Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Feb. 2015 - 11 W 302/15

bei uns veröffentlicht am27.02.2015
vorgehend
Landgericht Landshut, 74 O 1092/14, 04.09.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I.

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Wert der Beschwerde beträgt 905,00 EUR.

IV.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe

I. Die Klägerin hatte gegen das ihre Klage abweisende Endurteil des Landgerichts Landshut vom 04.09.2014 mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.09.2014 Berufung eingelegt und diese in der Folgezeit mit Schriftsatz vom 09.10.2014 begründet. Die Berufungsbegründung ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16.10.2014 zugestellt worden. Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat mit Beschluss vom 22.10.2014 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Parteien haben Gelegenheit erhalten, zu diesem Hinweis bis zum 14.11.2014 Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12.11.2014, beim Berufungsgericht eingegangen am selben Tag, ihre Berufung zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist den Beklagtenvertretern erst am 20.11.2014 zugestellt worden.

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 13.11.2014 die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt und dieser die Kosten des Berufungsverfahrens, dessen Streitwert auf 5.355,00 € festgesetzt worden ist, auferlegt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben mit Schriftsatz vom 14.11.2014, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, mit einer kurzen Begründung die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 20.01.2015 die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei als Gesamtgläubiger zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens antragsgemäß auf 905,00 EUR festgesetzt und dabei eine 1,6 Verfahrensgebühr zuzüglich einer 0,9 Gebührenerhöhung (wegen der Vertretung dreier weiterer Auftraggeber) berücksichtigt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 27.01.2015. Zur Begründung wird ausgeführt, die festgesetzten Gebühren seien nicht erstattungsfähig, da der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Sachanträgen vom 14.11.2014 datiere, während das Oberlandesgericht München bereits mit Beschluss vom 13.11.2014 festgestellt habe, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei. Mit diesem Beschluss sei das Verfahren beendet worden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien also erst nach der Beendigung des Berufungsverfahrens tätig geworden. Zudem habe das Oberlandesgericht der Klägerin für die Rücknahme der Berufung eine Frist bis zum 14.11.2014 gesetzt. Es sei für die Rechtsverteidigung der Beklagten nicht notwendig gewesen, innerhalb dieser Frist die Zurückweisung der Berufung zu beantragen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Rechtspflegerin hat für das Berufungsverfahren zutreffend eine 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 VV-RVG zuzüglich einer 0,9 Gebührenerhöhung nach der Nr. 1008 VV-RVG als erstattungsfähig berücksichtigt.

1. Mit der Einreichung des Schriftsatzes vom 14.11.2014 ist für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 VV-RVG angefallen. Wie sich nämlich aus der Nr. 3201 Anm. Nr. 1 VV-RVG ergibt, erhält der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthält. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

a) Der Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 14.11.2014 enthält den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin und daneben auch eine kurze Stellungnahme zum Hinweis des Berufungsgerichts sowie zur Berufungsbegründung der Klägerin und damit auch Sachvortrag. Es war den Beklagtenvertretern nicht verwehrt, sich auf eine kurze Äußerung zu beschränken und dabei auf die zutreffende Rechtsauffassung des Erstgerichts und auf die vom Berufungsgericht erteilten Hinweise Bezug zu nehmen.

b) Im Übrigen hätte allein die Stellung des Sachantrags die volle Verfahrensgebühr ausgelöst, auch wenn die Beklagtenvertreter sich mit der Berufungsbegründung inhaltlich überhaupt nicht auseinandergesetzt hätten (BGH AnwBl. 2009, 235 = JurBüro 2009, 142).

2. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6 Verfahrensgebühr ist auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12.11.2014 (per Telefax), also vor Erstellung des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter, zurückgenommen hatte, steht dem nicht entgegen. Von der Rücknahme des Rechtsmittels hatten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nämlich erst durch die Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20.11.2014 Kenntnis erhalten. Dazwischen könnte ihnen noch der Kostenbeschluss des Oberlandesgerichts vom 13.11.2014 zugegangen sein, auch dies aber frühestens am 18.11.2014, nachdem der genannte Beschluss vom Berufungsgericht erst am 17.11.2014 zur Post gegeben worden ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats und anderer Oberlandesgerichte sind die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit bekannt war oder bekannt sein musste, dass das Rechtsmittel bereits zurückgenommen worden war (Senatsbeschlüsse vom 29.01.2008 - 11 W 715/08 und vom 22.10.2010 - 11 W 1560/09 = JurBüro 2011, 90 = AGS 2011, 44 und 103; Kammergericht JurBüro 1974, 1271 und NJW 1975, 125; OLG Koblenz JurBüro 2005, 81; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Auflage, VV 3201 Rn. 16 und Anhang VI Rn. 318). Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Ohne Bedeutung ist dabei die im vorliegenden Fall gegebene Besonderheit, dass das Berufungsgericht zum Zeitpunkt der Erstellung und Einreichung des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.11.2014 bereits mit Beschluss vom 13.11.2014 festgestellt hatte, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig war und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hatte. Dieser Beschluss hatte nämlich für die genannten Wirkungen der Berufungsrücknahme, die sich bereits aus dem Gesetz ergeben und schon durch die Rechtsmittelrücknahme eingetreten waren, lediglich deklaratorische Bedeutung (Musielak/Ball, ZPO, 11. Auflage, § 516 Rn. 20).

b) Auch bei dem vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme der Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen mit Sachanträgen wird in der Rechtsprechung überwiegend die Auffassung vertreten, dass diese bei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten die volle Verfahrensgebühr auslösen, die dann auch erstattungsfähig ist (Senat AnwBl. 1985, 44; OLG Celle Beschluss vom 02.03.2010 - 2 W 69/10 - RVGreport 2010, 195 mit zust. Anm. von Hansens; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 83; OLG Köln JurBüro 1991, 930; vgl. auch Hansens RVGreport 2009, 23 und 2007, 349; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., VV 3100 Rn. 141).

c) Der Bundesgerichtshof hat zwar mit Beschluss vom 23.11.2006 - I ZB 39/06 (NJW-RR 2007, 1575 = MDR 2007, 1163 = JurBüro 2007, 430) entschieden, die durch die Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten seien auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Antragsgegner die Antragsrücknahme nicht gekannt habe oder habe kennen müssen, weil sich die Notwendigkeit von Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nach einem objektiven Maßstab beurteile. Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht ohne weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder der Berufung übertragen werden (so aber OLG Brandenburg Beschluss vom 25.08.2009 - 6 W 70/08 - nur in „Juris" veröffentlicht, für den Fall der Berufungserwiderung und OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 426 = JurBüro 2009, 37 zur Klageerwiderung). Während es sich bei einer Schutzschrift um ein in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes vorbeugendes Verteidigungsmittel gegen einen nur erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt (Senat AnwBl. 2007, 874 = OLGR 2007, 963 = AGS 2007, 557; OLG Celle a. a. O.; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Auflage, § 935 Rn. 9), ist die Erwiderung auf eine bereits zugestellte Klage oder eine Rechtsmittelbegründung innerhalb der gesetzlichen oder vom Gericht gesetzten Frist für eine sachgerechte Rechtsverteidigung unverzichtbar. Es wäre daher mit den berechtigten Interessen des (Rechtsmittel-) Beklagten nicht vereinbar, diesem die Erstattung der vollen Verfahrensgebühr zu versagen, obwohl er von der Rücknahme des Rechtsmittels bzw. der Klage zum Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten keine Kenntnis haben konnte.

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin mussten die Beklagten mit ihrer Stellungnahme auch nicht den Ablauf der vom Oberlandesgericht für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO abwarten. Nach der Begründung des Rechtsmittels durch die Klägerin hatten die Beklagten nämlich ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und die vom Berufungsgericht angekündigte Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. Der Hinweis des Gerichts gab nämlich nur dessen vorläufige Auffassung wieder, eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege war folglich bei seiner Erteilung noch nicht sicher. Die Beklagten mussten deshalb nicht abwarten, ob die Klägerin ihre Berufung tatsächlich zurücknehmen oder ob das Oberlandesgericht sie schließlich entsprechend der geäußerten Absicht zurückweisen würde (BGH, Beschluss vom 09.10.2003 - VII ZB 17/03 = NJW 2004, 73).

3. Die Beklagte hat somit einen Anspruch auf Erstattung einer vollen 1,6 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3200 VV-RVG zuzüglich einer 0,9 Gebührenerhöhung wegen der Vertretung dreier weiterer Auftraggeber (Beklagter) in Höhe von 885,€ netto. Dazu kommt die Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 €, so dass sich insgesamt der von der Rechtspflegerin festgesetzte Betrag von 905,00 € errechnet.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Da die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Brandenburg eine abweichende Auffassung vertreten, war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Feb. 2015 - 11 W 302/15

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Feb. 2015 - 11 W 302/15 zitiert 6 §§.

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(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 17/03
vom
9. Oktober 2003
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stellt der Berufungsbeklagte nach Begründung des Rechtsmittels und vor einer Entscheidung
des Gerichts über dessen mögliche Zurückweisung durch Beschluß einen
Sachantrag, sind die dadurch entstehenden Anwaltsgebühren notwendige Kosten
der Rechtsverteidigung.
BGH, Beschluß vom 9. Oktober 2003 - VII ZB 17/03 -OLG Oldenburg
LG Aurich
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 8. Mai 2003 aufgehoben und unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Klägers der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Aurich vom 5. November 2002 wiederhergestellt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerdeinstanz wird auf 929,85

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte für das Berufungsverfahren trotz Rücknahme des Rechtsmittels die Erstattung der vollen anwaltlichen Prozeßgebühr verlangen kann. Der Kläger hatte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt und diese begründet. Kurz darauf stellte der Beklagte einen Berufungszurückweisungsantrag. Nachdem das Gericht den Kläger auf die fehlenden Er-
folgsaussichten seines Rechtsmittels aufmerksam gemacht und eine Zurückweisung durch Beschluß nach § 522 Abs. 2 ZPO angekündigt hatte, nahm dieser seine Berufung zurück. Das Landgericht hat auf Antrag des Beklagten die für dessen Rechtsanwälte angefallene volle Prozeßgebühr nach §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO festgesetzt. Das Beschwerdegericht hat auf Rechtsmittel des Klägers lediglich eine halbe Gebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO zuerkannt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beklagten. Eine zuvor beim Beschwerdegericht eingelegte Gegenvorstellung ist erfolglos geblieben.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts. 1. Das Beschwerdegericht meint, der Antrag auf Zurückweisung der Berufung sei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO unmittelbar nach Berufungsbegründung noch nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte habe nach Rechtsmitteleinlegung einen Anwalt mit seiner Vertretung in zweiter Instanz beauftragen dürfen. Vor Stellung eines Sachantrages habe er aber das Ergebnis der vom Gericht von Amts wegen anzustellenden Prüfung nach § 522 Abs. 2 ZPO abwarten müssen, ob die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen ist. Im übrigen habe sich die kurz nach dem Zurückweisungsantrag eingereichte Stellungnahme des Beklagten in einer zustimmenden Äußerung zu der beabsichtigten Vorgehensweise des Gerichts sowie einem Hinweis auf einen bereits in erster Instanz ausreichend dargelegten Gesichtspunkt erschöpft.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Richtig ist allerdings, daß bei einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung ein die volle Prozeßgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne nicht notwendig ist, solange ein Berufungsantrag nicht gestellt und eine Begründung nicht eingereicht worden ist (BGH, Beschluß vom 17. Dezember 2002 – X ZB 27/02, NJW 2003, 1324; BGH, Beschluß vom 3. Juni 2003 – VIII ZB 19/03, BB 2003, 1754). Ein solcher Fall lag nicht vor; die Berufung war bereits begründet, als der Beklagte deren Zurückverweisung beantragte.
b) Bis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluß nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO mußte der Beklagte mit der Stellung eines Sachantrags nicht abwarten. aa) Der Bundesgerichtshof hat dem Rechtsmittelbeklagten, der einen Sachantrag vor Begründung des Rechtsmittels stellen läßt, die Erstattung der vollen Prozeßgebühr versagt, weil er sich inhaltlich nicht mit dem Antrag und der Begründung auseinandersetzen und das Verfahren durch einen entsprechenden Gegenantrag fördern könne (BGH, Beschluß vom 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03, BB 2003, 1754). Diese Erwägung trägt nach Einreichung der Berufungsbegründung auch dann nicht mehr, wenn das Berufungsgericht noch nicht über eine mögliche Zurückweisung der Berufung durch Beschluß entschieden hat. Nach Begründung des Rechtsmittels hat der Berufungsbeklagte ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlußwege durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. An einer Entscheidung im Beschlußwege hat der Berufungsbeklagte nicht nur wegen der damit regelmäßig verbundenen Beschleunigung, sondern auch wegen
der durch § 522 Abs. 3 ZPO angeordneten Unanfechtbarkeit ein besonderes Interesse. Wäre die Auffassung des Beschwerdegerichts richtig, so müßte der Berufungsbeklagte bis zu einer Antragstellung und Erwiderung zunächst die Terminierung abwarten; ihm würde dadurch die Chance genommen, in seinem Sinne auf die Entscheidung des Gerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO einzuwirken. bb) Ob die vom Beklagten gegen die Berufung vorgebrachten Gesichtspunkte neu waren oder sich die zur Rechtfertigung des Zurückweisungsantrags vorgebrachten Argumente in bloßen Wiederholungen erschöpften, ist kostenrechtlich ohne Belang. Die Ausgestaltung der anwaltlichen Gebühren als im wesentlichen streitwertabhängige Pauschalen verbietet eine Prüfung, welcher Aufwand mit der Stellung des Gegenantrages und der Begründung für den Anwalt verbunden war.
c) Der Beklagte kann die Erstattung der vollen Prozeßgebühr nach §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO auch dann verlangen, wenn seinem Bevollmächtigten der Hinweis des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlußwege bei Antragstellung bereits bekannt gewesen sein sollte. Der Hinweis gab nur eine vorläufige Auffassung des Gerichts wieder, eine Zurückweisung der Berufung im Beschlußwege war bei seiner Erteilung nicht sicher. Der Beklagte mußte deshalb nicht zunächst abwarten, ob der Kläger seine Berufung zurücknehmen oder das Gericht sie entsprechend seiner Absicht zurückweisen würde.
d) Die Erstattungsfähigkeit der vollen Prozeßgebühr scheitert auch nicht daran, daß der Kläger den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten bei Berufungseinlegung gebeten hatte, von Gegenanträgen abzusehen, bis das Berufungsgericht Erwiderungsfrist gesetzt oder Verhandlungstermin anberaumt hat.
aa) Daß der Beklagte sich zu einem diesem Wunsch entsprechenden Verhalten ausdrücklich verpflichtet hätte, macht der Kläger nicht geltend. Aus dessen Schweigen durfte der Kläger nicht schließen, daß dieser mit einer Antragstellung unter Zurückstellung seiner eigenen Interessen tatsächlich bis zu einer Terminierung oder Fristsetzung warten werde. bb) Ob, wie es der Kläger behauptet hat, sämtliche im Bezirk des Oberlandesgerichts O. tätigen Rechtsanwälte zugesagt haben, vor einem Beschluß nach § 522 ZPO oder Terminierung keinen Antrag auf Berufungszurückzuweisung zu stellen, kann dahingestellt bleiben. Sollte die damit behauptete anwaltliche Übung tatsächlich bestehen, so wäre diese für den Beklagten nicht bindend. Dieser ist durch eine unter Anwälten bestehende Übung nicht gehindert, seine eigenen Interessen durch eine Antragstellung nach Begründung der Berufung zu wahren. Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.