblich, ob der Kläger gegenüber seinen Anwälten nur zur Zahlung der Kosten für einen einheitlichen Gesamtauftrag verpflichtet sei, wenn eine Belehrung über die Folgen getrennter Abrechnung unterblieben sei. Er habe das Vorgehen seiner Anwälte gebilligt und damit auf einen Ersatzanspruch gegen seine Anwälte verzichtet. Ein Mitverschulden falle ihm nicht zur Last. Die berechneten Kosten seien lediglich zur Höhe des Gebührensatzes zu beanstanden. Der Kläger könne keine 8/10 -, sondern nur eine 7,5/10 - Gebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer verlangen, weil besondere, eine Erhöhung über die Mittelgebühr rechtfertigende Umstände nicht nachvollziehbar dargetan seien.
II.
- 5
- Die Revision hat Erfolg, da das Berufungsurteil nicht erkennen lässt, welches Ziel die Beklagte mit ihrer Berufung, insbesondere im Hinblick auf die Widerklage verfolgt hat (§§ 545 Abs. 1, 546 ZPO).
- 6
- Lässt ein Berufungsgericht die Revision zu, muss aus dem Berufungsurteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen.
- 7
- Nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO enthält das Urteil anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes reicht die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine solche Verweisung kann sich jedoch nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der beklagten Partei erstrecken, wenn und soweit dieser eine Widerklage umfasst. Eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist auch nach neuem Recht, das eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt, nicht entbehrlich (vgl. MeyerSeitz in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 540 Rn. 7; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 540 Rn. 3).
- 8
- Das gilt für das Begehren des Beklagten jedenfalls dann, wenn er sich als Berufungsführer gegen seine Verurteilung wendet und zuvor eine Widerklage erhoben oder sich nur eingeschränkt - etwa nach einem (Teil-) Anerkenntnis - gegen die Klage gewehrt hatte. Der Antrag des Berufungsklägers, der eine Widerklage erhoben hat, braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muss aber wenigstens sinngemäß deutlich werden, was er mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei der Berufung des Beklagten mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Abweisungsantrages gegen ein der Klage stattgebendes Urteil möglicherweise die Erwähnung dieser Tatsache genügen; bei nur teilweiser Anfechtung muss aber der Umfang des in die Berufung gelangten Streitgegenstandes deutlich werden (vgl. BGH, BGHZ 154, 99, 100 f.; Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/04 - NJW-RR 2005, 716, 717; vom 23. November 2006 - I ZR 276/03 - WM 2007, 1192, 1193 - Abmahnaktion; vom 29. März 2007 - I ZR 152/04 - NJW 2007, 2334, 2335 - Fachanwälte; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 540 Rn. 8).
- 9
- Mangelt es an diesen Erfordernissen, fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche Beurteilungsgrundlage. In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 10
- Im hier zu entscheidenden Fall ist eine Aufhebung des Berufungsurteils bereits deswegen geboten, weil es die Berufungsanträge des widerklagenden Beklagten, der zudem die Klageforderung zum Teil anerkannt hat, nicht wiedergibt. Die verschiedenen Andeutungen in dem Berufungsurteil, aus denen sich Rückschlüsse zu den Anträgen entnehmen lassen könnten, genügen nicht den Anforderungen, die an eine zumindest sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge zu stellen sind. Mag bei großzügiger Betrachtung ein mit der Berufung verfolgter Klageabweisungsantrag der Beklagten noch zu vermuten sein, sind hinsichtlich eines Anerkenntnisses der Beklagten dem Berufungsurteil keinerlei nähere Angaben zu entnehmen. Auch zu der ebenfalls im dritten Absatz der Gründe des angefochtenen Urteils erwähnten negativen Feststellungsklage sind einigermaßen verlässliche Rückschlüsse auf das Widerklagebegehren der Beklagten nicht möglich (vgl. BGH, BGHZ aaO; Urteile vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/04 - aaO; vom 23. November 2006 - I ZR 276/03 - aaO; vom 29. März 2007 - I ZR 152/04 - aaO).
- 11
- Da nach allem das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGHZ aaO, 101). Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III.
- 12
- In der neuen Berufungsverhandlung wird das Landgericht Gelegenheit haben, sich mit den Argumenten der Revisionsbegründung auseinanderzusetzen.
- 13
- 1. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte wegen der abgemahnten Veröffentlichung zum Schadensersatz verpflichtet ist, dass zu den wegen einer unerlaubten Handlung zu ersetzenden Kosten auch die Kosten der Rechtsverfolgung gehören und dass deshalb auch die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts ersatzfähig sein können , soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 350; Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05 - VersR 2006, 521; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05 - VersR 2007, 505; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05 - VersR 2007, 506; BGH, BGHZ 30, 154, 156; Urteile vom 30. April 1986 - VIII ZR 112/85 - NJW 1986, 2243, 2244; vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02 - NJW 2004, 444, 446). Auch ein möglicher Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. dazu BGH, BGHZ 52, 393, 400; Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03 - NJW 2004, 2448) um- fasst nur die Erstattung solcher Rechtsverfolgungskosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, also erforderlich waren. Voraussetzung ist hierfür, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist (was hier nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zu beurteilen sein wird, § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG) und dass diese Kosten ganz oder teilweise vom Schädiger zu erstatten sind (vgl. Senat, Urteil vom 1. Oktober 1968 - VI ZR 159/67 - VersR 1968, 1145; Jahnke VersR 1991, 264, 265 f.).
- 14
- a) Im Innenverhältnis zwischen dem Geschädigten und seinem Rechtsanwalt setzt die Entstehung von zwei rechtlich eigenständigen, aus Gegenstandswerten von 50.000 € bzw. 30.000 € zu berechnenden Ansprüchen auf Zahlung je einer Geschäftsgebühr nach §§ 11, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer voraus, dass sich die anwaltliche Tätigkeit nicht auf dieselbe Angelegenheit (§§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO) bezogen hat, bei der mehrere Gegenstände zusammenzuzählen sind, die Gebühr aber nur einmal verlangt werden darf. Mehrere Aufträge betreffen regelmäßig dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der Tätigkeit gesprochen werden kann und insbesondere die innerlich zusammengehörenden Gegenstände von dem Rechtsanwalt einheitlich bearbeitet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1972 - III ZR 27/70 - JurBüro 1972, 684 f.; vom 29. Juni 1978 - III ZR 49/77 - JZ 1978, 760, 761; vom 17. November 1983 - III ZR 193/82 - MDR 1984, 561; vom 24. November 1994 - IX ZR 222/93 - NJW-RR 1995, 758, 761). Zu der dem Tatrichter obliegenden Feststellung des Auftrags und der Abgrenzung im Einzelfall (vgl. BGH, Urteile vom 5. April 1976 - III ZR 95/74 - JurBüro 1976, 749, 750; vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94 - NJW 1995, 1431; vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - NJW 2004, 1043, 1045) fehlt es an jeglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil.
- 15
- Je nach Sachlage können die anwaltlichen Vertreter des Klägers schließlich Hinweispflichten getroffen haben (vgl. BGH, BGHZ 77, 27, 29 f.; Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 - NJW 2004, 1043, 1045; Jahnke aaO 265 f.), bei deren Verletzung der Kläger seinen Anwälten nur zur Zahlung der Kosten verpflichtet wäre, die bei gemeinsamer Verfolgung der getrennt verfolgten Ansprüche entstanden wären.
- 16
- Das Berufungsgericht wird ferner Gelegenheit haben, auf den Vortrag der Parteien zum Gegenstandswert für die Wort- sowie für die Bildberichterstattung einzugehen und die sein Ermessen hierzu tragenden Erwägungen darzulegen. Ferner wird es gegebenenfalls darzulegen haben, aus welchen Gründen die zum Gebührensatz gemäß §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO getroffene Bestimmung der Billigkeit (§ 315 Abs. 3 BGB) nicht entspricht, zumal die von ihm vorgenommene Korrektur nur geringfügig ist.
- 17
- b) Das Berufungsgericht wird für das Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu beachten haben, dass ein Schädiger nach ständiger Rechtsprechung selbst dann nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen hat, wenn entsprechende Honoraransprüche des Anwalts gegen den von diesem vertretenen Geschädigten bestehen. Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs ist vielmehr, dass die anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf dessen spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 350; Urteile vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05 - aaO; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05 - aaO; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 188/05 - aaO; BGH, BGHZ 30, aaO; Ur- teile vom 30. April 1986 - VIII ZR 112/85 - aaO; vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02 - aaO). Hierzu hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien beachten müssen, weshalb in derartigen Fällen eine getrennte Verfolgung zweckmäßig und sogar geboten sein könne; es hätte prüfen müssen, ob vertretbare sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung bestanden haben oder ob lediglich Mehrkosten verursacht worden sind. Es wird bei seiner Entscheidung ferner berücksichtigen müssen, dass die Beurteilung dieser Fragen für das Abmahnverfahren und für einen späteren eventuellen Rechtsstreit unterschiedlich sein kann.
- 18
- 2. Schließlich könnte eine negative Feststellungswiderklage nur begründet sein, soweit sie sich gegen einen mit der Zahlungsklage - einschließlich des Anerkenntnisses - geltend gemachten, diese aber übersteigenden Anspruch richtet und dieser nicht besteht. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, welches Begehren die Beklagte mit ihrer Widerklage letztlich verfolgt hat; dazu enthält das Berufungsurteil bislang keine Feststellungen.
- 19
- 3. Bei der dem Berufungsgericht übertragenen Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens wird zu beachten sein, dass die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils insgesamt aufzuheben war, obwohl die gegen die Kostenentscheidung nach einem (Teil-) Anerkenntnisurteil gerichtete Revision insoweit nicht zulässig war und damit die Überbürdung der auf den anerkannten Teil entfallenden Kosten auf die Beklagte Bestand hat, weil die das Anerkenntnis betreffenden Kosten nicht quotenmäßig bestimmt worden sind. Für diesen Teil wird das Berufungsgericht die bisherige Kostenentscheidung beizubehalten haben (vgl. BGH, BGHZ 58, 341, 342; 107, 315, 321 f.; Beschluss vom 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 - JurBüro 1984, 1505, 1506 f.). Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 11.10.2005 - 25 C 40/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 09.11.2006 - 27 S 5/05 -
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin kann bis 03.09.2010 zum Beschluss Stellung nehmen.
Gründe
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Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
Gründe
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A.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft das rückwirkende Inkrafttreten des Sächsischen Besoldungsgesetzes (SächsBesG).
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I.
- 2
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Der Beschwerdeführer ist im Jahr 1995 durch die damalige Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt in das Beamtenverhältnis übernommen worden. Im Jahr 2005 ist die Beklagte des Ausgangsverfahrens - die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland - durch den Zusammenschluss mehrerer Landesversicherungsanstalten zu einem Regionalträger entstanden. Mit dem Wirksamwerden dieser Vereinigung am 30. September 2005 trat der Beschwerdeführer kraft Gesetzes in den Dienst der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland über.
- 3
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Im Dezember 2009 machte der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Gewährung des Grundgehaltes aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe ab dem 1. Januar 2006 geltend, da die besoldungsrechtliche Ersteinstufung nach dem Lebensalter und der Stufenaufstieg nach dem Dienstalter eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters und damit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellten. Das Begehren wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 zurückgewiesen. Der Klage hat das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 28. September 2011 stattgegeben. Zur Begründung hat es angeführt, § 27 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 bilde die besoldungsrechtliche Rechtsgrundlage und zwar bis zum 31. Oktober 2007 als Bundesrecht und für den Folgezeitraum aufgrund der Regelung in § 17 SächsBesG als Landesrecht. Das Zusammenwirken von § 27 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 und den in der Besoldungsordnung A enthaltenen Besoldungsstufen führe zu einer Diskriminierung wegen des Alters. Als Rechtsfolge der Benachteiligung käme lediglich eine "Anpassung nach oben" dergestalt in Betracht, dass dem Beschwerdeführer Grundgehalt nach der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu gewähren ist.
- 4
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Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 11. Dezember 2012 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, den Beschwerdeführer rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 so zu stellen, als hätte er im Zeitpunkt seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bereits ein Lebensalter von 35 Jahren erreicht. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, nach §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 stelle das im Zeitpunkt der Übernahme in das Beamtenverhältnis erreichte Lebensalter das maßgebliche Kriterium für die Zuordnung zu den Dienstaltersstufen und der danach erfolgenden Bemessung des Grundgehaltes dar. Diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der Rechtsfolgen könne der Gleichheitsverstoß nur durch eine Besserstellung des Beschwerdeführers erreicht werden. Allerdings käme eine "Anpassung nach oben", mithin die Zuordnung zu der höchsten Dienstaltersstufe zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung nicht in Betracht. Vielmehr erscheine es geboten, im Wege einer konkreten Betrachtungsweise die Vergleichsgruppe zu ermitteln, welcher gegenüber der Beschwerdeführer in besoldungsrechtlicher Hinsicht benachteiligt sei. Das Bestehen einer Regelaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis gebe danach hinreichend Aufschluss über den Kreis der Bediensteten, die als Vergleichsgruppe herangezogen werden könnten. Eine Ungleichbehandlung könne daher nur gegenüber den Beamten bestehen, die bei Einstellung nicht älter als 35 Jahre waren. Der Beschwerdeführer sei daher besoldungsrechtlich dieser Beamtengruppe gleichzustellen.
- 5
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Der Beschwerdeführer hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens erließ der Sächsische Gesetzgeber das Sächsische Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 18. Dezember 2013. Mit Art. 2 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wurde das Sächsische Besoldungsgesetz neu geregelt. Wesentlicher Gegenstand der Besoldungsreform war, dass die Bemessung des Grundgehalts der Beamten der Besoldungsordnung A nicht mehr nach dem Besoldungsdienstalter, sondern nach den tatsächlich geleisteten Dienstzeiten und der erbrachten Leistung erfolgt. Gemäß Art. 2 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 Sächsisches Dienstrechtsneuordnungsgesetz wurde das Sächsische Besoldungsgesetz rückwirkend zum 1. September 2006 in Kraft gesetzt.
- 6
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Das Bundesverwaltungsgericht hat sodann mit Urteil vom 30. Oktober 2014 die Beklagte zur Zahlung von 50 € nebst Zinsen an den Beschwerdeführer verurteilt und die Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2012 und des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. September 2011 aufgehoben, soweit sie dem entgegenstanden.
- 7
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Grundlage der Besoldung des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2006 seien §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 gewesen. Hiernach habe das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze gebildet. Dieses Besoldungssystem führe - wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12 - Specht) zum vergleichbaren Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz bereits festgestellt habe - zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG. Ein Anspruch auf höhere Einstufung bestehe aber nicht, da das Bezugssystem der §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 insgesamt diskriminierend und damit ungültig sei. Dem Beschwerdeführer stehe auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006 mangels Anspruchsgrundlage kein Zahlungsanspruch zu. Die Anspruchsvoraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs seien nicht erfüllt, da ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht erst mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 (Rs. C-297/10 und C-298/10 - Hennigs und Mai) gegeben sein konnte. Aus diesen Gründen sei auch das Bestehen eines verschuldensabhängigen Anspruchs aus § 15 Abs. 1 AGG zu verneinen.
- 8
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Für den Zeitraum vom 18. bis zum 31. August 2006 hingegen habe der Beschwerdeführer einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 50 € aus § 15 Abs. 2 AGG. Vergleichbar der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes nach § 253 Abs. 2 BGB sei die Bestimmung der Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG dem Gericht überlassen. Dabei seien die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen; dazu zählten unter anderem die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Dienstherrn, der Sanktionszweck der Norm. In Anlehnung an die Regelungen in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG und § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG zum Entschädigungsanspruch im Falle der überlangen Dauer von Gerichtsverfahren habe das Gericht in Bezug auf den Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe eines Pauschalbetrages von 100 € pro Monat als angemessen bewertet.
- 9
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Ab dem 1. September 2006 sei dann das Besoldungsrecht des Freistaates Sachsen in der Fassung des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 für die Besoldung des Beschwerdeführers maßgeblich. Das ab dem 1. September 2006 geltende Sächsische Besoldungsgesetz orientiere sich bei der Ersteinstufung nicht mehr am Lebensalter und der Aufstieg nach Stufen knüpfe an die bisher erlangte Berufserfahrung an, so dass es mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang stehe und Ansprüche des Beschwerdeführers ausgeschlossen seien. Zwar perpetuiere die Überleitungsregelung des § 80 SächsBesG für Bestandsbeamte, die am 31. August 2006 bereits in einem Dienstverhältnis standen, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters, weil die Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts sich an der Grundgehaltsstufe orientiere, die dem Beamten am 1. September 2006 nach dem früheren diskriminierenden System der §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 zugestanden hätte. Diese Überleitungsregelung sei jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Wahrung des am 1. September 2006 erreichten Status quo nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt. Auch habe der Europäische Gerichtshof die administrativen Schwierigkeiten für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten als ausreichend gewichtig für eine solche Überleitungsregelung angesehen. Die rückwirkende Inkraftsetzung der §§ 27 bis 29 sowie § 80 SächsBesG zum 1. September 2006 durch Art. 28 Abs. 3 des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes sei mangels belastender Tendenz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. An einer belastenden Wirkung für bereits am 31. August 2006 ernannte Beamte fehle es, weil die zum 1. September 2006 in Kraft gesetzte landesrechtliche Regelung weder nach dem früheren Recht begründete Besoldungsansprüche beseitige noch ihre Geltendmachung erschwere. Selbst wenn man von einer belastenden Wirkung der rückwirkenden Inkraftsetzung der Neuregelung ausginge, sei eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit einer echten Rückwirkung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Es fehle an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Beschwerdeführers, weil ein kompetenz- und unionsrechtskonformes Landesgesetz rückwirkend an die Stelle eines unionsrechtswidrigen Bundesgesetzes getreten sei. Die Rückwirkung scheitere auch nicht daran, dass hierdurch der ab dem 8. September 2011 bestehende unionsrechtliche Haftungsanspruch oder der ab dem 1. September 2006 bestehende Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG weggefallen ist.
-
II.
- 10
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Mit seiner gegen die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Darüber hinaus macht er mittelbar die Unvereinbarkeit der §§ 27, 28, 80 SächsBesG in der Fassung des Sächsischen Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG geltend.
- 11
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Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei er in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Besoldung sowohl aufgrund der §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 als auch nach dem Sächsischen Besoldungsgesetz führten hinsichtlich der Bestandsbeamten zu einer Ungleichbehandlung. Dies gelte vor allem für die in § 80 Abs. 1 SächsBesG normierte Überleitungsregelung. Hiernach bliebe es weiterhin bei der diskriminierenden Kopplung zwischen Besoldung und Lebensalter. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts seien keine sachlichen Rechtfertigungsgründe für eine rückwirkend fortgesetzte Diskriminierung durch §§ 27, 28, 80 SächsBesG gegeben. Soweit das Bundesverwaltungsgericht unter Verweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12 - Specht) die Wahrung des Besitzstandes als legitimes Ziel erachte, "tauge" dies jedenfalls nicht zur Rechtfertigung der in Rede stehenden Ungleichbehandlung mit Rückwirkung. Der Besitzstand wäre ohne weiteres auch dann gewahrt worden, wenn eine Neuregelung der Beamtenbesoldung allein für die Zukunft erfolgt wäre. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch nicht die Vermeidung des übermäßigen Verwaltungsaufwandes als Rechtfertigungsgrund annehmen dürfen.
- 12
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Die rückwirkende Inkraftsetzung der Regelung zum 1. September 2006 beinhalte jedenfalls für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 8. September 2011 eine unzulässige echte Rückwirkung und verstoße gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Vertrauensschutzprinzip. Das neue sächsische Besoldungsrecht habe eine belastende Tendenz, da es bestehende Rechtspositionen verschlechtere. Eine rückwirkende Neuregelung sei auch nicht erforderlich. Es hätte die Möglichkeit einer bloßen Neuregelung für die Zukunft bestanden, das heißt eine Überleitung von Bestandsbeamten in das neue System ohne Rückwirkung. Die vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Wegfall des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs bei nachträglicher Richtlinienumsetzung sowie des Bundesgerichtshofs zum Wegfall des Amtshaftungsanspruchs bei nachträglichem Erlass einer wirksamen Satzung sei nicht übertragbar. Letztlich seien auch die Fallgruppen einer ausnahmsweisen Zulässigkeit der echten Rückwirkung nicht einschlägig.
- 13
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Das Bundesverwaltungsgericht habe objektiv willkürlich einen Ersatzanspruch für den Zeitraum 1. Januar bis 17. August 2006 nicht anerkannt. Willkürlich erscheine zudem die Festlegung einer Entschädigungshöhe für den Anspruch ab dem 18. August 2006. Der symbolische Betrag in Höhe von 100 € je Monat sei nicht geeignet, die Diskriminierung zu beseitigen. Die Bemessung weise keinen Bezug zu der jeweiligen Besoldungsdifferenz in den unterschiedlichen Ämtern auf.
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Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht seine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV nicht erfüllt und ihn damit in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe sich die Frage gestellt, ob die Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen sei, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die die Überleitung von Beamten in ein neues Besoldungssystem auch mit Wirkung für die Vergangenheit festlegen und dabei vorsehen, dass die Besoldungsstufe allein auf der Grundlage des unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird. Der Europäische Gerichtshof habe diese Rechtsfrage auch nicht in der vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom 19. Juni 2014 (Rs. C-501/12 - Specht) entschieden.
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B.
- 15
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (vgl. BVerfGE 90, 22 <24>; 96, 245 <248>). Die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind hinreichend geklärt; sie lassen sich mit Hilfe der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe ohne weiteres entscheiden. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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I.
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Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Dezember 2012 wendet, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht (hinreichend) mit der angegriffenen Entscheidung und deren konkreter Begründung auseinander (vgl. BVerfGE 85, 36 <52 f.>).
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Die mittelbar angegriffenen Vorschriften §§ 27, 28, 80 SächsBesG in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts im Freistaat Sachsen vom 18. Dezember 2013 sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht die Vorschriften in seiner Entscheidung als verfassungskonform zugrunde gelegt hat. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Bundesverwaltungsgericht hat auch nicht durch Unterlassen der Vorlage nach Art. 267 AEUV das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
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1. Die angegriffene rückwirkende Neuregelung der Beamtenbesoldung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.
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a) Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies daher einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>).
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b) Hieran gemessen entfaltet das Sächsische Besoldungsgesetz schon keine belastende Wirkung.
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aa) Das Sächsische Besoldungsgesetz in der Fassung des Art. 2 Sächsisches Dienstrechtsneuordnungsgesetz schafft ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem. Die bisherige, am Besoldungsdienst- oder Lebensalter ausgerichtete Stufenzuordnung ist durch eine altersunabhängige, an beruflichen Erfahrungszeiten orientierte Zuordnung ersetzt worden. Eine rechtsbeeinträchtigende Wirkung geht damit nicht einher. Auch bei isolierter Betrachtung der Überleitungsregelung in § 80 SächsBesG sind keine nachteiligen Auswirkungen festzustellen. Angesichts der rückwirkenden Einführung des neuen Besoldungssystems zum 1. September 2006 hat der Gesetzgeber mit § 80 SächsBesG explizit für Bestandsfälle aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Überleitungsregelung unter Wahrung von Besitzständen geschaffen. Nach erfolgter Überleitung in die neue Erfahrungsstufe beginnt ab 1. September 2006 der weitere Stufenaufstieg nach § 27 Abs. 2 SächsBesG. Dabei entspricht der anschließende Stufenaufstieg hinsichtlich der Zahl der Stufen sowie des Rhythmus des Aufstiegs der früher maßgeblichen Vorschrift des Bundesbesoldungsgesetzes. Für Beamte, die im Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2013 ernannt wurden, sieht § 80 Abs. 6 SächsBesG sogar eine Günstigerregelung vor, wonach im Einzelfall aus Vertrauensschutzgründen zur Wahrung des Status quo die § 27 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 Anwendung finden. Eine Schlechterstellung ist mit der Überleitungsregelung daher nicht verbunden.
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bb) Eine belastende Wirkung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Beschwerdeführer rückwirkend ein Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden wäre. Eine solche Rechtsposition, die ihm hätte entzogen werden können, stand ihm weder gesetzlich zu, noch wurde sie ihm bestandskräftig gerichtlich zugesprochen. Ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Entschädigung unter Beibehaltung des diskriminierenden Besoldungssystems oder auf Erlass eines diskriminierungsfreien Besoldungssystems unter Beibehaltung des Anspruchs auf Entschädigung bestand ebenfalls nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss es grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Normgebers überlassen bleiben, wie die aus einer Verfassungswidrigkeit resultierende Lücke zu schließen ist (vgl. BVerfGE 37, 217 <260 f.>; 39, 316 <332 f.>; 88, 87 <101>; 93, 165 <178>; 115, 81 <93 f.>). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Kann der Gesetzgeber zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässigen Lösungen wählen, obliegt es folglich ihm zu entscheiden, wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen sind. Der Sächsische Gesetzgeber hat sich für den Erlass eines an der Berufserfahrung ausgerichteten Besoldungssystems entschieden. Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.
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2. Die Stichtags- und Überleitungsregelung in § 80 SächsBesG verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 33 Abs. 5 GG.
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a) Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 101, 239 <270>; stRspr). Bei der Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren Regelung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsregelungen muss sich daher darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war. In besonderen Lagen können Stichtags- und Überleitungsregelungen geboten sein (vgl. etwa BVerfGE 13, 31 <38>; 44, 1 <20 f.>; 71, 364 <397>; 75, 78 <106>; 80, 297 <311>; 117, 272 <301>).
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Diese Grundsätze gelten ebenso für die Anwendung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfGE 26, 141 <159>; 76, 256 <295>).
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b) Die von dem Beschwerdeführer beanstandete Stichtags- und Überleitungsregelung bewegt sich in diesem verfassungsrechtlichen Rahmen. Der Landesgesetzgeber hielt die Überleitungsregelung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung für erforderlich. Da es mit Feststellungsaufwand und Bewertungs- sowie Beweisschwierigkeiten verbunden ist, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Januar 2003 - 2 BvL 9/00 -, juris, Rn. 14), war die Einschätzung des Landesgesetzgebers, dass eine Stichtags- und Überleitungsregelung dem Ziel der Gesetzesnovelle entspricht, sachgerecht (zur Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes vgl. BVerfGE 44, 283 <288>; 82, 60 <101 f.>; 100, 195 <205>). Eine solche Überleitungsregelung ist als Ungleichbehandlung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht nur zulässig, sondern kann im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Vertrauen des Beamten auf den Fortbestand der bisherigen Regelung und der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers, ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem zu schaffen, sogar geboten sein (vgl. BVerfGE 71, 255 <273>). Die Wahl des maßgeblichen Zeitpunkts ist am gegebenen Sachverhalt orientiert. Der Gesetzgeber hat den für die Unterstellung unter das neue Recht maßgeblichen Stichtag an das Inkrafttreten der Föderalismusreform, mithin an den Zeitpunkt des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz zum 1. September 2006 gekoppelt. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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3. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), weil es einen Entschädigungsanspruch für den Zeitraum 1. Januar bis 17. August 2006 verneint und für den Zeitraum ab dem 18. August 2006 in Höhe von 100 € monatlich zugesprochen hat.
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a) Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird. Von Willkür kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>).
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Die gerichtlicherseits erfolgte Festsetzung eines angemessenen (Schadens-) Ausgleichs ist regelmäßig das Ergebnis der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die das Bundesverfassungsgericht daher nur beanstandet, wenn Anhaltspunkte für eine willkürliche Wertung bestehen oder sonst wie erkennbar ist, dass grundrechtlich geschützte Positionen in grundsätzlicher Weise verkannt worden sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2000 - 1 BvR 1127/96 -, juris, Rn. 15 und vom 27. August 2003 - 1 BvR 1986/01 -, juris, Rn. 5).
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b) Die Ablehnung eines Entschädigungsanspruchs für den Zeitraum 1. Januar bis 17. August 2006 mangels Anspruchsgrundlage ist in diesem Sinne nicht willkürlich. Das Bundesverwaltungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht in diesem Zeitraum nicht gegeben ist und damit die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs nicht erfüllt sind. Sachgerecht sind insoweit auch Auslegung und Anwendung des § 15 Abs. 1 AGG im Hinblick auf ein fehlendes Verschulden.
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Die in Auslegung des § 15 Abs. 2 AGG erfolgte Festsetzung der Entschädigungshöhe ist ebenfalls nicht willkürlich. Das Bundesverwaltungsgericht zeigt die Maßstäbe seiner Entscheidung auf und verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bemessung des aus § 15 Abs. 2 AGG resultierenden Entschädigungsanspruchs, wonach die Umstände des Einzelfalles wie Art und Schwere der Benachteiligung aber auch der Sanktionszweck zu berücksichtigen sind. Zur Begründung der Höhe bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht zudem auf vergleichbare gesetzliche Entschädigungsregelungen im Gerichtsverfassungsgesetz und Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Da das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der vorstehenden Überlegungen jedenfalls vertretbar und nicht aus sachfremden Erwägungen die Entschädigungshöhe festgesetzt hat, ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht in seiner Bedeutung als Willkürverbot verletzt (vgl. BVerfGE 87, 273 <279>).
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4. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist ebenfalls nicht gegeben.
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a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339<366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316>; 135, 155 <231>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>).
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Jedoch stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.).
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Eine offensichtlich unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht liegt vor, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232>). Ebenso verstößt ein solches Gericht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn es in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 -, juris, Rn. 9).
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Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>). Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>) die vertretbare Überzeugung bildet, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch die Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 -, juris, Rn. 10).
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b) Eine nicht mehr verständliche oder unhaltbare Auslegung und Anwendung des Art. 267 Abs. 3 AEUV liegt danach nicht vor. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich erörtert hat, ob es hinsichtlich der Vereinbarkeit der rückwirkend zum 1. September 2006 in Kraft getretenen Überleitungsregelung in § 80 SächsBesG mit der Richtlinie 2000/78/EG einer Vorlage an den Gerichtshof bedurfte, hat es ersichtlich nicht etwa seine unionsrechtliche Vorlagepflicht verkannt, sondern angenommen, dass die Klarheit der Rechtslage eine Vorlage entbehrlich macht.
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aa) Soweit es um den Erlass einer Überleitungsregelung geht, hat der Europäische Gerichtshof zur vergleichbaren Regelung im Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz entschieden, die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG seien dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die die Modalitäten der Überleitung von Bestandsbeamten in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass zum einen die Besoldungsstufe, der sie nunmehr zugeordnet werden, allein auf der Grundlage des unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird, obgleich dieses alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruhte, und dass sich zum anderen der weitere Aufstieg in eine höhere Besoldungsstufe nunmehr allein nach der seit dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften erworbenen Berufserfahrung bemisst (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht, juris, Rn. 86; zur entsprechenden Problematik im TVÜ-Bund vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 und C-298/10 - Hennigs und Mai). Eine solche Überleitungsregelung verfolge das legitime Ziel der Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe, welches einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstelle (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht, juris, Rn. 64). Der nationale Gesetzgeber überschreite die Grenzen seines Ermessens nicht, wenn er es als weder realistisch noch wünschenswert ansehe, das neue Einstufungssystem rückwirkend auf alle Bestandsbeamten anzuwenden. Es könne nicht verlangt werden, dass jeder Einzelfall individuell geprüft wird, um frühere Erfahrungszeiten im Nachhinein und individuell festzustellen, da die Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 - Specht, juris, Rn. 78, 80).
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Soweit es im Allgemeinen um das rückwirkende Inkraftsetzen richtlinienkonformer Maßnahmen geht, ermöglicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die rückwirkende und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung einer Richtlinie die Behebung der Nachteile, die sich aus der verspäteten Umsetzung ergeben, wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Diese Anwendung garantiere den Betroffenen gerade die Rechte, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre. Demnach kann ein Mitgliedstaat als Ersatz des Schadens, der durch die verspätete Umsetzung von Richtlinien entstanden ist, die verspätet erlassenen Durchführungsmaßnahmen rückwirkend anwenden. Zugleich betont der Europäische Gerichtshof, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, darauf zu achten, dass der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen wiedergutgemacht wird (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - Rs. C-94/95 und C-95/95 - Bonifaci u. a., juris, Rn. 51 ff.; Urteil vom 10. Juli 1997 - Rs. C-373/95 - Maso u. a., juris, Rn. 39 ff.).
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bb) Das Bundesverwaltungsgericht hat aus dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs gefolgert, dass die Überleitungsregelung des § 80 SächsBesG für Beamte der Besoldungsordnung A, die am 31. August 2006 in einem Dienstverhältnis zum Freistaat Sachsen oder zu einer der Aufsicht des Freistaats unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts standen, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters zwar perpetuiere. Denn die Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts orientiere sich an der Grundgehaltsstufe, die dem Beamten am 1. September 2006 nach dem früheren diskriminierenden System nach Maßgabe der §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 zugestanden hätte. Diese Überleitungsregelung sei jedoch zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die rückwirkende Inkraftsetzung unionsrechtskonformer Gesetze eine zulässige Form der Wiedergutmachung, mithin als Erfüllung des Entschädigungsanspruches anzusehen ist.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
Bei der Rechtsschutzversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.
(1) Dem Versicherungsnehmer sind die Informationen nach § 60 Abs. 2 vor Abgabe seiner Vertragserklärung, die Informationen nach § 61 Abs. 1 vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln.
(2) Die Informationen nach Absatz 1 dürfen mündlich übermittelt werden, wenn der Versicherungsnehmer dies wünscht oder wenn und soweit der Versicherer vorläufige Deckung gewährt. In diesen Fällen sind die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss, spätestens mit dem Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer in Textform zu übermitteln; dies gilt nicht für Verträge über vorläufige Deckung bei Pflichtversicherungen.
Bei der Rechtsschutzversicherung ist der Versicherer verpflichtet, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.05.2014 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 20 O 296/12 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der mit Rechnung vom 13.06.2012, Rechnungsnummer 1202925, geltend gemachten Rechtsanwaltsgebührenforderung der Rechtsanwaltskanzlei T & H in Höhe eines Betrages von 5.081,20 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die formell unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
6Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 5 Abs. 1 a S. 1, Abs. 2 a ARB-RU 2000 einen Anspruch auf Übernahme auch der Terminsgebühr ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.713,60 € im Wege der Freistellung.
7Die Beklagte ist nach § 5 Abs. 1 a S. 1 ARB-RU 2000 verpflichtet, die Vergütung des für die Klägerin tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts zu tragen. Die Klägerin kann nach § 5 Abs. 2 a ARB-RU 2000 verlangen, dass die Beklagte die von ihr zu tragenden Kosten übernimmt, sobald sie nachweist, zu deren Zahlung verpflichtet zu sein oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat. Im Ergebnis hat die Beklagte somit dafür zu sorgen, dass die Klägerin keine Kosten zu tragen hat.
81.
9Diesen Anspruch der Klägerin hat die Beklagte – anders als das Landgericht meint - nicht dadurch erfüllt, dass sie der Klägerin Versicherungsschutz für die Abwehr der entsprechenden rechtsanwaltlichen Gebührenforderung zugesagt hat. Dem Rechtsschutzversicherer steht es nicht frei, hinsichtlich von Kosten, die er für unberechtigt hält, dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz in der Form zu gewähren, dass er ihm Rechtsschutz für einen etwaigen, gegen ihn gerichteten Forderungsprozess seines Rechtsanwalts zusagt und zudem erklärt, den Versicherungsnehmer von einer Verpflichtung im Falle der Verurteilung freizustellen.
10a)
11Ein solches Wahlrecht des Rechtsschutzversicherers lässt sich mit den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsrechts nicht vereinbaren.
12Die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes sehen in der Rechtsschutzversicherung die Gewährung von Versicherungsschutz in Form von Abwehrschutz nicht vor (§ 125 VVG).
13Dessen Zulässigkeit für die Rechtsschutzversicherung kann auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass dem Versicherungsvertragsgesetz ein Versicherungsschutz in Form von Abwehrschutz grundsätzlich bekannt ist, nämlich in der Haftpflichtversicherung (§ 100 VVG). Die zwischen diesen beiden Versicherungssparten bestehenden erheblichen Unterschiede hinsichtlich Voraussetzungen und Art des Versicherungsschutzes sprechen gegen eine Übertragbarkeit der für die Haftpflichtversicherung geltenden Regeln auf die Rechtsschutzversicherung (BGH NJW 1992, 1509).
14Die Haftpflichtversicherung ist darauf gerichtet, den Versicherungsnehmer vor Ansprüchen in Schutz zu nehmen, die von dritter Seite gegen ihn erhoben werden. Hierbei sind die Abwehr unbegründeter und die Erfüllung begründeter Haftpflichtansprüche gleichrangige Hauptleistungen des Versicherers (BGH, NJW-RR 1999, 1037, Rn. 13). Hauptleistung des Rechtsschutzversicherers ist dagegen die Verpflichtung, den Versicherungsnehmer von Kosten für eine von diesem beabsichtigte Rechtsverfolgung oder –verteidigung zu befreien. Anders als in der Haftpflichtversicherung ist der Deckungsschutz der Rechtsschutzversicherung nicht nur vom Vorliegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Dritten abhängig, sondern zusätzlich von der Erfolgsaussicht der Wahrnehmung rechtlicher Interessen sowie fehlender Mutwilligkeit, also vom Ergebnis einer wertenden Prognose des Versicherers (BGH NJW 1992, 1509, Rn. 21).
15In der Rechtsschutzversicherung ist die Leistungszusage des Versicherers nur auf einen Teilausschnitt der wirtschaftlichen Folgen beschränkt, die eine rechtliche Auseinandersetzung für den Versicherungsnehmer hat, nämlich auf die hiermit verbundenen Kosten. Das Ergebnis der Prozessführung selbst ist dagegen unter keinem Gesichtspunkt eine eigene Rechtsangelegenheit des Rechtsschutzversicherers. Ob die Prozessführung günstig für den Versicherungsnehmer endet oder nicht, bleibt allein dessen Risiko, und nur ihn trifft auch das Resultat seiner Interessenwahrnehmung. Ein etwaiger Prozessverlust des Versicherungsnehmers bringt daher die einmal entstandene Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers nicht wieder zum Erlöschen. Dessen wirtschaftliches Interesse ist allein darauf gerichtet, dass keine durch die Rechtsverfolgung von ihm zu erstattenden Kosten entstehen. Es erstreckt sich somit nicht auf die Ansprüche des Versicherungsnehmers selbst, sondern nur auf die Art ihrer Durchsetzung (BGH NJW 1961, 1113; 1992, 1509). Während also der Rechtsschutzversicherer nur dem Kostenrisiko eines Rechtsstreits ausgesetzt ist, trägt der Haftpflichtversicherer auch das gesamte Sachrisiko (van Bühren, AnwBl 2013, 797, 799). Er hat gegebenenfalls den Haftpflichtprozess gegen den Dritten zu führen, und zwar – wenn auch im Namen des Versicherungsnehmers - in eigener Verantwortung, auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko; er hat gegebenenfalls durch Zahlungen an den Dritten den Versicherungsnehmer von der Inanspruchnahme aus einem gegen ihn erwirkten Zahlungstitel freizustellen; schließlich hat er an den Versicherungsnehmer selbst Zahlung zu leisten, wenn dieser den Dritten bereits zulässigerweise befriedigt hat (BGH NJW 1992, 1509, Rn. 11).
16b)
17Auch der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag und die zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen eröffnen kein entsprechendes Wahlrecht der Beklagten.
18Von einem Wahlrecht der Beklagten, die Klägerin unter Übernahme der hierfür anfallenden Kosten auf die Abwehr anwaltlicher Gebührenansprüche zu verweisen, ist hierin keine Rede. Stattdessen heisst es in § 5 Abs. 2 a ARB-RU 2000, dass der Versicherungsnehmer vom Versicherer die „Übernahme“ der vom Versicherungsnehmer zu tragenden Kosten verlangen könne.
19Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Eine derartige Auslegung ergibt hier, dass die Klägerin nicht mit einer „Erfüllung“ der Leistungspflicht der Beklagten durch deren Zusage rechnen musste, sie gewähre der Klägerin Abwehrschutz gegen die Gebührenforderung ihres Rechtsanwalts. Sehen Allgemeine Versicherungsbedingungen vor, dass der Versicherer die Kosten des Versicherungsnehmers – wie gemäß §§ 1, 2 ARB 75 - zu „tragen“ oder – wie nach § 5 Abs. 2 a ARB 2000 – zu „übernehmen“ hat, so bedeutet dies aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers, dass die Versicherung bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zu einer entsprechenden Zahlung oder Freistellung verpflichtet ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 87; AG München VersR 2013, 753).
20c)
21Ein bloßer Verweis des Versicherungsnehmers durch den Versicherer auf die Abwehr anwaltlicher Gebührenansprüche führt im Übrigen dazu, dass der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer in eine Defensivposition gedrängt wird, die mit der gebotenen Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht vereinbar ist.
22Indem der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsnehmer darauf verweist, sich auf Kosten des Versicherers gegen die Gebührenforderung seines Anwalts zu verteidigen, leistet er nicht auf den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Versicherungsfall, sondern bietet stattdessen eine Leistung an, die sich auf einen tatsächlich noch nicht eingetretenen, jedenfalls aber noch nicht angemeldeten Versicherungsfall bezieht, nämlich die Abwehr von Gebührenansprüchen des Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 91). Müsste der Versicherungsnehmer dies als Erfüllung des ursprünglich von ihm angemeldeten Versicherungsfalles gegen sich gelten lassen, wäre er gezwungen, anstelle des bisherigen Versicherungsfalles einen anderen Versicherungsfall zu verfolgen, auch wenn er dies eigentlich nicht beabsichtigt, etwa weil er die Gebührenforderung seines Rechtsanwalts für begründet hält. Eine derartige Pflicht des Versicherungsnehmers besteht indes nicht. Der Rechtsschutzversicherer kann nur zwischen der vom Versicherungsnehmer beantragten Kostenübernahme und ihrer (ggf. teilweisen) Versagung wählen, nicht aber zwischen den verschiedenen Versicherungsfällen. Erfolgreich und ohne seine vertraglichen Pflichten zu verletzten, kann der Rechtsschutzversicherer die Kostenübernahme allerdings nur dann verweigern, wenn die gegen den Versicherungsnehmer gerichtete Gebührenforderung unbegründet ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 91).
23d)
24Eine andere Ansicht verweist zunächst darauf, dass der Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung gegen den Versicherer einen Anspruch auf Kostenfreistellung (d.h. Schuldbefreiung) habe, der sich nur dann ausnahmsweise in einen Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers umwandele, wenn dieser die angeforderten Kosten bereits gezahlt habe. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1970, 1594, Rn. 50) ergebe sich zudem, dass zum Wesen eines jeden Freistellungsanspruchs nicht nur die Befriedigung begründeter Ansprüche, sondern auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche gehöre. Ausserdem stehe es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1984 – IV a ZR 24/82 - VersR 1984, 530, einem Freistellungsschuldner grundsätzlich frei, auf welche Weise er seinen Freistellungsanspruch erfülle. Daher habe der Rechtsschutzversicherer ein Wahlrecht, in welcher Form er seiner Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer nachkommen wolle; neben der Übernahme der von ihm für berechtigt gehaltenen Kosten könne er sich hinsichtlich von Kosten, die er für unberechtigt halte, auch dafür entscheiden, dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz in der Form zu gewähren, dass er ihm für einem vom Drittgläubiger zu erwartenden Forderungsprozess Rechtsschutz gewähre und erkläre, den Versicherungsnehmer von einer Verpflichtung im Falle seiner Verurteilung freizustellen. Ob und in welcher Höhe eine Kostenschuld des Versicherungsnehmers bestehe, sei dann in einem Prozess zwischen dem Kostengläubiger – dem Prozessbevollmächtigten - und dem Versicherungsnehmer zu klären. Die Interessen des Versicherungsnehmers würden bei dieser Lösung gewahrt. Werde die Berechtigung von Forderungen des Prozessbevollmächtigten nämlich in einem Rechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Prozessbevollmächtigten geklärt, so sei das Ergebnis dieses Rechtsstreits nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1992, 568, Rn. 17 ff.) für den Versicherer in dem Sinne bindend, dass auch ein Prozessverlust des Versicherungsnehmers die einmal entstandene Leistungspflicht des Versicherers nicht wieder zum Erlöschen bringe. Andererseits würde eine Klärung dieser Frage in einem Rechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer den Prozessbevollmächtigten nicht binden, so dass der Versicherungsnehmer in die Situation geraten könne, im Prozess gegen den dann leistungsfreien Versicherer zu unterliegen, in einem Nachfolgeprozess aber vom Prozessbevollmächtigten mit Erfolg in Anspruch genommen zu werden; in diesem Falle müsse der Versicherungsnehmer die Kosten zahlen, ohne dass der Versicherer verpflichtet sei, diese seinerseits dem Versicherungsnehmer zu erstatten (Entscheidung des Versicherungsombudsmannes v. 22.08.2005, Az. 3132/03; Bauer in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung (ARB), 8. Aufl., Rn. 10 zu § 5 ARB 2000, Rn. 10 zu § 20 ARB 2000; Bauer, Anm. zu AG München r+s 2013, 129).
25Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
26Zum einen lässt sich diese Ansicht – wie oben dargelegt – weder mit den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsrechts noch mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag und den zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Einklang bringen und führt darüber hinaus zu einer nicht interessengerechten Verschiebung der Rechtspositionen der Partner des Versicherungsvertrages.
27Zum anderen überzeugt die dogmatische Herleitung dieser Ansicht nicht, und auch die Interessen des Versicherungsnehmers gebieten eine derartige Handhabung nicht, sondern stehen ihr sogar entgegen.
28Der genannten Entscheidung BGH NJW 1970, 1594, Rn. 50, ist lediglich zu entnehmen, dass zum Wesen eines Freistellungsanspruchs grundsätzlich auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche gehört, nicht allerdings, dass eine solche durch Gewährung von Abwehrschutz erfolgen könne und nicht nur durch eine Ablehnung seitens des Rechtsschutzversicherers. Die in diesem Zusammenhang ins Feld geführten Wahlmöglichkeiten des Freistellungsschuldners beschränkten sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1984 – IV a ZR 24/82 - VersR 1984, 530, darauf, dass der Rechtsschutzversicherer seine Zahlung an den Versicherungsnehmer oder an den Kostengläubiger oder an die Prozessbevollmächtigten zur Weiterleitung an die Gerichtskasse erbringen kann; die Gewährung eines Abwehrschutzes ist nicht Gegenstand der genannten Entscheidung. Soweit von den Befürwortern eines Wahlrechts des Rechtsschutzversicherers auf zwei Aufsätze von Wendt (r+s 2010, 221, 229; r+s 2012, 209, 211) verwiesen wird, versteht der Senat diese mit dem OLG Düsseldorf (Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 90) so, dass dort lediglich die Möglichkeit des Rechtsschutzversicherers Erwähnung findet, unbegründete Forderungen in eigenen Verhandlungen mit dem Anwalt abzuwehren, und auf die hiermit zusammenhängende Pflicht des Rechtsschutzversicherers hingewiesen wird, den Versicherungsnehmer zu unterstützen, der sich gegen eine unbegründete anwaltliche Gebührenforderung aus einem Rechtsschutzfall zur Wehr setzen möchte.
29Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer – wie oben dargelegt - je nach seinem Vorgehen Gefahr laufen kann, letztlich keine Erstattung der fraglichen Kosten zu erhalten, vermag ein Wahlrecht des Versicherers zwischen Freistellung und Abwehrschutz nicht zu begründen. Der Versicherungsnehmer ist nämlich in seiner Entscheidung frei, mit wem er in diesem Dreiecksverhältnis einen Rechtsstreit führen und ob er das vorgenannte Risiko eingehen will. Es sind keine rechtlichen Gründe dafür ersichtlich, dass einem Rechtsschutzversicherer die Möglichkeit zukommen müsste, den Versicherungsnehmer gegen seinen Willen dazu zu zwingen, einen Gebührenstreit mit seinem Anwalt zu führen. Im Gegenteil stehen dem erhebliche schutzwürdige Belange des Versicherungsnehmers entgegen. Dieser kann nämlich trotz der o.g. Gefahr ein Interesse daran haben, keinen Rechtsstreit mit seinem Anwalt zu führen, um das zu diesem bestehende Vertrauensverhältnis nicht zu belasten. Lässt der Versicherungsnehmer die Berechtigung der Gebühren dementsprechend in einem Prozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer klären, ist er zudem zwar durch die o.g. Gefahr belastet, befindet sich aber prozessual in einer sogar günstigeren Position, da ihm der Prozessbevollmächtigte als Zeuge gegen den Rechtsschutzversicherer zur Verfügung steht (Graf, VersR 2013, 753, 757; Häcker zfs 2010, 188, 189).
30Schließlich spricht gegen ein Wahlrecht des Rechtschutzversicherers, dass es dann ohne sachlichen Grund für eine Differenzierung von dem zufälligen Umstand, ob der Versicherungsnehmer die Anwaltsgebühren bereits selbst gezahlt hat oder nicht, abhinge, ob der Versicherer den Versicherungsnehmer auf einen Gebührenrechtsstreit mit seinem Anwalt verweisen kann. Zahlt der Versicherungsnehmer nämlich die streitigen Gebühren selbst an seinen Anwalt, scheidet wegen dessen Befriedigung ein Gebührenprozess zwischen Anwalt und Versicherungsnehmer aus, so dass der Versicherer den Versicherungsnehmer hierauf nicht mehr verweisen kann. In diesem Fall kann sich der Versicherer vor seiner Zahlungspflicht nur durch eine Ablehnung der Versicherungsleistung schützen; die Berechtigung dieser Ablehnung muss dann doch in einem Prozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer geklärt werden, in welchem die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gebühren geprüft wird (Graf, VersR 2013, 753, 757).
312.
32Die Terminsgebühr ist vorliegend auch angefallen.
33Gemäß § 5 Abs. 1 a S. 1 ARB 2000 trägt der Rechtsschutzversicherer die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts nur im Umfang der „gesetzlichen Vergütung“. Wegen der in dieser Formulierung liegenden Bezugnahme auf das gesetzliche Gebührenrecht entspricht dies denjenigen Gebühren des Rechtsanwalts, die im Prozessrechtsverhältnis nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und der Zivilprozessordnung erstattungsfähig sind (BGH NJW 2011, 232).
34Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zum RVG entsteht gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 Variante 3 VV u.a. dann, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klageauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten, ohne Beteiligung des Gerichts geführten Besprechung mitwirkt (BGH NJW 2011, 530). Voraussetzung ist allerdings, dass dem Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Besprechung bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden ist. Erteilt der Mandant dem Rechtsanwalt zunächst nur einen unbedingten Auftrag zur außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung und nur für den Fall, dass dies misslingt einen (insoweit bedingten) Klageauftrag, so liegt ein unbedingter Klageauftrag erst in dem Augenblick vor, in dem die Bedingung eintritt, also die außergerichtliche Durchsetzung scheitert. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Rechtsanwalt dem Gegner eine Frist zur außergerichtlichen Anspruchserfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Rn. 17 zur Vorbemerkung 3 VV; Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrech für Rechtsanwälte, § 3, Rn. 740).
35Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin ihrem Rechtsanwalt zunächst Anfang 2011 einen unbedingten Auftrag zur außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung gegen die A Versicherung und für den Fall, dass dies misslingt auch einen insoweit bedingten Klageauftrag erteilt. Dies haben sowohl die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung nach § 141 Abs. 1 ZPO als auch der Zeuge T, der Rechtsanwalt der Klägerin, bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung lebensnah und überzeugend angegeben.
36Am 24.05.2011 unterbreitete der Zeuge T dann der A Versicherung einen zu den Akten gereichten Vergleichsvorschlag mit Fristsetzung für die Annahme bis zum 10.06.2011. Nachdem diese Frist unstreitig ergebnislos verstrichen war, wurde der bis dahin bedingte Klageauftrag der Klägerin nach den oben genannten Grundsätzen zu einem unbedingten Klageauftrag. Der Zeuge T fertigte sodann einen entsprechenden Klageentwurf, den er am 01.02.2012 der hiesigen Beklagten zwecks Einholung einer Deckungszusage übersandte.
37Ebenfalls am 01.02.2012 nahm der Zeuge T telefonischen Kontakt zur A Versicherung mit dem Ziel einer eventuell doch noch möglichen außergerichtlichen Einigung auf und wies die mit ihm verbundene Mitarbeiterin der A Versicherung in dem Gespräch auf den bereits gefertigten Klageentwurf und die laufende Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer hin. Dies steht auf Grund der glaubhaften Angaben des Zeugen T zur Überzeugung des Senats fest. Die Bekundungen des Zeugen stehen in Übereinstimmung mit einem von ihm im Rahmen der Beweisaufnahme vorgelegten Vermerk aus seiner Handakte, der die Tatsache eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin I oder I2 der A Versicherung an jenem Tage ausweist. Die hinsichtlich des Namens seiner Gesprächspartnerin unscharfe Erinnerung des Zeugen T fügt sich zu dem Umstand, dass nach dem Inhalt der von den Parteien vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz des Zeugen mit der A Versicherung bei dieser eine Frau I3 beschäftigt war und mit dem Zeugen auch korrespondiert hat. Als nachvollziehbares Motiv für den fraglichen Anruf vermochte der Zeuge sein Bestreben mitzuteilen, der Mandantin trotz der an sich bereits gescheiterten Vergleichsverhandlungen möglichweise im letzten Augenblick doch noch einen langwierigen Rechtsstreit ersparen zu können. Schließlich sprach das erkennbare Bemühen des Zeugen um eine wahrheitsgemäße Aussage, welches sich in der freimütigen Offenbarung von Erinnerungslücken und Kenntlichmachung verbleibender Unschärfen äußerte, für die Richtigkeit seiner Angaben.
38Durch dieses Telefonat vom 01.02.2012 ist nach dem oben dargelegten Grundsätzen die vom Zeugen T geltend gemachte Terminsgebühr angefallen.
39Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge ebenfalls am 01.02.2012 auch ein Schreiben an die A Versicherung richtete, in welchem er dieser eine erneute Frist für die Annahme eines etwaigen Vergleichs bis zum 13.02.2013 setzte. Hierdurch konnte die bereits entstandene Terminsgebühr nicht wieder entfallen, und zwar unabhängig davon, ob der Klageauftrag hierdurch möglicherweise wieder zu einem bedingten geworden ist. Der Zeuge vermochte sich nämlich mit Sicherheit daran zu erinnern, dass er dieses Schreiben an die A Versicherung erst nach dem o.g. Telefonat verfasst und abgesandt hat. Auch von der Richtigkeit dieser Angabe ist der Senat mit Blick auf das Aussageverhalten des Zeugen sowie das von ihm geschilderte Motiv für den Telefonanruf überzeugt.
40III.
41Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
42IV.
43Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
44Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.713,60 €
Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 30. Dezember 2013 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen an zwei geschlossenen Immobilienfonds geltend.
- 2
- Der Kläger zeichnete am 9. Mai 1994 eine Beteiligung an der M. Fonds Nr. 32 M. K. KG, D. mit einem Nominalbetrag von 50.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Am 4. Januar 1996 zeichnete er eine weitere Beteiligung an der M. Fonds Nr. 36 M. K. KG, D. mit einem Nominalbetrag von 30.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Diese Kapitalanlagen finanzierte der Kläger jeweils mit einem Darlehen der B. - W. Bank. In beiden Fällen erfolgte die Zeichnung nach Gesprächen mit dem Zeugen Weber, der zur damaligen Zeit für die Beklagte tätig war.
- 3
- Insgesamt hat der Kläger Ausschüttungen für den M. Fonds Nr. 32 in Höhe von 10.793,37 € und für den M. Fonds Nr. 36 in Höhe von 6.667,76 € erhalten. Daneben erzielte er Steuervorteile in einer Größenordnung von mindestens 10.000 DM.
- 4
- Der Kläger hat geltend gemacht, es sei ein Anlageberatungsvertrag mit der Beklagten zustande gekommen, und er sei von dem Zeugen W. nicht anleger- und objektgerecht beraten worden.
- 5
- Die Beklagte ist dem Vorwurf der Falschberatung entgegengetreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
- 6
- Mit Anwaltsschriftsätzen vom 29. Dezember 2010, die am 31. Dezember 2010 bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts G. H. in M. eingingen, beantragte der Kläger die Einleitung eines Güteverfahrens hinsichtlich der streitgegenständlichen Fonds. Der Antrag zum Fonds Nr. 32 enthält unter Angabe eines vorläufigen Gegenstandswerts von 25.564,59 € im Wesentlichen folgende Begründung: "Antragstellerseits werden gegen die Antragsgegnerin Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages geltend gemacht. Der Antragsteller hat sich mit Erklärung vom 09.05.1994 mit einem Nominalbetrag in Höhe von DM 50.000,-- zuzüglich 5 % Agio am M. Fonds Nr. 32 beteiligt. Zu dieser Beteiligung wurde der Antragsteller aufgrund mehrerer Beratungsgespräche mit dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin , Herrn P. W. , veranlasst. Im Rahmen dieser Beratungsgespräche erläuterte die Antragsgegnerin ausführlich die Vorteile der vorbezeichneten Beteiligung. Diese sei als besonders sicher und werthaltig anzusehen und insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge äußerst empfehlenswert. Der Abschluss der Fondsbeteiligung sei dabei praktisch gesehen völlig risikolos, da einerseits die Immobilie bereits einen Wert an und für sich darstellen würde und andererseits bereits langfristige Mietverträge abgeschlossen worden seien, die bereits zu Beginn feste jährliche Mieteinnahmen garantieren würden. Abhängig von der Veränderung des Lebenshaltungsindexes würden diese Mieten in den Folgejahren voraussichtlich sogar sukzessive steigen. Die Sicherheit der Beteiligung sei dabei letztlich mit derjenigen eines festverzinslichen Wertpapiers vergleichbar, die Rendite bei dem M. -Fonds läge jedoch deutlich höher. … Dementsprechend könne eine Beteiligung an der Fondsgesellschaft nur als sinnvolle, sichere und chancenreiche Investition empfohlen werden. Das Gesamtkonzept der Beteiligung wurde im Rahmen der Beratung durch die Antragsgegnerin dargestellt. Unter Vorlage des Beteiligungsprospekts wurde dabei erklärt, die Beteiligung sei jederzeit frei veräußerbar. Insoweit sei für die Replazierung der Anteile bereits ein Zweitmarkt eingerichtet. Dies war bereits deshalb von besonderer Bedeutung, da die Beteiligung auch der antragstellerseitigen Altersvorsorge dienen sollte. … Im Einzelnen ist der Antragsgegnerin die Verletzung der nachfolgenden Aufklärungs- und Beratungspflichten vorzuwerfen: 1. Fehlende Fungibilität … 2. Keinerlei Risikohinweise … 3. Gravierende Interessenkollision/Kickback-Zahlung … 4. Planmäßige Falschberatung/Vertriebsschulungen … Auf Grund des vorbezeichneten Sachverhalts stehen der Antragstellerseite gegen die Antragsgegnerin wegen fehlerhafter Anlageberatung Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüche zu … Dabei ist die Antragstellerseite so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn sie die Fondsbeteiligung nicht gezeichnet hätte. Dabei ist der Antragstellerseite auch der entgangene Gewinn zu ersetzen, da sie, wenn sie sich nicht an dem streitgegenständlichen Fonds beteiligt hätte, die Zeichnungssumme jederzeit festverzinslich zu einem Zinssatz von mindestens 4 % hätte anlegen können. Erhaltene Ausschüttungen und Steuervorteile sind in diesem Zusammenhang in Abzug zu bringen sowie die streitgegenständliche Beteiligung Zug um Zug gegen die Schadensersatzzahlung an die Antragsgegnerin zu übertragen. Bei einer Rückforderung der Ausschüttungen wegen Einlagenrückgewähr sind diese ebenfalls von der Antragsgegnerin zu übernehmen. Ferner hat die Antragsgegnerin die Antragstellerseite auch von Schäden im Zusammenhang mit einer nachträglichen Aberkennung von Steuervorteilen, insbesondere von etwaigen Säumniszuschlägen sowie von außergerichtlich entstandenen Kosten freizustellen."
- 7
- Der Antrag zum Fonds Nr. 36 unterscheidet sich lediglich hinsichtlich der Angaben zum Gegenstandswert (15.338,76 €), zur Beteiligungssumme (30.000 DM) und zum Zeichnungsdatum (4. Januar 1996). Der Gang der Bera- tungsgespräche, die behaupteten Pflichtverletzungen und die geltend gemachten Rechtsfolgen stimmen wörtlich mit dem Antrag zum Fonds Nr. 32 überein.
- 8
- Nachdem die Beklagte eine Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren abgelehnt hatte, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 22. März 2011 das Scheitern des Verfahrens fest. Mit Eingang am 19. September 2012 hat der Kläger bei dem Landgericht Klage eingereicht, mit der er Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen aus den zur Finanzierung der Fondsbeteiligungen abgeschlossenen Darlehensverträgen sowie Schadensersatz in Höhe von 30.414 € nebst Zinsen verlangt hat. Außerdem hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz jedes weiteren künftig noch entstehenden Schadens im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fondsbeteiligungen verpflichtet sei und sich mit der Annahme der Fondsbeteiligungen in Verzug befinde.
- 9
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Freistellung von den eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten (Klageantrag zu 1) und zur Zahlung von 12.289,56 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 2) verurteilt sowie die Ersatzpflicht für alle künftigen Schäden und den Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich der Annahme der Fondsbeteiligungen festgestellt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision seinen auf Zahlung von 30.414 € nebst Zinsen gerichteten Klageantrag zu 2 in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
- Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung des Klägers. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.
I.
- 11
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 12
- Die Güteanträge des Klägers vom 29. Dezember 2010 hätten die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt. Die von dem anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers verfassten Antragsschreiben seien entgegen der Auffassung des Landgerichts geeignet gewesen, die geltend gemachten Ansprüche hinreichend zu individualisieren. Die Anforderungen an die notwendige Individualisierung hätten sich an dem Zweck des Güteverfahrens und an der jeweils hieran ausgerichteten Verfahrensordnung der Gütestelle zu orientieren. Danach sei ein bestimmter (bezifferter) Antrag des Gläubigers nicht erforderlich. Es genüge, wenn dem Antrag an die Gütestelle allein der Auftrag zu entnehmen sei, die Gütestelle möge in einem Streit vermitteln. Daneben müssten in dem Güteantrag der Zeitpunkt beziehungsweise der Zeitraum der Beratungsgespräche , die gezeichnete Anlage, der Zeichnungstermin und die Beteiligungssumme genannt werden. Insbesondere müsse der Antragsteller den konkreten Beratungsfehler zumindest stichwortartig bezeichnen. Dies sei unentbehrlich, weil jede Aufklärungspflichtverletzung verjährungsrechtlich als eine selbständige Schädigungshandlung aufzufassen sei und nur ein Güteantrag, der den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch hinreichend genau bezeichne, die Verjährung hemme. Diesen Anforderungen genügten die Güteanträge des Klägers. Aus den anwaltlichen Anspruchsschreiben ergäben sich der Sachverhalt sowie einzelne Beratungspflichtverletzungen des für die Beklagte tätigen Vermittlers. Damit sei der Streitgegenstand hinreichend gekennzeichnet. Einer weiteren Konkretisierung in Form einer Bezifferung des Schadensersatzbegehrens habe es nicht bedurft. Der Beklagten fielen mehrere Beratungsfehler zur Last. Hinsichtlich der Schadenssumme müsse der Kläger Abstriche hinnehmen.
- 13
- Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
- 14
- Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts sind die streitgegenständlichen Ansprüche wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt (§ 214 Abs. 1 BGB), weil die Güteanträge des Klägers mangels ausreichender Individualisierung des Streitgegenstands keine Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4, § 209 BGB herbeigeführt haben.
- 15
- 1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, WM 2015, 1319 Rn. 16 ff mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, sowie III ZR 189/14, BeckRS 2015, 11749 Rn. 15 ff; III ZR 191/14, BeckRS 2015, 11750 Rn. 16 ff und III ZR 227/14, BeckRS 2015, 11752 Rn. 16 ff) hemmt die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags die Ver- jährung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Anlageberatung unter folgenden Voraussetzungen:
- 16
- a) Der Güteantrag muss die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden. Gemäß Art. 9 Satz 2 des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und § 2 Satz 2 der Verfahrensordnung des Rechtsanwalts G. H. hatte der Güteantrag hier "eine kurze Darstellung der Streitsache und den Gegenstand des Begehrens" zu enthalten.
- 17
- b) Der Güteantrag muss darüber hinaus für den Schuldner erkennen lassen , welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Auch wenn insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, da das Güteverfahren in erster Linie auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits abzielt und keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren besteht, kommt hinzu, dass die Gütestelle durch den Antrag in die Lage versetzt werden muss, als neutraler Schlichter und Vermittler im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dies setzt voraus, dass sie ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert wird.
- 18
- Nach diesen Grundsätzen hat der Güteantrag in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest so weit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle ) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14; III ZR 191/14; III ZR 227/14 aaO jeweils Rn. 25 und III ZR 189/14 aaO Rn. 24; Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 2015 - III ZR 164/14, BeckRS 2015, 13230 Rn. 3 und III ZR 302/14, BeckRS 2015, 13231 Rn. 5 sowie vom 13. August 2015 - III ZR 358/14 und III ZR 380/14).
- 19
- 2. Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden (Senatsurteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14 aaO Rn. 17; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 155/11, NJW 2013, 3509 Rn. 17).
- 20
- Wenn der geltend gemachte prozessuale Anspruch in dem dargelegten Umfang hinreichend individualisiert ist, erstreckt sich die Hemmungswirkung des Güteantrags auf den Streitgegenstand insgesamt. Erfasst werden nicht nur die im Güteantrag aufgeführten Pflichtverletzungen, sondern alle materiellrechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des Rechtsschutzbegehrens aus dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt (Beratungssituation) herleiten lassen. Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler ein Güteverfahren eingeleitet wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es deshalb nicht darauf an, ob die später im Klageweg verfolgten Pflichtverletzungen bereits in dem Güteantrag konkret bezeichnet wurden (Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14 aaO Rn.15 und III ZR 303/14, BeckRS 2015, 11753 Rn. 11 sowie vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14, BeckRS 2015, 13342 Rn. 15 [Mahnantrag]; Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2015 - III ZR 53/14, BeckRS 2015, 04823 Rn. 1 und vom 25. Juni 2015 - III ZR 173/14, BeckRS 2015, 13523 Rn. 3 f; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 ff; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145 f).
- 21
- 3. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden Senats genügen die Güteanträge des Klägers vom 29. Dezember 2010 den Individualisierungserfordernissen nicht. Sie waren somit nicht geeignet, die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4, § 209 BGB zu hemmen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorgaben in Art. 9 Satz 2 des Bayerischen Schlichtungsgesetzes und § 2 Satz 2 der Verfahrensordnung des Rechtsanwalts G. H. , wonach der Güteantrag "eine kurze Darstellung der Streitsache und den Gegenstand des Begehrens" enthalten muss. Insoweit bestehen keine Abweichungen von den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14 aaO Rn. 26).
- 22
- a) Die Güteanträge des Klägers bezeichnen die jeweilige Kapitalanlage ("M. Fonds Nr. 32" und "M. Fonds Nr. 36") und nennen das Zeichnungsdatum sowie die Beteiligungssumme, wobei der angegebene Gegenstandswert (25.564,59 € und 15.338,76 €) mit der Zeichnungssumme identisch ist. Obwohl den Beteiligungen jeweils mehrere Beratungsgespräche vorausgingen , fehlen Angaben zum (ungefähren) Beratungszeitraum. Auch erscheint fraglich, ob die eher allgemein gehaltene Schilderung der Beratungssituation geeignet war, den konkreten Beratungshergang mindestens im Groben zu umreißen. Diese Fragen können letztlich dahinstehen. Jedenfalls fehlt es, worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat, an der ausreichenden Beschreibung des angestrebten Verfahrensziels. Die Güteanträge enthalten keine hinreichenden Angaben, die es der Beklagten und der Gütestelle ermöglicht hätten, Art und Umfang der verfolgten Ansprüche einzuschätzen. Erwähnt wird nur, dass dem Antragsteller wegen fehlerhafter Anlageberatung Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüche zustünden und "die Antragstellerseite so zu stellen sei, wie sie gestanden hätte, wenn sie die Fondsbeteiligung nicht gezeichnet hätte". Es sei auch der "entgangene Gewinn" zu ersetzen, da die Zeichnungssumme jederzeit festverzinslich zu einem Zinssatz von mindestens 4 %" hätte angelegt werden könne. Erhaltene "Ausschüttungen" und "Steuervorteile" seien in Abzug zu bringen. Hiernach ist die Größenordnung der geltend gemachten Ansprüche weder für die Beklagte noch für die Gütestelle zu erkennen und auch nicht wenigstens im Groben einzuschätzen gewesen. Denn den Güteanträgen ist nicht zu entnehmen, ob das eingebrachte Beteiligungskapital fremdfinanziert war, so dass ein etwaiger Schaden auch oder gar in erster Linie in den aufgebrachten Zins- und Tilgungsleistungen bestand, wie es vorliegend der Fall war. Aus den Güteanträgen ergeben sich auch keine Hinweise auf Freistellungsansprüche , wie sie der Kläger bezüglich der Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der B. -W. Bank mit der Klage geltend macht.
- 23
- b) Nach alledem erweist sich die Verjährungseinrede der Beklagten als gerechtfertigt und die Klageforderung insgesamt als unbegründet. Mangels wirksamer vorheriger Hemmung ist die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 1. Januar 2002 begonnen hat, am Ende des 2. Januar 2012 (Montag) und somit vor Einreichung der Klage im September 2012 abgelaufen.
- 24
- Die Anschlussrevision des Klägers ist - unabhängig von der Frage, ob das Berufungsgericht die Revision möglicherweise nur für die Beklagte zugelassen hat - zulässig (§ 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zum Eintritt der zehnjährigen (absoluten) Verjährungsfrist Bezug genommen.
IV.
- 25
- Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts war auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben, wobei der Senat in der Sache selbst entscheiden konnte, da sie zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 30.12.2013 - 1 O 205/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 11.11.2014 - 17 U 26/14 -
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 3 U 621/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am
5 O 2238/13 LG Traunstein
In dem Rechtsstreit
1) …
- Kläger und Berufungskläger -
2) …
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte …
gegen
…
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Schadensersatz
erlässt das Oberlandesgericht München - 3. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, die Richterin am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2016 folgendes
Endurteil:
1. Das Versäumnisurteil des Senats vom
2. Die Klagepartei trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Traunstein
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
- das Endurteil des Landgerichts Traunstein
- den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Traunstein zurückzuverweisen,
- hilfsweise das Endurteil des Landgerichts Traunstein auf die Berufung der Kläger abzuändern und entsprechend den nunmehr gestellten Leistungs- und Feststellungsanträgen neu zu fassen,
- hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Traunstein
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I. das Versäumnisurteil
II. auf die Berufung der Kläger das Endurteil des Landgerichts Traunstein
III. den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Traunstein zurückzuverweisen; Im Übrigen stellten die Kläger als Hilfsanträge zu 2. und 3. die bereits in der Berufungsbegründung vom 16.04.2015, Seite 2, aufgeführten Zahlungs- bzw. Feststellungsanträge respektive Verweisungsantrag.
I. das Versäumnisurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 27.073,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen abzüglich einer Zahlung des Herrn Walter F. in Höhe von 1.132,58 € am 30.12.2015 Zug um Zug gegen die schriftliche Zustimmung der Kläger zur Übertragung der Ansprüche aus der Beteiligung an der S.-D.-U. Dreiländer Beteiligung Objekt - DLF 97/25 - KC Beteiligungs GmbH & Co. KG, Vertrags-Nr.: …500650
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche weiteren künftigen materiellen Schäden aus der Beteiligung an S.-D.-U. Dreiländer Beteiligung Objekt - DLF 97/25 - KC Beteiligungs GmbH & Co. KG, Vertrags-Nr.: …500650 zu ersetzen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.538,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie die Kläger von den weiteren vorgerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.350,77 € freizustellen.
Festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 1.132,58 € teilweise erledigt hat.
das die Berufung der Klageseite zurückweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Berufung der Klageseite auch in Form der nunmehr geänderten Anträge zurückzuweisen.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.