Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 09. Nov. 2005 - 7 U 6/05

bei uns veröffentlicht am09.11.2005

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und des Streithelfers wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21.12.2004 - 11 O 218/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziff. 2 des Tenors wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die Leistungen aufgrund der Schäden F. L. zu ersetzen, deretwegen dessen Ansprüche wegen der Leitung seiner Geburt am 11. und 12.4.1991 und seiner anschließenden Behandlung im Kreiskrankenhaus S. gegen die Beklagten aufgrund des Versicherungsvertrages zugunsten F. L. auf sie übergegangen sind oder noch übergehen werden, soweit über diese nicht bereits in Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteils entschieden worden ist.

II. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus übergegangenem Recht - teilweise im Wege der Feststellung - Schadensersatz wegen der fehlerhaften Leitung der Geburt des Streithelfers am 11./12.04.1991 im Kreiskrankenhaus S. für Leistungen von Pflegegeld, Behandlungs- und Therapiekosten, die sie als Krankenversicherer aufgrund Vertrags mit J. L. für den mitversicherten Sohn F. L., ihrem Streithelfer, erbracht hat und in Zukunft erbringen wird.
Der Grund der Haftung ist inzwischen unstreitig; die Beklagten berufen sich auf eine Abgeltungsvereinbarung, die sie mit dem Streithelfer geschlossen haben. Dieser machte vor dem Landgericht H. Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie im Wege der Feststellung den Ersatz materieller und immaterieller Schäden unter anderem gegen die Beklagten des hiesigen Verfahrens geltend. Am 12.11.2002 schlossen die dortigen Parteien einen gerichtlichen Vergleich, dessen § 1 lautet:
„Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, an den Kläger zur Abgeltung sämtlicher aus der streitgegenständlichen Behandlung der Mutter des Klägers und der aufgrund der Geburt des Klägers am 12.04.1991 im Kreiskrankenhaus Sch. entstandene Schäden einen Betrag von 475.000,00 EUR zu zahlen.“
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Zahlungsklage in Höhe von 39.701,68 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 22.04.1999 stattgegeben und die Feststellung ausgesprochen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die bis zum 20.11.2002 von der Klägerin erbrachten Leistungen, soweit sie nicht Gegenstand des Zahlungsantrags waren, zu erstatten. Den weitergehenden Feststellungsantrag und einen Teil des Zahlungsantrag hat es abgewiesen. Gegen die Abweisung des Feststellungsantrags für den Zeitraum nach dem 20.11.2002 wenden sich die Klägerin und der Streithelfer mit ihrer Berufung. Sie vertreten weiterhin die Auffassung, der Vergleich in dem Verfahren vor dem Landgericht H. habe keinen Einfluss auf die Ansprüche der Klägerin, vielmehr seien lediglich die Ansprüche des Streithelfers abgegolten worden, soweit diese nicht von der Klägerin zu erstattende Heilbehandlungen oder Ansprüche auf Pflegegeld betrafen. Die Beklagten treten der Berufung entgegen und verteidigen das landgerichtliche Urteil.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Akten des Landgerichts H. 4 O 49/99 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung der Klägerin und des Streithelfers ist zulässig und begründet.
Die Beklagten haben der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 67 Abs. 1 S. 2 VVG auch die Aufwendungen zu ersetzen, die sie nach dem 21.11.2002, als zwischen dem damaligen Kläger und hiesigen Streithelfer und den Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht H. der Vergleich geschlossen wurde, für Heilbehandlungskosten und Pflegegeldleistungen an den Streithelfer gehabt hat und in Zukunft haben wird.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Überprüfung des vom erstinstanzlichen Gericht ermittelten Inhalts eine Individualvereinbarung, der allein zwischen den Parteien im Streit steht, zu differenzieren, ob die Überprüfung des vom erstinstanzlichen Gericht ermittelten Inhalts einer Individualvereinbarung ihren Schwerpunkt im tatsächlichen Bereich, also bei der Feststellung des Erklärungstatbestands sowie der weiteren tatsächlichen Umstände, die für das Verständnis der Vereinbarung von Bedeutung sind, liegt oder im normativen Bereich, in dem die festgestellten Tatsachen über den Inhalt einer Vereinbarung im Hinblick auf umstrittene Rechtsfolgen zu würdigen sind und dadurch der Inhalt des Vertrags rechtlich näher zu bestimmen ist, was eine Anwendung des materiellen Rechts gem. § 546 ZPO ist (BGH, Urteil vom 14.07.2004 - VIII ZR 164/03 - NJW 2004, 2751, 2752). Dies bedeutet, dass für die Feststellung des Erklärungstatbestands und etwaiger anderer Tatsachen, die für die Auslegung von Bedeutung sein können, die Maßstäbe des § 529 ZPO bei der Überprüfung anzuwenden sind, also konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen bestehen müssen, um die grundsätzliche Bindungswirkung der Tatsachenfeststellung aufzuheben, während bei der Würdigung des Vertragsinhalts und der Bestimmung der Rechtsfolgen, die von den Normen des materiellen Rechts, insbesondere der §§ 133, 157 BGB und den daraus entwickelten methodischen Anweisungen (Gebot der Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert, Gebot der beiderseits interessengerechten Auslegung) geleitet werden, lediglich eine rechtliche Überprüfung (§ 546 ZPO) zu erfolgen hat (BGH a.a.O.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Senat nicht an die Auslegung des vor dem Landgericht H. geschlossenen Vergleichs durch das Landgericht, das darin eine Vereinbarung über die umfassende Abgeltung sämtlicher Ansprüche des Klägers, auch für - von der Klägerin - zu erstattende Heilbehandlungs- oder Pflegekosten gesehen hat, gebunden. Zwar hat das Landgericht zutreffend die Erklärung des Streithelfers aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts ausgelegt. Jedoch bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der für die Feststellung des Erklärungstatbestandes zu berücksichtigenden Tatsachen gem. § 529 Abs. 1 ZPO.
10 
Bei einem Forderungsübergang auf Dritte nicht schon im Unfallzeitpunkt, sondern erst später, ist genau zu prüfen, ob der Abfindungsvergleich die Ansprüche, die für einen Anspruchsübergang in Betracht kommen, mit umfasst. Das gilt vor allem dann, wenn ein Verzicht des Geschädigten Konsequenzen für seinen eigenen Anspruch gegen den Dritten haben kann (Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 8. Aufl., Rn. 842). Eine solche Prüfung ergibt hier eine beschränkte Abgeltung.
11 
a) Zu Recht geht das Landgericht bei der Auslegung des Vergleichs von dessen gerichtlich protokollierten Wortlaut aus und stellt fest, dieser sei bezüglich der Abgeltungswirkung des Vergleichs nicht eindeutig. Auch wenn bei der Auslegung nicht am buchstäblichen Sinne des Wortlauts festzuhalten ist, so ist doch vom Wortlaut einer Erklärung auszugehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.12.1992 - I ZR 186/90 - BGHZ 121, 13, 16 und Palandt/Heinrichs, 64. Aufl., § 133 Rn. 14 m. zahlr. N.). Dabei ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich, bei Texten, die sich an Fachleute richten, die fachspezifische Bedeutung (BGH, Urteil vom 23.06.1994 - VII ZR 163/93 - NJW-RR 1994, 1108, 1109). Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch unter Juristen wird die Formulierung „entstandene Schäden“ in der Regel auf die Vergangenheit bezogen, so dass ein Zukunftsschaden davon nicht erfasst ist. In diesem Sinne verstehen allerdings weder die Parteien noch der Streithelfer den Vergleich. Vielmehr besteht Einigkeit darüber, dass auch zukünftige Schäden - jedenfalls zum Teil - mit abgegolten werden sollten. Dieses Verständnis wird auch von dem Verhältnis der Abgeltungssumme zur Schadensaufstellung des Streithelfers im Vorprozess (I 429 f., 481 f.) gestützt.
12 
Damit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Sachverhalt von den Fällen, die den von den Beklagten zitierten Urteilen zugrunde lag. Sowohl der Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 09.12.1987 - 6 U 250/86, jurisdoc KORE 527988905) als auch der des LG Bayreuth (Urteil vom 26.06.1992 - 2 O 230/92, RUS 1994, 159, 160) lagen Fälle zugrunde, in denen die vereinbarte Abänderungsklausel in ihrem Sinngehalt bei interessengerechter Auslegung eindeutig im Sinne einer umfassenden Regelung war. So sollten mit der der Entscheidung des LG Bayreuth zugrunde liegenden Abfindungsregelung „sämtliche bereits entstandenen und etwa in Zukunft noch zu erwartenden Entschädigungsansprüche, auch soweit diese noch nicht bekannt oder nicht voraussehbar sind, endgültig und vollständig“ abgefunden sein. Deshalb haben beide Gerichte bei eindeutigem Wortlaut eine andere Würdigung aufgrund nachträglicher Ereignisse oder subjektiver Vorbehalte abgelehnt. Dem schließt sich der Senat an. Allerdings fehlt es hier, wie ausgeführt, an einem objektiv eindeutigen Wortlaut.
13 
b) Ist der Wortlaut einer Erklärung oder einer Vereinbarung nicht eindeutig, so sind die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung mit einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. 1. 2000 - VIII ZR 275/98 - NJW-RR 2000, 1002, 1004). Bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen oder Vereinbarungen sind allerdings nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren. Zu solchen Umständen gehört insbesondere die Entstehungsgeschichte einer Vereinbarung, also Vorverhandlungen oder wie hier die Bestimmung des Streitgegenstands des Verfahrens, in dem der Prozessvergleich, der seiner Natur nach sowohl Prozesshandlung als auch materieller Vertrag ist. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt, jedoch den Verlauf des Verfahrens und die erfolgte Erweiterung des Streitgegenstandes nicht vollständig gewürdigt.
14 
Der Streithelfer hatte im Vorprozess zunächst u. a. beantragt, „festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 2 (Bem.: hier ebenfalls beklagt) verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materielle und immaterielle Schäden aus dem eingetretenen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und andere Dritte übergangen sind“. Diese Formulierung entspricht derjenigen, die üblicherweise von gesetzlich versicherten Geschädigten für den Feststellungsanspruch gewählt wird. Dem liegt zugrunde, dass nach den §§ 116 ff. SGB X der Übergang auf den Sozialleistungsträger bereits mit dem Schadensfall erfolgt und nicht erst mit der Erbringung von Leistungen. Deswegen hat der Geschädigte im Umfang des Forderungsübergangs von vornherein keinen eigenen Anspruch. Es fehlt ihm folglich die Aktivlegitimation für den Ersatzanspruch von Heilbehandlungs- oder Pflegekosten. Dementsprechend kann von einem Abgeltungsvergleich der Anspruch des Sozialversicherungsträgers von vornherein nicht berührt werden, da der Versicherte keine Verfügungsbefugnis über den Anspruch hat.
15 
Hier war die rechtliche Situation des nicht gesetzlich, sondern privat kranken- und pflegeversicherten Klägers jedoch grundlegend anders. Dementsprechend erfolgte der gesetzliche Forderungsübergang nicht nach §§ 116 ff. SGB X, sondern gem. § 67 Abs. 1 S. 1 VVG. Dies geschieht allerdings nicht mit dem Schadensfall, sondern erst mit der Leistung (und in diesem Umfang) durch den Versicherer (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67 Rn. 17). Dies war auch den Beklagten des Prozesses vor dem Landgericht H. von Anfang an bekannt (Klagerwiderung vom 29.07.1999, LG H. AS 53), auch wenn möglicherweise die rechtliche Folge nicht überblickt wurde. In diesem Schriftsatz teilte der damalige und hiesige Beklagtenvertreter mit, beim Landgericht M. (im hiesigen Verfahren) laufe die Klage des Krankenversicherers des damaligen Klägers gegen die Beklagten. Dies wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.02.2000 erörtert (Protokoll S. 3, LG H. AS 151). Damit konnte und musste der Kläger die Schadensersatzansprüche für die Zukunft selbst geltend machen. Er hätte daher, worauf das Landgericht richtig hinweist, mit dem Vergleich auf Ersatzansprüche für „sämtliche“ Schäden (so der Vergleichswortlaut), allerdings nur soweit noch keine Leistungen der Klägerin erfolgt waren, gegen Zahlung der Abgeltungssumme verzichten können.
16 
c) Allerdings kann weder der Feststellungsantrag noch die Willenserklärung des damaligen Klägers und jetzigen Streithelfers bei Abschluss des Vergleichs ausgelegt werden, ohne die Begründung der geltend gemachten Ansprüche hinzuzuziehen. Diese sind nicht nur für die Ermittlung des Streitgegenstandes von Bedeutung. Bei der Würdigung der Begleitumstände, die zur Auslegung hinzuzuziehen sind, ist nämlich vor allem die bestehende Interessenlage beider Parteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 14.07.1956 - V ZR 223/54 - BGHZ 21, 319, 328, 331 f., Urteil vom 11.05.1995 - VII ZR 116/94 - VersR 1995, 1465, 1466, Urteil vom 19.02.2003 - XII ZR 19/01 - NJW 2003, 1734, Palandt/Heinrichs a.a.O. , § 133 Rn. 18 m. zahlr. N.). Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (BGH, Urteil vom 08.06.1994 - VIII ZR 103/93 - NJW 1994, 2228, 2229, BGH a.a.O., VersR 1995, 1465, 1466). Im Hinblick auf die für die Bewertung des Streitgegenstandes erforderliche Würdigung des Prozessvortrags des damaligen Klägers sind die Feststellungen des Landgerichts nicht vollständig. Es hat den Prozessvortrag nicht vollständig ausgewertet, insbesondere nicht die Erwägungen, die im Rahmen der Vergleichsverhandlungen der Parteien aus den Prozessakten des Landgerichts H. ersichtlich sind. Folglich hat der Senat insoweit gem. § 529 ZPO neue Feststellungen zu treffen.
17 
aa) Bereits der Wortlaut des Feststellungsantrags „festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 2 verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materielle und immaterielle Schäden aus dem eingetretenen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und andere Dritte übergangen sind“ spricht dafür, dass der Streithelfer im Verfahren vor dem Landgericht H. nur seine eigenen nicht auf die Versicherung übergehenden Ansprüche verfolgen wollte. Wie oben ausgeführt entspricht der Antrag der üblichen Formulierung bei gesetzlich Versicherten. Dass hier nicht die für privat versicherte Geschädigte notwendige weitere Einschränkung „übergegangen sind oder übergehen werden“ enthalten ist, beruht offensichtlich auf einem Versehen.
18 
bb) Der Streithelfer hat erstmals im Rahmen der Vergleichsverhandlungen detailliert zur Höhe der materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft vorgetragen. Im Schriftsatz vom 09.08.2002 (LG H. AS 419 ff.) äußert er sich zur Höhe des Schmerzensgeldes und sodann zum Pflegemehraufwand, der sich nach den dortigen Berechnungen (LG H. AS 421) unter Berücksichtigung der geleisteten Pflegegelder auf mindestens 270.000,00 EUR bis zum Alter von zehn Jahren und acht Monaten belaufe. Bis zum 18. Lebensjahr berechnet er einen weiteren Pflegemehraufwand von 215.000,00 EUR und für die Zeit nach dem 18. Lebensjahr alternativ entweder weiteren Betreuungsunterhalt oder aber entgangenen Verdienst von ca. 1,5 Mio. EUR (LG H. AS 423). Weiterhin stellt er auf Mehrausgaben für ein behindertengerechtes Auto und den behindertengerechten Umbau eines Hauses ab. Aus diesen Berechnungen wird deutlich, dass es sich bei den vorgestellten materiellen Schäden für die Zukunft lediglich um solche handelt, die beim Streithelfer verbleiben. Denn er betont, dass die für ihn (in der Pflegestufe 3) gezahlten Pflegegelder abgezogen werden müssten, um den bei ihm verbleibenden zukünftigen Schaden zu ermitteln (Schriftsatz vom 09.08.2002, LG H. AS 421); die Zahlung der Pflegegelder erfolgt aber durch die Klägerin aufgrund der bestehenden Pflegeversicherung.
19 
cc) Heilbehandlungskosten werden überhaupt nicht angesprochen, obwohl das sehr nahe liegend gewesen wäre, da angesichts seiner schweren Gesundheitsschädigung auch in Zukunft, mit der Notwendigkeit krankengymnastischer Übungen und ärztlicher Behandlungen der Spastik zu rechnen war. Eine notwendige Operation spricht der Streithelfer in seinem Schriftsatz vom 09.08.2002 im Rahmen des Pflegemehraufwandes zur Darlegung der Behinderung selbst an (ausgedehnte orthopädischen Operation beider Beine und aller drei Gelenke Anfang 1999). Der Zeitraum, in den die Operation fiel, war im Prozess vor dem Landgericht H. vom Feststellungsantrag umfasst und im hiesigen Prozess ebenfalls, da im Wege der Zahlungsklage nur Ersatz der Leistungen im Zeitraum von 1994 bis 1998 eingeklagt war. Sonst wurden vom Streithelfer in diesem Schriftsatz im Rahmen des Zukunftsschadens lediglich „Mehrausgaben ... für Medikamente und Dinge des täglichen Lebens“ erwähnt (LG H. AS 423). Daraus kann aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht geschlossen werden, es handele sich insoweit um Heilbehandlungskosten, die von der Klägerin zu erstatten wären. Für Dinge des täglichen Lebens ist die Klägerin als Krankenversicherung von vornherein nicht erstattungspflichtig. Auch bei Mehrausgaben für Medikamente kann es sich ohne weiteres um solche handeln, die nicht im Leistungskatalog enthalten sind, oder um Zuzahlungen des Patienten.
20 
dd) Schließlich hat der Streithelfer im Rahmen der Vergleichsverhandlungen bei einer weiteren Berechnung des vergangenen und zukünftigen materiellen Schadens ausdrücklich den „möglicherweise zu vergleichenden Gesamtschaden“ mit 1.482.095,00 EUR zzgl. vom Gericht zu bestimmendes bisheriges und zukünftiges Schmerzensgeld angegeben (Schriftsatz vom 14.10.2002, S. 6, LG H. I 483). Auch diesem „Gesamtschaden“ liegen ausschließlich die Aufwendungen für die Pflege, sowie der Verdienstausfall und - am Rande - der geplante Hausbau mit behindertengerechten Einrichtungen und das Auto zugrunde. Andererseits wird in diesem Zusammenhang zur Frage des Pflegeaufwandes auf zwei weitere anstehende Operationen, nämlich der Schulter und der Hand hingewiesen (Schriftsatz vom 14.10.2002, S. 3, LG H. AS 477), ohne auf die dadurch entstehenden Kosten einzugehen.
21 
ee) In der Gesamtschau dieser Prozessabläufe und der Begründung des Klagantrags wird deutlich, dass der Kläger zur Berechnung der Vergleichssumme ausschließlich die bei ihm verbleibenden Schadenspositionen berücksichtigte. Da die Auslegung der Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont erfolgt, wäre ein nicht nach außen erkennbarer Wille des Klägers in dieser Richtung unbeachtlich, wie das Landgericht zu Recht bemerkt. Jedoch war dieser Wille des Klägers für den Vertreter der Beklagten und damit gem. § 166 BGB auch diesen im Prozess vor dem Landgericht H. erkennbar. Der Prozessbevollmächtigte kannte die Schriftsätze und die Berechnungen des Klägers. Der damals auf Seiten der Beklagten auftretende Rechtsanwalt B. ist dem ständig mit Arzthaftungssachen befassten Senat als in diesen Verfahren besonders erfahrener und versierter Prozessbevollmächtigter aus vielen Verfahren bekannt. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er im hiesigen Prozess die Beklagten im ersten Rechtszug auch gegenüber der Klägerin vertrat, der parallel zum damaligen Verfahren vor dem Landgericht H. verlief, war für ihn die Erklärung des Klägers, „sämtliche ... entstandene Schäden“ abgelten lassen zu wollen, nur dahin zu verstehen, dass der Streithelfer ausschließlich die bei ihm verbleibenden Schäden für Pflegemehraufwand und Verdienstausfall und andere Aufwendungen, nicht aber - zugegebenermaßen entsprechend dem engeren Wortlautverständnis - auch Pflege- oder Heilbehandlungskosten, die in Zukunft noch anfallen und von der Klägerin ersetzt würden, abgelten lassen wollte.
22 
d) Dies entspricht auch der gebotenen nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung. Zwar hatten die Beklagten ein Interesse daran, sämtliche Ansprüche abgelten zu lassen. Andererseits ist es in Haftungsprozessen, wie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als erfahrenem Anwalt in Arzthaftungssachen auch bekannt ist, üblich, dass die Heilbehandlungskosten, die die Krankenversicherung zu erstatten hat, von Abgeltungsvereinbarungen nicht erfasst werden, da der Patient auf diese überhaupt nicht verzichten kann, sofern er gesetzlich versichert ist. Eine dieser Situation entsprechende Interessenlage lag auch beim privat versicherten Streithelfer vor. Dieser konnte kein Interesse daran haben, auf Ersatzansprüche bezüglich der Heilbehandlungskosten und des Pflegeaufwands, soweit sie von der Klägerin erstattet werden mussten, zu verzichten. Gem. § 67 Abs. 1 S. 3 VVG wird der Versicherer bei einem solchen Verzicht auf Ansprüche gegen den Schädiger von der Leistung frei. Dementsprechend wäre bei einem Verzicht auf diese Ansprüche dem Kläger ein unüberschaubares Risiko, z. B. für anfallende Operationskosten, übernommen worden. Dass er dieses Risiko im Gegensatz zur regelmäßigen Übung bei gesetzlich versicherten Patienten eingehen wollte, ist nicht ersichtlich und wäre auch nicht nachvollziehbar. Eine solche beschränkte Abgeltungswirkung ist auch bei Ansprüchen von Sozialleistungsträgern als Gesamtgläubigern des Schädigers angenommen worden, indem ein Vergleich eines Sozialleistungsträgers nur den ihm nach dem Innenverhältnis zustehenden Anteil erfassen soll (BGH, Urteil vom 04.03.1986 - VI ZR 234/84 - NJW 1986, 1861, 1863).
23 
Bei Abwägung der Interessenlagen und dieser gerecht werdender Auslegung ist daher entgegen der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass der Kläger mangels konkreter Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Risikoverteilung nur auf eigene Ansprüche verzichtet hat, die nicht von der Kranken- und Pflegeversicherung abgedeckt werden.
24 
3. Auf die Anfechtung des Vergleichs kommt es deshalb nicht an. Auch bei Bestand des Vergleichs werden die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche von diesem nicht berührt und die Klage ist begründet.
III.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
26 
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um die Auslegung einer Individualvereinbarung, die keine für einen Abfindungsvergleich in Schadensersatzprozessen typische Formulierung aufweist. Die Sache hat daher weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Divergenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung vor.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 09. Nov. 2005 - 7 U 6/05

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 09. Nov. 2005 - 7 U 6/05

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 09. Nov. 2005 - 7 U 6/05 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 546 Begriff der Rechtsverletzung


Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 166 Willensmängel; Wissenszurechnung


(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) H

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 67 Abweichende Vereinbarungen


Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. Feb. 2003 - XII ZR 19/01

bei uns veröffentlicht am 19.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 19/01 Verkündet am: 19. Februar 2003 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 19/01 Verkündet am:
19. Februar 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Zur Auslegung einer Unterhaltsvereinbarung getrennt lebender Ehegatten über
Trennungs- und Kindesunterhalt.

b) Zur Relevanz von Investitionszulagen und steuerlichen (Sonder-)
Abschreibungen für das der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legende Einkommen
eines Selbständigen (hier: Gartenbaubetrieb).
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 19/01 - OLG Dresden
AG Meißen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Dezember 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten für sich Trennungsunterhalt und in Prozeßstandschaft Kindesunterhalt geltend. Die Parteien, die am 18. November 1982 geheiratet haben, leben seit dem 20. März 1996 getrennt. Aus ihrer Ehe sind die Kinder Albert, geboren am 9. März 1983, Moritz, geboren am 7. September 1989, Auguste, geboren am 14. Dezember 1990 und Lorenz, geboren am 24. März 1996, hervorgegangen. Die Kinder leben mit Ausnahme von Albert, der seit spätestens 1. März 1998
beim Beklagten wohnt, bei ihrer Mutter. Die Klägerin ist im wesentlichen ohne Einkünfte. Der Beklagte betreibt eine Baumschule. Mit Schreiben ihrer Anwältin vom 14. Oktober 1996 machte die Klägerin nach umfangreicher Vorkorrespondenz über den vom Beklagten zu zahlenden Unterhalt dem Beklagten den Vorschlag, sich dahingehend zu einigen, daß von einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten von 7.000 DM ausgegangen werde, woraus sich - nach Abzug des hälftigen Kindergeldes - im einzelnen aufgeführte Ansprüche auf Unterhalt für die vier Kinder in Höhe von insgesamt 2.265 DM und ein Trennungsunterhalt in Höhe von 1.403,33 DM ergeben würden. Der Beklagte ließ durch seine Anwälte mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 antworten, er gehe davon aus, daß eine Grundlage für die Fortsetzung der Ehe gegeben sei. Nur in Anbetracht dessen und zur Vermeidung weiterer Eskalationen stimme er der vorgeschlagenen Zahlung zu. Die ab November 1996 zu veranlassenden Zahlungen erfolgten nur vergleichsweise und ohne Anerkenntnis eines Rechtsgrundes. Aufgrund seiner Zahlungsbereitschaft halte er es nicht für erforderlich, auf das weiter geltend gemachte Auskunftsverlangen über sein Einkommen einzugehen. In der Folgezeit zahlte der Beklagte an die Klägerin die obengenannten Beträge in voller Höhe bis Dezember 1997. Dann reduzierte er sie und zahlte für die drei bei der Klägerin befindlichen Kinder bis jedenfalls Juli 2000 zwischen 199 DM und 270 DM je Kind. Auf die Klage der Klägerin, die der Ansicht ist, die Parteien hätten sich auf die im Schreiben vom 14. Oktober 1996 genannten Unterhaltsbeträge geeinigt, verurteilte das Amtsgericht den Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Einnahmen des Beklagten und zur Auswertung der von diesem vorgelegten Jahresabschlüsse zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeträgen zwischen 149 DM und 267 DM für die drei bei der Klägerin befindlichen Kinder. Im übrigen wies es die
Klage ab. Eine Einigung über den Unterhalt sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Aufgrund der Privatentnahmen des Beklagten aus seinem Unternehmen sei von einem monatlichen Einkommen des Beklagten in Höhe von 2.181 DM nach Abzug seiner Vorsorgeaufwendungen auszugehen. Der Beklagte habe ursprünglich einen höheren Unterhalt als geschuldet gezahlt. Ehegattenunterhalt schulde er jedenfalls seit Dezember 1997 nicht mehr. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung im wesentlichen mit dem Ziel ein, daß der Beklagte zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Höhe der im Schreiben vom 14. Oktober 1996 genannten Beträge verurteilt werde. Der Beklagte legte seinerseits Anschlußberufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung ein. Das Oberlandesgericht änderte auf die Anschlußberufung des Beklagten das amtsgerichtliche Urteil dahingehend ab, daß der Beklagte ab August 2000 für die Kinder je 23 DM bzw. 19 DM monatlich Unterhalt zu zahlen hat. Die weitergehende Anschlußberufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin wies es zurück. Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Die Parteien, die seit 23. Mai 2002 rechtskräftig geschieden sind, haben hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Trennungsunterhalts den Rechtsstreit in der Hauptsache für die Zeit ab 24. Mai 2002 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Durch die Schreiben vom 14./30. Oktober 1996 sei zwischen den Parteien ein bedingter Vergleich (§ 779 BGB) über die Höhe des zu leistenden Unterhalts zustande gekommen. Der Vergleich habe unter der auflösenden Bedingung gestanden, daß der Beklagte seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe aufgebe. Da die Bedingung somit eingetreten sei, liege kein wirksamer Vergleich vor, und es existiere auch keine Einigung der Parteien über ein durchschnittliches Einkommen des Beklagten von 7.000 DM als Bemessungsgrundlage. Tatsächlich belaufe sich das bereinigte monatliche Nettoeinkommen des Beklagten nach Abzug der anzurechnenden Vorsorgeaufwendungen auf 1.460 DM. Bei einem Selbstbehalt des Beklagten von 1.370 DM stehe für die Unterhaltsleistungen des Beklagten lediglich ein monatlicher Betrag von 90 DM zur Verfügung, der entsprechend einer Mangelfallberechnung unter seinen vier Kindern aufzuteilen sei.

II.

Diese Beurteilung des Oberlandesgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. Zwar ist die Auslegung individueller Vereinbarungen grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung bindet aber das Revisionsgericht u.a. dann nicht, wenn sie unter Verletzung der gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) und der zu ihnen entwickelten allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze vorgenommen worden ist (st.Rspr., vgl. nur BGHR ZPO § 550 Vertragsauslegung 4). Dies ist hier der Fall. Zu den anerkannten Auslegungsregeln, deren Beachtung das Revisionsgericht nachzuprüfen hat, gehört auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 115, 1, 5; 131, 136, 138). Gegen diesen Grundsatz hat das Oberlandesgericht verstoßen. Zwar geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß ein außergerichtlicher Unterhaltsvergleich dem Grunde nach zwischen den Parteien zustande gekommen ist: Die Klägerin hat dem Beklagten im Schreiben vom 14. Oktober 1996 ein Angebot zum Abschluß eines Unterhaltsvergleichs gemacht , das dieser mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 ohne Änderung angenommen hat. Eine Einschränkung der Annahme ergibt sich nicht daraus, daß der Beklagte erklärte, die von der Klägerin geforderten Zahlungen erfolgten nur vergleichsweise und ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes. Vielmehr bedeutet der Hinweis, die Zahlungen würden vergleichsweise vorgenommen, daß eben ein Vergleich geschlossen worden ist. Dem Hinweis auf das fehlende Anerkenntnis eines Rechtsgrundes kommt lediglich die Bedeutung zu, daß der Beklagte mit Abschluß des Vergleichs nicht anerkennen wollte, daß die Klägerin schon vor Abschluß des Vergleichs einen entsprechenden Unterhaltsanspruch
hatte. Rechtsgrund der Zahlungen des Beklagten ist der von den Parteien abgeschlossene Vergleich. Entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts kann jedoch der Vergleich der Parteien nicht dahingehend ausgelegt werden, er stehe unter der auflösenden Bedingung, daß der Beklagte seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe aufgebe. Richtig ist zwar, daß der Beklagte im Schreiben vom 30. Oktober 1996 sinngemäß erklärt hat, er stimme der von der Klägerin vorgeschlagenen Zahlung nur zu, weil er davon ausgehe, daß es eine Grundlage für die Fortsetzung der Ehe gebe und diese nicht zerrüttet sei. Doch mußte die Klägerin diese Erklärung schon ihrem Wortlaut nach im Gegensatz zur Meinung des Oberlandesgerichts nicht so verstehen, daß der Beklagte die fortlaufende Zahlung des Unterhalts von seinen subjektiven Vorstellungen über den Fortbestand der Ehe abhängig mache. Gegen die vom Oberlandesgericht vertretene Auslegung sprechen Sinn und Zweck einer Unterhaltsvereinbarung, die darin bestehen, eine verläßliche Befriedung einer unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung herbeizuführen. Eine Unterhaltsvereinbarung, deren Erfüllung und Weiterbestand vom bloßen Willen oder von der Enttäuschung einer bloßen Hoffnung des Unterhaltspflichtigen abhängig ist, erfüllt ihren Zweck nicht. Sie begünstigt einseitig den Unterhaltsverpflichteten, der es in der Hand hätte, seiner Unterhaltsverpflichtung in Zukunft nachzukommen oder hiervon Abstand zu nehmen. Unter diesen Umständen war das Schreiben des Beklagten vom 30. Oktober 1996 von der Klägerin so zu verstehen, daß der Beklagte das Vergleichsangebot der Klägerin uneingeschränkt annehme, wobei er lediglich als Motiv seiner Vergleichsbereitschaft seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe kundtat. Dies gilt umsomehr, als der Beklagte in dem genannten Schreiben erklärte, auf das Auskunftsverlangen der Klägerin über sein Einkommen nicht mehr eingehen zu müssen und die Angelegenheit zumindest vorerst bis zum Ablauf des Tren-
nungsjahres für erledigt betrachte. Auch daraus konnte die Klägerin schließen, daß der Beklagte ihr Vergleichsangebot uneingeschränkt angenommen habe. Da somit zwischen den Parteien auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts eine wirksame Unterhaltsvereinbarung bestand, hätte es - wie schon das Familiengericht - die Einwände des Beklagten dahin auffassen müssen, daß dieser unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung seiner im Vergleich festgelegten Unterhaltszahlungen wegen einer Verminderung seines Einkommens begehrt. Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus konsequent - die Voraussetzungen einer Anpassung nicht geprüft. Dies führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Vielmehr ist es Sache des Tatrichters zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Verhältnis sich das im Jahre 1996 unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten in den Folgejahren vermindert hat. Dabei wird das Berufungsgericht, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, auch zu überprüfen haben, ob der Beklagte sein Einkommen durch eine entsprechende Bilanzpolitik, wie der Änderung der Abschreibungsmethoden oder durch erhöhte Rückstellungen, steuerlich vermindert hat, was unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen wäre.

III.

Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht ist bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich re- levanten Einkommens des Beklagten ab 1997 davon ausgegangen, daß dem Beklagten aus dem Handel mit Gartenzubehör keine Einkünfte mehr zustünden. Denn diese Geschäftstätigkeit habe er einer GmbH überlassen, an der er nicht beteiligt sei und deren Geschäftsführer sein ehemaliger Angestellter L. sei. Die Klägerin hat jedoch vorgetragen, der Beklagte habe entgegen seinen Behauptungen den Handel mit Gartenzubehör nicht Ende 1996 eingestellt. Vielmehr führe er diesen Handel - für die GmbH - selbst fort und verkaufe die zugekauften Pflanzen in eigener Person, während L. in seiner Arbeitszeit auf den Anpflanzungen des Beklagten arbeite. Für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat die Klägerin zum Beweis die Einvernahme des Zeugen L. angeboten. Dieses Beweisangebot hätte das Oberlandesgericht nicht übergehen dürfen. Ihm ist nunmehr nachzugehen. Denn sollte sich der Vortrag der Klägerin als wahr herausstellen, wären dem Beklagten auch die etwaigen Gewinne der GmbH zuzuordnen, über deren Höhe sich der Beklagte dann auch äußern müßte. 2. Nicht zu beanstanden ist hingegen, daß das Berufungsgericht bei Ermittlung der anrechenbaren Einkünfte des Beklagten aus Land- und Forstwirtschaft die Bewertung der vom Beklagten erworbenen, zum Umlaufvermögen gehörenden, mehrjährigen Kulturen im Einklang mit den steuerlichen Bestimmungen vorgenommen hat (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. März 1997, BStBl. 1997 I, 369). An den vom Beklagten im Rahmen seiner Jahresabschlüsse ermittelten Beträgen müssen unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten keine Änderungen vorgenommen werden. Zwar hat der Senat bereits entschieden, daß das steuerrechtlich relevante Einkommen und das unterhaltspflichtige Einkommen nicht identisch sind und daß dem durch das steuerliche Rechtsinstitut der Abschreibung pauschal berücksichtigten Verschleiß von Gegenständen des Anlagevermögens oft keine
tatsächliche Wertminderung in Höhe des steuerlich anerkennungsfähigen Betrages entspricht (vgl. Urteile vom 23. April 1980 - IVb ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770, vom 16. Januar 1985 - IVb ZR 59/83 - FamRZ 1985, 387, 359 und vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95 - FamRZ 1998, 357, 359). Dies gilt auch, wenn es sich, wie hier bei den mehrjährigen Kulturen des Beklagten, um eine Bewertung des Umlaufvermögens unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Dennoch können die steuerlichen Werte, die sich aus den Jahresabschlüssen bzw. der Einnahme-/Überschußrechnung ergeben, auch unterhaltsrechtlich anzusetzen sein, sofern es dadurch nicht zu Verfälschungen der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten kommt. Das Vorliegen solcher Verfälschungen ist hier im Ergebnis zu verneinen. Bedenken begegnet allerdings die Auffassung des Oberlandesgerichts, die in den Abschlüssen vorgenommene Bewertung entspreche tatsächlich der eingetretenen Wertminderung. Dies erscheint, worauf die Revision hinweist, angesichts des Umfangs der Absetzungen vom Anschaffungswert der Wirtschaftsgüter (Verminderung des Zukaufs sofort um 20 %; Verminderung des Rests bei Ziergehölzen um weitere 50 % unter Berücksichtigung der ha-Fläche) nicht wahrscheinlich. Jedenfalls existiert - im Gegensatz zur Meinung des Oberlandesgerichts - kein entsprechender Erfahrungssatz. Dennoch mußte das Berufungsgericht das von der Klägerin beantragte (gartenbauliche) Sachverständigengutachten darüber, daß die vorgenommenen Bewertungsabschläge die tatsächliche Wertminderung übertreffen, nicht erholen. Vielmehr konnte das Oberlandesgericht den Ausführungen des Sachverständigen folgen, wonach sich bei ordnungsgemäßer Erlöserfassung eine etwaige erhöhte Absetzung ausgleicht, so daß die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit bei der hier vorliegenden Berücksichtigung mehrerer Jahre richtig widergegeben ist (vgl. auch Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbständigen, 2. Aufl. Rdn. 236).
Daß der Beklagte, auch soweit er seinen Kunden keine Rechnungen erteilt, alle Einnahmen verbucht, hat die Klägerin nicht bestritten. 3. Das Oberlandesgericht hat eine vom Beklagten im Jahre 1996 steuerrechtlich korrekt vorgenommene Sonderabschreibung in Höhe von 58.922 DM dem im Jahr 1996 zu versteuernden Einkommen des Beklagten in Höhe von 10.846 DM hinzugerechnet. Aus dem so ermittelten Betrag von 69.768 DM hat es eine dann vom Beklagten zu zahlende Steuer in Höhe von insgesamt 14.837 DM (Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ) ermittelt und diese von dem um die Sonderabschreibung erhöhten Gewinn von 82.505 DM in Abzug gebracht, so daß es für 1996 von einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von 67.668 DM ausgegangen ist. Dies stößt auf Bedenken. Richtig ist zwar, daß wegen der Sonderabschreibung eine Korrektur des steuerrechtlich ermittelten Gewinns zu erfolgen hat, weil die Sonderabschreibung dem tatsächlichen Wertverzehr nicht entspricht. Hiergegen hat auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht jedoch den korrigierten Gewinn für 1996 um den Steuerbetrag vermindert, den der Beklagte zu entrichten gehabt hätte, wenn es nicht zur Sonderabschreibung gekommen wäre. Allerdings hat der Senat bereits entschieden, daß Aufwendungen eines Unterhaltspflichtigen, die dieser im Rahmen eines sogenannten Bauherrenmodells oder für Bewirtung und Repräsentation tätigt, einerseits sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nicht mindern, andererseits aber die aufgrund der Aufwendungen erzielte Steuerersparnis das Einkommen auch nicht erhöht (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 68/85 - FamRZ 1987, 36, 37 und vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48). Der Grund für die Nichtberücksichtigung der Steuerersparnis beim Einkommen des Unterhaltspflichtigen liegt darin, daß der Unterhaltsberechtigte lediglich
verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob die Aufwendung nicht vorgenom- men worden wäre; die Steuerersparnis bleibt also außer Betracht, weil sie ohne die genannten Aufwendungen, die sich der Unterhaltsberechtigte nicht entgegenhalten lassen muß, nicht eingetreten wäre. Diese Rechtsprechung ist auf die Fälle der vorliegenden Art, in denen es um steuerrechtliche Sonderabschreibungen auf betriebsnotwendiges Anlagevermögen geht, nicht übertragbar. Denn der Unterhaltsberechtigte hat sich in diesen Fällen sehr wohl die Aufwendungen für das genannte Wirtschaftsgut entgegenhalten zu lassen; er kann lediglich verlangen, daß dies nicht sofort in vollem Umfang, sondern entsprechend dem tatsächlichen Wertverzehr des Wirtschaftsguts erfolgt. Dies aber bedeutet, daß im Falle einer steuerrechtlich korrekt vorgenommenen Sonderabschreibung das betreffende Wirtschaftsgut im Jahre der Anschaffung und in der Folgezeit zu unterhaltsrechtlichen Zwecken fiktiv linear abzuschreiben ist. Die zur linearen Abschreibung von der Finanzverwaltung herausgegebenen AfA-Tabellen geben nämlich regelmäßig den tatsächlichen Wertverzehr wieder. Dies gilt insbesondere für die vom Bundesministerium der Finanzen neu erstellte AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegütern ("AV") vom 15. Dezember 2000 (BStBl. I 2000, 1533), die die maßgebliche Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter im Vergleich zu früher weitgehend verlängert hat (vgl. Hommel BB 2001, 247, 249). Die in diesen Tabellen für die einzelnen Anlagegüter angegebene betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beruht auf Erfahrungen der steuerlichen Betriebsprüfung (vgl. Bundesministerium der Finanzen Schreiben vom 6. Dezember 2001, BB 2002, 621). Es erscheint unbedenklich , diese Erfahrungswerte auch im Rahmen der Berechnung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu übernehmen (vgl. auch Laws FamRZ 2000, 588). Die AfA-Tabellen haben somit die Vermutung der Richtigkeit für sich; sie binden jedoch - wie im Steuerrecht (vgl. Schmidt/Drenseck EStG 21. Aufl. § 7 Rdn. 84 m.N.) - die Gerichte nicht und sind unbeachtlich, sofern sie
erkennbar nicht auf Erfahrungswissen beruhen, also offensichtlich unzutreffend sind. In diesen Fällen hat das Gericht die Nutzungsdauer zu schätzen oder durch Erholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß sich der steuerliche Gewinn des Beklagten für 1996 lediglich um den Betrag der Sonderabschreibung - vermindert um den Betrag der linearen Abschreibung - erhöht. Hingegen verbleibt es bei der vom Beklagten tatsächlich gezahlten Steuer als Abzugsposten, die sich beim Beklagten im Jahre 1996 nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts jedoch auf Null beläuft. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Unterhaltsberechtigten die dem Unterhaltsverpflichteten durch die Sonderabschreibung gewährte Steuervergünstigung nicht zugute kommen soll (vgl. Blaese FamRZ 1994, 216). Die Berechnung und Absetzung der Einkommensteuer, die der Unterhaltspflichtige bei Vornahme einer linearen Abschreibung hätte zahlen müssen, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß es sich bei der aus einer Sonderabschreibung ergebenden Steuervergünstigung - bei gleichbleibendem Tarif - lediglich um eine zinslose Steuerstundung handelt. Vielmehr entspricht es der Rechtsprechung des Senats, daß Steuern regelmäßig in der Höhe angerechnet werden, in der sie im Prüfungszeitraum real angefallen sind (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1990 - XII ZR 51/89 - FamRZ 1990, 981, 983). Dies gilt jedenfalls in bezug auf Sonderabschreibungen dann, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die Sonderabschreibung in den Folgejahren wegen des geringen zu versteuernden Einkommens des Unterhaltspflichtigen voraussichtlich nicht steuererhöhend auswirkt, sondern die Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen im wesentlichen endgültig verbleibt (zur Wirkung von Sonderabschreibungen auf die Steuerschuld in den Folgejahren vgl. Tipke/ Lang Steuerrecht 17. Aufl. § 19 Rdn. 28).
4. Entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts sind die vom Beklagten bezogenen Investitionszulagen unterhaltsrechtlich nicht völlig irrelevant. Nach § 9 Investitionszulagengesetz gehören diese Zulagen nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften und mindern auch nicht die steuerlichen Anschaffungs - und Herstellungskosten. Dies bedeutet, daß sie vom Steuerpflichtigen erfolgsneutral zu verbuchen sind und die AfA auf das mit der Zulage angeschaffte Wirtschaftsgut den Gewinn vermindert. Die Zulage würde damit mittelbar auch die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen herabsetzen , wenn sie völlig unberücksichtigt bliebe. Dies widerspräche Sinn und Zweck der Zulage. Ihre einkommensmindernde Wirkung ist deshalb durch die Nichtberücksichtigung der entsprechenden AfA auszugleichen. Damit wird die Gewährung der Investitionszulage zu Zwecken des Unterhaltsrechts auf die Dauer der Abschreibung des mit ihr angeschafften Wirtschaftsguts verteilt. 5. Hinsichtlich der Absetzbarkeit von Beiträgen zur Altersvorsorge hat der Tatrichter zu entscheiden, inwieweit gezahlte Beiträge angemessen sind und deshalb berücksichtigt werden können. Bei einem Selbständigen wie hier dem Beklagten, der Beiträge in eine gesetzliche Alterskasse bezahlt, wird die Berücksichtigung zusätzlicher Beiträge regelmäßig nicht angemessen sein, wenn er mangels Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, das Existenzminimum der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Ehefrau und der Kinder abzudecken. 6. Soweit das Oberlandesgericht im weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß wegen einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten ein Mangelfall vorliege, wird es bei der Berechnung der einzelnen Unterhaltsbeträge die Ausführungen im Senatsurteil vom 22. Januar 2003 (- XII ZR 2/00 - zur Veröffentlichung bestimmt) zu beachten haben.
7. Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob dem Beklagten bei einer etwaigen, voraussichtlich auf unbestimmte Zeit fortdauernden Unfähigkeit , das Existenzminimum seiner Kinder sicherzustellen, aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB anzusinnen ist, seine Baumschule aufzugeben und eine höhere Einkünfte versprechende anderweitige Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95 - FamRZ 1998, 357, 359).
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Ahlt

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.