Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 11. Sept. 2013 - 3 U 675/13

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2013:0911.3U675.13.0A
bei uns veröffentlicht am11.09.2013

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Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Trier vom 02. Mai 2013 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 11. Oktober 2013. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I.

2

Der Kläger nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten als Betreiberin eines Hallenbades in Anspruch.

3

Der Kläger ist Arbeitgeber des ...[A], der beim Amtsgericht Hoyerswerda angestellt ist. Die Beklagte betreibt den …[B]park …[C] in ...[Z]. Dabei handelt es sich um eine Ferienparkanlage, zu der auch ein als Spaß- und Erlebnisbad gestaltetes Hallenbad gehört. ...[A] besuchte am 14.07.2012 dieses Schwimmbad. Er lag mit dem Oberkörper auf einer der frei im Schwimmbad umhertreibenden Schwimmhilfen ohne Bodenkontakt mit den Füßen. In dem Bereich, in dem sich ...[A] aufhielt, sind am Boden des Beckens Düsen eingebaut, durch die von Zeit zu Zeit unter Druck Wasser zugeführt wird. Dadurch wird ein sprudelnder Effekt erzeugt.

4

Dieser Wasserstrahl wurde von ...[A] unbemerkt eingeschaltet. Die in einer Art Matte gestaltete Schwimmhilfe wurde umgeworfen. Der Zeuge geriet mit Kopf und Oberkörper unter Wasser. Seine Beine wurden aus dem Wasser gedrückt. Mit dem rechten Schienbein schlug er an den Beckenrand. Dabei erlitt er eine Unterschenkelfraktur.

5

Der Kläger hat ausweislich der im Anlagenheft zur Gerichtsakte überreichten Urkunden für seinen Mitarbeiter ...[A] folgende Leistungen erbracht: Krankenbezüge 3.457,81 €, anteiliges Urlaubsentgelt 1.170,43 € und anteilige Sonderzahlung 562,89 €, mithin insgesamt 5.191,13 €.

6

Er ist der Auffassung, die Beklagte habe gegen ihre Verkehrspflichten verstoßen, insbesondere keine hinreichenden Benutzungs- und Warnhinweise erteilt.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.191,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.01.2012 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten,

12

es habe sich das allgemeine Lebensrisiko des ...[A] verwirklicht. Der Wasserstrahl sei überhaupt nicht gefährlich gewesen. Er habe das Wasser nur zum Sprudeln gebracht, wobei die Wasseroberfläche um weniger als 10 cm überschritten werde. Das Schwimmbad entspreche den geltenden Sicherheitsbestimmungen und sei vom TÜV abgenommen. Ein vergleichbarer Unfall habe sich noch nie ereignet. Die Beklagte hat auch Einwände zur Schadenshöhe erhoben.

13

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe nach seinem eigenen Vortrag kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Es liege weder eine Verletzung der vertraglichen Pflichten der Beklagten gegenüber dem Mitarbeiter des Klägers noch eine unerlaubte Handlung vor. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung sei nicht gegeben. Weder durch den Druckwasserstrahl noch durch die Schwimmhilfen gingen irgendwelche Gefahren für die Badegäste aus. Jeder Benutzer einer Schwimmhilfe müsse sich vorsehen und sich auf die Möglichkeit einstellen, dass die Schwimmhilfe bei einseitiger Belastung umkippen könne. Gefährlich sei die Situation erst dadurch geworden, dass der Mitarbeiter des Klägers mit seiner Schwimmhilfe in die Nähe des Beckenrandes gekommen sei. Dass die Beine des ...[A] auf die harte Umrandung aufgeschlagen seien, sei als unglücklicher Umstand zu würdigen. Es habe sich nicht die nahe liegende Möglichkeit ergeben, dass durch den Wassersprudler und die Schwimmhilfe die Rechtsgüter eines Schwimmbadbenutzers verletzt werden könnten. Jedenfalls sei die damit verbundene Gefahr nicht über die üblichen Risiken derartiger Schwimmbäder hinausgegangen. Es sei plausibel, wenn die Beklagte behaupte, dass sich Derartiges seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht ereignet habe. Gegen Unglücksfälle könne aber ein noch so gewissenhafter Schwimmbadbetreiber keine Vorsorge treffen.

14

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Der Kläger trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags vor, das Landgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen. Es sei bestritten worden, dass sich derartige Unfälle seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht ereignet hätten. Der Betreiber eines Schwimmbades sei verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Bades und der Benutzung der Einrichtung des Bades ausgesetzt seien. Die Badegäste seien auch vor den Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgingen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigten, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten. Die Gefahrenlage sei nicht erst durch die Nähe der von ...[A] benutzten Schwimmhilfe zur Nähe des Beckenrandes begründet worden, sondern durch die Zuschaltung der Wasserfontäne, wodurch die Schwimmhilfe umgeworfen worden sei. Die zugeschalteten Wasserdüsen führten dazu, dass eine konkrete Gefährdung sowohl der kenternden Badegäste als auch der sich in der Nähe befindlichen Personen entstanden sei. Es sei angebracht gewesen, entsprechende Hinweisschilder aufzustellen, in denen vor den Gefahren bei der Verwendung von Schwimmhilfen im Bereich der Wasserdüsen gewarnt werde, insbesondere wenn sich die Zuschaltdüsen in der Nähe des Beckenrandes befänden. Es wäre auch möglich gewesen, durch frühzeitige akustische Signale die Badegäste davor zu warnen, dass sich in bestimmten Zeitintervallen die Wassersdüsen zugeschaltet werden. Auch wäre bei der Größe der Schwimmhilfen denkbar, Hinweise direkt auf den Schwimmhilfen anzubringen, dass diese im Bereich der Wasserdüsen nicht verwendet werden dürften. Es sei verfehlt, darauf abzustellen, dass sich die Badegäste gezielt und bewusst zu den Fontänen begäben, um sich mit den physikalischen Kräften zu messen. Der Zeuge ...[A] habe sich mit seiner Schwimmhilfe im ruhigen Wasser befunden und sei durch die im Weiteren von ihm unerwartet zugeschaltete Fontäne überrascht worden, so dass er gekentert sei.

15

Der Kläger beantragt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags,

16

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 5.193,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2012 zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

19

Die Beklagte trägt vor,

20

das Landgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Bei der Schwimmhilfe handele es sich erkennbar um ein Spaß- und Spielobjekt und nicht um einen Rettungsring. Für jeden Besucher des Schwimmbades sei erkennbar, dass im Bad „Wasserblubber“ verursacht werden. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht müsse nicht vor jeder theoretischen Gefahr gewarnt und Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Dass von dem Blubber bzw. der Schwimmhilfe eine Gefahr ausgehen könne, sei nicht erkennbar. Es handele sich bei dem Schwimmbad um ein Bad mit Erlebnischarakter. Es sei bekannt, dass Wasserstrudel entstünden. Ein Hinweisschild sei nicht nötig. Bei dem Betroffenen habe sich das allgemeine Lebensrisiko unter unglücklichen Umständen verwirklicht. Der gesamte Schwimmbarbereich sei vom TÜV geprüft und von diesem abgenommen, insbesondere auch Spielgeräte, Wasserrutschen und Ähnliches. Auch die Organisation von Warnschildern sei überprüft worden.

II.

21

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

22

Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger aus übergegangenem Recht gemäß § 6 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zugesprochen. Kann danach der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Arbeitsentgelt fortzahlt und darauf entfallende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat.

23

Das Landgericht hat zu Recht eine Verletzung der vertraglichen Pflichten der Beklagten gegenüber dem Mitarbeiter des Klägers bzw. Ansprüche aus unerlaubter Handlunge gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB verneint.

24

Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 12.11.1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249 f. = NJW 1997, 582 ff. = MDR 1997, 356 f.; Urteil vom 15.07.2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 = NJW-RR 2003, 1459 ff.; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.12.2009 - 2 U 565/09 - VersR 2011, 362 ff.; OLG Celle, Urteil vom 25.01.2007 - 8 U 161/06 - Juris Rn. 5, VersR 2008, 1553). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 19.12.1989 - VI ZR 182/89 - NJW 1990, 1236 = MDR 1990, 498 ff. = VersR 1990, 498 f.; Urteil vom 12.11.1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249 ff.; Urteil vom 04.12.2001 - VI ZR 447/00 - NJW-RR 2002, 525 = VersR 2002, 247 ff. = MDR 2002, 453 ff.; Urteil vom 15.07.2003, aaO; Urteil vom 08.11.2005 - VI ZR 332/04 - Juris Rn. 3 ff. - NJW 2006, 610 = MDR 2006, 610 ff. ; Urteil vom 06.02.2007 - VI ZR 274/05 - Juris Rn. 14 - NJW 2007, 1684 = MDR 2007, 777 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.12.2009 - 2 U 904/09 - Juris Rn. 11 - MDR 2012, 630 = VRR 2010, 122; Beschluss vom 04.12.2009 - 2 U 565/09 - VersR 2011, 362 OLG Celle Urteil vom 25.01.2007 - 8 U 161/06 - Juris Rn. 5; BGH, NJW 2003, 1352; NJW 2006, 2326;VersR 2006, 665; BGH NJW 1990, 1236; NJW 1996, 2035; VersR 1997, 250; NJW-RR 2002, 525; VersR 2003, 1319, Urteil vom 08.11.2005 - VI ZR 332/04 - Juris Rn. 3 ff. - NJW 2006, 610 = MDR 2006, 610 ff. ; Urteil vom 06.02,2007 - VI ZR 274/05 - Juris Rn. 14 - NJW 2007, 1684 = MDR 2007, 777 f.) zu ergreifen sind die Maßnahmen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH NJW 1978, 1629). Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Hamm, Urteil vom 17.12.2001 - 13 U 171/01 - VersR 2003, 605; Urteil vom 13.01.2006 - NJW-RR 2006, 1100 = VersR 2007, 518 f. = MDR 2006, 1229; BGH, Urteil vom 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326 = VersR 2006, 1083 f.; Urteil vom 16.02.2006 - III ZR 68/05 - VersR 2006, 665).

25

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass der Betreiber einer Sport- und Spielanlage nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen kann und muss. Ihn trifft aber grundsätzlich die Pflicht, die Benutzer vor solchen Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und die für sie nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind (BGH Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06 - Rra 2007, 215 ff.; Urteil vom 25.04.1978 - VI ZR 194/76 - NJW 1978, 1626,1627 = NJW 1978, 1626 f. = MDR 1979, 45 f.; OLG Köln, Urteil vom 20.07.2000 - 7 U 201/97 - VersR 2002, 859; OLG Celle, Urteil vom 28.05.2003 - 9 U 7/03 - NJW 2003, 2544 = VersR 2004, 1010 f. = MDR 2004, 278 f.; OLG Thüringen, Beschluss vom 15.05.2009 - 4 U 827/08, zitiert nach Juris, dort Rn. 5). Geräte müssen den allgemeinen konstruktiven Sicherheitsanforderungen entsprechen, ferner hat der Betreiber darauf zu achten, dass sie bestimmungsgemäß eingesetzt werden (OLG Celle, aaO).

26

Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die von der Beklagten getroffenen Vorkehrungen diesen Anforderungen entsprochen haben. Mit dem Landgericht ist auch der Senat davon überzeugt, dass weder von dem Druckwasserstrahl (Sprudler) noch von den Schwimmhilfen, die die Beklagten den Badegästen zur Verfügung stellt, irgendwelche besonderen Gefahren ausgingen. Dem steht nicht entgegen, dass bei den Schwimmhilfen die Möglichkeit besteht, dass sie bei einseitiger Belastung umkippen können. Dies muss aber für jeden verständigen Benutzer eines Schwimmbades einsichtig sein. Es mag offen bleiben, ob Kinder und Jugendliche diese Situation in aller Regel beherrschen. Für den erwachsenen Mitarbeiter des Klägers musste jedoch erkennbar sein, dass beim Auftreten des Wasserstrahls auf den unbelasteten Teil der Schwimmhilfe ein Kentern möglich war. Gerade in einem Spaß- und Erlebnisbad möchten die Besucher die physikalischen Kräfte der Wasserstrahlen spielen lassen. Der Umstand, dass der Mitarbeiter in die Nähe des Beckenrandes geraten war und mit dem Schienbein auf die harte Beckenumrandung aufschlug, war ein unglücklicher Umstand bzw. ein schicksalhaftes Ereignis, das durch Vorkehrungen der Beklagten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht und der zumutbaren Anforderungen, Gefahren für die Badegäste abzuwenden, nicht hätte verhindert werden können.

27

Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, nicht durch entsprechende Hinweise auf Warnschildern auf mögliche Gefahren der Verwendung von Schwimmhilfen im Bereich des Druckwasserstrahls bzw. der Düsen hingewiesen zu haben. Dass bei sprudelndem Wasser eine Schwimmhilfe instabil werden kann, liegt auf der Hand. Wer sich in ein Erlebnis- und Freizeitbad begibt, weiß dass durch das Einsetzen eines Wasserstrahls für den sich einer Schwimmhilfe bedienenden Badegast eine instabile Lage entstehen kann, mit der Folge, dass die nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts in einer Matte gestaltete Schwimmhilfe umgeworfen werden kann. Für einen verständigen Schwimmbadbenutzer ist vorhersehbar, dass insbesondere in Nähe zum Beckenrand durch den Wasserstrahl und die Wasserbewegungen eine größere Gefahr für die eigene Gesundheit bestehen kann, als abseits des Beckenrandes. An die Beklagte können im konkreten Fall nicht die Anforderungen gestellt werden, die hinsichtlich der Sicherungs- und Kontrollpflichten einer Wasserrutsche bestehen (vgl. OLG Thüringen, aaO; vgl. zur Gefahrensituation bei einer Wasserrutsche auch OLG Koblenz, Urteil vom 21.06.2012 - 2 U 271/11 - MDR 2012, 1035 f.).

28

Auch kann nicht von der Beklagten verlangt werden durch geeignete akustische Signale sicherzustellen, dass die Badegäste beim Einsetzen der Wasserdüsen gewarnt werden, da jeder Badegast, der sich in das Becken begibt, stets mit dem Einsetzen der Wasserdüsen rechnen muss.

29

Die Berufungserwiderung weist im Übrigen darauf hin, dass der gesamte Schwimmbadbereich vom TÜV geprüft und abgenommen worden ist, insbesondere in Bezug auf Spielgeräte, Wasserrutschen und Ähnlichem und das Erfordernis des Aufstellens etwaiger Warnschilder. Auch wenn der Kläger dies mit Nichtwissen bestritten hat, entspricht es der Erfahrung des Senats, dass derartige Erlebnis- und Freizeitbäder regelmäßig vom TÜV kontrolliert werden.

30

Die Berufung des Klägers hat aus den dargelegten Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

31

Der Senat beabsichtigt den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.191,13 € festzusetzen.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 11. Sept. 2013 - 3 U 675/13

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Tenor 1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.09.2017 - 1 O 170/17 - gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. 2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungn

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Kann der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat.

(2) Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber unverzüglich die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Angaben zu machen.

(3) Der Forderungsübergang nach Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geltend gemacht werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 189/05 Verkündet am:
16. Mai 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Vermieter einer Wohnung verstößt nicht gegen seine Verkehrssicherungspflicht,
wenn er die mit einem Glasausschnitt versehenen Zimmertüren der Wohnung, die
insoweit den baurechtlichen Vorschriften entspricht, bei einer Vermietung an eine
Familie mit Kleinkindern nicht mit Sicherheitsglas nachrüsten lässt.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - LG Siegen
AG Siegen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Mai 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die
Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 2. August 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die am 28. April 2001 geborene Klägerin nimmt den Beklagten als Vermieter der Wohnung ihrer Eltern auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. Die Eltern der Klägerin sind seit 1. November 2001 Mieter einer 6-Zimmer-Wohnung in einem Anwesen des Beklagten , das im Jahre 1966 errichtet worden ist. Seit 1986 handelt es sich bei den Wohnungen um Sozialwohnungen im Sinne der §§ 4 und 5 des Wohnungsbindungsgesetzes , deren Bezug eine Personenzahl von 5 erfordert, damit von der Gemeinde ein entsprechender Berechtigungsschein ausgestellt wird. Die Familie der Klägerin lebt dort mit zwei Erwachsenen und drei Kleinkindern.
2
Am 22. März 2003 lief die Klägerin beim Spielen mit ihrer Schwester gegen eine in der Wohnung befindliche Kinderzimmertür. Die Tür bestand aus einem Holzrahmen mit einem Glasausschnitt, der im unteren Bereich in einer Höhe von 40 cm begann. Bei dem Glas handelte es sich nicht um Sicherheitsglas. Bei dem Unfall fiel die Klägerin mit Kopf und Schultern in die Scheibe. Dadurch gelangte ein winziges Teil aus der zerbrochenen und zersplitterten Scheibe in das linke Auge der Klägerin, wodurch die Klägerin die Sehkraft des linken Auges nahezu vollständig verlor.
3
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Zwar treffe den Vermieter grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Mieter einer Wohnung. Dabei habe der Verkehrssicherungspflichtige aber nur solche Gefahrenquellen zu beseitigen bzw. vor ihnen zu warnen, die von den Verkehrsteilnehmern trotz gebotener Eigensorgfalt nicht ohne weiteres erkennbar seien oder auf die sie sich nicht ohne weiteres einstellen könnten. Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmten sich nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs. Danach dürfe der Mieter einer Wohnung sich nicht darauf verlassen, dass Glasausschnitte in Zimmertüren mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Dahingehende baurechtliche Vorschriften hätten weder bei Errichtung der Wohnungen im Jahr 1966 noch bei Einzug der Familie der Klägerin noch zum Zeitpunkt des Unfalles existiert. Besondere Umstände, die eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verpflichtung des Verkehrssicherungspflichtigen erforderten, seien nicht erkennbar. Der Beklagte habe zwar gewusst, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt werde, habe aber nicht ernstlich damit rechnen müssen, dass ein Mieter "durch eine solche Scheibe" gehe. Es werde nicht behauptet, dass solche Vorfälle bereits zuvor vorgekommen seien. Zur Abwehr von Gefahren für die Kinder sei in erster Linie der Aufsichtspflichtige zuständig. Wenn die Eltern der Klägerin auf die Ausstattung mit Sicherheitsglas Wert gelegt hätten, hätten sie nachfragen oder die Tür entsprechend überprüfen müssen. Auch für einen Laien wäre eine Ausstattung mit Sicherheitsglas an der Stempelung erkennbar gewesen. Mieter könnten nicht davon ausgehen, dass Zimmertüren einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Da der Gesetzgeber bis heute nicht die Ausstattung von Glastürausschnitten mit Sicherheitsglas verlange, handele es sich auch nicht um ein dringendes Sicherheitsbedürfnis, welches den Sicherungspflichtigen ausnahmsweise zu nachträglichen Maßnahmen verpflichtete.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Verstoß des Beklagten gegen die ihm als Vermieter obliegenden Verkehrssicherungspflichten verneint.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
7
2. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 276 Abs. 2 BGB n.F.) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen , die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Wohnungsvermieter - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: Mieter und deren Kinder - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
8
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
9
3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht eine Haftung des Beklagten verneint.
10
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass baurechtliche Vorschriften, nach denen Zimmertüren mit Glasausschnitten in Wohnun- gen mit Sicherheitsglas ausgestattet werden müssen, weder zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen im Jahre 1966 existierten, noch zum Zeitpunkt des Einzugs der Familie der Klägerin im Jahre 2001, noch zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2003. Nach § 40 Abs. 2 Bauordnung NW ist lediglich geregelt, dass Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, so zu kennzeichnen sind, dass sie leicht erkannt werden können. Für größere Glasflächen können zwar Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Verkehrs verlangt werden, wobei für Glasflächen , die bis zum Fußboden reichen, jedoch keine besonderen Eigenschaften des Glases vorgeschrieben sind, sondern lediglich eine entsprechende Markierung.
11
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelte es sich bei der Tür, an der sich die Klägerin verletzt hat, nicht um eine bis zum Fußboden herabreichende Glastür, sondern um eine Zimmertür mit einem Glasausschnitt, der erst in einer Höhe von 40 cm begann. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Zimmertür insoweit nicht den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften entsprochen habe.
12
Insofern ist der vorliegende Fall anders gelagert als derjenige, der dem Senatsurteil vom 31. Mai 1994 - VI ZR 233/93 - (VersR 1994, 996, 997) zugrunde lag. Dort war der Geschädigte im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses beim Hinuntergehen auf der letzten Stufe einer aus Marmorstufen bestehenden Treppe gestürzt und mit dem Arm in eine aus gewöhnlichem Fensterglas bestehende Verglasung einer Treppenhausaußenwand gefallen. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass in diesem Fall baurechtliche Vorschriften bestanden, die besondere Sicherheitsvorkehrungen geboten hätten. Nach § 36 Abs. 7 Bauordnung NW sind Fenster, die unmittelbar an Treppen liegen und deren Brüstungen unter der notwendigen Geländerhöhe liegen, zu sichern. Grund hierfür ist, dass bei einem Treppenhaus zum einen die Gefahr eines Hinabstürzens in die Tiefe und zum anderen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort jemand zu Fall kommt, wobei im damals entschiedenen Fall hiermit ernstlich zu rechnen war, weil auf der unteren Stufe der Treppe ein nur 1,25 m breites Podest bis zur Außenwand vorgelagert war und sich kurze Zeit zuvor ein Vorfall ereignet hatte, bei dem das Fensterglas der Außenwand zu Bruch gegangen war.
13
Im vorliegenden Fall lagen nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine besonderen Umstände vor, welche eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verkehrssicherungspflicht des Vermieters hinsichtlich der Zimmertüren begründen konnten. Insbesondere waren keine ähnlichen Vorfälle seit Vermietung der Wohnungen im Jahr 1966 bekannt. Allein aus der Kenntnis der Beklagten, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt wird, kann sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes ergeben. Entsprach nach den baurechtlichen Vorschriften die Mietwohnung im Hinblick auf ihre Ausstattung mit verglasten Wohnungsinnentüren der Normalbeschaffenheit, so oblag es den obhutspflichtigen Eltern der Klägerin zu entscheiden, ob sie unter den gegebenen Umständen eine solche Wohnung anmieten und für weitergehende (klein-)kindgerechte Schutzvorkehrungen sorgen wollten, wie sie auch in anderen Bereichen (z.B. Steckdosensicherungen , Schutzgitter, Kantenschutz etc.) üblich sind. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Eltern der Klägerin bei der Anmietung einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung damit rechnen konnten, dass die Innentürverglasungen aus Sicherheitsglas bestanden, zumal nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Ausstattung mit Sicherheitsglas auch für einen Laien erkennbar ist, weil sich an dem Glaseinsatz bei Sicherheitsglas ein entsprechender Stempel befindet. Mieteten die Eltern der Klägerin mit drei Kleinkindern eine Wohnung, die den geltenden baurechtlichen Sicherheitsvor- schriften im Hinblick auf die Wohnungsinnentüren entsprach, so konnte dies nicht dazu führen, dass sich die Verkehrssicherungspflichten des Vermieters dahingehend erhöhten, nunmehr besondere (klein-)kindgerechte Sicherheitsvorkehrungen einbauen zu müssen. Es mag zwar wünschenswert sein, in künftigen baurechtlichen Vorschriften zum Schutz von Kindern und älteren Menschen , bei denen eine erhöhte Gefahr besteht, dass sie in Wohnungen zu Fall kommen, den Einbau von Sicherheitsglas vorzusehen. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, treffen den Vermieter diesbezüglich im Regelfall keine erhöhten Verkehrssicherungspflichten.

III.

14
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG Siegen, Entscheidung vom 10.08.2004 - 13 C 372/04 -
LG Siegen, Entscheidung vom 02.08.2005 - 1 S 151/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 68/05
Verkündet am:
16. Februar 2006
Böhringer-Mangold
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Dc; Nieders. WasserG § 84
Zu den Sorgfaltspflichten des Betreibers einer Stauanlage bei Hochwasser.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2006 - III ZR 68/05 - OLG Celle
LG Verden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 16. März 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin betreibt in R. in der M. Straße einen Einzelhandel für Büroartikel und eine Druckerei. Ca. 50 m nördlich unterquert der sogenannte M. , ein Arm der Wiedau, die M. Straße. Unmittelbar an dem Brückenbauwerk befindet sich ein zu einer Wassermühle des Beklagten gehörendes bewegliches Stauwehr. Das Sommerstauziel hierfür ist seit einer Entscheidung des Kreisausschusses des Kreises R. vom 29. September 1921 auf 19,35 m über NN festgesetzt.
2
In den Tagen vor dem 17. Juli 2002 kam es Norddeutschland zu ergiebigen Regenfällen. Weitere Niederschläge vom 18. und 19. Juli 2002 bewirkten unter im Einzelnen streitigen Umständen eine Überschwemmung großer Teile der M. Straße, durch die auch das Hausgrundstück der Klägerin überflutet wurde. Für ihren auf 361.237,60 € bezifferten Schaden macht die Klägerin den Beklagten verantwortlich. Sie hat vorgetragen, er habe das Stauwehr nicht, wie erforderlich, bereits am 17. Juli 2002, als das Sommerstauziel überschritten worden sei, oder zumindest in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 2002 vollständig geöffnet, sondern erst am 19. Juli 2002 gegen 12.30 Uhr. Hierdurch bedingt habe sich das Wasser oberhalb des Wehrs und in der M. Straße bis zu einem Wasserstand von 20,48 m über NN aufgestaut. Hätte der Beklagte demgegenüber sein Stauwehr rechtzeitig geöffnet, wäre die festgesetzte Stauhöhe nicht überschritten und die Überschwemmung vermieden worden.
3
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat. Eine Haftung lasse sich nur begründen, wenn der Beklagte als Staurechtsinhaber seiner Verpflichtung, die Wehrklappen rechtzeitig im Falle einer Überschwemmungsgefahr zu öffnen, nicht nachgekommen sei. Es lasse sich jedoch unabhängig von einer etwaigen objektiven Pflichtwidrigkeit jedenfalls nicht feststellen, zu welchem Zeitpunkt der Beklagte bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eine Hochwassergefahr für das Stadtgebiet habe erkennen können und ob er dann noch eine Überschwemmung durch vollständiges Niederlegen des Wehrs hätte vermeiden können. Eine Beobachtungspflicht hinsichtlich der Hochwassergefahr habe jedenfalls nicht ihm, sondern dem Landkreis obgelegen. Der Beklagte sei nur verpflichtet gewesen, Gefahren abzuwenden, die er selbst an Ort und Stelle habe erkennen können. Alles andere sei in den administrativen Bereich gefallen, so dass eine prophylaktische Öffnung des Wehrs von ihm nicht habe erwartet werden können.
6
Das Sommerstauziel spiele bezüglich der Hochwassergefahr keine Rolle. Die Staumarke habe nicht die Funktion eines Hochwasserschutzes, sondern solle einen Ausgleich zwischen den Interessen des Beklagten als des Betreibers der Wassermühle (der einen möglichst großen Wasservorrat, also eine möglichst hohe Staumarke, besitzen wolle) und denen der Oberlieger (deren Wiesen nicht zu feucht werden sollten) sowie der Unterlieger (die auf einen ausreichenden Wasserzufluss angewiesen seien) herbeiführen. Aus einer Überschreitung der Stauhöhe könne die Klägerin deshalb als nicht zu dem durch das Stauziel geschützten Personenkreis gehörende Geschädigte nichts herleiten. Es komme daher auch nicht darauf an, wann der Beklagte oder sonst jemand die Haltung des Stauziels letztmals kontrolliert habe.
7
Der Beklagte sei außerdem nicht etwa verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die Pegelstände zu verschaffen, um eine Hochwassergefahr zu klären. Denn die Gefahrenabwehr und damit auch der Hochwasserschutz habe dem Landkreis oblegen. Im Übrigen hätte die bloße Kenntnis der Pegelstände auch nicht ausgereicht. Der Beklagte hätte sich vielmehr zusätzlich über die Situation in den Überschwemmungsgebieten der Rodau und der Wiedau informieren und die Frage der Wassersättigung beurteilen müssen. Die Klärung dieser Fragen sei aber in den administrativen Bereich des Landkreises gefallen, der gerade keine Veranlassung gesehen habe, dem Beklagten nach § 84 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) aufzugeben, die beweglichen Teile der Stauanlage zu öffnen, um das aufgestaute Wasser unter die Höhe der Staumarke zu senken.

II.


8
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Im Ansatz zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten - nur - unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) geprüft, auch soweit es um die Einhaltung der festgesetzten Stauhöhe geht.
10
a) Die dem jetzigen Niedersächsischen Wassergesetz vorausgegangenen gesetzlichen Regelungen in § 101 des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) hatten zwar noch ausdrückliche Vorschriften über das Stauziel enthalten. Danach durfte das Wasser bei Stauanlagen nicht über die durch die Staumarke festgesetzte Höhe aufgestaut werden (Absatz 1). Sobald das Wasser über diese Höhe wuchs, hatte der Unternehmer durch Öffnen der beweglichen Teile der Stauanlage und durch Wegräumen aller Hindernisse (Treibzeug, Eis, Geschiebe und dergleichen) den Abfluss des Wassers ohne Anspruch auf Entschädigung sogleich und unausgesetzt so lange zu befördern, bis das Wasser wieder auf die Höhe der Staumarke gesunken war (Absatz 2 Satz 1). Diese Vorschriften wurden allgemein als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstanden (Bergdolt, Preußisches Wasserrecht, 1957, Anm. zu § 101; Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Das Preußische Wassergesetz, 3./4. Aufl. unveränderter Nachdruck 1955, § 101 Anm. 5; Wulff, Wassergesetz, 2. Aufl. 1928, § 101 Anm. 1; entsprechend zu der ähnlichen Bestimmung des Art. 31 BayWG: BayObLGZ 1980, 65, 70; Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand Juni 1995, Art. 31 Rn. 35; zu § 41 Abs. 1 HessWG a.F.: Becker, HessWG, 3. Aufl. 1997, § 41 Rn. 1; s. auch Senatsurteil vom 11. November 2004 - III ZR 200/03 - NVwZ-RR 2005, 149, 151). Sie sind mit diesem Inhalt aber nicht in das niedersächsische Wasserrecht übernommen worden; lediglich das in § 101 Abs. 2 Satz 2 PrWG normierte, hier nicht unmittelbar einschlägige Eingriffsrecht der Wasserpolizeibehörde bei Hochwasser entspricht dem heutigen § 84 NWG.
11
b) Eine gesetzliche Verpflichtung zum Hochwasserschutz bei Einwirkungen auf ein Gewässer enthält seit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1690) allerdings § 1a Abs. 2 WHG. Danach ist jedermann verpflichtet, bei Maßnahmen , mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um (unter anderem) eine Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses zu vermeiden. Wegen ihrer gemeinwohlbezogenen Zielrichtung und ihres pauschalen Charakters ist diese Regelung jedoch nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen (Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 165; Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 1a Rn. 24; Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand September 2002, § 1a Rn. 22).
12
c) Ob § 313 StGB als Schutzgesetz gilt, wie die Revision meint, kann offen bleiben. Aus dem dort normierten, ebenfalls allgemein gefassten Verbot, Überschwemmungen herbeizuführen, ergäben sich jedenfalls keine über die zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht hinausgehenden Handlungspflichten.
13
2. Wer in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (Senatsurteil BGHZ 121, 367, 375; BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - NJW-RR 2003, 1459; Urteil vom 3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 - NJW 2004, 1449, 1450; Urteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 33/05 - Rn. 11; Senatsurteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen; jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (BGH, Urteile vom 15. Juli 2003 aaO S. 1459 f.; vom 3. Februar 2004 aaO und vom 20. Dezember 2005 aaO).

14
3. a) Diese Grundsätze gelten - auch mit Rücksicht auf das erwähnte, für jedermann geltende Gebot des Hochwasserschutzes bei Einwirkungen auf Gewässer nach § 1a Abs. 2 WHG (dazu näher Breuer, aaO, Rn. 164 f.; Czychowski /Reinhardt, aaO, § 1a Rn. 16 ff.) - ebenso für den den Wasserabfluss behindernden und dadurch insbesondere bei Hochwasser Dritte gefährdenden Betrieb einer Stauanlage. Dabei besteht ein Gebot, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, zumindest dann, wenn die Grenzen des bestehenden Staurechts überschritten sind und der Betreiber sich deshalb auf keine geschützten Eigeninteressen mehr stützen kann. Das ist spätestens mit dem Zeitpunkt der Fall, in dem der Wasserstand die zulässige Stauhöhe übersteigt. Der Stauberechtigte hat daher auch ohne behördliche Weisung von sich aus einzugreifen und das Wehr in dem notwendigen Umfang zu öffnen oder sonstige Abflusshindernisse zu beseitigen, sobald das Hochwasser die obere Staumarke erreicht und weiter zu steigen droht. Dass das Niedersächsische Wassergesetz auf eine entsprechende ausdrückliche Regelung wie in § 101 Abs. 2 Satz 1 PrWG verzichtet, ist ohne Bedeutung. Eine dahingehende Handlungspflicht des Betreibers ist auch beim Fehlen einer besonderen gesetzlichen Vorschrift Inhalt des Staurechts selbst. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beschränkt sich der Schutzbereich dieser Verpflichtung auch nicht auf die Oberund Unterlieger des Gewässers, sondern schließt wie allgemein die Verkehrssicherungspflichten grundsätzlich jeden durch den gefährlichen Zustand beeinträchtigten Dritten ein. Dazu gehört hier die Klägerin mit ihrem im Hochwasserbereich gelegenen Gewerbebetrieb.
15
Darüber b) hinaus kann es entgegen dem Berufungsgericht für den Betreiber eines Stauwehrs aber auch geboten sein, bereits vorsorglich bei drohendem Hochwasser Schutzvorkehrungen zu treffen und die beweglichen Teile seiner Stauanlage zu öffnen. Die Ausübung des Staurechts ist aus Gründen des Gemeinwohls von vornherein mit der Pflicht zu schadensverhütenden oder -vorbeugenden Maßnahmen belastet (Reffken in Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Stand Juni 1999, § 84 Rn. 3). § 84 NWG enthält insoweit zwar nur eine Ermächtigung für wasserbehördliche Anordnungen gegenüber dem Unternehmer. Das ist im Kern jedoch gleichzeitig ein privatrechtliches Gebot der Verkehrssicherung zum Schutze Dritter. Eine eigene Handlungspflicht des Inhabers setzt allerdings voraus, dass er nach seinen eigenen, regelmäßig beschränkten Erkenntnismöglichkeiten mit dem alsbaldigen Eintritt von Hochwasser rechnen muss. Hierzu braucht er, wie dem Berufungsgericht zuzugeben ist, nicht selbst die Pegelstände im Einzugsbereich des Gewässers abzufragen und darauf gestützt eine eigene Hochwasserprognose zu treffen. Er darf sich jedoch andererseits allgemein oder ihm selbst zugänglichen Informationsquellen nicht verschließen und wird deshalb vor allem Hochwassermeldungen in den Medien sowie Geschwindigkeit und Maß des Wasseranstiegs an dem Stauwehr beobachten müssen. Drängt sich unter solchen Umständen die Gefahr eines Hochwassers und einer Überschwemmung im Bereich der Wehranlage auf, ist unabhängig von einem behördlichen Einschreiten ein Öffnen der Schütze oder Klappen in dem erforderlichen Umfang veranlasst, noch bevor der Wasserspiegel die zulässige Stauhöhe erreicht.
16
4. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den Streitfall nicht geprüft. Sein Urteil kann darum nicht bestehen bleiben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die fehlenden Feststellungen nachzuholen.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann
Vorinstanzen:
LG Verden, Entscheidung vom 06.07.2004 - 5 O 564/02 -
OLG Celle, Entscheidung vom 16.03.2005 - 9 U 140/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 87/06 Verkündet am:
12. Juni 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 651c, 651f, 651g Abs. 1; BGB-InfoV § 6 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 Satz 1

a) Die Beeinträchtigung, die ein Reisender durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
des Reiseveranstalters erleidet, kann einen Reisemangel
darstellen.

b) Eine § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV genügende Verweisung des Reiseveranstalters
auf Prospektangaben über die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1
BGB muss zumindest einen Hinweis auf die Existenz von Ausschlussfristen
und auf deren Fundstelle im Prospekt enthalten.

c) Der Ersatz von Angaben über die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB in
der Reisebestätigung durch Verweisung auf den Prospekt setzt zumindest
bei einer Buchung im Reisebüro voraus, dass der Reiseveranstalter dem
Reisenden den Prospekt ausgehändigt hat.

d) Wenn der Reiseveranstalter seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist
des § 651g Abs. 1 BGB nicht erfüllt hat, besteht eine widerlegliche Vermutung
dafür, dass die Fristversäumung des Reisenden entschuldigt ist.

e) Die Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB ist entschuldigt
, soweit der Reisende gesundheitliche Spätschäden geltend macht, die
für ihn persönlich bis zum Fristablauf nicht vorhersehbar waren.

f) Ein Reisender, der die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB mangels
Kenntnis seiner Ansprüche unverschuldet versäumt hat, braucht nach
Kenntniserlangung die Anspruchsanmeldung nur dann unverzüglich nachzuholen
, wenn der Reiseveranstalter ihn bei Vertragsschluss auf die Ausschlussfrist
hingewiesen oder wenn er sie anderweitig in Erfahrung gebracht
hatte (Fortführung von BGH, Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03). Dafür trägt
der Reiseveranstalter die Darlegungs- und Beweislast.
BGH, Urt. v. 12. Juni 2007 - X ZR 87/06 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juli 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Reiseveranstalter wegen eines im Urlaubsclub erlittenen Unfalls Minderung des Reisepreises, Ersatz von Heilbehandlungskosten , Schmerzensgeld und die Feststellung, dass die Beklagte ihr auch zukünftige Schäden aus dem Unfallereignis ersetzen muss.
2
Die Klägerin und ihre kleine Tochter verbrachten vom 19. bis 26. Mai 2004 einen bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub im R. Club A. . Im Reisekatalog der Beklagten hieß es unter "Entertainment", dass dort unter anderem "amüsante Abendshows im Clubtheater" stattfinden würden. Am Abend des 24. Mai besuchten Mutter und Kind eine im Clubtheater stattfindende Animationsveranstaltung, bei der die Animateurin im Rahmen eines Wettendass -Spiels einem Kind die Wette anbot: "Wetten, dass es Deiner Mama nicht gelingt, in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einzusammeln?" Daraufhin begannen die Zuschauer, Schuhe auf die Bühne zu werfen. Dabei traf ein Schuh mit hohem, spitzem Absatz die in der ersten Reihe sitzende Klägerin am Hinterkopf. Die Klägerin verspürte Kopfschmerzen, Benommenheit, Übelkeit und Erbrechen. Gleich nach ihrer Rückkehr, am 27. Mai, suchte sie ihren Hausarzt auf, der eine Gehirnerschütterung diagnostizierte. Zwei Tage nach dieser Untersuchung klangen die Symptome ab, und nach einer weiteren Woche war die Klägerin völlig beschwerdefrei.
3
Ab Oktober 2004 erlitt die Klägerin Kopfschmerzattacken, und ab November zeigten sich bei ihr Sprachstörungen und Koordinationsstörungen, bei denen ihr Gegenstände aus der Hand fielen. Bei einer daraufhin von ihrem Hausarzt veranlassten Untersuchung im Krankenhaus diagnostizierten die dortigen Ärzte aufgrund eines Elektroenzephalogramms einen zu den Beschwerden der Klägerin passenden Herdbefund linkstemporal. Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 meldete die Klägerin daraufhin bei der Beklagten Ansprüche an.
4
Gestützt auf das Attest der Krankenhausärzte macht die Klägerin geltend , sie habe bei dem Vorfall am 24. Mai ein Schädel-Hirn-Trauma (contusio cerebri) mit kleiner Einblutung erlitten, das ein symptomatisches fokales Anfalls- leiden ausgelöst habe. Sie trägt vor, es sei noch nicht abzusehen, ob ihr Leiden ausheilen oder aber sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln werde.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin wegen Versäumung der einmonatigen Frist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen seien und für eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht keine Anhaltspunkte vorlägen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Deliktshaftung der Beklagten bejaht und der Klage bis auf die Reisepreisminderung stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf gänzliche Klageabweisung weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
8
Die Beklagte hafte für den Unfall aus Delikt wegen eines Verstoßes gegen ihre Verkehrssicherungspflicht. Die Pflicht des Reiseveranstalters zur Kontrolle des Leistungsträgers betreffe auch die Animation. Die Animation müsse so gestaltet werden, dass sie eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdung der Reisenden ausschließe. Das allgemeine Lebensrisiko realisiere sich erst außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit des Reiseveranstalters. Hier sei die Aufforderung der Animateurin für die Zuschauerreaktion des Schuhewerfens ursächlich und auch nicht derart fernliegend gewesen, dass sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht hätte. Die Verhinderung der Verletzung habe auch im Einwirkungsbereich der Animateurin gelegen. Sie hätte darauf hinweisen können und müssen, dass Schuhe nicht auf die Bühne geworfen werden dürften.
9
Eine vertragliche Haftung der Beklagten wegen eines Reisemangels sei zu verneinen, weil die Klägerin die einmonatige Frist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anmeldung ihrer Ansprüche versäumt habe. Diese Frist gelte hier unabhängig davon, ob die Beklagte gegen ihre diesbezügliche Hinweispflicht verstoßen habe. Denn ein etwaiger Verstoß wäre für die Fristversäumung der Klägerin nicht kausal geworden. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag dem Unfall zunächst keine weitere Bedeutung beigemessen und ihn vergessen habe , hätte sie auch in Kenntnis der Frist bis zu deren Ablauf keine Ansprüche geltend gemacht.
10
Die Verursachung des Gesundheitsschadens der Klägerin durch den Unfall und der Umfang dieses Schadens seien als unstreitig zu behandeln. Mit Rücksicht auf die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sei das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend.
11
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand. Die vom Berufungsgericht angenommene deliktische Haftung der Beklagten wird von seinen bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht getragen. Eine vertragliche Haftung, die in Betracht kommt, hängt davon ab, ob die Klägerin den Beweis für die Schadensursächlichkeit des Unfalls und für das Ausmaß ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung erbringen kann, die beide von der Beklagten wirksam bestritten sind.
12
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine deliktische Haftung der Beklagten wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht bejaht (§ 823 Abs. 1 BGB).
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Hotel bzw. den Club und seine Einrichtungen in erster Linie den Hotel- bzw. Clubbetreiber. Daneben hat auch der Reiseveranstalter eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit der Vertragshotels bzw. Ferienclubs. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger , umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. nur Sen.Urt. v. 18.07.2006 - X ZR 142/05, RRa 2006, 206). Bietet der Reiseveranstalter auch die vom Leistungsträger vor Ort erbrachten Animationsleistungen als eigene Leistungen an, so erstreckt sich seine Verkehrssicherungspflicht auch auf diese (OLG Karlsruhe MDR 2004, 35).
14
b) Da hier die Beklagte aufgrund der Reisebeschreibung in ihrem Prospekt die Unterhaltungsveranstaltungen im Clubtheater als eigene Leistung schuldete, hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend diese Veranstaltungen der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten unterworfen (Sen.Urt. v. 14.12.1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188). Ein Rechtsfehler liegt jedoch darin , dass das Berufungsgericht im Folgenden ausschließlich auf das Verschulden der Animateurin abgestellt hat, nämlich auf ihre Pflicht, das Schuhewerfen zu untersagen. Die Animateurin war nicht bei der Beklagten angestellt, sondern gehörte zum Personal des Clubs. Das Berufungsgericht hat also der Beklagten das Verhalten einer Clubangestellten zugerechnet. Das steht, wie die Revision zu Recht rügt, nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach der Leistungsträger des Reiseveranstalters und dessen Erfüllungsgehilfen nicht Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters im Sinne des § 831 BGB sind, weil es an der dafür notwendigen sozialen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit im Verhältnis zum Reiseveranstalter fehlt (BGH, Urt. v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298 ff., und ständig).
15
c) Ein eigenes Auswahl- oder Kontrollverschulden der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten oder ihrer Verrichtungsgehilfen hinsichtlich der Animationsveranstaltungen hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Der Reiseveranstalter, der einen Clubbetreiber sorgfältig ausgewählt hat, ist nicht verpflichtet, sich von diesem die geplanten Animationsspiele zur Genehmigung vorlegen zu lassen. Vielmehr darf ihm der Reiseveranstalter zunächst einmal insoweit Vertrauen schenken und sich darauf verlassen, dass er keine mit vermeidbaren Gefahren behafteten Spiele durchführen wird. Aus demselben Grund muss sich der Reiseveranstalter auch nicht jedes neue Spiel bei der ersten Durchführung ansehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr eine stichprobenartige Überprüfung des Animationsprogramms. Der Reiseveranstalter braucht also gegen vom Clubbetreiber angebotene Animationsveranstaltungen nur dann einzuschreiten, wenn er im Rahmen der von ihm zu verlangenden Stichproben die Gefährlichkeit eines Programmpunktes erkannt hat oder erkennen musste und deshalb Anlass zum Einschreiten hatte. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.
16
Eine deliktische Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist daher zu verneinen.
17
2. Eine vertragliche Haftung der Beklagten aus § 651f BGB kommt hingegen in Betracht.

18
a) Im Falle eines Reisemangels kann der Reisende Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat (§ 651f Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Danach ist die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
19
aa) Ihr Unfall stellte einen Reisemangel dar.
20
Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern (§ 651c Abs. 1 BGB). Ein Mangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., vor § 651c Rdn. 2). Da der Reiseveranstalter dem Reisenden aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren schuldet, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, fallen jedenfalls auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters , d.h. infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er einzustehen hat, unter den Mangelbegriff (Palandt/Sprau, aaO; OLG Celle RRa 2004, 156; OLG Düsseldorf RRa 2003, 14). Im vorliegenden Fall kommt es nicht auf die darüber hinausgehende Rechtsprechung des Senats an, dass allein die Realisierung einer objektiv vorhandenen Gefahr einen Mangel herbeiführt, ohne dass an dieser Stelle schon geprüft werden müsste, ob die Gefahr für den Reiseveranstalter erkennbar war (in diesem Sinne Sen.Urt. NJW 2000, 1188 unter 1.3.).
21
Denn nach Feststellung des Berufungsgerichts lag eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Verkehrssicherungspflicht bedeutet nicht, dass gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen getroffen werden müssen. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst vielmehr diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Urt. v. 16.05.2007 - VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326; v. 16.02.2006 - II ZR 68/05, VersR 2006, 665). Dass dies hier der Fall war, hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Dies ergibt sich konkludent aus der Ansicht des Berufungsgerichts, die Animateurin hätte darauf hinweisen können und müssen, dass Schuhe nicht auf die Bühne geworfen werden dürften; diese Reaktion der Zuschauer sei nicht derartig fernliegend gewesen , dass sich damit bei einer hierauf beruhenden Verletzung nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht hätte. Damit hat das Berufungsgericht nicht bloß bejaht, dass die Animateurin das Schuhewerfen als naheliegende Reaktion vorhersehen konnte, sondern auch, dass sie auch mit der dadurch entstehenden Verletzungsgefahr für andere Zuschauer rechnen musste; denn die der Animateurin auferlegte Verbotspflicht konnte nur den Sinn haben, Verletzungen zu verhüten. Diese tatrichterliche Feststellung unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungsgesetze gewürdigt worden ist (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Urt. v. 13.07.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768). Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich. Dass die Begründung des Berufungsgerichts sparsam ausgefallen ist, genügt hierfür nicht.
22
bb) Ist demnach von einem Reisemangel auszugehen, so hat die Beklagte den ihr nach § 651f Abs. 1 2. Halbs. BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht.
23
(1) Im Falle eines Reisemangels wird zu Lasten des Reiseveranstalters vermutet, dass er den Mangel zu vertreten hat (§ 276 BGB). Dem Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muss er darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen - zu denen sein Leistungsträger gehört - und keiner von den Erfüllungsgehilfen des Leistungsträgers verschuldet hat. Dabei muss der Reiseveranstalter für sämtliche ernstlich in Betracht kommenden Schadensursachen den Entlastungsbeweis erbringen (Sen.Urt. v. 09.11.2004 - X ZR 119/01, BGHZ 161, 79, 82, 84).
24
(2) Der Beklagten, die im Rahmen der hier zu prüfenden Haftung aus Vertrag demnach unter anderem den Beweis für ein fehlendes Verschulden der Animateurin als Erfüllungsgehilfin ihres Leistungsträgers führen müsste, ist dies nicht gelungen. Das Berufungsgericht hat ein fahrlässiges Fehlverhalten der Animateurin in rechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Indem es eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit der Begründung bejaht hat, dass die Animateurin die Verletzungsgefahr vorausschauend hätte erkennen und durch den Hinweis, die Schuhe dürften nicht geworfen werden, hätte abwenden können, hat es gleichzeitig festgestellt, dass die Animateurin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt hat (§ 276 BGB).
25
b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von einem Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche infolge Fristversäumung ausgegangen. Der Reisende hat allerdings einen Anspruch nach § 651f BGB innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen (§ 651g Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur noch durchsetzen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist (§ 651g Abs. 1 Satz 3 BGB). Letzteres war bei der Klägerin der Fall, weil die Beklagte sie pflichtwidrig nicht auf diese Ausschlussfrist hingewiesen hatte.
26
aa) Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV und nach § 651a Abs. 3 BGB muss die Reisebestätigung, die der Reiseveranstalter dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigen hat (§ 6 Abs. 1 BGB-InfoV), unter anderem Angaben über die nach § 651g BGB einzuhaltenden Fristen enthalten. Der Text der der Klägerin übergebenen Reisebestätigung erwähnte die einmonatige Ausschlussfrist nicht.
27
§ 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV besagt zwar, dass der Reiseveranstalter seine Verpflichtungen nach Abs. 2 auch dadurch erfüllen kann, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach Abs. 2 entsprechen. Die Beklagte hat indessen auch nicht auf diese Art ihre Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt.
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(1) Es fehlte schon an einer inhaltlich ausreichenden Verweisung auf den Prospekt. Dafür genügt nicht ein allgemeiner Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters, wie er in der der Klägerin übermittelten Reisebestätigung enthalten war. Ein solcher Hinweis verfehlt den Gesetzeszweck, den Reisenden vor der einmonatigen Ausschlussfrist zu war- nen. Denn eine wirksame Warnung findet nicht statt, wenn die Ausschlussfrist als eine unter vielen Klauseln in den meist umfangreichen und klein gedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verborgen ist. Eine Verweisung im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV, welche die komplette Information über die Ausschlussfristen nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV ersetzt, muss zumindest einen Hinweis auf die Existenz von Ausschlussfristen und deren Fundstelle im Prospekt enthalten (Staudinger/J.Eckert, BGB, 2003, Anh. zu § 651a, § 6 BGBInfoV Rdn. 18).
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(2) Außerdem setzt ein Ersatz der Warnung durch Verweisung auf den Prospekt im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV voraus, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden den Prospekt zur Verfügung gestellt hat. Dass dies hier geschehen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zumindest bei einer Buchung, die, wie hier, im Reisebüro erfolgt, muss der Katalog dem Reisenden ausgehändigt worden sein; es genügt nicht, dass der Katalog in der Buchungsstelle einsehbar war (Tempel, RRa 2002, 186). Für die Aushändigung ist der Reiseveranstalter darlegungs- und beweispflichtig (Staudinger/J. Eckert, aaO). Dass die Beklagte dem genügt hat, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden; die Revision hat insoweit keine Rügen erhoben.
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(3) Schließlich war die vorliegende Verweisung auch deshalb kein tauglicher Ersatz für die vorgeschriebene Angabe der Ausschlussfrist, weil sie zu klein und unauffällig gedruckt war, um eine Warnfunktion erfüllen zu können. Ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen muss deutlich und bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit des Kunden ohne weiteres erkennbar sein (BGH, Urt. v. 18.06.1986 - VIII ZR 137/85, NJW-RR 1987, 112; Palandt/ Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305 Rdn. 29). Das war hier wegen des schwer lesbaren Kleinstdrucks nicht der Fall.
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bb) Wegen des unterlassenen Hinweises auf die Ausschlussfrist kann die Klägerin trotz objektiver Fristversäumung ihre Schadensersatzansprüche noch geltend machen, weil sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 651g Abs. 1 Satz 3 BGB). Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
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(1) Nach dem Willen des Gesetzgebers findet der Ausschluss der verspätet geltend gemachten Ansprüche des Reisenden seine Rechtfertigung darin , dass der Reiseveranstalter nach Ablauf eines Monats regelmäßig Schwierigkeiten haben wird, wenn er die Berechtigung der Mängelrüge überprüfen will. Weitere Nachteile können dem Reiseveranstalter dadurch entstehen, dass er Regressansprüche gegen Leistungsträger nicht mehr durchsetzen kann oder jedenfalls bei der Durchsetzung in Beweisnot gerät (Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung - Entwurf I -, BT-Drucks. 8/786, S. 32 sowie zum Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestags - Entwurf II -, BT-Drucks. 8/2343, S. 11). Dahinter steht der Gedanke der schnellen Beweissicherung: Der Reiseveranstalter soll kurzfristig erfahren, welche Gewährleistungsansprüche auf ihn zukommen, damit er alsbald die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen, insbesondere die Erinnerung der Beteiligten und den Zustand von Hoteleinrichtungen festhalten kann (Sen.Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03, BGHZ 159, 350, 354).
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Andererseits soll die den Reiseveranstalter privilegierende Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB zur Vermeidung von Härtefällen durch die Eröffnung eines Exkulpationsbeweises für den Reisenden entschärft werden. Dazu heißt es in der Begründung des ersten Gesetzesentwurfs: "Die Bestimmung des S. 3 ist mit den Erfordernissen eines angemessenen Kundenschutzes vereinbar. Dazu ist zu bemerken, dass die Geltendmachung der mängelbedingten Ansprüche durch die Anzeige nach S. 1 der Form und dem Inhalt nach denkbar erleichtert ist. Selbst wenn aber im Einzelfall die Frist versäumt wird, tritt der Ausschluss von Ansprüchen nur ein, wenn der Reisende die Fristversäumnis zu vertreten hat" (BT-Drucks. 8/786, S. 32). In der Begründung des zweiten Gesetzesentwurfs heißt es insoweit: "Die Ausschlussfrist tritt nur dann ein, wenn der Reisende die Unterlassung einer fristgerechten Anzeige zu vertreten hat (§ 276 BGB)" (BT-Drucks. 8/2343, S. 11).
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Bei der demnach notwendigen Abwägung des Interesses des Reiseveranstalters an einer Begrenzung seiner Haftung gegen das Interesse des Reisenden am Ersatz der ihm entstandenen Schäden dürfen an den Entschuldigungsbeweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Die Ausschlussfrist stellt ein Privileg des Reiseveranstalters dar, das ihm eine im übrigen Zivilrecht weitgehend unbekannte Möglichkeit eröffnet, vor Ablauf der Verjährungsfrist leistungsfrei zu werden. Die vergleichbare Vorschrift des § 12 Abs. 3 VVG, die für den Ausschluss eine wesentlich längere Zeitspanne bestimmt (sechs Monate), soll im Hinblick darauf abgeschafft werden, dass das Interesse des Versicherers an baldiger Klarheit über die auf ihn zukommenden Ansprüche keine derartige Sonderregelung rechtfertige, die dem Versicherer die Möglichkeit gebe, die Verjährungsfrist zu Lasten des Vertragspartners einseitig zu verkürzen (Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, BT-Drucks. 16/3945, S. 6). Auch vor diesem Hintergrund gebietet das Ausmaß der Privilegierung des Reiseveranstalters, den Entschuldigungsbeweis des Reisenden, soll er ein wirksames Gegengewicht bilden, nicht kleinlich zu handhaben.
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(2) Soweit ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob der Reisende diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein vernünftiger Kunde bei der Fristwahrung seiner Ansprüche gegen den Reiseveranstalter walten lässt. Da Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraussetzt, kommt es dabei darauf an, ob der Reisende die Versäumung der Anmeldefrist voraussehen konnte. Ob im Einzelfall den Reisenden kein Verschulden trifft, unterliegt im Wesentlichen der revisionsrechtlich nur beschränkt nachprüfbaren Würdigung des Tatrichters (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1992 - IV ZR 198/91, NJW 1992, 2233). Da hier indessen das Berufungsgericht die Möglichkeit der Exkulpation nicht gesehen und daher nicht geprüft hat, ob die Klägerin entschuldigt ist, und da außerdem insoweit keine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist, kann der Senat diese Prüfung selbst vornehmen (Sen.Urt. v. 19.04.2005 - X ZR 15/04, NJW 2005, 2766).
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(3) Ein Verschulden der Klägerin ist zu verneinen.
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(a) Eine schuldhafte Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet von vornherein aus, wenn der Reisende die Frist nicht kannte und auch nicht kennen musste. Diesbezüglich besteht eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Reisenden (weitergehend Staudinger/J.Eckert, BGB (2003), § 651g Rdn. 5, 20 m.w.N.), wenn er - wie hier - vom Reiseveranstalter nicht auf die Frist hingewiesen worden ist. Diese Vermutung folgt aus der in § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV und § 651a Abs. 3 BGB klar niedergelegten Wertung des Gesetzgebers, dass die Reisenden in der Regel die Ausschlussfrist nicht kennen und deshalb zu ihrem Schutz der Belehrung darüber bedürfen. Mit diesem Motiv des Gesetzgebers und dem Schutzzweck des Gesetzes wäre es nicht zu vereinbaren, wenn nicht belehrte Reisende den schwer zu führenden Beweis erbringen müssten, dass sie nicht auf andere Weise Kenntnis von der Ausschlussfrist erlangt haben. Aus demselben Grund kann auch die für das Versicherungsrecht aufgestellte Sorgfaltspflicht, dass der Versicherungsnehmer sich über den wesentlichen Inhalt der Vertragsbedingungen, darunter eine etwaige Ausschlussfrist, informieren muss (BGH NJW 1992, 2233), für § 651g Abs. 1 BGB nicht gelten. Ohne die Vermutung der unverschuldeten Unkenntnis des nicht belehrten Reisenden würde die gesetzliche Hinweispflicht des Reiseveranstalters nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV, § 651a Abs. 3 BGB weitgehend leerlaufen.
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(b) Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Klägerin sei nicht entschuldigt , weil sie zur unverzüglichen Nachholung der Anspruchsanmeldung verpflichtet gewesen sei, sich aber nach der Krankenhausuntersuchung am 18. November 2004 noch bis zum 10. Januar 2005 Zeit gelassen habe. Dieser Einwand ist unbehelflich, weil die Beklagte verkannt hat, dass, wie die Pflicht zur fristgerechten Anmeldung, so auch die Pflicht zur unverzüglichen Nachholung bei unverschuldeter Fristversäumung (Sen.Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03 unter II 2 a) nur verletzt sein kann, wenn zuvor der Anspruchsgegner seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt oder der Anspruchssteller diese auf andere Weise in Erfahrung gebracht hatte. Nach dem hier festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte den Hinweis indes unterlassen und war die Ausschlussfrist der Klägerin auch nicht anderweitig bekannt. Auf die Erklärung der Klägerin, dass und weshalb sie ihren Anspruch erst im Januar 2005 anmelden konnte, kommt es daher nicht an.
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(c) Im Übrigen wäre die Fristversäumung der Klägerin auch deshalb entschuldigt , weil sie das erst mehrere Monate nach dem Unfall symptomatisch gewordene fokale Anfallsleiden bis zum Ablauf der Frist nicht erkennen konnte.
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(aa) Die Gefahr einer verspäteten Anspruchsanmeldung ist nur bei Kenntnis oder Erkennbarkeit des Schadensersatzanspruchs vorhersehbar. Unkenntnis des anspruchbegründenden Schadens ist daher ein Entschuldigungsgrund (BGHZ 159, 350, 358). Dies muss auch für gesundheitliche Spätschäden gelten, wenn dem Verletzten zwar die ursprüngliche Verletzung vor Fristablauf bekannt war, er aber die Folgeschäden persönlich nicht vorhersehen konnte.
Denn ein Reisender handelt weder sich selbst noch dem Reiseveranstalter gegenüber fahrlässig, wenn er im Glauben, die ihm bekannte Verletzung sei folgenlos ausgeheilt, den scheinbar harmlosen Unfall nicht aufbauschen will und deshalb auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zunächst verzichtet. Wollte man von dem Reisenden verlangen, auch wegen einer nach seinen persönlichen Erkenntnismöglichkeiten geringfügigen, folgenlos ausgeheilten Verletzung Schadensersatzansprüche anzumelden, würde man dem Reisenden nicht nur eine überzogene Sorgfalt gegenüber sich selbst aufbürden, sondern wäre auch dem Reiseveranstalter nicht gedient, der dann mit einer Vielzahl ansonsten unterbleibender im Ergebnis unnötiger Schadensersatz- und Feststellungsansprüche überzogen und zu einer Verwaltungskosten verursachenden Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts gezwungen würde. Hier fällt der vom Senat bereits in anderem Zusammenhang berücksichtigte Umstand ins Gewicht, dass die Überprüfung solcher Beanstandungen mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist und deshalb auf der Seite des Reiseveranstalters ein anzuerkennendes und schützenswertes Interesse daran besteht, diese Tätigkeiten nicht vergeblich in Gang zu setzen (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 97/99, BGHZ 145, 343, 349).
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(bb) Die Klägerin konnte das später aufgetretene fokale Anfallsleiden nicht vorhersehen. Nach Feststellung des Berufungsgerichts war die Klägerin etwa 14 Tage nach dem Unfall völlig beschwerdefrei. Sie hatte deshalb keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Folgeschadens.
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(cc) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche wegen Spätfolgen ist auf § 651g Abs. 1 Satz 3 BGB nicht übertragbar. Diese Rechtsprechung besagt, dass die die Verjährungsfrist in Lauf setzende Kenntnis vom Schaden nicht gleichbedeutend ist mit Kenntnis von Umfang und Höhe des Schadens, sondern dass auch nachträg- lich auftretende Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden für Fachleute als möglich vorhersehbar waren, von der allgemeinen Schadenskenntnis erfasst werden (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.11.1999 - VI ZR 37/99, NJW 2000, 8961 Rdn. 8). Sie stellt das Interesse des Schädigers an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in den Vordergrund und beruht auf der Annahme, dass es in aller Regel dem Geschädigten zuzumuten ist, schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden Erstschädigung sich durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen eine Verjährung zu sichern (Urt. v. 27.11.1990 - VI ZR 2/90 Rdn. 14, 19).
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Diese Rechtsprechung ist aus doppeltem Grund nicht auf § 651g Abs. 1 Satz 3 BGB übertragbar. Zum einen wird dort, anders als bei dem Beginn der Verjährung, nicht auf die Kenntnis des Schadens (§ 852 BGB a.F.), sondern auf das Verschulden des Reisenden abgestellt. Bei Fahrlässigkeit kommt es also auf dessen persönliche Erkenntnismöglichkeiten an, nicht etwa, soweit es um die Vorhersehbarkeit gesundheitlicher Spätfolgen geht, auf die Wissensmöglichkeiten seiner behandelnden Ärzte oder gar außenstehender medizinischer Sachverständiger. Zum anderen wäre es nicht gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des dem Geschädigten nachteiligen Gedankens der Schadenseinheit noch weiter auszuweiten, indem man ihn von der immerhin dreijährigen Verjährungsfrist , in der sich mancher Folgeschaden schon zeigen mag, auf die nur einmonatige Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB überträgt, die dem Geschädigten wegen ihrer Kürze so gut wie keine Chance zur Entdeckung von Folgeschäden gibt.
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3. Die Beklagte haftet also, wenngleich nicht aus Delikt, so doch aus Vertrag, sofern die geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin auf den Unfall zurückzuführen sind. Dies ist entgegen der Ansicht des Be- rufungsgerichts streitig. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das einfache Bestreiten der Beklagten nicht gelten lassen.
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a) Vorweg ist klarzustellen, dass das Berufungsgericht nicht etwa aufgrund der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung den Beweis für den von ihr dargelegten Gesundheitsschaden und die Kausalität des Vorfalls am 24. Mai 2004 als erbracht angesehen hat. Vielmehr hat es die ärztlichen Bescheinigungen nur herangezogen, um eine Pflicht der Beklagten zum substantiierten Bestreiten zu begründen und einfaches Bestreiten für unbeachtlich zu erklären.
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b) Damit ist das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen. Eine Pflicht der Partei, auf Behauptungen des Prozessgegners substantiiert, d.h. mit näheren positiven Angaben, zu erwidern, soll ihr Bestreiten beachtlich sein, besteht nicht schlechthin. Sie kann aber dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urt. v. 17.03.1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196). Davon ist in der Regel auszugehen, wenn sich die behaupteten Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Bestreitenden abgespielt haben. Steht die Partei den Geschehnissen aber erkennbar fern, so kann von ihr eine nähere Substantiierung ihres Bestreitens nicht verlangt werden, vielmehr genügt dann ein einfaches Bestreiten (vgl. nur BGH, Urt. v. 14.05.2004 - V ZR 164/03, MDR 2004, 1349 Rdn. 13). So ist es hier, wo die Kausalität der Verletzung vom 24. Mai 2004 für das fokale Anfallsleiden der Klägerin sowie Art und Umfang dieses Leidens außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Beklagten liegen. Sie besitzt keinen medizinischen Sachverstand und ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht verpflichtet, zu ihrer Rechtsverteidigung einen medizinischen Privatgutachter hinzuziehen.
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c) Der Klägerin ist im Rahmen der vertraglichen Haftung kein Mitverschulden anzulasten. Nicht zu folgen ist der Ansicht der Revision, wenn der Animateurin angelastet würde, dass sie die Schuh-Wette für gefährlich hätte halten müssen, würde dies genauso für die Klägerin gelten. Da, wie oben dargelegt , die vorausschauende Prüfung des Reiseveranstalters, ob seine vertraglichen Leistungen Gefahren für die Reisenden mit sich bringen werden, zu seiner Verkehrssicherungspflicht gehört, die beim Reisevertrag eine Vertragspflicht darstellt, darf der Reisende, solange er nicht gewarnt wird, sich grundsätzlich auf die Ungefährlichkeit der Reiseleistungen verlassen, es sei denn, dass er die Gefahr ohne nähere Prüfung - die andererseits der Reiseveranstalter gerade schuldet - erkennen konnte. Das war bei dem vorliegenden Wetten-dass-Spiel, das auf den ersten Blick einen harmlosen Anschein hatte, nicht der Fall.
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4. Da somit die Ursächlichkeit des Reiseunfalls für die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen und deren Art und Schwere streitig sind und das Berufungsgericht hierzu noch keine verfahrensfehlerfreien Feststellungen getroffen hat, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Nachholung der Beweisaufnahme, insbesondere zur Einholung des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 20.09.2005 - 18 O 231/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 20.07.2006 - 11 U 255/05 -